ein strittiges Thema zwischen Europa und China bleibt Zwangsarbeit in den Lieferketten. Wie nun bekannt wurde, sollen Uiguren in Chinas Küstenprovinzen gegen ihren Willen Fisch und Meeresfrüchte für den europäischen Markt verarbeiten.
Das wirft die Frage auf, wie die Einfuhrbedingungen von Waren aus Xinjiang noch weiter verschärft werden können. Das Problem: Peking verteilt uigurische Arbeitskräfte in andere Teile Chinas, und das erschwert die Identifikation von Zwangsarbeit erheblich. Marcel Grzanna zeigt in seiner Analyse, wie die erzwungene Eingliederung der Menschen in den landesweiten Arbeitsmarkt abläuft und welche Konsequenzen die EU noch ziehen kann.
Warm anziehen müssen sich derweil Millionen von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern, die freiwillig ihre Heimatprovinzen verlassen haben. Sie haben die Brücken, Straßen und Hochhäuser gebaut, mit denen China sich heute schmückt, und zu Hunderttausenden in Fabriken für den Weltmarkt produziert. Wanderarbeiter haben ganz erheblich zu Chinas wirtschaftlichem Aufstieg beigetragen.
Nun kommt die erste Generation ins Rentenalter. Doch an Ruhestand ist für die meisten von ihnen nicht zu denken. Denn das, was ihnen als Rente zusteht, reicht nicht einmal fürs Essen, schreibt Fabian Kretschmer in seiner Analyse. Immerhin nehmen Millionen Nutzerinnen und Nutzer auf den sozialen Medien Anteil, nachdem ein chinesisches Online-Medium das Thema aufgegriffen hat.
Die Liste problematischer Produkte aus China wird immer länger. Nach Tomaten, Textilien, Baumwolle, Solarmodulen, Unterhaltungselektronik und Autoteilen rücken jetzt auch Fisch und Meeresfrüchte ins Zwielicht. Das Investigativ-Portal The Outlaw Ocean Project hat zahlreiche Beweise und Indizien dafür zusammengetragen, dass uigurische Männer und Frauen zur Arbeit in Lebensmittelbetrieben in chinesischen Küstenprovinzen gezwungen werden.
Mindestens 1.000 Uiguren und Uigurinnen seien demnach im Rahmen eines staatlichen Arbeitsprogramms an Unternehmen vermittelt worden, um dort gegen ihren Willen in der Weiterverarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten für den europäischen und nordamerikanischen Markt zu arbeiten. Auch mehrere Hundert nordkoreanische Staatsbürger sollen in diversen Fabriken der Region unfreiwillig beschäftigt sein.
Zu den namentlich genannten Unternehmen zählen unter anderem die Chishan Group, eine der führenden Produzenten von Fischerei-Produkten aus Shandong. Dass dort Uiguren aus Xinjiang zum Arbeiten vermittelt wurden, bestätigte laut dem Bericht ein Manager in einem Rundschreiben an die Mitarbeiter. Ebenso erwähnt wird Yantai Sanko Fisheries aus Shandong. Von dort tauchten Bilder auf, wie uigurische Arbeiter eine Rede von Chinas Parteichef Xi Jinping einstudierten – von einer städtischen Agentur offiziell verbreitet.
Zwangsarbeit bedeutet nicht automatisch, dass die Arbeiter nicht bezahlt werden. Manchmal werden sogar angemessene Löhne gewährt. Einer der Betroffenen beklagte sich jedoch beispielsweise, dass er keine andere Wahl gehabt hätte, als das Jobangebot anzunehmen. Die Untersuchung ergab, dass es Fälle gibt, in denen Menschen, die sich verweigerten, in Internierungslager geschafft wurden.
Auch Table.Media hat in der Vergangenheit mit Betroffenen gesprochen, die nicht aus freien Stücken in Fabriken in Xinjiang gearbeitet haben. Auch dort wurden Löhne gezahlt, allerdings der Großteil des Geldes einbehalten, um damit Kosten für Unterkunft, Ernährung oder Transport auszugleichen.
Die schweren Verstöße gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), die China seinerseits unterschrieben hat, begrenzen sich allerdings nicht nur auf die Arbeit in den Fabriken. Auch innerhalb der chinesischen Fischerei-Flotte kommt es laut dem Bericht zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Ausländische Arbeiter sollen auf den Booten teils unbezahlt und schlecht ernährt ihre Arbeit verrichten.
Die Bedingungen in der chinesischen Fischerei beschäftigen auch das Europäische Parlament seit einer Weile. Am Montagabend stimmten die Abgeordnete der Ausschüsse für Außen- und Innenhandel im EU-Parlament nun für einen Entwurf eines Einfuhrverbots, mit dem entsprechende Produkte aus Zwangsarbeit an den EU-Grenzen aus dem Verkehr gezogen werden sollen.
Die Parlamentarier wollen wirtschaftliche Anreize, sich als Unternehmen an Zwangsarbeit zu beteiligen oder wegzuschauen, bereits im Keim ersticken. Die EU-Kommission soll dem Parlamentsvorschlag zufolge eine Liste von Regionen und Wirtschaftsbereichen erstellen, in denen das Risiko für Zwangsarbeit besonders hoch ist. Kommt ein Produkt aus einer solchen Region, soll sich die Beweislast umkehren. Unternehmen müssten dann nachweisen, dass es in ihrer Lieferkette keine Zwangsarbeit gibt.
