die COP28 bietet viele alarmierende Botschaften, aber immer wieder auch ein bisschen Hoffnung. Eine neue Studie zu Klima-Kipppunkten zeigt: Wir könnten die Kipppunkte des Erdsystems schneller als erwartet erreichen. Doch die Politik kann mit positiven, sozialen Kipppunkten gegensteuern. Im Energiesektor ist so ein positiver Kipppunkt fast erreicht. Nico Beckert berichtet über die drohenden Gefahren und möglichen Ansatzpunkte zur Abmilderung.
Passend zum heutigen Thementag zu Urbanisierung und Städten liefern wir Ihnen außerdem einen Hintergrund zur Rolle von Städten im Klimawandel: Sie sind besonders bedroht und werden in den nationalen Klimaplänen zu wenig beachtet. Und Manuel Berkel erläutert, was die jüngst verabschiedeten EU-Wasserstoffquoten für Industrie und Verkehr bedeuten.
Daneben schauen wir auf neue Pläne zu Deutschlands Beitrag zur globalen Energiewende, den aktuellen Stand des Verhandlungstexts zum Global Stocktake und wie klimafreundliche Kühlsysteme in einer immer heißeren Zukunft aussehen können.
Behalten Sie einen kühlen Kopf!
In einer heute veröffentlichten Studie warnen Wissenschaftler, Klima-Kipppunkte “stellen Bedrohungen eines Ausmaßes dar, mit dem die Menschheit noch nie zuvor konfrontiert war“. Die Staaten müssten schnell aus den fossilen Energien aussteigen und Kipppunkte in ihre nationalen Klimaziele (NDCs) und das Global Stocktake aufnehmen.
“Die Welt befindet sich auf einem katastrophalen Weg”, so die deutliche Sprache der Studie, an der über 200 Wissenschaftler beteiligt waren und die die bisherige Forschung zu dem Thema zusammenfasst. Das Überschreiten von Kipppunkten bedrohe die Stabilität vieler Gesellschaften.
Weltweit würden beispielsweise wichtige Anbaugebiete für Nahrungsmittel so stark verändert, dass dort Landwirtschaft in ihrer bisherigen Form kaum noch möglich wäre. Doch die Politik könne auch positive Kipppunkte herbeiführen, mit denen sich die globale Erwärmung schneller stoppen lassen könne. Im Energiebereich sei so ein positiver Kipppunkt fast erreicht.
Laut der neuen Studie könnten einige negative Kipppunkte schon “bei einer geringeren globalen Erwärmung eintreten, als bisher angenommen“. Der Welt laufe die Zeit davon: Schon in den nächsten Jahrzehnten drohten manche von ihnen zu kippen – teilweise sei dieses Kippen nicht rückgängig zu machen. Doch Jonathan Donges vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stellt auch klar, dass nicht alle Kipppunkte zwangsläufig unumkehrbar seien.
Schon beim derzeitigen Stand der globalen Erwärmung bestehe bei fünf großen Kipppunkten die Gefahr, dass sie bald überschritten werden:
Insgesamt haben die Forscher 26 Kipppunkte identifiziert. Andere Studien gehen von 14 oder 16 Kipppunkten aus.
Überschreitet die globale Erwärmung die 2-Grad-Schwelle, sei auch der Amazonas Regenwald von einem “teilweisen Kollaps” bedroht. Die globale Erwärmung würde dazu beitragen, dass der Regenwald in bestimmten Regionen sein Blätterdach verliert, austrocknet und sich dadurch selbst zurückbildet.
Das Überschreiten der Kipppunkte hätte dramatische Auswirkungen auf die Wasser- und Lebensmittelversorgung, die Gesundheit, lokale Gemeinschaften und für Volkswirtschaften:
Allerdings gibt es auch Kritik an der Studie. Gerrit Lohmann, Klimawissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, sagte, die Studie gebe sich in einigen Bereichen zu sicher und habe Unsicherheiten, die es zu Kipppunkten in der Forschung noch gibt, “zu klein gemacht”. Bei einigen Kipppunkten könne noch nicht allzu genau gesagt werden, bei welchen Temperaturanstiegen sie eintreten. Es bräuchte in einigen Bereichen noch mehr Forschung. Das heben allerdings auch die Studienautoren hervor.
Um das Kippen ganzer Erdsysteme noch verhindern zu können, müssten die Staaten positive Kipppunkte herbeiführen, fordern die Wissenschaftler. Im Energiesystem sei so ein Kipppunkt fast erreicht: Erneuerbare Energien sind in vielen Staaten mittlerweile günstiger als fossile. Das könne zu mehr Nachfrage nach klimaschonenderen Technologien wie E-Autos und Wärmepumpen führen. Die Entwicklung in einem Bereich wirkt sich also positiv auf andere Bereich mit hohen Emissionen aus.
Auch im Bereich Verkehr und Ernährung gebe es Potenzial für positive Kipppunkte. Klimaschonende Verkehrsmittel müssten attraktiver werden als fossile – beispielsweise indem Städte attraktiver für Fuß- und Radverkehr werden und der öffentliche Nahverkehr besser ausgebaut werde. Gleiches gilt für Ernährung: Fleischlose Ernährung solle attraktiver und günstiger gemacht werden; Bauern sollten andere Einkommensquellen erhalten, beispielsweise indem sie für Umweltschutz bezahlt werden.
Allerdings müsste die Politik solche positiven Kipppunkte aktiv herbeiführen und dafür:
Die Wissenschaftler empfehlen die Gründung von Klimaclubs von Vorreiter-Staaten. Die EU, die USA und China könnten sich beispielsweise zusammenschließen und den Verkauf von Verbrennungsmotoren verbieten. Das würde den positiven Kipppunkt hin zu mehr E-Autos beschleunigen. Auch das Finanzsystem müsste so umgebaut werden, dass es positive Kipppunkte beschleunigt, mahnen die Wissenschaftler.
Die Existenz vieler Wirtschaftsbereiche in Europa hängt am Zugang zu günstigem grünen Wasserstoff. Feste Quoten für Industrie und Verkehr legt die überarbeitete Erneuerbare-Energie-Richtlinie (RED III) fest, die am 20. November in Kraft getreten ist. Welche Verpflichtungen sich daraus ergeben, ob sie mit der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung vereinbar sind und ob noch grüner Wasserstoff für weitere Einsatzzwecke übrig bleibt, lesen Sie in diesem Überblick.
Europäische Quoten für 2030 aus der RED III für grünen Wasserstoff und seine Derivate (im EU-Jargon “flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe für den Verkehr nicht biogenen Ursprungs” oder kurz RFNBO):
Für einzelne Verkehrsträger gelten 2030 gesonderte Anteile für E-Fuels:
Was diese EU-Vorgaben für Deutschland in absoluten Mengen bedeuten, dazu gibt es noch erstaunlich wenige Zahlen. Der BDI kann auf Anfrage nicht sagen, wie viele Tonnen grünen Wasserstoff die Industrie bis 2030 braucht, um die Vorgabe der Erneuerbaren-Richtlinie zu erfüllen. Im Frühjahr will der Thinktank Agora Industrie eine Studie vorlegen, die Antworten liefert. Eine erste Schätzung hat kürzlich Frontier Economics im Auftrag von Eon präsentiert.
