Table.Briefing: China

Zinssenkungen sollen den Aufschwung bringen + Artikel 23 schürt Ängste in Hongkong

Liebe Leserin, lieber Leser,

die chinesische Zentralbank soll es jetzt richten. Sie will der Wirtschaft über niedrige Zinsen ausreichend Geld zuführen, damit mehr Investitionen möglich sind. Wie sich das mit der Ankündigung des Premiers vom Dienstag verträgt, künftig weniger Kreditrisiken in Kauf zu nehmen, bleibt aber unklar, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.

Niedrige Zinsen erhöhen in der Regel das Risikoniveau in einer Volkswirtschaft. Wer nicht viel Zinsen zahlen muss, achtet nicht so sehr auf die Qualität seines Projekts. Das widerspricht dem Grundgedanken der aktuellen Wirtschaftspolitik, nicht wieder so hohe Risiken entstehen zu lassen wie am Immobilienmarkt. Ökonomen erwarten daher ein erhebliches Maß an Mikromanagement der Kreditvergabe durch die Regierung.

Sie wird auswählen wollen, welche Branchen von der lockeren Geldpolitik profitieren und welche nicht – das klassische Muster, das auch seine Spuren am Aktienmarkt hinterlassen wird. Denn die Förderungen einzelner Branchen befeuern die Kurse. Wie das nun wieder mit der Aussage des neuen Chefs der Börsenaufsicht zusammenpasst, ist ebenso unklar. Man wolle künftig auf Fairness achten und Börsenmanipulationen bekämpfen, um dadurch Kleinanleger zu schützen. Ein hehres Ziel, wenn man bedenkt, dass die Manipulation durch staatliche Eingriffe erheblich gefördert wird.

Chinas Politik praktiziert die Ignoranz möglicher negativer Begleiterscheinungen eben bis zur Perfektion. So wie sie die massive Kritik aus dem Ausland an der Verschärfung des Sicherheitsgesetzes in Hongkong ignoriert. Der sogenannte Artikel 23 provoziert bei Amerikanern und Europäern große Sorgen vor einer Verschlechterung des geschäftlichen Klimas, was Hongkong doch unbedingt vermeiden will. Eine Kehrtwende ist aber dennoch ausgeschlossen.

Nationale Sicherheit hat eben vor allem anderen Priorität in der Volksrepublik und seinen Sonderverwaltungszonen. Wobei nationale Sicherheit synonym mit der Absicherung des Machtmonopols der Führungselite verwendet werden darf. Da ist das Geschäftsklima eben allenfalls zweitrangig.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Wirtschaftsplaner des chinesischen Volkskongresses stellen billiges Geld in Aussicht

Pan Gongsheng, Chef der Zentralbank, kündigte eine lockerere Geldpolitik an.

Chinas Premier traut sich zwar bei diesem Nationalen Volkskongress nicht vor die Presse, aber immerhin die Wirtschaftsplaner haben den Medien am Mittwoch Rede und Antwort gestanden – im Rahmen dessen, was in China üblich ist. Der Zentralbank kommt demnach eine führende Rolle dabei zu, das ehrgeizige Wachstumsziel von rund fünf Prozent im laufenden Jahr einzuhalten. Sie will der Wirtschaft genug Geld zuführen, damit Investitionen möglich sind. Wie sich das mit der Ankündigung des Premiers vom Dienstag verträgt, künftig weniger Kreditrisiken in Kauf zu nehmen, blieb aber unklar.

Das Format der Pressekonferenz vom Mittwoch im Rahmen des NVK war neu. Gleich fünf Top-Wirtschaftsplaner waren dabei:

  • die People’s Bank of China (PBoC), also die Zentralbank,
  • das Finanz- und das
  • Handelsministerium,
  • das Wirtschaftsplanungsministerium NDRC und die
  • Wertpapieraufsicht CSRC.