Die EU-Parlamentarier orientieren sich mit ihrem Vorstoß am Uyghur Forced Labor Prevention Act in den Vereinigten Staaten. Dort müssen Importeure von Produkten aus Xinjiang proaktiv nachweisen, dass ihre Lieferkette sauber ist. In Europa sind es noch die Behörden, auf denen die Beweislast liegt. Die Parlamentarier wollen möglichen Kritikern aus der Wirtschaft die Vorteile für ein konsequentes Verbot von Waren in der EU aufzeigen, deren saubere Wertschöpfung nicht zu 100 Prozent nachgewiesen werden kann. Das Verbot von Zwangsarbeit schütze auch Unternehmen, die sich an die Regeln halten, vor unlauterem Wettbewerb, heißt es.
Das Europaparlament forderte außerdem mehr Transparenz über die chinesische Hochseefischerei. Die chinesischen Behörden seien nicht offen in Bezug auf die Hochseefischerei-Flotte der Volksrepublik, kritisierten die EU-Abgeordneten am Dienstag in einer Resolution.
In den USA bringt der Bericht von The Outlaw Ocean Project über Zwangsarbeit in der Wertschöpfung von Fisch und Meeresfrüchten die Diskussion wieder in Fahrt. Die US-Behörde Congressional Executive Commission on China wird sich in der kommenden Woche mit dem Thema beschäftigen. Die Einfuhren der Produkte würden unter den gegebenen Umständen verboten sein. “Dennoch kaufen die US-Regierung, große Lebensmittelketten und Restaurants weiterhin Meeresfrüchte, die unter Einsatz von Zwangsarbeit in China gefangen und verarbeitet wurden”, heißt es in der Ankündigung der Anhörung.
Die Vermittlung von uigurischen Arbeitskräften in andere Teile Chinas erschwert die Identifikation von Zwangsarbeit erheblich. Der unfreiwillige Transfer ist Teil eines Programms, das der Xinjiang-Forscher Adrian Zenz “Camp-to-labor pipeline-system” nennt. In seiner jüngsten Studie “Innovating Panel Labor“, die Anfang Oktober in der Wissenschaftszeitung The China Journal veröffentlicht wurde, hat Zenz staatliche Dokumente, Augenzeugenberichte, Satelliten-Bilder und öffentliche Datensätze ins Verhältnis miteinander gesetzt.
Er analysiert die Verknüpfung der Inhaftierung von Uiguren in den Umerziehungslagern in Xinjiang mit der erzwungenen Eingliederung in den Arbeitsmarkt. “Die Gefangenen durchlaufen einen schrittweisen Prozess der Ausbildung, der teilweisen Entlassung und schließlich der vollständigen Entlassung in einen Zwangsarbeitseinsatz”, so Zenz.
Die Überführung in die Industrie gilt unter Xinjiang-Forschern als Mittel zur Fortsetzung einer engmaschigen Überwachung der Uiguren, nachdem sich die Zahl der Lagerinsassen in den vergangenen Jahre drastisch verringert hat. In den Fabriken stehen die Arbeitskräfte unter ständiger Beobachtung, was eine Inhaftierung in den Lagern nicht mehr nötig macht.
Zhao lebt bereits seit der Jahrtausendwende in Peking, wo er einst eine bessere Zukunft suchte. Tatsächlich jedoch fand er vor allem enttäuschte Hoffnungen: Trotz seiner mittlerweile 49 Jahre konnte Zhao wegen seiner mageren Ersparnisse niemals heiraten. Und von seinem Lohn als Wachmann in einem Wohnquartier kann er sich lediglich einen zehn Quadratmeter großen Kellerverschlag leisten, in dem es im Sommer schimmelt und im Winter fröstelt – eine Heizung gibt es dort nämlich nicht.
Zhao zählt zu Chinas verlorener Generation, die von der Wissenschaftlerin Qiu Fengxian von der Anhui Normal University in einer flächendeckenden Studie untersucht wurde. Mit 2.500 Fragebögen und 200 Tiefeninterviews wollte sie herausfinden, wie es der ersten Generation an Arbeitsmigranten heute geht: Jenen Chinesen also, die im Zuge der marktwirtschaftlichen Öffnung von den Provinzen in die großen Metropolen zogen, um dort in den Fabriken und auf Baustellen zu schuften. Nun haben sie über drei Dekaden gearbeitet, doch in Rente gehen nur die wenigsten.
Qius Ergebnisse sind niederschmetternd, weil sie das Bild einer Zwei-Klassen-Gesellschaft zeichnen: Während nämlich die durchschnittliche Pension in den Städten umgerechnet 400 Euro beträgt, erhalten die meisten der befragten Arbeitsmigranten weniger als ein Zehntel davon. Und über die Hälfte von ihnen verfügt über geringere Ersparnisse als 6.000 Euro. Wenig überraschend gaben mehr als 76 Prozent an, bis ins hohe Alter weiterzuarbeiten – auch wenn der Körper nicht mehr mitmacht. Arztbesuche stellen fast alle der Befragten so lange zurück, bis es nicht mehr anders geht.
Als ein chinesisches Online-Medium das Thema aufgriff, traf es auf einen immensen Widerhall. “Ich habe über 30 Jahre in der Stadt gearbeitet, doch am Ende bin ich kein bisschen besser dran als die Leute, die im Dorf geblieben sind”, lautet die Überschrift des Textes, der millionenfach auf sozialen Medien geteilt wurde. Die Zensoren, die umgehend ans Werk gingen, kamen mit dem Löschen kaum hinterher.
