Klimapolitik ist ein stetes Ringen um jedes Zehntel Grad verhinderter Erderwärmung – und um Milliarden US-Dollar. In Bonn treffen sich heute die Geberstaaten des UN Green Climate Fonds, um ihre neuen Beiträge für den Fonds bekannt zu geben. China wird nicht dabei sein. Der größte CO₂-Emittent hält sich aus vielen Gründen aus der Klimafinanzierung auf UN-Ebene zurück. Über eigene Kanäle wollte die Volksrepublik Milliarden Dollar bereitstellen, doch bisher ist nur ein Bruchteil der versprochenen Summen ausgezahlt worden. Dennoch befinde sich die Volksrepublik auf der COP28 in einer guten Verhandlungsposition, sagen Experten.
Zugleich steigt der Druck auf China und andere große Emittenten. Der gestern vom EU-Umweltausschuss bestätigte neue EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra fordert von China, den USA, aber auch den Vereinigten Arabischen Emiraten einen größeren Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung. Hoekstra versprach, sich weltweit für eine Ausweitung der CO₂-Bepreisung und eine globale Luftverkehrssteuer einzusetzen.
Gelder aus solch einer Steuer könnten auch Nigeria zugutekommen. Der westafrikanische Staat finanziert sich vor allem durch Ölexporte. Jetzt hat Nigeria ein Gasministerium gegründet, um mit weiteren fossilen Einnahmen die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Ein fossiler Ausstieg sei nur mit ausreichend Klimafinanzierung möglich, sagen hochrangige Politiker. Hier schließt sich also der Kreis: Auch auf der COP28 werden etwaige Erfolge fürs Klima einmal mehr vom Geld abhängen.
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Heute geht es in Bonn um viel Geld: Die Geberstaaten des UN Green Climate Fund treffen sich in der ehemaligen Bundeshauptstadt, um ihre Beiträge an den Klimafonds für die kommenden vier Jahre bekannt zu geben. Einige Staaten wie Deutschland haben ihre Zusagen (zwei Milliarden Euro) schon vorab veröffentlicht.
China hat sich bisher nicht an diesem Fonds beteiligt und auch nicht angekündigt, sich beteiligen zu wollen. Ganz im Gegenteil: Die Volksrepublik lehnt es bislang ab, im Rahmen der UN eigene Beiträge zur Finanzierung von Klimaschutz, Anpassung oder zur Minderung von Klimaschäden zu leisten. Die zweitgrößte Volkswirtschaft und der mit Abstand größte CO₂-Emittent der Welt gehört laut UN-Definition zu den sogenannten Non-Annex-I-Staaten – das sind größtenteils Entwicklungsländer.
Diese Eingruppierung wurde von der UN schon 1992 vorgenommen. Laut UN-Statuten muss sich China somit nicht an der internationalen Klimafinanzierung beteiligen, obwohl das Land seitdem einen Wirtschaftsboom ungekannten Ausmaßes erlebt hat: Die Wirtschaftskraft pro Kopf liegt 34 Mal höher als 1992, und der Staat hat Währungsreserven in Billionenhöhe angehäuft.
Was China zur Klimafinanzierung beiträgt, beruht deshalb auf Freiwilligkeit und wird über Kanäle verteilt, die China kontrolliert. Die unter chinesischer Führung stehende Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) gab Ende September bekannt, ihre Klimafinanzierung bis 2030 auf mindestens sieben Milliarden US-Dollar jährlich zu verdreifachen. Doch Expertinnen und Experten kritisieren: Die Volksrepublik kommt ihren Versprechungen nicht nach. Zwar gab es vollmundige Ankündigungen, aber bisher sind nur recht geringe Summen ausgezahlt worden – und die Zahlungen sind von großer Intransparenz gekennzeichnet.
Laut unterschiedlichen Untersuchungen hat China von 2000 bis 2017 zwischen 14 und 17 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung geleistet, konstatiert der Forscher Nicolas Lippolis von der University of Oxford. Auch der Think-Tank E3G kritisiert das geringe Niveau der chinesischen Klimafinanzierung. Seit dem Start der “Neuen Seidenstraße” im Jahr 2013 sei die Klimafinanzierung zwar auf durchschnittlich 1,4 Milliarden US-Dollar pro Jahr gestiegen. Allerdings mache sie nur zwei Prozent der chinesischen Entwicklungsfinanzierung aus. Zum Vergleich: Deutschland hat laut Regierungsangaben im Jahr 2022 6,3 Milliarden Euro für die Klimafinanzierung bereitgestellt.
Zudem kündigt China – wie auch einige westliche Staaten – mehr an, als es tatsächlich zahlt. Im Jahr 2015 hatte die Volksrepublik 3,1 Milliarden US-Dollar für den “China South-South Climate Cooperation Fund” angekündigt. Laut E3G-Recherchen wurden bis Ende 2022 allerdings erst weniger als zehn Prozent dieses Geldes, 286 Millionen Dollar, tatsächlich ausgezahlt.
Ein Großteil des chinesischen Geldes wird zudem zu “kommerziellen Bedingungen” gewährt, so Lippolis – die Partnerländer erhalten also selten Vorzugsbedingungen (Concessional Loans). Dass ein Großteil der globalen Klimafinanzierung – auch unabhängig von China – in Form von Krediten vergeben wird, trägt darüber hinaus zum Schuldenproblem vieler Staaten des Globalen Südens bei.
Bei den chinesischen Initiativen im Bereich Klimafinanzierung dominieren laut E3G bilaterale, regionale und internationale Partnerschaften. Allerdings sind viele dieser Projekte und Programme von großer Intransparenz gekennzeichnet. E3G kritisiert beispielsweise, “Informationen über finanzielle Verpflichtungen und die Durchführung von Projekten im Rahmen der regionalen Initiativen sind spärlich und vage”. Anders als andere Gebernationen gäbe China beispielsweise nicht bekannt, ob eine Entwicklungs-Finanzierungsmaßnahme an Umwelt- oder Klimazielen ausgerichtet sei, schreibt Oxford-Forscher Lippolis. Das schränke die Transparenz zusätzlich ein.
Würde sich China an der Klimafinanzierung im Rahmen der UN beteiligen, müsste das Land eine größere Transparenz akzeptieren und hätte weniger Kontrolle über die Mittelverwendung. “Der wichtigste Grund, warum China sich nicht an UN-Klimafonds beteiligt, dürfte allerdings ein prinzipieller sein: Für China ist es eine strategische Priorität, den Status als “Entwicklungsland” nicht zu verlieren”, sagt Martin Voß, Referent für Klimadiplomatie und Kooperation von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
Es läge im “geopolitischen Interesse” Chinas, “im UN-Kontext weiterhin mit der Gruppe der Entwicklungsländer (Gruppe der 77) zu verhandeln”, so Voß. Allerdings “erwarten viele Entwicklungsländer von China, dass es mehr für die Kompensation anderer Entwicklungsländer tut“, sagt Gørild Heggelund, China-Expertin des Fridjof Nansen Institute in Oslo. Die Erwartungen an China wachsen, die Klimafinanzierung zu erhöhen, so Heggelund.
In der Klimadiplomatie wird zudem schon über ein Finanzziel für die Zeit nach 2025 debattiert – das sogenannte New Collective Quantified Goal (NCQG). Ebenso muss der auf der COP27 geschaffene Fonds für Verluste und Schäden durch den Klimawandel gefüllt werden. Die Geberstaaten müssen nach 2025 wohl größere Summen aufwenden als 100 Milliarden US-Dollar, was das jährliche Ziel bis 2025 ist. Auch dieser größere Bedarf an Finanzmitteln könnte China abschrecken, sich an UN-Fonds zu beteiligen. Das NCQG steht im Kontext des Pariser Klimaabkommens, so Voß. Dementsprechend müssten sich China und andere große Schwellenländer nur freiwillig beteiligen.
Die klassischen Industrieländer drängen jedoch darauf, dass auch China und andere Staaten verpflichtend in das NCQG einzahlen müssten, erläutert Voß. Und auch beim Fonds für Verluste und Schäden könnte China in Zukunft stärker unter Druck geraten. Er falle nicht unter Artikel 9 des Pariser Klimaabkommens, sagt Voß, sodass Chinas Status als Entwicklungsland nicht vor einer Beteiligung schützt.
Mit Blick auf die anstehende Klimakonferenz Endes des Jahres (COP28) erwartet Voß “keine großen Zugeständnisse” Chinas. Die Volksrepublik sei “in einer komfortablen Verhandlungsposition” und könne darauf verweisen, dass sie keine Zahlungsverpflichtungen habe und andere Staaten ihren Verpflichtungen nicht voll erfüllen. Voß geht auch davon aus, dass die USA “nicht mehr zu Klimafinanzierung beitragen werden als bisher, selbst, wenn ein ambitioniertes NCQG beschlossen werden sollte”. Das spielt China in die Karten.
Byford Tsang vom Think-Tank E3G sagt mit Blick auf die COP28: “Die chinesische Regierung sollte ihre Finanzmittel für Entwicklungsländer aufstocken, um sie bei der Umstellung auf den Klimawandel zu unterstützen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu stärken.” China könne beispielsweise
Die Gründung eines neuen “Ministeriums für Gasressourcen” hat in Nigeria eine Debatte über die Klimapolitik des Landes ausgelöst. Die Regierung betont die potenziellen ökonomischen Vorteile durch die Nutzung von heimischem Erdgas und sieht dadurch die geplante Energiewende gestärkt. Kritiker dagegen sehen die Klimaziele des Landes bedroht und fürchten durch das neue Ministerium weniger Engagement für erneuerbare Energien.
Nigerias Präsident Bola Tinubu hat im August das “Ministerium für Gasressourcen” als eines von zehn neuen Ministerien in seinem Kabinett geschaffen, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Das Ministerium wird – wie auch das Ministerium für Erdölressourcen – von Präsident Bola Tinubu eng überwacht. Doch beide Ministerien haben einen “Staatsminister”, der dem Präsidenten Bericht erstattet und wie andere Minister am Kabinettstisch sitzt.
Der neue Staatsminister für Gas, Ekperikpe Ekpo, sagte, die Schaffung des neuen Ministeriums zeige, dass der Präsident bereit sei, die reichen Ressourcen Nigerias zu erkunden, um die Wirtschaft des Landes über das Erdöl hinaus zu fördern. “Das Ergebnis wird dazu beitragen, die wirtschaftlichen Nöte der Nigerianer zu lindern, denn es werden Unternehmen gegründet, es werden Beschäftigungsmöglichkeiten für Nigerianer geschaffen, es wird Energie zur Verfügung stehen, und natürlich werden die Vorteile für alle enorm sein”, sagte Ekpo.
Kritiker fürchten allerdings, dass das neue Ministerium die Dekarbonisierung in Nigeria erschweren wird. Die besondere Konzentration auf die Gasindustrie und deren Förderung behindere die Entwicklung sauberer Energiealternativen. Die Debatte zeigt die komplizierte Lage von Entwicklungsländern mit fossilen Reserven: Einerseits tragen auch diese zum Klimawandel bei, unter dem diese Länder besonders leiden. Andererseits bringen sie Geld für dringend notwendige Investitionen in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung.
Nnimmo Bassey, geschäftsführender Direktor der Health of Mother Earth Foundation (HOMEF), kritisiert das neue Gas-Ministerium. Es rechtfertige CO₂-Emissionen in Nigeria und lege diesen fossilen Pfad für lange Jahre fest. Unter dem auch daraus entstehenden Klimawandel hätten die Gemeinden in Nigeria dann aber zu leiden.
Auch für Daniel Oladoja, einen Klimaschützer, besteht das Problem Nigerias bei der Klimapolitik in seinen politischen Kehrtwenden und Konflikten, die oft zu einer inkohärenten Strategie geführt hätten. Deshalb gebe es in Nigeria einen 10-Jahres-Klimaaktionsplan, ein Klimaschutzgesetz und einen Energiewendeplan (ETP), die alle das Gleiche versprächen – und dann eine neue Regierungspolitik, die in eine völlig andere Richtung gehe.
