eigentlich hätte in den vergangenen Wochen Sommerpause sein sollen, etwas Zeit zum Verschnaufen vor dem heißen Klimaherbst. Aber bei all den Meldungen von Waldbränden und Rekordtemperaturen war vom Sommerloch rund ums Klima wenig zu spüren. Jetzt im September ist jede Möglichkeit zum Durchatmen in der Welt der Klimadiplomatie endgültig vorbei – bis zur COP28 im November jagen Konferenzen und Gipfeltreffen einander.
Damit Sie zwischen all den Events nicht den Atem oder den Durchblick verlieren, sortieren wir für Sie die wichtigsten Ereignisse: Wir berichten über die Forderungen der afrikanischen Staaten auf dem Africa Climate Summit in Nairobi. Außerdem schauen wir nach vorne auf den G20-Gipfel am Wochenende in Neu-Delhi. Und wir bringen die Details zu den komplizierten Diskussionen rund um den Loss & Damage-Fund, der Ende des Jahres entschieden werden soll.
Wir haben auch recherchiert, wie wenig die Vereinigten Arabischen Emirate – Gastgeber der nächsten COP – aktuell tun, um das große Ziel der Methan-Reduktion zu erreichen. Zudem geht es in diesem Climate.Table um Deutschlands Klimaziele, mögliche IPCC-Reformen und den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen.
Bleiben Sie dran!
Afrikas Staats- und Regierungschefs haben sich auf gemeinsame Positionen in der Klimapolitik geeinigt. Sie fordern vor allem eine neue globale Finanzarchitektur für Klimaschutz und klimaverträgliches Wachstum auf ihrem Kontinent. Das ist das zentrale Ergebnis des ersten afrikanischen Klimagipfels in Nairobi, der von Montag bis Mittwoch gemeinsam von Kenia und der Afrikanischen Union ausgerichtet wurde.
Die Erklärung von Nairobi formuliert die afrikanische Position für die Verhandlungsführer bei der UN-Generalversammlung im September in New York und im Dezember bei der COP28 in Dubai. Dabei geht es um “konkrete, zeitgebundene Maßnahmen” zur Reform des internationalen Finanzsystems. Das allerdings werde “nicht ausreichen, um den Umfang der weltweit benötigten Klimafinanzierung bereitzustellen”.
Außerdem fordern die Afrikaner ein globales System zur Besteuerung von Kohlenstoff, um eine Klimafinanzierung in großem Umfang zu ermöglichen. Dies könnte eine Kohlenstoffsteuer auf den Handel mit fossilen Brennstoffen, die Schifffahrt und den Luftverkehr sowie eine globale Finanztransaktionssteuer umfassen. Das entspricht den Vorschlägen des kenianischen Präsidenten William Ruto. Der Gastgeber hat den Vorsitz im Ausschuss der afrikanischen Staats- und Regierungschefs zum Klimawandel inne und plädiert schon länger für eine neue globale Finanzarchitektur für den Klimaschutz.
Ruto bezeichnete das Gipfeltreffen als einen Moment, in dem sich die Darstellung Afrikas von der Opferrolle hin zu einer Positionierung des Kontinents als Drehscheibe für Klimalösungen ändern müsse. Um sein Potenzial auszuschöpfen und die Bemühungen zur globalen Dekarbonisierung zu unterstützen, brauche Afrika günstige, langfristige und leicht zugängliche Finanzmittel in großem Umfang.
Das internationale Finanzsystem liefert das bisher nicht ausreichend. Zugang zu Kapital ist teuer, die Zinsen sind hoch und es gibt nur wenig “konzessionäre Finanzierung”, also verbilligte Kredite, für die Länder Afrikas. Viele Länder sind tief verschuldet.
Ruto forderte einen Paradigmenwechsel “um sicherzustellen, dass die Entwicklungsländer Zugang zu Finanzmitteln erhalten, und zwar auf eine Weise, die uns nicht bestraft”.
“Wir bitten nicht darum, anders behandelt zu werden. Wir wollen ein faires Finanzsystem, in dem alle gleich behandelt werden“, sagte er auf dem Gipfel.
Die afrikanischen Staaten fordern dafür:
Sie wollen auch Hilfen beim Ziel, die Erneuerbaren für die Stromerzeugung in Afrika von 56 GW (2022) mindestens 300 GW bis 2030 zu erhöhen. Außerdem beschlossen die Staaten, zusätzlich 23 Milliarden Dollar für grünes Wachstum und die Anpassung an den Klimawandel aufzubringen.
Doch Kenias Präsident Ruto wollte noch weiter gehen. Auf dem Finanzgipfel von Paris im Juni legte er konkrete Ideen zur Finanzierung der angeschlagenen Entwicklungsländer vor. Er forderte neue Mechanismen zur Klimafinanzierung, die mit globalen Steuern auf fossile Brennstoffe, den Luftverkehr, die Schifffahrt und Finanztransaktionen finanziert werden – und auch Afrika sollte in diese Fonds einzahlen.
Doch beim Gipfel in Nairobi stieß der kenianische Präsident damit auf Widerstand, wie Quellen aus dem Umfeld der Verhandlungen berichten. Das Thema wurde auf dem Gipfel vermieden. Eine frühe Version der Erklärung von Nairobi, die von der kenianischen Regierung ausgearbeitet und von Climate.Table eingesehen wurde, enthielt einen Vorschlag für eine Steuer auf die Förderung fossiler Brennstoffe – ein heikles Thema für einige afrikanische Länder, die auf die Ausbeutung ihrer Öl- und Gasreserven setzen, um die Entwicklung ihres Landes zu finanzieren.
Auf dem Gipfeltreffen sprach sich Ruto dann aber nur für die Einführung eines Preises für Kohlenstoff aus. “Das ist sehr umstritten. Aber wir müssen uns über eine Kohlenstoffsteuer unterhalten, wenn wir die für die Energiewende erforderlichen Finanzmittel aufbringen wollen”, sagte er.
Andere stimmten ihm zu. “Die Kohlenstoffsteuer ist ein Thema, das die meisten von hier zur COP28 mitnehmen werden“, sagte Benedict Oramah, Präsident der Afrexim Bank.
John Asafu-Adjaye, Senior Fellow am African Center for Economic Transformation, sagte, eine Kohlenstoffsteuer würde die größten Umweltverschmutzer der Welt am meisten zur Kasse bitten. Entscheidend ist jedoch, wie die Einnahmen umverteilt werden. “Die Bepreisung von Kohlendioxid in Afrika ist für die größeren Volkswirtschaften geeignet, könnte aber für Länder mit geringer Umweltverschmutzung, die keine großen Industriesektoren haben, nicht viel Geld einbringen”, sagte er.
Während des Gipfels kam auch Kritik auf. Einige Verhandlungsführer kritisierten, dass der Schwerpunkt nicht auf mehr Geld für Anpassung an den Klimawandel lag. Andere äußerten Bedenken, dass Rutos Forderung, die traditionelle Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufzuheben, missachte das Prinzip der “gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“. Das ist ein Konzept, das Nationen je nach ihren historischen Emissionen und ihrem Einkommensniveau unterschiedlich viel Verantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels zuweist. Iskander Vernoit, Gründungsdirektor der in Marokko ansässigen Imal-Initiative für Klima und Entwicklung, sagte, die afrikanische Position zum Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung bleibe “unerschütterlich”.
“Von Ländern wie Sierra Leone zu erwarten, dass sie die Hauptlast einer Krise tragen, zu der sie kaum beigetragen haben, ohne dass sie von den Hauptverursachern tatkräftig unterstützt werden, ist grundsätzlich ungerecht”, sagte ihr Präsident Julius Maada Bio. “Unsere Haltung ist unmissverständlich. Wir sind hier, um zusammenzuarbeiten, nicht um zu kapitulieren”, fügte er hinzu und verwies auf die Notwendigkeit, dass die reichen Länder ihre Finanzierungsverpflichtungen gegenüber den ärmeren Ländern einhalten.
Diese Bedenken wurden noch verstärkt, nachdem Aktivisten der Beratungsfirma McKinsey vorgeworfen hatten, die Prioritäten des Gipfels an sich zu reißen und eine “prowestliche Agenda” zu verfolgen. McKinsey leistete “strategische Unterstützung” bei der Gestaltung der Gipfelthemen. Kenianische Beamte bestanden darauf, dass die Agenda die afrikanischen Prioritäten widerspiegele. Chloé Farand, Oxford
Die Debatte um eines der heißesten Eisen in der internationalen Klimafinanzierung, den neu zu schaffenden Loss & Damage Fonds (L&D-Fonds), läuft auf einen Showdown im Oktober hinaus. Denn auch bei der dritten Sitzung des Vorbereitungskomitees (Transitional Committee, TC), die vergangene Woche in der Dominikanischen Republik stattfand, lagen die verschiedenen Konzepte für das neue Finanzinstrument noch weit auseinander. Um im Zeitplan zu bleiben, müsste nun eine Entscheidung auf der letzten Sitzung des Gremiums fallen. Diese findet vom 17. bis 20. Oktober im ägyptischen Assuan statt.
In Assuan soll ein Kompromissvorschlag gefunden werden, der auf der COP28 im Dezember in Dubai beschlossen werden kann. Das zumindest ist das Mandat der COP27, wo im letzten Jahr überraschend entschieden worden war, einen solchen L&D-Fonds einzurichten und seine Grundzüge innerhalb eines Jahres zu klären. Unter den UN-Jargon L&D fallen Schäden durch den Klimawandel, die nicht durch Anpassungsmaßnahmen verhindert werden können, etwa aktuelle Schäden durch Stürme oder Dürren, und auch “nicht ökonomische Verluste”.
Bislang allerdings widersprechen sich die verschiedenen Vorschläge, die offiziell auf dem Tisch liegen, in zentralen Punkten:
Bei den Verhandlungen in der vergangenen Woche war auch erstmalig eine konkrete Forderung der Entwicklungsländer für die Summe des L&D-Fonds genannt worden: jährlich 100 Milliarden US-Dollar. Diese Forderung sorgte für Aufregung. Damit beziehen sich die Entwicklungsländer auf eine Studie im Auftrag der UN, die mögliche klimabezogene Schäden und Verluste auf 150 bis 300 Milliarden US-Dollar jährlich taxiert. Ohnehin wird im Herbst mit Spannung der Bericht der OECD erwartet, der kalkulieren soll, ob die Industriestaaten in 2022 ihre Versprechen eingehalten haben, für Klimahilfen an den Globalen Süden pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren. Das Geld für den L&D-Fonds soll unabhängig von der bereits versprochenen Summe fließen.
Auch der US-Vorschlag zur Besetzung des Boards brachte Spannungen. Denn wenn die “größten Geber” Industrieländer oder Institute wie die Weltbank sind, hätten sie maximal 14 Stimmen gegenüber 11 Stimmen aus den Entwicklungsländern. Stiftungen, NGOs, Indigene und Unternehmen wären dann das Zünglein an der Waage. Das sei eine “schiefe” Konstruktion, sagte Harjeet Singh vom Climate Action Network (CAN) gegenüber dem Portal Climate Home News. “Für uns sind die größten Geber die reichen Nationen. Und wir können uns nicht von deren historischer Verantwortung wegbewegen. Der Grund für L& D sind deren Handlungen und Nicht-Handlungen aus den letzten 30 Jahren.”
Allerdings ist nicht festgelegt, wer diese “größten Geber” sind – es könnten also durchaus auch Staaten wie China, Korea oder die arabischen Ölstaaten sein, die sich hier einen Platz am Tisch erkaufen könnten. Und das wäre den klassischen Industrieländern wohl recht, die darauf drängen, dass diese Verschmutzer ebenfalls in die Klimafinanzierung einzahlen. Allgemein zeigt der Streit, wie sehr sich die Blöcke misstrauen: Die Entwicklungsländer befürchten, dass der Norden sich wieder einmal nicht an seine Versprechen hält. Der Globale Norden wiederum traut dem Süden nicht zu, die Mittel effizient einzusetzen und etwa die Korruption effektiv zu bekämpfen.
