wenn in diesem Jahr die Europawahl und danach die Bildung einer neuen EU-Kommission ansteht, entscheidet sich auch das Schicksal des europäischen Green Deal. Da ist es gut, vorher nochmal Zwischenbilanz zu ziehen. Die Wissenschaft hat das getan und siehe da: Die EU-Gesetze, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden soll, weisen Lücken auf, schreibt Lukas Scheid. Klar ist auch: Es muss alles schneller gehen.
In Deutschland steckt das Thema nach den Bauernprotesten und bei der aktuellen Grünen Woche eher fest. Im Interview erklärt Landwirtschaftsminister Özdemir bei uns, wie die Agrarminister weltweit mit dem Thema umgehen wollen. Und in einem Pro und Contra debattieren eine Expertin für Biodiversität und ein Bayer-Manager darüber, wie die Landwirtschaft in Afrika auf die Klimakrise reagieren soll.
Wie schnell die Zeit vergeht, wenn man bei der Arbeit Spaß hat, merken wir auch in der Climate.Table-Redaktion: Denn schon nächste Woche machen wir unsere 100. Ausgabe! Wir werden das ein bisschen feiern und uns dann ernsthaft an die nächsten 1.000 Ausgaben machen.
Die Kolleginnen und Kollegen vom Research.Table haben zu ihrer 99. Ausgabe, die sie zeitgleich mit uns feiern, auch ein Geschenk: Die ersten zehn Teile der beliebten Serie “Wissenschaftliche Politikberatung – quo vadis?” als Reader kann hier kostenlos heruntergeladen werden.
Viel Spaß und Erkenntnis beim Lesen
Die Anstrengungen der EU-Staaten zur Erreichung ihrer ambitionierten Klimaziele reichen bisher nicht aus. Dies offenbaren nicht nur die unzureichenden nationalen Energie- und Klimapläne der EU-Staaten (NECP), die klaffende Lücken insbesondere bei Maßnahmen gegen Verkehrs- und Gebäudeemissionen zeigen, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Nun hat auch der Europäische wissenschaftliche Beirat zum Klimawandel (ESABCC) bemängelt, es gebe Defizite bei bestehenden und geplanten Gesetzen rund um die EU-Klimaneutralitätsziele bis 2050.
Um die EU-Klimaziele zu erreichen, seien in allen Sektoren größere Anstrengungen erforderlich, insbesondere in den Bereichen Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. “Um auf dem richtigen Weg zu bleiben, müssen wir sicherstellen, dass die heutigen Maßnahmen mit unseren langfristigen Zielen übereinstimmen, und uns auf noch stärkere Reduzierungen nach 2030 vorbereiten”, analysiert der Beiratsvorsitzende und Umwelt-Ökonom Ottmar Edenhofer.
Konkret macht das Gremium 13 zentrale Empfehlungen, kurzfristige wie langfristige. Darunter:
Für den Ökonomen Edenhofer spielt die Ausweitung und weitere Überarbeitung der europäischen CO₂-Bepreisung im EU-Emissionshandelssystem (ETS) eine ganz entscheidende Rolle. Ein umfassendes System zur CO₂-Bepreisung würde beispielsweise auch weniger Lücken für die nicht nachhaltige übermäßige Nutzung von Biomasse lassen, sagt er. Zudem müsse das ETS neben dem Agrar- und Landnutzungssektor auch auf sogenannte diffuse Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ausgeweitet werden. Auch eine Ausweitung des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) auf fossile Importe würde sowohl Anreize für mehr Klimaschutz im Ausland bieten als auch Einnahmemöglichkeiten für die EU eröffnen.
Für die durch steigende CO₂-Preise erhöhten Lebenshaltungskosten, insbesondere bei einer Ausweitung auf den Agrarsektor, seien Ausgleichsmaßnahmen dringend notwendig, betont Edenhofer auch. Ein gerechter und fairer Übergang sei notwendig, um die öffentliche Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Damit Menschen mit geringem Einkommen nicht stärker belastet werden, müssten Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung verwendet werden, um emissionsarme Alternativen erschwinglich zu machen, heißt es in dem Bericht – eine Art von Klimageld also. Dafür müssten auch Einnahmen aus dem CBAM explizit für Klimaschutzmaßnahmen reserviert werden, fordern die Wissenschaftler.
Zwar gibt es mit dem Klimasozialfonds, der sich aus Einnahmen aus dem ETS 2 speist, bereits ein Instrument zur Abfederung von Preiserhöhungen im Verkehrs- und Gebäudesektor. Allerdings ist noch völlig unklar, ob die Mittel für die aktuellen Ziele des Fonds (rund 87 Milliarden Euro) überhaupt ausreichen – geschweige denn bei einer möglichen ETS-Ausweitung mitwachsen. Hier sehen die Forscherinnen und Forscher schnellen Klärungsbedarf.
Auch die Rolle von technologischen CO₂-Entnahmen und deren Speicherung oder Nutzung müsse schnell geklärt werden, schreibt das Expertengremium. Bis 2050 werde CCU/CCS nur eine begrenzte Rolle bei der Energieversorgung spielen, da die Technologien im Vergleich zu erneuerbaren Energien weniger effizient sind und höhere Risiken aufwiesen. Daher brauche es schnellstmöglich eine EU-Definition für unvermeidbare Restemissionen, beispielsweise aus dem Agrarbereich oder der Industrie, für die die CO₂-Abscheidung notwendig ist.
Anfang Februar stellt die EU-Kommission neben ihrem Vorschlag für das EU-Klimaziel 2040 auch eine Strategie für den Umgang industrieller Emissionen vor, um die Gesetzeslücken für CCS zu schließen. Aus einem Entwurf dieser Industrial-Carbon-Management-Strategie, der Table.Media vorliegt, geht hervor, dass die EU bis 2030 mindestens 50 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr und bis 2050 bis zu 450 Millionen Tonnen abscheiden muss, um 2050 klimaneutral zu sein.
Durch den Aufbau eines “grenzüberschreitenden, frei zugänglichen CO₂-Transportnetzes” soll ein Binnenmarkt für abgeschiedenen Kohlenstoff entstehen, der anschließend entweder unterirdisch gespeichert oder industriell weiterverarbeitet wird. Die Angaben über nötige Investitionssummen und Pipeline-Kilometer sind in dem Entwurf noch offen.
Die EU plant derzeit, durch den Net Zero Industry Act ab 2030 jährlich 50 Millionen Tonnen CO₂ unterirdisch zu speichern. Laut dem Entwurf geht die Kommission offenbar aber davon aus, jährlich 80 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr abscheiden zu können. Deshalb plant sie gemäß dem Entwurf, mehr wirtschaftliche Anreize für die Ermittlung und den Bau weiterer Speicherkapazitäten zu setzen.
Dies könne entweder durch die Integration von CO₂-Entnahmezertifikaten in das ETS oder durch die Schaffung eines separaten Handelsmechanismus geschehen, der direkt oder indirekt mit dem ETS verbunden wäre. Schließlich sollen bis 2040 mindestens 200 Millionen Tonnen CO₂ jedes Jahr gespeichert werden können, heißt es in dem Entwurf der Strategie.
Nach dem Sieg des China-kritischen William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei DPP bei den Präsidentschaftswahlen wird Taiwan wohl in der Energie- und Klimapolitik seinen bisherigen Kurs fortsetzen. Die Partei, die bereits seit acht Jahren den Präsidenten stellt, will die grüne Energie deutlich ausbauen. Denn die Abhängigkeit vom Ausland in dieser Frage ist groß und problematisch. Das Regieren dürfte allerdings schwieriger werden, da die Mehrheit der DPP im Parlament verloren ging.
Taiwans Achillesferse ist die fossile Energie. Mehr als 97 Prozent des Energiebedarfs wird importiert. Strom stammt zu mehr als 80 Prozent aus fossilen Brennstoffen. Der Knackpunkt: Die Insel muss ihre Kohle, ihr Öl und Gas auf dem Seeweg über die Taiwanstraße einführen. Das macht sie nach Ansicht von Expertinnen und Experten besonders anfällig für Störungen.
2022 importierte Taiwan 63,6 Millionen Tonnen Kohle, vor allem aus Australien und Indonesien. Beträchtliche Mengen an Kohle und Gas stammen laut statistischem Jahrbuch auch aus Russland – ein Staat, der im Falle einer akuten Krise und möglichen Blockade wohl zu China halten würde. Die Volksrepublik betrachtet die Insel vor ihrer Südküste als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Intervention.
“Bereits Chinas Marineübungen rund um Taiwan könnten die Versorgungslinien für einen begrenzten Zeitraum beeinträchtigen oder abschneiden”, schreibt Eugene Chausovsky, Analyst vom US-Thinktank New Lines Institute, im Magazin “Foreign Policy”. Selbst eine begrenzte Blockade der Taiwanstraße könnte laut Chausovsky für die Insel verheerend sein. Die Energiebehörde, Teil des Wirtschaftsministeriums, hat berechnet, dass die Vorräte von Erdgas derzeit nur für elf Tage und von Kohle für 39 Tage reichen. Beim Öl wären es 146 Tage.
Der wachsende Energiehunger des Landes dürfte die Lage noch verschärfen. Die wichtige Chip-Industrie klagt schon jetzt über Netzausfälle. Das größte Halbleiterunternehmen TSMC verschlingt allein mehr als sechs Prozent des Gesamtenergieverbrauchs des Landes.
Die Regierung in Taipeh hat die fossile Abhängigkeit und ihr geopolitisches Bedrohungspotenzial erkannt. Doch Grünstrom allein kann es kaum richten. Der Ausbau von Solar- und Windkraft hinkt den angepeilten Zielen hinterher. Eigentlich sollte der Erneuerbaren-Anteil am Strommix bis 2025 auf 20 Prozent steigen. Einem Bericht des Wirtschaftsministeriums zufolge dürften bis dahin aber nur gut 15 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt werden. Ende 2023 waren erst 8,9 Prozent erreicht.
Gründe für die schleppende Energiewende gibt es viele. Gebiete für Windräder oder Solaranlagen sind umkämpft. Mal sind die Hürden Bedenken von Fischern oder Umweltrisiken von Windanlagen im Meer. An Land sind es meist Konflikte um Agrarflächen, die Freiland-Photovoltaik verhindern. Einmal war es der Gebietsanspruch Indigener, die vor Projektstart nicht gefragt worden waren.
Laut Energieberater Raoul Kubitschek von der Ingenieursfirma Niras gibt es noch weitere Hürden für eine Trendwende: “Ein zu niedriger Strompreis und schlecht isolierte, stark klimatisierte Wohnungen”. Manch ausländischer Investor sehe auch die Gefahr einer möglichen chinesischen Attacke.
Kubitschek leitet das Taipeh-Büro von Niras, die ausländischen Energieunternehmen hilft, in Taiwan zu investieren. “100 Prozent Erneuerbare sind unter Taiwans Voraussetzungen nicht realistisch“, sagt er. “Taiwan hat sehr gute Windbedingungen aufgrund der Taiwanstraße. Zurzeit sind 5,5 Gigawatt bis 2025 schon erteilt.” Nur mit On- und Offshore-Wind und Solarkraft sei die Versorgung aber nicht zu machen. “Es geht darum, eine Grundversorgung herzustellen. Also müssen weiter Gaskraftwerke benutzt werden.”
Die Halbleiterbranche plädiert dafür, auch auf Atomkraft zu setzen. Zwar ist der Ausstieg bis 2025 beschlossene Sache. Kernenergie macht noch 6,3 Prozent der Stromerzeugung aus. Die China-freundlichere Nationalpartei KMT warb im Wahlkampf für den Bau neuer AKWs, um den Energiebedarf des Landes zu decken.
Die Regierungspartei DPP dagegen erteilt dem eine Absage. Auch Brennstäbe müssten wieder aus dem Ausland importiert werden, heißt es. Für die unabhängige Energieversorgung wäre nichts gewonnen. Und auch die Endlagerfrage ist in Taiwan ungeklärt. Kubitschek glaubt, dass der Atomausstieg ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen sei. Provinzpolitiker würden den Bau neuer AKWs nicht zulassen.
Bleibt Taiwan nur, doch alle Anstrengungen in Erneuerbare zu investieren. Denn die Wirtschaft gerät auch indirekt zunehmend unter Druck. Zwar ist Taiwan auf Betreiben Chinas nicht Teil internationaler Klimaverträge, weil es in der UN nicht als eigener Staat anerkannt ist. Doch westliche Unternehmen wollen ihre Lieferketten mit Ökostrom versorgt sehen. Apple fordert seine Zulieferer auf, bis 2030 klimaneutral zu sein. Als wichtiger Chip-Abnehmer schärfe das Unternehmen durchaus die Transformationsnot der Industrie, meint Kubitschek.
