Table.Briefing: Climate

COP: Fortschritte bei Methan + 118 Länder wollen Erneuerbare + Regierungschefs geloben Kooperation

Liebe Leserin, lieber Leser,

am gestrigen COP-Tag dreht sich viel um das Thema Energie. 118 Länder verpflichteten sich, die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen – das Thema war wenig umstritten. Allerdings haben sich Indien und China nicht an der Initiative beteiligt. Lukas Scheid und Nico Beckert berichten über die Hintergründe. Für mehr Diskussion sorgte der Vorstoß von rund 20 Ländern, die Kernkraft-Kapazitäten zu verdreifachen.

Mindestens genauso umstritten: 50 Öl- und Gasproduzenten verpflichten sich zwar, Methan-Emissionen deutlich zu reduzieren. Doch selbst Konferenzpräsident Sultan Al Jaber mahnte die fossilen Giganten zu mehr Engagement bei den Scope-3-Emissionen. Nico Beckert erklärt, was hinter der neuen Industrie-Initiative steckt und welcher große Emittent dem Global Methane Pledge beigetreten ist.

Bernhard Pötter hat für Sie gesammelt, welche Versprechen die Staats- und Regierungschefs auf dem World Climate Action Summit abgegeben haben. Sein Fazit: Die Stimmung bleibt positiv! Die COP überrascht also.

Außerdem schauen wir auf den heutigen Gesundheitstag: Wir geben einen Überblick über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimakrise und Marina Romanello, Direktorin des Lancet Countdown, erklärt, warum die Gesundheitskrise ins Zentrum der Klimakonferenz gerückt werden sollte.

Wir bleiben dran.

Ihre
Lisa Kuner
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Analyse

Methan: Turkmenistan tritt Pledge bei, USA regulieren schärfer

Methan ist ein besonders klimaschädliches Gas – darum wird auf der COP an Lösungen gearbeitet, seine Emission zu reduzieren.

Am dritten Tag der COP gab es Fortschritte bei der Regulierung von Methan, einem der gefährlichsten Treibhausgase – wenn auch bisher nur mit neuen Entwicklungen und Ankündigungen. Die USA stellten eine neue Regulierung des Öl- und Gassektors vor. Mit Turkmenistan ist einer der größten Methan-Emittenten dem Global Methane Pledge zur Reduktion der Emissionen um mindestens 30 Prozent bis 2030 beigetreten. Und COP-Präsident Al Jaber hat eine Industrie-Initiative, die Oil and Gas Decarbonization Charter (OGDC), vorgestellt.

“Methan ist eine der größten Gefahren im Zusammenhang mit der Klimakrise”, sagte John Kerry während eines Briefings. Das Treibhausgas ist auf kurze Sicht 80-mal schädlicher als CO₂. Es gäbe keine Möglichkeit, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, wenn die Welt nicht sofort die Methanemissionen reduziere, so Kerry.

Neue EPA Regulierungen – Xie dämpft Erwartungen

In Dubai wiederholten Kerry und der chinesische Klimasondergesandte Xie Zhenhua die Ergebnisse der jüngsten bilateralen Klimakooperation. China erklärte sich im Sunnylands Statement bereit, erstmals auch Methan und andere Nicht-CO₂-Gase in sein 2035er NDC aufzunehmen. Xie sagte, China habe “eine schwache Grundlage” und müsse seine technischen Fähigkeiten und Regulierungen zur Kontrolle von Methanemissionen noch verbessern.

In den USA hat die Umweltschutzbehörde (EPA) zudem neue Regeln erlassen. Öl- und Gas-Produzenten müssen Lecks ausfindig machen und reparieren. Das routinemäßige Verbrennen von Methan wurde verboten. Zudem soll es häufigere Kontrollen geben und unabhängige dritte Parteien sollen Methanlecks jetzt direkt an die EPA melden. Die Öl- und Gasindustrie kritisierte das, weil es zu viel Macht in die Hände von Umweltgruppen läge, wie Reuters berichtet. Die NGO Climate Nexus bezeichnete die Regeln als “willkommenen Schritt nach vorn”. Erstmals würden auch bestehende Methan-Quellen aus der Öl- und Gasindustrie reguliert und nicht nur neue, so Climate Nexus. Laut John Kerry werde die Regulierung die Methanemissionen um fast 80 Prozent senken.

Al Jaber präsentiert Industrieinitiative

COP-Präsident Al Jaber hat eine Industrie-Initiative zur Reduktion der Methan-Emissionen gestartet. 50 Öl- und Gasfirmen haben sich der Oil and Gas Decarbonization Charter (OGDC) angeschlossen. 31 Unternehmen hätten sich laut Al Jaber erstmals zur Minderung ihrer Emissionen bis 2030 verpflichtet. Doch das sei nicht genug, so Al Jaber. Der Öl- und Gassektor müsse mehr unternehmen, um sowohl die Scope 1 und 2-Emissionen zu senken. Gleichzeitig müsse er auch mehr in grüne Energien und grüne Technologien investieren, um die Scope 3-Emissionen, also jene, die vom Endverbraucher beim Verbrennen fossiler Energien erzeugt werden, zu verringern.

Zu den Mitgliedern der Initiative gehören ExxonMobile, Shell, BP, TotalEnergies, Occidental Petroleum sowie die staatlichen Unternehmen Petrobras, NNPC aus Nigeria und Kasachstans KazMunayGaz. Nicht dabei sind Chevron und ConocoPhillips sowie die staatlichen chinesischen Firmen.

Die Unternehmen der OGDC erklären sich bereit, ihre Methanemissionen auf “fast null” zu senken und das routinemäßige Abfackeln von Gas zu beenden. Konkret: der Methan-Ausstoß bei der Förderung, also die Methan-Intensität, darf nur noch bei 0,2 Prozent der gesamten verkauften Gasmenge liegen. Laut Fred Krupp, Präsident der NGO Environmental Defense Fund, wäre das ein großer Fortschritt. Aktuell haben viele Förder-Unternehmen eine Methan-Intensität von 2 bis 3 Prozent. Die Zielmarke von maximal 0,2 Prozent würde also eine Reduktion von 80 bis 90 Prozent der Emissionen bedeuten. Krupp lobt auch, dass die Ergebnisse von einer dritten, unabhängigen Partei überprüft werden sollen (“3rd Party Verification”).

Die Internationale Energieagentur (IEA) verwies auf das enorme Potenzial. “Die Länder und Unternehmen mit den besten Methan-Werten sind mehr als 100 Mal besser als die schlechtesten. Hier gibt es ein enormes Verbesserungspotenzial. Wenn alle auf dem Niveau der führenden Unternehmen arbeiten würden, wären wir bei den Methan-Emissionen schon fast da, wo wir sein müssen“, sagte Tim Gould, Chefökonom für Energie der IEA.

NGOs üben Kritik an Al Jabers Vorschlag

Melanie Robinson, Global Climate Program Director des World Resources Institute, kritisierte die Initiative: “Die meisten Öl- und Gasunternehmen weltweit haben bereits strenge Auflagen zur Reduzierung der Methan-Emissionen. Strenge Maßnahmen zur Überprüfung des Fortschritts sind entscheidend, um Öl- und Gasunternehmen zur Verantwortung zu ziehen“.

Auch im Vorfeld der COP gab es schon Kritik an der Initiative Al Jabers. Sie sei eine weitere unter zahlreichen schon bestehenden Industrie-Initiativen und spare die Scope-3-Emissionen des Sektors aus. Bisher scheinen die Initiativen kaum nennenswerte Effekte zu haben. Es gibt weiterhin “ein konstant hohes Level an jährlichen Methan-Emissionen”, sagte Gould. “Die Intensität der Methan-Emissionen in der weltweiten Produktion geht nur leicht zurück. Wir liegen immer noch weit über dem Wert, den die Industrie erreichen sollte”. Auch die VAE sind bisher nicht als Vorreiter bei der Methan-Intensität aufgefallen.

Turkmenistan tritt Global Methane Pledge bei

Mit Turkmenistan ist gestern einer der größten Methan-Emittenten der Welt dem Global Methane Pledge beigetreten. Das zentralasiatische Land liegt bei Methanemissionen aus dem Öl- und Gassektor weltweit auf Rang 4 der größten Verschmutzer. Auch Kasachstan, Angola, Kenia und Rumänien sind dem Pledge beigetreten, wie Kerry bekannt gab.

Der US-Amerikaner begrüßte vor allem die Teilnahme Turkmenistans. Im Jahr 2022 haben Methan-Lecks aus den beiden größten Öl- und Gasfeldern des Landes mehr Treibhausgasemissionen verursacht als Großbritannien, wie eine Guardian-Recherche zeigt. Das Land gilt als enger Verbündeter der VAE. Analysten vermuten, dass der COP-Gastgeber beim Beitritt Turkmenistans zum Methane Pledge seinen Einfluss geltend gemacht hat.

Seit Start des Pledges im Jahr 2021 sind mehr als 150 Staaten der Initiative beigetreten. Aber die wenigsten haben bisher konkrete Pläne vorgelegt, wie sie die Reduktions-Ziele erreichen wollen. Es bleibt abzuwarten, ob Turkmenistan solche Pläne vorlegt, wenn das Scheinwerferlicht der COP28 wieder verschwindet.

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118 Länder fordern Verdreifachung der Erneuerbaren

Bis 2030 sollen die Erneuerbaren-Kapazitäten weltweit auf 11 Terawatt ansteigen.

118 Staaten haben sich auf der COP28 in Dubai gemeinsam für einen ambitionierten Ausbaupfad der Kapazitäten von erneuerbaren Energien ausgesprochen. Die Verdreifachung der Erneuerbaren und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 ist eines der wichtigsten Vorhaben, die es auf dieser COP durchzusetzen gilt. Von derzeit 3.600 Gigawatt (2022) müsste dafür die Erneuerbaren-Kapazität auf 11.000 GW (elf Terrawatt) ansteigen. Unter den Unterzeichnern sind Industriestaaten, zahlreiche Entwicklungs- und Inselstaaten, aber auch Schwellenländer.

Die Absichtserklärung spricht gleich mehrere Probleme an. Die Verdreifachung würde:

  • Einen Teil des Stroms ersetzen, der durch einen ebenfalls angestrebten Ausstieg aus den Fossilen wegfällt.
  • Die Ernergiearmut bekämpfen, die immer noch in vielen Bereichen der Welt herrscht.
  • Durch Massenproduktion der Anlagen den Preis für Erneuerbare weiter nach unten treiben
  • Ein positives Signal für die Verhandlungen setzen, hinter dem sich viele Länder vereinen können.