Der Streit im TC um die Struktur des Fonds wird sich auf der letzten Sitzung vor allem um diese Fragen drehen:
“Die Stimmung in der Sitzung war konstruktiv, aber es wurden bisher nur die unterschiedlichen Konzepte präsentiert”, sagt Laura Schäfer, die für Germanwatch die Gespräche beobachtet. “Jetzt müssen Kompromisse in den wichtigsten Fragen gefunden werden. Auf das Komitee wartet noch viel Arbeit in seiner letzten Sitzung.”
Die NGOs protestierten auch bei der UN dagegen, dass von den vier TC-Sitzungstagen die ersten beiden hinter verschlossenen Türen stattfanden. “Der Ausschluss der Öffentlichkeit steht im Widerspruch zu der Verpflichtung des TC und UNFCCC-Sekretariates zur Förderung der Beteiligung der Öffentlichkeit, Transparenz und Sicherstellung des Zugangs zu Informationen”, schreiben sie in einem offenen Brief. Wenn die Beteiligung der Öffentlichkeit als Gefahr für den Prozess dargestellt werde, stehe das “in starkem Kontrast zu der Rolle, die die Zivilgesellschaft, indigene Völker, Frauen- und Jugendgruppen und andere bei der historischen Entscheidung zur Einrichtung” dieses neuen L&D-Fonds gespielt hätten.
Beim G20-Treffen am kommenden Wochenende in Neu-Delhi wird es kaum Fortschritte in der Klimapolitik geben. Obwohl allgemein anerkannt wird, wie dringend es ist, die Klimakrise zu bekämpfen und die Energiewende zu beschleunigen, wird die aktuelle geopolitische Lage wahrscheinlich jedes größere und sinnvolle Ergebnis verhindern. Die Ministertreffen der Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass die Länder nicht bereit sind, eine gemeinsame Basis zu finden.
Zwei wichtige Länder sind in Neu-Delhi nicht hochrangig vertreten: Der russische Präsident Wladimir Putin will sein Land wegen des Ukrainekriegs nicht verlassen. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich entscheiden, dem Treffen fernzubleiben. Aber Indien beteuert, das sei normal. Das erschwert die Konsensbildung für wegweisende Entscheidungen. “Gemeinsam haben die G20 die moralische Verantwortung und das wirtschaftliche Gewicht, die globale Erwärmung zu verlangsamen. Doch die Hoffnungen auf mutigere Klimamaßnahmen der G20 in diesem Jahr wurden bisher durch geopolitische Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten gebremst”, sagt auch Tom Evans von der Berliner Denkfabrik E3G.
Indiens hat Anstrengungen unternommen, gemeinsame Ansätze zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Beschleunigung der Energiewende und zur Gewährleistung eines gerechten Übergangs zu finden. Dafür sollten sich die G20 auf einen verbesserten Zugang zu Klima- und Entwicklungsfinanzierung konzentrieren. Das war der Plan für das Treffen im weltweit heißesten Sommer und im trockensten August seit mehr als einem Jahrhundert in Indien. Die 20 größten Volkswirtschaften der Welt machen etwa 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und 75 Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen aus.
Noch im Dezember letzten Jahres bezeichnete Premierminister Narendra Modi den Klimawandel zusammen mit Terrorismus und Pandemien als die “größten Herausforderungen”, denen die Welt gegenübersteht und die “nicht durch gegenseitiges Bekämpfen, sondern nur durch gemeinsames Handeln gelöst werden können”.
Zu den Bremsern gehört Russland. Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der an dem Gipfeltreffen teilnehmen wird, hat erklärt, dass Russland eine Erklärung blockieren werde, wenn sie nicht Moskaus Position zur Ukraine und anderen Krisen widerspiegele. China hat sowohl die russischen Einwände unterstützt, als auch in den Arbeitsgruppen für Klima und Energie spezifische inhaltliche Einwände vorgebracht. China hat geopolitische Auseinandersetzungen mit den USA und Indien. So hat Peking beispielsweise die indische Initiative zu umweltfreundlichen Lebensstilen und die Formulierung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beanstandet.
“Die G20 wurde durch den Wettbewerb zwischen den USA und China und den Russland-Ukraine-Konflikt gelähmt. Dies macht es äußerst schwierig, die globale Agenda auf dieser Plattform voranzubringen. Der Klimawandel droht auf dem diesjährigen Gipfel in Indien zum Kollateralschaden zu werden”, sagt Li Shuo, Senior Global Policy Advisor bei Greenpeace East Asia.
Wenige Tage vor dem Gipfel drängt Indien darauf, dass die Erklärung Ehrgeiz im Umgang mit dem Klimawandel erkennen lässt. Vor allem drängt es auf eine Formulierung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, die über Kohle hinausgeht. Allerdings gab es nach Informationen von Table.Media selbst beim Ministertreffen der Arbeitsgruppe für die Energiewende in Goa im Juli heftigen Widerstand gegen eine solche Formulierung zum fossilen Ausstieg. Der kam demnach nicht nur von den Öl- und Gasländern, sondern auch von China, Südafrika und Brasilien. Auf dem Treffen der Klimaminister in Chennai wurde der Widerstand dagegen vor allem von China und Saudi-Arabien getragen. Diese Konfliktlinien zeigen sich auch bei den Sherpa-Verhandlungen.
Indien macht sich auch stark dafür, in der G20-Abschlusserklärung die Verdreifachung der Kapazitäten für erneuerbare Energien und die Verdopplung der Ziele für die Energieeffizienz zu erwähnen. Die europäischen G20-Staaten und die EU unterstützen die Präsidentschaft dabei. Weitere Länder sind bisher nicht dabei.
Das Thema Finanzen wird auf dem Gipfel im Mittelpunkt stehen – Klimafinanzierung ist eine Priorität der indischen G20-Präsidentschaft. “Die indische Präsidentschaft hat es geschafft, die Probleme mit den multilateralen Finanzierungsfazilitäten und der Industriepolitik zu benennen. Die Forderung der Entwicklungsländer nach einem fairen Anteil an der Finanzierung wird den Druck erhöhen, die Ambitionen bei den konzessionären Finanzmitteln zu erhöhen”, sagte Suranjali Tandon, außerordentliche Professorin am National Institute of Public Finance and Policy. Unter konzessionären Finanzmitteln werden Kredite zu Sonderkonditionen verstanden.
Die Finanzdelegierten der G20 trafen sich am Dienstag, um die Schuldenkrise der Entwicklungsländer zu diskutieren. Nach Informationen von Table.Media ist China, ein großer Gläubiger der Entwicklungsländer, nicht mit einer gemeinsamen Vereinbarung dazu einverstanden. Peking sei gegen eine Senkung der Zinssätze, so heißt es, und dränge auf umfassendere Reformen der multilateralen Entwicklungsbanken.
Dhruba Purkayastha, indischer Direktor der Klimapolitik-Initiative, sagte: “Die multilateralen Entwicklungsbanken brauchen eine neue Finanzarchitektur. Es muss einen Mechanismus geben, der auch den IWF einbezieht, indem er Sonderziehungsrechte recycelt. Die Ergebnisdokumente des Gouverneurstreffens zeigen, dass sich alle einig sind, dass die Entwicklungsbanken reformiert werden müssen. Was jedoch fehlt, ist die Institutionalisierung der Konzepte und Grundsätze, die etwa durch die Bridgetown-Initiative bereits bekannt sind. Wenn möglich, sollte die G20 dies vorantreiben”.
Die gemeinsame Erklärung wird wohl Verweise auf die “Kraftstoffe der Zukunft” enthalten und grünen Wasserstoff und Biokraftstoffe besonders erwähnen. Auf dem Programm steht auch die Einrichtung eines Innovationszentrums für grünen Wasserstoff und einer globalen Allianz für Biokraftstoffe.
Geschwiegen wurde auf den Vorbereitungstreffen allerdings zu den Subventionen für fossile Brennstoffe. Es gibt Anzeichen dafür, dass China den Verweis auf eine G20-Selbstverpflichtung von 2009 streichen will, nach der ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen sollen. Nach einem aktuellen Bericht haben die G20-Staaten 2022 insgesamt 1,4 Billionen Dollar an öffentlichen Geldern zur Unterstützung fossiler Brennstoffe ausgegeben. Indien könnte in dieser Frage eine Vorreiterrolle einnehmen, da es seine Subventionen für fossile Brennstoffe von 2014 bis 2022 um 76 Prozent gekürzt und gleichzeitig die Unterstützung für saubere Energie deutlich erhöht hat.
Druck dazu kommt auch aus der Zivilgesellschaft. Die G20 solle “einen klaren Zeitplan für die Beendigung der öffentlichen Förderung fossiler Brennstoffe” festlegen, sagte Shruti Sharma, Senior Policy Advisor beim International Institute for Sustainable Development. Das Versprechen, die fossilen Subventionen auslaufen zu lassen, müsse auf die gesamte öffentliche Förderung fossiler Brennstoffe ausgeweitet werden: Dazu gehören Investitionen staatlicher Unternehmen, öffentliche Kredite und eine jährliche Berichterstattung über diese öffentlichen Förderungen.
Ein globales Ziel zur Reduktion der Methanemissionen entwickelt sich derzeit als mögliches zentrales Ergebnis der COP28. Das Thema wird vom designierten COP-Präsidenten Sultan al Jaber seit einigen Monaten in zahlreichen Reden erwähnt. Al Jaber, gleichzeitig Industrieminister der Vereinigen Arabischen Emirate (VAE) und Chef des staatseigenen Energiekonzernes Adnoc, fordert ein schrittweises Ende der Methanemissionen der Öl- und Gasindustrie bis 2030.
Bei vielen westlichen Verhandlern wird diese Forderung gut ankommen. US-Klimaverhandler John Kerry treibt das Methan-Thema voran und bekommt dabei viel Rückenwind von US-Präsident Joe Biden. Die EU will den Sektor stärker regulieren. Und selbst China ist bei der letzten Klimakonferenz beim Methan auf die USA zugegangen. Internationale Organisationen wie die IEA und das UNEP mahnen schon länger zu mehr Eile.
Doch die VAE unternehmen selbst wenig, um die eigenen Methanemissionen zu senken. Die Emirate berichten der UN nicht über ihre Emissionen, wie eine Guardian-Recherche zeigt. Eigentlich verlangt die UN seit 2014 alle zwei Jahre einen Methanbericht. Anders als andere Ölstaaten der Region wie Saudi-Arabien, Kuwait und Oman, haben die VAE jedoch noch keinen Bericht abgeliefert. Die Intransparenz zeigt: Die VAE sind ein schlechtes Vorbild für andere Staaten.
Zudem gehören die Emirate zu den Staaten mit hohen Methanemissionen aus der Öl- und Gasförderung. Laut einer Studie liegen die Methanemissionen des Sektors bei 3,3 Prozent – das heißt 3,3 Prozent des bei der Öl- und Gasförderung geförderten Erdgases entweichen in die Atmosphäre, statt auf den Markt gebracht zu werden. In den Emiraten verursacht die Ölförderung demnach besonders hohe Methanemissionen. Zwar liegen die Emissionen in den Emiraten nur knapp über denen von US-amerikanischen Öl- und Gasfeldern, aber weit über den Werten von Saudi-Arabien (0,14 Prozent) oder Katar (0,06 Prozent).
Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) könnten 37 Prozent der Methanemissionen der VAE ohne zusätzliche Kosten vermieden werden. Das heißt: Der Verkauf des aufgefangenen Methans auf den Gasmärkten könnte die Kosten für neue Infrastruktur oder das Schließen von Lecks wieder einspielen. Doch laut IEA haben die VAE weder einen Aktionsplan zur Reduzierung der Emissionen noch ein Reduktionsziel. Auch beim Ablassen und Abfackeln gibt es kaum Regulierungen, so die IEA.