Hoffnung macht dem Firmenberater, dass die Taiwaner “aus Fehlern lernen”, wie etwa bei vergangenen Ausschreibungen. Im Netzausbau gebe es viel Potenzial, ebenso im Bereich Offshore-Wind.
Die Recherche für diesen Artikel wurde im Rahmen einer Pressereise von Journalist Network e. V. nach Taiwan durchgeführt.
Herr Özdemir, in dieser Woche lädt Ihr Ministerium internationale Agrarpolitiker und Agrarpolitikerinnen zum Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) nach Berlin ein. Über die letzten 30 Jahre sind die Verluste in der Landwirtschaft durch Dürren und Überschwemmungen auf 3,8 Billionen Dollar gewachsen. Wie groß ist das Bewusstsein, dass der Klimawandel die globale Ernährung unsicher macht?
Aktuell leidet jeder zehnte Mensch auf der Welt Hunger – das ist eine erschreckende Zahl. Die Weltgemeinschaft hat in der Agenda 2030 das Versprechen abgegeben, den globalen Hunger zu beenden. Das müssen wir einlösen. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für die Landwirtschaft, in Deutschland und weltweit. Hier gibt es kein Erkenntnisproblem. In Gesprächen mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen aus dem globalen Süden merke ich: Die Luft brennt – und zwar leider nicht nur im übertragenen Sinne. Mancherorts verdorrt das Getreide am Halm.
Sehen Sie dafür ausreichend Unterstützung bei Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Wenn wir noch in zehn, 20 und 50 Jahren gute Ernten einfahren wollen, müssen wir unsere Agrar- und Ernährungssysteme klimafest machen, mit praxistauglichen Lösungen für Bäuerinnen und Bauern. Wir Landwirtschaftsministerinnen und -minister treffen uns in Berlin in dem Bewusstsein, dass wir den Kampf gegen den Hunger und die Klimakrise nur gemeinsam bewältigen. In Zeiten, in denen sich Konflikte verschärfen und unsere Welt in Lager zu zerbrechen droht, bauen wir mit der Agrarpolitik Brücken. Hier in Berlin versammeln sich Mitstreiter, keine Gegner.
Landwirtschaft und Ernährung sind aber nicht nur betroffen vom Klimawandel, sondern verursachen auch Treibhausgase, vor allem durch die Tierhaltung. Wie groß ist die Bereitschaft der Regierungen, die Tierhaltung zu reduzieren und eine pflanzenbasierte Ernährung zu fördern?
Wie wir uns ernähren, wirkt sich auf die Umwelt und das Klima aus – da gibt es kein Vertun. Und was wir hier bei uns auf den Tellern haben wollen, kann auch Einfluss auf die Lebenschancen ganz woanders haben. Weltweit benutzen wir viel Fläche für die Haltung oder Ernährung von Tieren. Wo früher wertvoller Regenwald stand, wird jetzt Soja angebaut oder stehen Rinder – in den letzten 20 Jahren hat sich die weltweite Produktion von Fleisch um rund die Hälfte erhöht. Für Umwelt und Klima weltweit ist das nicht gesund. Man darf aber auch nicht vergessen: Sehr viele Menschen auf der Welt haben nicht täglich Fleisch auf dem Teller. Mit dem Finger auf die Weltgemeinschaft zu zeigen, steht uns in der westlichen Welt nicht gut zu Gesicht. Ich arbeite mit der Ernährungsstrategie der Bundesregierung daran, dass es bei uns leichter ist, sich gesund und nachhaltig zu ernähren – dazu gehört auch eine stärker pflanzenbetonte Ernährung. Ich will, dass die Menschen bei uns eine echte Wahl haben – entscheiden muss sich dann jeder selbst.
Bisher spielt Ernährungsumstellung in den nationalen Klimaplänen (NDCs) aber kaum eine Rolle: Während mehr als 100 Länder Landwirtschaft in den NDCs aufgenommen haben, findet sich nur in fünf NDCs Konsum als Thema, alles Entwicklungsländer mit geringen Emissionen. Wann wäre eine internationale Ernährungsstrategie vorstellbar, die das anspricht?
Wenn wir weltweit Lebensmittelverschwendung und -abfälle um die Hälfte reduzieren, können alle Menschen auf der Welt mehr als satt werden. Das hat die FAO ausgerechnet. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai haben Deutschland und 158 weitere Staaten in der Emirates Declaration festgehalten, dass neben der Landwirtschaft auch die Ernährungssysteme in der Klimakrise eine Schlüsselrolle spielen. Wir sollten dieses Momentum nutzen, um die nationalen Klimabeiträge unter dem Pariser Klimaabkommen weiterzuentwickeln. Dafür brauchen wir den internationalen Ideenaustausch.
Das heißt?
In vielen Ländern Asiens und Afrikas fallen mehr als 90 Prozent aller Lebensmittelabfälle während der Produktion, nach der Ernte und beim Handel an. Jede Tonne Weizen, die produziert ist und dann nicht verloren geht, sichert Ernährung. Beim GFFA wollen wir daher auch ein Bekenntnis dazu, die globale Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Dazu braucht es Wissenstransfer und Investitionen in Lagermöglichkeiten und Verarbeitungskapazitäten. Das schaffen wir nur gemeinsam. Wir haben ein Interesse daran, die Ernährungssicherung vor Ort zu stärken. Hilfe zur Selbsthilfe – übersetzt heißt das etwa: Getreidesilos bauen, statt Getreidesäcke liefern.
Mit welchem Verhandlungsergebnis im abschließenden Kommuniqué der internationalen AMK werden Sie selbst als Grünen-Politiker zufrieden sein?
Wir haben im Vorfeld der Konferenz ein ambitioniertes Verhandlungspapier verschickt. Ich möchte, dass das Kommuniqué für alle zu einem “call for action”, also einem Aufruf zum Handeln wird. Das heißt mehr Klimaschutz und Klimaanpassung in der Landwirtschaft, Entwaldungsstopp, Erhalt der Biodiversität, sorgsamerer und effizienterer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. Dabei nehmen wir vor allem die indigene Bevölkerung und die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Blick. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt die Hälfte der Welt – dieses Potenzial müssen wir erhalten und stärker nutzen. Nachhaltigkeit braucht außerdem funktionierende Strukturen. Das heißt, gutes Regierungshandeln genauso wie die Rolle von Frauen in der Landwirtschaft zu stärken.
Da schreiben Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen einiges ins Aufgabenheft.
Zur Wahrheit gehört natürlich, dass nicht allein die Landwirtschaftsministerinnen und -minister entscheiden. Es braucht breite politische und gesellschaftliche Allianzen. Unser Kommuniqué wird daher auch ein Appell an die eigenen Regierungen sein, gemeinsam zu handeln, um das Recht auf Nahrung für alle dauerhaft zu erreichen.
16. bis 19. Januar, Istanbul, Türkei
IPCC-Sitzung 60. Session des IPCC
Der IPCC will die Lehren aus seinem sechsten Bewertungszyklus analysieren, die Vision des neuen Vorsitzenden für seinen siebten Zyklus prüfen und Optionen für das Arbeitsprogramm diskutieren. Infos
18. Januar, 15 Uhr, Online
Diskussion Neue Kraftwerke braucht das Land – Strategien gegen die Versorgungslücke
Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an einer Kraftwerksstrategie. Mit ihr sollen neue, wasserstofffähige Gaskraftwerke entstehen. Was diese Strategie dafür beinhalten muss, welche Rahmenbedingungen notwendig sind und wann erste Anlagen stehen könnten, darüber diskutieren Expertinnen und Experten bei der Veranstaltung von Energate. Infos
18. Januar, 16 Uhr, Berlin/Online
Dialog Energiedialog 2024
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) richtet den Energiedialog aus. Die Veranstaltung soll einen Dialog zwischen Energiewirtschaft und Politik ermöglichen. Auch Robert Habeck wird erwartet. Infos
18. Januar, 17.30 Uhr, Online
Diskussion MinisterTalk der Küstenländer
Häfen, Fachkräfte, Produktionskapazitäten – Wo steht Deutschland beim Ausbau der Offshore-Windenergie? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus den Ausbauzielen? Was muss 2024 getan werden? Der Bundesverband Windenergie Offshore e. V. diskutiert diese Fragen mit Ministern aus den Küstenbundesländern Deutschlands. Infos
18. Januar, 18 Uhr, Berlin
Diskussion Europas Transformation zur Klimaneutralität – Wie umgehen mit Degrowth und grünem Bruttoinlandsprodukt?
In der Debatte um die Transformation zur Klimaneutralität haben Degrowth-Konzepte zuletzt eine prominente Rolle eingenommen. Dabei sind Spielarten von Degrowth mittlerweile bis in die Mittelschicht verbreitet. Die Konrad-Adenauer-Stiftung will in einem Expertengespräch beleuchten, was dahinter steckt. Infos
19. bis 28. Januar, Berlin
Messe Grüne Woche
Die Grüne Woche ist eine Landwirtschafts- und Agrarmesse, die jährlich in Berlin stattfindet. Infos
21. Januar, 17 Uhr, Online
Vernetzungstreffen Deine Stadt. Dein Klimaprojekt.
Die NGO German Zero organisiert das Event. Es soll lokale Akteure und Akteurinnen vernetzen, um sich über Klimalösungen für Städte auszutauschen. Infos
23. Januar, 15 Uhr, Online
Webinar Stories to Watch 2024
Die Herausforderung für das Jahr 2024 besteht darin, herauszufinden, wie man die Verantwortlichen dazu bewegen kann, die notwendigen Veränderungen in Richtung einer klimaresistenten Zukunft mit Nullwachstum vorzunehmen. Auf dem Webinar präsentiert der Präsident des World Resources Institute (WRI) Ani Dasgupta vier Geschichten, die genau diese Veränderungen vorantreiben. Infos
23. bis 25. Januar, Berlin
Konferenz Handelsblatt Energiegipfel 2024 – Bereit für neues Handeln: die grüne Transformation Europas
Nachdem die Energiekrise im Griff zu sein scheint, droht nun eine Investitionskrise. Wie schafft Deutschland in dieser Situation die Gestaltung der Zukunftsaufgabe Energiewende? Unter dem Motto “Bereit für neues Handeln: die grüne Transformation Europas” bringt diese Veranstaltung Köpfe aus Politik, Energie und Start-ups zusammen, um die Weichen für den nachhaltigen Umbau des Energiesystems zu stellen. Partnerland sind die Niederlande, zu Gast ist unter anderem Robert Habeck. Infos
25. Januar, 9.30 Uhr, Online
Fachkonferenz Highlights der Umweltbewusstseinsstudie
Alle zwei Jahre ermittelt die Umweltbewusstseinsstudie des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes, wie die Menschen in Deutschland über die Umwelt denken. Die jüngste Studie zeigt: Auch wenn Krisen wie der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Inflation derzeit stärker im Vordergrund stehen, bleibt der Schutz von Umwelt und Klima ein wichtiges Thema für die Menschen in Deutschland. Auf der Fachkonferenz wird in vier Sessions tiefer über die Ergebnisse der Studie diskutiert. Infos
Die extreme Kälte, die derzeit vor allem den Mittleren Westen der USA heimsucht, wird durch polare Kaltluft verursacht, die weiter in den Süden strömt als gewöhnlich. Dieses Phänomen geht auf Störungen des sogenannten Polarwirbels zurück. Der Polarwirbel ist eine Luftströmung in der Stratosphäre, die die polare Kaltluft festhält. Wird der Wirbel abgeschwächt, kommt es zum sogenannten Gummibandeffekt: kalte Luft strömt nach Süden, und in anderen Regionen strömt mehr warme Luft nach Norden.
Laut Klimawissenschaftlern wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist es “plausibel, dass die zunehmende Instabilität des Polarwirbels mit der Erwärmung der Arktis und dem Verlust des Meereises in Verbindung steht“. Auf lange Sicht werden die Winter demnach zwar wärmer, aber die gelegentlich auftretenden Ausbrüche kalter Polarluft treten seit einigen Jahren häufiger auf. Manche Klimawissenschaftler zweifeln diesen Zusammenhang an, aber die Zustimmung zu dieser These wächst. Befragt, ob polare Luftausströmungen eine Folge des Klimawandels seien, schreibt Rahmstorf auf dem Kurznachrichtendienst X, es sei “wahrscheinlich, aber noch keine gesicherte Erkenntnis”. nib
Kurz nach der COP28 in Dubai wechselt eine führende deutsche Klimaverhandlerin das Ressort: Luisa Rölke, die seit der COP26 als Referatsleiterin im Auswärtigen Amt (AA) teilweise die deutsche Delegation anführte, leitet seit Beginn der Woche das Referat für Klimaschutz, Klimaanpassung und Wasser im Landwirtschaftsministerium (BMEL). Das hat das AA auf Anfrage von Table.Media bestätigt.