Denn die 118 Länder wollen nicht unter sich bleiben. COP28-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machten am Samstag deutlich, dass sie den ambitionierten Ausbaupfad für Erneuerbare unbedingt auch in einem Abschlussdokument der diesjährigen UN-Klimakonferenz sehen wollen. Die EU und weitere ambitionierte Länder gehen sogar noch weiter: Sie wollen, dass der Ausbaupfad mit einem Phase-out/Phase-down der fossilen Brennstoffe verknüpft wird. Gastgeber Al Jaber ließ sich jedoch nicht zu mehr hinreißen als zu verkünden, dass das Vorhaben dabei helfen werde, von unverminderter Kohlekraft wegzukommen.

Damit wird es wohl auch Verhandlungsmasse für andere Ergebnisse dieser COP werden. Neben John Kerry hat sich auch der EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra im Vorfeld bereits kritisch geäußert: “Man kann nicht einfach ein Ziel für erneuerbare Energien haben und dann die COP als Erfolg bezeichnen”. Klar ist also, das Thema Erneuerbaren-Ausbau und Energieeffizienz ist in Dubai damit noch lange nicht vom Tisch.

China und Indien fehlen

Das vor acht Monaten von der EU erstmals vorgetragene Vorhaben bekommt dennoch viel Zuspruch in Dubai. “Die breite Unterstützung für diese Erklärung zeigt, dass die erneuerbaren Energien vom Randbereich in den Mittelpunkt gerückt sind”, sagt Jennifer Layke, Global Energy Director beim World Resources Institute (WRI). Ein solches Ziel für die nächsten sechs Jahre wäre der größte Schritt, den die Welt zur Erreichung unserer globalen Klimaziele unternehmen kann, so Layke.

Doch es gibt auch Bedenken, da G20-Staaten wie Indien, China und Russland nicht unterschrieben haben. China hat offenbar weniger Probleme mit dem Erneuerbaren-Ausbau, sondern stört sich viel mehr an dem Effizienz-Ziel. Indien hat bekanntermaßen Probleme, einen Text zu unterzeichnen, der das Ende der Kohleverstromung zum Ziel hat. Dies ist umso bemerkenswerter, da die G20 sich im September noch hinter das Erneuerbaren-Ziel gestellt hatten.

Von der Leyen sagt 2,3 Milliarden Euro zu

Auch die Frage, wer den Übergang zu Erneuerbaren im Globalen Süden und in den Schwellenländern ermöglicht, ist noch nicht abschließend geklärt. Eine hohe Schuldenlast und stark gestiegene Zinsen erschweren es vielen Staaten, das nötige Kapital für den Ausbau aufzubringen. “Wohlhabende Länder müssen viel mehr tun, um erschwingliche erneuerbare Energien auf der ganzen Welt zu finanzieren”, fordert WRI-Expertin Layke.

Das weiß auch Ursula von der Leyen. “In einigen Ländern sind die Kapitalkosten für erneuerbare Energien unerschwinglich hoch”, erklärte die Kommissionschefin und kündigte 2,3 Milliarden Euro aus dem EU-Budget für die kommenden zwei Jahre an, um die Energiewende “in unserer Nachbarschaft und weltweit” zu unterstützen.

Den Fortschritt überwachen und berichten sollen die Internationale Energieagentur (IEA) und die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA). Dass ein derartiger Ausbau überhaupt möglich ist, hat die IEA schon dargelegt. 2023 entstanden demnach rund 500 Gigawatt Erneuerbare, 69 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr. Geht der Wachstumstrend weiter, ist eine Verdreifachung bis 2030 möglich, schreibt die IEA. Bleibt das Wachstum bei 500 Gigawatt pro Jahr stehen, werde 2030 nur eine Verdopplung erreicht, zeigen Analysen des Energie-Think-Tanks Ember.

Laut IRENA werden die Solar- und Windenergie mit fast 5.500 GW (Solar) und 3.000 GW (Onshore Wind) und knapp 500 GW (Offshore Wind) den größten Anteil an den 11.000 Gigawatt ausmachen.

Allerdings gibt es auch Hürden: Während sich die Solarindustrie recht gut entwickelt, sind die Kapazitäten der Windindustrie für das Ziel noch nicht ausreichend, warnt die IEA. Es brauche politische Unterstützung zum Ausbau der Produktionskapazitäten. Auch die Genehmigungsverfahren zum Bau von Windkraftanlagen müssten beschleunigt werden und alle Staaten mehr in den Ausbau der Stromnetze und ein flexibleres Stromsystem investieren.

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COP-Auftakt: Die gute Stimmung hält an

US-Vizepräsidentin Kamala Harris spricht zu den Delegierten.

An ihrem zweiten und dritten Tag hat die COP28 erfolgreich eine weitere Hürde genommen. Die Reden der etwa 100 Staats- und Regierungschefs beim “World Climate Action Summit” zeigten zum großen Teil die Bereitschaft zur Sacharbeit und Kooperation. Nach einem gelungenen Start mit dem Beschluss zum Loss and Damage Fund (LDF) und der schnellen Annahme der Tagesordnung bleibt die Stimmung, so heißt es auch aus den Verhandlungsräumen, erst einmal konstruktiv.

Die gefühlte Temperatur der Konferenz steht damit für viele Beobachter bei “vorsichtig positiv”. Trotz weiter bestehender großer Gegensätze gab es am Beginn des Treffens keine Blockade im Ablauf der Konferenz – wie es noch im Sommer bei der SBSTA58 der Fall war. Gegenseitige Schuldvorwürfe, sonst üblich bei den Reden vor globalem Publikum – die vor allem auch für die nationalen Zuschauer gehalten werden – wurden meist nur leise artikuliert. Selbst der Krieg in Gaza, den die israelische Armee am ersten Tag des zweitägigen Rede-Marathons wieder aufnahm, hat die Verhandlungen bisher nicht dominiert.

“Die Reden waren zum großen Teil auf Kooperation und Fortschritte ausgerichtet”, analysiert Linda Kalcher vom europäischen Thinktank Strategic Perspectives. “Es gab eine Konzentration auf die Ziele zu Erneuerbaren und Effizienz”. Dazu komme die Aussage, dass “mit mehr Finanzierung in den Entwicklungsländern mehr Fortschritt möglich wäre” und auch eine deutliche Forderung nach einer “Reform der multinationalen Organisationen.”

Viele wollen Erneuerbare, kaum jemand fossilen Ausstieg

In der Tat geht es bei den COPs inzwischen weniger um große wegweisende Entscheidungen, sondern um die möglichst rasche Umsetzung der Beschlüsse. Große ideologische Kämpfe weichen pragmatischen Überlegungen. Gleichzeitig treiben eskalierende Klimawandelfolgen in vielen Teilen der Welt die Politik dazu, Prioritäten auf konkretes Handeln zu setzen. Dabei erwähnten die Redner häufig die Forderung, die Erneuerbaren massiv auszubauen und die Energieeffizienz zu erhöhen. Die Kehrseite davon, der Ausstieg aus den Fossilen, kam dagegen kaum zur Sprache.

Der Gaza-Krieg wiederum hatte indirekten Einfluss auf die Tagesordnung. Während der jordanische König Abdullah bin al Hussein und der türkische Staatspräsident Recep Erdoğan die verzweifelte Lage der Palästinenser thematisierten und Israel hart kritisierten, war Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammad bin Salman, der als erster Gast sprechen sollte, nicht aufgetreten. Auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog trat nicht wie geplant ans Rednerpult. Die iranische Delegation hatte da die Konferenz wegen der israelischen Präsenz bereits verlassen.

Positive Zeichen

Jenseits des Gaza-Konflikts gab es allerdings eher positive Zeichen in den Reden der Staatslenker:

  • Bundeskanzler Olaf Scholz hob die internationale Klimafinanzierung aus Deutschland hervor. Die für 2025 angekündigten sechs Milliarden Euro an Klimafinanzierung jährlich wurden vorzeitig erreicht und sollen insgesamt bis zu 10 Milliarden an Hilfen auslösen. Scholz sprach sich auch abweichend vom Redemanuskript für einen globalen Ausstieg aus den Fossilen aus: “Wir müssen jetzt alle die feste Entschlossenheit an den Tag legen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen – zuallererst aus der Kohle. Dafür können wir bei dieser Klimakonferenz die Segel setzen”, sagte er. Dann fügte er hinzu: “Solange wir noch auf Gas angewiesen sind, müssen wir es so klimafreundlich wie möglich erzeugen und transportieren.”
  • Die USA kündigten an, in der laufenden zweiten Auffüllungsrunde drei Milliarden Dollar in den Green Climate Fund einzuzahlen. Und Vizepräsident Kamala Harris warnte vor Staaten und Unternehmen, die “das Handeln verzögern und Desinformation verbreiten”. Beim Klima sei “Fortschritt ohne Kampf nicht möglich”.

“Nord-Süd-Gegensatz nicht produktiv”

  • Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva wiederholte seine Einladung zur COP30 nach Belém und berichtete von Erfolgen auf dem Weg zu Null-Entwaldung bis 2030. Außerdem stellte das Land einen Vorschlag für einen neuen Waldfonds vor, der Einkommen für die Bevölkerung generieren und den tropischen Wald – auch in anderen Ländern – schützen soll.
  • Kenias Staatspräsident William Ruto forderte, kein Land müsse sich entscheiden zwischen “Entwicklung und dem nötigen Klimaschutz”. Er kündigte an, die Erneuerbaren in Kenia bis 2050 von derzeit drei auf 100 GW Leistung auszubauen. Die traditionelle Nord-Süd-Gegnerschaft in der Welt sei nicht produktiv, “diese Trennung hat uns daran gehindert, uns zu vereinen und unsere Chancen zu nutzen”.
  • Auch der indische Präsident Narendra Modi rief dazu auf, “zusammenzukommen und zusammenzuarbeiten“. Er forderte einen “fairen Anteil” für die armen Länder am Emissionsbudget, pries aber nach seiner G20-Präsidentschaft auch eine Idee für “Green Credits”, mit denen Fortschritte bei Umweltprogrammen in Indien finanziert werden sollen.  
  •  Der türkische Präsident Recep Erdoğan stellte die Bewerbung seines Landes um die Ausrichtung der COP31 im Jahr 2026 vor. Damit gibt es um diesen Termin einen Wettbewerb mit Australien.
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Hintergrund: Thementag Gesundheit auf der Klimakonferenz

Darum geht es:

Zum ersten Mal gibt es bei der COP28 einen Thementag zu Gesundheit (3. Dezember). Außerdem wird es ein Health Ministerial geben. Damit rückt das Thema auf der Klimakonferenz stärker in den Fokus.