“Wir müssen bei der neuen Regierung erst noch einige Monate Daten sammeln, um grundsätzlich über ihren Klimaaktionsplan sprechen zu können”, so Oladoja gegenüber Table.Media. “Auf den ersten Blick werden durch die Schaffung dieses Ministeriums aber die Errungenschaften der zuvor genannten Politiken ausgehöhlt und vielleicht sogar zunichtegemacht.” Die derzeitige Regierung scheine “eine Seite aus dem Gesangbuch der vorherigen Regierung genommen zu haben”, die den Mythos, dass Gas sauber ist und als solches ein Übergangskraftstoff sein sollte, geglaubt und propagiert hätte. In Wahrheit sei Gas aber keineswegs sauber und fortgesetzte Investitionen in Gasressourcen würden “nur unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verlängern“.
Nigeria hat sich verpflichtet, bis 2060 Netto-Null-Emissionen zu erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde der Energiewendeplan ETP ins Leben gerufen, um den Energiesektor von fossilen Brennstoffen auf kohlenstofffreie Energie umzustellen.
Auf dem Afrikanischen Klimagipfel in Nairobi erklärte der ehemalige nigerianische Vizepräsident Yemi Osinbajo, Afrika könne nicht gezwungen werden, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, wenn es keine Klimafinanzierung gebe, ausländische Staaten dem Land also nicht bei der Finanzierung von Maßnahmen zum Klimaschutz helfen. Er wies darauf hin, dass Afrika zunächst seine reichhaltigen Gasressourcen nutzen müsse, bevor es von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umsteigen könne: “Die Wahrheit ist: Wenn sich Afrika auf einer ähnlichen Bahn entwickelt wie der globale Norden, nämlich über die Nutzung von fossilen Brennstoffen, wird niemand jemals das Netto-Null-Ziel erreichen.” Also müsse in Afrika investiert werden, damit es “die erste wirklich grüne Zivilisation wird. Wenn uns das gelingt, dann erreichen alle ihre Netto-Null-Ziele.”
Adebayo Jogunsinmi, Leiter der Abteilung für Investitionen und Strategie bei der Consultingfirma International Energy Services, erklärt: Nigerias Zusage, bis 2060 netto null Treibhausgasemissionen zu erreichen, sei eine langfristige Strategie, auch wenn sie noch in den Kinderschuhen stecke. Gleichzeitig bediene Nigeria die internationale Nachfrage, auch aus Europa, das selbst Richtung Netto Null strebt. Für die Energiewende und die Abkehr von den Fossilen sorge die nigerianische Regierung durch Förderung erneuerbarer Energiequellen wie der Solarenergie, insbesondere in Gebieten, die nicht an das nationale Stromnetz angeschlossen sind.
Um Netto-Null 2060 zu erreichen, hat Nigeria das laufende Jahrzehnt zum “Jahrzehnt des Erdgases” erklärt. Das Ziel: Mit reichlich vorhandenem heimischem Gas das Wirtschaftswachstum und die nationale Entwicklung zu fördern. Da Erdgas unter den fossilen Brennstoffen am saubersten verbrennt, gilt es als “Brückentechnologie” für die Energiewende hin zu Netto-Null-Emissionen – eine Perspektive, die auch von der EU betont wird. Allerdings zeigen andere Studien, dass die Gasindustrie kurzfristig vor allem durch Methan-Emissionen die Erdatmosphäre ähnlich aufheizen kann wie Kohle.
Im Sommer 2022 war die Aufregung groß – in einer Kleingartenkolonie in Berlin wurde eine Population von asiatischen Tigermücken gefunden, die dort schon im Vorjahr nachgewiesen worden war. Eine erfolgreiche Überwinterung sei belegt, “eine dauerhafte Ansiedlung zu befürchten”, meldete die Senatsverwaltung. Damit ist Berlin der nördlichste Ort Deutschlands, in dem die Art bislang offiziell nachgewiesen wurde.
Asiatische Tigermücken sind eine invasive Spezies, die tropische Krankheiten wie Dengue- und Chikungunya-Fieber übertragen. Sie breiten sich durch den Klimawandel immer weiter in Europa aus und treten immer nördlicher auf. Damit nimmt auch das Risiko für Krankheiten zu.
Aktuell sind die Fallzahlen gering – im vergangenen Jahr wurden in Europa lediglich 71 lokal übertragene Fälle von Dengue-Fieber gemeldet. Doch diese Ruhe könnte trügerisch sein. Experten warnen, Europa sei nicht auf eine mögliche Infektionswelle von tropischen Krankheiten vorbereitet. Das Bewusstsein für eine Gesundheitsgefahr durch diese Folge des Klimawandels entstehe erst langsam, warnt auch die Europäische Umweltagentur EEA.
Diese “Infektionskrankheiten haben ein epidemisches Potenzial”, sagt Jan Semenza gegenüber Table.Media. Er arbeitete bis vor Kurzem am European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) in Stockholm und forscht seit Jahrzehnten zum Zusammenhang von Klimawandel und Infektionskrankheiten. Bei einem Ausbruch könnten die Fallzahlen in rasender Geschwindigkeit explodieren. “Offensichtlich tun wir in Europa nicht genug, um dem vorzubeugen, das hat auch die COVID-Pandemie gezeigt”, fügt Semenza hinzu.
Eline Vanuytrecht, die bei der EEA zum Schnittpunkt von Klimawandel und Gesundheit arbeitet, mahnt: Während die Gefahren durch Hitze anerkannt seien, entstehe aktuell erst langsam ein Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Infektionskrankheiten und Klimawandel.
Dabei gebe es mehrere Aspekte des Klimawandels, die dazu führten, dass sich Infektionskrankheiten schneller ausbreiten, so Vanuytrecht gegenüber Table.Media. Die Hauptfaktoren sind:
“Dabei sorgt nicht der Klimawandel allein für mehr Krankheiten, sondern das Zusammenspiel von verschiedenen Aspekten”, sagt die Expertin Vanuytrecht. Gleichzeitig würden auch soziale Faktoren und Verhaltensmuster, wie Hygiene und Reiseverhalten, eine Rolle spielen.
Es gibt drei Hauptgruppen von Infektionskrankheiten, die mit den Effekten des Klimawandels interagieren und dadurch unter Umständen gefährlicher werden. Das Robert-Koch-Institut behandelt sie im ersten Teil seines Sachstandsberichtes zu Klimawandel und Gesundheit ausführlich.
Laut dem Robert-Koch-Institut sind rund zwei Drittel der Krankheitserreger klimasensibel. Die häufigste vektor-übertragene Krankheit ist Lyme-Borreliose, die von Zecken übertragen wird. Schätzungen gehen von 65.000 Fällen pro Jahr in Europa aus. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil die Krankheit nicht überall meldepflichtig ist. In den vergangenen Jahren haben sich die Zecken-Risikogebiete immer weiter in den Norden ausgedehnt.
Viel Aufmerksamkeit bekommt die asiatische Tigermücke. Sie wurde nach Europa eingeschleppt und überträgt beispielsweise Dengue-Fieber. Weltweit erkranken jährlich rund 400 Millionen Menschen an Dengue-Fieber, 40.000 sterben daran. In tropischen und subtropischen Ländern haben die Dengue-Fälle in den vergangenen 30 Jahren drastisch zugenommen, und auch die Fälle außerhalb dieser Regionen steigen an.
Aber auch das West-Nil-Virus, das von Mücken auf Vögel und dann gelegentlich auf Menschen übertragen wird, stelle eine ernstzunehmende Bedrohung dar, meint Jan Semenza. Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise 1.113 gemeldete West-Nil-Virus Fälle in Europa, wobei 92 Menschen daran starben. Besonders besorgniserregend sei, dass bis zu 80 Prozent der Infizierten keine Symptome zeigten und darum die Gefahr hoch sei, dass das Virus über Blutspenden weitergegeben werde. Die Gefahr, dass sich Malaria unter wärmeren Bedingungen auch in Europa ausbreitet, sei hingegen gering: Allein die höheren Temperaturen reichten nicht aus.
Doch die Länder sind den Infektionskrankheiten nicht wehrlos ausgesetzt. Es gibt Möglichkeiten zur Prävention. Wichtig seien gute Monitoring- und Frühwarnsysteme, sind sich die Experten einig. Jan Semenza erklärt beispielsweise, wie das ECDC mit Satelliten Vibrio-Aktivität in der Ostsee überwacht – sie nimmt bei höheren Temperaturen tendenziell zu. Bei hoher Aktivität werden die Nationalstaaten dann informiert, damit sie Badewarnungen aussprechen oder Strände schließen können. In Deutschland wurden beispielsweise 2018 vulnerable Gruppen vor dem Schwimmen in der Ostsee gewarnt. Gegen Krankheiten, für die Impfungen vorhanden seien, wie FSME oder auch das Dengue-Fieber, sollten zumindest Risikogruppen geimpft werden.
Außerdem müsse ein Bewusstsein für die Krankheiten geschaffen werden, so Vanuytrecht. Als gutes Beispiel dafür nennt sie den Mückenatlas in Deutschland, für den Mücken von Privatpersonen kartografiert werden. Tschechien habe zudem ein gutes Kontrollsystem, mit dem die Bevölkerung die Aktivität von Zecken verfolgen könne. Die Expertin gibt auch zu bedenken, dass manche Klima-Adaptionsmaßnahmen mit der Prävention von Infektionskrankheiten in Konflikt geraten könnten: Mehr blaue Infrastruktur, also zum Beispiel Teiche und Wasserläufe, böten unter Umständen gute Brutstätten für Moskitos. Klima-Adaptionsmaßnahmen müssten also gut durchdacht sein, damit “Maladaptation” vermieden werde.
Kalifornien ist seinem Ruf als Vorreiter in Sachen Umwelt- und Klimaschutz einmal mehr gerecht geworden. Im September verabschiedete das Parlament in Sacramento mit großer Mehrheit Senate Bill 253 und Senate Bill 261. Es gilt als sicher, dass beide Gesetze in Kürze vom demokratischen Gouverneur Gavin Newsom unterzeichnet werden. Sie sind die bisher weitreichendsten Gesetze in den USA zur Offenlegung von Treibhausgasemissionen sowie der Risiken des Klimawandels für Unternehmen.
Der “Climate Corporate Data Accountability Act” (SB-253) verpflichtet alle in Kalifornien tätigen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 Milliarde US-Dollar, ab 2026 jährlich über ihre CO₂-Emissionen zu berichten. Dies umfasst nicht nur die direkten und indirekten Emissionen (Scope 1 und 2), die im Unternehmen entstehen, sondern auch jene, die in der Wertschöpfungskette freigesetzt werden (Scope 3). Der Bericht muss von einem unabhängigen Prüfer testiert werden.
Ein zweites Gesetz mit dem Titel “Greenhouse Gases: Climate-related Risk” (SB-261) verpflichtet in Kalifornien tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen US-Dollar, ab Januar 2026 alle zwei Jahre Berichte zu erstellen, in denen sie klimabedingte finanzielle Risiken wie Gefahren für Produktionsanlagen offenlegen und Maßnahmen zu deren Minimierung wie resiliente Wertschöpfungsketten darlegen. Die Berichte müssen auf der Website des Unternehmens veröffentlicht werden.
Bislang gibt es in den USA keine gesetzlich geregelten Offenlegungspflichten für CO₂-Emissionen. Viele börsennotierte Unternehmen berichten jedoch freiwillig auf Basis des 1998 entwickelten Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol). Auf das GHG Protocol geht auch die Einteilung der Treibhausgasemissionen in Scope 1, 2 und 3 zurück. Es gilt als der weltweit am weitesten verbreitete Standard für die Erstellung von Treibhausgasbilanzen.
Eine US-weite staatliche Regelung zur Offenlegung des CO₂-Fußabdrucks von Unternehmen steht unterdessen weiter aus. Die zuständige Regulierungsbehörde in Washington, die Securities and Exchange Commission (SEC), hatte im März 2022 einen Vorschlag für börsennotierte Unternehmen vorgelegt. Drei Monate später endete der öffentliche Konsultationsprozess. Zum Jahreswechsel 2022/23 sollte die endgültige Richtlinie vorliegen. Doch seitdem warten Öffentlichkeit und Unternehmen auf den Fortgang der Dinge.