Die Industrie benötige für die EU-Quote 23 Terawattstunden grünen Wasserstoff und der Verkehrssektor sechs bis neun Terawattstunden, je nachdem, ob sie mit Wasserstoff oder Derivaten erfüllt werden. Allerdings gibt Frontier auf Nachfrage an, im Verkehrssektor mit der Quote von einem Prozent gerechnet zu haben. Die doppelte Anrechenbarkeit wurde also offenbar außer Acht gelassen.
Durch die Ziele der Nationalen Wasserstoffstrategie wären die EU-Vorgaben auf den ersten Blick gedeckt. In ihrer neuen Nationalen Wasserstoffstrategie gibt sich die Bundesregierung für 2030 ein Ziel von 95 bis 130 Terawattstunden Wasserstoff. Neben dem bisherigen Verbrauch von 55 Terawattstunden kalkulierte sie mit einem zusätzlichen Bedarf von 40 bis 75 Terawattstunden. Sicher ist die Erfüllung der europäischen Vorgaben dadurch aber noch nicht.
Zum einen will sich die Bundesregierung auch kohlenstoffarmen Wasserstoff aus Erdgas auf ihre Ziele anrechnen lassen, was die RED III nicht zulässt. Zum anderen ist fraglich, ob die nationalen Ziele wirklich erreicht werden.
“In Summe halten wir die H2-Ziele für sehr ambitioniert, aber grundsätzlich realisierbar”, sagt Johanna Reichenbach von Frontier Economics. Inwieweit aber noch signifikante Fördermittel aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden können, sei nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds “sehr offen”. “Insofern ist die Zielerreichung für den Moment sicher weniger wahrscheinlich geworden“, sagt Reichenbach.
Auf europäischer Ebene machten Anfang der Woche mehrere Unternehmen Druck, damit die EU zusätzliche Fördermittel für die Wasserstoffwirtschaft bereitstellt. Existierende Fonds reichten nicht aus, um den Mangel an privaten Investitionen auszugleichen, schrieben unter anderem die Chefs der deutschen Firmen Sunfire, BayWa r.e. und Enapter in einer gemeinsamen Erklärung.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte dagegen am Montag zunächst keine neuen Finanzmittel an, sondern die zweite Ausschreibung der Europäischen Wasserstoffbank, die im Frühjahr startet. Im brasilianischen Bundesstaat Piauí solle außerdem durch EU-Mittel mit zehn Gigawatt eine der weltgrößten Erzeugungsanlagen für grünen Wasserstoff und Ammoniak entstehen, die an einem Terminal auf der kroatischen Insel Krk anlanden sollen. Zum Vergleich: Zehn Gigawatt entspricht dem Ziel der Bundesregierung für die gesamte Leistung inländischer Elektrolyseure im Jahr 2030.
Was die deutsche Wirtschaft aber mindestens ebenso sehr umtreibt wie die Finanzierungsfrage, ist die Umsetzung der RED III in nationales Recht. Dies werde in den kommenden Monaten ein Schwerpunkt der Verbandsarbeit, heißt es beim BDI. Strittig sind gleich mehrere Punkte:
Umgesetzt werden die nationalen Regelungen durch Novellen des Immissionsschutzrechts. Die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) will die Bundesregierung dem Vernehmen nach Anfang nächsten Jahres anpacken. Die Kriterien für grünen Wasserstoff aus dem Delegierten Rechtsakt werden in der 37. BImSchV umgesetzt, zu der es bereits Entwürfe, aber noch keinen Beschluss gibt.
Städte und Regionen stehen im Kampf gegen die Klimakrise an vorderster Front. Urbane Zentren heizen sich besonders schnell auf. Lokale Verwaltungen und Regierungen müssen konkrete Maßnahmen treffen und Innovationen fördern. In der EU sind Lokalregierungen beispielsweise für die Umsetzung von 70 Prozent aller Regulierungen verantwortlich. Gleichzeitig stehen ihre Interessen mitunter im Konflikt mit denen von nationalen Regierungen. Und lokalen Akteuren fehlen häufig die nötigen Finanzmittel für effizienten Klimaschutz.
Städte produzieren mehr als 75 Prozent der globalen Emissionen – dort wird besonders viel geheizt, gekühlt, es fallen große Mengen an Abfall an und Fahrzeuge stoßen viele Emissionen aus. Bis 2050 werden rund zwei Drittel aller Menschen in Städten wohnen.
Die Folgen der Klimakrise sind in Städten besonders stark zu spüren. Sie liegen häufig an Flüssen, Seen oder Berghängen, wo sie die Folgen von Extremwettereignissen stark treffen. Das zeigt sich auch am Beispiel des Austragungsorts der COP28. Analysen zeigen, dass Dubai bei einer Erderhitzung von 2,9 Grad durch den Anstieg des Meeresspiegels zu großen Teilen unter Wasser stehen würde.
Die Local Governments and Municipal Authorities (LGMA) Constituency repräsentiert subnationale Regierungen im Prozess des UNFCCC. Vor der COP28 hatten die darin vertretenen Städte und Regionen in einem Statement bereits ihre Position zur Bekämpfung des Klimawandels formuliert. Sie fordern unter anderem:
Daneben vertreten beispielsweise die Netzwerke C40 und ICLEI Städte und Regionen. Zum Auftakt der COP wurden die Bedürfnisse von Städten mit der Local Climate Action Summit (LCAS) mit mehr als 500 lokalen Leadern priorisiert. Der Thementag Multilevel Action, Urbanization und Built Environment legt am 6. Dezember ebenfalls einen Fokus darauf.
Auf der LCAS wurde eine Coalition for High Ambition Multilevel Partnerships ins Leben gerufen. Die Initiative fordert, dass für effizienteren Klimaschutz lokale und regionale Akteure besser mit einbezogen werden.
Lokale Akteure klagen oft über mangelnde finanzielle Mittel für effizienten Klimaschutz – gerade auch für Anpassung, wie der Adaption Gap Report zeigt. In den kommenden 15 Jahren sind für nachhaltige Infrastruktur schätzungsweise 93 Billionen US-Dollar an Investitionen notwendig – ein großer Teil fällt in Städten und auf regionaler Ebene an.
Außerdem mahnen die Städte und Regionen regelmäßig an, dass sie besser in Klimaschutzprozesse integriert werden sollen. Wichtige Entscheidungen würden hauptsächlich auf nationaler Ebene getroffen werden. In diesem Zusammenhang gibt es immer wieder die Kritik, dass Städte innerhalb von NDCs nicht gut genug repräsentiert sind.
Mobilität, Gebäude und Ernährungssysteme – das sind nur einige der Themen, die auf der Klimakonferenz im Zusammenhang mit Städten diskutiert werden. Es werden eher weniger konkrete Ergebnisse dazu erwartet. Viel mehr kann die Klimakonferenz eine Plattform sein, um lokale Lösungen zu präsentieren und ambitionierte Politiker zu vernetzen. Ein solches Beispiel ist der City Climate Finance Gap Fund, der von der Weltbank und der Europäischen Investitionsbank verwaltet wird und Anschubfinanzierung für Investitionen in nachhaltige Infrastruktur gibt. Auf dem Ministerial zum Thema sollen zudem Hebel für lokale Klimafinanzierung identifiziert werden.