Deshalb ist das Thema wichtig:

Die Klimakrise wirkt sich in vielfacher Hinsicht auf die Gesundheit betroffener Menschen aus: Heißere Temperaturen und Hitze haben direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Menschen. Bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius könnten im Jahr 2050 weltweit rund 3,7-mal so viele Menschen an den Auswirkungen von Hitze sterben wie derzeit, wie der aktuelle Lancet-Report zeigt. Demnach sind Menschen im Durchschnitt schon heute bereits an 86 Tagen im Jahr lebensbedrohlicher Hitze ausgesetzt. Durch die Folgen der Klimakrise steigt auch das Risiko für durch Mücken oder Zecken übertragene Infektionskrankheiten.

Zudem wirkt sich die Nutzung von fossilen Energien auf die Luftqualität aus und begünstigt damit beispielsweise Atemwegserkrankungen. Laut Weltgesundheitsorganisation ist Luftverschmutzung jährlich für sieben Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich. 2021 nannten medizinische Fachzeitschriften den Klimawandel “die größte Bedrohung für die globale öffentliche Gesundheit”. Im Oktober 2023 riefen 200 führende Gesundheitspublikationen die WHO dazu auf, aufgrund der Klima- und Biodiversitätskrisen den globalen Gesundheitsnotstand auszurufen.

Nicht zuletzt ist der Gesundheitssektor selbst ein großer Emittent, 4,4 Prozent der globalen Emissionen gehen darauf zurück. Der größte Teil dieser Emissionen kommt aus der Lieferkette von Gesundheitsdienstleistungen.

Das sind die Details

Auf der COP28 soll eine Erklärung (Declaration) zu Klimawandel und Gesundheit verabschiedet werden. Ein Entwurf dazu liegt bereits vor. Die Vorlage wurde von der COP-Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate vorgelegt und nicht mit den einzelnen Staaten verhandelt.

 Kernpunkte sind:

  • Mitigation im Gesundheitssektor – Emissionen und auch Müll sollen reduziert werden.
  • Anpassung von Gesundheitssystemen an den Klimawandel mit besonderem Fokus auf vulnerable Gruppen.
  • Die bessere Verankerung von Gesundheit in Klimaschutz und Anpassungsplänen, um klimaresiliente Gesundheitssysteme zu errichten.
  • Die Forderung nach besserer Finanzierung für die Transformation des Klimasektors. Aktuell gehen nur rund zwei Prozent der Anpassungsgelder in den Gesundheitssektor.
  • Bessere internationale Zusammenarbeit im Bereich “Climate-Health”.

Das sind Kritikpunkte:

Schon im Vorfeld gab es Kritik an dem Entwurf der COP-Präsidentschaft. Gesundheitsorganisationen weltweit wiesen auf die fehlende Forderung nach einem Ausstieg aus den Fossilen hin. Es gebe “eklatante Auslassungen” in dem Entwurf, hieß es.

Anfang November hatten außerdem mehr als 46 Millionen Beschäftigte des Gesundheitssektors in einem offenen Brief gefordert, die Lobby der Fossilen von der Klimaverhandlungen auszuschließen. Ihre Argumentation: Ähnlich wie bei Verhandlungen über die Schädlichkeit von Tabak hätten die Verursacher nichts am Verhandlungstisch verloren.

Das kann ein Ergebnis der COP28 sein:

Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Erklärung zu Klimawandel und Gesundheit – eventuell mit kleinen Änderungen – angenommen wird. Offen ist, ob darüber hinaus einige Staaten weitere Verpflichtungen und Maßnahmen zu Klimawandel und Gesundheit zusagen. Denkbar wären hier beispielsweise Zusagen oder Pledges für eine bessere Finanzierung des Bereichs. Solche Zusagen könnten beispielsweise in den Anhang der Erklärung mit aufgenommen werden.

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  • Gesundheit

Termine

3. Dezember, 9.30 Uhr, Al Waha Theatre
Eröffnung Health Day Opening Session: Unpacking Political and Financial Commitments
Auf dieser Veranstaltung des Gesundheitstags sollen relevante neue Finanzmittel und Programme im Bereich Gesundheit und Klima angekündigt werden, die den Prioritäten und Bedürfnissen der Länder entsprechen. Außerdem werden konkrete Verpflichtungen und Fortschritte von Regierungen, internationalen Organisationen, Entwicklungsbanken, Philanthropen und dem Privatsektor vorgestellt. Infos

3. Dezember, 10.30 Uhr, Women’s Pavilion: Majlis
Diskussion Supporting Renewable Energy in Fragile Settings: Leveraging the Energy Transitions of Humanitarian and Peacekeeping Mission to Deliverr a Positive Legacy
Länder, die mit sicherheitspolitischen und humanitären Herausforderungen konfrontiert sind, haben die niedrigsten Energiezugangsraten und gleichzeitig die höchsten Energiekosten. Auf dieser Veranstaltung werden die Fortschritte des Energiepakts für erneuerbare Energien für die Friedenssicherung der Vereinten Nationen vorgestellt. Ein Event unter anderem von Energy Peace Partners, International Renewable Energy Agency (IRENA) und dem UNHCR. Infos

3. Dezember, 11 Uhr, Online
Webinar Transition Finance: From Implementation to Impact
Die Schaffung einer grünen und kohlenstoffarmen Wirtschaft erfordert Instrumente zur Beschaffung der nötigen finanziellen Mittel. Auf diesem Side-Event der Europäischen Union teilen Expertinnen und Experten ihre Erfahrungen zu nachhaltigen Anleihen und Kohlenstoffmärkten. Infos & Anmeldung

3. Dezember, 11.30 Uhr, SE1, Room 175, Blue Zone
Diskussion Can Carbon Capture and Storage Decarbonise the Cement Sector in Developed and Developing Economies?
CO₂ bei der Zementherstellung ist unvermeidlich, aber “CCS ist bei der Zementherstellung weniger ausgereift, obwohl es eine wichtige Minderungsoption darstellt” (IPCC Synthesebericht 2023). Können CCS-Fortschritte in den Industrieländern die Technologie für die Umsetzung in Schwellenländern reifen lassen? Ein Side-Event von der University of Taxas, Bellona Foundation, der Carbon Capture and Storage Association und The International CCS Knowledge Centre. Infos

3. Dezember, 14 Uhr, Impact Hub, LVL 2 Multi-Purpose Meeting Room
Diskussion Climate Change, Migration and Health: A Call for Action to Leave No One Behind
Auf dieser Veranstaltung werden neue Strategien, Technologien und Finanzierungsmöglichkeiten vorgestellt, um die Gesundheitsversorgung und die Widerstandsfähigkeit in Bereichen zu verbessern, in denen die Klimakrise zu Vertreibung, Konflikten und Instabilität führt. Infos

News

USA sagen drei Milliarden Dollar für Grünen Klimafonds zu

US-Vizepräsidentin Kamela Harris hat am Samstag in Dubai drei Milliarden US-Dollar für den Green Climate Fund (GCF) zugesagt. Allerdings heißt es, dass das Geld noch vom US-Kongress bewilligt werden muss. Das wird angesichts der politischen Spaltung in den Kongresskammern keine einfache Aufgabe sein.

Der Fonds wurde im Oktober mit rund 9,3 Milliarden Dollar für den Zeitraum zwischen 2024 und 2027 aufgefüllt. Die USA hatten noch keine Zusage gemacht und versprochen, auf der COP28 in Dubai nachzulegen. Allerdings gelten Finanzzusagen aus Washington keineswegs als sicher. “Präsident Obama hat 2014 drei Milliarden US-Dollar zugesagt, von denen bisher nur zwei Milliarden bereitgestellt worden sind”, erinnert Ani Dasgupta, Präsident und CEO des World Resources Institute (WRI). Zudem haben Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Verhältnis zur Größe ihrer Volkswirtschaften noch tiefer in die Tasche gegriffen. “Die heutige Ankündigung kann jedoch ein Schritt in Richtung der von Präsident Biden eingegangenen Verpflichtung sein, bis 2024 jährlich 11,4 Milliarden Dollar für Entwicklungsländer bereitzustellen”, sagt Dasgupta.

Der GCF ist der größte internationale Fonds zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern. Er helfe Landwirten, dürreresistente Pflanzen anzubauen und bringe Solarenergie in ländliche Gemeinden, erklärt der WIR-Präsident. Und kein Land habe eine größere Verantwortung, zu diesen Bemühungen beizutragen, als die Vereinigten Staaten. luk

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USA verpflichten sich zum Kohleausstieg

Die USA treten der Powering Past Coal Alliance (PPCA) bei und verpflichten sich damit zu einem Ausstieg aus Kohlekraftwerken mit unverminderten Emissionen – also Kraftwerken, die keine CCS-Technologie nutzen. Das gab John Kerry, der Klimabeauftragte der USA, am Samstag bekannt. Ein Ausstiegsdatum wurde nicht genannt, aber bisher arbeitet die Biden Administration auf einen Ausstieg bis 2035 hin. Das ist fünf Jahre später als das Datum, das als kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel angesehen wird. Rund 20 Prozent des US-Strombedarfs kommt aktuell aus Kohlekraft.

Auch Tschechien und der Kosovo, beides Länder, die noch stark von Kohle abhängig sind, sowie Zypern, die Dominikanische Republik, Island und Norwegen traten der PPCA bei. Mehr als 50 Länder sind nun Mitglieder in der Allianz. Große Kohleemittenten wie China, Japan oder Australien gehören aktuell nicht dazu. Eine Analyse des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hatte früher in diesem Jahr ergeben, dass die Gefahr besteht, dass die PPCA weniger Kohleemissionen vermindert als erhofft, weil sie auf den Stromsektor begrenzt ist. Deshalb sehen die Forscher die Gefahr, dass Länder, die der PPCA beitreten, ihren Kohleverbrauch in anderen Sektoren der Wirtschaft wie der Chemie- oder Stahlindustrie erhöhen.

Frankreich rief außerdem zusammen mit der EU, den USA und mehreren Entwicklungsländern den “Coal Transition Accelerator” ins Leben. Diese Initiative soll private Finanzierungen von Kohlekraft beenden. kul

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“Comeback” von Atomkraft: Kapazitäten verdreifachen

Die USA und 21 weitere Staaten haben am Samstag auf der COP28 verkündet, die Kapazitäten für Atomkraft bis 2050 zu verdreifachen. Der Ausbau der Atomkraft sei entscheidend, um die Emissionen zu reduzieren und das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Außerdem trage er zur Erreichung des UN-Nachhaltigkeitsziel 7 “Bezahlbare und saubere Energie” und vor allem auch zur Energiesicherheit bei, so die 22 Staaten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte, Atomkraft sei eine “unverzichtbare Lösung”.