Die schlechte Methanbilanz und die Intransparenz der VAE kratzen an der Glaubwürdigkeit des COP-Gastgebers. Al Jabers Drängen auf ein Absenken der “Methanemissionen gen Null” für die Öl- und Gasindustrie bis 2030 kann als Zugeständnis an die Ländergruppen gelten, die auf mehr Klimaschutz drängen. Der designierte COP-Präsident will etwa der EU bei dieser Frage entgegenkommen und könnte damit den politischen Druck bei einem für die VAE wichtigen Thema senken – dem vollständigen Ausstieg aus der Förderung fossiler Energien. Doch da die VAE bei den Methanemissionen zu den Nachzüglern gehören, könnte al Jabers Verhandlungsposition geschwächt werden.
Hinzu kommt, dass viele Staaten in letzter Zeit einiges in die Wege geleitet haben, um die Methanemissionen zu senken. Gut 30 Prozent des Temperaturanstiegs seit der industriellen Revolution geht auf Methan zurück. Das Klimagas ist auf 20 Jahre betrachtet 80 Mal schädlicher als CO₂.
In den USA war die Regulierung der Methanemissionen des Öl- und Gassektors lange Zeit “recht begrenzt“. Unter der Trump-Präsidentschaft kam die Regulierung des Sektors zum Stillstand. Präsident Joe Biden hat jedoch einige Maßnahmen auf den Weg gebracht:
Die neuen EPA-Regulierungen werden die Methanlecks “erheblich reduzieren”, so Doniger gegenüber Table.Media. Die Methansteuer sieht er als “wichtige Ergänzung” zu den EPA-Regulierungen. Sie werde “Unternehmen motivieren, die Vorschriften einzuhalten, um die Abgabe zu vermeiden”.
Auch die EU arbeitet schon seit Ende 2021 an einer neuen Methanregulierung für den Energiesektor. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen einheimische Öl-, Gas- und Kohleproduzenten Methanemissionen besser messen und darüber berichten. Methanlecks sollen genauer überwacht und schneller repariert werden. Das Ablassen und Verbrennen von Methan soll begrenzt werden.
Die Kommission will auch Emissionen aus importiertem Gas, Öl und Kohle besser überwachen. Um das zu erreichen, sollen die Importeure Berichte über die Methanemissionen veröffentlichen. Der Regulierungsentwurf sieht eine Überprüfungsklausel vor. Sobald ausreichend Daten über die Emissionen von importierten Energierohstoffen vorliegen, könnte die Regulierung um strengere Maßnahmen ergänzt werden. Die größere Transparenz soll Produzentenländer zu mehr Anstrengungen verleiten.
Das EU-Parlament fordert eine strengere Regulierung. Vorschriften für die EU-Länder sollen demnach auch für von außerhalb der EU importiertes Gas, Öl und Kohle gelten. Importierende Unternehmen sollen ab 2026 nachweisen, dass die Exporteure den Pflichten an “Messung, Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung, Leckerkennung und -behebung” nachkommen. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass die Importeure die jeweiligen Nachweise erbringen. Nach dem Parlamentsvorschlag soll das Ablassen von Methan komplett verboten werden. Das Abfackeln soll nur in Notsituationen erlaubt sein. Zudem sieht der Vorschlag Reparaturpflichten bei Lecks und ein Ziel für die Emissionsreduzierung bis Ende 2025 vor. Die EU importiert mehr als 80 Prozent ihres Gas- und Ölbedarfs. Eine Ausweitung der Regulierung über die Grenzen der EU hinaus hätte somit große Lenkungswirkung. Die beiden Vorschläge müssen noch in Trilog-Verhandlungen zu einem Kompromiss gebracht werden.
7. September, 15 Uhr, Online
Webinar Strengthening the Role of Indigenous Youth in Forest Protection: Perspectives from Latin America
In Kooperation mit Global Forest Watch diskutiert das World Resources Institute auf diesem Event über die Rolle von Indigenen im Waldschutz. Infos
5. bis 26. September, New York
Generalversammlung UN General Assembly
Die 78. Generalversammlung der UN wurde am Dienstag eröffnet. Die High-Level-Meetings beginnen am 19. September. Infos
9. September, 11 Uhr, Berlin
Aktionstag Berliner Klimatag
Der Berliner Klimatag ist Info- und Unterhaltungsveranstaltung in einem. Er findet auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain statt. Infos
9. bis 10. September, Neu-Delhi, Indien
Gipfeltreffen G20
Das 18. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 20 (G20) wird im September 2023 in Neu-Delhi, Indien, stattfinden. Unter der indischen Präsidentschaft wird der G20-Gipfel im Jahr 2023 unter dem Motto “Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft” stehen. Infos
11. bis 12. September, Berlin
Konferenz Shared net-zero prosperity for an inclusive and sustainable recovery
Die dritte europäisch-chinesische Konferenz zur Energiewende wird von Agora Energiewende organisiert und findet in Berlin statt. Infos
11. September, 11 Uhr, Online
Webinar Klimaschutz finanzieren: So erhalten Sie Fördergeld
Für den klimaneutralen Umbau eines Unternehmens gibt es viele Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten. Doch wie packt man das Thema richtig an? Darüber diskutiert die Masterclass, die von der dfv Conference Group organisiert wird. Infos
12. bis 15. September, Husum
Messe Husum Wind: Transforming Energy
Die Husum Wind ist eine Energiewende-Messe mit Fokus auf Windkraft. Es werden über 600 Aussteller erwartet. Infos
14. September, 13 Uhr, Berlin und Online
Konferenz Unternehmen & Verantwortung für die Umwelt: Die neuen OECD-Leitsätze
Auf der halbtägigen Konferenz des BMUV und des OECD Berlin Centre diskutieren Vertreter von OECD und Unternehmen über die Bedeutung der neuen OECD-Leitsätze für Unternehmen, Zivilgesellschaft und den Staat sowie die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen. Die Aktualisierung des Umweltkapitels soll dabei in den Kontext nationaler und internationaler Entwicklungen gesetzt und Beispiele für eine erfolgreiche Umsetzung der neuen Erwartungen vorgestellt werden. Infos
12. September, 10 Uhr, Berlin
Seminar Future Trends in Rotor Blade Manufacturing
Auf dem Seminar stellt Fraunhofer Eniq seine Forschung zur Fertigung von Rotorblättern für Windkraft vor. Außerdem geht es in Diskussionen um Trends für die Zukunft der Industrie. Infos
15. September, Weltweit
Demonstration Globaler Klimastreik
Fridays for Future und andere Gruppen der Klimabewegung mobilisieren wieder einmal weltweit zu Demonstrationen für Klimagerechtigkeit. Infos
Der diesjährige Sommer auf der Nordhalbkugel von Juni bis August war mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 16,77 Grad Celsius die heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Dieser Wert liegt 0,66 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Copernicus Climate Change Services (C3S) der EU.
Die weltweiten Temperaturen sind schon seit Beginn des Jahres hoch: Aktuell ist 2023 nach 2016 das zweitheißeste Jahr. Die hohen Durchschnittstemperaturen sind nur einer von vielen besorgniserregenden Indikatoren: Auch die Oberflächentemperaturen der Meere erreichten zuletzt Rekordwerte, während gleichzeitig die Ausdehnung des Meereises stark zurückging. kul
Durch die Klimapolitik der Ampelkoalition werden die künftigen deutschen Emissionen stärker sinken als in früheren Projektionen vorausberechnet. Dennoch bleibt das Ergebnis “ungenügend”. Um die 1,5-Grad-Grenze zu erreichen, müssten Deutschlands Klimapolitik und -ziele “erheblich verbessert” werden. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Analyse des Climate Action Tracker (CAT). Im CAT bewerten das New Climate Institute und Climate Analytics regelmäßig die Klimapolitik von mehr als 40 Staaten im Rahmen des UNFCCC-Verhandlungsprozesses.
Der Parteienstreit innerhalb der Bundesregierung gefährde das Erreichen der Klimaschutzziele, heißt es in der Analyse weiter. Dazu sagt der Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom New Climate Instiute, es scheine, als ob die Koalition das 2030er-Ziel aufgegeben habe. Er bezeichnete es als “unangemessen”, dass Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt “selbst einfache Maßnahmen wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen nicht umsetzt, während die Welt Rekordtemperaturen und verheerende Klimafolgen erlebt.”
Konkret sieht der CAT zwei positive Entwicklungen in der deutschen Klimapolitik:
Dem gegenüber stehen fünf negative Aspekte:
Die Aktualisierung des Climate Action Tracker folgt auf die Veröffentlichung des Klimaschutz-Projektionsberichts 2023 durch das Umweltbundesamt und des Berichts des Expertenrats für Klimafragen. Auch diese beiden Berichte kamen zu dem Schluss, Deutschland werde bei der gegenwärtigen Politik seine Klimaziele nicht erreichen. ae
Für eine resiliente Transformation zur Klimaneutralität muss die Politik die gesamte Wertschöpfungskette zentraler Technologien wie Fotovoltaik, Batterien und Elektrolyseure in den Blick nehmen und darf sich nicht nur auf die Versorgung mit Rohstoffen konzentrieren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität.
Demnach sollten für besonders kritische Teile der Wertschöpfungskette (etwa Teile der PV-Industrie, die Herstellung von Permanentmagneten, die komplette Lieferkette von Lithium-Ionen-Batterien und die Produktion von grünem Stahl) mithilfe einer offensiveren Ansiedlungspolitik Märkte in Deutschland und der EU aufgebaut werden. Subventionen und befristete Betriebskostenbeihilfen können laut der Studie ein Level Playing Field zu Konkurrenten außerhalb Europas schaffen.
Wissenschaftler von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut haben in der Studie die Wertschöpfungsketten von sieben besonders kritischen Transformationstechnologien untersucht:
Für diese Schlüsseltechnologien werden sieben Rohstoffe hinsichtlich ihrer Förderung und Verarbeitung als kritisch bewertet: Grafit, Iridium, Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel, sowie Leichte und Schwere Seltene Erden. Entschlossenes politisches Handeln, insbesondere in der Transformationsphase bis 2030/35, könne diese Kritikalität jedoch entscheidend abmildern.
Zu den Handlungsempfehlungen an die Politik zählt außerdem die Einführung eines Resilienz-Monitorings auf deutscher und europäischer Ebene. Um die Position deutscher und europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt zu stärken, empfiehlt die Studie gebündelte Einkaufsgemeinschaften für strategische Rohstoffe und Güter. Dafür müsste das Kartellrecht angepasst werden, das eine solche Einkaufsmacht bisher verhindert. leo
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat die Schaffung eines neuen Ministeriums für Energiewende angekündigt. Dies solle in der kommenden Legislaturperiode eingerichtet werden, sofern er und seine Partei an der Regierung blieben. Die Parlamentswahl in Polen findet am 15. Oktober statt. Umfragen sehen gute Chancen für eine dritte Amtszeit für Morawieckis Partei Recht und Gerechtigkeit (PIS).
Morawiecki sagte, das neue Ministerium solle dazu beitragen, eine Antwort auf die Herausforderungen der Bergbauindustrie Polens zu finden. Besonders der steinkohlereiche Süden des Landes kämpft mit den Problemen des Strukturwandels. Die EU-Klimapolitik bezeichnete Morawiecki als “sehr, sehr schwierig” für die Region. Polen hinkt beim Ausbau der erneuerbaren Energien im EU-Vergleich zurück. Nur 22 Prozent der Energie kommt aus erneuerbaren, der Rest aus fossilen Quellen. Damit liegt Polen im unteren Drittel in Europa. Zudem hat Polen seinen Kohleausstieg erst für 2049 geplant.
Das neue Energiewende-Ministerium soll den Dialog zwischen Regierung und Bergbauarbeitern über deren Zukunft im Zuge des Kohleausstiegs erleichtern, heißt es. Dem polnischen Business Insider zufolge ist die Ankündigung womöglich eine Reaktion auf die neue Strategie des polnischen Energiekonzerns PGE. Dieser will bereits 2030 aus der Kohleverstromung und 2040 aus Gas aussteigen, was zu Konflikten zwischen der Unternehmensführung und der Regierung sowie den Bergbauarbeitern geführt hat. Ein neues Ministerium könnte dazu beitragen, die Wogen zu glätten. luk
Die Belastung der Erdatmosphäre durch das Treibhausgas Methan aus arktischen Böden ist nach einer aktuellen Studie bisher möglicherweise leicht überschätzt worden. Denn höher gelegene Böden in der Arktis nähmen aufgrund des trockeneren Bodens offenbar deutlich mehr des potenten Treibhausgases Methan auf als bisher vermutet. Das schreibt ein Forscherteam um Carolina Voigt von der University of Eastern Finland in Kuopio in der Zeitschrift “nature”. Sie beschreiben ein “negatives Feedback”, also eine sich selbst verstärkende Entwicklung, die mehr Treibhausgas bindet als gedacht.