Eine endgültige Fassung liegt auch nach über einem Jahr nicht vor. Der Grund: Die SEC spielt auf Zeit. Hinter den Kulissen wird noch immer darüber gestritten, wie weit die Berichtspflichten tatsächlich gehen sollen. “Es wurden wirklich wichtige Fragen zu Scope 3 aufgeworfen”, sagte SEC-Chef Gary Gensler Mitte September bei einer Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats. “Wir werden uns überlegen müssen, was wir mit Scope 3 machen.”
Kalifornien hat mit seiner Initiative nun direkt in diesen Prozess eingegriffen, indem es quasi einen nationalen Standard gesetzt hat. Denn mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 3,6 Billionen US-Dollar ist Kalifornien, wäre es ein Nationalstaat, nicht nur die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, sondern es ist auch der wirtschaftlich stärkste US-Bundesstaat. Mehr als 5.000 große US-Unternehmen, ob börsennotiert oder nicht, haben hier Niederlassungen und unterliegen damit den Regelungen von SB-253 und SB-261. Dies gilt auch für Konzerne mit Sitz im Ausland, beispielsweise in Deutschland.
Doch nicht nur SB-253 und SB-261 haben in den vergangenen Wochen landesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Mindestens ebenso viel Beachtung fand die Zivilklage, die der Bundesstaat Kalifornien gegen fünf der weltweit größten Öl- und Gaskonzerne eingereicht hat. In der 135-seitigen Klageschrift an das Oberlandesgericht (State Superior Court) in San Francisco wird Exxon Mobil, Shell, Chevron, Conoco Phillips, BP sowie der Lobbyorganisation The American Petroleum Institute vorgeworfen, die Öffentlichkeit vorsätzlich über die Gefahren fossiler Energien getäuscht zu haben.
“Seit mehr als 50 Jahren belügt uns Big Oil und verheimlicht die Tatsache, dass sie schon lange wissen, wie gefährlich die von ihnen produzierten fossilen Brennstoffe für unseren Planeten sind”, heißt es in einer Erklärung von Gouverneur Newsom.
Die Wissenschaftler der genannten Unternehmen wüssten bereits seit den 1950er Jahren um die gravierenden Auswirkungen der Verbrennung fossiler Energieträger auf das Klima, so die Klage. Statt entsprechend zu handeln, hätten sie jedoch spätestens in den 1970er Jahren eine Desinformationskampagne gestartet, um die wissenschaftliche Diskussion über den Klimawandel und seine Risiken zu diskreditieren.
In der Klage werden die Unternehmen unter anderem beschuldigt, den Klimawandel in Kalifornien verursacht oder dazu beigetragen zu haben, irreführende Werbung betrieben, natürliche Ressourcen geschädigt und die Öffentlichkeit durch illegale Geschäftspraktiken über den Klimawandel getäuscht zu haben.
“Die kalifornischen Steuerzahler sollten nicht für Schäden in Milliardenhöhe aufkommen müssen – für Waldbrände, die ganze Gemeinden auslöschen, für giftigen Rauch, der unsere Luft verpestet, für tödliche Hitzewellen und für rekordverdächtige Dürreperioden, die unsere Brunnen versiegen lassen”, so Newsom.
5. Oktober, Bonn
Konferenz Finanzierungskonferenz des Grünen Klimafonds
Am 5. Oktober 2023 richtet Deutschland eine hochrangige internationale Konferenz zur Wiederauffüllung des Grünen Klimafonds (Green Climate Fonds) in Bonn aus. Die Konferenz will Aufmerksamkeit für den internationalen Klimaschutz generieren und Mittelzusagen für den Fonds für die Jahre 2024 bis 2027 mobilisieren. Infos
6. Oktober, Berlin/Online
Konferenz Berlin Climate and Security Conference 2023
Die fünfte Berlin Climate and Security Conference (BCSC) steht unter dem Motto “Building a Climate for Peace” und wird Politiker, Entscheidungsträger und Klimasicherheitsexperten aus der ganzen Welt zusammenbringen. Infos
8. Oktober
Landtagswahl Bayern und Hessen
Am 8. Oktober finden Landtagswahlen in Bayern und Hessen statt.
8. bis 12. Oktober, Riad, Saudi-Arabien
Klimawoche MENA Climate Week 2023 (MENACW 2023)
Die MENACW (Middle East and North Africa Climate Week) 2023 bietet politischen Entscheidungsträgern, Fachleuten aus der Klima-Praxis, Vertretern von Unternehmen und der Zivilgesellschaft eine Plattform, um sich über Klimalösungen, Hindernisse und Chancen auszutauschen. Die UN veranstalten sie und weitere regionale Klimawochen zusammen mit der Weltbankgruppe und regionalen Partnern. Die Klimawochen sollen vor der COP28 eine zusätzliche Dynamik bringen und zur Vorbereitung auf den Global Stocktake dienen. Infos
9. bis 15. Oktober, Marrakesch
Jahrestagung Weltbank und Internationaler Währungsfonds
Beim Herbsttreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds stehen unter anderem Reformen der internationalen Klimafinanzierung auf dem Programm. Infos
10. Oktober, 10 Uhr, Berlin
Konferenz Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung
“Blockaden überwinden: neue Wege in der Nachhaltigkeitspolitik!” – unter diesem Motto steht die 22. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Ein Highlight der Konferenz wird eine Keynote von Bundeskanzler Olaf Scholz um 17:15 Uhr sein. Infos
10. Oktober, 10 Uhr, Berlin und Online
Diskussion Charta für Holz 2.0: Klimagerechtes Bauen im Fokus
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft richtet die Dialogveranstaltung in Zusammenarbeit mit der Bundesarchitektenkammer und der Bundesingenieurkammer aus. Dort werden die Potenziale von Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen für klimagerechtes und ressourcenschonendes Bauen diskutiert. Infos
10. bis 11. Oktober, Berlin
Jahrestagung Forschung für ein resilientes Energiesystem in Zeiten globaler Krisen
Die Jahrestagung des “ForschungsVerbund Erneuerbare Energien” 2023 untersucht die technischen, politischen und gesellschaftlichen Möglichkeiten, um die Resilienz der deutschen und europäischen Energiesysteme zu stärken und die Energieversorgung auch unter Krisenbedingungen und im Fall von Angriffen zu gewährleisten. Infos
11. Oktober, 9.30 Uhr, Berlin
Seminar Rohstoffwende Metalle – Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen
Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler lädt in die evangelische Akademie in Berlin ein, um darüber zu diskutieren, wie eine “Rohstoffwende Metalle” funktionieren kann und wie Metalle nachhaltiger eingesetzt werden können. Infos
12. Oktober, 9 Uhr, Berlin
Energietag International Pathways to Net-Zero
Der Weltenergierat Deutschland lädt zu seinem “Energietag 2023” ein. Die Konferenz findet in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) in Berlin unter dem Motto “International Pathways to Net-Zero” statt. Infos
Nach einem Rekordsommer zeigen neue Zahlen auch einen globalen Hitzerekord für den September 2023. Die Temperaturen lagen im September 2023 0,5 Grad über dem bisherigen September-Höchstwert aus dem Jahr 2020. Ein Sprung dieser Größenordnung sei bisher beispiellos, sagt der Klimawissenschaftler Zeke Hausfather. “Den Klimawissenschaftlern gehen die Superlative aus, um das Jahr 2023 zu beschreiben”, sagt Hausfather gegenüber Bloomberg.
Der immense Temperaturanstieg werde durch den globalen Klimawandel verursacht. Allerdings gäbe es in diesem Jahr auch Sondereffekte durch das Wetterphänomen El Niño. Der nächste September werde deshalb wohl nicht so extrem ausfallen, mutmaßt Hausfather. Der September 2023 sei aber dennoch ein “Vorgeschmack” darauf, wie sich der September in naher Zukunft regelmäßig anfühlen werde. nib
Woepke Hoekstra wird neuer EU-Klimakommissar, Maroš Šefčovič neuer Kommissar für den Green Deal. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat ihrer Ernennung am Mittwoch mehrheitlich zugestimmt. Die finale Abstimmung im Parlamentsplenum über die beiden Personalien findet am heutigen Donnerstag gegen 12 Uhr in Straßburg statt. Weil dort eine einfache Mehrheit ausreicht, gilt die Zustimmung des Plenums als sicher. Damit ist die Nachfolge des bisherigen EU-Klimachefs Frans Timmermans endgültig geklärt.
Anfang der Woche hatten die Abgeordneten des Umweltausschusses Hoekstra und Šefčovič jeweils in einer dreistündigen Anhörung zu ihren Ambitionen befragt. Da die Antworten den Abgeordneten nicht reichten, forderten sie zusätzliche schriftlichen Auskünfte von den beiden Kandidaten. Diese haben im Ausschuss nun eine Zweidrittel-Mehrheit überzeugt. Die christdemokratische EVP, die sozialdemokratische S&D, die liberale Renew und die Grünen stimmten für die beiden Kandidaten. Die konservative EKR, die Linke und die rechte ID stimmten gegen sie.
Hoekstra versprach in seinen zusätzlichen Antworten, eine Liste seiner Projekte und Kunden aus seiner Zeit als McKinsey-Berater offenzulegen. Sein anderer ehemaliger Arbeitgeber Shell oder andere Ölkonzerne seien jedoch nicht unter diesen Kunden gewesen, stellte der Niederländer wiederholt klar.
Darüber hinaus führte Hoekstra im Detail aus, wie er sich während der UN-Klimakonferenz in Dubai im Dezember (COP28) für mehr Mittel für die internationale Klimafinanzierung einsetzen will, insbesondere für Verluste und Schäden. Er wolle sich weltweit für eine Ausweitung der CO₂-Bepreisung sowie eine globale Luftverkehrssteuer engagieren. Aus deren Einnahmen solle dann auch Loss & Damage finanziert werden.
“Ich finde jedoch, dass die EU nicht die Einzige sein sollte, die ihren Beitrag weiter erhöht, zumal wir bereits ein großer Beitragszahler sind”, sagte Hoekstra. Alle anderen großen Emittenten, die dazu in der Lage seien – “von den USA über die Vereinigten Arabischen Emirate bis hin zu China” – sollten einen größeren und “gerechten” Anteil an der Klimafinanzierung leisten. Er kündigte zudem an, sich für ein beschleunigtes Ende der fossilen Subventionen in den EU-Staaten und ein Erreichen der globalen Klimaziele ohne CCS einsetzen zu wollen.
Nach Šefčovičs Anhörung im ENVI am Dienstagmorgen war, bis auf die sozialdemokratische Fraktion, noch niemand überzeugt von der Performance des Slowaken. Daher wurden seine zusätzlichen Antworten mit besonderer Spannung erwartet. Die MEPs hatten konkretere Angaben zu den noch ausstehenden Gesetzesvorschlägen der Kommission vor Ende der Legislatur gefordert. Nun ist klar, ein Vorschlag zur Eindämmung von Mikroplastik kommt noch im Oktober, das Waldmonitoring-Gesetz im November und neue Regeln für Tiertransporte im Dezember.
Viel entscheidender ist jedoch, was nicht auf der Liste steht. Die Vorbereitungen für die EU-Chemikalienverordnung REACH liefen weiter, schreibt Šefčovič, nennt aber kein Datum. Damit dürfte klar sein, dass die von Umweltschützern lange erwartete Überarbeitung von REACH nicht mehr in diesem Jahr kommt, aller Voraussicht nach auch nicht mehr vor der Europawahl im kommenden Juni. Auch ein Vorschlag für nachhaltige Lebensmittelsysteme sei noch in “Vorbereitung” und dürfte somit für diese Kommission vom Tisch sein. luk
Papst Franziskus hat Politik und Wirtschaft wenige Wochen vor der Klimakonferenz in Dubai (COP28) zu mehr Klimaschutz und einer Beschleunigung der Energiewende aufgerufen. In einem neuen Schreiben, das als Fortführung der 2015 veröffentlichten Sozialenzyklika “Laudato Si” gedacht ist, mahnt Franziskus mit Blick auf die Klimakrise: “Die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und steht vielleicht vor einem tiefen Einschnitt”.