Nachfolgerin auf Rölkes Posten als Leiterin des Referats 405 im AA und damit eine der zentralen Figuren der deutschen Klimadiplomatie wird Ursula Fuentes Hutfilter. Sie leitete bislang das AA-Referat 406, zuständig für Klimafinanzierung. Beide, Rölke und Fuentes Hutfilter, waren bei der Umgestaltung der Klimazuständigkeiten in der Ampel-Koalition 2021/22 aus dem Umweltministerium ins AA gewechselt.
Fuentes Hutfilter gilt als erfahrene und gut vernetzte Expertin. Sie ist verheiratet mit dem Physiker und Klimaexperten Bill Hare, dem Gründer und Vorsitzenden des gemeinnützigen Thinktanks Climate Analytics, der etwa mit dem “Climate Action Tracker” regelmäßig die Klimapolitik der UN-Staaten nach wissenschaftlichen und politischen Kriterien bewertet. Climate Analytics wird laut Website auch vom AA, dem Umwelt- und dem Forschungsministerium finanziert.
Dazu erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes: “Der Thinktank ‘Climate Analytics gGmbH’ hat im Jahr 2022 eine Zuwendung vom Auswärtigen Amt erhalten. Frau Fuentes Hutfilter und ihr Referat waren weder an der Prüfung des Projektantrags des Zuwendungsempfängers Climate Analytics gGmbH noch am Zuwendungsverfahren beteiligt.” bpo
Analysten des Beratungsunternehmens Oliver Wyman haben die Folgen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit anhand von sechs Kategorien untersucht: Überflutungen durch Hochwasser, Dürren, Hitzewellen, tropische Stürme, Waldbrände und den Anstieg des Meeresspiegels. Der Bericht basiert dabei auf gängigen Klimaszenarien, die von einer Erwärmung von 2,5 bis 2,9 Grad ausgehen. Der Bericht wurde vom Weltwirtschaftsforum veröffentlicht.
Allein durch häufigere und schwerere Überflutungen werde des demnach bis 2050 zu 8,5 Millionen zusätzlichen Todesfällen infolge der Klimakrise kommen. Häufigere Dürren würden den Berechnungen zufolge zusätzlich 3,2 Millionen Menschenleben kosten. Durch Hitzewellen komme es zu hitzebedingten Krankheiten mit einem wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 7,1 Billionen Euro. Die Folgen “der globalen Erwärmung bedrohen sowohl das Gesundheitssystem als auch den Planeten”. Für die Eindämmung der Klimakrise und ihrer Folgen für das Gesundheitswesen müssten “frühzeitig Mittel bereitgestellt werden. Bislang haben die Regierungen nur langsam reagiert”, so das Fazit des Berichts. nib
Im Amazonas-Regenwald Brasiliens wurde im vergangenen Jahr 50 Prozent weniger Fläche entwaldet als im Jahr 2022. Doch im ebenfalls ökologisch und für den Klimaschutz wichtigen Cerrado, einer tropischen Feuchtsavanne, stieg die Abholzung im gleichen Zeitraum um 43 Prozent. Das berichten mehrere Medien unter Bezugnahme auf die brasilianische Raumfahrtbehörde INPE. Der Cerrado, der weite Teile des Landes bedeckt, ist als Ökosystem ein wichtiger Wasser- und CO₂-Speicher und auch für die Biodiversität von großer Bedeutung.
In absoluten Zahlen ging die Entwaldung in der Amazonas-Region demnach von etwa 10.300 Quadratkilometern im Jahr 2022 auf etwa 5.200 Quadratkilometer zurück. Im Cerrado stieg sie von knapp 5.500 auf 7.800 Quadratkilometer. Die Daten aus dem Jahr 2023 umfassen den Zeitraum vom 1. Januar bis 29. Dezember.
Präsident Lula hat sich zum Ziel gesetzt, die Entwaldung in ganz Brasilien bis 2030 auf null zu senken. Wie die Financial Times (FT) berichtet, bringt das härtere Vorgehen seiner Regierung “gegen die zahlreichen kriminellen Interessengruppen des Regenwaldes” in der Amazonas-Region Erfolge, doch im Cerrado fallen währenddessen wachsende Flächen der Landwirtschaft zum Opfer. Die Savanne werde “in Brasilien und von der Weltgemeinschaft massiv übersehen”, sagte Alex Wijeratna, Senior Director der Kampagnengruppe Mighty Earth, der FT.
Wie die Zeitung weiter berichtet, gelten für den Amazonas-Regenwald auch schärfere Naturschutzvorschriften. André Lima, Sekretär für Entwaldungskontrolle im brasilianischen Umweltministerium, sagt demnach: “Die legale Abholzung ist viel schwieriger zu kontrollieren, weil das Gesetz sie zulässt.” 2024 habe die Eindämmung der Zerstörung des Cerrado aber “oberste Priorität”, so Lima. ae
Fridays for Future (FFF) Deutschland ruft gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi zu einem bundesweiten Klimastreik am 1. März unter dem Motto “Wir fahren zusammen” auf. In diesem Bündnis setzen sich FFF und Verdi für bessere Arbeitsbedingungen und eine Verdopplung der Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr bis 2030 ein. Für eine Verkehrswende sei eine nachhaltige und dauerhafte Stärkung des ÖPNV nötig.
In diesem Jahr fangen Tarifverhandlungen für mehr als 90.000 Beschäftigte im ÖPNV an. In dem Bereich mangelt es aktuell stark an Fachkräften. Einige Städte dünnen deshalb schon ihre Fahrpläne aus. Bis 2030 könnte der Mangel an Arbeitskräften weiter ansteigen. Bessere Arbeitsbedingungen würden dem entgegenwirken, argumentieren FFF und Verdi. kul
Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament am Dienstag strengere Vorschriften zur Reduzierung der Emissionen von hochklimawirksamen fluorierten Treibhausgasen (F-Gasen) angenommen. Die im Oktober erzielte Trilog-Einigung sieht den vollständigen Ausstieg aus den teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) bis 2050 vor sowie das schrittweise Herunterfahren über eine EU-Verbrauchsquote bis dahin. Branchen, in denen eine Umstellung auf Alternativen technologisch und wirtschaftlich machbar ist, beispielsweise bei Haushaltskühlgeräten, Klimaanlagen und Wärmepumpen, erhalten zudem Fristen für den Ausstieg aus der Nutzung von F-Gasen. So sollen bis 2030 bis zu 40 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden.
Europäische Unternehmen seien bereits Vorreiter bei der Entwicklung sauberer Alternativen zu F-Gasen, sodass dieses Gesetz gut für das Klima und die europäische Wirtschaft sein werde, sagte Parlaments-Berichterstatter Bas Eickhout (Grüne). Peter Liese, klimapolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, teilt Eickhouts Auffassung. Er sieht jedoch noch Nachbesserungsbedarf, sollten recycelte F-Gase für die Reparatur von bestehenden Kühlanlagen beispielsweise bei Fleischern oder Bäckern nicht ausreichen. Kommission und Mitgliedstaaten müssten alles daransetzen, das Recycling von F-Gasen auszubauen, fordert er. “Falls das nicht ausreicht, gibt es eine Revisionsklausel.” Zurecht weise das Handwerk darauf hin, dass die Klausel genutzt werden muss, wenn durch Recycling nicht ausreichend F-Gase für Reparaturzwecke zur Verfügung stehen, so Liese.
Dies unterstreicht auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): Ein faktisches Service- und Wartungsverbot dürfe es nicht geben. “Eine Kälteanlage auf natürliche Kältemittel umzurüsten, das wissen wir aus der betrieblichen Praxis, ist schlicht unmöglich”, sagt ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. luk
Die neue Regierung in Warschau hat beim Treffen der EU-Umweltminister am Montag Bereitschaft zu einer ehrgeizigeren Energie- und Klimapolitik bekundet. Die Regierung plane nun ein Datum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung, sagte die stellvertretende Klimaministerin Urszula Zielińska am Montag vor Journalisten.
“Nur mit einem Enddatum können wir planen, und nur mit einem Enddatum kann die Industrie planen, können die Menschen planen. Deshalb werden wir auf jeden Fall versuchen, ein Enddatum festzulegen”, sagte sie in Brüssel. Die vorherige Regierung unter der rechtsnationalen PiS-Partei hatte mit den Gewerkschaften einen Pakt geschlossen, der den Abbau von Kohle bis 2049 vorsieht.
Ein Bekenntnis zum EU-Klimaziel 2040 nahm Zielińska aber im Lauf des Tages wieder zurück. Die Regierung sei bereit, eine Emissionsminderung in der EU von 90 Prozent bis 2040 zu akzeptieren, hatte sie am Morgen zunächst gesagt. Dabei werde sie sich dafür einsetzen, dass die Auswirkungen auf die Gesellschaft berücksichtigt würden.
Am Montagabend schränkte die Vizeministerin dies auf der Plattform X wieder deutlich ein. Während eines Treffens mit Klimakommissar Wopke Hoekstra habe sie betont, “dass Polen eine ehrgeizige Klimapolitik will, die ohne Schäden für Bürger und Wirtschaft umgesetzt werden kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir bereits zu einem so frühen Zeitpunkt eine klare Aussage zum Emissionsminderungsziel für 2040 treffen können”. ber/rtr
In den nächsten zwei Jahren ist der Einbau neuer Gasheizungen in Deutschland vielerorts noch erlaubt – nämlich überall dort, wo es noch keine kommunale Wärmeplanung gibt. Problematisch ist das aber nicht nur unter Klimagesichtspunkten, sondern auch finanziell, warnt die Nichtregierungsorganisation WWF in einer aktualisierten Studie. Denn wenn es am jeweiligen Ort später kein Wasserstoffnetz gibt, müssen alle Gasheizungen, die ab jetzt eingebaut werden, künftig teilweise mit Biogas betrieben werden. Ab 2029 muss der Anteil bei 15 Prozent liegen, ab 2035 bei 30 Prozent und ab 2040 bei 60 Prozent. Dadurch werden Gasheizungen im Vergleich zu Wärmepumpen unwirtschaftlicher.
Der WWF geht in seiner Berechnung davon aus, dass Biogas pro Kilowattstunde etwa sieben Cent teurer ist als normales Erdgas. Über die 15-jährige Betriebsdauer der Gasheizung entstehen dadurch im Schnitt Zusatzkosten von 620 Euro pro Jahr. Die Belastung durch den CO₂-Preis wird im Schnitt auf 503 Euro pro Jahr geschätzt. Eine Gasheizung, die in diesem Jahr installiert wird, ist dadurch trotz der niedrigeren Investitionskosten über den Gesamtzeitraum betrachtet bereits teurer als eine Wärmepumpe, wenn man nur den 30-Prozent-Zuschuss einrechnet, den jeder bekommt, der eine klimafreundliche Heizung einbaut.
Noch günstiger fällt die Rechnung für alle aus, die zusätzlich den Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent (für den Austausch einer mindestens 20 Jahre alten Heizung in einem selbst bewohnten Gebäude) oder den Einkommensbonus von 30 Prozent (für Selbstnutzer mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von unter 40.000 Euro pro Jahr) bekommen. Sie sparen man mit einer Wärmepumpe über die Laufzeit von 15 Jahren 9.000 beziehungsweise 12.500 Euro. Wer durch Kombination aller drei Boni die Maximalförderung von 70 Prozent erhält, spart sogar über 16.000 Euro.
Durchgeführt wurden die Berechnungen im Auftrag des WWF erstmals im letzten Jahr vom Beratungsunternehmen Prognos. Sie wurden nun an die neuen gesetzlichen Vorgaben angepasst. Größter Unsicherheitsfaktor dabei ist die Entwicklung der Gas- und Strompreise. Die Berechnung geht davon aus, dass der Preis für Wärmepumpenstrom pro Kilowattstunde von 30 Cent im Jahr 2025 auf 23 Cent im Jahr 2040 sinkt, während der Gaspreis von zehn auf zwölf Cent steigt. mkr
Es gibt einen breiten globalen Konsens darüber, dass das globale Ernährungssystem die Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt ist. Wenn wir unsere Ernährungssysteme nicht in Angriff nehmen, wird sich dieser Verlust beschleunigen. Auch die Zerstörung von Ökosystemen und Lebensräumen wird schneller voranschreiten. Das gefährdet die Fähigkeit des Planeten, die menschliche Bevölkerung zu erhalten.