Untersucht wurden die Gasflüsse aus arktischen Böden in höher gelegenen Gegenden in Kanada. Anders als im feuchten Tiefland ist der Boden dort trockener. Mit zunehmender Trockenheit wandeln Bakterien an den Wurzeln von Pflanzen das Methan verstärkt in Kohlendioxid um. Das verringert die Erderwärmung, denn Methan ist über einen Zeitraum von 20 Jahren ein etwa 80-mal so wirksames Treibhausgas wie CO₂.
Laut Forschungsergebnissen könnte deshalb “die arktische Methan-Senke derzeit unterschätzt werden”. Offenbar hat sie sich mehr als verdoppelt – und speichert 6,2 bis 9,5 Millionen Tonnen Methan im Jahr. Insgesamt geht die Wissenschaft bisher davon aus, dass jährlich etwa 30 Millionen Tonnen Methan in Böden gespeichert werden. Allerdings gelangen andererseits weltweit pro Jahr etwa 210 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre – durch natürliche Prozesse und immer stärker durch das Auftauen der Permafrostböden. Dort findet sich ein “positives Feedback”: Je größer die Erwärmung, desto mehr tauen die Böden und setzen Methan frei, was wiederum die Erwärmung treibt.
Nun sorgen offenbar höhere Temperaturen in der Arktis auch für mehr Pflanzenwachstum und trockenere Böden – also eine größere Methan-Senke. Doch unter dem Strich wird dadurch die Erderwärmung durch Methan aus auftauenden Permafrostböden nur geringfügig verringert. bpo
Kolumbien tritt der Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) mit dem Mitgliedsstatus “Freund” bei, um gemeinsam mit Partnerakteuren am Öl- und Gasausstieg zu arbeiten. Das wurde am 31. August bekannt gegeben. Dan Jørgensen, dänischer Minister für globale Klimapolitik, erklärte, Kolumbien nehme mit der Intention, aus Öl und Gas auszusteigen, eine internationale Führungsrolle in der Klimapolitik ein.
Die BOGA ist eine Koalition aus Regierungen und anderen Partnern, die auf das Ziel hinarbeitet, den Gas- und Ölausstieg zu beschleunigen. Initiiert wurde sie von Dänemark und Costa Rica auf der COP26. Inzwischen sind 12 nationale und subnationale Regierungen Kernmitglieder, darüber hinaus gibt es außerordentliche Mitglieder und Freunde der BOGA.
Andrés Camacho Morales, Bergbau- und Energieminister von Kolumbien, schrieb auf X (ehemals Twitter), er freue sich, in der BOGA am gemeinsamen Ziel eines Übergangs hin zu Erneuerbaren zu arbeiten. Er hoffe, dass das Kolumbien auch wirtschaftlich voranbringen und zu einer gerechten Energiewende beitrage werde.
Kolumbiens linksgerichteter Präsident Gustavo Petro hatte schon im Wahlkampf im vergangenen Jahr versprochen, die Abhängigkeit des Landes von Fossilen zu beenden. Infolgedessen kündigte er an, keine neuen Lizenzen zur Öl- und Gasförderung mehr zu vergeben. Seitdem hatte es in der kolumbianischen Regierung aber immer wieder Streit um das Thema gegeben, weil das Land stark von den Einnahmen aus Öl- und Gasexporten abhängig ist. Zusätzlich trat im Juli die vorherige Energieministerin Irene Vélez wegen Machtmissbrauchs zurück. Der Beitritt zur BOGA demonstriert nach all diesen Konflikten nun etwas Einigkeit innerhalb der kolumbianischen Regierung. Ganz aus den Fossilen aussteigen will das Land aber noch nicht: Die Kohleproduktion nimmt aktuell stark zu. kul
Ideen für institutionelle Veränderungen beim UN-Klimarat IPCC haben 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorgelegt. In einem Kommentar in der Fachzeitschrift Nature Climate Change argumentieren sie, Reformen im IPCC seien notwendig, damit das Gremium auch in Zukunft in einer sich verändernden, politischen Welt relevant bleibe. Seine jetzige Ausrichtung und sein Fokus seien nicht mehr zeitgemäß. In Zukunft müsse sich der IPCC weniger mit den Auswirkungen und Gründen des Klimawandels, sondern mehr mit Ansätzen zur Emissionsminderung und Lösungen auseinandersetzen, erklärt dazu der Autor Adam Standring im britischen Guardian.
Bisher habe der IPCC vor allem gut funktioniert, weil er auf den fünf institutionellen Säulen von politischer Neutralität, diverserer Partizipation, Bildung von Konsens, einem geordneten Verfahren und staatlicher Anerkennung fuße. Er werde so als neutrale Instanz in Sachen Klima wahrgenommen. Bisher würden aber beispielsweise Minderheiten noch nicht genügend zu Wort kommen. Außerdem erfülle er in seiner aktuellen Form nicht mehr die öffentlichen Bedürfnisse und Anforderungen an ihn. Er stehe vor der Herausforderung, ein viel größeres Spektrum an Akteuren mit einer Wissensgrundlage für zukünftiges Handeln zu versorgen.
Die Autorinnen und Autoren des Kommentars fordern darum, dass sich das IPCC für den AR7 und die kommenden, kritischen Jahre für den Klimaschutz anpasst. Sie schlagen dafür drei mögliche Pfade vor:
Angeheizt von El Niño wütet in Europa die Klimakrise: Während eine Seite des Kontinents unter Dürre und Waldbränden leidet, führen heftigste Unwetter andernorts zu lokalen Stürmen, Starkregen, Überschwemmungen und Erdrutschen. Tote und Verletzte sowie Schäden in Milliardenhöhe sind die Folge.
Gleichzeitig verändert sich die geopolitische Lage rasant. Multiple, miteinander verflochtene globale Krisen treffen insbesondere Marginalisierte im Globalen Süden. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die globale Sicherheitsarchitektur drastisch verändert. China gewinnt Unterstützung für den Aufbau eines Gegenpols zur bestehenden (westlichen) Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft. Auch die Erweiterung der BRICS um vorrangig autokratisch geführte Staaten, die auf die Extraktion fossiler Energieträger bauen, trägt die Handschrift von Chinas Machthaber Xi. Mit der Priorisierung des BRICS-Gipfels und der Entscheidung, nicht zum G20-Gipfel zu kommen, sendet er ein weiteres Zeichen der Abgrenzung.
Schon in den vergangenen Jahren sind weitgehende Einigungen in den G20, ursprünglich das zentrale globale Nord-Süd-Forum, schwierig geworden – auch zur Klimapolitik. Dennoch: Die G20 erwirtschaften rund 80 Prozent des Welt-BIP und stoßen rund 80 Prozent der globalen Emissionen aus. Auf dem Gipfel werden die Weichen für hochrangige politische Foren der kommenden Monate gestellt, etwa für die UN-Vollversammlung und den Climate Ambition Summit des UN-Generalsekretärs, für das Jahrestreffen von Weltbank und IMF und den UN-Klimagipfel COP28.
Die Bundesregierung muss sich zur Wahrung von Deutschlands Interessen dafür einsetzen, dass die aktuelle dysfunktionale Nord-Süd-Geopolitik überwunden wird und an ihre Stelle ein stabiles und gerechtes multilaterales System mit gemeinsamen globalen Zielen entsteht. Als Bundeskanzler steht Olaf Scholz in der Verantwortung, auf dem G20-Gipfel eine Führungsrolle in der globalen Klimawende und Solidarität einzunehmen.
Scholz muss in Neu-Delhi den Ausstieg aus den fossilen Energien fordern und Angebote an Deutschlands Partner im Globalen Süden machen. Als Sozialdemokrat kann er dabei auf die SPD-Bundestagsfraktion bauen. Ein sozial gerechter Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger, eine breit aufgestellte Klimafinanzierung und die globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake) dessen, was die UN-Mitgliedsstaaten bisher in ihrer Klimapolitik erreicht oder nicht erreicht haben, gehören zu den Konturen sozialdemokratischer internationaler Klimapolitik.
In drei Feldern gilt es, Fortschritte zu erzielen:
Die Weltgemeinschaft muss sich zum Dreiklang aus dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern, einem massiven Ausbau der Kapazitäten Erneuerbarer Energien und einer Steigerung der Energieeffizienz bekennen. Das erfordert zusätzliche finanzielle Unterstützung der Industriestaaten. Bis 2030 müssen Wind- und Solaranlagen fünfmal schneller – also mit einer Rate von 1,5 Terawatt (TW) pro Jahr – installiert werden, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Es ist gut, dass der Bundeskanzler bereits ein globales Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren unterstützt. Die Energiewende ist eine globale Wachstumschance. Effektiver Klimaschutz ergibt sich aber nur bei gleichzeitigem Ausstieg aus den Fossilen. Der Bundeskanzler muss diese offensichtliche Notwendigkeit beim G20-Gipfel klar benennen.
Es ist höchste Zeit, über die historische Einigung zum weltweiten Kohleausstieg der COP26 hinauszugehen und Öl und Gas miteinzubeziehen. Dabei sind CCS und Technologien zur Emissionsverringerung (abatement) keine geeigneten Optionen für den Energiesektor, und ihre sinnvollen Anwendungen sind klar zu definieren und einzugrenzen, zum Beispiel auf Grundlage des IPCC.
Die internationale Finanzarchitektur (IFA) ist in ihrer jetzigen Form nicht für die Herausforderungen unserer Zeit gemacht. Ihre Institutionen bedürfen einer grundlegenden Reform. Der fiskalische Spielraum sowie öffentliche und private Investitionen für die Klimawende in Entwicklungsländern fehlen. Es gibt zu wenige Hilfen und Schuldenklauseln, die die Klimakrise berücksichtigen. In den G20 müssen die unterschiedlichen Reformvorschläge zusammengebunden und vorangebracht werden.
Deutschlands internationale Partner haben die Teilnahme des Bundeskanzlers als einzigem Staats- und Regierungschef eines Industriestaates neben Frankreichs Präsidenten am “Summit for a New Financial Pact” sehr positiv aufgenommen. Die Reformagenda war auch Thema auf dem Africa Climate Summit in Nairobi und dem Finance in Common Summit in Cartagena in der laufenden Woche. Jetzt gilt es, dranzubleiben und nachzulegen und die angestoßenen Reformen schnell und umfassend voranzutreiben. Dabei sollte der Bundeskanzler auch innovative Vorschläge aus dem Globalen Süden wie die Bridgetown-Initiative und das Expert Review on Debt, Nature and Climate unterstützten.
Die G20 können wichtige Impulse für die Globale Bestandsaufnahme der COP28 geben, um eine Kurskorrektur im globalen Klimaschutz einzuleiten. Der Bundeskanzler sollte sich den Forderungen nach ehrgeizigen, mit der 1,5-Grad-Grenze verträglichen staatlichen Reduktionszielen für 2030 und 2035, einem globalen Etappenziel von minus 60 Prozent bis 2035, einer Investitions- und Subventionsverlagerung von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern bis 2025, und der Umgestaltung der Ernährungssysteme und Landnutzung anschließen.
In Zeiten globaler Krisen und geopolitischer Verwerfungen sollte Deutschland aus eigenem Interesse einen starken internationalen Beitrag leisten. Als Bundeskanzler und Sozialdemokrat muss sich Olaf Scholz auf dem G20-Gipfel daher konsequent für eine ehrgeizige und gerechte globale Klimawende einsetzen.