Denn das Thema passt so gar nicht ins Bild, das Staatschef Xi Jinping von seinem China zeichnet. Er hat 2021 bereits den “Sieg gegen die Armut” ausgerufen. Dass allerdings immer noch rund sechshundert Millionen Chinesen von umgerechnet 130 Euro Monatslohn oder weniger leben müssen, daran mahnte nur am Rande sein damalige Premier Li Keqiang.
Viele Chinesen in den großen Städten wissen kaum über das Schicksal der ersten Generation an Arbeitsmigranten Bescheid. Sie sind in den Städten zwar omnipräsent, aber dennoch sind sie im Alltag der meisten unsichtbar: Es sind stets Arbeitsmigranten aus den Provinzen, die in Shanghai und Peking das Essen ins Büro liefern, die U-Bahnlinien und Hochhäuser errichten und für einen Hungerlohn Wohnungen putzen.
Auch wenn sie maßgeblich zum Wohlstand der Volksrepublik beitrugen, haben sie unverhältnismäßig wenig vom wirtschaftlichen Aufstieg profitiert. Und aufgrund des staatlichen Haushalts-Registrierungssystems können die Wanderarbeiter in den Ostküstenmetropolen auch niemals vollwertige Bürger werden: Sie erhalten nicht dieselbe Gesundheitsversorgung, haben keinen Anspruch auf volle Sozialleistungen und ihre Kinder dürfen in den Metropolen nicht die Schule absolvieren.
Und wenn die günstigen Arbeitskräfte nicht mehr gebraucht werden, dann verscheucht man sie wie Tauben. Vor fünf Jahren begann die wohl systematischste “Säuberungsaktion” des damaligen Pekinger Bürgermeisters Cai Qi, der im Wortlaut versprach, gegen das “untere Ende der Bevölkerung” vorzugehen: Er ließ sämtliche Wanderarbeiter-Siedlungen im Stadtzentrum zerstören und verdrängte die Bewohner nach außerhalb des fünften Stadtrings.
Jene beschämende Aktion kostete dem heute 67-Jährigen jedoch keineswegs seine politische Karriere, ganz im Gegenteil: Vergangenes Jahr wurde Cai Qi von Staatschef Xi Jinping in den Ständigen Ausschuss des Politbüros befördert. Fabian Kretschmer
Die in Afghanistan herrschenden Taliban-Islamisten wollen sich Chinas milliardenschwerem Handelsprojekt Neue Seidenstraße anschließen. Dazu werde eine Delegation zu Gesprächen in die Volksrepublik entsandt, kündigte der afghanische Handelsminister Haji Nooruddin Azizi am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters an. “Wir haben China gebeten, uns die Teilnahme am chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor zu ermöglichen”, sagte Azizi. Dieser gilt als Vorzeigeprojekt der Belt and Road-Initiative. Chinas Präsident Xi Jinping hat diese Woche Vertreter aus mehr als 130 Ländern zum zehnjährigen Bestehen der “Neuen Seidenstraße” in Peking begrüßt.
Afghanistan kann China eine Fülle begehrter Bodenschätze bieten. Mehrere chinesische Unternehmen sind dort bereits tätig, darunter die Metallurgical Corp. of China, die mit der Taliban-Regierung und der früheren, vom Westen unterstützten Regierung Gespräche über den Aufbau eines großen Kupferbergwerks geführt hat.
Peking ist seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 bestrebt, seine Beziehungen zu der radikal-islamischen Regierung auszubauen. Im vergangenen Monat hat die Volksrepublik als erstes Land einen Botschafter in Kabul ernannt. Andere Länder haben ihre bisherigen Botschafter beibehalten oder einen Geschäftsträger ernannt, der der Regierung kein offizielles Beglaubigungsschreiben vorlegen muss. rtr
China soll der südkoreanischen Regierung zufolge eine große Zahl von Nordkoreanern zwangsweise in ihr Heimatland zurückgeführt haben. Am Freitag hat die Regierung in Seoul gegen dieses Vorgehen protestiert. Den Abgeschobenen drohen nach Angaben von Menschenrechtsgruppen Gefangenschaft und Misshandlung durch die nordkoreanischen Behörden. “Es scheint wahr zu sein, dass eine große Anzahl von Nordkoreanern in den drei nordöstlichen Provinzen Chinas in den Norden zurückgeführt worden ist”, sagte Koo Byoung-sam, ein Sprecher des südkoreanischen Vereinigungsministeriums, auf einer Medienkonferenz.
Südkorea sei allerdings nicht in der Lage gewesen, die Zahl der betroffenen Personen zu bestimmen und festzustellen, ob sich unter ihnen politische Überläufer befänden. Der ehemalige nordkoreanische Diplomat Tae Yong-ho, der jetzt Mitglied des südkoreanischen Parlaments ist, forderte das Außenministerium auf, den chinesischen Botschafter in Südkorea aus Protest vorzuladen.