Atomkraft war auf der COP6 im Jahr 2001 aus dem Clean Development Mechanism ausgeschlossen worden und spielte seitdem bei den Klimaverhandlungen nur eine untergeordnete Rolle. Bei der COP27 in Sharm el-Sheikh hieß es in der Abschlusserklärung, man brauche “dringend” einen Ausbau von “emissionsarmen und erneuerbaren” Energien – emissionsarme Energien beinhalten auch Kernenergie.

Kernenergie wird oft auch als “emissionsfrei” bezeichnet, allerdings ist diese Behauptung umstritten. Zudem gibt es Bedenken bei Sicherheit und zur Endlagerung. Hinzu kommt, dass die Herstellung von Atomenergie aktuell sehr teuer ist. Kritikerinnen und Kritiker argumentieren deshalb, dass die Gelder effizienter in den Ausbau von erneuerbaren Energien investiert werden könnten. Aktuell gibt es global rund 370 Gigawatt Kernkraftkapazität in 31 Ländern. In jüngster Vergangenheit wurden Ausbauziele wiederholt verfehlt.

In der Atom-Deklaration der COP28 verpflichten sich die Länder zu Zusammenarbeit, um das Ziel der Verdreifachung zu erreichen und Finanzmittel bereitzustellen. Unterzeichnet wurde die Deklaration neben den USA von: Kanada, Bulgarien, Tschechien, Finnland, Frankreich, Ghana, Ungarn, Japan, Südkorea, Moldawien, der Mongolei, Marokko, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, Schweden, der Ukraine, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Vereinigten Königreich. kul/luk

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Standpunkt

Die klimabedingte Gesundheitskrise gehört ins Zentrum dieses Gipfels

Von Marina Romanello
Marina Romanello erforscht am Unversity College London, wie Klima und Gesundheit zusammenhängen

Unsere anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schadet unserer Gesundheit und lässt die Temperaturen weltweit auf Rekordniveau steigen. Die miteinander in Verbindung stehenden Klimakatastrophen der letzten Jahre – Extremwetterereignisse, Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit und zunehmende Luftverschmutzung – sind eine unmittelbare Folge der Treibhausgasemissionen. Die negativen Auswirkungen, die wir heute erleben, könnten nur ein Vorgeschmack auf Katastrophen sein, die uns noch bevorstehen.

Das ist die zentrale Erkenntnis des jüngsten Lancet Countdown-Berichts, der von führenden Gesundheits- und Klimaforschenden unter meiner Leitung verfasst wurde. Für Millionen Menschen, die unter klimabedingten Gesundheitsproblemen leiden, sowie für deren Angehörige wird diese trostlose Schlussfolgerung zweifellos nicht überraschend kommen. Unabhängig vom Wohnort sind die meisten von uns direkt oder indirekt von dieser Krise betroffen.

Ernährungsunsicherheit, Luftverschmutzung, Infektionskrankheiten

Angesichts des sich zuspitzenden Klimawandels sind dessen Auswirkungen auf unsere körperliche und geistige Gesundheit nicht mehr nur hypothetischer Natur. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass im Jahr 2021 aufgrund der sich in den Jahren zuvor häufenden Hitzewellen und Dürren 127 Millionen mehr Menschen als in den Jahren 1981 bis 2010 unter mittelschwerer oder starker Ernährungsunsicherheit litten. Unterdessen fordert die durch die Verbrennung schmutziger Brennstoffe verursachte Luftverschmutzung im Freien jährlich 1,9 Millionen Menschenleben, und Infektionskrankheiten wie Dengue-Fieber breiten sich auf neue Regionen aus.

Doch auch nach 27 Jahren alljährlicher Klimakonferenzen weigern sich die führenden Politikerinnen und Politiker der Welt immer noch, die dringende Notwendigkeit eines Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Brennstoffe anzuerkennen. Trotz erdrückender Beweise, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe Hauptursache für die derzeitige Gesundheitskrise ist, findet sich in dem Entwurf der Erklärung zum Thema Klimawandel und Gesundheit, die auf der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai veröffentlicht werden soll, kein Hinweis auf dieses Thema.

Da sich viele Länder und Unternehmen von ihren Klimazusagen distanzieren, bewegt sich die Welt in die falsche Richtung. Ändert sich nichts am derzeitigen Ausmaß der Treibhausgasemissionen, steuern wir bis zum Jahr 2100 auf einen globalen Temperaturanstieg von fast drei Grad zu. Wir werden also weit über dem im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegten Ziel von 1,5 Grad liegen.

Katastrophale Folgen der Erwärmung

Die Folgen dieser Entwicklung könnten katastrophal sein. Selbst bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um knapp unter zwei Grad dürften die jährlichen hitzebedingten Todesfälle bis Mitte des Jahrhunderts um 370 Prozent ansteigen. Alle Menschen und vor allem die am stärksten gefährdeten Gruppen, nämlich ältere Menschen und Kinder, erleben heute doppelt so viele Hitzetage wie noch vor 30 Jahren. Und da Hitzewellen immer häufiger auftreten, könnte die Zahl der Menschen, die unter mittelschwerer oder starker Ernährungsunsicherheit leiden, bis Mitte des Jahrhunderts um etwa 525 Millionen ansteigen.

Abgesehen von diesen direkten Auswirkungen gefährdet die Klimakrise auch das individuelle Wohlbefinden und die für eine gesunde Bevölkerung notwendigen sozioökonomischen Bedingungen. Im Jahr 2022 sorgten extreme Hitzewellen weltweit für ein Minus von 490 Milliarden Arbeitsstunden. Selbst wenn es uns gelingt, die globale Erwärmung auf knapp unter zwei Grad zu begrenzen, werden die hitzebedingten Arbeitsausfälle voraussichtlich um 50 Prozent zunehmen.

Dabei gilt es hervorzuheben, dass diese Auswirkungen nicht gleichmäßig verteilt sind. Regionen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben – Afrika, Süd- und Mittelamerika, Asien und kleine Insel-Entwicklungsländer – tragen oft die Hauptlast der klimabedingten Gesundheitsrisiken.

Sofortige Abkehr von fossilen Brennstoffen ist nötig

Angesichts der Dringlichkeit der aktuellen Bedrohung ist das derzeitige Tempo der weltweiten Bemühungen zur Emissionssenkung unzureichend und bleibt weit hinter den Zielen des Pariser Abkommens zurück. Die energiebedingten Emissionen haben im Jahr 2022 einen historischen Höchststand erreicht, während nach wie vor nur 9,5 Prozent der weltweiten Stromerzeugung auf erneuerbare Energieträger entfallen. Haushalte auf der ganzen Welt können immer noch nicht auf schmutzige Brennstoffe verzichten. In den klimatisch am stärksten gefährdeten Ländern sind Familien hinsichtlich ihrer Haushaltsenergie zu 92 Prozent auf umweltschädliche Brennstoffe angewiesen, weswegen die im Haushalt lebenden Personen in ihren eigenen vier Wänden unter verpesteter Luft leiden.

Obwohl die Politik versucht, diese Krise schrittweise zu bewältigen, gilt es festzustellen, dass die Strategie, ein Problem nach dem anderen zu lösen oder sich ausschließlich auf Anpassungsmaßnahmen zu konzentrieren, ungenügend ist. Ohne signifikante Verringerung der Emissionen kann man sich Anpassungsmaßnahmen sparen. Die klimabedingte Gesundheitskrise kann nicht ohne die sofortige Abkehr von fossilen Brennstoffen bewältigt werden. Durch die Fokussierung auf klimapolitische Maßnahmen, die Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen fördern, könnten Regierungen vorzeitige Todesfälle verhindern, die Bevölkerung und insebesondre Arbeitskräfte belastbarer machen und die jeweilige Binnenwirtschaft stärken.

Wie lässt sich das erreichen? Unser Bericht skizziert elf konkrete Maßnahmen in fünf Schwerpunktbereichen. Zuallererst gilt es, die Treibhausgasemissionen im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu reduzieren, um zu gewährleisten, dass die Anpassungsfähigkeit unserer Gesundheitssysteme nicht durch Klimarisiken beeinträchtigt wird. Das erfordert eine konzertierte Anstrengung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen durch eine gerechte Energiewende, im Rahmen derer die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung verringert werden und der Zugang zu sauberer, erneuerbarer Energie ausgeweitet wird, insbesondere in den am stärksten unterversorgten Regionen der Welt, in denen Energiearmut nach wie vor eine Herausforderung darstellt.

Das Gesundheitssystem muss sich verändern

Gleichzeitig sind wir gefordert, die Anpassungsmaßnahmen zu beschleunigen, um Bevölkerungsgruppen zu schützen, die bereits unter den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels leiden. Dazu müssen wir die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitssektor, Umweltorganisationen und Wetterdiensten verstärken. Und durch die Abschaffung aller Subventionen, Kredite und Investitionen in fossile Brennstoffe wäre es möglich, Spielraum für Klimafinanzierung und Ressourcenallokation zur Unterstützung der Anpassungsbemühungen in gefährdeten Ländern zu schaffen.

Diesen Wandel wird der Gesundheitssektor anführen müssen. Eine stärkere Anpassung des Gesundheitswesens ist unerlässlich, um unsere Gesundheitssysteme in die Lage zu versetzen, uns inmitten eskalierender Klimaprobleme zu schützen. Entscheidend ist die Umsetzung von Maßnahmen im Bereich öffentlicher Gesundheit, die zu einer Verringerung der Luftverschmutzung führen, eine gesündere, CO₂-arme Ernährung unterstützen, einen aktiven Lebensstil fördern und Bestimmungen für umweltverschmutzende Wirtschaftszweige vorsehen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gesundheitssektor selbst für 4,6 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist und Einfluss auf etwa elf Prozent der Weltwirtschaft ausübt, könnte dieser Bereich eine entscheidende direkte Rolle bei der globalen Dekarbonisierung spielen.

Die COP28 ist eine Bewährungsprobe für das Engagement der führenden Politikerinnen und Politiker der Welt, diese Krise zu bewältigen. Ein echter Fokus auf den Gesundheitsbereich könnte eine schnelle und nachhaltige Abkehr von fossilen Brennstoffen bewirken und Anpassungsbemühungen erleichtern. Andernfalls wird die Konferenz kaum mehr als ein Lippenbekenntnis zu Gesundheitsfragen sein und unsere kollektive Untätigkeit bekräftigen. Die Zahl der klimabedingten Todesfälle wird weiter zunehmen, und eine lebenswerte Zukunft in weite Ferne rücken.

Marina Romanelloist geschäftsführende Direktorin von Lancet Countdown und Wissenschaftlerin in den Bereichen Klimawandel und Gesundheit am University College London. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier. In Kooperation mit Project Syndicate, 2023.