Steffen Menzel leitet das Deutschland- und EU-Programm für Klimadiplomatie und Geopolitik beim Thinktank E3G.
eigentlich hätte in den vergangenen Wochen Sommerpause sein sollen, etwas Zeit zum Verschnaufen vor dem heißen Klimaherbst. Aber bei all den Meldungen von Waldbränden und Rekordtemperaturen war vom Sommerloch rund ums Klima wenig zu spüren. Jetzt im September ist jede Möglichkeit zum Durchatmen in der Welt der Klimadiplomatie endgültig vorbei – bis zur COP28 im November jagen Konferenzen und Gipfeltreffen einander.
Damit Sie zwischen all den Events nicht den Atem oder den Durchblick verlieren, sortieren wir für Sie die wichtigsten Ereignisse: Wir berichten über die Forderungen der afrikanischen Staaten auf dem Africa Climate Summit in Nairobi. Außerdem schauen wir nach vorne auf den G20-Gipfel am Wochenende in Neu-Delhi. Und wir bringen die Details zu den komplizierten Diskussionen rund um den Loss & Damage-Fund, der Ende des Jahres entschieden werden soll.
Wir haben auch recherchiert, wie wenig die Vereinigten Arabischen Emirate – Gastgeber der nächsten COP – aktuell tun, um das große Ziel der Methan-Reduktion zu erreichen. Zudem geht es in diesem Climate.Table um Deutschlands Klimaziele, mögliche IPCC-Reformen und den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen.
Bleiben Sie dran!
Afrikas Staats- und Regierungschefs haben sich auf gemeinsame Positionen in der Klimapolitik geeinigt. Sie fordern vor allem eine neue globale Finanzarchitektur für Klimaschutz und klimaverträgliches Wachstum auf ihrem Kontinent. Das ist das zentrale Ergebnis des ersten afrikanischen Klimagipfels in Nairobi, der von Montag bis Mittwoch gemeinsam von Kenia und der Afrikanischen Union ausgerichtet wurde.
Die Erklärung von Nairobi formuliert die afrikanische Position für die Verhandlungsführer bei der UN-Generalversammlung im September in New York und im Dezember bei der COP28 in Dubai. Dabei geht es um “konkrete, zeitgebundene Maßnahmen” zur Reform des internationalen Finanzsystems. Das allerdings werde “nicht ausreichen, um den Umfang der weltweit benötigten Klimafinanzierung bereitzustellen”.
Außerdem fordern die Afrikaner ein globales System zur Besteuerung von Kohlenstoff, um eine Klimafinanzierung in großem Umfang zu ermöglichen. Dies könnte eine Kohlenstoffsteuer auf den Handel mit fossilen Brennstoffen, die Schifffahrt und den Luftverkehr sowie eine globale Finanztransaktionssteuer umfassen. Das entspricht den Vorschlägen des kenianischen Präsidenten William Ruto. Der Gastgeber hat den Vorsitz im Ausschuss der afrikanischen Staats- und Regierungschefs zum Klimawandel inne und plädiert schon länger für eine neue globale Finanzarchitektur für den Klimaschutz.
Ruto bezeichnete das Gipfeltreffen als einen Moment, in dem sich die Darstellung Afrikas von der Opferrolle hin zu einer Positionierung des Kontinents als Drehscheibe für Klimalösungen ändern müsse. Um sein Potenzial auszuschöpfen und die Bemühungen zur globalen Dekarbonisierung zu unterstützen, brauche Afrika günstige, langfristige und leicht zugängliche Finanzmittel in großem Umfang.
Das internationale Finanzsystem liefert das bisher nicht ausreichend. Zugang zu Kapital ist teuer, die Zinsen sind hoch und es gibt nur wenig “konzessionäre Finanzierung”, also verbilligte Kredite, für die Länder Afrikas. Viele Länder sind tief verschuldet.
Ruto forderte einen Paradigmenwechsel “um sicherzustellen, dass die Entwicklungsländer Zugang zu Finanzmitteln erhalten, und zwar auf eine Weise, die uns nicht bestraft”.
“Wir bitten nicht darum, anders behandelt zu werden. Wir wollen ein faires Finanzsystem, in dem alle gleich behandelt werden“, sagte er auf dem Gipfel.
Die afrikanischen Staaten fordern dafür:
Sie wollen auch Hilfen beim Ziel, die Erneuerbaren für die Stromerzeugung in Afrika von 56 GW (2022) mindestens 300 GW bis 2030 zu erhöhen. Außerdem beschlossen die Staaten, zusätzlich 23 Milliarden Dollar für grünes Wachstum und die Anpassung an den Klimawandel aufzubringen.
Doch Kenias Präsident Ruto wollte noch weiter gehen. Auf dem Finanzgipfel von Paris im Juni legte er konkrete Ideen zur Finanzierung der angeschlagenen Entwicklungsländer vor. Er forderte neue Mechanismen zur Klimafinanzierung, die mit globalen Steuern auf fossile Brennstoffe, den Luftverkehr, die Schifffahrt und Finanztransaktionen finanziert werden – und auch Afrika sollte in diese Fonds einzahlen.
Doch beim Gipfel in Nairobi stieß der kenianische Präsident damit auf Widerstand, wie Quellen aus dem Umfeld der Verhandlungen berichten. Das Thema wurde auf dem Gipfel vermieden. Eine frühe Version der Erklärung von Nairobi, die von der kenianischen Regierung ausgearbeitet und von Climate.Table eingesehen wurde, enthielt einen Vorschlag für eine Steuer auf die Förderung fossiler Brennstoffe – ein heikles Thema für einige afrikanische Länder, die auf die Ausbeutung ihrer Öl- und Gasreserven setzen, um die Entwicklung ihres Landes zu finanzieren.
Auf dem Gipfeltreffen sprach sich Ruto dann aber nur für die Einführung eines Preises für Kohlenstoff aus. “Das ist sehr umstritten. Aber wir müssen uns über eine Kohlenstoffsteuer unterhalten, wenn wir die für die Energiewende erforderlichen Finanzmittel aufbringen wollen”, sagte er.
Andere stimmten ihm zu. “Die Kohlenstoffsteuer ist ein Thema, das die meisten von hier zur COP28 mitnehmen werden“, sagte Benedict Oramah, Präsident der Afrexim Bank.
John Asafu-Adjaye, Senior Fellow am African Center for Economic Transformation, sagte, eine Kohlenstoffsteuer würde die größten Umweltverschmutzer der Welt am meisten zur Kasse bitten. Entscheidend ist jedoch, wie die Einnahmen umverteilt werden. “Die Bepreisung von Kohlendioxid in Afrika ist für die größeren Volkswirtschaften geeignet, könnte aber für Länder mit geringer Umweltverschmutzung, die keine großen Industriesektoren haben, nicht viel Geld einbringen”, sagte er.
Während des Gipfels kam auch Kritik auf. Einige Verhandlungsführer kritisierten, dass der Schwerpunkt nicht auf mehr Geld für Anpassung an den Klimawandel lag. Andere äußerten Bedenken, dass Rutos Forderung, die traditionelle Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufzuheben, missachte das Prinzip der “gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“. Das ist ein Konzept, das Nationen je nach ihren historischen Emissionen und ihrem Einkommensniveau unterschiedlich viel Verantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels zuweist. Iskander Vernoit, Gründungsdirektor der in Marokko ansässigen Imal-Initiative für Klima und Entwicklung, sagte, die afrikanische Position zum Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung bleibe “unerschütterlich”.
“Von Ländern wie Sierra Leone zu erwarten, dass sie die Hauptlast einer Krise tragen, zu der sie kaum beigetragen haben, ohne dass sie von den Hauptverursachern tatkräftig unterstützt werden, ist grundsätzlich ungerecht”, sagte ihr Präsident Julius Maada Bio. “Unsere Haltung ist unmissverständlich. Wir sind hier, um zusammenzuarbeiten, nicht um zu kapitulieren”, fügte er hinzu und verwies auf die Notwendigkeit, dass die reichen Länder ihre Finanzierungsverpflichtungen gegenüber den ärmeren Ländern einhalten.
Diese Bedenken wurden noch verstärkt, nachdem Aktivisten der Beratungsfirma McKinsey vorgeworfen hatten, die Prioritäten des Gipfels an sich zu reißen und eine “prowestliche Agenda” zu verfolgen. McKinsey leistete “strategische Unterstützung” bei der Gestaltung der Gipfelthemen. Kenianische Beamte bestanden darauf, dass die Agenda die afrikanischen Prioritäten widerspiegele. Chloé Farand, Oxford
Die Debatte um eines der heißesten Eisen in der internationalen Klimafinanzierung, den neu zu schaffenden Loss & Damage Fonds (L&D-Fonds), läuft auf einen Showdown im Oktober hinaus. Denn auch bei der dritten Sitzung des Vorbereitungskomitees (Transitional Committee, TC), die vergangene Woche in der Dominikanischen Republik stattfand, lagen die verschiedenen Konzepte für das neue Finanzinstrument noch weit auseinander. Um im Zeitplan zu bleiben, müsste nun eine Entscheidung auf der letzten Sitzung des Gremiums fallen. Diese findet vom 17. bis 20. Oktober im ägyptischen Assuan statt.
In Assuan soll ein Kompromissvorschlag gefunden werden, der auf der COP28 im Dezember in Dubai beschlossen werden kann. Das zumindest ist das Mandat der COP27, wo im letzten Jahr überraschend entschieden worden war, einen solchen L&D-Fonds einzurichten und seine Grundzüge innerhalb eines Jahres zu klären. Unter den UN-Jargon L&D fallen Schäden durch den Klimawandel, die nicht durch Anpassungsmaßnahmen verhindert werden können, etwa aktuelle Schäden durch Stürme oder Dürren, und auch “nicht ökonomische Verluste”.
Bislang allerdings widersprechen sich die verschiedenen Vorschläge, die offiziell auf dem Tisch liegen, in zentralen Punkten:
Bei den Verhandlungen in der vergangenen Woche war auch erstmalig eine konkrete Forderung der Entwicklungsländer für die Summe des L&D-Fonds genannt worden: jährlich 100 Milliarden US-Dollar. Diese Forderung sorgte für Aufregung. Damit beziehen sich die Entwicklungsländer auf eine Studie im Auftrag der UN, die mögliche klimabezogene Schäden und Verluste auf 150 bis 300 Milliarden US-Dollar jährlich taxiert. Ohnehin wird im Herbst mit Spannung der Bericht der OECD erwartet, der kalkulieren soll, ob die Industriestaaten in 2022 ihre Versprechen eingehalten haben, für Klimahilfen an den Globalen Süden pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren. Das Geld für den L&D-Fonds soll unabhängig von der bereits versprochenen Summe fließen.
Auch der US-Vorschlag zur Besetzung des Boards brachte Spannungen. Denn wenn die “größten Geber” Industrieländer oder Institute wie die Weltbank sind, hätten sie maximal 14 Stimmen gegenüber 11 Stimmen aus den Entwicklungsländern. Stiftungen, NGOs, Indigene und Unternehmen wären dann das Zünglein an der Waage. Das sei eine “schiefe” Konstruktion, sagte Harjeet Singh vom Climate Action Network (CAN) gegenüber dem Portal Climate Home News. “Für uns sind die größten Geber die reichen Nationen. Und wir können uns nicht von deren historischer Verantwortung wegbewegen. Der Grund für L& D sind deren Handlungen und Nicht-Handlungen aus den letzten 30 Jahren.”
Allerdings ist nicht festgelegt, wer diese “größten Geber” sind – es könnten also durchaus auch Staaten wie China, Korea oder die arabischen Ölstaaten sein, die sich hier einen Platz am Tisch erkaufen könnten. Und das wäre den klassischen Industrieländern wohl recht, die darauf drängen, dass diese Verschmutzer ebenfalls in die Klimafinanzierung einzahlen. Allgemein zeigt der Streit, wie sehr sich die Blöcke misstrauen: Die Entwicklungsländer befürchten, dass der Norden sich wieder einmal nicht an seine Versprechen hält. Der Globale Norden wiederum traut dem Süden nicht zu, die Mittel effizient einzusetzen und etwa die Korruption effektiv zu bekämpfen.