Am Donnerstag hatte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums erklärt, es gebe keine “sogenannten Überläufer” in China. Er war zuvor auf einen Bericht angesprochen worden, wonach Peking diese Woche trotz eines Appells Südkoreas etwa 600 nordkoreanische Überläufer abgeschoben habe. Am Freitag sagte derselbe Sprecher, China werde die Angelegenheit weiterhin nach humanitären Grundsätzen sowie nach nationalem und internationalem Recht “angemessen behandeln”. China hat fliehende Nordkoreaner nie als Überläufer anerkannt und bezeichnet sie stattdessen als “Wirtschaftsmigranten”. rtr
In einem exklusiven Interview mit Sky News Australia hat die australische Journalistin Cheng Lei erstmals den Grund für ihre dreijährige Haft in einem chinesischen Gefängnis offengelegt: Demnach hatte sie die Sperrfrist für ein Briefing der chinesischen Regierung um nur wenige Minuten verletzt. “In China ist das eine große Sünde”, sagte Cheng. Im Interview äußerte sie sich nicht zu den Einzelheiten des von ihr veröffentlichten Briefing-Dokuments.
Cheng war im Sommer 2020 festgenommen und im April vergangenen Jahres in einem nicht-öffentlichen Gerichtsverfahren schuldig gesprochen worden. Man warf ihr vor, während ihrer Zeit als Moderatorin beim chinesischen TV-Auslandssender CGTN Staatsgeheimnisse ins Ausland weitergegeben zu haben. In dem TV-Interview am Dienstag sagte Cheng, ihr sei während ihrer sechsmonatigen Isolationshaft gesagt worden, sie habe die Autorität des Staates untergraben und durch ihre Handlungen “das Mutterland verletzt”. cyb
Knapp ein Monat ist seit der Veröffentlichung des verharmlosenden Reiseberichts der beiden deutschen Sinologen Thomas Heberer und Helwig Schmidt-Glintzer über die uigurische Region in der Neuen Zürcher Zeitung vergangen. Schon folgte vergangene Woche ein weiterer Artikel, den die KPCh nicht besser hätte verfassen können, diesmal in der Berliner Zeitung.
Hintergrund war eine von der chinesischen Regierung organisierte Propaganda-Tour für Journalisten durch die uigurische Region, bei der Deutschland nur von der Berliner Zeitung vertreten wurde. Diese von staatlicher Seite sorgfältig inszenierte Tour beinhaltete das Bestaunen von Fabriken, des Landhafens in Ürümchi und auch den Besuch einer uigurischen Bauernfamilie.
Der Artikel überschüttet die chinesische “Wirtschaftsoffensive” in der uigurischen Region Ostturkistan nur so mit Lob. Dass nach wie vor Tausende von Uiguren und Angehörige anderer Turkvölker im Rahmen von staatlicher Zwangsarbeit in Fabriken und auf Feldern arbeiten müssen, ignoriert er dabei.
Dabei genügt schon ein Blick in die offiziellen Zahlen der chinesischen Regierung: 14,33 Millionen Menschen wurden laut chinesischen Behörden im Rahmen von Programmen zur “Vermittlung von überschüssiger Arbeit”, ein chinesischer Euphemismus für Zwangsarbeit, zwischen 2016 und 2021 vermittelt. Letztes Jahr allein waren es 3,03 Millionen.
Der Völkermord an den Uiguren geht unvermindert weiter, nur die Strategie der KPCh ändert sich. So verlagert sich die Überwachung der Region immer stärker in den digitalen Raum, wodurch Straßenkontrollstellen immer weniger relevant werden. Auch mögen manche Internierungslager aufgelöst worden sein, lange Haftstrafen gegen Uiguren nehmen hingegen massiv zu.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass die zu uigurischen Traditionen forschende Professorin Rahile Dawut zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Das Gutachten der vorherigen Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte spricht 2022 in diesem Zusammenhang von potenziellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Viele Parlamente, wie die Niederlande und Großbritannien, gehen noch weiter und stufen die schwerwiegenden Vergehen der chinesischen Regierung als Völkermord ein.
Aber um Fakten und ausgewogene Berichterstattung geht es der Berliner Zeitung nicht, sondern um die ungefilterte Verbreitung der chinesischen Propaganda. Besonders schockierend an dem Bericht ist der Besuch einer uigurischen Bauernfamilie, die, umzingelt von Vertretern des chinesischen Staates und internationalen Journalisten, das glückliche Bauernleben mit frischen Früchten vorspielen musste.
Der Zynismus dieser Posse ist kaum zu übertreffen. Nach sieben Jahren brutalster “Umerziehung” ist dieser Familie klar, dass ein falsches Wort, eine falsche Bewegung für sie das Schlimmste bedeutet. Erdrückende Angst regiert das Leben der Uiguren. Zu jeder Stunde können Sie oder ihre Verwandten von den chinesischen Behörden in die brutalen Folterkammern der Gefängnisse oder Internierungslager abgeführt werden.
Andere an der Tour beteiligte Medien wie ABC NEWS Australia berichteten kritisch über die ständige Überwachung während der Reise. Auch sei es nicht möglich gewesen, frei mit Uiguren zu sprechen oder die Internierungslager zu besuchen. Die chinesische Regierung blockiert nach wie vor jegliche investigative Recherche in der Region.
Aktuell gibt es mehr als fünfzehn Anfragen von UN-Experten zur Durchführung einer unabhängigen Untersuchung in Ostturkestan. Manche wurden innerhalb von 20 Jahren mehrmals gestellt, ohne jemals eine Genehmigung von chinesischer Seite zu erhalten. Statt die Methoden der chinesischen Desinformationskampagne zu enthüllen, lässt sich die Berliner Zeitung hemmungslos als Propagandasprachrohr der KPCh instrumentalisieren.
ein strittiges Thema zwischen Europa und China bleibt Zwangsarbeit in den Lieferketten. Wie nun bekannt wurde, sollen Uiguren in Chinas Küstenprovinzen gegen ihren Willen Fisch und Meeresfrüchte für den europäischen Markt verarbeiten.