Allein in den vergangenen 50 Jahren sind die Populationen der Wirbeltiere um fast 70 Prozent geschrumpft. Rund eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Allein die Landwirtschaft verbraucht 80 Prozent des weltweit geförderten Süßwassers, und 80 Prozent der weltweiten Agrarflächen werden für die Aufzucht von Tieren genutzt, wobei Zuchtgeflügel 70 Prozent aller Vogelarten ausmacht und Wildvögel nur 30 Prozent. Die Rote Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) listet die Landwirtschaft als Hauptbedrohung für 24.000 der 28.000 bisher bewerteten Arten auf. Zugleich ist die Überfischung der größte Treiber für den Verlust der biologischen Vielfalt in den Ökosystemen der Ozeane.
Das globale Lebensmittelregime der Industrieunternehmen trägt enorm zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Emissionen entstehen durch die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert werden, wie sie weiterverarbeitet, verpackt, verschifft, für Biokraftstoffe und als Tierfutter verwendet werden. Auch übermäßiger Konsum und Lebensmittelverschwendung tragen zu den hohen Emissionen bei. Laut dem Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) über Klimawandel und Landsysteme aus dem Jahr 2019 emittiert das Ernährungssystem weltweit zwischen 21 und 37 Prozent der Gesamtemissionen pro Jahr. Darüber hinaus ist es ein völlig ungerechtes System in seinen Auswirkungen auf Landwirte, Landarbeiter, ländliche Gemeinden, Verbraucher, Lebensmittelarbeiter sowie die städtischen und ländlichen armen Gemeinden.
Die Antwort der Agrarindustrie auf die Klima- und Umweltkrise ist die lautstarke Förderung der klimafreundlichen Landwirtschaft (Climate-Smart Agriculture, CSA), einer von der Agrarindustrie geführten Vision einer hochtechnologischen, hoch überwachten und datengesteuerten “Landwirtschaft ohne Bauern”. Zu den größten Promotern von CSA gehören Bayer, McDonald’s und Walmart.
Einen Schub erhielt CSA mit dem Start der Agriculture Innovation Mission for Climate (AIM4C) im Jahr 2021 auf der COP26 der UN-Klimarahmenkonvention in Glasgow. Ihre Befürworter behaupten, sie könnten industrielle Düngemittel, Pestizide und Herbizide “effizienter” einsetzen.
Diese Petrochemikalien sind zerstörerisch für lokale Ökosysteme und Gemeinschaften. Ihre Verwendung ist mit einem enormen Energieverbrauch verbunden, und ebenso mit riskantem und patentiertem gentechnisch veränderten oder gen-editierten Saatgut und der Datenerfassung für die Feldrobotik. Sie tragen auch erheblich zu den gesamten landwirtschaftlichen Kohlendioxidemissionen bei: Im Jahr 2018 verursachten sie 1.250 Millionen Tonnen CO₂, was etwa 21,5 Prozent der jährlichen direkten Emissionen aus der Landwirtschaft entspricht. Zum Vergleich: Die weltweiten Emissionen der kommerziellen Luftfahrt beliefen sich im selben Jahr auf 900 Millionen Tonnen CO₂.
CSA gehört zu einer Reihe von falschen Klimalösungen, die angeboten werden und keinen nennenswerten Beitrag zur langfristigen Emissionsreduzierung leisten. Darüber hinaus sind sie von Natur aus nicht nachhaltig und verfestigen weiterhin globale Ungleichheiten.
Weltweit setzt sich eine wachsende Bewegung für die Agrarökologie als leistungsstarke Klimalösung und Alternative zum industriellen Ernährungssystem ein. Diese Bewegung besteht aus landwirtschaftlichen Gemeinschaften und Basisgruppen, und sie wird von einer beeindruckenden Gruppe von Akademikern und Forschenden unterstützt.
Agrarökologie ist eine Praxis, Wissenschaft und Bewegung. Sie verwendet ökologische und soziale Konzepte und Prinzipien, wenn sie nachhaltige landwirtschaftliche Ökosysteme gestaltet und managt. Sie impliziert die Dezentralisierung und Demokratisierung der Lebensmittelproduktion – und vor allem eine drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen.
Durch die Agrarökologie können bis 2050 Emissionen in Höhe von 490 Gigatonnen CO₂ eingespart werden. Weitere Vorteile, die sich bereits in der Praxis zeigen, sind:
Veränderungen in der globalen, regionalen und nationalen Politik und Finanzierung, die die Agrarökologie unterstützen, werden einen großen Beitrag dazu leisten, den Würgegriff katastrophaler marktbasierter Lösungen zu durchbrechen und mehrere Ziele in den Bereichen Klimawandel, Ökologie, Ernährung und soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Wenn wir eine Zukunft auf diesem Planeten haben wollen, sind solche Veränderungen unabdingbar.
Mariam Mayet ist Exekutivdirektorin des African Centre for Biodiversity (ACB) in Johannesburg, Südafrika. Ein Contra zu ihrem Standpunkt hat Matthias Berninger verfasst. Er ist Global Head of Public Affairs, Science, Sustainability, Health, Safety & Environment der Bayer AG. Sein Plädoyer für eine Landwirtschaft mit Gentechnologie und Pflanzenschutzmitteln können Sie hier lesen. Im September hatte Berninger seine Sicht auf die afrikanische Landwirtschaft in einem Gespräch mit Table.Media dargelegt.
Für das Überleben der Menschheit war stets entscheidend, ob die Bevölkerung oder die Produktivität der Landwirtschaft stärker wächst. In den meisten Teilen der Welt nahm in den vergangenen 100 Jahren die Agrarproduktivität stärker zu. Das ist ein Hauptgrund, warum wir heute acht Milliarden Menschen ernähren können. Auf dem afrikanischen Kontinent liegt hingegen das Wachstum der Bevölkerung weit über dem der landwirtschaftlichen Produktivität. Viele Länder versuchen dies durch Nahrungsmittelimporte auszugleichen. Doch das ist kein langfristig tragfähiges Modell.
Die Ursachen für die Situation sind vielfältig. Die mangelnde Produktivität aufgrund überholter Praktiken zählt ebenso dazu wie die begrenzten Möglichkeiten zur Bewässerung oder Finanzierung. Dramatisch verschärft wird die Lage durch die massiven Folgen des Klimawandels in Form von Dürren, Starkregen oder steigendem Schädlingsdruck.
Eine aktuelle Umfrage von Bayer unter Landwirten hat ergeben, dass 87 Prozent der kenianischen Landwirte deutlich mehr Hitze und Trockenheit erfahren als früher. Ganze 97 Prozent bestätigen, dass der Klimawandel schon heute große Auswirkungen auf ihren Feldern zeigt, bis hin zum Ernteausfall. All das spüren die Menschen in Form von rasant steigenden Lebensmittelpreisen. In Äthiopien oder Nigeria sind Lebensmittel seit 2020 um mehr als 100 Prozent teurer geworden, im Sudan sogar um über 1.000 Prozent.
Damit die afrikanische Landwirtschaft den Klimawandel bewältigen kann, braucht sie besseren Zugang zu Wissen und Technologien, aber auch Investitionen. Deshalb müssen Entwicklungspolitik und Wirtschaft enger zusammenarbeiten.
Bayer unterstützt die vom U.S. Department of State geleitete Initiative VACS zur Züchtung klimaangepasster Pflanzensorten. Wir sind auch von Anfang an Teil der von den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA ins Leben gerufenen AIM for Climate Initiative, die bereits mehr als 17 Milliarden US-Dollar für eine klimafreundliche Landwirtschaft mobilisieren konnte. Dieser ist nun auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beigetreten, vielleicht ein erster Schritt hin zu einem Strategiewechsel, der auf Innovationen setzt, die Nachhaltigkeit und Intensivierung zugleich ermöglichen.
Was braucht Afrika technologisch konkret? Unstrittig sollte es sein, den Zugang zu modernem konventionellem Saatgut, auch für die auf dem Kontinent heimischen Pflanzen, zu verbessern. Darüber hinaus brauchen wir angesichts des Tempos von Klimawandel und Bevölkerungswachstums die Biotechnologie. Mit ihrer Hilfe lassen sich Pflanzen widerstandsfähiger gegen die erwähnten Auswirkungen des Klimawandels machen.
Die USA haben das ebenso erkannt wie China. Auch die EU-Kommission arbeitet an einem neuen Regelwerk zur Gen-Editierung. Demnach sollen auch in der EU Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken wie CRISPR/Cas gezüchtet werden, konventionell gezüchteten Pflanzen praktisch gleichgestellt werden.
In Afrika selbst hat Kenia jüngst entschieden, gentechnisch verändertes Saatgut einzuführen. In einer wegweisenden Entscheidung hat Nigeria Anfang Januar die kommerzielle Freigabe von transgenen, insektenresistenten und trockenheitstoleranten Maissorten, bekannt als TELA-Mais, genehmigt. Diese Freigabe von TELA-Mais schafft wesentliche Voraussetzungen dafür, dass nigerianische Kleinbauernbetriebe rentabel arbeiten können und mehr Menschen in Nigeria eine sichere Nahrungsmittelversorgung haben.
Es findet also ein Umdenken statt, von dem Afrika überdurchschnittlich profitieren kann. Vor allem sind die Vorteile der Biotechnologie in tropischen Gefilden für Afrika von Bedeutung. Bayer hat schon 2020 entschieden, den ärmsten Kleinbauern freien Zugang zu unserem patentierten Saatgut zu ermöglichen, um so den Zugang für afrikanische Bauern zu verbessern.
Dennoch haben nicht alle diese Chance erkannt. Immer noch gibt es Stimmen, die den afrikanischen Kontinent vor allem mit Methoden aus dem ideologischen Arsenal der Agrarökologie beglücken wollen. Doch es ist ein Fakt, dass wir aufgrund der nicht ausreichenden Produktivität mit solchen Ansätzen oder gar reinem Biolandbau eine wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren können. Die Agrarökologie allein wird die Produktivitätslücke in der afrikanischen Landwirtschaft nicht schließen.
Auch der Flächenbedarf für eine rein agrarökologische Landwirtschaft ist viel zu hoch. Die damit verbundene Abholzung können wir uns nicht leisten. Das gilt vor allem für die tropischen Regenwälder, aber auch für viele andere Gebiete. Mehr Flächenverbrauch bedeutet einen weiteren Verlust an Biodiversität, den wir vermeiden müssen. Wir müssen mehr auf weniger Fläche produzieren, nicht weniger auf mehr Fläche. Auch der IPCC spricht sich für eine nachhaltige Intensivierung aus.
Der Vordenker des Biolandbaus Urs Niggli hat in einem Interview erneut betont, dass wir dringend aus der Polarisierung “ökologische versus konventionelle Landwirtschaft” herausmüssen. Recht hat er. Wenn wir den Klimawandel bekämpfen und gleichzeitig auf möglichst vielen zusätzlichen Flächen Biodiversität schützen wollen, müssen wir auf weniger Land mehr Lebensmittel produzieren. Das geht nur mit Biotechnologie.
Groß bleibt für den Kampf der afrikanischen Landwirtschaft gegen den Klimawandel auch die Bedeutung von effektiven und sicheren Pflanzenschutzprodukten. Ohne sie droht die Vernichtung vieler Ernten durch den zunehmenden Schädlingsbefall. Jüngste Beispiele sind die Ausbreitung des Herbstheerwurms oder die Heuschreckenplage vor einigen Jahren. Hier haben wir uns als Bayer selbst hohe Standards gesetzt (wie in einem früheren Interview mit Table.Media ausführlich erläutert). Wir verkaufen seit 2012 keine Pflanzenschutzmittel mehr, die von der Weltgesundheitsorganisation als besonders toxisch (Gefahrenkategorie Tox 1) eingestuft werden. Außerdem vertreiben wir nur Wirkstoffe, die in mindestens einem OECD-Land zugelassen sind.
Zusammengefasst: Afrika braucht die komplette technologische und wissenschaftsbasierte Bandbreite, um die Lücke zwischen Bevölkerungswachstum und Produktivität der Landwirtschaft zu schließen. Diese Erwartung teilen auch afrikanische Landwirte, mit denen ich spreche. Es ist eine Erwartung an uns alle.