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am gestrigen COP-Tag dreht sich viel um das Thema Energie. 118 Länder verpflichteten sich, die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen – das Thema war wenig umstritten. Allerdings haben sich Indien und China nicht an der Initiative beteiligt. Lukas Scheid und Nico Beckert berichten über die Hintergründe. Für mehr Diskussion sorgte der Vorstoß von rund 20 Ländern, die Kernkraft-Kapazitäten zu verdreifachen.

    Mindestens genauso umstritten: 50 Öl- und Gasproduzenten verpflichten sich zwar, Methan-Emissionen deutlich zu reduzieren. Doch selbst Konferenzpräsident Sultan Al Jaber mahnte die fossilen Giganten zu mehr Engagement bei den Scope-3-Emissionen. Nico Beckert erklärt, was hinter der neuen Industrie-Initiative steckt und welcher große Emittent dem Global Methane Pledge beigetreten ist.

    Bernhard Pötter hat für Sie gesammelt, welche Versprechen die Staats- und Regierungschefs auf dem World Climate Action Summit abgegeben haben. Sein Fazit: Die Stimmung bleibt positiv! Die COP überrascht also.

    Außerdem schauen wir auf den heutigen Gesundheitstag: Wir geben einen Überblick über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimakrise und Marina Romanello, Direktorin des Lancet Countdown, erklärt, warum die Gesundheitskrise ins Zentrum der Klimakonferenz gerückt werden sollte.

    Wir bleiben dran.

    Ihre
    Lisa Kuner
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    Analyse

    Methan: Turkmenistan tritt Pledge bei, USA regulieren schärfer

    Methan ist ein besonders klimaschädliches Gas – darum wird auf der COP an Lösungen gearbeitet, seine Emission zu reduzieren.

    Am dritten Tag der COP gab es Fortschritte bei der Regulierung von Methan, einem der gefährlichsten Treibhausgase – wenn auch bisher nur mit neuen Entwicklungen und Ankündigungen. Die USA stellten eine neue Regulierung des Öl- und Gassektors vor. Mit Turkmenistan ist einer der größten Methan-Emittenten dem Global Methane Pledge zur Reduktion der Emissionen um mindestens 30 Prozent bis 2030 beigetreten. Und COP-Präsident Al Jaber hat eine Industrie-Initiative, die Oil and Gas Decarbonization Charter (OGDC), vorgestellt.

    “Methan ist eine der größten Gefahren im Zusammenhang mit der Klimakrise”, sagte John Kerry während eines Briefings. Das Treibhausgas ist auf kurze Sicht 80-mal schädlicher als CO₂. Es gäbe keine Möglichkeit, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, wenn die Welt nicht sofort die Methanemissionen reduziere, so Kerry.

    Neue EPA Regulierungen – Xie dämpft Erwartungen

    In Dubai wiederholten Kerry und der chinesische Klimasondergesandte Xie Zhenhua die Ergebnisse der jüngsten bilateralen Klimakooperation. China erklärte sich im Sunnylands Statement bereit, erstmals auch Methan und andere Nicht-CO₂-Gase in sein 2035er NDC aufzunehmen. Xie sagte, China habe “eine schwache Grundlage” und müsse seine technischen Fähigkeiten und Regulierungen zur Kontrolle von Methanemissionen noch verbessern.

    In den USA hat die Umweltschutzbehörde (EPA) zudem neue Regeln erlassen. Öl- und Gas-Produzenten müssen Lecks ausfindig machen und reparieren. Das routinemäßige Verbrennen von Methan wurde verboten. Zudem soll es häufigere Kontrollen geben und unabhängige dritte Parteien sollen Methanlecks jetzt direkt an die EPA melden. Die Öl- und Gasindustrie kritisierte das, weil es zu viel Macht in die Hände von Umweltgruppen läge, wie Reuters berichtet. Die NGO Climate Nexus bezeichnete die Regeln als “willkommenen Schritt nach vorn”. Erstmals würden auch bestehende Methan-Quellen aus der Öl- und Gasindustrie reguliert und nicht nur neue, so Climate Nexus. Laut John Kerry werde die Regulierung die Methanemissionen um fast 80 Prozent senken.

    Al Jaber präsentiert Industrieinitiative

    COP-Präsident Al Jaber hat eine Industrie-Initiative zur Reduktion der Methan-Emissionen gestartet. 50 Öl- und Gasfirmen haben sich der Oil and Gas Decarbonization Charter (OGDC) angeschlossen. 31 Unternehmen hätten sich laut Al Jaber erstmals zur Minderung ihrer Emissionen bis 2030 verpflichtet. Doch das sei nicht genug, so Al Jaber. Der Öl- und Gassektor müsse mehr unternehmen, um sowohl die Scope 1 und 2-Emissionen zu senken. Gleichzeitig müsse er auch mehr in grüne Energien und grüne Technologien investieren, um die Scope 3-Emissionen, also jene, die vom Endverbraucher beim Verbrennen fossiler Energien erzeugt werden, zu verringern.

    Zu den Mitgliedern der Initiative gehören ExxonMobile, Shell, BP, TotalEnergies, Occidental Petroleum sowie die staatlichen Unternehmen Petrobras, NNPC aus Nigeria und Kasachstans KazMunayGaz. Nicht dabei sind Chevron und ConocoPhillips sowie die staatlichen chinesischen Firmen.

    Die Unternehmen der OGDC erklären sich bereit, ihre Methanemissionen auf “fast null” zu senken und das routinemäßige Abfackeln von Gas zu beenden. Konkret: der Methan-Ausstoß bei der Förderung, also die Methan-Intensität, darf nur noch bei 0,2 Prozent der gesamten verkauften Gasmenge liegen. Laut Fred Krupp, Präsident der NGO Environmental Defense Fund, wäre das ein großer Fortschritt. Aktuell haben viele Förder-Unternehmen eine Methan-Intensität von 2 bis 3 Prozent. Die Zielmarke von maximal 0,2 Prozent würde also eine Reduktion von 80 bis 90 Prozent der Emissionen bedeuten. Krupp lobt auch, dass die Ergebnisse von einer dritten, unabhängigen Partei überprüft werden sollen (“3rd Party Verification”).

    Die Internationale Energieagentur (IEA) verwies auf das enorme Potenzial. “Die Länder und Unternehmen mit den besten Methan-Werten sind mehr als 100 Mal besser als die schlechtesten. Hier gibt es ein enormes Verbesserungspotenzial. Wenn alle auf dem Niveau der führenden Unternehmen arbeiten würden, wären wir bei den Methan-Emissionen schon fast da, wo wir sein müssen“, sagte Tim Gould, Chefökonom für Energie der IEA.

    NGOs üben Kritik an Al Jabers Vorschlag

    Melanie Robinson, Global Climate Program Director des World Resources Institute, kritisierte die Initiative: “Die meisten Öl- und Gasunternehmen weltweit haben bereits strenge Auflagen zur Reduzierung der Methan-Emissionen. Strenge Maßnahmen zur Überprüfung des Fortschritts sind entscheidend, um Öl- und Gasunternehmen zur Verantwortung zu ziehen“.

    Auch im Vorfeld der COP gab es schon Kritik an der Initiative Al Jabers. Sie sei eine weitere unter zahlreichen schon bestehenden Industrie-Initiativen und spare die Scope-3-Emissionen des Sektors aus. Bisher scheinen die Initiativen kaum nennenswerte Effekte zu haben. Es gibt weiterhin “ein konstant hohes Level an jährlichen Methan-Emissionen”, sagte Gould. “Die Intensität der Methan-Emissionen in der weltweiten Produktion geht nur leicht zurück. Wir liegen immer noch weit über dem Wert, den die Industrie erreichen sollte”. Auch die VAE sind bisher nicht als Vorreiter bei der Methan-Intensität aufgefallen.

    Turkmenistan tritt Global Methane Pledge bei

    Mit Turkmenistan ist gestern einer der größten Methan-Emittenten der Welt dem Global Methane Pledge beigetreten. Das zentralasiatische Land liegt bei Methanemissionen aus dem Öl- und Gassektor weltweit auf Rang 4 der größten Verschmutzer. Auch Kasachstan, Angola, Kenia und Rumänien sind dem Pledge beigetreten, wie Kerry bekannt gab.

    Der US-Amerikaner begrüßte vor allem die Teilnahme Turkmenistans. Im Jahr 2022 haben Methan-Lecks aus den beiden größten Öl- und Gasfeldern des Landes mehr Treibhausgasemissionen verursacht als Großbritannien, wie eine Guardian-Recherche zeigt. Das Land gilt als enger Verbündeter der VAE. Analysten vermuten, dass der COP-Gastgeber beim Beitritt Turkmenistans zum Methane Pledge seinen Einfluss geltend gemacht hat.

    Seit Start des Pledges im Jahr 2021 sind mehr als 150 Staaten der Initiative beigetreten. Aber die wenigsten haben bisher konkrete Pläne vorgelegt, wie sie die Reduktions-Ziele erreichen wollen. Es bleibt abzuwarten, ob Turkmenistan solche Pläne vorlegt, wenn das Scheinwerferlicht der COP28 wieder verschwindet.

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    118 Länder fordern Verdreifachung der Erneuerbaren

    Bis 2030 sollen die Erneuerbaren-Kapazitäten weltweit auf 11 Terawatt ansteigen.

    118 Staaten haben sich auf der COP28 in Dubai gemeinsam für einen ambitionierten Ausbaupfad der Kapazitäten von erneuerbaren Energien ausgesprochen. Die Verdreifachung der Erneuerbaren und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 ist eines der wichtigsten Vorhaben, die es auf dieser COP durchzusetzen gilt. Von derzeit 3.600 Gigawatt (2022) müsste dafür die Erneuerbaren-Kapazität auf 11.000 GW (elf Terrawatt) ansteigen. Unter den Unterzeichnern sind Industriestaaten, zahlreiche Entwicklungs- und Inselstaaten, aber auch Schwellenländer.

    Die Absichtserklärung spricht gleich mehrere Probleme an. Die Verdreifachung würde:

    • Einen Teil des Stroms ersetzen, der durch einen ebenfalls angestrebten Ausstieg aus den Fossilen wegfällt.
    • Die Ernergiearmut bekämpfen, die immer noch in vielen Bereichen der Welt herrscht.
    • Durch Massenproduktion der Anlagen den Preis für Erneuerbare weiter nach unten treiben
    • Ein positives Signal für die Verhandlungen setzen, hinter dem sich viele Länder vereinen können.