Das wirft die Frage auf, wie die Einfuhrbedingungen von Waren aus Xinjiang noch weiter verschärft werden können. Das Problem: Peking verteilt uigurische Arbeitskräfte in andere Teile Chinas, und das erschwert die Identifikation von Zwangsarbeit erheblich. Marcel Grzanna zeigt in seiner Analyse, wie die erzwungene Eingliederung der Menschen in den landesweiten Arbeitsmarkt abläuft und welche Konsequenzen die EU noch ziehen kann.
Warm anziehen müssen sich derweil Millionen von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern, die freiwillig ihre Heimatprovinzen verlassen haben. Sie haben die Brücken, Straßen und Hochhäuser gebaut, mit denen China sich heute schmückt, und zu Hunderttausenden in Fabriken für den Weltmarkt produziert. Wanderarbeiter haben ganz erheblich zu Chinas wirtschaftlichem Aufstieg beigetragen.
Nun kommt die erste Generation ins Rentenalter. Doch an Ruhestand ist für die meisten von ihnen nicht zu denken. Denn das, was ihnen als Rente zusteht, reicht nicht einmal fürs Essen, schreibt Fabian Kretschmer in seiner Analyse. Immerhin nehmen Millionen Nutzerinnen und Nutzer auf den sozialen Medien Anteil, nachdem ein chinesisches Online-Medium das Thema aufgegriffen hat.
Die Liste problematischer Produkte aus China wird immer länger. Nach Tomaten, Textilien, Baumwolle, Solarmodulen, Unterhaltungselektronik und Autoteilen rücken jetzt auch Fisch und Meeresfrüchte ins Zwielicht. Das Investigativ-Portal The Outlaw Ocean Project hat zahlreiche Beweise und Indizien dafür zusammengetragen, dass uigurische Männer und Frauen zur Arbeit in Lebensmittelbetrieben in chinesischen Küstenprovinzen gezwungen werden.
Mindestens 1.000 Uiguren und Uigurinnen seien demnach im Rahmen eines staatlichen Arbeitsprogramms an Unternehmen vermittelt worden, um dort gegen ihren Willen in der Weiterverarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten für den europäischen und nordamerikanischen Markt zu arbeiten. Auch mehrere Hundert nordkoreanische Staatsbürger sollen in diversen Fabriken der Region unfreiwillig beschäftigt sein.
Zu den namentlich genannten Unternehmen zählen unter anderem die Chishan Group, eine der führenden Produzenten von Fischerei-Produkten aus Shandong. Dass dort Uiguren aus Xinjiang zum Arbeiten vermittelt wurden, bestätigte laut dem Bericht ein Manager in einem Rundschreiben an die Mitarbeiter. Ebenso erwähnt wird Yantai Sanko Fisheries aus Shandong. Von dort tauchten Bilder auf, wie uigurische Arbeiter eine Rede von Chinas Parteichef Xi Jinping einstudierten – von einer städtischen Agentur offiziell verbreitet.
Zwangsarbeit bedeutet nicht automatisch, dass die Arbeiter nicht bezahlt werden. Manchmal werden sogar angemessene Löhne gewährt. Einer der Betroffenen beklagte sich jedoch beispielsweise, dass er keine andere Wahl gehabt hätte, als das Jobangebot anzunehmen. Die Untersuchung ergab, dass es Fälle gibt, in denen Menschen, die sich verweigerten, in Internierungslager geschafft wurden.
Auch Table.Media hat in der Vergangenheit mit Betroffenen gesprochen, die nicht aus freien Stücken in Fabriken in Xinjiang gearbeitet haben. Auch dort wurden Löhne gezahlt, allerdings der Großteil des Geldes einbehalten, um damit Kosten für Unterkunft, Ernährung oder Transport auszugleichen.
Die schweren Verstöße gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), die China seinerseits unterschrieben hat, begrenzen sich allerdings nicht nur auf die Arbeit in den Fabriken. Auch innerhalb der chinesischen Fischerei-Flotte kommt es laut dem Bericht zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Ausländische Arbeiter sollen auf den Booten teils unbezahlt und schlecht ernährt ihre Arbeit verrichten.
Die Bedingungen in der chinesischen Fischerei beschäftigen auch das Europäische Parlament seit einer Weile. Am Montagabend stimmten die Abgeordnete der Ausschüsse für Außen- und Innenhandel im EU-Parlament nun für einen Entwurf eines Einfuhrverbots, mit dem entsprechende Produkte aus Zwangsarbeit an den EU-Grenzen aus dem Verkehr gezogen werden sollen.
Die Parlamentarier wollen wirtschaftliche Anreize, sich als Unternehmen an Zwangsarbeit zu beteiligen oder wegzuschauen, bereits im Keim ersticken. Die EU-Kommission soll dem Parlamentsvorschlag zufolge eine Liste von Regionen und Wirtschaftsbereichen erstellen, in denen das Risiko für Zwangsarbeit besonders hoch ist. Kommt ein Produkt aus einer solchen Region, soll sich die Beweislast umkehren. Unternehmen müssten dann nachweisen, dass es in ihrer Lieferkette keine Zwangsarbeit gibt.