Der Klimawandel schreite mit “noch nie dagewesener Geschwindigkeit” voran, konstatiert Franziskus. Extremwetter wie “ungewöhnliche Hitze, Dürre und andere Wehklagen der Erde” träten immer deutlicher hervor. Franziskus mahnt, den Klimawandel nicht zu unterschätzen. “Kleine Veränderungen können aufgrund der Trägheitsfaktoren große, unvorhergesehene und vielleicht bereits unumkehrbare Veränderungen auslösen”, verweist der Papst auf mögliche Kipppunkte im Weltklima.
Papst Franziskus kritisiert einen Technologieglauben, der “einer Besessenheit zugrunde liegt, die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern”. Technologische Fortschritte zum Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS/CCU) seien zwar “positiv”. Aber die Menschheit laufe “Gefahr, in einer Logik des Ausbesserns, des Flickens” gefangen zu bleiben. Die Annahme, jedes zukünftige Problem mit technischen Eingriffen lösen zu können, sei “fatal”. Die Debatte um den Einsatz von CCS/CCU-Techniken wird eines der bestimmenden Themen der Klimaverhandlungen in Dubai sein.
Die COP28 müsse zu einer “deutlichen Beschleunigung der Energiewende” mit “wirksamen Verpflichtungen” und “einer dauerhaften Überwachung” führen, fordert Papst Franziskus. Die Verhandler und alle, die sich in Dubai einbringen, sollten an die Zukunft ihrer Kinder denken und kurzfristige “Interessen einiger Länder oder Unternehmen” überwinden, so der Papst. nib
Die Schweiz und die USA geben gemeinsam 8,4 Millionen US-Dollar in den brasilianischen Amazonas-Fonds, dessen Ziel es ist, die Abholzung im größten tropischen Regenwald der Welt zu stoppen. Das teilte die brasilianische Nationale Entwicklungsbank (BNDES) mit, die den Fonds verwaltet. Der Bank zufolge steuert die Schweiz umgerechnet 5,4 Millionen US-Dollar bei, und die USA geben 3 Millionen US-Dollar.
Im Vergleich zu anderen Beiträgen sind es eher kleinere Summen: Als der Fonds 2008 gegründet wurde, stellte Norwegen zunächst 1 Milliarde US-Dollar bereit. Deutschland gab 68 Millionen US-Dollar. Unter der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro stellten beide Länder ihre finanziellen Beiträge für den Fonds jedoch vorübergehend ein. Bolsonaros Regierung entschied 2019 selbst, den Fonds auf Eis zu legen.
Nachdem der aktuelle brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Fonds wieder aktiviert hat, fließen die internationalen Gelder nun wieder. Die Bundesregierung beispielsweise sagte im Januar weitere 35 Millionen Euro für den Amazonas-Fonds zu – als Teil eines größeren Beitrags, der zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes generell dienen soll. Kürzlich kündigten auch Großbritannien, Dänemark und die Europäische Union finanzielle Beiträge an.
Auch die jetzt von den USA freigegebene Summe von 3 Millionen US-Dollar gehört zu einem größeren Beitrag: Insgesamt versprach US-Präsident Joe Biden Brasilien 500 Millionen US-Dollar, die über fünf Jahre verteilt fließen sollen. Lula da Silva kündigte an, bis 2030 keine Entwaldung in Brasilien mehr zuzulassen.
Weil der Amazonas-Regenwald viel CO₂ aufnehmen kann, gilt er als essenziell im Kampf gegen den Klimawandel. Der Amazonas-Fonds soll zum Erhalt des Waldes beitragen und generell die nachhaltige Entwicklung der Region fördern. Seit seiner Einrichtung hat er 102 Projekte mit einer Gesamtsumme von umgerechnet 340 Millionen US-Dollar finanziert, so die BNDES.
Zuletzt mehrten sich allerdings die Hinweise darauf, dass der Amazonas-Regenwald seine Funktion einer Kohlenstoffsenke womöglich schon jetzt nicht mehr gut erfüllt. Bisher erzeugt der Wald zudem durch Verdunstung Regen und beeinflusst so das Klima weit über die Amazonas-Region hinaus. Doch Wissenschaftler warnen: Sobald die Entwaldung ein bestimmtes Ausmaß überschreitet, könnte der Wasserkreislauf zusammenbrechen. Dann würden große Teile des Regenwaldes austrocknen und zu einer Art Savanne werden. Die Forscher Thomas Lovejoy und Carlos Nobre gehen von 20 bis 25 Prozent entwaldeter Fläche als kritischer Schwelle aus. Sie könnte schon bald erreicht sein.
Derzeit herrscht in der brasilianischen Amazonas-Region eine ungewöhnliche Hitze und Trockenheit. Flüsse führen sehr wenig Wasser, Fische sterben, die Regierung hat in einigen Gebieten den Notstand ausgerufen. Medienberichten zufolge verstärkt das Klimaphänomen El Niño die normal auftretende Trockenzeit. Den Zustand des Regenwaldes dürfte das eher nicht verbessern. ae/rtr
Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise und der globalen Schuldenkrise werden die Forderungen der Entwicklungsländer nach einer neuen, klimafreundlichen globalen Finanzarchitektur immer lauter. Die Bridgetown-Initiative der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, die V20-Gruppe der besonders durch den Klimawandel gefährdeten Länder und der Pariser Gipfel für einen neuen globalen Finanzierungspakt unterstreichen, wie dringlich es ist, entschlossen zu handeln. Der Klimagipfel für Afrika, der Anfang September in Nairobi stattfand, bot eine einzigartige Gelegenheit, dringend benötigte Maßnahmen voranzutreiben, um Ländern mit niedrigem Einkommen zu helfen, ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen.
In Afrika ist die Lage besonders dringlich. Nach jüngsten Schätzungen der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) benötigt der Kontinent zwischen 2020 und 2030 2,8 Billionen US-Dollar an Klimafinanzierung. Afrika erhält derzeit jedoch nur drei Prozent der weltweiten Klimafinanzierung, wovon nur 14 Prozent aus dem Privatsektor kommen. Dabei ist der Kontinent nur für 3,8 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, während 90 Prozent auf den globalen Norden entfallen.
Doch obwohl die am stärksten gefährdeten Länder der Welt die Hauptlast einer Krise tragen, die sie nicht verursacht haben, ist die entwicklungsbezogene Klimafinanzierung ebenso wie die Entwicklungshilfe für Afrika insgesamt zurückgegangen. Vorläufige Zahlen für 2022 zeigen, dass sich die bilaterale öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) der Mitglieder des OECD-Entwicklungshilfeausschusses für Afrika im vergangenen Jahr auf 34 Milliarden US-Dollar belief. Das entspricht einem realen Rückgang von 7,4 Prozent im Vergleich zu 2021. Unterdessen stieg das gesamte verwaltete Privatmarktvermögen im Jahr 2022 auf 11,7 Billionen US-Dollar. Seit 2017 wuchs es mit einer jährlichen Rate von fast 20 Prozent.
Angesichts der Schwere und Dringlichkeit der Klimakrise muss die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten, um noch vor der UN-Klimakonferenz (COP28) im November in Dubai konkrete Lösungen zu erarbeiten und zu vereinbaren. Um die Widerstandsfähigkeit gegen unvermeidbare Klimaschocks zu stärken, müssen wir den Loss-and-Damage-Fonds, auf dessen Einrichtung sich die Staats- und Regierungschefs auf der COP27 in Ägypten im vergangenen Jahr geeinigt haben, vollständig finanzieren, die Mittel für Anpassungsmaßnahmen verdoppeln und das Verursacherprinzip auf maritime Aktivitäten anwenden.
Um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, müssen Finanzmittel in nie dagewesenem Umfang mobilisiert werden. Die Vorschläge, die derzeit unter den globalen Entscheidungsträgern kursieren, sind jedoch wenig zielgerichtet. Angesichts der größten Herausforderung für das Überleben der Menschheit laufen wir Gefahr, wie Sisyphus in einem Kreislauf sinnloser, inkrementeller Maßnahmen gefangen zu bleiben.
Im Vorfeld der COP28 müssen wir uns auf einige wesentliche Schritte konzentrieren, die dem globalen Klimageschehen neuen Schwung verleihen und dazu beitragen können, die Erderwärmung auf das international vereinbarte Ziel von 1,5 Grad zu begrenzen.
Erstens müssen wir das Schuldenproblem Afrikas in den Griff bekommen. Die internationale Gemeinschaft muss gefährdete Entwicklungsländer, die mit Schuldenkrisen zu kämpfen haben, unterstützen. Sie muss ihnen ermöglichen, in Klimaanpassung, Widerstandsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung zu investieren. Um eine tragfähige Verschuldung zu erreichen, müssen die Entwicklungsländer ihre Volkswirtschaften diversifizieren, Umschuldungsvereinbarungen aushandeln und eine transparente und rechenschaftspflichtige Regierungsführung gewährleisten. Industrieländer und globale Finanzinstitutionen, insbesondere die 550 Mitglieder der Glasgow Financial Alliance for Net Zero, könnten diese Bemühungen unterstützen, indem sie konzessionäre – also besonders zinsgünstige – Finanzierungen für Klimaanpassungsmaßnahmen bereitstellen.
Zweitens könnten die laufenden Bemühungen zur Reform des Systems der multilateralen Entwicklungsbanken, einschließlich der Evolution Roadmap-Initiative der Weltbank, die multilateralen Entwicklungsbanken in die Lage versetzen, die Entwicklungsländer so schnell und in dem Umfang zu unterstützen, wie es zur Erreichung der globalen Entwicklungsziele und zur Bewältigung von Herausforderungen wie Klimawandel, Zugang zu Energie und Pandemievorsorge erforderlich ist.
Diese Reformen sollten auch darauf abzielen, Ressourcen auf regionale Kreditgeber wie die AfDB und die Interamerikanische Entwicklungsbank zu lenken.
Drittens sollten erhebliche Investitionen in die grüne Transformation fließen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Ausweitung des Zugangs zu erneuerbaren Energien in besonders klimagefährdeten Ländern. Zu diesem Zweck könnten afrikanische Regierungen regionale Programme initiieren, um ihre natürlichen Ressourcen für die Erzeugung sauberer Energie nutzbar zu machen.
Schließlich hat sich die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA) als ein entscheidendes Instrument erwiesen, um Afrika die Unterstützung zu bieten, die es benötigt. Die IDA ist bereits die wichtigste Quelle für konzessionäre Finanzierungen in Afrika. Auf afrikanische Länder entfallen 75 Prozent der IDA-Zusagen aus dem am 30. Juni 2023 endenden Finanzjahr – 25,8 Milliarden US-Dollar flossen in diesem Zeitraum auf den Kontinent.
Die IDA genießt nicht nur die Anerkennung und das Vertrauen der Regierungen auf dem ganzen Kontinent, sondern sie erhöht auch die Beiträge der Geberländer. In einer Zeit, in der die Geberländer unter Haushaltszwängen stehen, ist das besonders wertvoll. Wir hoffen, dass die Forderung der G20 und des Pariser Gipfels nach einer ehrgeizigen Aufstockung der IDA-Mittel zu einer substanziellen Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen in den Empfängerländern führen wird.
Trotz der enormen Herausforderungen ist die Schaffung einer neuen, klimaverträglichen globalen Finanzarchitektur durchaus machbar. Wenn die internationale Gemeinschaft zusammenarbeitet und sicherstellt, dass alle Länder ihren fairen Beitrag leisten, kann sie politische Gräben überbrücken und greifbare Fortschritte auf dem Weg zu einer bewohnbar bleibenden Welt erzielen.
Dazu müssen wir jedoch die derzeitige Dynamik beibehalten, bis wir unser Ziel erreicht haben: die besonders durch den Klimawandel gefährdeten Länder in die Lage zu versetzen, ein nachhaltiges und widerstandsfähiges Wachstum zu erzielen.
Ken Ofori-Atta, Finanzminister der Republik Ghana, ist Vorsitzender der V20. Axel van Trotsenburg ist Senior Managing Director für Entwicklungspolitik und Partnerschaften bei der Weltbank. In Kooperation mit Project Syndicate, 2023. Aus dem Englischen von Andreas Hubig.