Matthias Berninger ist Global Head of Public Affairs, Science, Sustainability, Health, Safety & Environment der Bayer AG. Ein Contra zu seinem Standpunkt hat Mariam Mayet verfasst, Exekutivdirektorin des African Centre for Biodiversity (ACB) in Johannesburg, Südafrika. Ihr Plädoyer für eine agrarökologische Wende können sie hier lesen.
wenn in diesem Jahr die Europawahl und danach die Bildung einer neuen EU-Kommission ansteht, entscheidet sich auch das Schicksal des europäischen Green Deal. Da ist es gut, vorher nochmal Zwischenbilanz zu ziehen. Die Wissenschaft hat das getan und siehe da: Die EU-Gesetze, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden soll, weisen Lücken auf, schreibt Lukas Scheid. Klar ist auch: Es muss alles schneller gehen.
In Deutschland steckt das Thema nach den Bauernprotesten und bei der aktuellen Grünen Woche eher fest. Im Interview erklärt Landwirtschaftsminister Özdemir bei uns, wie die Agrarminister weltweit mit dem Thema umgehen wollen. Und in einem Pro und Contra debattieren eine Expertin für Biodiversität und ein Bayer-Manager darüber, wie die Landwirtschaft in Afrika auf die Klimakrise reagieren soll.
Wie schnell die Zeit vergeht, wenn man bei der Arbeit Spaß hat, merken wir auch in der Climate.Table-Redaktion: Denn schon nächste Woche machen wir unsere 100. Ausgabe! Wir werden das ein bisschen feiern und uns dann ernsthaft an die nächsten 1.000 Ausgaben machen.
Die Kolleginnen und Kollegen vom Research.Table haben zu ihrer 99. Ausgabe, die sie zeitgleich mit uns feiern, auch ein Geschenk: Die ersten zehn Teile der beliebten Serie “Wissenschaftliche Politikberatung – quo vadis?” als Reader kann hier kostenlos heruntergeladen werden.
Viel Spaß und Erkenntnis beim Lesen
Die Anstrengungen der EU-Staaten zur Erreichung ihrer ambitionierten Klimaziele reichen bisher nicht aus. Dies offenbaren nicht nur die unzureichenden nationalen Energie- und Klimapläne der EU-Staaten (NECP), die klaffende Lücken insbesondere bei Maßnahmen gegen Verkehrs- und Gebäudeemissionen zeigen, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Nun hat auch der Europäische wissenschaftliche Beirat zum Klimawandel (ESABCC) bemängelt, es gebe Defizite bei bestehenden und geplanten Gesetzen rund um die EU-Klimaneutralitätsziele bis 2050.
Um die EU-Klimaziele zu erreichen, seien in allen Sektoren größere Anstrengungen erforderlich, insbesondere in den Bereichen Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. “Um auf dem richtigen Weg zu bleiben, müssen wir sicherstellen, dass die heutigen Maßnahmen mit unseren langfristigen Zielen übereinstimmen, und uns auf noch stärkere Reduzierungen nach 2030 vorbereiten”, analysiert der Beiratsvorsitzende und Umwelt-Ökonom Ottmar Edenhofer.
Konkret macht das Gremium 13 zentrale Empfehlungen, kurzfristige wie langfristige. Darunter:
Für den Ökonomen Edenhofer spielt die Ausweitung und weitere Überarbeitung der europäischen CO₂-Bepreisung im EU-Emissionshandelssystem (ETS) eine ganz entscheidende Rolle. Ein umfassendes System zur CO₂-Bepreisung würde beispielsweise auch weniger Lücken für die nicht nachhaltige übermäßige Nutzung von Biomasse lassen, sagt er. Zudem müsse das ETS neben dem Agrar- und Landnutzungssektor auch auf sogenannte diffuse Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ausgeweitet werden. Auch eine Ausweitung des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) auf fossile Importe würde sowohl Anreize für mehr Klimaschutz im Ausland bieten als auch Einnahmemöglichkeiten für die EU eröffnen.
Für die durch steigende CO₂-Preise erhöhten Lebenshaltungskosten, insbesondere bei einer Ausweitung auf den Agrarsektor, seien Ausgleichsmaßnahmen dringend notwendig, betont Edenhofer auch. Ein gerechter und fairer Übergang sei notwendig, um die öffentliche Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Damit Menschen mit geringem Einkommen nicht stärker belastet werden, müssten Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung verwendet werden, um emissionsarme Alternativen erschwinglich zu machen, heißt es in dem Bericht – eine Art von Klimageld also. Dafür müssten auch Einnahmen aus dem CBAM explizit für Klimaschutzmaßnahmen reserviert werden, fordern die Wissenschaftler.
Zwar gibt es mit dem Klimasozialfonds, der sich aus Einnahmen aus dem ETS 2 speist, bereits ein Instrument zur Abfederung von Preiserhöhungen im Verkehrs- und Gebäudesektor. Allerdings ist noch völlig unklar, ob die Mittel für die aktuellen Ziele des Fonds (rund 87 Milliarden Euro) überhaupt ausreichen – geschweige denn bei einer möglichen ETS-Ausweitung mitwachsen. Hier sehen die Forscherinnen und Forscher schnellen Klärungsbedarf.
Auch die Rolle von technologischen CO₂-Entnahmen und deren Speicherung oder Nutzung müsse schnell geklärt werden, schreibt das Expertengremium. Bis 2050 werde CCU/CCS nur eine begrenzte Rolle bei der Energieversorgung spielen, da die Technologien im Vergleich zu erneuerbaren Energien weniger effizient sind und höhere Risiken aufwiesen. Daher brauche es schnellstmöglich eine EU-Definition für unvermeidbare Restemissionen, beispielsweise aus dem Agrarbereich oder der Industrie, für die die CO₂-Abscheidung notwendig ist.
Anfang Februar stellt die EU-Kommission neben ihrem Vorschlag für das EU-Klimaziel 2040 auch eine Strategie für den Umgang industrieller Emissionen vor, um die Gesetzeslücken für CCS zu schließen. Aus einem Entwurf dieser Industrial-Carbon-Management-Strategie, der Table.Media vorliegt, geht hervor, dass die EU bis 2030 mindestens 50 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr und bis 2050 bis zu 450 Millionen Tonnen abscheiden muss, um 2050 klimaneutral zu sein.
Durch den Aufbau eines “grenzüberschreitenden, frei zugänglichen CO₂-Transportnetzes” soll ein Binnenmarkt für abgeschiedenen Kohlenstoff entstehen, der anschließend entweder unterirdisch gespeichert oder industriell weiterverarbeitet wird. Die Angaben über nötige Investitionssummen und Pipeline-Kilometer sind in dem Entwurf noch offen.
Die EU plant derzeit, durch den Net Zero Industry Act ab 2030 jährlich 50 Millionen Tonnen CO₂ unterirdisch zu speichern. Laut dem Entwurf geht die Kommission offenbar aber davon aus, jährlich 80 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr abscheiden zu können. Deshalb plant sie gemäß dem Entwurf, mehr wirtschaftliche Anreize für die Ermittlung und den Bau weiterer Speicherkapazitäten zu setzen.
Dies könne entweder durch die Integration von CO₂-Entnahmezertifikaten in das ETS oder durch die Schaffung eines separaten Handelsmechanismus geschehen, der direkt oder indirekt mit dem ETS verbunden wäre. Schließlich sollen bis 2040 mindestens 200 Millionen Tonnen CO₂ jedes Jahr gespeichert werden können, heißt es in dem Entwurf der Strategie.
Nach dem Sieg des China-kritischen William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei DPP bei den Präsidentschaftswahlen wird Taiwan wohl in der Energie- und Klimapolitik seinen bisherigen Kurs fortsetzen. Die Partei, die bereits seit acht Jahren den Präsidenten stellt, will die grüne Energie deutlich ausbauen. Denn die Abhängigkeit vom Ausland in dieser Frage ist groß und problematisch. Das Regieren dürfte allerdings schwieriger werden, da die Mehrheit der DPP im Parlament verloren ging.
Taiwans Achillesferse ist die fossile Energie. Mehr als 97 Prozent des Energiebedarfs wird importiert. Strom stammt zu mehr als 80 Prozent aus fossilen Brennstoffen. Der Knackpunkt: Die Insel muss ihre Kohle, ihr Öl und Gas auf dem Seeweg über die Taiwanstraße einführen. Das macht sie nach Ansicht von Expertinnen und Experten besonders anfällig für Störungen.
2022 importierte Taiwan 63,6 Millionen Tonnen Kohle, vor allem aus Australien und Indonesien. Beträchtliche Mengen an Kohle und Gas stammen laut statistischem Jahrbuch auch aus Russland – ein Staat, der im Falle einer akuten Krise und möglichen Blockade wohl zu China halten würde. Die Volksrepublik betrachtet die Insel vor ihrer Südküste als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Intervention.
“Bereits Chinas Marineübungen rund um Taiwan könnten die Versorgungslinien für einen begrenzten Zeitraum beeinträchtigen oder abschneiden”, schreibt Eugene Chausovsky, Analyst vom US-Thinktank New Lines Institute, im Magazin “Foreign Policy”. Selbst eine begrenzte Blockade der Taiwanstraße könnte laut Chausovsky für die Insel verheerend sein. Die Energiebehörde, Teil des Wirtschaftsministeriums, hat berechnet, dass die Vorräte von Erdgas derzeit nur für elf Tage und von Kohle für 39 Tage reichen. Beim Öl wären es 146 Tage.
Der wachsende Energiehunger des Landes dürfte die Lage noch verschärfen. Die wichtige Chip-Industrie klagt schon jetzt über Netzausfälle. Das größte Halbleiterunternehmen TSMC verschlingt allein mehr als sechs Prozent des Gesamtenergieverbrauchs des Landes.
Die Regierung in Taipeh hat die fossile Abhängigkeit und ihr geopolitisches Bedrohungspotenzial erkannt. Doch Grünstrom allein kann es kaum richten. Der Ausbau von Solar- und Windkraft hinkt den angepeilten Zielen hinterher. Eigentlich sollte der Erneuerbaren-Anteil am Strommix bis 2025 auf 20 Prozent steigen. Einem Bericht des Wirtschaftsministeriums zufolge dürften bis dahin aber nur gut 15 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt werden. Ende 2023 waren erst 8,9 Prozent erreicht.
Gründe für die schleppende Energiewende gibt es viele. Gebiete für Windräder oder Solaranlagen sind umkämpft. Mal sind die Hürden Bedenken von Fischern oder Umweltrisiken von Windanlagen im Meer. An Land sind es meist Konflikte um Agrarflächen, die Freiland-Photovoltaik verhindern. Einmal war es der Gebietsanspruch Indigener, die vor Projektstart nicht gefragt worden waren.
Laut Energieberater Raoul Kubitschek von der Ingenieursfirma Niras gibt es noch weitere Hürden für eine Trendwende: “Ein zu niedriger Strompreis und schlecht isolierte, stark klimatisierte Wohnungen”. Manch ausländischer Investor sehe auch die Gefahr einer möglichen chinesischen Attacke.
Kubitschek leitet das Taipeh-Büro von Niras, die ausländischen Energieunternehmen hilft, in Taiwan zu investieren. “100 Prozent Erneuerbare sind unter Taiwans Voraussetzungen nicht realistisch“, sagt er. “Taiwan hat sehr gute Windbedingungen aufgrund der Taiwanstraße. Zurzeit sind 5,5 Gigawatt bis 2025 schon erteilt.” Nur mit On- und Offshore-Wind und Solarkraft sei die Versorgung aber nicht zu machen. “Es geht darum, eine Grundversorgung herzustellen. Also müssen weiter Gaskraftwerke benutzt werden.”
Die Halbleiterbranche plädiert dafür, auch auf Atomkraft zu setzen. Zwar ist der Ausstieg bis 2025 beschlossene Sache. Kernenergie macht noch 6,3 Prozent der Stromerzeugung aus. Die China-freundlichere Nationalpartei KMT warb im Wahlkampf für den Bau neuer AKWs, um den Energiebedarf des Landes zu decken.
Die Regierungspartei DPP dagegen erteilt dem eine Absage. Auch Brennstäbe müssten wieder aus dem Ausland importiert werden, heißt es. Für die unabhängige Energieversorgung wäre nichts gewonnen. Und auch die Endlagerfrage ist in Taiwan ungeklärt. Kubitschek glaubt, dass der Atomausstieg ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen sei. Provinzpolitiker würden den Bau neuer AKWs nicht zulassen.
Bleibt Taiwan nur, doch alle Anstrengungen in Erneuerbare zu investieren. Denn die Wirtschaft gerät auch indirekt zunehmend unter Druck. Zwar ist Taiwan auf Betreiben Chinas nicht Teil internationaler Klimaverträge, weil es in der UN nicht als eigener Staat anerkannt ist. Doch westliche Unternehmen wollen ihre Lieferketten mit Ökostrom versorgt sehen. Apple fordert seine Zulieferer auf, bis 2030 klimaneutral zu sein. Als wichtiger Chip-Abnehmer schärfe das Unternehmen durchaus die Transformationsnot der Industrie, meint Kubitschek.