Erste Antworten – und neue Fragen

Am Dienstag war offengeblieben, auf welchem Wege die Regierung ihr Wachstumsziel erreichen will. Chinas Volkswirtschaft ist ebenso groß wie die der EU, für ein Plus von fünf Prozent ist ein erhebliches Mehr an Waren und Diensten nötig. Die klassischen Wachstumstreiber fallen aber derzeit aus. Das waren Immobilieninvestitionen und Infrastrukturprojekte der Gemeinden und Provinzen. Beide Bereiche sind unter ihrer Schuldenlast zusammengebrochen.

Eine lockerere Geldpolitik soll nun aber zumindest anderen Sektoren helfen, wieder mehr zu investieren. “Chinas geldpolitischer Werkzeugkasten ist prall gefüllt”, sagte PBoC-Chef Pan Gongsheng. “Es gibt noch reichlich Luft für geldpolitische Maßnahmen.” Gemeint sind damit: niedrigere Zinsen und einfachere Finanzierung neuer Projekte.

Nebenwirkungen erwartet

Doch niedrige Zinsen erhöhen in der Regel das Risikoniveau in einer Volkswirtschaft. Wer nicht viel Zinsen zahlen muss, achtet nicht so sehr auf die Qualität seines Projekts. Das widerspricht dem Grundgedanken der aktuellen Wirtschaftspolitik, nicht wieder so hohe Risiken entstehen zu lassen wie am Immobilienmarkt. Ökonomen erwarten daher ein erhebliches Maß an Mikromanagement der Kreditvergabe durch die Regierung. Sie wird auswählen wollen, welche Branchen von der lockeren Geldpolitik profitieren und welche nicht.

Dazu kommt die Sorge vor einer Abwertung des Yuan, die die Ungleichgewichte im Welthandel verstärken könnte. Wenn die Zinsen in China sinken und im Rest der Welt wegen Inflation steigen, dann verlässt Kapital China und geht dahin, wo die Zinsen höher sind. Obwohl chinesische Waren weltweit gefragt sind und der Wechselkurs des Yuan steigen sollte, entsteht dadurch Abwertungsdruck, erläutert Horst Löchel, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Das macht chinesische Waren noch günstiger und damit gefragter. China hat aber schon riesige Handelsüberschüsse mit den USA und der EU, die Wirtschaftspolitiker in den anderen Blöcken ärgern.

Regierung will Anleger an die Börse locken

Die Marktaufsicht CSRC (China Securities Regulatory Commission) möchte derweil neue Investitionskanäle schaffen, damit die chinesischen Anleger ihr Geld nicht nur in Immobilien stecken können. Sie will dazu Börsenmanipulationen bekämpfen und dadurch vor allem Kleinanleger schützen. “Als Aufsichtsbehörde müssen wir auf Fairness achten, insbesondere in einem Markt, der von Kleinanlegern dominiert wird”, sagte der neue CSRC-Chef Wu Qing auf der Pressekonferenz.

Auch die Qualitätskriterien für gelistete Unternehmen sollen angehoben werden. Davon erhofft sich Wu mehr Investitionen, insbesondere über langfristige Fonds. “Wir werden hart gegen Betrug, Marktmanipulation und Insiderhandel vorgehen”, sagte er. Der chinesische Wertpapiermarkt ist unter anderem wegen der schleppenden Wirtschaft, regulatorischen Maßnahmen und einer Immobilienkrise drei Jahre in Folge geschrumpft. Kurz darauf übernahm Wu den Chefposten bei der CSRC und verschärfte die Gangart gegenüber Leerverkäufen und Wertpapierbetrug.

  • CSRC
  • Konjunktur
  • Nationaler Volkskongress
  • NDRC
Translation missing.