Klimapolitik ist ein stetes Ringen um jedes Zehntel Grad verhinderter Erderwärmung – und um Milliarden US-Dollar. In Bonn treffen sich heute die Geberstaaten des UN Green Climate Fonds, um ihre neuen Beiträge für den Fonds bekannt zu geben. China wird nicht dabei sein. Der größte CO₂-Emittent hält sich aus vielen Gründen aus der Klimafinanzierung auf UN-Ebene zurück. Über eigene Kanäle wollte die Volksrepublik Milliarden Dollar bereitstellen, doch bisher ist nur ein Bruchteil der versprochenen Summen ausgezahlt worden. Dennoch befinde sich die Volksrepublik auf der COP28 in einer guten Verhandlungsposition, sagen Experten.
Zugleich steigt der Druck auf China und andere große Emittenten. Der gestern vom EU-Umweltausschuss bestätigte neue EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra fordert von China, den USA, aber auch den Vereinigten Arabischen Emiraten einen größeren Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung. Hoekstra versprach, sich weltweit für eine Ausweitung der CO₂-Bepreisung und eine globale Luftverkehrssteuer einzusetzen.
Gelder aus solch einer Steuer könnten auch Nigeria zugutekommen. Der westafrikanische Staat finanziert sich vor allem durch Ölexporte. Jetzt hat Nigeria ein Gasministerium gegründet, um mit weiteren fossilen Einnahmen die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Ein fossiler Ausstieg sei nur mit ausreichend Klimafinanzierung möglich, sagen hochrangige Politiker. Hier schließt sich also der Kreis: Auch auf der COP28 werden etwaige Erfolge fürs Klima einmal mehr vom Geld abhängen.
Beste Grüße
Heute geht es in Bonn um viel Geld: Die Geberstaaten des UN Green Climate Fund treffen sich in der ehemaligen Bundeshauptstadt, um ihre Beiträge an den Klimafonds für die kommenden vier Jahre bekannt zu geben. Einige Staaten wie Deutschland haben ihre Zusagen (zwei Milliarden Euro) schon vorab veröffentlicht.
China hat sich bisher nicht an diesem Fonds beteiligt und auch nicht angekündigt, sich beteiligen zu wollen. Ganz im Gegenteil: Die Volksrepublik lehnt es bislang ab, im Rahmen der UN eigene Beiträge zur Finanzierung von Klimaschutz, Anpassung oder zur Minderung von Klimaschäden zu leisten. Die zweitgrößte Volkswirtschaft und der mit Abstand größte CO₂-Emittent der Welt gehört laut UN-Definition zu den sogenannten Non-Annex-I-Staaten – das sind größtenteils Entwicklungsländer.
Diese Eingruppierung wurde von der UN schon 1992 vorgenommen. Laut UN-Statuten muss sich China somit nicht an der internationalen Klimafinanzierung beteiligen, obwohl das Land seitdem einen Wirtschaftsboom ungekannten Ausmaßes erlebt hat: Die Wirtschaftskraft pro Kopf liegt 34 Mal höher als 1992, und der Staat hat Währungsreserven in Billionenhöhe angehäuft.
Was China zur Klimafinanzierung beiträgt, beruht deshalb auf Freiwilligkeit und wird über Kanäle verteilt, die China kontrolliert. Die unter chinesischer Führung stehende Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) gab Ende September bekannt, ihre Klimafinanzierung bis 2030 auf mindestens sieben Milliarden US-Dollar jährlich zu verdreifachen. Doch Expertinnen und Experten kritisieren: Die Volksrepublik kommt ihren Versprechungen nicht nach. Zwar gab es vollmundige Ankündigungen, aber bisher sind nur recht geringe Summen ausgezahlt worden – und die Zahlungen sind von großer Intransparenz gekennzeichnet.
Laut unterschiedlichen Untersuchungen hat China von 2000 bis 2017 zwischen 14 und 17 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung geleistet, konstatiert der Forscher Nicolas Lippolis von der University of Oxford. Auch der Think-Tank E3G kritisiert das geringe Niveau der chinesischen Klimafinanzierung. Seit dem Start der “Neuen Seidenstraße” im Jahr 2013 sei die Klimafinanzierung zwar auf durchschnittlich 1,4 Milliarden US-Dollar pro Jahr gestiegen. Allerdings mache sie nur zwei Prozent der chinesischen Entwicklungsfinanzierung aus. Zum Vergleich: Deutschland hat laut Regierungsangaben im Jahr 2022 6,3 Milliarden Euro für die Klimafinanzierung bereitgestellt.
Zudem kündigt China – wie auch einige westliche Staaten – mehr an, als es tatsächlich zahlt. Im Jahr 2015 hatte die Volksrepublik 3,1 Milliarden US-Dollar für den “China South-South Climate Cooperation Fund” angekündigt. Laut E3G-Recherchen wurden bis Ende 2022 allerdings erst weniger als zehn Prozent dieses Geldes, 286 Millionen Dollar, tatsächlich ausgezahlt.
Ein Großteil des chinesischen Geldes wird zudem zu “kommerziellen Bedingungen” gewährt, so Lippolis – die Partnerländer erhalten also selten Vorzugsbedingungen (Concessional Loans). Dass ein Großteil der globalen Klimafinanzierung – auch unabhängig von China – in Form von Krediten vergeben wird, trägt darüber hinaus zum Schuldenproblem vieler Staaten des Globalen Südens bei.
Bei den chinesischen Initiativen im Bereich Klimafinanzierung dominieren laut E3G bilaterale, regionale und internationale Partnerschaften. Allerdings sind viele dieser Projekte und Programme von großer Intransparenz gekennzeichnet. E3G kritisiert beispielsweise, “Informationen über finanzielle Verpflichtungen und die Durchführung von Projekten im Rahmen der regionalen Initiativen sind spärlich und vage”. Anders als andere Gebernationen gäbe China beispielsweise nicht bekannt, ob eine Entwicklungs-Finanzierungsmaßnahme an Umwelt- oder Klimazielen ausgerichtet sei, schreibt Oxford-Forscher Lippolis. Das schränke die Transparenz zusätzlich ein.
Würde sich China an der Klimafinanzierung im Rahmen der UN beteiligen, müsste das Land eine größere Transparenz akzeptieren und hätte weniger Kontrolle über die Mittelverwendung. “Der wichtigste Grund, warum China sich nicht an UN-Klimafonds beteiligt, dürfte allerdings ein prinzipieller sein: Für China ist es eine strategische Priorität, den Status als “Entwicklungsland” nicht zu verlieren”, sagt Martin Voß, Referent für Klimadiplomatie und Kooperation von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
Es läge im “geopolitischen Interesse” Chinas, “im UN-Kontext weiterhin mit der Gruppe der Entwicklungsländer (Gruppe der 77) zu verhandeln”, so Voß. Allerdings “erwarten viele Entwicklungsländer von China, dass es mehr für die Kompensation anderer Entwicklungsländer tut“, sagt Gørild Heggelund, China-Expertin des Fridjof Nansen Institute in Oslo. Die Erwartungen an China wachsen, die Klimafinanzierung zu erhöhen, so Heggelund.
In der Klimadiplomatie wird zudem schon über ein Finanzziel für die Zeit nach 2025 debattiert – das sogenannte New Collective Quantified Goal (NCQG). Ebenso muss der auf der COP27 geschaffene Fonds für Verluste und Schäden durch den Klimawandel gefüllt werden. Die Geberstaaten müssen nach 2025 wohl größere Summen aufwenden als 100 Milliarden US-Dollar, was das jährliche Ziel bis 2025 ist. Auch dieser größere Bedarf an Finanzmitteln könnte China abschrecken, sich an UN-Fonds zu beteiligen. Das NCQG steht im Kontext des Pariser Klimaabkommens, so Voß. Dementsprechend müssten sich China und andere große Schwellenländer nur freiwillig beteiligen.
Die klassischen Industrieländer drängen jedoch darauf, dass auch China und andere Staaten verpflichtend in das NCQG einzahlen müssten, erläutert Voß. Und auch beim Fonds für Verluste und Schäden könnte China in Zukunft stärker unter Druck geraten. Er falle nicht unter Artikel 9 des Pariser Klimaabkommens, sagt Voß, sodass Chinas Status als Entwicklungsland nicht vor einer Beteiligung schützt.
Mit Blick auf die anstehende Klimakonferenz Endes des Jahres (COP28) erwartet Voß “keine großen Zugeständnisse” Chinas. Die Volksrepublik sei “in einer komfortablen Verhandlungsposition” und könne darauf verweisen, dass sie keine Zahlungsverpflichtungen habe und andere Staaten ihren Verpflichtungen nicht voll erfüllen. Voß geht auch davon aus, dass die USA “nicht mehr zu Klimafinanzierung beitragen werden als bisher, selbst, wenn ein ambitioniertes NCQG beschlossen werden sollte”. Das spielt China in die Karten.
Byford Tsang vom Think-Tank E3G sagt mit Blick auf die COP28: “Die chinesische Regierung sollte ihre Finanzmittel für Entwicklungsländer aufstocken, um sie bei der Umstellung auf den Klimawandel zu unterstützen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu stärken.” China könne beispielsweise
Die Gründung eines neuen “Ministeriums für Gasressourcen” hat in Nigeria eine Debatte über die Klimapolitik des Landes ausgelöst. Die Regierung betont die potenziellen ökonomischen Vorteile durch die Nutzung von heimischem Erdgas und sieht dadurch die geplante Energiewende gestärkt. Kritiker dagegen sehen die Klimaziele des Landes bedroht und fürchten durch das neue Ministerium weniger Engagement für erneuerbare Energien.
Nigerias Präsident Bola Tinubu hat im August das “Ministerium für Gasressourcen” als eines von zehn neuen Ministerien in seinem Kabinett geschaffen, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Das Ministerium wird – wie auch das Ministerium für Erdölressourcen – von Präsident Bola Tinubu eng überwacht. Doch beide Ministerien haben einen “Staatsminister”, der dem Präsidenten Bericht erstattet und wie andere Minister am Kabinettstisch sitzt.
Der neue Staatsminister für Gas, Ekperikpe Ekpo, sagte, die Schaffung des neuen Ministeriums zeige, dass der Präsident bereit sei, die reichen Ressourcen Nigerias zu erkunden, um die Wirtschaft des Landes über das Erdöl hinaus zu fördern. “Das Ergebnis wird dazu beitragen, die wirtschaftlichen Nöte der Nigerianer zu lindern, denn es werden Unternehmen gegründet, es werden Beschäftigungsmöglichkeiten für Nigerianer geschaffen, es wird Energie zur Verfügung stehen, und natürlich werden die Vorteile für alle enorm sein”, sagte Ekpo.
Kritiker fürchten allerdings, dass das neue Ministerium die Dekarbonisierung in Nigeria erschweren wird. Die besondere Konzentration auf die Gasindustrie und deren Förderung behindere die Entwicklung sauberer Energiealternativen. Die Debatte zeigt die komplizierte Lage von Entwicklungsländern mit fossilen Reserven: Einerseits tragen auch diese zum Klimawandel bei, unter dem diese Länder besonders leiden. Andererseits bringen sie Geld für dringend notwendige Investitionen in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung.
Nnimmo Bassey, geschäftsführender Direktor der Health of Mother Earth Foundation (HOMEF), kritisiert das neue Gas-Ministerium. Es rechtfertige CO₂-Emissionen in Nigeria und lege diesen fossilen Pfad für lange Jahre fest. Unter dem auch daraus entstehenden Klimawandel hätten die Gemeinden in Nigeria dann aber zu leiden.
Auch für Daniel Oladoja, einen Klimaschützer, besteht das Problem Nigerias bei der Klimapolitik in seinen politischen Kehrtwenden und Konflikten, die oft zu einer inkohärenten Strategie geführt hätten. Deshalb gebe es in Nigeria einen 10-Jahres-Klimaaktionsplan, ein Klimaschutzgesetz und einen Energiewendeplan (ETP), die alle das Gleiche versprächen – und dann eine neue Regierungspolitik, die in eine völlig andere Richtung gehe.