    Denn die 118 Länder wollen nicht unter sich bleiben. COP28-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machten am Samstag deutlich, dass sie den ambitionierten Ausbaupfad für Erneuerbare unbedingt auch in einem Abschlussdokument der diesjährigen UN-Klimakonferenz sehen wollen. Die EU und weitere ambitionierte Länder gehen sogar noch weiter: Sie wollen, dass der Ausbaupfad mit einem Phase-out/Phase-down der fossilen Brennstoffe verknüpft wird. Gastgeber Al Jaber ließ sich jedoch nicht zu mehr hinreißen als zu verkünden, dass das Vorhaben dabei helfen werde, von unverminderter Kohlekraft wegzukommen.

    Damit wird es wohl auch Verhandlungsmasse für andere Ergebnisse dieser COP werden. Neben John Kerry hat sich auch der EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra im Vorfeld bereits kritisch geäußert: “Man kann nicht einfach ein Ziel für erneuerbare Energien haben und dann die COP als Erfolg bezeichnen”. Klar ist also, das Thema Erneuerbaren-Ausbau und Energieeffizienz ist in Dubai damit noch lange nicht vom Tisch.

    China und Indien fehlen

    Das vor acht Monaten von der EU erstmals vorgetragene Vorhaben bekommt dennoch viel Zuspruch in Dubai. “Die breite Unterstützung für diese Erklärung zeigt, dass die erneuerbaren Energien vom Randbereich in den Mittelpunkt gerückt sind”, sagt Jennifer Layke, Global Energy Director beim World Resources Institute (WRI). Ein solches Ziel für die nächsten sechs Jahre wäre der größte Schritt, den die Welt zur Erreichung unserer globalen Klimaziele unternehmen kann, so Layke.

    Doch es gibt auch Bedenken, da G20-Staaten wie Indien, China und Russland nicht unterschrieben haben. China hat offenbar weniger Probleme mit dem Erneuerbaren-Ausbau, sondern stört sich viel mehr an dem Effizienz-Ziel. Indien hat bekanntermaßen Probleme, einen Text zu unterzeichnen, der das Ende der Kohleverstromung zum Ziel hat. Dies ist umso bemerkenswerter, da die G20 sich im September noch hinter das Erneuerbaren-Ziel gestellt hatten.

    Von der Leyen sagt 2,3 Milliarden Euro zu

    Auch die Frage, wer den Übergang zu Erneuerbaren im Globalen Süden und in den Schwellenländern ermöglicht, ist noch nicht abschließend geklärt. Eine hohe Schuldenlast und stark gestiegene Zinsen erschweren es vielen Staaten, das nötige Kapital für den Ausbau aufzubringen. “Wohlhabende Länder müssen viel mehr tun, um erschwingliche erneuerbare Energien auf der ganzen Welt zu finanzieren”, fordert WRI-Expertin Layke.

    Das weiß auch Ursula von der Leyen. “In einigen Ländern sind die Kapitalkosten für erneuerbare Energien unerschwinglich hoch”, erklärte die Kommissionschefin und kündigte 2,3 Milliarden Euro aus dem EU-Budget für die kommenden zwei Jahre an, um die Energiewende “in unserer Nachbarschaft und weltweit” zu unterstützen.

    Den Fortschritt überwachen und berichten sollen die Internationale Energieagentur (IEA) und die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA). Dass ein derartiger Ausbau überhaupt möglich ist, hat die IEA schon dargelegt. 2023 entstanden demnach rund 500 Gigawatt Erneuerbare, 69 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr. Geht der Wachstumstrend weiter, ist eine Verdreifachung bis 2030 möglich, schreibt die IEA. Bleibt das Wachstum bei 500 Gigawatt pro Jahr stehen, werde 2030 nur eine Verdopplung erreicht, zeigen Analysen des Energie-Think-Tanks Ember.

    Laut IRENA werden die Solar- und Windenergie mit fast 5.500 GW (Solar) und 3.000 GW (Onshore Wind) und knapp 500 GW (Offshore Wind) den größten Anteil an den 11.000 Gigawatt ausmachen.

    Allerdings gibt es auch Hürden: Während sich die Solarindustrie recht gut entwickelt, sind die Kapazitäten der Windindustrie für das Ziel noch nicht ausreichend, warnt die IEA. Es brauche politische Unterstützung zum Ausbau der Produktionskapazitäten. Auch die Genehmigungsverfahren zum Bau von Windkraftanlagen müssten beschleunigt werden und alle Staaten mehr in den Ausbau der Stromnetze und ein flexibleres Stromsystem investieren.

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    COP-Auftakt: Die gute Stimmung hält an

    US-Vizepräsidentin Kamala Harris spricht zu den Delegierten.

    An ihrem zweiten und dritten Tag hat die COP28 erfolgreich eine weitere Hürde genommen. Die Reden der etwa 100 Staats- und Regierungschefs beim “World Climate Action Summit” zeigten zum großen Teil die Bereitschaft zur Sacharbeit und Kooperation. Nach einem gelungenen Start mit dem Beschluss zum Loss and Damage Fund (LDF) und der schnellen Annahme der Tagesordnung bleibt die Stimmung, so heißt es auch aus den Verhandlungsräumen, erst einmal konstruktiv.

    Die gefühlte Temperatur der Konferenz steht damit für viele Beobachter bei “vorsichtig positiv”. Trotz weiter bestehender großer Gegensätze gab es am Beginn des Treffens keine Blockade im Ablauf der Konferenz – wie es noch im Sommer bei der SBSTA58 der Fall war. Gegenseitige Schuldvorwürfe, sonst üblich bei den Reden vor globalem Publikum – die vor allem auch für die nationalen Zuschauer gehalten werden – wurden meist nur leise artikuliert. Selbst der Krieg in Gaza, den die israelische Armee am ersten Tag des zweitägigen Rede-Marathons wieder aufnahm, hat die Verhandlungen bisher nicht dominiert.

    “Die Reden waren zum großen Teil auf Kooperation und Fortschritte ausgerichtet”, analysiert Linda Kalcher vom europäischen Thinktank Strategic Perspectives. “Es gab eine Konzentration auf die Ziele zu Erneuerbaren und Effizienz”. Dazu komme die Aussage, dass “mit mehr Finanzierung in den Entwicklungsländern mehr Fortschritt möglich wäre” und auch eine deutliche Forderung nach einer “Reform der multinationalen Organisationen.”

    Viele wollen Erneuerbare, kaum jemand fossilen Ausstieg

    In der Tat geht es bei den COPs inzwischen weniger um große wegweisende Entscheidungen, sondern um die möglichst rasche Umsetzung der Beschlüsse. Große ideologische Kämpfe weichen pragmatischen Überlegungen. Gleichzeitig treiben eskalierende Klimawandelfolgen in vielen Teilen der Welt die Politik dazu, Prioritäten auf konkretes Handeln zu setzen. Dabei erwähnten die Redner häufig die Forderung, die Erneuerbaren massiv auszubauen und die Energieeffizienz zu erhöhen. Die Kehrseite davon, der Ausstieg aus den Fossilen, kam dagegen kaum zur Sprache.

    Der Gaza-Krieg wiederum hatte indirekten Einfluss auf die Tagesordnung. Während der jordanische König Abdullah bin al Hussein und der türkische Staatspräsident Recep Erdoğan die verzweifelte Lage der Palästinenser thematisierten und Israel hart kritisierten, war Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammad bin Salman, der als erster Gast sprechen sollte, nicht aufgetreten. Auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog trat nicht wie geplant ans Rednerpult. Die iranische Delegation hatte da die Konferenz wegen der israelischen Präsenz bereits verlassen.

    Positive Zeichen

    Jenseits des Gaza-Konflikts gab es allerdings eher positive Zeichen in den Reden der Staatslenker:

    • Bundeskanzler Olaf Scholz hob die internationale Klimafinanzierung aus Deutschland hervor. Die für 2025 angekündigten sechs Milliarden Euro an Klimafinanzierung jährlich wurden vorzeitig erreicht und sollen insgesamt bis zu 10 Milliarden an Hilfen auslösen. Scholz sprach sich auch abweichend vom Redemanuskript für einen globalen Ausstieg aus den Fossilen aus: “Wir müssen jetzt alle die feste Entschlossenheit an den Tag legen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen – zuallererst aus der Kohle. Dafür können wir bei dieser Klimakonferenz die Segel setzen”, sagte er. Dann fügte er hinzu: “Solange wir noch auf Gas angewiesen sind, müssen wir es so klimafreundlich wie möglich erzeugen und transportieren.”
    • Die USA kündigten an, in der laufenden zweiten Auffüllungsrunde drei Milliarden Dollar in den Green Climate Fund einzuzahlen. Und Vizepräsident Kamala Harris warnte vor Staaten und Unternehmen, die “das Handeln verzögern und Desinformation verbreiten”. Beim Klima sei “Fortschritt ohne Kampf nicht möglich”.

    “Nord-Süd-Gegensatz nicht produktiv”

    • Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva wiederholte seine Einladung zur COP30 nach Belém und berichtete von Erfolgen auf dem Weg zu Null-Entwaldung bis 2030. Außerdem stellte das Land einen Vorschlag für einen neuen Waldfonds vor, der Einkommen für die Bevölkerung generieren und den tropischen Wald – auch in anderen Ländern – schützen soll.
    • Kenias Staatspräsident William Ruto forderte, kein Land müsse sich entscheiden zwischen “Entwicklung und dem nötigen Klimaschutz”. Er kündigte an, die Erneuerbaren in Kenia bis 2050 von derzeit drei auf 100 GW Leistung auszubauen. Die traditionelle Nord-Süd-Gegnerschaft in der Welt sei nicht produktiv, “diese Trennung hat uns daran gehindert, uns zu vereinen und unsere Chancen zu nutzen”.
    • Auch der indische Präsident Narendra Modi rief dazu auf, “zusammenzukommen und zusammenzuarbeiten“. Er forderte einen “fairen Anteil” für die armen Länder am Emissionsbudget, pries aber nach seiner G20-Präsidentschaft auch eine Idee für “Green Credits”, mit denen Fortschritte bei Umweltprogrammen in Indien finanziert werden sollen.  
    •  Der türkische Präsident Recep Erdoğan stellte die Bewerbung seines Landes um die Ausrichtung der COP31 im Jahr 2026 vor. Damit gibt es um diesen Termin einen Wettbewerb mit Australien.
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    Hintergrund: Thementag Gesundheit auf der Klimakonferenz

    Darum geht es:

    Zum ersten Mal gibt es bei der COP28 einen Thementag zu Gesundheit (3. Dezember). Außerdem wird es ein Health Ministerial geben. Damit rückt das Thema auf der Klimakonferenz stärker in den Fokus.