6. Dezember, 9.30 Uhr, Plenary Al Ghafat
Ministerial Ministerial Meeting on Urbanization and Climate Change
Auf dem Ministerial Meeting werden viele Klimathemen verhandelt, die Städte betreffen: Finanzierung, Wohnen und Stadtentwicklung. Außerdem soll es dazu aufrufen, der neu gegründeten Coalition for High Ambition Multilevel Partnerships beizutreten. Infos
6. Dezember, 11.30 Uhr, SE Room 8
Podiumsdiskussion A Farmer-Driven Agenda to Advance Climate Action & Food Security through Cooperation and Innovation
Auf diesem Side-Event informieren verschiedene Verbände und Interessensvertretungen aus der Landwirtschaft über nachhaltige, regenerative Ansätze für eine Landwirtschaft im Klimawandel. Infos
6. Dezember, 12.30 Uhr, Online
Webinar Jobs and skills for a just green transition
Die globale Energiewende hat große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Auf diesem Event der OECD wird darüber diskutiert, wie man mit den daraus resultierenden Herausforderungen umgehen kann. Info & Anmeldung
6. Dezember, 14 Uhr, German Pavilion
Diskussion Solutions to unleash the potential of decentralised sustainable energy production
Auf der Veranstaltung des Deutschen Städtetags geht es um die Rolle von Städten im Klimaschutz. Lokale Vertreter aus Deutschland und Afrika diskutieren über Chancen und Herausforderungen. Infos
6. Dezember, 11.30, EU Pavilion & Online
Podiumsdiskussion Fuelling the Future: the role of sustainable aviation fuels in greening aviation
Auf dem Side-Event im EU-Pavillon geht es um neue Entwicklungen rund um die Emissionsreduzierung im Flugverkehr. Es sollen vielversprechende Technologien vorgestellt und Schwierigkeiten erörtert werden. Infos
Am Dienstagmorgen wurde der zweite Textentwurf für den Verhandlungstext zum Global Stocktake veröffentlicht. Es wird zugleich auch das Abschlussdokument der COP28 sein, da es in diesem Jahr keine gesonderte sogenannte “Cover Decision” geben wird. Darin befinden sich zahlreiche Optionen für die strittigsten Themen. Das heißt, dass zwischen zwei meist konträren Positionen unterschieden wird. Die dritte Option ist die Streichung des gesamten Absatzes.
Der Textvorschlag beinhaltet die Option eines “geordneten und gerechten Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen” – ein Ausstieg ohne Schlupflöcher für CCS und ohne Beschränkungen auf Emissionen aus Fossilen, aber auch ohne Jahreszahl. Die zweite Option ist die Beschleunigung der “Bemühungen” um einen schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ohne Verminderung (“phasing out unabated fossil fuels”).
Hier gibt es allerdings noch den Zusatz, dass der “Verbrauch” der Fossilen gesenkt und Netto-Null-CO₂ in Energiesystemen um das Jahr 2050 erreicht werden sollen. Linda Kalcher von Brüsseler Thinktank Strategic Perspectives hält diesen Zusatz für problematisch, da er die Verantwortung für die Reduktion vollständig auf Verbraucher abwälzt und öl- und gasproduzierende Länder daraus entlässt.
Eine ambitionierte Formulierung zur Kohle, die es wohl kaum in den finalen Text schaffen wird, fordert einen zügigen Ausstieg aus der unverminderten Kohleverstromung (“unabated coal power”) noch in diesem Jahrzehnt. China und Indien werden dem voraussichtlich nicht zustimmen, da sie ihre Wirtschaft nicht bis 2030 vollständig umstellen können. Der Absatz wird voraussichtlich abgeschwächt werden.
Eine weitere Baustelle ist die Aufforderung zu Netto-Null-Zielen, die Länder bis zur nächsten COP kommunizieren sollen. Option 1 würde Länder dazu auffordern, dass diese Ziele 1,5-Grad-kompatibel sein müssen. Entwicklungsländer lehnen dies jedoch ab, da so kein Unterschied zwischen den ärmeren Ländern und den reicheren Hauptverursachern des Klimawandels gemacht wird.
Option 2 gefällt den entwickelten Ländern nicht, da sie darin zu Netto-Null-Emissionen bis 2040 und negativen Treibhausgasemissionen “so früh wie möglich” aufgefordert werden. Deutschlands aktuelles Ziel für Netto-Null liegt bei 2045, die EU will 2050 klimaneutral sein.
Ein Vorschlag für eine Formulierung dürfte vor allem die Europäer hellhörig machen. Einseitige Klimaschutzmaßnahmen, die eine Beschränkung des internationalen Handels darstellen, sollen vermieden werden, heißt es darin. Da der europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM insbesondere von Südafrika als genau das kritisiert wird, ist der Fingerzeig offenkundig. Auch die USA werden sich jedoch durch ihren Inflation Reduction Act angesprochen fühlen. China empfindet den IRA als unfaire Handelspraxis.
Der neue Text befindet sich nun in den weiteren Verhandlungen und soll noch am Mittwoch, dem letzten Tag der ersten COP-Woche, im Zwischenplenum thematisiert werden. Da es ein Verhandlungstext ist, kann es im weiteren Verlauf noch zahlreiche Änderungen und auch Zusammenführungen der Optionen geben. luk
Laut Berechnungen von Climate Analytics könnte der breite Einsatz von Carbon Capture-Technologien bis zum Jahr 2050 bis zu 86 Gigatonnen an Treibhausgasemissionen weniger reduzieren als angenommen. Denn CCS-Anlagen fangen in der Praxis häufig viel weniger CO₂ auf als nötig wäre, um die Emissionen wirksam zu senken. Der Weltklimarat (IPCC) definiert abgemilderte Emissionen (“Abatement”) als Reduktion von 95 Prozent. Bisherige CCS-Anlagen fangen allerdings häufig nur 50 Prozent oder weniger der Emissionen auf.
Sollte in Zukunft großflächig auf CCS gesetzt werden und der Ausstieg aus den fossilen Energien dadurch verzögert werden, drohen die Emissionen also auf hohem Level zu bleiben. Die Forscher hatten für ihre Berechnungen ein IPCC-Szenario mit dem höchsten Anteil an CCS-Ausbau zugrunde gelegt. Die 86 Gigatonnen an Emissionen (CO₂-Äquivalente) sind der Unterschied zwischen einer Auffangrate von 50 Prozent und einer Rate von 95 Prozent, plus höherer Methan-Emissionen, weil auch hier die Auffangraten in der Praxis häufig geringer sind.
“Der Begriff ,abated’ wird als trojanisches Pferd benutzt, damit fossile Brennstoffe mit miserablen Abscheidungsraten als Klimaschutzmaßnahmen gelten können”, kritisiert Claire Fyson von Climate Analytics. Die Diskussionen um “Abmilderung” würden den falschen Eindruck erwecken, dass CCS die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe in großem Umfang ermögliche und gleichzeitig die im Pariser Abkommen festgelegte Obergrenze von 1,5 °C eingehalten werden könne. nib
Deutschland will sein Engagement zur beruflichen Qualifizierung von Fachkräften für die Energiewende weltweit ausbauen. Das BMZ arbeitet mit rund 60 Ländern in der beruflichen Bildung zusammen, bisher geht es in rund einem Fünftel der Projekte schon um Energiewende-Kompetenzen. Der Anteil davon soll bis 2025 steigen. Das gaben Vertreter der Bundesregierung gestern auf der COP28 bekannt, als sie Deutschlands Beitrag zur globalen Energiewende vorstellten.
Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden bis zum Jahr 2030 weltweit mehr als 100 Millionen Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien entstehen. Einem Aktionsplan zufolge will das BMZ Partnerländer beraten und beim Ausbau von Wissenschaftszentren unterstützen.
Außerdem bringt sich Deutschland in verschiedene Energiewende-Partnerschaften (JETPs) ein. Gestern wurde das Engagement konkretisiert: Deutschland will Südafrika 500 Millionen Euro dafür zur Verfügung stellen. Das Geld wird über günstige KfW-Kredite bereitgestellt, Haushaltsmittel kämen nicht zum Einsatz. Südafrika muss für die Kredite weniger Zinsen zahlen als üblich. Im Zuge des JETP mit Indonesien will das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Nach- und Umnutzungspläne für indonesische Kohlekraftwerke entwickeln. kul
Mehr als 60 Länder – unter ihnen auch Deutschland – haben gestern auf der COP28 das “Global Cooling Pledge” unterzeichnet. Darin versprechen sie, ihre Emissionen aus Kühlung künftig über alle Wirtschaftsbereiche hinweg um mindestens 68 Prozent weltweit (2022-2050) zu senken. Sie wollen die internationale Zusammenarbeit für mehr Klimaschutz im Kühlungssektor verstärken, die Energieeffizienz erhöhen und den Ausstoß von Treibhausgasen durch “gemeinsame, globale Emissionsziele” senken.
Der Kühlungssektor verursacht Treibhausgase unter anderem durch seinen Strombedarf. Hinzu kommt die Klimawirkung von entweichenden Kühlmitteln, die im Vergleich zu CO₂ besonders hoch ist. Dazu gehören beispielsweise Fluorkohlenwasserstoffe.
Besonders gefährdete Menschen sollen durch den Pledge einen besseren Zugang zu nachhaltiger Kühlung bekommen. Dem UN-Entwicklungsprogramm (UNEP) zufolge haben derzeit rund 1,2 Milliarden Menschen in Afrika und Asien keinen Zugang zu Kühlung, “was ihr Leben durch extreme Hitze gefährdet, das Einkommen der Landwirte schmälert, zu Lebensmittelverlusten und -verschwendung führt und den allgemeinen Zugang zu Impfstoffen behindert”.
Je weiter die Temperatur auf der Erde steige, desto höher werde der Bedarf an Kühlung sein, sagte Inger Andersen, die geschäftsführende Direktorin der UN-Entwicklungsagentur UNEP in Dubai. Sie stellte auf der COP28 einen neuen Bericht vor, der zeigt, wie die Emissionen aus Kühlung gesenkt werden könnten. “Keeping it Chill: How to meet cooling demands while cutting emissions” hat vier Hauptbotschaften:
“Die Lösungen sind heute verfügbar”, so Andersen. Laut dem Bericht sind die 60 Prozent Emissionsreduktion bereits durch passive Kühlung, also etwa Beschattung oder bessere Luftzirkulation, höhere Energieeffizienzstandards und eine schnellere Reduktion von klimaschädlichen Kühlmitteln zu realisieren. Würden dazu noch die Emissionen des Stromsektors schnell in Richtung null sinken, dann wären 96 Prozent erreichbar. ae
Die jüngste Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt: Der Klimaschutz wird immer stärker zum polarisierenden Thema. Seine populistischen Gegner mobilisieren bis weit in die gesellschaftliche Mitte hinein. Was wäre eine gute Gegenstrategie? Ein konsequenter Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit, der die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende betont und die Kommunen dabei nicht alleine lässt.
Die Ergebnisse der jüngsten Mitte-Studie sind besorgniserregend: Rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen gewinnen bis in die gesellschaftliche Mitte hinein an Boden. Gleichzeitig beobachten wir, dass das Themenfeld Klimawandel und Klimapolitik von anderen Themen überlagert und – besonders bedenklich – immer stärker in die gesellschaftliche Polarisierung hineingezogen wird.
Das ist ganz wesentlich eine Folge des Erfolges rechtspopulistischer Diskurse und Strategien. Wie konnte es dazu kommen? Und was lässt sich dagegen tun?
Die massiv angewachsene Forschung zum Populismus kann bei allen Divergenzen so zusammengefasst werden, dass der Populismus – als Diskurs und als politischer Akteur – auf drei Polarisierungen hinausläuft:
Auf die kommunikative Strategie der Populisten im Klimabereich bezogen, bedeutet das:
Die bisherigen Folgen dieser Strategie: Auf der lokalen Ebene hat der Widerstand gegen Klimapolitik zugenommen und ist härter geworden. Der gesellschaftliche Diskurs ist polarisiert, Klimaschutz soll abgewertet und verhindert werden.
Wir haben in der Mitte-Studie die deutsche Bevölkerung hinsichtlich ihrer klimapolitischen Einstellungen in vier Gruppen eingeteilt:
Die Klima-Regressiven haben das populistische Anti-Klima-Narrativ weitgehend übernommen. Dafür spricht auch, dass ihr Anteil im Osten mit 22,9 Prozent deutlich höher ist als im Westen (13,6 Prozent) – das passt zu den höheren AfD-Wahlergebnissen in Ostdeutschland.
Zwar sind die Klima-Progressiven insgesamt in der Mehrheit. Die populistische Behauptung von der “Minderheitenpolitik” stimmt also nicht. Aber das kann sich erstens schnell ändern, und zweitens sind auch die Klima-Progressiven mit der Klimapolitik der Bundesregierung teilweise unzufrieden. So wünschen sie sich beispielsweise mehr Bürgerbeteiligung.
Was kann man also tun, um die Menschen von engagiertem Klimaschutz zu überzeugen? Aus den Ergebnissen der Mitte-Studie lassen sich einige Hoffnungsschimmer und Lösungsansätze ableiten.
Rechts- und zukünftig vielleicht auch linkspopulistische Akteure versuchen, das Klimathema als polarisierendes Negativthema zu markieren. Dem kann nicht durch eine Gegenpolarisierung und Ausgrenzungen begegnet werden – insbesondere nicht gegenüber einfachen Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Hier braucht es inklusive Strategien, die an den Bruchstellen der Gegnerschaft und den bisher zu wenig genutzten Chancen von Energie- und Klimapolitik ansetzen.
Übrigens kann es auch ganz interessant sein, sich mal in Ruhe und in geschützter Atmosphäre erzählen zu lassen, warum jemand gegen ein bestimmtes Projekt oder den Klimaschutz allgemein ist. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern hilft vielleicht auch dabei, das politische Design der Energiewende zu verbessern. Denn darum müssen wir ringen: Wir brauchen auch hier mehr, nicht weniger Demokratie.