“Wir müssen bei der neuen Regierung erst noch einige Monate Daten sammeln, um grundsätzlich über ihren Klimaaktionsplan sprechen zu können”, so Oladoja gegenüber Table.Media. “Auf den ersten Blick werden durch die Schaffung dieses Ministeriums aber die Errungenschaften der zuvor genannten Politiken ausgehöhlt und vielleicht sogar zunichtegemacht.” Die derzeitige Regierung scheine “eine Seite aus dem Gesangbuch der vorherigen Regierung genommen zu haben”, die den Mythos, dass Gas sauber ist und als solches ein Übergangskraftstoff sein sollte, geglaubt und propagiert hätte. In Wahrheit sei Gas aber keineswegs sauber und fortgesetzte Investitionen in Gasressourcen würden “nur unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verlängern“.
Nigeria hat sich verpflichtet, bis 2060 Netto-Null-Emissionen zu erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde der Energiewendeplan ETP ins Leben gerufen, um den Energiesektor von fossilen Brennstoffen auf kohlenstofffreie Energie umzustellen.
Auf dem Afrikanischen Klimagipfel in Nairobi erklärte der ehemalige nigerianische Vizepräsident Yemi Osinbajo, Afrika könne nicht gezwungen werden, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, wenn es keine Klimafinanzierung gebe, ausländische Staaten dem Land also nicht bei der Finanzierung von Maßnahmen zum Klimaschutz helfen. Er wies darauf hin, dass Afrika zunächst seine reichhaltigen Gasressourcen nutzen müsse, bevor es von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umsteigen könne: “Die Wahrheit ist: Wenn sich Afrika auf einer ähnlichen Bahn entwickelt wie der globale Norden, nämlich über die Nutzung von fossilen Brennstoffen, wird niemand jemals das Netto-Null-Ziel erreichen.” Also müsse in Afrika investiert werden, damit es “die erste wirklich grüne Zivilisation wird. Wenn uns das gelingt, dann erreichen alle ihre Netto-Null-Ziele.”
Adebayo Jogunsinmi, Leiter der Abteilung für Investitionen und Strategie bei der Consultingfirma International Energy Services, erklärt: Nigerias Zusage, bis 2060 netto null Treibhausgasemissionen zu erreichen, sei eine langfristige Strategie, auch wenn sie noch in den Kinderschuhen stecke. Gleichzeitig bediene Nigeria die internationale Nachfrage, auch aus Europa, das selbst Richtung Netto Null strebt. Für die Energiewende und die Abkehr von den Fossilen sorge die nigerianische Regierung durch Förderung erneuerbarer Energiequellen wie der Solarenergie, insbesondere in Gebieten, die nicht an das nationale Stromnetz angeschlossen sind.
Um Netto-Null 2060 zu erreichen, hat Nigeria das laufende Jahrzehnt zum “Jahrzehnt des Erdgases” erklärt. Das Ziel: Mit reichlich vorhandenem heimischem Gas das Wirtschaftswachstum und die nationale Entwicklung zu fördern. Da Erdgas unter den fossilen Brennstoffen am saubersten verbrennt, gilt es als “Brückentechnologie” für die Energiewende hin zu Netto-Null-Emissionen – eine Perspektive, die auch von der EU betont wird. Allerdings zeigen andere Studien, dass die Gasindustrie kurzfristig vor allem durch Methan-Emissionen die Erdatmosphäre ähnlich aufheizen kann wie Kohle.
Im Sommer 2022 war die Aufregung groß – in einer Kleingartenkolonie in Berlin wurde eine Population von asiatischen Tigermücken gefunden, die dort schon im Vorjahr nachgewiesen worden war. Eine erfolgreiche Überwinterung sei belegt, “eine dauerhafte Ansiedlung zu befürchten”, meldete die Senatsverwaltung. Damit ist Berlin der nördlichste Ort Deutschlands, in dem die Art bislang offiziell nachgewiesen wurde.
Asiatische Tigermücken sind eine invasive Spezies, die tropische Krankheiten wie Dengue- und Chikungunya-Fieber übertragen. Sie breiten sich durch den Klimawandel immer weiter in Europa aus und treten immer nördlicher auf. Damit nimmt auch das Risiko für Krankheiten zu.
Aktuell sind die Fallzahlen gering – im vergangenen Jahr wurden in Europa lediglich 71 lokal übertragene Fälle von Dengue-Fieber gemeldet. Doch diese Ruhe könnte trügerisch sein. Experten warnen, Europa sei nicht auf eine mögliche Infektionswelle von tropischen Krankheiten vorbereitet. Das Bewusstsein für eine Gesundheitsgefahr durch diese Folge des Klimawandels entstehe erst langsam, warnt auch die Europäische Umweltagentur EEA.
Diese “Infektionskrankheiten haben ein epidemisches Potenzial”, sagt Jan Semenza gegenüber Table.Media. Er arbeitete bis vor Kurzem am European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) in Stockholm und forscht seit Jahrzehnten zum Zusammenhang von Klimawandel und Infektionskrankheiten. Bei einem Ausbruch könnten die Fallzahlen in rasender Geschwindigkeit explodieren. “Offensichtlich tun wir in Europa nicht genug, um dem vorzubeugen, das hat auch die COVID-Pandemie gezeigt”, fügt Semenza hinzu.
Eline Vanuytrecht, die bei der EEA zum Schnittpunkt von Klimawandel und Gesundheit arbeitet, mahnt: Während die Gefahren durch Hitze anerkannt seien, entstehe aktuell erst langsam ein Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Infektionskrankheiten und Klimawandel.
Dabei gebe es mehrere Aspekte des Klimawandels, die dazu führten, dass sich Infektionskrankheiten schneller ausbreiten, so Vanuytrecht gegenüber Table.Media. Die Hauptfaktoren sind:
“Dabei sorgt nicht der Klimawandel allein für mehr Krankheiten, sondern das Zusammenspiel von verschiedenen Aspekten”, sagt die Expertin Vanuytrecht. Gleichzeitig würden auch soziale Faktoren und Verhaltensmuster, wie Hygiene und Reiseverhalten, eine Rolle spielen.
Es gibt drei Hauptgruppen von Infektionskrankheiten, die mit den Effekten des Klimawandels interagieren und dadurch unter Umständen gefährlicher werden. Das Robert-Koch-Institut behandelt sie im ersten Teil seines Sachstandsberichtes zu Klimawandel und Gesundheit ausführlich.
Laut dem Robert-Koch-Institut sind rund zwei Drittel der Krankheitserreger klimasensibel. Die häufigste vektor-übertragene Krankheit ist Lyme-Borreliose, die von Zecken übertragen wird. Schätzungen gehen von 65.000 Fällen pro Jahr in Europa aus. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil die Krankheit nicht überall meldepflichtig ist. In den vergangenen Jahren haben sich die Zecken-Risikogebiete immer weiter in den Norden ausgedehnt.
Viel Aufmerksamkeit bekommt die asiatische Tigermücke. Sie wurde nach Europa eingeschleppt und überträgt beispielsweise Dengue-Fieber. Weltweit erkranken jährlich rund 400 Millionen Menschen an Dengue-Fieber, 40.000 sterben daran. In tropischen und subtropischen Ländern haben die Dengue-Fälle in den vergangenen 30 Jahren drastisch zugenommen, und auch die Fälle außerhalb dieser Regionen steigen an.
Aber auch das West-Nil-Virus, das von Mücken auf Vögel und dann gelegentlich auf Menschen übertragen wird, stelle eine ernstzunehmende Bedrohung dar, meint Jan Semenza. Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise 1.113 gemeldete West-Nil-Virus Fälle in Europa, wobei 92 Menschen daran starben. Besonders besorgniserregend sei, dass bis zu 80 Prozent der Infizierten keine Symptome zeigten und darum die Gefahr hoch sei, dass das Virus über Blutspenden weitergegeben werde. Die Gefahr, dass sich Malaria unter wärmeren Bedingungen auch in Europa ausbreitet, sei hingegen gering: Allein die höheren Temperaturen reichten nicht aus.
Doch die Länder sind den Infektionskrankheiten nicht wehrlos ausgesetzt. Es gibt Möglichkeiten zur Prävention. Wichtig seien gute Monitoring- und Frühwarnsysteme, sind sich die Experten einig. Jan Semenza erklärt beispielsweise, wie das ECDC mit Satelliten Vibrio-Aktivität in der Ostsee überwacht – sie nimmt bei höheren Temperaturen tendenziell zu. Bei hoher Aktivität werden die Nationalstaaten dann informiert, damit sie Badewarnungen aussprechen oder Strände schließen können. In Deutschland wurden beispielsweise 2018 vulnerable Gruppen vor dem Schwimmen in der Ostsee gewarnt. Gegen Krankheiten, für die Impfungen vorhanden seien, wie FSME oder auch das Dengue-Fieber, sollten zumindest Risikogruppen geimpft werden.
Außerdem müsse ein Bewusstsein für die Krankheiten geschaffen werden, so Vanuytrecht. Als gutes Beispiel dafür nennt sie den Mückenatlas in Deutschland, für den Mücken von Privatpersonen kartografiert werden. Tschechien habe zudem ein gutes Kontrollsystem, mit dem die Bevölkerung die Aktivität von Zecken verfolgen könne. Die Expertin gibt auch zu bedenken, dass manche Klima-Adaptionsmaßnahmen mit der Prävention von Infektionskrankheiten in Konflikt geraten könnten: Mehr blaue Infrastruktur, also zum Beispiel Teiche und Wasserläufe, böten unter Umständen gute Brutstätten für Moskitos. Klima-Adaptionsmaßnahmen müssten also gut durchdacht sein, damit “Maladaptation” vermieden werde.
Kalifornien ist seinem Ruf als Vorreiter in Sachen Umwelt- und Klimaschutz einmal mehr gerecht geworden. Im September verabschiedete das Parlament in Sacramento mit großer Mehrheit Senate Bill 253 und Senate Bill 261. Es gilt als sicher, dass beide Gesetze in Kürze vom demokratischen Gouverneur Gavin Newsom unterzeichnet werden. Sie sind die bisher weitreichendsten Gesetze in den USA zur Offenlegung von Treibhausgasemissionen sowie der Risiken des Klimawandels für Unternehmen.
Der “Climate Corporate Data Accountability Act” (SB-253) verpflichtet alle in Kalifornien tätigen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 Milliarde US-Dollar, ab 2026 jährlich über ihre CO₂-Emissionen zu berichten. Dies umfasst nicht nur die direkten und indirekten Emissionen (Scope 1 und 2), die im Unternehmen entstehen, sondern auch jene, die in der Wertschöpfungskette freigesetzt werden (Scope 3). Der Bericht muss von einem unabhängigen Prüfer testiert werden.
Ein zweites Gesetz mit dem Titel “Greenhouse Gases: Climate-related Risk” (SB-261) verpflichtet in Kalifornien tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen US-Dollar, ab Januar 2026 alle zwei Jahre Berichte zu erstellen, in denen sie klimabedingte finanzielle Risiken wie Gefahren für Produktionsanlagen offenlegen und Maßnahmen zu deren Minimierung wie resiliente Wertschöpfungsketten darlegen. Die Berichte müssen auf der Website des Unternehmens veröffentlicht werden.
Bislang gibt es in den USA keine gesetzlich geregelten Offenlegungspflichten für CO₂-Emissionen. Viele börsennotierte Unternehmen berichten jedoch freiwillig auf Basis des 1998 entwickelten Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol). Auf das GHG Protocol geht auch die Einteilung der Treibhausgasemissionen in Scope 1, 2 und 3 zurück. Es gilt als der weltweit am weitesten verbreitete Standard für die Erstellung von Treibhausgasbilanzen.
Eine US-weite staatliche Regelung zur Offenlegung des CO₂-Fußabdrucks von Unternehmen steht unterdessen weiter aus. Die zuständige Regulierungsbehörde in Washington, die Securities and Exchange Commission (SEC), hatte im März 2022 einen Vorschlag für börsennotierte Unternehmen vorgelegt. Drei Monate später endete der öffentliche Konsultationsprozess. Zum Jahreswechsel 2022/23 sollte die endgültige Richtlinie vorliegen. Doch seitdem warten Öffentlichkeit und Unternehmen auf den Fortgang der Dinge.