Hoffnung macht dem Firmenberater, dass die Taiwaner “aus Fehlern lernen”, wie etwa bei vergangenen Ausschreibungen. Im Netzausbau gebe es viel Potenzial, ebenso im Bereich Offshore-Wind.
Die Recherche für diesen Artikel wurde im Rahmen einer Pressereise von Journalist Network e. V. nach Taiwan durchgeführt.
Herr Özdemir, in dieser Woche lädt Ihr Ministerium internationale Agrarpolitiker und Agrarpolitikerinnen zum Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) nach Berlin ein. Über die letzten 30 Jahre sind die Verluste in der Landwirtschaft durch Dürren und Überschwemmungen auf 3,8 Billionen Dollar gewachsen. Wie groß ist das Bewusstsein, dass der Klimawandel die globale Ernährung unsicher macht?
Aktuell leidet jeder zehnte Mensch auf der Welt Hunger – das ist eine erschreckende Zahl. Die Weltgemeinschaft hat in der Agenda 2030 das Versprechen abgegeben, den globalen Hunger zu beenden. Das müssen wir einlösen. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für die Landwirtschaft, in Deutschland und weltweit. Hier gibt es kein Erkenntnisproblem. In Gesprächen mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen aus dem globalen Süden merke ich: Die Luft brennt – und zwar leider nicht nur im übertragenen Sinne. Mancherorts verdorrt das Getreide am Halm.
Sehen Sie dafür ausreichend Unterstützung bei Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Wenn wir noch in zehn, 20 und 50 Jahren gute Ernten einfahren wollen, müssen wir unsere Agrar- und Ernährungssysteme klimafest machen, mit praxistauglichen Lösungen für Bäuerinnen und Bauern. Wir Landwirtschaftsministerinnen und -minister treffen uns in Berlin in dem Bewusstsein, dass wir den Kampf gegen den Hunger und die Klimakrise nur gemeinsam bewältigen. In Zeiten, in denen sich Konflikte verschärfen und unsere Welt in Lager zu zerbrechen droht, bauen wir mit der Agrarpolitik Brücken. Hier in Berlin versammeln sich Mitstreiter, keine Gegner.
Landwirtschaft und Ernährung sind aber nicht nur betroffen vom Klimawandel, sondern verursachen auch Treibhausgase, vor allem durch die Tierhaltung. Wie groß ist die Bereitschaft der Regierungen, die Tierhaltung zu reduzieren und eine pflanzenbasierte Ernährung zu fördern?
Wie wir uns ernähren, wirkt sich auf die Umwelt und das Klima aus – da gibt es kein Vertun. Und was wir hier bei uns auf den Tellern haben wollen, kann auch Einfluss auf die Lebenschancen ganz woanders haben. Weltweit benutzen wir viel Fläche für die Haltung oder Ernährung von Tieren. Wo früher wertvoller Regenwald stand, wird jetzt Soja angebaut oder stehen Rinder – in den letzten 20 Jahren hat sich die weltweite Produktion von Fleisch um rund die Hälfte erhöht. Für Umwelt und Klima weltweit ist das nicht gesund. Man darf aber auch nicht vergessen: Sehr viele Menschen auf der Welt haben nicht täglich Fleisch auf dem Teller. Mit dem Finger auf die Weltgemeinschaft zu zeigen, steht uns in der westlichen Welt nicht gut zu Gesicht. Ich arbeite mit der Ernährungsstrategie der Bundesregierung daran, dass es bei uns leichter ist, sich gesund und nachhaltig zu ernähren – dazu gehört auch eine stärker pflanzenbetonte Ernährung. Ich will, dass die Menschen bei uns eine echte Wahl haben – entscheiden muss sich dann jeder selbst.
Bisher spielt Ernährungsumstellung in den nationalen Klimaplänen (NDCs) aber kaum eine Rolle: Während mehr als 100 Länder Landwirtschaft in den NDCs aufgenommen haben, findet sich nur in fünf NDCs Konsum als Thema, alles Entwicklungsländer mit geringen Emissionen. Wann wäre eine internationale Ernährungsstrategie vorstellbar, die das anspricht?
Wenn wir weltweit Lebensmittelverschwendung und -abfälle um die Hälfte reduzieren, können alle Menschen auf der Welt mehr als satt werden. Das hat die FAO ausgerechnet. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai haben Deutschland und 158 weitere Staaten in der Emirates Declaration festgehalten, dass neben der Landwirtschaft auch die Ernährungssysteme in der Klimakrise eine Schlüsselrolle spielen. Wir sollten dieses Momentum nutzen, um die nationalen Klimabeiträge unter dem Pariser Klimaabkommen weiterzuentwickeln. Dafür brauchen wir den internationalen Ideenaustausch.
Das heißt?
In vielen Ländern Asiens und Afrikas fallen mehr als 90 Prozent aller Lebensmittelabfälle während der Produktion, nach der Ernte und beim Handel an. Jede Tonne Weizen, die produziert ist und dann nicht verloren geht, sichert Ernährung. Beim GFFA wollen wir daher auch ein Bekenntnis dazu, die globale Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Dazu braucht es Wissenstransfer und Investitionen in Lagermöglichkeiten und Verarbeitungskapazitäten. Das schaffen wir nur gemeinsam. Wir haben ein Interesse daran, die Ernährungssicherung vor Ort zu stärken. Hilfe zur Selbsthilfe – übersetzt heißt das etwa: Getreidesilos bauen, statt Getreidesäcke liefern.
Mit welchem Verhandlungsergebnis im abschließenden Kommuniqué der internationalen AMK werden Sie selbst als Grünen-Politiker zufrieden sein?
Wir haben im Vorfeld der Konferenz ein ambitioniertes Verhandlungspapier verschickt. Ich möchte, dass das Kommuniqué für alle zu einem “call for action”, also einem Aufruf zum Handeln wird. Das heißt mehr Klimaschutz und Klimaanpassung in der Landwirtschaft, Entwaldungsstopp, Erhalt der Biodiversität, sorgsamerer und effizienterer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. Dabei nehmen wir vor allem die indigene Bevölkerung und die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Blick. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt die Hälfte der Welt – dieses Potenzial müssen wir erhalten und stärker nutzen. Nachhaltigkeit braucht außerdem funktionierende Strukturen. Das heißt, gutes Regierungshandeln genauso wie die Rolle von Frauen in der Landwirtschaft zu stärken.
Da schreiben Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen einiges ins Aufgabenheft.
Zur Wahrheit gehört natürlich, dass nicht allein die Landwirtschaftsministerinnen und -minister entscheiden. Es braucht breite politische und gesellschaftliche Allianzen. Unser Kommuniqué wird daher auch ein Appell an die eigenen Regierungen sein, gemeinsam zu handeln, um das Recht auf Nahrung für alle dauerhaft zu erreichen.
16. bis 19. Januar, Istanbul, Türkei
IPCC-Sitzung 60. Session des IPCC
Der IPCC will die Lehren aus seinem sechsten Bewertungszyklus analysieren, die Vision des neuen Vorsitzenden für seinen siebten Zyklus prüfen und Optionen für das Arbeitsprogramm diskutieren. Infos
18. Januar, 15 Uhr, Online
Diskussion Neue Kraftwerke braucht das Land – Strategien gegen die Versorgungslücke
Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an einer Kraftwerksstrategie. Mit ihr sollen neue, wasserstofffähige Gaskraftwerke entstehen. Was diese Strategie dafür beinhalten muss, welche Rahmenbedingungen notwendig sind und wann erste Anlagen stehen könnten, darüber diskutieren Expertinnen und Experten bei der Veranstaltung von Energate. Infos
18. Januar, 16 Uhr, Berlin/Online
Dialog Energiedialog 2024
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) richtet den Energiedialog aus. Die Veranstaltung soll einen Dialog zwischen Energiewirtschaft und Politik ermöglichen. Auch Robert Habeck wird erwartet. Infos
18. Januar, 17.30 Uhr, Online
Diskussion MinisterTalk der Küstenländer
Häfen, Fachkräfte, Produktionskapazitäten – Wo steht Deutschland beim Ausbau der Offshore-Windenergie? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus den Ausbauzielen? Was muss 2024 getan werden? Der Bundesverband Windenergie Offshore e. V. diskutiert diese Fragen mit Ministern aus den Küstenbundesländern Deutschlands. Infos
18. Januar, 18 Uhr, Berlin
Diskussion Europas Transformation zur Klimaneutralität – Wie umgehen mit Degrowth und grünem Bruttoinlandsprodukt?
In der Debatte um die Transformation zur Klimaneutralität haben Degrowth-Konzepte zuletzt eine prominente Rolle eingenommen. Dabei sind Spielarten von Degrowth mittlerweile bis in die Mittelschicht verbreitet. Die Konrad-Adenauer-Stiftung will in einem Expertengespräch beleuchten, was dahinter steckt. Infos
19. bis 28. Januar, Berlin
Messe Grüne Woche
Die Grüne Woche ist eine Landwirtschafts- und Agrarmesse, die jährlich in Berlin stattfindet. Infos
21. Januar, 17 Uhr, Online
Vernetzungstreffen Deine Stadt. Dein Klimaprojekt.
Die NGO German Zero organisiert das Event. Es soll lokale Akteure und Akteurinnen vernetzen, um sich über Klimalösungen für Städte auszutauschen. Infos
23. Januar, 15 Uhr, Online
Webinar Stories to Watch 2024
Die Herausforderung für das Jahr 2024 besteht darin, herauszufinden, wie man die Verantwortlichen dazu bewegen kann, die notwendigen Veränderungen in Richtung einer klimaresistenten Zukunft mit Nullwachstum vorzunehmen. Auf dem Webinar präsentiert der Präsident des World Resources Institute (WRI) Ani Dasgupta vier Geschichten, die genau diese Veränderungen vorantreiben. Infos
23. bis 25. Januar, Berlin
Konferenz Handelsblatt Energiegipfel 2024 – Bereit für neues Handeln: die grüne Transformation Europas
Nachdem die Energiekrise im Griff zu sein scheint, droht nun eine Investitionskrise. Wie schafft Deutschland in dieser Situation die Gestaltung der Zukunftsaufgabe Energiewende? Unter dem Motto “Bereit für neues Handeln: die grüne Transformation Europas” bringt diese Veranstaltung Köpfe aus Politik, Energie und Start-ups zusammen, um die Weichen für den nachhaltigen Umbau des Energiesystems zu stellen. Partnerland sind die Niederlande, zu Gast ist unter anderem Robert Habeck. Infos
25. Januar, 9.30 Uhr, Online
Fachkonferenz Highlights der Umweltbewusstseinsstudie
Alle zwei Jahre ermittelt die Umweltbewusstseinsstudie des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes, wie die Menschen in Deutschland über die Umwelt denken. Die jüngste Studie zeigt: Auch wenn Krisen wie der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Inflation derzeit stärker im Vordergrund stehen, bleibt der Schutz von Umwelt und Klima ein wichtiges Thema für die Menschen in Deutschland. Auf der Fachkonferenz wird in vier Sessions tiefer über die Ergebnisse der Studie diskutiert. Infos
Die extreme Kälte, die derzeit vor allem den Mittleren Westen der USA heimsucht, wird durch polare Kaltluft verursacht, die weiter in den Süden strömt als gewöhnlich. Dieses Phänomen geht auf Störungen des sogenannten Polarwirbels zurück. Der Polarwirbel ist eine Luftströmung in der Stratosphäre, die die polare Kaltluft festhält. Wird der Wirbel abgeschwächt, kommt es zum sogenannten Gummibandeffekt: kalte Luft strömt nach Süden, und in anderen Regionen strömt mehr warme Luft nach Norden.
Laut Klimawissenschaftlern wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist es “plausibel, dass die zunehmende Instabilität des Polarwirbels mit der Erwärmung der Arktis und dem Verlust des Meereises in Verbindung steht“. Auf lange Sicht werden die Winter demnach zwar wärmer, aber die gelegentlich auftretenden Ausbrüche kalter Polarluft treten seit einigen Jahren häufiger auf. Manche Klimawissenschaftler zweifeln diesen Zusammenhang an, aber die Zustimmung zu dieser These wächst. Befragt, ob polare Luftausströmungen eine Folge des Klimawandels seien, schreibt Rahmstorf auf dem Kurznachrichtendienst X, es sei “wahrscheinlich, aber noch keine gesicherte Erkenntnis”. nib
Kurz nach der COP28 in Dubai wechselt eine führende deutsche Klimaverhandlerin das Ressort: Luisa Rölke, die seit der COP26 als Referatsleiterin im Auswärtigen Amt (AA) teilweise die deutsche Delegation anführte, leitet seit Beginn der Woche das Referat für Klimaschutz, Klimaanpassung und Wasser im Landwirtschaftsministerium (BMEL). Das hat das AA auf Anfrage von Table.Media bestätigt.