Einführung des verschärften Sicherheitsgesetzes befeuert die Sorgen der EU um das Geschäftsklima in Hongkong

Hongkongs Regierungschef bei der Pressekonferenz

China blendet Kritik an einer Verschärfung des Sicherheitsgesetzes in Hongkong kategorisch aus. Am Mittwoch sprach Vizepremier Ding Xuexiang von einem gesellschaftlichen Konsens über das Gesetz, von dem jeder wolle, dass es so schnell wie möglich verabschiedet werde. Ding teilte diese Einschätzung in Gesprächen mit Delegierten der Politischen Konsultativkonferenz des Nationalen Volkskongresses aus Hongkong und Macau. Das berichtete das öffentlich-rechtliche Radio Television Hong Kong (RTHK).

Ding leitete seine Beurteilung aus dem Ergebnis der vierwöchigen Konsultationsphase für den sogenannten Artikel 23 des Basic Law ab. Demnach waren aus der Hongkonger Öffentlichkeit etwa 13.000 Stellungnahmen eingegangen, von denen laut der Regierung 99 Prozent positiv gewesen seien. Artikel 23 verschafft Hongkong ein eigenes Sicherheitsgesetz mit größerer Reichweite und härteren Strafen im Vergleich zur bisherigen Version, die 2020 von der Zentralregierung in Peking erlassen worden war.

Dissens wird in Hongkong härter denn je verfolgt

Das eindeutige Resultat kann jedoch auch andere Gründe haben. In den vergangenen knapp vier Jahren seit Einführung des Sicherheitsgesetzes sind die Menschen vorsichtig geworden, sich politisch zu äußern, wenn ihre Meinung nicht auf der Linie der Stadtregierung liegt. Politischer Dissens wird in Hongkong härter denn je verfolgt und bestraft.

Dass die Konsultation möglicherweise doch nicht die Stimmung unter den Bürgern widerspiegeln, zeigt eine Umfrage des Hongkonger Meinungsforschungsinstitut Pori. Demnach sei das Vertrauen der Öffentlichkeit im Februar im Monatsvergleich von 46 auf 39 Prozent gesunken, während das Misstrauen gegenüber der Regierung von 38 auf 42 gestiegen ist. Auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Zukunft Hongkongs ist um 16 Prozentpunkte gesunken. Pori sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zur “aggressiven Kampagne der Stadt zur Verabschiedung ihrer eigenen Sicherheitsgesetze”.

Stadtregierung reagiert empfindlich auf Kritik

Ausländische Regierungen und Organisationen blicken mit wachsender Sorge auf die Entwicklung. Die US-Botschaft in Peking hatte ernste Bedenken über die extraterritoriale Reichweite von Artikel 23 formuliert. Sie kritisierte, das Gesetz schränke das Recht zur freien Meinungsäußerung ausländischer Staatsbürger ein. Die Vertretung der Europäischen Union fürchtet, das Gesetz werde viel Unsicherheit schüren und den Spielraum für Geschäftsaktivitäten in der Finanzmetropole weiter verengen. Nichtregierungsorganisationen erwarten noch mehr Einschränkungen der ohnehin schon drastisch beschnittenen Bürgerrechte und sehen ein hohes Gefahrenpotenzial bei der Ausübung journalistischer Arbeit.

Die Hongkonger Regierung reagiert empfindlich auf Kritik aus Europa und den USA. Sie verteidigte ihr Vorhaben. Die Äußerungen der USA seien unhaltbar und verleumderisch. Hongkong argumentiert, es wolle Lücken und Schlupflöcher schließen, die in der bisherigen Form des Sicherheitsgesetzes existierten, um politische Stabilität und ein gutes Geschäftsklima zu schaffen.

Vage Definitionen der Straftatbestände

“Die Regierung von Hongkong wiederholt immer wieder, dass sie mehr Unternehmen in Hongkong haben will und dass wir die Beziehungen zwischen den Menschen fördern und ausbauen sollen”, zitierte die japanische Wirtschaftszeitung Asia Nikkei eine EU-Diplomatin unter der Bedingung der Anonymität. Man fürchte, dass die Interaktion mit der Hongkonger Zivilgesellschaft massiv erschwert wird. Hintergrund sind die vagen Definitionen der Straftatbestände, die von Ermittlungsbehörden flexibel ausgelegt werden können, um Handlungen zu kriminalisieren.