Eine endgültige Fassung liegt auch nach über einem Jahr nicht vor. Der Grund: Die SEC spielt auf Zeit. Hinter den Kulissen wird noch immer darüber gestritten, wie weit die Berichtspflichten tatsächlich gehen sollen. “Es wurden wirklich wichtige Fragen zu Scope 3 aufgeworfen”, sagte SEC-Chef Gary Gensler Mitte September bei einer Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats. “Wir werden uns überlegen müssen, was wir mit Scope 3 machen.”
Kalifornien hat mit seiner Initiative nun direkt in diesen Prozess eingegriffen, indem es quasi einen nationalen Standard gesetzt hat. Denn mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 3,6 Billionen US-Dollar ist Kalifornien, wäre es ein Nationalstaat, nicht nur die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, sondern es ist auch der wirtschaftlich stärkste US-Bundesstaat. Mehr als 5.000 große US-Unternehmen, ob börsennotiert oder nicht, haben hier Niederlassungen und unterliegen damit den Regelungen von SB-253 und SB-261. Dies gilt auch für Konzerne mit Sitz im Ausland, beispielsweise in Deutschland.
Doch nicht nur SB-253 und SB-261 haben in den vergangenen Wochen landesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Mindestens ebenso viel Beachtung fand die Zivilklage, die der Bundesstaat Kalifornien gegen fünf der weltweit größten Öl- und Gaskonzerne eingereicht hat. In der 135-seitigen Klageschrift an das Oberlandesgericht (State Superior Court) in San Francisco wird Exxon Mobil, Shell, Chevron, Conoco Phillips, BP sowie der Lobbyorganisation The American Petroleum Institute vorgeworfen, die Öffentlichkeit vorsätzlich über die Gefahren fossiler Energien getäuscht zu haben.
“Seit mehr als 50 Jahren belügt uns Big Oil und verheimlicht die Tatsache, dass sie schon lange wissen, wie gefährlich die von ihnen produzierten fossilen Brennstoffe für unseren Planeten sind”, heißt es in einer Erklärung von Gouverneur Newsom.
Die Wissenschaftler der genannten Unternehmen wüssten bereits seit den 1950er Jahren um die gravierenden Auswirkungen der Verbrennung fossiler Energieträger auf das Klima, so die Klage. Statt entsprechend zu handeln, hätten sie jedoch spätestens in den 1970er Jahren eine Desinformationskampagne gestartet, um die wissenschaftliche Diskussion über den Klimawandel und seine Risiken zu diskreditieren.
In der Klage werden die Unternehmen unter anderem beschuldigt, den Klimawandel in Kalifornien verursacht oder dazu beigetragen zu haben, irreführende Werbung betrieben, natürliche Ressourcen geschädigt und die Öffentlichkeit durch illegale Geschäftspraktiken über den Klimawandel getäuscht zu haben.
“Die kalifornischen Steuerzahler sollten nicht für Schäden in Milliardenhöhe aufkommen müssen – für Waldbrände, die ganze Gemeinden auslöschen, für giftigen Rauch, der unsere Luft verpestet, für tödliche Hitzewellen und für rekordverdächtige Dürreperioden, die unsere Brunnen versiegen lassen”, so Newsom.
5. Oktober, Bonn
Konferenz Finanzierungskonferenz des Grünen Klimafonds
Am 5. Oktober 2023 richtet Deutschland eine hochrangige internationale Konferenz zur Wiederauffüllung des Grünen Klimafonds (Green Climate Fonds) in Bonn aus. Die Konferenz will Aufmerksamkeit für den internationalen Klimaschutz generieren und Mittelzusagen für den Fonds für die Jahre 2024 bis 2027 mobilisieren. Infos
6. Oktober, Berlin/Online
Konferenz Berlin Climate and Security Conference 2023
Die fünfte Berlin Climate and Security Conference (BCSC) steht unter dem Motto “Building a Climate for Peace” und wird Politiker, Entscheidungsträger und Klimasicherheitsexperten aus der ganzen Welt zusammenbringen. Infos
8. Oktober
Landtagswahl Bayern und Hessen
Am 8. Oktober finden Landtagswahlen in Bayern und Hessen statt.
8. bis 12. Oktober, Riad, Saudi-Arabien
Klimawoche MENA Climate Week 2023 (MENACW 2023)
Die MENACW (Middle East and North Africa Climate Week) 2023 bietet politischen Entscheidungsträgern, Fachleuten aus der Klima-Praxis, Vertretern von Unternehmen und der Zivilgesellschaft eine Plattform, um sich über Klimalösungen, Hindernisse und Chancen auszutauschen. Die UN veranstalten sie und weitere regionale Klimawochen zusammen mit der Weltbankgruppe und regionalen Partnern. Die Klimawochen sollen vor der COP28 eine zusätzliche Dynamik bringen und zur Vorbereitung auf den Global Stocktake dienen. Infos
9. bis 15. Oktober, Marrakesch
Jahrestagung Weltbank und Internationaler Währungsfonds
Beim Herbsttreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds stehen unter anderem Reformen der internationalen Klimafinanzierung auf dem Programm. Infos
10. Oktober, 10 Uhr, Berlin
Konferenz Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung
“Blockaden überwinden: neue Wege in der Nachhaltigkeitspolitik!” – unter diesem Motto steht die 22. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Ein Highlight der Konferenz wird eine Keynote von Bundeskanzler Olaf Scholz um 17:15 Uhr sein. Infos
10. Oktober, 10 Uhr, Berlin und Online
Diskussion Charta für Holz 2.0: Klimagerechtes Bauen im Fokus
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft richtet die Dialogveranstaltung in Zusammenarbeit mit der Bundesarchitektenkammer und der Bundesingenieurkammer aus. Dort werden die Potenziale von Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen für klimagerechtes und ressourcenschonendes Bauen diskutiert. Infos
10. bis 11. Oktober, Berlin
Jahrestagung Forschung für ein resilientes Energiesystem in Zeiten globaler Krisen
Die Jahrestagung des “ForschungsVerbund Erneuerbare Energien” 2023 untersucht die technischen, politischen und gesellschaftlichen Möglichkeiten, um die Resilienz der deutschen und europäischen Energiesysteme zu stärken und die Energieversorgung auch unter Krisenbedingungen und im Fall von Angriffen zu gewährleisten. Infos
11. Oktober, 9.30 Uhr, Berlin
Seminar Rohstoffwende Metalle – Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen
Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler lädt in die evangelische Akademie in Berlin ein, um darüber zu diskutieren, wie eine “Rohstoffwende Metalle” funktionieren kann und wie Metalle nachhaltiger eingesetzt werden können. Infos
12. Oktober, 9 Uhr, Berlin
Energietag International Pathways to Net-Zero
Der Weltenergierat Deutschland lädt zu seinem “Energietag 2023” ein. Die Konferenz findet in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) in Berlin unter dem Motto “International Pathways to Net-Zero” statt. Infos
Nach einem Rekordsommer zeigen neue Zahlen auch einen globalen Hitzerekord für den September 2023. Die Temperaturen lagen im September 2023 0,5 Grad über dem bisherigen September-Höchstwert aus dem Jahr 2020. Ein Sprung dieser Größenordnung sei bisher beispiellos, sagt der Klimawissenschaftler Zeke Hausfather. “Den Klimawissenschaftlern gehen die Superlative aus, um das Jahr 2023 zu beschreiben”, sagt Hausfather gegenüber Bloomberg.
Der immense Temperaturanstieg werde durch den globalen Klimawandel verursacht. Allerdings gäbe es in diesem Jahr auch Sondereffekte durch das Wetterphänomen El Niño. Der nächste September werde deshalb wohl nicht so extrem ausfallen, mutmaßt Hausfather. Der September 2023 sei aber dennoch ein “Vorgeschmack” darauf, wie sich der September in naher Zukunft regelmäßig anfühlen werde. nib
Woepke Hoekstra wird neuer EU-Klimakommissar, Maroš Šefčovič neuer Kommissar für den Green Deal. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat ihrer Ernennung am Mittwoch mehrheitlich zugestimmt. Die finale Abstimmung im Parlamentsplenum über die beiden Personalien findet am heutigen Donnerstag gegen 12 Uhr in Straßburg statt. Weil dort eine einfache Mehrheit ausreicht, gilt die Zustimmung des Plenums als sicher. Damit ist die Nachfolge des bisherigen EU-Klimachefs Frans Timmermans endgültig geklärt.
Anfang der Woche hatten die Abgeordneten des Umweltausschusses Hoekstra und Šefčovič jeweils in einer dreistündigen Anhörung zu ihren Ambitionen befragt. Da die Antworten den Abgeordneten nicht reichten, forderten sie zusätzliche schriftlichen Auskünfte von den beiden Kandidaten. Diese haben im Ausschuss nun eine Zweidrittel-Mehrheit überzeugt. Die christdemokratische EVP, die sozialdemokratische S&D, die liberale Renew und die Grünen stimmten für die beiden Kandidaten. Die konservative EKR, die Linke und die rechte ID stimmten gegen sie.
Hoekstra versprach in seinen zusätzlichen Antworten, eine Liste seiner Projekte und Kunden aus seiner Zeit als McKinsey-Berater offenzulegen. Sein anderer ehemaliger Arbeitgeber Shell oder andere Ölkonzerne seien jedoch nicht unter diesen Kunden gewesen, stellte der Niederländer wiederholt klar.
Darüber hinaus führte Hoekstra im Detail aus, wie er sich während der UN-Klimakonferenz in Dubai im Dezember (COP28) für mehr Mittel für die internationale Klimafinanzierung einsetzen will, insbesondere für Verluste und Schäden. Er wolle sich weltweit für eine Ausweitung der CO₂-Bepreisung sowie eine globale Luftverkehrssteuer engagieren. Aus deren Einnahmen solle dann auch Loss & Damage finanziert werden.
“Ich finde jedoch, dass die EU nicht die Einzige sein sollte, die ihren Beitrag weiter erhöht, zumal wir bereits ein großer Beitragszahler sind”, sagte Hoekstra. Alle anderen großen Emittenten, die dazu in der Lage seien – “von den USA über die Vereinigten Arabischen Emirate bis hin zu China” – sollten einen größeren und “gerechten” Anteil an der Klimafinanzierung leisten. Er kündigte zudem an, sich für ein beschleunigtes Ende der fossilen Subventionen in den EU-Staaten und ein Erreichen der globalen Klimaziele ohne CCS einsetzen zu wollen.
Nach Šefčovičs Anhörung im ENVI am Dienstagmorgen war, bis auf die sozialdemokratische Fraktion, noch niemand überzeugt von der Performance des Slowaken. Daher wurden seine zusätzlichen Antworten mit besonderer Spannung erwartet. Die MEPs hatten konkretere Angaben zu den noch ausstehenden Gesetzesvorschlägen der Kommission vor Ende der Legislatur gefordert. Nun ist klar, ein Vorschlag zur Eindämmung von Mikroplastik kommt noch im Oktober, das Waldmonitoring-Gesetz im November und neue Regeln für Tiertransporte im Dezember.
Viel entscheidender ist jedoch, was nicht auf der Liste steht. Die Vorbereitungen für die EU-Chemikalienverordnung REACH liefen weiter, schreibt Šefčovič, nennt aber kein Datum. Damit dürfte klar sein, dass die von Umweltschützern lange erwartete Überarbeitung von REACH nicht mehr in diesem Jahr kommt, aller Voraussicht nach auch nicht mehr vor der Europawahl im kommenden Juni. Auch ein Vorschlag für nachhaltige Lebensmittelsysteme sei noch in “Vorbereitung” und dürfte somit für diese Kommission vom Tisch sein. luk
Papst Franziskus hat Politik und Wirtschaft wenige Wochen vor der Klimakonferenz in Dubai (COP28) zu mehr Klimaschutz und einer Beschleunigung der Energiewende aufgerufen. In einem neuen Schreiben, das als Fortführung der 2015 veröffentlichten Sozialenzyklika “Laudato Si” gedacht ist, mahnt Franziskus mit Blick auf die Klimakrise: “Die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und steht vielleicht vor einem tiefen Einschnitt”.