Fritz Reusswig ist Soziologe und Philosoph und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Er erforscht den gesellschaftlichen Klimadiskurs und berät Länder und Kommunen in Klimaschutz- und Klimaanpassungsfragen. Zusammen mit Beate Küpper (Hochschule Niederrhein) ist er der Verfasser des Klima-Kapitels der jüngsten Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
die COP28 bietet viele alarmierende Botschaften, aber immer wieder auch ein bisschen Hoffnung. Eine neue Studie zu Klima-Kipppunkten zeigt: Wir könnten die Kipppunkte des Erdsystems schneller als erwartet erreichen. Doch die Politik kann mit positiven, sozialen Kipppunkten gegensteuern. Im Energiesektor ist so ein positiver Kipppunkt fast erreicht. Nico Beckert berichtet über die drohenden Gefahren und möglichen Ansatzpunkte zur Abmilderung.
Passend zum heutigen Thementag zu Urbanisierung und Städten liefern wir Ihnen außerdem einen Hintergrund zur Rolle von Städten im Klimawandel: Sie sind besonders bedroht und werden in den nationalen Klimaplänen zu wenig beachtet. Und Manuel Berkel erläutert, was die jüngst verabschiedeten EU-Wasserstoffquoten für Industrie und Verkehr bedeuten.
Daneben schauen wir auf neue Pläne zu Deutschlands Beitrag zur globalen Energiewende, den aktuellen Stand des Verhandlungstexts zum Global Stocktake und wie klimafreundliche Kühlsysteme in einer immer heißeren Zukunft aussehen können.
Behalten Sie einen kühlen Kopf!
In einer heute veröffentlichten Studie warnen Wissenschaftler, Klima-Kipppunkte “stellen Bedrohungen eines Ausmaßes dar, mit dem die Menschheit noch nie zuvor konfrontiert war“. Die Staaten müssten schnell aus den fossilen Energien aussteigen und Kipppunkte in ihre nationalen Klimaziele (NDCs) und das Global Stocktake aufnehmen.
“Die Welt befindet sich auf einem katastrophalen Weg”, so die deutliche Sprache der Studie, an der über 200 Wissenschaftler beteiligt waren und die die bisherige Forschung zu dem Thema zusammenfasst. Das Überschreiten von Kipppunkten bedrohe die Stabilität vieler Gesellschaften.
Weltweit würden beispielsweise wichtige Anbaugebiete für Nahrungsmittel so stark verändert, dass dort Landwirtschaft in ihrer bisherigen Form kaum noch möglich wäre. Doch die Politik könne auch positive Kipppunkte herbeiführen, mit denen sich die globale Erwärmung schneller stoppen lassen könne. Im Energiebereich sei so ein positiver Kipppunkt fast erreicht.
Laut der neuen Studie könnten einige negative Kipppunkte schon “bei einer geringeren globalen Erwärmung eintreten, als bisher angenommen“. Der Welt laufe die Zeit davon: Schon in den nächsten Jahrzehnten drohten manche von ihnen zu kippen – teilweise sei dieses Kippen nicht rückgängig zu machen. Doch Jonathan Donges vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stellt auch klar, dass nicht alle Kipppunkte zwangsläufig unumkehrbar seien.
Schon beim derzeitigen Stand der globalen Erwärmung bestehe bei fünf großen Kipppunkten die Gefahr, dass sie bald überschritten werden:
Insgesamt haben die Forscher 26 Kipppunkte identifiziert. Andere Studien gehen von 14 oder 16 Kipppunkten aus.
Überschreitet die globale Erwärmung die 2-Grad-Schwelle, sei auch der Amazonas Regenwald von einem “teilweisen Kollaps” bedroht. Die globale Erwärmung würde dazu beitragen, dass der Regenwald in bestimmten Regionen sein Blätterdach verliert, austrocknet und sich dadurch selbst zurückbildet.
Das Überschreiten der Kipppunkte hätte dramatische Auswirkungen auf die Wasser- und Lebensmittelversorgung, die Gesundheit, lokale Gemeinschaften und für Volkswirtschaften:
Allerdings gibt es auch Kritik an der Studie. Gerrit Lohmann, Klimawissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, sagte, die Studie gebe sich in einigen Bereichen zu sicher und habe Unsicherheiten, die es zu Kipppunkten in der Forschung noch gibt, “zu klein gemacht”. Bei einigen Kipppunkten könne noch nicht allzu genau gesagt werden, bei welchen Temperaturanstiegen sie eintreten. Es bräuchte in einigen Bereichen noch mehr Forschung. Das heben allerdings auch die Studienautoren hervor.
Um das Kippen ganzer Erdsysteme noch verhindern zu können, müssten die Staaten positive Kipppunkte herbeiführen, fordern die Wissenschaftler. Im Energiesystem sei so ein Kipppunkt fast erreicht: Erneuerbare Energien sind in vielen Staaten mittlerweile günstiger als fossile. Das könne zu mehr Nachfrage nach klimaschonenderen Technologien wie E-Autos und Wärmepumpen führen. Die Entwicklung in einem Bereich wirkt sich also positiv auf andere Bereich mit hohen Emissionen aus.
Auch im Bereich Verkehr und Ernährung gebe es Potenzial für positive Kipppunkte. Klimaschonende Verkehrsmittel müssten attraktiver werden als fossile – beispielsweise indem Städte attraktiver für Fuß- und Radverkehr werden und der öffentliche Nahverkehr besser ausgebaut werde. Gleiches gilt für Ernährung: Fleischlose Ernährung solle attraktiver und günstiger gemacht werden; Bauern sollten andere Einkommensquellen erhalten, beispielsweise indem sie für Umweltschutz bezahlt werden.
Allerdings müsste die Politik solche positiven Kipppunkte aktiv herbeiführen und dafür:
Die Wissenschaftler empfehlen die Gründung von Klimaclubs von Vorreiter-Staaten. Die EU, die USA und China könnten sich beispielsweise zusammenschließen und den Verkauf von Verbrennungsmotoren verbieten. Das würde den positiven Kipppunkt hin zu mehr E-Autos beschleunigen. Auch das Finanzsystem müsste so umgebaut werden, dass es positive Kipppunkte beschleunigt, mahnen die Wissenschaftler.
Die Existenz vieler Wirtschaftsbereiche in Europa hängt am Zugang zu günstigem grünen Wasserstoff. Feste Quoten für Industrie und Verkehr legt die überarbeitete Erneuerbare-Energie-Richtlinie (RED III) fest, die am 20. November in Kraft getreten ist. Welche Verpflichtungen sich daraus ergeben, ob sie mit der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung vereinbar sind und ob noch grüner Wasserstoff für weitere Einsatzzwecke übrig bleibt, lesen Sie in diesem Überblick.
Europäische Quoten für 2030 aus der RED III für grünen Wasserstoff und seine Derivate (im EU-Jargon “flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe für den Verkehr nicht biogenen Ursprungs” oder kurz RFNBO):
Für einzelne Verkehrsträger gelten 2030 gesonderte Anteile für E-Fuels:
Was diese EU-Vorgaben für Deutschland in absoluten Mengen bedeuten, dazu gibt es noch erstaunlich wenige Zahlen. Der BDI kann auf Anfrage nicht sagen, wie viele Tonnen grünen Wasserstoff die Industrie bis 2030 braucht, um die Vorgabe der Erneuerbaren-Richtlinie zu erfüllen. Im Frühjahr will der Thinktank Agora Industrie eine Studie vorlegen, die Antworten liefert. Eine erste Schätzung hat kürzlich Frontier Economics im Auftrag von Eon präsentiert.