Der Streit im TC um die Struktur des Fonds wird sich auf der letzten Sitzung vor allem um diese Fragen drehen:
“Die Stimmung in der Sitzung war konstruktiv, aber es wurden bisher nur die unterschiedlichen Konzepte präsentiert”, sagt Laura Schäfer, die für Germanwatch die Gespräche beobachtet. “Jetzt müssen Kompromisse in den wichtigsten Fragen gefunden werden. Auf das Komitee wartet noch viel Arbeit in seiner letzten Sitzung.”
Die NGOs protestierten auch bei der UN dagegen, dass von den vier TC-Sitzungstagen die ersten beiden hinter verschlossenen Türen stattfanden. “Der Ausschluss der Öffentlichkeit steht im Widerspruch zu der Verpflichtung des TC und UNFCCC-Sekretariates zur Förderung der Beteiligung der Öffentlichkeit, Transparenz und Sicherstellung des Zugangs zu Informationen”, schreiben sie in einem offenen Brief. Wenn die Beteiligung der Öffentlichkeit als Gefahr für den Prozess dargestellt werde, stehe das “in starkem Kontrast zu der Rolle, die die Zivilgesellschaft, indigene Völker, Frauen- und Jugendgruppen und andere bei der historischen Entscheidung zur Einrichtung” dieses neuen L&D-Fonds gespielt hätten.
Beim G20-Treffen am kommenden Wochenende in Neu-Delhi wird es kaum Fortschritte in der Klimapolitik geben. Obwohl allgemein anerkannt wird, wie dringend es ist, die Klimakrise zu bekämpfen und die Energiewende zu beschleunigen, wird die aktuelle geopolitische Lage wahrscheinlich jedes größere und sinnvolle Ergebnis verhindern. Die Ministertreffen der Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass die Länder nicht bereit sind, eine gemeinsame Basis zu finden.
Zwei wichtige Länder sind in Neu-Delhi nicht hochrangig vertreten: Der russische Präsident Wladimir Putin will sein Land wegen des Ukrainekriegs nicht verlassen. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich entscheiden, dem Treffen fernzubleiben. Aber Indien beteuert, das sei normal. Das erschwert die Konsensbildung für wegweisende Entscheidungen. “Gemeinsam haben die G20 die moralische Verantwortung und das wirtschaftliche Gewicht, die globale Erwärmung zu verlangsamen. Doch die Hoffnungen auf mutigere Klimamaßnahmen der G20 in diesem Jahr wurden bisher durch geopolitische Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten gebremst”, sagt auch Tom Evans von der Berliner Denkfabrik E3G.
Indiens hat Anstrengungen unternommen, gemeinsame Ansätze zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Beschleunigung der Energiewende und zur Gewährleistung eines gerechten Übergangs zu finden. Dafür sollten sich die G20 auf einen verbesserten Zugang zu Klima- und Entwicklungsfinanzierung konzentrieren. Das war der Plan für das Treffen im weltweit heißesten Sommer und im trockensten August seit mehr als einem Jahrhundert in Indien. Die 20 größten Volkswirtschaften der Welt machen etwa 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und 75 Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen aus.
Noch im Dezember letzten Jahres bezeichnete Premierminister Narendra Modi den Klimawandel zusammen mit Terrorismus und Pandemien als die “größten Herausforderungen”, denen die Welt gegenübersteht und die “nicht durch gegenseitiges Bekämpfen, sondern nur durch gemeinsames Handeln gelöst werden können”.
Zu den Bremsern gehört Russland. Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der an dem Gipfeltreffen teilnehmen wird, hat erklärt, dass Russland eine Erklärung blockieren werde, wenn sie nicht Moskaus Position zur Ukraine und anderen Krisen widerspiegele. China hat sowohl die russischen Einwände unterstützt, als auch in den Arbeitsgruppen für Klima und Energie spezifische inhaltliche Einwände vorgebracht. China hat geopolitische Auseinandersetzungen mit den USA und Indien. So hat Peking beispielsweise die indische Initiative zu umweltfreundlichen Lebensstilen und die Formulierung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beanstandet.
“Die G20 wurde durch den Wettbewerb zwischen den USA und China und den Russland-Ukraine-Konflikt gelähmt. Dies macht es äußerst schwierig, die globale Agenda auf dieser Plattform voranzubringen. Der Klimawandel droht auf dem diesjährigen Gipfel in Indien zum Kollateralschaden zu werden”, sagt Li Shuo, Senior Global Policy Advisor bei Greenpeace East Asia.
Wenige Tage vor dem Gipfel drängt Indien darauf, dass die Erklärung Ehrgeiz im Umgang mit dem Klimawandel erkennen lässt. Vor allem drängt es auf eine Formulierung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, die über Kohle hinausgeht. Allerdings gab es nach Informationen von Table.Media selbst beim Ministertreffen der Arbeitsgruppe für die Energiewende in Goa im Juli heftigen Widerstand gegen eine solche Formulierung zum fossilen Ausstieg. Der kam demnach nicht nur von den Öl- und Gasländern, sondern auch von China, Südafrika und Brasilien. Auf dem Treffen der Klimaminister in Chennai wurde der Widerstand dagegen vor allem von China und Saudi-Arabien getragen. Diese Konfliktlinien zeigen sich auch bei den Sherpa-Verhandlungen.
Indien macht sich auch stark dafür, in der G20-Abschlusserklärung die Verdreifachung der Kapazitäten für erneuerbare Energien und die Verdopplung der Ziele für die Energieeffizienz zu erwähnen. Die europäischen G20-Staaten und die EU unterstützen die Präsidentschaft dabei. Weitere Länder sind bisher nicht dabei.
Das Thema Finanzen wird auf dem Gipfel im Mittelpunkt stehen – Klimafinanzierung ist eine Priorität der indischen G20-Präsidentschaft. “Die indische Präsidentschaft hat es geschafft, die Probleme mit den multilateralen Finanzierungsfazilitäten und der Industriepolitik zu benennen. Die Forderung der Entwicklungsländer nach einem fairen Anteil an der Finanzierung wird den Druck erhöhen, die Ambitionen bei den konzessionären Finanzmitteln zu erhöhen”, sagte Suranjali Tandon, außerordentliche Professorin am National Institute of Public Finance and Policy. Unter konzessionären Finanzmitteln werden Kredite zu Sonderkonditionen verstanden.
Die Finanzdelegierten der G20 trafen sich am Dienstag, um die Schuldenkrise der Entwicklungsländer zu diskutieren. Nach Informationen von Table.Media ist China, ein großer Gläubiger der Entwicklungsländer, nicht mit einer gemeinsamen Vereinbarung dazu einverstanden. Peking sei gegen eine Senkung der Zinssätze, so heißt es, und dränge auf umfassendere Reformen der multilateralen Entwicklungsbanken.
Dhruba Purkayastha, indischer Direktor der Klimapolitik-Initiative, sagte: “Die multilateralen Entwicklungsbanken brauchen eine neue Finanzarchitektur. Es muss einen Mechanismus geben, der auch den IWF einbezieht, indem er Sonderziehungsrechte recycelt. Die Ergebnisdokumente des Gouverneurstreffens zeigen, dass sich alle einig sind, dass die Entwicklungsbanken reformiert werden müssen. Was jedoch fehlt, ist die Institutionalisierung der Konzepte und Grundsätze, die etwa durch die Bridgetown-Initiative bereits bekannt sind. Wenn möglich, sollte die G20 dies vorantreiben”.
Die gemeinsame Erklärung wird wohl Verweise auf die “Kraftstoffe der Zukunft” enthalten und grünen Wasserstoff und Biokraftstoffe besonders erwähnen. Auf dem Programm steht auch die Einrichtung eines Innovationszentrums für grünen Wasserstoff und einer globalen Allianz für Biokraftstoffe.
Geschwiegen wurde auf den Vorbereitungstreffen allerdings zu den Subventionen für fossile Brennstoffe. Es gibt Anzeichen dafür, dass China den Verweis auf eine G20-Selbstverpflichtung von 2009 streichen will, nach der ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen sollen. Nach einem aktuellen Bericht haben die G20-Staaten 2022 insgesamt 1,4 Billionen Dollar an öffentlichen Geldern zur Unterstützung fossiler Brennstoffe ausgegeben. Indien könnte in dieser Frage eine Vorreiterrolle einnehmen, da es seine Subventionen für fossile Brennstoffe von 2014 bis 2022 um 76 Prozent gekürzt und gleichzeitig die Unterstützung für saubere Energie deutlich erhöht hat.
Druck dazu kommt auch aus der Zivilgesellschaft. Die G20 solle “einen klaren Zeitplan für die Beendigung der öffentlichen Förderung fossiler Brennstoffe” festlegen, sagte Shruti Sharma, Senior Policy Advisor beim International Institute for Sustainable Development. Das Versprechen, die fossilen Subventionen auslaufen zu lassen, müsse auf die gesamte öffentliche Förderung fossiler Brennstoffe ausgeweitet werden: Dazu gehören Investitionen staatlicher Unternehmen, öffentliche Kredite und eine jährliche Berichterstattung über diese öffentlichen Förderungen.
Ein globales Ziel zur Reduktion der Methanemissionen entwickelt sich derzeit als mögliches zentrales Ergebnis der COP28. Das Thema wird vom designierten COP-Präsidenten Sultan al Jaber seit einigen Monaten in zahlreichen Reden erwähnt. Al Jaber, gleichzeitig Industrieminister der Vereinigen Arabischen Emirate (VAE) und Chef des staatseigenen Energiekonzernes Adnoc, fordert ein schrittweises Ende der Methanemissionen der Öl- und Gasindustrie bis 2030.
Bei vielen westlichen Verhandlern wird diese Forderung gut ankommen. US-Klimaverhandler John Kerry treibt das Methan-Thema voran und bekommt dabei viel Rückenwind von US-Präsident Joe Biden. Die EU will den Sektor stärker regulieren. Und selbst China ist bei der letzten Klimakonferenz beim Methan auf die USA zugegangen. Internationale Organisationen wie die IEA und das UNEP mahnen schon länger zu mehr Eile.
Doch die VAE unternehmen selbst wenig, um die eigenen Methanemissionen zu senken. Die Emirate berichten der UN nicht über ihre Emissionen, wie eine Guardian-Recherche zeigt. Eigentlich verlangt die UN seit 2014 alle zwei Jahre einen Methanbericht. Anders als andere Ölstaaten der Region wie Saudi-Arabien, Kuwait und Oman, haben die VAE jedoch noch keinen Bericht abgeliefert. Die Intransparenz zeigt: Die VAE sind ein schlechtes Vorbild für andere Staaten.
Zudem gehören die Emirate zu den Staaten mit hohen Methanemissionen aus der Öl- und Gasförderung. Laut einer Studie liegen die Methanemissionen des Sektors bei 3,3 Prozent – das heißt 3,3 Prozent des bei der Öl- und Gasförderung geförderten Erdgases entweichen in die Atmosphäre, statt auf den Markt gebracht zu werden. In den Emiraten verursacht die Ölförderung demnach besonders hohe Methanemissionen. Zwar liegen die Emissionen in den Emiraten nur knapp über denen von US-amerikanischen Öl- und Gasfeldern, aber weit über den Werten von Saudi-Arabien (0,14 Prozent) oder Katar (0,06 Prozent).
Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) könnten 37 Prozent der Methanemissionen der VAE ohne zusätzliche Kosten vermieden werden. Das heißt: Der Verkauf des aufgefangenen Methans auf den Gasmärkten könnte die Kosten für neue Infrastruktur oder das Schließen von Lecks wieder einspielen. Doch laut IEA haben die VAE weder einen Aktionsplan zur Reduzierung der Emissionen noch ein Reduktionsziel. Auch beim Ablassen und Abfackeln gibt es kaum Regulierungen, so die IEA.