Nachfolgerin auf Rölkes Posten als Leiterin des Referats 405 im AA und damit eine der zentralen Figuren der deutschen Klimadiplomatie wird Ursula Fuentes Hutfilter. Sie leitete bislang das AA-Referat 406, zuständig für Klimafinanzierung. Beide, Rölke und Fuentes Hutfilter, waren bei der Umgestaltung der Klimazuständigkeiten in der Ampel-Koalition 2021/22 aus dem Umweltministerium ins AA gewechselt.
Fuentes Hutfilter gilt als erfahrene und gut vernetzte Expertin. Sie ist verheiratet mit dem Physiker und Klimaexperten Bill Hare, dem Gründer und Vorsitzenden des gemeinnützigen Thinktanks Climate Analytics, der etwa mit dem “Climate Action Tracker” regelmäßig die Klimapolitik der UN-Staaten nach wissenschaftlichen und politischen Kriterien bewertet. Climate Analytics wird laut Website auch vom AA, dem Umwelt- und dem Forschungsministerium finanziert.
Dazu erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes: “Der Thinktank ‘Climate Analytics gGmbH’ hat im Jahr 2022 eine Zuwendung vom Auswärtigen Amt erhalten. Frau Fuentes Hutfilter und ihr Referat waren weder an der Prüfung des Projektantrags des Zuwendungsempfängers Climate Analytics gGmbH noch am Zuwendungsverfahren beteiligt.” bpo
Analysten des Beratungsunternehmens Oliver Wyman haben die Folgen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit anhand von sechs Kategorien untersucht: Überflutungen durch Hochwasser, Dürren, Hitzewellen, tropische Stürme, Waldbrände und den Anstieg des Meeresspiegels. Der Bericht basiert dabei auf gängigen Klimaszenarien, die von einer Erwärmung von 2,5 bis 2,9 Grad ausgehen. Der Bericht wurde vom Weltwirtschaftsforum veröffentlicht.
Allein durch häufigere und schwerere Überflutungen werde des demnach bis 2050 zu 8,5 Millionen zusätzlichen Todesfällen infolge der Klimakrise kommen. Häufigere Dürren würden den Berechnungen zufolge zusätzlich 3,2 Millionen Menschenleben kosten. Durch Hitzewellen komme es zu hitzebedingten Krankheiten mit einem wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 7,1 Billionen Euro. Die Folgen “der globalen Erwärmung bedrohen sowohl das Gesundheitssystem als auch den Planeten”. Für die Eindämmung der Klimakrise und ihrer Folgen für das Gesundheitswesen müssten “frühzeitig Mittel bereitgestellt werden. Bislang haben die Regierungen nur langsam reagiert”, so das Fazit des Berichts. nib
Im Amazonas-Regenwald Brasiliens wurde im vergangenen Jahr 50 Prozent weniger Fläche entwaldet als im Jahr 2022. Doch im ebenfalls ökologisch und für den Klimaschutz wichtigen Cerrado, einer tropischen Feuchtsavanne, stieg die Abholzung im gleichen Zeitraum um 43 Prozent. Das berichten mehrere Medien unter Bezugnahme auf die brasilianische Raumfahrtbehörde INPE. Der Cerrado, der weite Teile des Landes bedeckt, ist als Ökosystem ein wichtiger Wasser- und CO₂-Speicher und auch für die Biodiversität von großer Bedeutung.
In absoluten Zahlen ging die Entwaldung in der Amazonas-Region demnach von etwa 10.300 Quadratkilometern im Jahr 2022 auf etwa 5.200 Quadratkilometer zurück. Im Cerrado stieg sie von knapp 5.500 auf 7.800 Quadratkilometer. Die Daten aus dem Jahr 2023 umfassen den Zeitraum vom 1. Januar bis 29. Dezember.
Präsident Lula hat sich zum Ziel gesetzt, die Entwaldung in ganz Brasilien bis 2030 auf null zu senken. Wie die Financial Times (FT) berichtet, bringt das härtere Vorgehen seiner Regierung “gegen die zahlreichen kriminellen Interessengruppen des Regenwaldes” in der Amazonas-Region Erfolge, doch im Cerrado fallen währenddessen wachsende Flächen der Landwirtschaft zum Opfer. Die Savanne werde “in Brasilien und von der Weltgemeinschaft massiv übersehen”, sagte Alex Wijeratna, Senior Director der Kampagnengruppe Mighty Earth, der FT.
Wie die Zeitung weiter berichtet, gelten für den Amazonas-Regenwald auch schärfere Naturschutzvorschriften. André Lima, Sekretär für Entwaldungskontrolle im brasilianischen Umweltministerium, sagt demnach: “Die legale Abholzung ist viel schwieriger zu kontrollieren, weil das Gesetz sie zulässt.” 2024 habe die Eindämmung der Zerstörung des Cerrado aber “oberste Priorität”, so Lima. ae
Fridays for Future (FFF) Deutschland ruft gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi zu einem bundesweiten Klimastreik am 1. März unter dem Motto “Wir fahren zusammen” auf. In diesem Bündnis setzen sich FFF und Verdi für bessere Arbeitsbedingungen und eine Verdopplung der Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr bis 2030 ein. Für eine Verkehrswende sei eine nachhaltige und dauerhafte Stärkung des ÖPNV nötig.
In diesem Jahr fangen Tarifverhandlungen für mehr als 90.000 Beschäftigte im ÖPNV an. In dem Bereich mangelt es aktuell stark an Fachkräften. Einige Städte dünnen deshalb schon ihre Fahrpläne aus. Bis 2030 könnte der Mangel an Arbeitskräften weiter ansteigen. Bessere Arbeitsbedingungen würden dem entgegenwirken, argumentieren FFF und Verdi. kul
Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament am Dienstag strengere Vorschriften zur Reduzierung der Emissionen von hochklimawirksamen fluorierten Treibhausgasen (F-Gasen) angenommen. Die im Oktober erzielte Trilog-Einigung sieht den vollständigen Ausstieg aus den teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) bis 2050 vor sowie das schrittweise Herunterfahren über eine EU-Verbrauchsquote bis dahin. Branchen, in denen eine Umstellung auf Alternativen technologisch und wirtschaftlich machbar ist, beispielsweise bei Haushaltskühlgeräten, Klimaanlagen und Wärmepumpen, erhalten zudem Fristen für den Ausstieg aus der Nutzung von F-Gasen. So sollen bis 2030 bis zu 40 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden.
Europäische Unternehmen seien bereits Vorreiter bei der Entwicklung sauberer Alternativen zu F-Gasen, sodass dieses Gesetz gut für das Klima und die europäische Wirtschaft sein werde, sagte Parlaments-Berichterstatter Bas Eickhout (Grüne). Peter Liese, klimapolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, teilt Eickhouts Auffassung. Er sieht jedoch noch Nachbesserungsbedarf, sollten recycelte F-Gase für die Reparatur von bestehenden Kühlanlagen beispielsweise bei Fleischern oder Bäckern nicht ausreichen. Kommission und Mitgliedstaaten müssten alles daransetzen, das Recycling von F-Gasen auszubauen, fordert er. “Falls das nicht ausreicht, gibt es eine Revisionsklausel.” Zurecht weise das Handwerk darauf hin, dass die Klausel genutzt werden muss, wenn durch Recycling nicht ausreichend F-Gase für Reparaturzwecke zur Verfügung stehen, so Liese.
Dies unterstreicht auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): Ein faktisches Service- und Wartungsverbot dürfe es nicht geben. “Eine Kälteanlage auf natürliche Kältemittel umzurüsten, das wissen wir aus der betrieblichen Praxis, ist schlicht unmöglich”, sagt ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. luk
Die neue Regierung in Warschau hat beim Treffen der EU-Umweltminister am Montag Bereitschaft zu einer ehrgeizigeren Energie- und Klimapolitik bekundet. Die Regierung plane nun ein Datum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung, sagte die stellvertretende Klimaministerin Urszula Zielińska am Montag vor Journalisten.
“Nur mit einem Enddatum können wir planen, und nur mit einem Enddatum kann die Industrie planen, können die Menschen planen. Deshalb werden wir auf jeden Fall versuchen, ein Enddatum festzulegen”, sagte sie in Brüssel. Die vorherige Regierung unter der rechtsnationalen PiS-Partei hatte mit den Gewerkschaften einen Pakt geschlossen, der den Abbau von Kohle bis 2049 vorsieht.
Ein Bekenntnis zum EU-Klimaziel 2040 nahm Zielińska aber im Lauf des Tages wieder zurück. Die Regierung sei bereit, eine Emissionsminderung in der EU von 90 Prozent bis 2040 zu akzeptieren, hatte sie am Morgen zunächst gesagt. Dabei werde sie sich dafür einsetzen, dass die Auswirkungen auf die Gesellschaft berücksichtigt würden.
Am Montagabend schränkte die Vizeministerin dies auf der Plattform X wieder deutlich ein. Während eines Treffens mit Klimakommissar Wopke Hoekstra habe sie betont, “dass Polen eine ehrgeizige Klimapolitik will, die ohne Schäden für Bürger und Wirtschaft umgesetzt werden kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir bereits zu einem so frühen Zeitpunkt eine klare Aussage zum Emissionsminderungsziel für 2040 treffen können”. ber/rtr
In den nächsten zwei Jahren ist der Einbau neuer Gasheizungen in Deutschland vielerorts noch erlaubt – nämlich überall dort, wo es noch keine kommunale Wärmeplanung gibt. Problematisch ist das aber nicht nur unter Klimagesichtspunkten, sondern auch finanziell, warnt die Nichtregierungsorganisation WWF in einer aktualisierten Studie. Denn wenn es am jeweiligen Ort später kein Wasserstoffnetz gibt, müssen alle Gasheizungen, die ab jetzt eingebaut werden, künftig teilweise mit Biogas betrieben werden. Ab 2029 muss der Anteil bei 15 Prozent liegen, ab 2035 bei 30 Prozent und ab 2040 bei 60 Prozent. Dadurch werden Gasheizungen im Vergleich zu Wärmepumpen unwirtschaftlicher.
Der WWF geht in seiner Berechnung davon aus, dass Biogas pro Kilowattstunde etwa sieben Cent teurer ist als normales Erdgas. Über die 15-jährige Betriebsdauer der Gasheizung entstehen dadurch im Schnitt Zusatzkosten von 620 Euro pro Jahr. Die Belastung durch den CO₂-Preis wird im Schnitt auf 503 Euro pro Jahr geschätzt. Eine Gasheizung, die in diesem Jahr installiert wird, ist dadurch trotz der niedrigeren Investitionskosten über den Gesamtzeitraum betrachtet bereits teurer als eine Wärmepumpe, wenn man nur den 30-Prozent-Zuschuss einrechnet, den jeder bekommt, der eine klimafreundliche Heizung einbaut.
Noch günstiger fällt die Rechnung für alle aus, die zusätzlich den Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent (für den Austausch einer mindestens 20 Jahre alten Heizung in einem selbst bewohnten Gebäude) oder den Einkommensbonus von 30 Prozent (für Selbstnutzer mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von unter 40.000 Euro pro Jahr) bekommen. Sie sparen man mit einer Wärmepumpe über die Laufzeit von 15 Jahren 9.000 beziehungsweise 12.500 Euro. Wer durch Kombination aller drei Boni die Maximalförderung von 70 Prozent erhält, spart sogar über 16.000 Euro.
Durchgeführt wurden die Berechnungen im Auftrag des WWF erstmals im letzten Jahr vom Beratungsunternehmen Prognos. Sie wurden nun an die neuen gesetzlichen Vorgaben angepasst. Größter Unsicherheitsfaktor dabei ist die Entwicklung der Gas- und Strompreise. Die Berechnung geht davon aus, dass der Preis für Wärmepumpenstrom pro Kilowattstunde von 30 Cent im Jahr 2025 auf 23 Cent im Jahr 2040 sinkt, während der Gaspreis von zehn auf zwölf Cent steigt. mkr
Es gibt einen breiten globalen Konsens darüber, dass das globale Ernährungssystem die Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt ist. Wenn wir unsere Ernährungssysteme nicht in Angriff nehmen, wird sich dieser Verlust beschleunigen. Auch die Zerstörung von Ökosystemen und Lebensräumen wird schneller voranschreiten. Das gefährdet die Fähigkeit des Planeten, die menschliche Bevölkerung zu erhalten.