    Deshalb ist das Thema wichtig:

    Die Klimakrise wirkt sich in vielfacher Hinsicht auf die Gesundheit betroffener Menschen aus: Heißere Temperaturen und Hitze haben direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Menschen. Bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius könnten im Jahr 2050 weltweit rund 3,7-mal so viele Menschen an den Auswirkungen von Hitze sterben wie derzeit, wie der aktuelle Lancet-Report zeigt. Demnach sind Menschen im Durchschnitt schon heute bereits an 86 Tagen im Jahr lebensbedrohlicher Hitze ausgesetzt. Durch die Folgen der Klimakrise steigt auch das Risiko für durch Mücken oder Zecken übertragene Infektionskrankheiten.

    Zudem wirkt sich die Nutzung von fossilen Energien auf die Luftqualität aus und begünstigt damit beispielsweise Atemwegserkrankungen. Laut Weltgesundheitsorganisation ist Luftverschmutzung jährlich für sieben Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich. 2021 nannten medizinische Fachzeitschriften den Klimawandel “die größte Bedrohung für die globale öffentliche Gesundheit”. Im Oktober 2023 riefen 200 führende Gesundheitspublikationen die WHO dazu auf, aufgrund der Klima- und Biodiversitätskrisen den globalen Gesundheitsnotstand auszurufen.

    Nicht zuletzt ist der Gesundheitssektor selbst ein großer Emittent, 4,4 Prozent der globalen Emissionen gehen darauf zurück. Der größte Teil dieser Emissionen kommt aus der Lieferkette von Gesundheitsdienstleistungen.

    Das sind die Details

    Auf der COP28 soll eine Erklärung (Declaration) zu Klimawandel und Gesundheit verabschiedet werden. Ein Entwurf dazu liegt bereits vor. Die Vorlage wurde von der COP-Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate vorgelegt und nicht mit den einzelnen Staaten verhandelt.

     Kernpunkte sind:

    • Mitigation im Gesundheitssektor – Emissionen und auch Müll sollen reduziert werden.
    • Anpassung von Gesundheitssystemen an den Klimawandel mit besonderem Fokus auf vulnerable Gruppen.
    • Die bessere Verankerung von Gesundheit in Klimaschutz und Anpassungsplänen, um klimaresiliente Gesundheitssysteme zu errichten.
    • Die Forderung nach besserer Finanzierung für die Transformation des Klimasektors. Aktuell gehen nur rund zwei Prozent der Anpassungsgelder in den Gesundheitssektor.
    • Bessere internationale Zusammenarbeit im Bereich “Climate-Health”.

    Das sind Kritikpunkte:

    Schon im Vorfeld gab es Kritik an dem Entwurf der COP-Präsidentschaft. Gesundheitsorganisationen weltweit wiesen auf die fehlende Forderung nach einem Ausstieg aus den Fossilen hin. Es gebe “eklatante Auslassungen” in dem Entwurf, hieß es.

    Anfang November hatten außerdem mehr als 46 Millionen Beschäftigte des Gesundheitssektors in einem offenen Brief gefordert, die Lobby der Fossilen von der Klimaverhandlungen auszuschließen. Ihre Argumentation: Ähnlich wie bei Verhandlungen über die Schädlichkeit von Tabak hätten die Verursacher nichts am Verhandlungstisch verloren.

    Das kann ein Ergebnis der COP28 sein:

    Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Erklärung zu Klimawandel und Gesundheit – eventuell mit kleinen Änderungen – angenommen wird. Offen ist, ob darüber hinaus einige Staaten weitere Verpflichtungen und Maßnahmen zu Klimawandel und Gesundheit zusagen. Denkbar wären hier beispielsweise Zusagen oder Pledges für eine bessere Finanzierung des Bereichs. Solche Zusagen könnten beispielsweise in den Anhang der Erklärung mit aufgenommen werden.

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    Termine

    3. Dezember, 9.30 Uhr, Al Waha Theatre
    Eröffnung Health Day Opening Session: Unpacking Political and Financial Commitments
    Auf dieser Veranstaltung des Gesundheitstags sollen relevante neue Finanzmittel und Programme im Bereich Gesundheit und Klima angekündigt werden, die den Prioritäten und Bedürfnissen der Länder entsprechen. Außerdem werden konkrete Verpflichtungen und Fortschritte von Regierungen, internationalen Organisationen, Entwicklungsbanken, Philanthropen und dem Privatsektor vorgestellt. Infos

    3. Dezember, 10.30 Uhr, Women’s Pavilion: Majlis
    Diskussion Supporting Renewable Energy in Fragile Settings: Leveraging the Energy Transitions of Humanitarian and Peacekeeping Mission to Deliverr a Positive Legacy
    Länder, die mit sicherheitspolitischen und humanitären Herausforderungen konfrontiert sind, haben die niedrigsten Energiezugangsraten und gleichzeitig die höchsten Energiekosten. Auf dieser Veranstaltung werden die Fortschritte des Energiepakts für erneuerbare Energien für die Friedenssicherung der Vereinten Nationen vorgestellt. Ein Event unter anderem von Energy Peace Partners, International Renewable Energy Agency (IRENA) und dem UNHCR. Infos

    3. Dezember, 11 Uhr, Online
    Webinar Transition Finance: From Implementation to Impact
    Die Schaffung einer grünen und kohlenstoffarmen Wirtschaft erfordert Instrumente zur Beschaffung der nötigen finanziellen Mittel. Auf diesem Side-Event der Europäischen Union teilen Expertinnen und Experten ihre Erfahrungen zu nachhaltigen Anleihen und Kohlenstoffmärkten. Infos & Anmeldung

    3. Dezember, 11.30 Uhr, SE1, Room 175, Blue Zone
    Diskussion Can Carbon Capture and Storage Decarbonise the Cement Sector in Developed and Developing Economies?
    CO₂ bei der Zementherstellung ist unvermeidlich, aber “CCS ist bei der Zementherstellung weniger ausgereift, obwohl es eine wichtige Minderungsoption darstellt” (IPCC Synthesebericht 2023). Können CCS-Fortschritte in den Industrieländern die Technologie für die Umsetzung in Schwellenländern reifen lassen? Ein Side-Event von der University of Taxas, Bellona Foundation, der Carbon Capture and Storage Association und The International CCS Knowledge Centre. Infos

    3. Dezember, 14 Uhr, Impact Hub, LVL 2 Multi-Purpose Meeting Room
    Diskussion Climate Change, Migration and Health: A Call for Action to Leave No One Behind
    Auf dieser Veranstaltung werden neue Strategien, Technologien und Finanzierungsmöglichkeiten vorgestellt, um die Gesundheitsversorgung und die Widerstandsfähigkeit in Bereichen zu verbessern, in denen die Klimakrise zu Vertreibung, Konflikten und Instabilität führt. Infos

    News

    USA sagen drei Milliarden Dollar für Grünen Klimafonds zu

    US-Vizepräsidentin Kamela Harris hat am Samstag in Dubai drei Milliarden US-Dollar für den Green Climate Fund (GCF) zugesagt. Allerdings heißt es, dass das Geld noch vom US-Kongress bewilligt werden muss. Das wird angesichts der politischen Spaltung in den Kongresskammern keine einfache Aufgabe sein.

    Der Fonds wurde im Oktober mit rund 9,3 Milliarden Dollar für den Zeitraum zwischen 2024 und 2027 aufgefüllt. Die USA hatten noch keine Zusage gemacht und versprochen, auf der COP28 in Dubai nachzulegen. Allerdings gelten Finanzzusagen aus Washington keineswegs als sicher. “Präsident Obama hat 2014 drei Milliarden US-Dollar zugesagt, von denen bisher nur zwei Milliarden bereitgestellt worden sind”, erinnert Ani Dasgupta, Präsident und CEO des World Resources Institute (WRI). Zudem haben Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Verhältnis zur Größe ihrer Volkswirtschaften noch tiefer in die Tasche gegriffen. “Die heutige Ankündigung kann jedoch ein Schritt in Richtung der von Präsident Biden eingegangenen Verpflichtung sein, bis 2024 jährlich 11,4 Milliarden Dollar für Entwicklungsländer bereitzustellen”, sagt Dasgupta.

    Der GCF ist der größte internationale Fonds zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern. Er helfe Landwirten, dürreresistente Pflanzen anzubauen und bringe Solarenergie in ländliche Gemeinden, erklärt der WIR-Präsident. Und kein Land habe eine größere Verantwortung, zu diesen Bemühungen beizutragen, als die Vereinigten Staaten. luk

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    USA verpflichten sich zum Kohleausstieg

    Die USA treten der Powering Past Coal Alliance (PPCA) bei und verpflichten sich damit zu einem Ausstieg aus Kohlekraftwerken mit unverminderten Emissionen – also Kraftwerken, die keine CCS-Technologie nutzen. Das gab John Kerry, der Klimabeauftragte der USA, am Samstag bekannt. Ein Ausstiegsdatum wurde nicht genannt, aber bisher arbeitet die Biden Administration auf einen Ausstieg bis 2035 hin. Das ist fünf Jahre später als das Datum, das als kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel angesehen wird. Rund 20 Prozent des US-Strombedarfs kommt aktuell aus Kohlekraft.

    Auch Tschechien und der Kosovo, beides Länder, die noch stark von Kohle abhängig sind, sowie Zypern, die Dominikanische Republik, Island und Norwegen traten der PPCA bei. Mehr als 50 Länder sind nun Mitglieder in der Allianz. Große Kohleemittenten wie China, Japan oder Australien gehören aktuell nicht dazu. Eine Analyse des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hatte früher in diesem Jahr ergeben, dass die Gefahr besteht, dass die PPCA weniger Kohleemissionen vermindert als erhofft, weil sie auf den Stromsektor begrenzt ist. Deshalb sehen die Forscher die Gefahr, dass Länder, die der PPCA beitreten, ihren Kohleverbrauch in anderen Sektoren der Wirtschaft wie der Chemie- oder Stahlindustrie erhöhen.

    Frankreich rief außerdem zusammen mit der EU, den USA und mehreren Entwicklungsländern den “Coal Transition Accelerator” ins Leben. Diese Initiative soll private Finanzierungen von Kohlekraft beenden. kul

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    “Comeback” von Atomkraft: Kapazitäten verdreifachen

    Die USA und 21 weitere Staaten haben am Samstag auf der COP28 verkündet, die Kapazitäten für Atomkraft bis 2050 zu verdreifachen. Der Ausbau der Atomkraft sei entscheidend, um die Emissionen zu reduzieren und das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Außerdem trage er zur Erreichung des UN-Nachhaltigkeitsziel 7 “Bezahlbare und saubere Energie” und vor allem auch zur Energiesicherheit bei, so die 22 Staaten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte, Atomkraft sei eine “unverzichtbare Lösung”.