Mitte vergangener Woche hatte EU-Außenminister Josep Borrell zum Internationalen Tag der NGOs die Bedeutung der Arbeit der Zivilgesellschaft betont, ohne Hongkong explizit zu erwähnen. Sie würde häufig durch Gesetze über “ausländische Agenten” oder andere legislative und administrative Maßnahmen stigmatisiert, um legitime Aktivitäten zu behindern, sagte der Diplomat.

Gegen “moderne Formen der Spionage”

Das Nationale Sicherheitsgesetz umfasst bislang vier Straftatbestände: Sezession, Untergrabung der Staatsgewalt, Verschwörung mit ausländischen Kräften und Terrorismus. Artikel 23 stellt hier dagegen gleich sieben Verstöße unter Strafe: Hochverrat, Sezession, Aufruhr, Subversion gegen die Zentralregierung, Diebstahl von Staatsgeheimnissen, politische Aktivitäten ausländischer Organisationen in der Stadt und die Kontaktvermittlung zwischen örtlichen und ausländischen Einrichtungen.

Etwas konkreter formuliert sind nun auch Handlungen, die verdächtigt werden, “schwerwiegende innere Unruhen in China” auslösen zu können, aber auch “moderne Formen der Spionage” sind in die Gesetzgebung integriert. Besonders letztere besorgt ausländische Unternehmen und Organisationen, weil ihnen das Gesetz, so wie es Ende Januar vorgestellt wurde, nicht im Detail sagt, wo die Spionage nach der Rechtsauffassung beginnt.

Wesentlich höhere Strafen

Die USA fürchten, dass Hongkong eine Grundlage schaffen möchte, um “abweichende Meinungen durch die Angst vor Verhaftung und Inhaftierung auszuschalten.” Sie wirft China vor, internationalen Verpflichtungen und den Grundsatz “Ein Land, zwei Systeme”, der bei der Rückgabe Hongkongs von Großbritannien an die Volksrepublik bis 2047 vereinbart wurde, zu untergraben.

Der ehemalige Hongkonger Parlamentarier Ted Hui hält die breitere Auslegung und härtere Strafen von Artikel 23 für ein Mittel politischer Verfolgung mit drastischen Konsequenzen für die Hongkonger Diaspora im Ausland. “Wenn Hongkonger aus dem Ausland zur Abgabe einer ungültigen oder Proteststimme aufgerufen haben, konnten sie bisher nur wegen geringfügiger Wahlvergehen angeklagt werden. Mit Artikel 23 können Menschen jetzt wegen Einmischung von außen angeklagt werden, wobei die Strafen wesentlich höher sind”, sagte Hui im Gespräch mit Table.Briefings.

Empfehlungen von UN-Experten werden ignoriert

Der Entwurf sieht zudem die Ausweitung polizeilicher Inhaftierung ohne Anklageerhebung vor. Inhaftierte könnten dann auch daran gehindert werden, mit einem Anwalt ihrer Wahl in Kontakt zu treten. Haftstrafen können künftig auch nicht mehr wegen guter Führung vermindert werden.

86 Nichtregierungsorganisationen hatten China schon Mitte Februar in einer gemeinsamen Stellungnahme zum internationalen Widerstand gegen Artikel 23 aufgerufen. Amnesty International forderte Hongkongs Behörden dazu auf, keine Gesetze voranzutreiben oder zu verabschieden, “die die Empfehlungen von Experten der Vereinten Nationen ignorieren.”