Die EU-Parlamentarier orientieren sich mit ihrem Vorstoß am Uyghur Forced Labor Prevention Act in den Vereinigten Staaten. Dort müssen Importeure von Produkten aus Xinjiang proaktiv nachweisen, dass ihre Lieferkette sauber ist. In Europa sind es noch die Behörden, auf denen die Beweislast liegt. Die Parlamentarier wollen möglichen Kritikern aus der Wirtschaft die Vorteile für ein konsequentes Verbot von Waren in der EU aufzeigen, deren saubere Wertschöpfung nicht zu 100 Prozent nachgewiesen werden kann. Das Verbot von Zwangsarbeit schütze auch Unternehmen, die sich an die Regeln halten, vor unlauterem Wettbewerb, heißt es.
Das Europaparlament forderte außerdem mehr Transparenz über die chinesische Hochseefischerei. Die chinesischen Behörden seien nicht offen in Bezug auf die Hochseefischerei-Flotte der Volksrepublik, kritisierten die EU-Abgeordneten am Dienstag in einer Resolution.
In den USA bringt der Bericht von The Outlaw Ocean Project über Zwangsarbeit in der Wertschöpfung von Fisch und Meeresfrüchten die Diskussion wieder in Fahrt. Die US-Behörde Congressional Executive Commission on China wird sich in der kommenden Woche mit dem Thema beschäftigen. Die Einfuhren der Produkte würden unter den gegebenen Umständen verboten sein. “Dennoch kaufen die US-Regierung, große Lebensmittelketten und Restaurants weiterhin Meeresfrüchte, die unter Einsatz von Zwangsarbeit in China gefangen und verarbeitet wurden”, heißt es in der Ankündigung der Anhörung.
Die Vermittlung von uigurischen Arbeitskräften in andere Teile Chinas erschwert die Identifikation von Zwangsarbeit erheblich. Der unfreiwillige Transfer ist Teil eines Programms, das der Xinjiang-Forscher Adrian Zenz “Camp-to-labor pipeline-system” nennt. In seiner jüngsten Studie “Innovating Panel Labor“, die Anfang Oktober in der Wissenschaftszeitung The China Journal veröffentlicht wurde, hat Zenz staatliche Dokumente, Augenzeugenberichte, Satelliten-Bilder und öffentliche Datensätze ins Verhältnis miteinander gesetzt.
Er analysiert die Verknüpfung der Inhaftierung von Uiguren in den Umerziehungslagern in Xinjiang mit der erzwungenen Eingliederung in den Arbeitsmarkt. “Die Gefangenen durchlaufen einen schrittweisen Prozess der Ausbildung, der teilweisen Entlassung und schließlich der vollständigen Entlassung in einen Zwangsarbeitseinsatz”, so Zenz.
Die Überführung in die Industrie gilt unter Xinjiang-Forschern als Mittel zur Fortsetzung einer engmaschigen Überwachung der Uiguren, nachdem sich die Zahl der Lagerinsassen in den vergangenen Jahre drastisch verringert hat. In den Fabriken stehen die Arbeitskräfte unter ständiger Beobachtung, was eine Inhaftierung in den Lagern nicht mehr nötig macht.
Zhao lebt bereits seit der Jahrtausendwende in Peking, wo er einst eine bessere Zukunft suchte. Tatsächlich jedoch fand er vor allem enttäuschte Hoffnungen: Trotz seiner mittlerweile 49 Jahre konnte Zhao wegen seiner mageren Ersparnisse niemals heiraten. Und von seinem Lohn als Wachmann in einem Wohnquartier kann er sich lediglich einen zehn Quadratmeter großen Kellerverschlag leisten, in dem es im Sommer schimmelt und im Winter fröstelt – eine Heizung gibt es dort nämlich nicht.
Zhao zählt zu Chinas verlorener Generation, die von der Wissenschaftlerin Qiu Fengxian von der Anhui Normal University in einer flächendeckenden Studie untersucht wurde. Mit 2.500 Fragebögen und 200 Tiefeninterviews wollte sie herausfinden, wie es der ersten Generation an Arbeitsmigranten heute geht: Jenen Chinesen also, die im Zuge der marktwirtschaftlichen Öffnung von den Provinzen in die großen Metropolen zogen, um dort in den Fabriken und auf Baustellen zu schuften. Nun haben sie über drei Dekaden gearbeitet, doch in Rente gehen nur die wenigsten.
Qius Ergebnisse sind niederschmetternd, weil sie das Bild einer Zwei-Klassen-Gesellschaft zeichnen: Während nämlich die durchschnittliche Pension in den Städten umgerechnet 400 Euro beträgt, erhalten die meisten der befragten Arbeitsmigranten weniger als ein Zehntel davon. Und über die Hälfte von ihnen verfügt über geringere Ersparnisse als 6.000 Euro. Wenig überraschend gaben mehr als 76 Prozent an, bis ins hohe Alter weiterzuarbeiten – auch wenn der Körper nicht mehr mitmacht. Arztbesuche stellen fast alle der Befragten so lange zurück, bis es nicht mehr anders geht.
Als ein chinesisches Online-Medium das Thema aufgriff, traf es auf einen immensen Widerhall. “Ich habe über 30 Jahre in der Stadt gearbeitet, doch am Ende bin ich kein bisschen besser dran als die Leute, die im Dorf geblieben sind”, lautet die Überschrift des Textes, der millionenfach auf sozialen Medien geteilt wurde. Die Zensoren, die umgehend ans Werk gingen, kamen mit dem Löschen kaum hinterher.