Der Klimawandel schreite mit “noch nie dagewesener Geschwindigkeit” voran, konstatiert Franziskus. Extremwetter wie “ungewöhnliche Hitze, Dürre und andere Wehklagen der Erde” träten immer deutlicher hervor. Franziskus mahnt, den Klimawandel nicht zu unterschätzen. “Kleine Veränderungen können aufgrund der Trägheitsfaktoren große, unvorhergesehene und vielleicht bereits unumkehrbare Veränderungen auslösen”, verweist der Papst auf mögliche Kipppunkte im Weltklima.
Papst Franziskus kritisiert einen Technologieglauben, der “einer Besessenheit zugrunde liegt, die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern”. Technologische Fortschritte zum Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS/CCU) seien zwar “positiv”. Aber die Menschheit laufe “Gefahr, in einer Logik des Ausbesserns, des Flickens” gefangen zu bleiben. Die Annahme, jedes zukünftige Problem mit technischen Eingriffen lösen zu können, sei “fatal”. Die Debatte um den Einsatz von CCS/CCU-Techniken wird eines der bestimmenden Themen der Klimaverhandlungen in Dubai sein.
Die COP28 müsse zu einer “deutlichen Beschleunigung der Energiewende” mit “wirksamen Verpflichtungen” und “einer dauerhaften Überwachung” führen, fordert Papst Franziskus. Die Verhandler und alle, die sich in Dubai einbringen, sollten an die Zukunft ihrer Kinder denken und kurzfristige “Interessen einiger Länder oder Unternehmen” überwinden, so der Papst. nib
Die Schweiz und die USA geben gemeinsam 8,4 Millionen US-Dollar in den brasilianischen Amazonas-Fonds, dessen Ziel es ist, die Abholzung im größten tropischen Regenwald der Welt zu stoppen. Das teilte die brasilianische Nationale Entwicklungsbank (BNDES) mit, die den Fonds verwaltet. Der Bank zufolge steuert die Schweiz umgerechnet 5,4 Millionen US-Dollar bei, und die USA geben 3 Millionen US-Dollar.
Im Vergleich zu anderen Beiträgen sind es eher kleinere Summen: Als der Fonds 2008 gegründet wurde, stellte Norwegen zunächst 1 Milliarde US-Dollar bereit. Deutschland gab 68 Millionen US-Dollar. Unter der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro stellten beide Länder ihre finanziellen Beiträge für den Fonds jedoch vorübergehend ein. Bolsonaros Regierung entschied 2019 selbst, den Fonds auf Eis zu legen.
Nachdem der aktuelle brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Fonds wieder aktiviert hat, fließen die internationalen Gelder nun wieder. Die Bundesregierung beispielsweise sagte im Januar weitere 35 Millionen Euro für den Amazonas-Fonds zu – als Teil eines größeren Beitrags, der zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes generell dienen soll. Kürzlich kündigten auch Großbritannien, Dänemark und die Europäische Union finanzielle Beiträge an.
Auch die jetzt von den USA freigegebene Summe von 3 Millionen US-Dollar gehört zu einem größeren Beitrag: Insgesamt versprach US-Präsident Joe Biden Brasilien 500 Millionen US-Dollar, die über fünf Jahre verteilt fließen sollen. Lula da Silva kündigte an, bis 2030 keine Entwaldung in Brasilien mehr zuzulassen.
Weil der Amazonas-Regenwald viel CO₂ aufnehmen kann, gilt er als essenziell im Kampf gegen den Klimawandel. Der Amazonas-Fonds soll zum Erhalt des Waldes beitragen und generell die nachhaltige Entwicklung der Region fördern. Seit seiner Einrichtung hat er 102 Projekte mit einer Gesamtsumme von umgerechnet 340 Millionen US-Dollar finanziert, so die BNDES.
Zuletzt mehrten sich allerdings die Hinweise darauf, dass der Amazonas-Regenwald seine Funktion einer Kohlenstoffsenke womöglich schon jetzt nicht mehr gut erfüllt. Bisher erzeugt der Wald zudem durch Verdunstung Regen und beeinflusst so das Klima weit über die Amazonas-Region hinaus. Doch Wissenschaftler warnen: Sobald die Entwaldung ein bestimmtes Ausmaß überschreitet, könnte der Wasserkreislauf zusammenbrechen. Dann würden große Teile des Regenwaldes austrocknen und zu einer Art Savanne werden. Die Forscher Thomas Lovejoy und Carlos Nobre gehen von 20 bis 25 Prozent entwaldeter Fläche als kritischer Schwelle aus. Sie könnte schon bald erreicht sein.
Derzeit herrscht in der brasilianischen Amazonas-Region eine ungewöhnliche Hitze und Trockenheit. Flüsse führen sehr wenig Wasser, Fische sterben, die Regierung hat in einigen Gebieten den Notstand ausgerufen. Medienberichten zufolge verstärkt das Klimaphänomen El Niño die normal auftretende Trockenzeit. Den Zustand des Regenwaldes dürfte das eher nicht verbessern. ae/rtr
Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise und der globalen Schuldenkrise werden die Forderungen der Entwicklungsländer nach einer neuen, klimafreundlichen globalen Finanzarchitektur immer lauter. Die Bridgetown-Initiative der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, die V20-Gruppe der besonders durch den Klimawandel gefährdeten Länder und der Pariser Gipfel für einen neuen globalen Finanzierungspakt unterstreichen, wie dringlich es ist, entschlossen zu handeln. Der Klimagipfel für Afrika, der Anfang September in Nairobi stattfand, bot eine einzigartige Gelegenheit, dringend benötigte Maßnahmen voranzutreiben, um Ländern mit niedrigem Einkommen zu helfen, ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen.
In Afrika ist die Lage besonders dringlich. Nach jüngsten Schätzungen der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) benötigt der Kontinent zwischen 2020 und 2030 2,8 Billionen US-Dollar an Klimafinanzierung. Afrika erhält derzeit jedoch nur drei Prozent der weltweiten Klimafinanzierung, wovon nur 14 Prozent aus dem Privatsektor kommen. Dabei ist der Kontinent nur für 3,8 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, während 90 Prozent auf den globalen Norden entfallen.
Doch obwohl die am stärksten gefährdeten Länder der Welt die Hauptlast einer Krise tragen, die sie nicht verursacht haben, ist die entwicklungsbezogene Klimafinanzierung ebenso wie die Entwicklungshilfe für Afrika insgesamt zurückgegangen. Vorläufige Zahlen für 2022 zeigen, dass sich die bilaterale öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) der Mitglieder des OECD-Entwicklungshilfeausschusses für Afrika im vergangenen Jahr auf 34 Milliarden US-Dollar belief. Das entspricht einem realen Rückgang von 7,4 Prozent im Vergleich zu 2021. Unterdessen stieg das gesamte verwaltete Privatmarktvermögen im Jahr 2022 auf 11,7 Billionen US-Dollar. Seit 2017 wuchs es mit einer jährlichen Rate von fast 20 Prozent.
Angesichts der Schwere und Dringlichkeit der Klimakrise muss die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten, um noch vor der UN-Klimakonferenz (COP28) im November in Dubai konkrete Lösungen zu erarbeiten und zu vereinbaren. Um die Widerstandsfähigkeit gegen unvermeidbare Klimaschocks zu stärken, müssen wir den Loss-and-Damage-Fonds, auf dessen Einrichtung sich die Staats- und Regierungschefs auf der COP27 in Ägypten im vergangenen Jahr geeinigt haben, vollständig finanzieren, die Mittel für Anpassungsmaßnahmen verdoppeln und das Verursacherprinzip auf maritime Aktivitäten anwenden.
Um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, müssen Finanzmittel in nie dagewesenem Umfang mobilisiert werden. Die Vorschläge, die derzeit unter den globalen Entscheidungsträgern kursieren, sind jedoch wenig zielgerichtet. Angesichts der größten Herausforderung für das Überleben der Menschheit laufen wir Gefahr, wie Sisyphus in einem Kreislauf sinnloser, inkrementeller Maßnahmen gefangen zu bleiben.
Im Vorfeld der COP28 müssen wir uns auf einige wesentliche Schritte konzentrieren, die dem globalen Klimageschehen neuen Schwung verleihen und dazu beitragen können, die Erderwärmung auf das international vereinbarte Ziel von 1,5 Grad zu begrenzen.
Erstens müssen wir das Schuldenproblem Afrikas in den Griff bekommen. Die internationale Gemeinschaft muss gefährdete Entwicklungsländer, die mit Schuldenkrisen zu kämpfen haben, unterstützen. Sie muss ihnen ermöglichen, in Klimaanpassung, Widerstandsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung zu investieren. Um eine tragfähige Verschuldung zu erreichen, müssen die Entwicklungsländer ihre Volkswirtschaften diversifizieren, Umschuldungsvereinbarungen aushandeln und eine transparente und rechenschaftspflichtige Regierungsführung gewährleisten. Industrieländer und globale Finanzinstitutionen, insbesondere die 550 Mitglieder der Glasgow Financial Alliance for Net Zero, könnten diese Bemühungen unterstützen, indem sie konzessionäre – also besonders zinsgünstige – Finanzierungen für Klimaanpassungsmaßnahmen bereitstellen.
Zweitens könnten die laufenden Bemühungen zur Reform des Systems der multilateralen Entwicklungsbanken, einschließlich der Evolution Roadmap-Initiative der Weltbank, die multilateralen Entwicklungsbanken in die Lage versetzen, die Entwicklungsländer so schnell und in dem Umfang zu unterstützen, wie es zur Erreichung der globalen Entwicklungsziele und zur Bewältigung von Herausforderungen wie Klimawandel, Zugang zu Energie und Pandemievorsorge erforderlich ist.
Diese Reformen sollten auch darauf abzielen, Ressourcen auf regionale Kreditgeber wie die AfDB und die Interamerikanische Entwicklungsbank zu lenken.
Drittens sollten erhebliche Investitionen in die grüne Transformation fließen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Ausweitung des Zugangs zu erneuerbaren Energien in besonders klimagefährdeten Ländern. Zu diesem Zweck könnten afrikanische Regierungen regionale Programme initiieren, um ihre natürlichen Ressourcen für die Erzeugung sauberer Energie nutzbar zu machen.
Schließlich hat sich die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA) als ein entscheidendes Instrument erwiesen, um Afrika die Unterstützung zu bieten, die es benötigt. Die IDA ist bereits die wichtigste Quelle für konzessionäre Finanzierungen in Afrika. Auf afrikanische Länder entfallen 75 Prozent der IDA-Zusagen aus dem am 30. Juni 2023 endenden Finanzjahr – 25,8 Milliarden US-Dollar flossen in diesem Zeitraum auf den Kontinent.
Die IDA genießt nicht nur die Anerkennung und das Vertrauen der Regierungen auf dem ganzen Kontinent, sondern sie erhöht auch die Beiträge der Geberländer. In einer Zeit, in der die Geberländer unter Haushaltszwängen stehen, ist das besonders wertvoll. Wir hoffen, dass die Forderung der G20 und des Pariser Gipfels nach einer ehrgeizigen Aufstockung der IDA-Mittel zu einer substanziellen Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen in den Empfängerländern führen wird.
Trotz der enormen Herausforderungen ist die Schaffung einer neuen, klimaverträglichen globalen Finanzarchitektur durchaus machbar. Wenn die internationale Gemeinschaft zusammenarbeitet und sicherstellt, dass alle Länder ihren fairen Beitrag leisten, kann sie politische Gräben überbrücken und greifbare Fortschritte auf dem Weg zu einer bewohnbar bleibenden Welt erzielen.
Dazu müssen wir jedoch die derzeitige Dynamik beibehalten, bis wir unser Ziel erreicht haben: die besonders durch den Klimawandel gefährdeten Länder in die Lage zu versetzen, ein nachhaltiges und widerstandsfähiges Wachstum zu erzielen.
Ken Ofori-Atta, Finanzminister der Republik Ghana, ist Vorsitzender der V20. Axel van Trotsenburg ist Senior Managing Director für Entwicklungspolitik und Partnerschaften bei der Weltbank. In Kooperation mit Project Syndicate, 2023. Aus dem Englischen von Andreas Hubig.