    Atomkraft war auf der COP6 im Jahr 2001 aus dem Clean Development Mechanism ausgeschlossen worden und spielte seitdem bei den Klimaverhandlungen nur eine untergeordnete Rolle. Bei der COP27 in Sharm el-Sheikh hieß es in der Abschlusserklärung, man brauche “dringend” einen Ausbau von “emissionsarmen und erneuerbaren” Energien – emissionsarme Energien beinhalten auch Kernenergie.

    Kernenergie wird oft auch als “emissionsfrei” bezeichnet, allerdings ist diese Behauptung umstritten. Zudem gibt es Bedenken bei Sicherheit und zur Endlagerung. Hinzu kommt, dass die Herstellung von Atomenergie aktuell sehr teuer ist. Kritikerinnen und Kritiker argumentieren deshalb, dass die Gelder effizienter in den Ausbau von erneuerbaren Energien investiert werden könnten. Aktuell gibt es global rund 370 Gigawatt Kernkraftkapazität in 31 Ländern. In jüngster Vergangenheit wurden Ausbauziele wiederholt verfehlt.

    In der Atom-Deklaration der COP28 verpflichten sich die Länder zu Zusammenarbeit, um das Ziel der Verdreifachung zu erreichen und Finanzmittel bereitzustellen. Unterzeichnet wurde die Deklaration neben den USA von: Kanada, Bulgarien, Tschechien, Finnland, Frankreich, Ghana, Ungarn, Japan, Südkorea, Moldawien, der Mongolei, Marokko, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, Schweden, der Ukraine, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Vereinigten Königreich. kul/luk

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    Standpunkt

    Die klimabedingte Gesundheitskrise gehört ins Zentrum dieses Gipfels

    Von Marina Romanello
    Marina Romanello erforscht am Unversity College London, wie Klima und Gesundheit zusammenhängen

    Unsere anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schadet unserer Gesundheit und lässt die Temperaturen weltweit auf Rekordniveau steigen. Die miteinander in Verbindung stehenden Klimakatastrophen der letzten Jahre – Extremwetterereignisse, Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit und zunehmende Luftverschmutzung – sind eine unmittelbare Folge der Treibhausgasemissionen. Die negativen Auswirkungen, die wir heute erleben, könnten nur ein Vorgeschmack auf Katastrophen sein, die uns noch bevorstehen.

    Das ist die zentrale Erkenntnis des jüngsten Lancet Countdown-Berichts, der von führenden Gesundheits- und Klimaforschenden unter meiner Leitung verfasst wurde. Für Millionen Menschen, die unter klimabedingten Gesundheitsproblemen leiden, sowie für deren Angehörige wird diese trostlose Schlussfolgerung zweifellos nicht überraschend kommen. Unabhängig vom Wohnort sind die meisten von uns direkt oder indirekt von dieser Krise betroffen.

    Ernährungsunsicherheit, Luftverschmutzung, Infektionskrankheiten

    Angesichts des sich zuspitzenden Klimawandels sind dessen Auswirkungen auf unsere körperliche und geistige Gesundheit nicht mehr nur hypothetischer Natur. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass im Jahr 2021 aufgrund der sich in den Jahren zuvor häufenden Hitzewellen und Dürren 127 Millionen mehr Menschen als in den Jahren 1981 bis 2010 unter mittelschwerer oder starker Ernährungsunsicherheit litten. Unterdessen fordert die durch die Verbrennung schmutziger Brennstoffe verursachte Luftverschmutzung im Freien jährlich 1,9 Millionen Menschenleben, und Infektionskrankheiten wie Dengue-Fieber breiten sich auf neue Regionen aus.

    Doch auch nach 27 Jahren alljährlicher Klimakonferenzen weigern sich die führenden Politikerinnen und Politiker der Welt immer noch, die dringende Notwendigkeit eines Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Brennstoffe anzuerkennen. Trotz erdrückender Beweise, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe Hauptursache für die derzeitige Gesundheitskrise ist, findet sich in dem Entwurf der Erklärung zum Thema Klimawandel und Gesundheit, die auf der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai veröffentlicht werden soll, kein Hinweis auf dieses Thema.

    Da sich viele Länder und Unternehmen von ihren Klimazusagen distanzieren, bewegt sich die Welt in die falsche Richtung. Ändert sich nichts am derzeitigen Ausmaß der Treibhausgasemissionen, steuern wir bis zum Jahr 2100 auf einen globalen Temperaturanstieg von fast drei Grad zu. Wir werden also weit über dem im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegten Ziel von 1,5 Grad liegen.

    Katastrophale Folgen der Erwärmung

    Die Folgen dieser Entwicklung könnten katastrophal sein. Selbst bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um knapp unter zwei Grad dürften die jährlichen hitzebedingten Todesfälle bis Mitte des Jahrhunderts um 370 Prozent ansteigen. Alle Menschen und vor allem die am stärksten gefährdeten Gruppen, nämlich ältere Menschen und Kinder, erleben heute doppelt so viele Hitzetage wie noch vor 30 Jahren. Und da Hitzewellen immer häufiger auftreten, könnte die Zahl der Menschen, die unter mittelschwerer oder starker Ernährungsunsicherheit leiden, bis Mitte des Jahrhunderts um etwa 525 Millionen ansteigen.

    Abgesehen von diesen direkten Auswirkungen gefährdet die Klimakrise auch das individuelle Wohlbefinden und die für eine gesunde Bevölkerung notwendigen sozioökonomischen Bedingungen. Im Jahr 2022 sorgten extreme Hitzewellen weltweit für ein Minus von 490 Milliarden Arbeitsstunden. Selbst wenn es uns gelingt, die globale Erwärmung auf knapp unter zwei Grad zu begrenzen, werden die hitzebedingten Arbeitsausfälle voraussichtlich um 50 Prozent zunehmen.

    Dabei gilt es hervorzuheben, dass diese Auswirkungen nicht gleichmäßig verteilt sind. Regionen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben – Afrika, Süd- und Mittelamerika, Asien und kleine Insel-Entwicklungsländer – tragen oft die Hauptlast der klimabedingten Gesundheitsrisiken.

    Sofortige Abkehr von fossilen Brennstoffen ist nötig

    Angesichts der Dringlichkeit der aktuellen Bedrohung ist das derzeitige Tempo der weltweiten Bemühungen zur Emissionssenkung unzureichend und bleibt weit hinter den Zielen des Pariser Abkommens zurück. Die energiebedingten Emissionen haben im Jahr 2022 einen historischen Höchststand erreicht, während nach wie vor nur 9,5 Prozent der weltweiten Stromerzeugung auf erneuerbare Energieträger entfallen. Haushalte auf der ganzen Welt können immer noch nicht auf schmutzige Brennstoffe verzichten. In den klimatisch am stärksten gefährdeten Ländern sind Familien hinsichtlich ihrer Haushaltsenergie zu 92 Prozent auf umweltschädliche Brennstoffe angewiesen, weswegen die im Haushalt lebenden Personen in ihren eigenen vier Wänden unter verpesteter Luft leiden.

    Obwohl die Politik versucht, diese Krise schrittweise zu bewältigen, gilt es festzustellen, dass die Strategie, ein Problem nach dem anderen zu lösen oder sich ausschließlich auf Anpassungsmaßnahmen zu konzentrieren, ungenügend ist. Ohne signifikante Verringerung der Emissionen kann man sich Anpassungsmaßnahmen sparen. Die klimabedingte Gesundheitskrise kann nicht ohne die sofortige Abkehr von fossilen Brennstoffen bewältigt werden. Durch die Fokussierung auf klimapolitische Maßnahmen, die Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen fördern, könnten Regierungen vorzeitige Todesfälle verhindern, die Bevölkerung und insebesondre Arbeitskräfte belastbarer machen und die jeweilige Binnenwirtschaft stärken.

    Wie lässt sich das erreichen? Unser Bericht skizziert elf konkrete Maßnahmen in fünf Schwerpunktbereichen. Zuallererst gilt es, die Treibhausgasemissionen im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu reduzieren, um zu gewährleisten, dass die Anpassungsfähigkeit unserer Gesundheitssysteme nicht durch Klimarisiken beeinträchtigt wird. Das erfordert eine konzertierte Anstrengung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen durch eine gerechte Energiewende, im Rahmen derer die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung verringert werden und der Zugang zu sauberer, erneuerbarer Energie ausgeweitet wird, insbesondere in den am stärksten unterversorgten Regionen der Welt, in denen Energiearmut nach wie vor eine Herausforderung darstellt.

    Das Gesundheitssystem muss sich verändern

    Gleichzeitig sind wir gefordert, die Anpassungsmaßnahmen zu beschleunigen, um Bevölkerungsgruppen zu schützen, die bereits unter den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels leiden. Dazu müssen wir die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitssektor, Umweltorganisationen und Wetterdiensten verstärken. Und durch die Abschaffung aller Subventionen, Kredite und Investitionen in fossile Brennstoffe wäre es möglich, Spielraum für Klimafinanzierung und Ressourcenallokation zur Unterstützung der Anpassungsbemühungen in gefährdeten Ländern zu schaffen.

    Diesen Wandel wird der Gesundheitssektor anführen müssen. Eine stärkere Anpassung des Gesundheitswesens ist unerlässlich, um unsere Gesundheitssysteme in die Lage zu versetzen, uns inmitten eskalierender Klimaprobleme zu schützen. Entscheidend ist die Umsetzung von Maßnahmen im Bereich öffentlicher Gesundheit, die zu einer Verringerung der Luftverschmutzung führen, eine gesündere, CO₂-arme Ernährung unterstützen, einen aktiven Lebensstil fördern und Bestimmungen für umweltverschmutzende Wirtschaftszweige vorsehen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gesundheitssektor selbst für 4,6 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist und Einfluss auf etwa elf Prozent der Weltwirtschaft ausübt, könnte dieser Bereich eine entscheidende direkte Rolle bei der globalen Dekarbonisierung spielen.

    Die COP28 ist eine Bewährungsprobe für das Engagement der führenden Politikerinnen und Politiker der Welt, diese Krise zu bewältigen. Ein echter Fokus auf den Gesundheitsbereich könnte eine schnelle und nachhaltige Abkehr von fossilen Brennstoffen bewirken und Anpassungsbemühungen erleichtern. Andernfalls wird die Konferenz kaum mehr als ein Lippenbekenntnis zu Gesundheitsfragen sein und unsere kollektive Untätigkeit bekräftigen. Die Zahl der klimabedingten Todesfälle wird weiter zunehmen, und eine lebenswerte Zukunft in weite Ferne rücken.

    Marina Romanelloist geschäftsführende Direktorin von Lancet Countdown und Wissenschaftlerin in den Bereichen Klimawandel und Gesundheit am University College London. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier. In Kooperation mit Project Syndicate, 2023.

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