Die Industrie benötige für die EU-Quote 23 Terawattstunden grünen Wasserstoff und der Verkehrssektor sechs bis neun Terawattstunden, je nachdem, ob sie mit Wasserstoff oder Derivaten erfüllt werden. Allerdings gibt Frontier auf Nachfrage an, im Verkehrssektor mit der Quote von einem Prozent gerechnet zu haben. Die doppelte Anrechenbarkeit wurde also offenbar außer Acht gelassen.
Durch die Ziele der Nationalen Wasserstoffstrategie wären die EU-Vorgaben auf den ersten Blick gedeckt. In ihrer neuen Nationalen Wasserstoffstrategie gibt sich die Bundesregierung für 2030 ein Ziel von 95 bis 130 Terawattstunden Wasserstoff. Neben dem bisherigen Verbrauch von 55 Terawattstunden kalkulierte sie mit einem zusätzlichen Bedarf von 40 bis 75 Terawattstunden. Sicher ist die Erfüllung der europäischen Vorgaben dadurch aber noch nicht.
Zum einen will sich die Bundesregierung auch kohlenstoffarmen Wasserstoff aus Erdgas auf ihre Ziele anrechnen lassen, was die RED III nicht zulässt. Zum anderen ist fraglich, ob die nationalen Ziele wirklich erreicht werden.
“In Summe halten wir die H2-Ziele für sehr ambitioniert, aber grundsätzlich realisierbar”, sagt Johanna Reichenbach von Frontier Economics. Inwieweit aber noch signifikante Fördermittel aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden können, sei nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds “sehr offen”. “Insofern ist die Zielerreichung für den Moment sicher weniger wahrscheinlich geworden“, sagt Reichenbach.
Auf europäischer Ebene machten Anfang der Woche mehrere Unternehmen Druck, damit die EU zusätzliche Fördermittel für die Wasserstoffwirtschaft bereitstellt. Existierende Fonds reichten nicht aus, um den Mangel an privaten Investitionen auszugleichen, schrieben unter anderem die Chefs der deutschen Firmen Sunfire, BayWa r.e. und Enapter in einer gemeinsamen Erklärung.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte dagegen am Montag zunächst keine neuen Finanzmittel an, sondern die zweite Ausschreibung der Europäischen Wasserstoffbank, die im Frühjahr startet. Im brasilianischen Bundesstaat Piauí solle außerdem durch EU-Mittel mit zehn Gigawatt eine der weltgrößten Erzeugungsanlagen für grünen Wasserstoff und Ammoniak entstehen, die an einem Terminal auf der kroatischen Insel Krk anlanden sollen. Zum Vergleich: Zehn Gigawatt entspricht dem Ziel der Bundesregierung für die gesamte Leistung inländischer Elektrolyseure im Jahr 2030.
Was die deutsche Wirtschaft aber mindestens ebenso sehr umtreibt wie die Finanzierungsfrage, ist die Umsetzung der RED III in nationales Recht. Dies werde in den kommenden Monaten ein Schwerpunkt der Verbandsarbeit, heißt es beim BDI. Strittig sind gleich mehrere Punkte:
Umgesetzt werden die nationalen Regelungen durch Novellen des Immissionsschutzrechts. Die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) will die Bundesregierung dem Vernehmen nach Anfang nächsten Jahres anpacken. Die Kriterien für grünen Wasserstoff aus dem Delegierten Rechtsakt werden in der 37. BImSchV umgesetzt, zu der es bereits Entwürfe, aber noch keinen Beschluss gibt.
Städte und Regionen stehen im Kampf gegen die Klimakrise an vorderster Front. Urbane Zentren heizen sich besonders schnell auf. Lokale Verwaltungen und Regierungen müssen konkrete Maßnahmen treffen und Innovationen fördern. In der EU sind Lokalregierungen beispielsweise für die Umsetzung von 70 Prozent aller Regulierungen verantwortlich. Gleichzeitig stehen ihre Interessen mitunter im Konflikt mit denen von nationalen Regierungen. Und lokalen Akteuren fehlen häufig die nötigen Finanzmittel für effizienten Klimaschutz.
Städte produzieren mehr als 75 Prozent der globalen Emissionen – dort wird besonders viel geheizt, gekühlt, es fallen große Mengen an Abfall an und Fahrzeuge stoßen viele Emissionen aus. Bis 2050 werden rund zwei Drittel aller Menschen in Städten wohnen.
Die Folgen der Klimakrise sind in Städten besonders stark zu spüren. Sie liegen häufig an Flüssen, Seen oder Berghängen, wo sie die Folgen von Extremwettereignissen stark treffen. Das zeigt sich auch am Beispiel des Austragungsorts der COP28. Analysen zeigen, dass Dubai bei einer Erderhitzung von 2,9 Grad durch den Anstieg des Meeresspiegels zu großen Teilen unter Wasser stehen würde.
Die Local Governments and Municipal Authorities (LGMA) Constituency repräsentiert subnationale Regierungen im Prozess des UNFCCC. Vor der COP28 hatten die darin vertretenen Städte und Regionen in einem Statement bereits ihre Position zur Bekämpfung des Klimawandels formuliert. Sie fordern unter anderem:
Daneben vertreten beispielsweise die Netzwerke C40 und ICLEI Städte und Regionen. Zum Auftakt der COP wurden die Bedürfnisse von Städten mit der Local Climate Action Summit (LCAS) mit mehr als 500 lokalen Leadern priorisiert. Der Thementag Multilevel Action, Urbanization und Built Environment legt am 6. Dezember ebenfalls einen Fokus darauf.
Auf der LCAS wurde eine Coalition for High Ambition Multilevel Partnerships ins Leben gerufen. Die Initiative fordert, dass für effizienteren Klimaschutz lokale und regionale Akteure besser mit einbezogen werden.
Lokale Akteure klagen oft über mangelnde finanzielle Mittel für effizienten Klimaschutz – gerade auch für Anpassung, wie der Adaption Gap Report zeigt. In den kommenden 15 Jahren sind für nachhaltige Infrastruktur schätzungsweise 93 Billionen US-Dollar an Investitionen notwendig – ein großer Teil fällt in Städten und auf regionaler Ebene an.
Außerdem mahnen die Städte und Regionen regelmäßig an, dass sie besser in Klimaschutzprozesse integriert werden sollen. Wichtige Entscheidungen würden hauptsächlich auf nationaler Ebene getroffen werden. In diesem Zusammenhang gibt es immer wieder die Kritik, dass Städte innerhalb von NDCs nicht gut genug repräsentiert sind.
Mobilität, Gebäude und Ernährungssysteme – das sind nur einige der Themen, die auf der Klimakonferenz im Zusammenhang mit Städten diskutiert werden. Es werden eher weniger konkrete Ergebnisse dazu erwartet. Viel mehr kann die Klimakonferenz eine Plattform sein, um lokale Lösungen zu präsentieren und ambitionierte Politiker zu vernetzen. Ein solches Beispiel ist der City Climate Finance Gap Fund, der von der Weltbank und der Europäischen Investitionsbank verwaltet wird und Anschubfinanzierung für Investitionen in nachhaltige Infrastruktur gibt. Auf dem Ministerial zum Thema sollen zudem Hebel für lokale Klimafinanzierung identifiziert werden.
