Table.Standpunkt | Diplomatie
Erscheinungsdatum: 26. Oktober 2025

Wadephuls China-Absage: Stärke zeigen statt Selbstverzwergung

Reinhard Bütikofer (Grüne) gehört seit 2009 dem Europaparlament an.
Reinhard Bütikofer ist Ko-Vorsitzender der Deutsch-Taiwanischen Dialog-Plattform. (Rüdiger Wölk/Imago)

Die Verschiebung von Außenminister Wadephuls Chinareise ist kein diplomatischer Fehltritt, sondern ein notwendiges Signal. Wer deutsche Interessen klar benennt – von Chinas Unterstützung für Putins Krieg bis zu unfairen Handelspraktiken – darf sich nicht erpressen lassen.

Außenminister Wadephul hat seine Chinareise kurz vor Beginn verschoben, weil Peking nicht genug relevante Termine anbot, und viele deutsche Gemüter erregen sich. Es ist, wie so oft dieser Tage: Was immer passiert, es ist garantiert ein Zeichen für unseren Niedergang! „China will nicht mehr mit uns reden! Wir gelten nichts mehr!", so schallt es aus vielen Kanälen. Der Außenminister soll durch öffentliche Kritik Peking unbotmäßig verärgert haben.

Herr Wadephul hat Chinas Unterstützung für Putins Aggressionskrieg kritisiert. Dieser Krieg bedroht auch uns. Tatsächlich würde Russland den Krieg verlieren, wenn China nicht alle Technologie liefern würde, die Putin braucht. Zuletzt hat Xi Jinping angekündigt, keine Seltenen Erden mehr zu exportieren, sofern diese in Waffensystemen Verwendung finden sollen. Nicht mehr zu uns, nach Russland schon! Aber ohne Seltene Erden funktioniert kein einziges modernes Waffensystem. Also Ende Gelände, Zeitenwende? So gefährdet China unsere Sicherheit. Kein Thema für den Außenminister?

Herr Wadephul kritisierte, dass China durch aggressives Vorgehen die Stabilität in der ostasiatischen Region gefährdet. Das ist so und es berührt zentrale deutsche Handelsinteressen. Kein Thema? China verstößt seit Langem systematisch gegen Regeln der WTO und hat damit die multilaterale Handelsordnung untergraben, die für Deutschland so wichtig war. Kein Thema?

Ein deutscher Außenminister muss Deutschlands Interessen öffentlich artikulieren und auf der Basis natürlich den Dialog suchen. China sieht das offenbar anders. China wollte nur unter Vorbedingungen reden. Von dort aus verlangte man, Wadephul müsse öffentlich zurückrudern oder es werde eben keine sinnvollen Termine geben. In der Situation hat der Außenminister zu Recht das kleinere Übel gewählt. Selbstverzwergung gegenüber autoritären Staatslenkern war noch nie eine gute Idee und nur Dumme machen den gleichen Fehler immer wieder!

Aber sitzen wir nun nicht trotzdem in der Falle? Nein! Dass Deutschland für Peking außenpolitisch irrelevant sei, ist nämlich falsch. Was die KP Chinas an Wadephuls und auch des Kanzlers Kritik besonders aufregt, ist, dass diese so klar aus Deutschland kommt, aus dem Land, das gegenüber Chinas Politik in der Vergangenheit viel nachsichtiger war als andere Europäer oder gar als Brüssel. Berlin war lange Pekings Trumpfkarte gegen eine einheitliche Haltung zur Verteidigung europäischer Interessen und Werte. Zuletzt war das zu besichtigen beim „Nein” Berlins gegen die EU-Elektro-Zölle.

Tatsächlich reiht sich nun die neue Bundesregierung chinapolitisch nicht nur in den Geleitzug der EU ein, sondern gibt der EU damit wesentlich mehr Gewicht als ohne Berlin je erreichbar wäre. Das fürchtet China! Denn gegen ein mit dem Rest Europas und anderen gleichgesinnten Ländern gut kooperierendes Deutschland lässt sich nicht durchsetzen, dass einseitige ökonomische Abhängigkeit von China zu einem dauerhaften Kernelement der Beziehungen wird. Während Europa von De-Risking redet, will China diese Risiken zementieren und strategisch ausschlachten. Das Vorgehen bei den Seltenen Erden lässt daran keinen Zweifel.

Deutschland alleine hat keinen Löffel, der lang genug ist, um auf Dauer mit China aus der gleichen Suppenschüssel zu essen. Aber es ist, wie Stauffacher im Wilhelm Tell sagt: „Vereint sind auch die Schwachen mächtig.“ Da China uns heute nicht Partnerschaft bietet, sondern Dominanz verlangt, ist jede Hoffnung, besonders einfühlsames Herangehen werde Chinas Strategie aufweichen können, bestenfalls Selbstbetrug.

Xis China versteht nur die Sprache der Macht. Allerdings reicht das richtige Reden nicht. Eine Kooperation Gleichgesinnter in Europa und darüber hinaus muss praktische Gestalt gewinnen, etwa mit Japan, Australien, Kanada und auch mit Partnern aus dem sogenannten globalen Süden, die selber nicht wenig unter Chinas aggressiver Exportpolitik leiden. Zeigen wir dabei Entschlossenheit, wird Peking sicher reden wollen.

Reinhard Bütikofer war für die Grünen von 2009 bis 2024 im EU-Parlament. Er war dort Vorsitzender der China-Delegation des Europäischen Parlaments. Seit 2023 ist Bütikofer Ko-Vorsitzender der Deutsch-Taiwanischen Dialog-Plattform.

Letzte Aktualisierung: 27. Oktober 2025

Teilen
Kopiert!