Die schlechte Methanbilanz und die Intransparenz der VAE kratzen an der Glaubwürdigkeit des COP-Gastgebers. Al Jabers Drängen auf ein Absenken der “Methanemissionen gen Null” für die Öl- und Gasindustrie bis 2030 kann als Zugeständnis an die Ländergruppen gelten, die auf mehr Klimaschutz drängen. Der designierte COP-Präsident will etwa der EU bei dieser Frage entgegenkommen und könnte damit den politischen Druck bei einem für die VAE wichtigen Thema senken – dem vollständigen Ausstieg aus der Förderung fossiler Energien. Doch da die VAE bei den Methanemissionen zu den Nachzüglern gehören, könnte al Jabers Verhandlungsposition geschwächt werden.
Hinzu kommt, dass viele Staaten in letzter Zeit einiges in die Wege geleitet haben, um die Methanemissionen zu senken. Gut 30 Prozent des Temperaturanstiegs seit der industriellen Revolution geht auf Methan zurück. Das Klimagas ist auf 20 Jahre betrachtet 80 Mal schädlicher als CO₂.
In den USA war die Regulierung der Methanemissionen des Öl- und Gassektors lange Zeit “recht begrenzt“. Unter der Trump-Präsidentschaft kam die Regulierung des Sektors zum Stillstand. Präsident Joe Biden hat jedoch einige Maßnahmen auf den Weg gebracht:
Die neuen EPA-Regulierungen werden die Methanlecks “erheblich reduzieren”, so Doniger gegenüber Table.Media. Die Methansteuer sieht er als “wichtige Ergänzung” zu den EPA-Regulierungen. Sie werde “Unternehmen motivieren, die Vorschriften einzuhalten, um die Abgabe zu vermeiden”.
Auch die EU arbeitet schon seit Ende 2021 an einer neuen Methanregulierung für den Energiesektor. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen einheimische Öl-, Gas- und Kohleproduzenten Methanemissionen besser messen und darüber berichten. Methanlecks sollen genauer überwacht und schneller repariert werden. Das Ablassen und Verbrennen von Methan soll begrenzt werden.
Die Kommission will auch Emissionen aus importiertem Gas, Öl und Kohle besser überwachen. Um das zu erreichen, sollen die Importeure Berichte über die Methanemissionen veröffentlichen. Der Regulierungsentwurf sieht eine Überprüfungsklausel vor. Sobald ausreichend Daten über die Emissionen von importierten Energierohstoffen vorliegen, könnte die Regulierung um strengere Maßnahmen ergänzt werden. Die größere Transparenz soll Produzentenländer zu mehr Anstrengungen verleiten.
Das EU-Parlament fordert eine strengere Regulierung. Vorschriften für die EU-Länder sollen demnach auch für von außerhalb der EU importiertes Gas, Öl und Kohle gelten. Importierende Unternehmen sollen ab 2026 nachweisen, dass die Exporteure den Pflichten an “Messung, Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung, Leckerkennung und -behebung” nachkommen. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass die Importeure die jeweiligen Nachweise erbringen. Nach dem Parlamentsvorschlag soll das Ablassen von Methan komplett verboten werden. Das Abfackeln soll nur in Notsituationen erlaubt sein. Zudem sieht der Vorschlag Reparaturpflichten bei Lecks und ein Ziel für die Emissionsreduzierung bis Ende 2025 vor. Die EU importiert mehr als 80 Prozent ihres Gas- und Ölbedarfs. Eine Ausweitung der Regulierung über die Grenzen der EU hinaus hätte somit große Lenkungswirkung. Die beiden Vorschläge müssen noch in Trilog-Verhandlungen zu einem Kompromiss gebracht werden.
7. September, 15 Uhr, Online
Webinar Strengthening the Role of Indigenous Youth in Forest Protection: Perspectives from Latin America
In Kooperation mit Global Forest Watch diskutiert das World Resources Institute auf diesem Event über die Rolle von Indigenen im Waldschutz. Infos
5. bis 26. September, New York
Generalversammlung UN General Assembly
Die 78. Generalversammlung der UN wurde am Dienstag eröffnet. Die High-Level-Meetings beginnen am 19. September. Infos
9. September, 11 Uhr, Berlin
Aktionstag Berliner Klimatag
Der Berliner Klimatag ist Info- und Unterhaltungsveranstaltung in einem. Er findet auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain statt. Infos
9. bis 10. September, Neu-Delhi, Indien
Gipfeltreffen G20
Das 18. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 20 (G20) wird im September 2023 in Neu-Delhi, Indien, stattfinden. Unter der indischen Präsidentschaft wird der G20-Gipfel im Jahr 2023 unter dem Motto “Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft” stehen. Infos
11. bis 12. September, Berlin
Konferenz Shared net-zero prosperity for an inclusive and sustainable recovery
Die dritte europäisch-chinesische Konferenz zur Energiewende wird von Agora Energiewende organisiert und findet in Berlin statt. Infos
11. September, 11 Uhr, Online
Webinar Klimaschutz finanzieren: So erhalten Sie Fördergeld
Für den klimaneutralen Umbau eines Unternehmens gibt es viele Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten. Doch wie packt man das Thema richtig an? Darüber diskutiert die Masterclass, die von der dfv Conference Group organisiert wird. Infos
12. bis 15. September, Husum
Messe Husum Wind: Transforming Energy
Die Husum Wind ist eine Energiewende-Messe mit Fokus auf Windkraft. Es werden über 600 Aussteller erwartet. Infos
14. September, 13 Uhr, Berlin und Online
Konferenz Unternehmen & Verantwortung für die Umwelt: Die neuen OECD-Leitsätze
Auf der halbtägigen Konferenz des BMUV und des OECD Berlin Centre diskutieren Vertreter von OECD und Unternehmen über die Bedeutung der neuen OECD-Leitsätze für Unternehmen, Zivilgesellschaft und den Staat sowie die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen. Die Aktualisierung des Umweltkapitels soll dabei in den Kontext nationaler und internationaler Entwicklungen gesetzt und Beispiele für eine erfolgreiche Umsetzung der neuen Erwartungen vorgestellt werden. Infos
12. September, 10 Uhr, Berlin
Seminar Future Trends in Rotor Blade Manufacturing
Auf dem Seminar stellt Fraunhofer Eniq seine Forschung zur Fertigung von Rotorblättern für Windkraft vor. Außerdem geht es in Diskussionen um Trends für die Zukunft der Industrie. Infos
15. September, Weltweit
Demonstration Globaler Klimastreik
Fridays for Future und andere Gruppen der Klimabewegung mobilisieren wieder einmal weltweit zu Demonstrationen für Klimagerechtigkeit. Infos
Der diesjährige Sommer auf der Nordhalbkugel von Juni bis August war mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 16,77 Grad Celsius die heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Dieser Wert liegt 0,66 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Copernicus Climate Change Services (C3S) der EU.
Die weltweiten Temperaturen sind schon seit Beginn des Jahres hoch: Aktuell ist 2023 nach 2016 das zweitheißeste Jahr. Die hohen Durchschnittstemperaturen sind nur einer von vielen besorgniserregenden Indikatoren: Auch die Oberflächentemperaturen der Meere erreichten zuletzt Rekordwerte, während gleichzeitig die Ausdehnung des Meereises stark zurückging. kul
Durch die Klimapolitik der Ampelkoalition werden die künftigen deutschen Emissionen stärker sinken als in früheren Projektionen vorausberechnet. Dennoch bleibt das Ergebnis “ungenügend”. Um die 1,5-Grad-Grenze zu erreichen, müssten Deutschlands Klimapolitik und -ziele “erheblich verbessert” werden. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Analyse des Climate Action Tracker (CAT). Im CAT bewerten das New Climate Institute und Climate Analytics regelmäßig die Klimapolitik von mehr als 40 Staaten im Rahmen des UNFCCC-Verhandlungsprozesses.
Der Parteienstreit innerhalb der Bundesregierung gefährde das Erreichen der Klimaschutzziele, heißt es in der Analyse weiter. Dazu sagt der Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom New Climate Instiute, es scheine, als ob die Koalition das 2030er-Ziel aufgegeben habe. Er bezeichnete es als “unangemessen”, dass Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt “selbst einfache Maßnahmen wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen nicht umsetzt, während die Welt Rekordtemperaturen und verheerende Klimafolgen erlebt.”
Konkret sieht der CAT zwei positive Entwicklungen in der deutschen Klimapolitik:
Dem gegenüber stehen fünf negative Aspekte:
Die Aktualisierung des Climate Action Tracker folgt auf die Veröffentlichung des Klimaschutz-Projektionsberichts 2023 durch das Umweltbundesamt und des Berichts des Expertenrats für Klimafragen. Auch diese beiden Berichte kamen zu dem Schluss, Deutschland werde bei der gegenwärtigen Politik seine Klimaziele nicht erreichen. ae
Für eine resiliente Transformation zur Klimaneutralität muss die Politik die gesamte Wertschöpfungskette zentraler Technologien wie Fotovoltaik, Batterien und Elektrolyseure in den Blick nehmen und darf sich nicht nur auf die Versorgung mit Rohstoffen konzentrieren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität.
Demnach sollten für besonders kritische Teile der Wertschöpfungskette (etwa Teile der PV-Industrie, die Herstellung von Permanentmagneten, die komplette Lieferkette von Lithium-Ionen-Batterien und die Produktion von grünem Stahl) mithilfe einer offensiveren Ansiedlungspolitik Märkte in Deutschland und der EU aufgebaut werden. Subventionen und befristete Betriebskostenbeihilfen können laut der Studie ein Level Playing Field zu Konkurrenten außerhalb Europas schaffen.
Wissenschaftler von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut haben in der Studie die Wertschöpfungsketten von sieben besonders kritischen Transformationstechnologien untersucht:
Für diese Schlüsseltechnologien werden sieben Rohstoffe hinsichtlich ihrer Förderung und Verarbeitung als kritisch bewertet: Grafit, Iridium, Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel, sowie Leichte und Schwere Seltene Erden. Entschlossenes politisches Handeln, insbesondere in der Transformationsphase bis 2030/35, könne diese Kritikalität jedoch entscheidend abmildern.
Zu den Handlungsempfehlungen an die Politik zählt außerdem die Einführung eines Resilienz-Monitorings auf deutscher und europäischer Ebene. Um die Position deutscher und europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt zu stärken, empfiehlt die Studie gebündelte Einkaufsgemeinschaften für strategische Rohstoffe und Güter. Dafür müsste das Kartellrecht angepasst werden, das eine solche Einkaufsmacht bisher verhindert. leo
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat die Schaffung eines neuen Ministeriums für Energiewende angekündigt. Dies solle in der kommenden Legislaturperiode eingerichtet werden, sofern er und seine Partei an der Regierung blieben. Die Parlamentswahl in Polen findet am 15. Oktober statt. Umfragen sehen gute Chancen für eine dritte Amtszeit für Morawieckis Partei Recht und Gerechtigkeit (PIS).
Morawiecki sagte, das neue Ministerium solle dazu beitragen, eine Antwort auf die Herausforderungen der Bergbauindustrie Polens zu finden. Besonders der steinkohlereiche Süden des Landes kämpft mit den Problemen des Strukturwandels. Die EU-Klimapolitik bezeichnete Morawiecki als “sehr, sehr schwierig” für die Region. Polen hinkt beim Ausbau der erneuerbaren Energien im EU-Vergleich zurück. Nur 22 Prozent der Energie kommt aus erneuerbaren, der Rest aus fossilen Quellen. Damit liegt Polen im unteren Drittel in Europa. Zudem hat Polen seinen Kohleausstieg erst für 2049 geplant.
Das neue Energiewende-Ministerium soll den Dialog zwischen Regierung und Bergbauarbeitern über deren Zukunft im Zuge des Kohleausstiegs erleichtern, heißt es. Dem polnischen Business Insider zufolge ist die Ankündigung womöglich eine Reaktion auf die neue Strategie des polnischen Energiekonzerns PGE. Dieser will bereits 2030 aus der Kohleverstromung und 2040 aus Gas aussteigen, was zu Konflikten zwischen der Unternehmensführung und der Regierung sowie den Bergbauarbeitern geführt hat. Ein neues Ministerium könnte dazu beitragen, die Wogen zu glätten. luk
Die Belastung der Erdatmosphäre durch das Treibhausgas Methan aus arktischen Böden ist nach einer aktuellen Studie bisher möglicherweise leicht überschätzt worden. Denn höher gelegene Böden in der Arktis nähmen aufgrund des trockeneren Bodens offenbar deutlich mehr des potenten Treibhausgases Methan auf als bisher vermutet. Das schreibt ein Forscherteam um Carolina Voigt von der University of Eastern Finland in Kuopio in der Zeitschrift “nature”. Sie beschreiben ein “negatives Feedback”, also eine sich selbst verstärkende Entwicklung, die mehr Treibhausgas bindet als gedacht.