Denn das Thema passt so gar nicht ins Bild, das Staatschef Xi Jinping von seinem China zeichnet. Er hat 2021 bereits den “Sieg gegen die Armut” ausgerufen. Dass allerdings immer noch rund sechshundert Millionen Chinesen von umgerechnet 130 Euro Monatslohn oder weniger leben müssen, daran mahnte nur am Rande sein damalige Premier Li Keqiang.
Viele Chinesen in den großen Städten wissen kaum über das Schicksal der ersten Generation an Arbeitsmigranten Bescheid. Sie sind in den Städten zwar omnipräsent, aber dennoch sind sie im Alltag der meisten unsichtbar: Es sind stets Arbeitsmigranten aus den Provinzen, die in Shanghai und Peking das Essen ins Büro liefern, die U-Bahnlinien und Hochhäuser errichten und für einen Hungerlohn Wohnungen putzen.
Auch wenn sie maßgeblich zum Wohlstand der Volksrepublik beitrugen, haben sie unverhältnismäßig wenig vom wirtschaftlichen Aufstieg profitiert. Und aufgrund des staatlichen Haushalts-Registrierungssystems können die Wanderarbeiter in den Ostküstenmetropolen auch niemals vollwertige Bürger werden: Sie erhalten nicht dieselbe Gesundheitsversorgung, haben keinen Anspruch auf volle Sozialleistungen und ihre Kinder dürfen in den Metropolen nicht die Schule absolvieren.
Und wenn die günstigen Arbeitskräfte nicht mehr gebraucht werden, dann verscheucht man sie wie Tauben. Vor fünf Jahren begann die wohl systematischste “Säuberungsaktion” des damaligen Pekinger Bürgermeisters Cai Qi, der im Wortlaut versprach, gegen das “untere Ende der Bevölkerung” vorzugehen: Er ließ sämtliche Wanderarbeiter-Siedlungen im Stadtzentrum zerstören und verdrängte die Bewohner nach außerhalb des fünften Stadtrings.
Jene beschämende Aktion kostete dem heute 67-Jährigen jedoch keineswegs seine politische Karriere, ganz im Gegenteil: Vergangenes Jahr wurde Cai Qi von Staatschef Xi Jinping in den Ständigen Ausschuss des Politbüros befördert. Fabian Kretschmer
Die in Afghanistan herrschenden Taliban-Islamisten wollen sich Chinas milliardenschwerem Handelsprojekt Neue Seidenstraße anschließen. Dazu werde eine Delegation zu Gesprächen in die Volksrepublik entsandt, kündigte der afghanische Handelsminister Haji Nooruddin Azizi am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters an. “Wir haben China gebeten, uns die Teilnahme am chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor zu ermöglichen”, sagte Azizi. Dieser gilt als Vorzeigeprojekt der Belt and Road-Initiative. Chinas Präsident Xi Jinping hat diese Woche Vertreter aus mehr als 130 Ländern zum zehnjährigen Bestehen der “Neuen Seidenstraße” in Peking begrüßt.
Afghanistan kann China eine Fülle begehrter Bodenschätze bieten. Mehrere chinesische Unternehmen sind dort bereits tätig, darunter die Metallurgical Corp. of China, die mit der Taliban-Regierung und der früheren, vom Westen unterstützten Regierung Gespräche über den Aufbau eines großen Kupferbergwerks geführt hat.
Peking ist seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 bestrebt, seine Beziehungen zu der radikal-islamischen Regierung auszubauen. Im vergangenen Monat hat die Volksrepublik als erstes Land einen Botschafter in Kabul ernannt. Andere Länder haben ihre bisherigen Botschafter beibehalten oder einen Geschäftsträger ernannt, der der Regierung kein offizielles Beglaubigungsschreiben vorlegen muss. rtr
China soll der südkoreanischen Regierung zufolge eine große Zahl von Nordkoreanern zwangsweise in ihr Heimatland zurückgeführt haben. Am Freitag hat die Regierung in Seoul gegen dieses Vorgehen protestiert. Den Abgeschobenen drohen nach Angaben von Menschenrechtsgruppen Gefangenschaft und Misshandlung durch die nordkoreanischen Behörden. “Es scheint wahr zu sein, dass eine große Anzahl von Nordkoreanern in den drei nordöstlichen Provinzen Chinas in den Norden zurückgeführt worden ist”, sagte Koo Byoung-sam, ein Sprecher des südkoreanischen Vereinigungsministeriums, auf einer Medienkonferenz.
Südkorea sei allerdings nicht in der Lage gewesen, die Zahl der betroffenen Personen zu bestimmen und festzustellen, ob sich unter ihnen politische Überläufer befänden. Der ehemalige nordkoreanische Diplomat Tae Yong-ho, der jetzt Mitglied des südkoreanischen Parlaments ist, forderte das Außenministerium auf, den chinesischen Botschafter in Südkorea aus Protest vorzuladen.