Allein in den vergangenen 50 Jahren sind die Populationen der Wirbeltiere um fast 70 Prozent geschrumpft. Rund eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Allein die Landwirtschaft verbraucht 80 Prozent des weltweit geförderten Süßwassers, und 80 Prozent der weltweiten Agrarflächen werden für die Aufzucht von Tieren genutzt, wobei Zuchtgeflügel 70 Prozent aller Vogelarten ausmacht und Wildvögel nur 30 Prozent. Die Rote Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) listet die Landwirtschaft als Hauptbedrohung für 24.000 der 28.000 bisher bewerteten Arten auf. Zugleich ist die Überfischung der größte Treiber für den Verlust der biologischen Vielfalt in den Ökosystemen der Ozeane.
Das globale Lebensmittelregime der Industrieunternehmen trägt enorm zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Emissionen entstehen durch die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert werden, wie sie weiterverarbeitet, verpackt, verschifft, für Biokraftstoffe und als Tierfutter verwendet werden. Auch übermäßiger Konsum und Lebensmittelverschwendung tragen zu den hohen Emissionen bei. Laut dem Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) über Klimawandel und Landsysteme aus dem Jahr 2019 emittiert das Ernährungssystem weltweit zwischen 21 und 37 Prozent der Gesamtemissionen pro Jahr. Darüber hinaus ist es ein völlig ungerechtes System in seinen Auswirkungen auf Landwirte, Landarbeiter, ländliche Gemeinden, Verbraucher, Lebensmittelarbeiter sowie die städtischen und ländlichen armen Gemeinden.
Die Antwort der Agrarindustrie auf die Klima- und Umweltkrise ist die lautstarke Förderung der klimafreundlichen Landwirtschaft (Climate-Smart Agriculture, CSA), einer von der Agrarindustrie geführten Vision einer hochtechnologischen, hoch überwachten und datengesteuerten “Landwirtschaft ohne Bauern”. Zu den größten Promotern von CSA gehören Bayer, McDonald’s und Walmart.
Einen Schub erhielt CSA mit dem Start der Agriculture Innovation Mission for Climate (AIM4C) im Jahr 2021 auf der COP26 der UN-Klimarahmenkonvention in Glasgow. Ihre Befürworter behaupten, sie könnten industrielle Düngemittel, Pestizide und Herbizide “effizienter” einsetzen.
Diese Petrochemikalien sind zerstörerisch für lokale Ökosysteme und Gemeinschaften. Ihre Verwendung ist mit einem enormen Energieverbrauch verbunden, und ebenso mit riskantem und patentiertem gentechnisch veränderten oder gen-editierten Saatgut und der Datenerfassung für die Feldrobotik. Sie tragen auch erheblich zu den gesamten landwirtschaftlichen Kohlendioxidemissionen bei: Im Jahr 2018 verursachten sie 1.250 Millionen Tonnen CO₂, was etwa 21,5 Prozent der jährlichen direkten Emissionen aus der Landwirtschaft entspricht. Zum Vergleich: Die weltweiten Emissionen der kommerziellen Luftfahrt beliefen sich im selben Jahr auf 900 Millionen Tonnen CO₂.
CSA gehört zu einer Reihe von falschen Klimalösungen, die angeboten werden und keinen nennenswerten Beitrag zur langfristigen Emissionsreduzierung leisten. Darüber hinaus sind sie von Natur aus nicht nachhaltig und verfestigen weiterhin globale Ungleichheiten.
Weltweit setzt sich eine wachsende Bewegung für die Agrarökologie als leistungsstarke Klimalösung und Alternative zum industriellen Ernährungssystem ein. Diese Bewegung besteht aus landwirtschaftlichen Gemeinschaften und Basisgruppen, und sie wird von einer beeindruckenden Gruppe von Akademikern und Forschenden unterstützt.
Agrarökologie ist eine Praxis, Wissenschaft und Bewegung. Sie verwendet ökologische und soziale Konzepte und Prinzipien, wenn sie nachhaltige landwirtschaftliche Ökosysteme gestaltet und managt. Sie impliziert die Dezentralisierung und Demokratisierung der Lebensmittelproduktion – und vor allem eine drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen.
Durch die Agrarökologie können bis 2050 Emissionen in Höhe von 490 Gigatonnen CO₂ eingespart werden. Weitere Vorteile, die sich bereits in der Praxis zeigen, sind:
Veränderungen in der globalen, regionalen und nationalen Politik und Finanzierung, die die Agrarökologie unterstützen, werden einen großen Beitrag dazu leisten, den Würgegriff katastrophaler marktbasierter Lösungen zu durchbrechen und mehrere Ziele in den Bereichen Klimawandel, Ökologie, Ernährung und soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Wenn wir eine Zukunft auf diesem Planeten haben wollen, sind solche Veränderungen unabdingbar.
Mariam Mayet ist Exekutivdirektorin des African Centre for Biodiversity (ACB) in Johannesburg, Südafrika. Ein Contra zu ihrem Standpunkt hat Matthias Berninger verfasst. Er ist Global Head of Public Affairs, Science, Sustainability, Health, Safety & Environment der Bayer AG. Sein Plädoyer für eine Landwirtschaft mit Gentechnologie und Pflanzenschutzmitteln können Sie hier lesen. Im September hatte Berninger seine Sicht auf die afrikanische Landwirtschaft in einem Gespräch mit Table.Media dargelegt.
Für das Überleben der Menschheit war stets entscheidend, ob die Bevölkerung oder die Produktivität der Landwirtschaft stärker wächst. In den meisten Teilen der Welt nahm in den vergangenen 100 Jahren die Agrarproduktivität stärker zu. Das ist ein Hauptgrund, warum wir heute acht Milliarden Menschen ernähren können. Auf dem afrikanischen Kontinent liegt hingegen das Wachstum der Bevölkerung weit über dem der landwirtschaftlichen Produktivität. Viele Länder versuchen dies durch Nahrungsmittelimporte auszugleichen. Doch das ist kein langfristig tragfähiges Modell.
Die Ursachen für die Situation sind vielfältig. Die mangelnde Produktivität aufgrund überholter Praktiken zählt ebenso dazu wie die begrenzten Möglichkeiten zur Bewässerung oder Finanzierung. Dramatisch verschärft wird die Lage durch die massiven Folgen des Klimawandels in Form von Dürren, Starkregen oder steigendem Schädlingsdruck.
Eine aktuelle Umfrage von Bayer unter Landwirten hat ergeben, dass 87 Prozent der kenianischen Landwirte deutlich mehr Hitze und Trockenheit erfahren als früher. Ganze 97 Prozent bestätigen, dass der Klimawandel schon heute große Auswirkungen auf ihren Feldern zeigt, bis hin zum Ernteausfall. All das spüren die Menschen in Form von rasant steigenden Lebensmittelpreisen. In Äthiopien oder Nigeria sind Lebensmittel seit 2020 um mehr als 100 Prozent teurer geworden, im Sudan sogar um über 1.000 Prozent.
Damit die afrikanische Landwirtschaft den Klimawandel bewältigen kann, braucht sie besseren Zugang zu Wissen und Technologien, aber auch Investitionen. Deshalb müssen Entwicklungspolitik und Wirtschaft enger zusammenarbeiten.
Bayer unterstützt die vom U.S. Department of State geleitete Initiative VACS zur Züchtung klimaangepasster Pflanzensorten. Wir sind auch von Anfang an Teil der von den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA ins Leben gerufenen AIM for Climate Initiative, die bereits mehr als 17 Milliarden US-Dollar für eine klimafreundliche Landwirtschaft mobilisieren konnte. Dieser ist nun auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beigetreten, vielleicht ein erster Schritt hin zu einem Strategiewechsel, der auf Innovationen setzt, die Nachhaltigkeit und Intensivierung zugleich ermöglichen.
Was braucht Afrika technologisch konkret? Unstrittig sollte es sein, den Zugang zu modernem konventionellem Saatgut, auch für die auf dem Kontinent heimischen Pflanzen, zu verbessern. Darüber hinaus brauchen wir angesichts des Tempos von Klimawandel und Bevölkerungswachstums die Biotechnologie. Mit ihrer Hilfe lassen sich Pflanzen widerstandsfähiger gegen die erwähnten Auswirkungen des Klimawandels machen.
Die USA haben das ebenso erkannt wie China. Auch die EU-Kommission arbeitet an einem neuen Regelwerk zur Gen-Editierung. Demnach sollen auch in der EU Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken wie CRISPR/Cas gezüchtet werden, konventionell gezüchteten Pflanzen praktisch gleichgestellt werden.
In Afrika selbst hat Kenia jüngst entschieden, gentechnisch verändertes Saatgut einzuführen. In einer wegweisenden Entscheidung hat Nigeria Anfang Januar die kommerzielle Freigabe von transgenen, insektenresistenten und trockenheitstoleranten Maissorten, bekannt als TELA-Mais, genehmigt. Diese Freigabe von TELA-Mais schafft wesentliche Voraussetzungen dafür, dass nigerianische Kleinbauernbetriebe rentabel arbeiten können und mehr Menschen in Nigeria eine sichere Nahrungsmittelversorgung haben.
Es findet also ein Umdenken statt, von dem Afrika überdurchschnittlich profitieren kann. Vor allem sind die Vorteile der Biotechnologie in tropischen Gefilden für Afrika von Bedeutung. Bayer hat schon 2020 entschieden, den ärmsten Kleinbauern freien Zugang zu unserem patentierten Saatgut zu ermöglichen, um so den Zugang für afrikanische Bauern zu verbessern.
Dennoch haben nicht alle diese Chance erkannt. Immer noch gibt es Stimmen, die den afrikanischen Kontinent vor allem mit Methoden aus dem ideologischen Arsenal der Agrarökologie beglücken wollen. Doch es ist ein Fakt, dass wir aufgrund der nicht ausreichenden Produktivität mit solchen Ansätzen oder gar reinem Biolandbau eine wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren können. Die Agrarökologie allein wird die Produktivitätslücke in der afrikanischen Landwirtschaft nicht schließen.
Auch der Flächenbedarf für eine rein agrarökologische Landwirtschaft ist viel zu hoch. Die damit verbundene Abholzung können wir uns nicht leisten. Das gilt vor allem für die tropischen Regenwälder, aber auch für viele andere Gebiete. Mehr Flächenverbrauch bedeutet einen weiteren Verlust an Biodiversität, den wir vermeiden müssen. Wir müssen mehr auf weniger Fläche produzieren, nicht weniger auf mehr Fläche. Auch der IPCC spricht sich für eine nachhaltige Intensivierung aus.
Der Vordenker des Biolandbaus Urs Niggli hat in einem Interview erneut betont, dass wir dringend aus der Polarisierung “ökologische versus konventionelle Landwirtschaft” herausmüssen. Recht hat er. Wenn wir den Klimawandel bekämpfen und gleichzeitig auf möglichst vielen zusätzlichen Flächen Biodiversität schützen wollen, müssen wir auf weniger Land mehr Lebensmittel produzieren. Das geht nur mit Biotechnologie.
Groß bleibt für den Kampf der afrikanischen Landwirtschaft gegen den Klimawandel auch die Bedeutung von effektiven und sicheren Pflanzenschutzprodukten. Ohne sie droht die Vernichtung vieler Ernten durch den zunehmenden Schädlingsbefall. Jüngste Beispiele sind die Ausbreitung des Herbstheerwurms oder die Heuschreckenplage vor einigen Jahren. Hier haben wir uns als Bayer selbst hohe Standards gesetzt (wie in einem früheren Interview mit Table.Media ausführlich erläutert). Wir verkaufen seit 2012 keine Pflanzenschutzmittel mehr, die von der Weltgesundheitsorganisation als besonders toxisch (Gefahrenkategorie Tox 1) eingestuft werden. Außerdem vertreiben wir nur Wirkstoffe, die in mindestens einem OECD-Land zugelassen sind.
Zusammengefasst: Afrika braucht die komplette technologische und wissenschaftsbasierte Bandbreite, um die Lücke zwischen Bevölkerungswachstum und Produktivität der Landwirtschaft zu schließen. Diese Erwartung teilen auch afrikanische Landwirte, mit denen ich spreche. Es ist eine Erwartung an uns alle.
Matthias Berninger ist Global Head of Public Affairs, Science, Sustainability, Health, Safety & Environment der Bayer AG. Ein Contra zu seinem Standpunkt hat Mariam Mayet verfasst, Exekutivdirektorin des African Centre for Biodiversity (ACB) in Johannesburg, Südafrika. Ihr Plädoyer für eine agrarökologische Wende können sie hier lesen.