  • EU
  • Hongkong
  • Josep Borrell
  • Menschenrechte
  • Nationales Sicherheitsgesetz
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News

Chinesische E-Autos: EU-Kommission registriert Importe zur Verhinderung von Hamsterkäufen

Die Europäische Union leitet erste Schritte für eine mögliche rückwirkende Erhebung von Importzöllen auf chinesische E-Fahrzeuge ein. Der EU-Kommission würden ausreichende Hinweise auf staatliche Subventionen für die chinesischen Elektro-Fahrzeuge vorliegen, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichten Dokument der Brüsseler Behörde. Deswegen sei geplant, mit der Erfassung dieser Importe durch den Zoll zu beginnen. So könnten die jetzt registrierten Einfuhren nachträglich mit Zöllen belegt werden, sollten chinesische Hersteller wegen der Zuschüsse einen Wettbewerbsvorteil haben.

Die Kommission untersucht seit Oktober die chinesischen Subventionspraktiken. Vom Resultat hängt die Entscheidung ab, ob Zölle zum Schutz der EU-Hersteller erhoben werden. Die Untersuchung soll bis November dieses Jahres abgeschlossen werden. Die EU könnte allerdings bereits im Juli vorläufige Zölle einführen.

Importe sind um 14 Prozent gestiegen

Nach EU-Angaben sind die Importe seit Bekanntgabe der Untersuchung im Vorjahresvergleich um 14 Prozent gestiegen. Die EU-Hersteller könnten schwere Nachteile und Schäden erleiden, wenn die Einfuhren aus China bis zum Abschluss der Untersuchung weiter steigen, warnte die Kommission.

Die chinesische Handelskammer in der EU äußerte sich enttäuscht und erklärte, dass der Anstieg der Importe die steigende Nachfrage nach Elektro-Fahrzeugen in Europa widerspiegele und “das Engagement chinesischer Automobilunternehmen für die Förderung des europäischen Marktes unterstreicht”. ari

  • Elektromobilität
  • EU
  • Handel

Staatschef Xi fordert mehr Grundlagenforschung von chinesischen Wissenschaftlern

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat sein Land zu größeren Anstrengungen in der Grundlagenforschung aufgerufen. Bei einem seiner extrem seltenen Auftritte bei einer Podiumsdiskussion forderte Xi chinesische Wissenschaftler dazu auf, “die Grundlagenforschung zu verbessern und Grundlagenforschung anzuwenden, um den Kampf um Schlüsseltechnologien erfolgreich zu führen und neue Treiber der intellektuellen Produktivität zu fördern”.

China befindet sich besonders mit den USA, aber auch mit den Europäern oder Staaten wie Japan, Südkorea oder Taiwan in einem Wettrennen um die Vormachtstellung in Schlüsseltechnologien der Zukunft – angefangen von alternativen Antrieben, über die Chip-Industrie bis zu militärischer Ausrüstung.

Laut chinesischem Staatsfernsehen hat Xi zudem für eine gemeinsame Anstrengung zur Optimierung der Forschung und Förderung junger Wissenschaftler geworben. Er bat die besten Wissenschaftler der Volksrepublik um ihren Beitrag für eine erfolgreiche Reformierung des wissenschaftlichen Systems und deren Ideen, welche Anreize für mehr Innovationen sorgen könnten.

Die Podiumsdiskussion war Teil der Konsulativkonferenz des Nationalen Volkskongresses, der auch Dutzende führende Wissenschaftler und Technologie-Experten angehören. grz

  • Forschung
  • Nationaler Volkskongress
  • Technologie

US-Gesetzentwurf soll Bytedance zum Verkauf von Tiktok zwingen

Eine Gruppe von US-Abgeordneten hat am Dienstag einen Gesetzentwurf eingebracht, der dem chinesischen Unternehmen Bytedance sechs Monate Zeit gibt, die beliebte Kurzvideo-App TikTok zu veräußern. Andernfalls drohe ein Verbot in den App-Stores US-amerikanischer Anbieter wie Apple und Google. Hintergrund sind Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit. Kritikern glauben unter anderem, dass Bytedance Nutzerdaten in die Volksrepublik weiterleiten könnte.