Am Donnerstag hatte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums erklärt, es gebe keine “sogenannten Überläufer” in China. Er war zuvor auf einen Bericht angesprochen worden, wonach Peking diese Woche trotz eines Appells Südkoreas etwa 600 nordkoreanische Überläufer abgeschoben habe. Am Freitag sagte derselbe Sprecher, China werde die Angelegenheit weiterhin nach humanitären Grundsätzen sowie nach nationalem und internationalem Recht “angemessen behandeln”. China hat fliehende Nordkoreaner nie als Überläufer anerkannt und bezeichnet sie stattdessen als “Wirtschaftsmigranten”. rtr
In einem exklusiven Interview mit Sky News Australia hat die australische Journalistin Cheng Lei erstmals den Grund für ihre dreijährige Haft in einem chinesischen Gefängnis offengelegt: Demnach hatte sie die Sperrfrist für ein Briefing der chinesischen Regierung um nur wenige Minuten verletzt. “In China ist das eine große Sünde”, sagte Cheng. Im Interview äußerte sie sich nicht zu den Einzelheiten des von ihr veröffentlichten Briefing-Dokuments.
Cheng war im Sommer 2020 festgenommen und im April vergangenen Jahres in einem nicht-öffentlichen Gerichtsverfahren schuldig gesprochen worden. Man warf ihr vor, während ihrer Zeit als Moderatorin beim chinesischen TV-Auslandssender CGTN Staatsgeheimnisse ins Ausland weitergegeben zu haben. In dem TV-Interview am Dienstag sagte Cheng, ihr sei während ihrer sechsmonatigen Isolationshaft gesagt worden, sie habe die Autorität des Staates untergraben und durch ihre Handlungen “das Mutterland verletzt”. cyb
Knapp ein Monat ist seit der Veröffentlichung des verharmlosenden Reiseberichts der beiden deutschen Sinologen Thomas Heberer und Helwig Schmidt-Glintzer über die uigurische Region in der Neuen Zürcher Zeitung vergangen. Schon folgte vergangene Woche ein weiterer Artikel, den die KPCh nicht besser hätte verfassen können, diesmal in der Berliner Zeitung.
Hintergrund war eine von der chinesischen Regierung organisierte Propaganda-Tour für Journalisten durch die uigurische Region, bei der Deutschland nur von der Berliner Zeitung vertreten wurde. Diese von staatlicher Seite sorgfältig inszenierte Tour beinhaltete das Bestaunen von Fabriken, des Landhafens in Ürümchi und auch den Besuch einer uigurischen Bauernfamilie.
Der Artikel überschüttet die chinesische “Wirtschaftsoffensive” in der uigurischen Region Ostturkistan nur so mit Lob. Dass nach wie vor Tausende von Uiguren und Angehörige anderer Turkvölker im Rahmen von staatlicher Zwangsarbeit in Fabriken und auf Feldern arbeiten müssen, ignoriert er dabei.
Dabei genügt schon ein Blick in die offiziellen Zahlen der chinesischen Regierung: 14,33 Millionen Menschen wurden laut chinesischen Behörden im Rahmen von Programmen zur “Vermittlung von überschüssiger Arbeit”, ein chinesischer Euphemismus für Zwangsarbeit, zwischen 2016 und 2021 vermittelt. Letztes Jahr allein waren es 3,03 Millionen.
Der Völkermord an den Uiguren geht unvermindert weiter, nur die Strategie der KPCh ändert sich. So verlagert sich die Überwachung der Region immer stärker in den digitalen Raum, wodurch Straßenkontrollstellen immer weniger relevant werden. Auch mögen manche Internierungslager aufgelöst worden sein, lange Haftstrafen gegen Uiguren nehmen hingegen massiv zu.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass die zu uigurischen Traditionen forschende Professorin Rahile Dawut zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Das Gutachten der vorherigen Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte spricht 2022 in diesem Zusammenhang von potenziellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Viele Parlamente, wie die Niederlande und Großbritannien, gehen noch weiter und stufen die schwerwiegenden Vergehen der chinesischen Regierung als Völkermord ein.
Aber um Fakten und ausgewogene Berichterstattung geht es der Berliner Zeitung nicht, sondern um die ungefilterte Verbreitung der chinesischen Propaganda. Besonders schockierend an dem Bericht ist der Besuch einer uigurischen Bauernfamilie, die, umzingelt von Vertretern des chinesischen Staates und internationalen Journalisten, das glückliche Bauernleben mit frischen Früchten vorspielen musste.
Der Zynismus dieser Posse ist kaum zu übertreffen. Nach sieben Jahren brutalster “Umerziehung” ist dieser Familie klar, dass ein falsches Wort, eine falsche Bewegung für sie das Schlimmste bedeutet. Erdrückende Angst regiert das Leben der Uiguren. Zu jeder Stunde können Sie oder ihre Verwandten von den chinesischen Behörden in die brutalen Folterkammern der Gefängnisse oder Internierungslager abgeführt werden.
Andere an der Tour beteiligte Medien wie ABC NEWS Australia berichteten kritisch über die ständige Überwachung während der Reise. Auch sei es nicht möglich gewesen, frei mit Uiguren zu sprechen oder die Internierungslager zu besuchen. Die chinesische Regierung blockiert nach wie vor jegliche investigative Recherche in der Region.
Aktuell gibt es mehr als fünfzehn Anfragen von UN-Experten zur Durchführung einer unabhängigen Untersuchung in Ostturkestan. Manche wurden innerhalb von 20 Jahren mehrmals gestellt, ohne jemals eine Genehmigung von chinesischer Seite zu erhalten. Statt die Methoden der chinesischen Desinformationskampagne zu enthüllen, lässt sich die Berliner Zeitung hemmungslos als Propagandasprachrohr der KPCh instrumentalisieren.