6. Dezember, 9.30 Uhr, Plenary Al Ghafat
Ministerial Ministerial Meeting on Urbanization and Climate Change
Auf dem Ministerial Meeting werden viele Klimathemen verhandelt, die Städte betreffen: Finanzierung, Wohnen und Stadtentwicklung. Außerdem soll es dazu aufrufen, der neu gegründeten Coalition for High Ambition Multilevel Partnerships beizutreten. Infos
6. Dezember, 11.30 Uhr, SE Room 8
Podiumsdiskussion A Farmer-Driven Agenda to Advance Climate Action & Food Security through Cooperation and Innovation
Auf diesem Side-Event informieren verschiedene Verbände und Interessensvertretungen aus der Landwirtschaft über nachhaltige, regenerative Ansätze für eine Landwirtschaft im Klimawandel. Infos
6. Dezember, 12.30 Uhr, Online
Webinar Jobs and skills for a just green transition
Die globale Energiewende hat große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Auf diesem Event der OECD wird darüber diskutiert, wie man mit den daraus resultierenden Herausforderungen umgehen kann. Info & Anmeldung
6. Dezember, 14 Uhr, German Pavilion
Diskussion Solutions to unleash the potential of decentralised sustainable energy production
Auf der Veranstaltung des Deutschen Städtetags geht es um die Rolle von Städten im Klimaschutz. Lokale Vertreter aus Deutschland und Afrika diskutieren über Chancen und Herausforderungen. Infos
6. Dezember, 11.30, EU Pavilion & Online
Podiumsdiskussion Fuelling the Future: the role of sustainable aviation fuels in greening aviation
Auf dem Side-Event im EU-Pavillon geht es um neue Entwicklungen rund um die Emissionsreduzierung im Flugverkehr. Es sollen vielversprechende Technologien vorgestellt und Schwierigkeiten erörtert werden. Infos
Am Dienstagmorgen wurde der zweite Textentwurf für den Verhandlungstext zum Global Stocktake veröffentlicht. Es wird zugleich auch das Abschlussdokument der COP28 sein, da es in diesem Jahr keine gesonderte sogenannte “Cover Decision” geben wird. Darin befinden sich zahlreiche Optionen für die strittigsten Themen. Das heißt, dass zwischen zwei meist konträren Positionen unterschieden wird. Die dritte Option ist die Streichung des gesamten Absatzes.
Der Textvorschlag beinhaltet die Option eines “geordneten und gerechten Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen” – ein Ausstieg ohne Schlupflöcher für CCS und ohne Beschränkungen auf Emissionen aus Fossilen, aber auch ohne Jahreszahl. Die zweite Option ist die Beschleunigung der “Bemühungen” um einen schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ohne Verminderung (“phasing out unabated fossil fuels”).
Hier gibt es allerdings noch den Zusatz, dass der “Verbrauch” der Fossilen gesenkt und Netto-Null-CO₂ in Energiesystemen um das Jahr 2050 erreicht werden sollen. Linda Kalcher von Brüsseler Thinktank Strategic Perspectives hält diesen Zusatz für problematisch, da er die Verantwortung für die Reduktion vollständig auf Verbraucher abwälzt und öl- und gasproduzierende Länder daraus entlässt.
Eine ambitionierte Formulierung zur Kohle, die es wohl kaum in den finalen Text schaffen wird, fordert einen zügigen Ausstieg aus der unverminderten Kohleverstromung (“unabated coal power”) noch in diesem Jahrzehnt. China und Indien werden dem voraussichtlich nicht zustimmen, da sie ihre Wirtschaft nicht bis 2030 vollständig umstellen können. Der Absatz wird voraussichtlich abgeschwächt werden.
Eine weitere Baustelle ist die Aufforderung zu Netto-Null-Zielen, die Länder bis zur nächsten COP kommunizieren sollen. Option 1 würde Länder dazu auffordern, dass diese Ziele 1,5-Grad-kompatibel sein müssen. Entwicklungsländer lehnen dies jedoch ab, da so kein Unterschied zwischen den ärmeren Ländern und den reicheren Hauptverursachern des Klimawandels gemacht wird.
Option 2 gefällt den entwickelten Ländern nicht, da sie darin zu Netto-Null-Emissionen bis 2040 und negativen Treibhausgasemissionen “so früh wie möglich” aufgefordert werden. Deutschlands aktuelles Ziel für Netto-Null liegt bei 2045, die EU will 2050 klimaneutral sein.
Ein Vorschlag für eine Formulierung dürfte vor allem die Europäer hellhörig machen. Einseitige Klimaschutzmaßnahmen, die eine Beschränkung des internationalen Handels darstellen, sollen vermieden werden, heißt es darin. Da der europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM insbesondere von Südafrika als genau das kritisiert wird, ist der Fingerzeig offenkundig. Auch die USA werden sich jedoch durch ihren Inflation Reduction Act angesprochen fühlen. China empfindet den IRA als unfaire Handelspraxis.
Der neue Text befindet sich nun in den weiteren Verhandlungen und soll noch am Mittwoch, dem letzten Tag der ersten COP-Woche, im Zwischenplenum thematisiert werden. Da es ein Verhandlungstext ist, kann es im weiteren Verlauf noch zahlreiche Änderungen und auch Zusammenführungen der Optionen geben. luk
Laut Berechnungen von Climate Analytics könnte der breite Einsatz von Carbon Capture-Technologien bis zum Jahr 2050 bis zu 86 Gigatonnen an Treibhausgasemissionen weniger reduzieren als angenommen. Denn CCS-Anlagen fangen in der Praxis häufig viel weniger CO₂ auf als nötig wäre, um die Emissionen wirksam zu senken. Der Weltklimarat (IPCC) definiert abgemilderte Emissionen (“Abatement”) als Reduktion von 95 Prozent. Bisherige CCS-Anlagen fangen allerdings häufig nur 50 Prozent oder weniger der Emissionen auf.
Sollte in Zukunft großflächig auf CCS gesetzt werden und der Ausstieg aus den fossilen Energien dadurch verzögert werden, drohen die Emissionen also auf hohem Level zu bleiben. Die Forscher hatten für ihre Berechnungen ein IPCC-Szenario mit dem höchsten Anteil an CCS-Ausbau zugrunde gelegt. Die 86 Gigatonnen an Emissionen (CO₂-Äquivalente) sind der Unterschied zwischen einer Auffangrate von 50 Prozent und einer Rate von 95 Prozent, plus höherer Methan-Emissionen, weil auch hier die Auffangraten in der Praxis häufig geringer sind.
“Der Begriff ,abated’ wird als trojanisches Pferd benutzt, damit fossile Brennstoffe mit miserablen Abscheidungsraten als Klimaschutzmaßnahmen gelten können”, kritisiert Claire Fyson von Climate Analytics. Die Diskussionen um “Abmilderung” würden den falschen Eindruck erwecken, dass CCS die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe in großem Umfang ermögliche und gleichzeitig die im Pariser Abkommen festgelegte Obergrenze von 1,5 °C eingehalten werden könne. nib
Deutschland will sein Engagement zur beruflichen Qualifizierung von Fachkräften für die Energiewende weltweit ausbauen. Das BMZ arbeitet mit rund 60 Ländern in der beruflichen Bildung zusammen, bisher geht es in rund einem Fünftel der Projekte schon um Energiewende-Kompetenzen. Der Anteil davon soll bis 2025 steigen. Das gaben Vertreter der Bundesregierung gestern auf der COP28 bekannt, als sie Deutschlands Beitrag zur globalen Energiewende vorstellten.
Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden bis zum Jahr 2030 weltweit mehr als 100 Millionen Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien entstehen. Einem Aktionsplan zufolge will das BMZ Partnerländer beraten und beim Ausbau von Wissenschaftszentren unterstützen.
Außerdem bringt sich Deutschland in verschiedene Energiewende-Partnerschaften (JETPs) ein. Gestern wurde das Engagement konkretisiert: Deutschland will Südafrika 500 Millionen Euro dafür zur Verfügung stellen. Das Geld wird über günstige KfW-Kredite bereitgestellt, Haushaltsmittel kämen nicht zum Einsatz. Südafrika muss für die Kredite weniger Zinsen zahlen als üblich. Im Zuge des JETP mit Indonesien will das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Nach- und Umnutzungspläne für indonesische Kohlekraftwerke entwickeln. kul
Mehr als 60 Länder – unter ihnen auch Deutschland – haben gestern auf der COP28 das “Global Cooling Pledge” unterzeichnet. Darin versprechen sie, ihre Emissionen aus Kühlung künftig über alle Wirtschaftsbereiche hinweg um mindestens 68 Prozent weltweit (2022-2050) zu senken. Sie wollen die internationale Zusammenarbeit für mehr Klimaschutz im Kühlungssektor verstärken, die Energieeffizienz erhöhen und den Ausstoß von Treibhausgasen durch “gemeinsame, globale Emissionsziele” senken.
Der Kühlungssektor verursacht Treibhausgase unter anderem durch seinen Strombedarf. Hinzu kommt die Klimawirkung von entweichenden Kühlmitteln, die im Vergleich zu CO₂ besonders hoch ist. Dazu gehören beispielsweise Fluorkohlenwasserstoffe.
Besonders gefährdete Menschen sollen durch den Pledge einen besseren Zugang zu nachhaltiger Kühlung bekommen. Dem UN-Entwicklungsprogramm (UNEP) zufolge haben derzeit rund 1,2 Milliarden Menschen in Afrika und Asien keinen Zugang zu Kühlung, “was ihr Leben durch extreme Hitze gefährdet, das Einkommen der Landwirte schmälert, zu Lebensmittelverlusten und -verschwendung führt und den allgemeinen Zugang zu Impfstoffen behindert”.
Je weiter die Temperatur auf der Erde steige, desto höher werde der Bedarf an Kühlung sein, sagte Inger Andersen, die geschäftsführende Direktorin der UN-Entwicklungsagentur UNEP in Dubai. Sie stellte auf der COP28 einen neuen Bericht vor, der zeigt, wie die Emissionen aus Kühlung gesenkt werden könnten. “Keeping it Chill: How to meet cooling demands while cutting emissions” hat vier Hauptbotschaften:
“Die Lösungen sind heute verfügbar”, so Andersen. Laut dem Bericht sind die 60 Prozent Emissionsreduktion bereits durch passive Kühlung, also etwa Beschattung oder bessere Luftzirkulation, höhere Energieeffizienzstandards und eine schnellere Reduktion von klimaschädlichen Kühlmitteln zu realisieren. Würden dazu noch die Emissionen des Stromsektors schnell in Richtung null sinken, dann wären 96 Prozent erreichbar. ae
Die jüngste Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt: Der Klimaschutz wird immer stärker zum polarisierenden Thema. Seine populistischen Gegner mobilisieren bis weit in die gesellschaftliche Mitte hinein. Was wäre eine gute Gegenstrategie? Ein konsequenter Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit, der die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende betont und die Kommunen dabei nicht alleine lässt.
Die Ergebnisse der jüngsten Mitte-Studie sind besorgniserregend: Rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen gewinnen bis in die gesellschaftliche Mitte hinein an Boden. Gleichzeitig beobachten wir, dass das Themenfeld Klimawandel und Klimapolitik von anderen Themen überlagert und – besonders bedenklich – immer stärker in die gesellschaftliche Polarisierung hineingezogen wird.
Das ist ganz wesentlich eine Folge des Erfolges rechtspopulistischer Diskurse und Strategien. Wie konnte es dazu kommen? Und was lässt sich dagegen tun?
Die massiv angewachsene Forschung zum Populismus kann bei allen Divergenzen so zusammengefasst werden, dass der Populismus – als Diskurs und als politischer Akteur – auf drei Polarisierungen hinausläuft:
Auf die kommunikative Strategie der Populisten im Klimabereich bezogen, bedeutet das:
Die bisherigen Folgen dieser Strategie: Auf der lokalen Ebene hat der Widerstand gegen Klimapolitik zugenommen und ist härter geworden. Der gesellschaftliche Diskurs ist polarisiert, Klimaschutz soll abgewertet und verhindert werden.
Wir haben in der Mitte-Studie die deutsche Bevölkerung hinsichtlich ihrer klimapolitischen Einstellungen in vier Gruppen eingeteilt:
Die Klima-Regressiven haben das populistische Anti-Klima-Narrativ weitgehend übernommen. Dafür spricht auch, dass ihr Anteil im Osten mit 22,9 Prozent deutlich höher ist als im Westen (13,6 Prozent) – das passt zu den höheren AfD-Wahlergebnissen in Ostdeutschland.
Zwar sind die Klima-Progressiven insgesamt in der Mehrheit. Die populistische Behauptung von der “Minderheitenpolitik” stimmt also nicht. Aber das kann sich erstens schnell ändern, und zweitens sind auch die Klima-Progressiven mit der Klimapolitik der Bundesregierung teilweise unzufrieden. So wünschen sie sich beispielsweise mehr Bürgerbeteiligung.
Was kann man also tun, um die Menschen von engagiertem Klimaschutz zu überzeugen? Aus den Ergebnissen der Mitte-Studie lassen sich einige Hoffnungsschimmer und Lösungsansätze ableiten.
Rechts- und zukünftig vielleicht auch linkspopulistische Akteure versuchen, das Klimathema als polarisierendes Negativthema zu markieren. Dem kann nicht durch eine Gegenpolarisierung und Ausgrenzungen begegnet werden – insbesondere nicht gegenüber einfachen Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Hier braucht es inklusive Strategien, die an den Bruchstellen der Gegnerschaft und den bisher zu wenig genutzten Chancen von Energie- und Klimapolitik ansetzen.
Übrigens kann es auch ganz interessant sein, sich mal in Ruhe und in geschützter Atmosphäre erzählen zu lassen, warum jemand gegen ein bestimmtes Projekt oder den Klimaschutz allgemein ist. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern hilft vielleicht auch dabei, das politische Design der Energiewende zu verbessern. Denn darum müssen wir ringen: Wir brauchen auch hier mehr, nicht weniger Demokratie.
Fritz Reusswig ist Soziologe und Philosoph und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Er erforscht den gesellschaftlichen Klimadiskurs und berät Länder und Kommunen in Klimaschutz- und Klimaanpassungsfragen. Zusammen mit Beate Küpper (Hochschule Niederrhein) ist er der Verfasser des Klima-Kapitels der jüngsten Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.