Untersucht wurden die Gasflüsse aus arktischen Böden in höher gelegenen Gegenden in Kanada. Anders als im feuchten Tiefland ist der Boden dort trockener. Mit zunehmender Trockenheit wandeln Bakterien an den Wurzeln von Pflanzen das Methan verstärkt in Kohlendioxid um. Das verringert die Erderwärmung, denn Methan ist über einen Zeitraum von 20 Jahren ein etwa 80-mal so wirksames Treibhausgas wie CO₂.
Laut Forschungsergebnissen könnte deshalb “die arktische Methan-Senke derzeit unterschätzt werden”. Offenbar hat sie sich mehr als verdoppelt – und speichert 6,2 bis 9,5 Millionen Tonnen Methan im Jahr. Insgesamt geht die Wissenschaft bisher davon aus, dass jährlich etwa 30 Millionen Tonnen Methan in Böden gespeichert werden. Allerdings gelangen andererseits weltweit pro Jahr etwa 210 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre – durch natürliche Prozesse und immer stärker durch das Auftauen der Permafrostböden. Dort findet sich ein “positives Feedback”: Je größer die Erwärmung, desto mehr tauen die Böden und setzen Methan frei, was wiederum die Erwärmung treibt.
Nun sorgen offenbar höhere Temperaturen in der Arktis auch für mehr Pflanzenwachstum und trockenere Böden – also eine größere Methan-Senke. Doch unter dem Strich wird dadurch die Erderwärmung durch Methan aus auftauenden Permafrostböden nur geringfügig verringert. bpo
Kolumbien tritt der Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) mit dem Mitgliedsstatus “Freund” bei, um gemeinsam mit Partnerakteuren am Öl- und Gasausstieg zu arbeiten. Das wurde am 31. August bekannt gegeben. Dan Jørgensen, dänischer Minister für globale Klimapolitik, erklärte, Kolumbien nehme mit der Intention, aus Öl und Gas auszusteigen, eine internationale Führungsrolle in der Klimapolitik ein.
Die BOGA ist eine Koalition aus Regierungen und anderen Partnern, die auf das Ziel hinarbeitet, den Gas- und Ölausstieg zu beschleunigen. Initiiert wurde sie von Dänemark und Costa Rica auf der COP26. Inzwischen sind 12 nationale und subnationale Regierungen Kernmitglieder, darüber hinaus gibt es außerordentliche Mitglieder und Freunde der BOGA.
Andrés Camacho Morales, Bergbau- und Energieminister von Kolumbien, schrieb auf X (ehemals Twitter), er freue sich, in der BOGA am gemeinsamen Ziel eines Übergangs hin zu Erneuerbaren zu arbeiten. Er hoffe, dass das Kolumbien auch wirtschaftlich voranbringen und zu einer gerechten Energiewende beitrage werde.
Kolumbiens linksgerichteter Präsident Gustavo Petro hatte schon im Wahlkampf im vergangenen Jahr versprochen, die Abhängigkeit des Landes von Fossilen zu beenden. Infolgedessen kündigte er an, keine neuen Lizenzen zur Öl- und Gasförderung mehr zu vergeben. Seitdem hatte es in der kolumbianischen Regierung aber immer wieder Streit um das Thema gegeben, weil das Land stark von den Einnahmen aus Öl- und Gasexporten abhängig ist. Zusätzlich trat im Juli die vorherige Energieministerin Irene Vélez wegen Machtmissbrauchs zurück. Der Beitritt zur BOGA demonstriert nach all diesen Konflikten nun etwas Einigkeit innerhalb der kolumbianischen Regierung. Ganz aus den Fossilen aussteigen will das Land aber noch nicht: Die Kohleproduktion nimmt aktuell stark zu. kul
Ideen für institutionelle Veränderungen beim UN-Klimarat IPCC haben 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorgelegt. In einem Kommentar in der Fachzeitschrift Nature Climate Change argumentieren sie, Reformen im IPCC seien notwendig, damit das Gremium auch in Zukunft in einer sich verändernden, politischen Welt relevant bleibe. Seine jetzige Ausrichtung und sein Fokus seien nicht mehr zeitgemäß. In Zukunft müsse sich der IPCC weniger mit den Auswirkungen und Gründen des Klimawandels, sondern mehr mit Ansätzen zur Emissionsminderung und Lösungen auseinandersetzen, erklärt dazu der Autor Adam Standring im britischen Guardian.
Bisher habe der IPCC vor allem gut funktioniert, weil er auf den fünf institutionellen Säulen von politischer Neutralität, diverserer Partizipation, Bildung von Konsens, einem geordneten Verfahren und staatlicher Anerkennung fuße. Er werde so als neutrale Instanz in Sachen Klima wahrgenommen. Bisher würden aber beispielsweise Minderheiten noch nicht genügend zu Wort kommen. Außerdem erfülle er in seiner aktuellen Form nicht mehr die öffentlichen Bedürfnisse und Anforderungen an ihn. Er stehe vor der Herausforderung, ein viel größeres Spektrum an Akteuren mit einer Wissensgrundlage für zukünftiges Handeln zu versorgen.
Die Autorinnen und Autoren des Kommentars fordern darum, dass sich das IPCC für den AR7 und die kommenden, kritischen Jahre für den Klimaschutz anpasst. Sie schlagen dafür drei mögliche Pfade vor:
Angeheizt von El Niño wütet in Europa die Klimakrise: Während eine Seite des Kontinents unter Dürre und Waldbränden leidet, führen heftigste Unwetter andernorts zu lokalen Stürmen, Starkregen, Überschwemmungen und Erdrutschen. Tote und Verletzte sowie Schäden in Milliardenhöhe sind die Folge.
Gleichzeitig verändert sich die geopolitische Lage rasant. Multiple, miteinander verflochtene globale Krisen treffen insbesondere Marginalisierte im Globalen Süden. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die globale Sicherheitsarchitektur drastisch verändert. China gewinnt Unterstützung für den Aufbau eines Gegenpols zur bestehenden (westlichen) Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft. Auch die Erweiterung der BRICS um vorrangig autokratisch geführte Staaten, die auf die Extraktion fossiler Energieträger bauen, trägt die Handschrift von Chinas Machthaber Xi. Mit der Priorisierung des BRICS-Gipfels und der Entscheidung, nicht zum G20-Gipfel zu kommen, sendet er ein weiteres Zeichen der Abgrenzung.
Schon in den vergangenen Jahren sind weitgehende Einigungen in den G20, ursprünglich das zentrale globale Nord-Süd-Forum, schwierig geworden – auch zur Klimapolitik. Dennoch: Die G20 erwirtschaften rund 80 Prozent des Welt-BIP und stoßen rund 80 Prozent der globalen Emissionen aus. Auf dem Gipfel werden die Weichen für hochrangige politische Foren der kommenden Monate gestellt, etwa für die UN-Vollversammlung und den Climate Ambition Summit des UN-Generalsekretärs, für das Jahrestreffen von Weltbank und IMF und den UN-Klimagipfel COP28.
Die Bundesregierung muss sich zur Wahrung von Deutschlands Interessen dafür einsetzen, dass die aktuelle dysfunktionale Nord-Süd-Geopolitik überwunden wird und an ihre Stelle ein stabiles und gerechtes multilaterales System mit gemeinsamen globalen Zielen entsteht. Als Bundeskanzler steht Olaf Scholz in der Verantwortung, auf dem G20-Gipfel eine Führungsrolle in der globalen Klimawende und Solidarität einzunehmen.
Scholz muss in Neu-Delhi den Ausstieg aus den fossilen Energien fordern und Angebote an Deutschlands Partner im Globalen Süden machen. Als Sozialdemokrat kann er dabei auf die SPD-Bundestagsfraktion bauen. Ein sozial gerechter Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger, eine breit aufgestellte Klimafinanzierung und die globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake) dessen, was die UN-Mitgliedsstaaten bisher in ihrer Klimapolitik erreicht oder nicht erreicht haben, gehören zu den Konturen sozialdemokratischer internationaler Klimapolitik.
In drei Feldern gilt es, Fortschritte zu erzielen:
Die Weltgemeinschaft muss sich zum Dreiklang aus dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern, einem massiven Ausbau der Kapazitäten Erneuerbarer Energien und einer Steigerung der Energieeffizienz bekennen. Das erfordert zusätzliche finanzielle Unterstützung der Industriestaaten. Bis 2030 müssen Wind- und Solaranlagen fünfmal schneller – also mit einer Rate von 1,5 Terawatt (TW) pro Jahr – installiert werden, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Es ist gut, dass der Bundeskanzler bereits ein globales Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren unterstützt. Die Energiewende ist eine globale Wachstumschance. Effektiver Klimaschutz ergibt sich aber nur bei gleichzeitigem Ausstieg aus den Fossilen. Der Bundeskanzler muss diese offensichtliche Notwendigkeit beim G20-Gipfel klar benennen.
Es ist höchste Zeit, über die historische Einigung zum weltweiten Kohleausstieg der COP26 hinauszugehen und Öl und Gas miteinzubeziehen. Dabei sind CCS und Technologien zur Emissionsverringerung (abatement) keine geeigneten Optionen für den Energiesektor, und ihre sinnvollen Anwendungen sind klar zu definieren und einzugrenzen, zum Beispiel auf Grundlage des IPCC.
Die internationale Finanzarchitektur (IFA) ist in ihrer jetzigen Form nicht für die Herausforderungen unserer Zeit gemacht. Ihre Institutionen bedürfen einer grundlegenden Reform. Der fiskalische Spielraum sowie öffentliche und private Investitionen für die Klimawende in Entwicklungsländern fehlen. Es gibt zu wenige Hilfen und Schuldenklauseln, die die Klimakrise berücksichtigen. In den G20 müssen die unterschiedlichen Reformvorschläge zusammengebunden und vorangebracht werden.
Deutschlands internationale Partner haben die Teilnahme des Bundeskanzlers als einzigem Staats- und Regierungschef eines Industriestaates neben Frankreichs Präsidenten am “Summit for a New Financial Pact” sehr positiv aufgenommen. Die Reformagenda war auch Thema auf dem Africa Climate Summit in Nairobi und dem Finance in Common Summit in Cartagena in der laufenden Woche. Jetzt gilt es, dranzubleiben und nachzulegen und die angestoßenen Reformen schnell und umfassend voranzutreiben. Dabei sollte der Bundeskanzler auch innovative Vorschläge aus dem Globalen Süden wie die Bridgetown-Initiative und das Expert Review on Debt, Nature and Climate unterstützten.
Die G20 können wichtige Impulse für die Globale Bestandsaufnahme der COP28 geben, um eine Kurskorrektur im globalen Klimaschutz einzuleiten. Der Bundeskanzler sollte sich den Forderungen nach ehrgeizigen, mit der 1,5-Grad-Grenze verträglichen staatlichen Reduktionszielen für 2030 und 2035, einem globalen Etappenziel von minus 60 Prozent bis 2035, einer Investitions- und Subventionsverlagerung von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern bis 2025, und der Umgestaltung der Ernährungssysteme und Landnutzung anschließen.
In Zeiten globaler Krisen und geopolitischer Verwerfungen sollte Deutschland aus eigenem Interesse einen starken internationalen Beitrag leisten. Als Bundeskanzler und Sozialdemokrat muss sich Olaf Scholz auf dem G20-Gipfel daher konsequent für eine ehrgeizige und gerechte globale Klimawende einsetzen.
Steffen Menzel leitet das Deutschland- und EU-Programm für Klimadiplomatie und Geopolitik beim Thinktank E3G.