Über den Entwurf soll am Donnerstag in einer Anhörung des Energie- und Handelsausschusses abgestimmt werden. Eingereicht wurde er unter anderem von Mike Gallagher, dem republikanischen Vorsitzenden des China-Ausschusses des Repräsentantenhauses. “Dies ist meine Botschaft an Tiktok: Trennt euch von der Kommunistischen Partei Chinas oder verliert den Zugang zu euren amerikanischen Nutzern“, erklärte Gallagher. US-Präsident Joe Biden hat nach Angaben des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses bereits Zustimmung und Unterstützung für den Plan signalisiert.

Ein Sprecher von Bytedance erklärte am Dienstag, bei dem Gesetz handle es sich um “ein totales Verbot von TikTok, egal wie sehr die Autoren versuchen, dies zu verschleiern.” Es würde die Rechte von 170 Millionen Amerikanern “mit Füßen treten” und schlussendlich auch Arbeitsplätze vernichten, so der Sprecher weiter. rtr/fpe

  • Technologie
  • USA

Quellen: Joint-Venture zwischen Stellantis und Leapmotor erhält Zustimmung der Aufsichtsbehörde

Die geplante Kooperation zwischen Stellantis und dem chinesischen Autobauer Leapmotor hat nach Angaben zweier mit der Angelegenheit vertrauter Quellen die Zustimmung der chinesischen Aufsichtsbehörde erhalten. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Chinas Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) habe demnach ihre Zustimmung zu dem Joint Venture gegeben, sagte eine der Quellen und fügte hinzu, dass das Geschäft noch auf die regulatorische Genehmigung in anderen Märkten warte.

Stellantis hatte im Oktober letzten Jahres angekündigt, im Rahmen eines 1,6-Milliarden-Dollar-Deals einen 21-prozentigen Anteil an Leapmotor zu erwerben, der dem Unternehmen einen neuen Anlauf in China ermöglichen würde. Im Rahmen dieser Vereinbarung würde Stellantis auch die Exklusivrechte für den Bau, den Export und den Verkauf von Leapmotor-Produkten außerhalb Chinas erhalten – eine Premiere für einen etablierten westlichen Automobilhersteller. Letzten Monat sagte Carlos Tavares, CEO von Stellantis, dass der Autohersteller Elektroautos auf Basis der Leapmotor-Technologie in Europa, Nordamerika oder anderen Märkten bauen könnte, in denen er wettbewerbsfähige Modelle benötigt, um mit chinesischen Elektroautoherstellern konkurrieren zu können. rtr


  • Autoindustrie
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Presseschau

Auch Deutschland soll Exporte beschränken: USA drängen Verbündete offenbar zu strengerem China-Embargo TAGESSPIEGEL
Soll die EU Solarmodule aus China verbieten, um Europas Industrie zu retten? DER STANDARD
Schalhersteller Fraas verlagert Produktion nach China STERN
EU Strikes Deal to Ban Products Made Using Forced Labor VOANEWS
U.S. senate committee takes up bill targeting China’s BGI, WuXi Apptec REUTERS
U.S. lawmakers seek to force ByteDance to divest TikTok or face ban ASIA
China gives green light to Stellantis-Leapmotor joint venture REUTERS
Militärmacht der Zukunft – Wie China weiter aufrüstet HANDELSBLATT
Chinese investors rush abroad, hitting outbound investment limit REUTERS
Chinese scientists develop sensor to detect chemical weapons remotely INTERESTING ENGINEERING
Australien und ASEAN fordern China zur Zurückhaltung im Südchinesischen Meer auf DIE PRESSE
Konflikt zwischen China und den Philippinen: Wasserschlacht auf dem Meer SPIEGEL
The China enigma: NZ commodities face a mixed outlook NZ HERALD

Standpunkt

Die Trommeln des US-chinesischen Cyber-Krieges

von Stephen S. Roach
US-Ökonom Stephen S. Roach lehrt an der Universität Yale.

FBI-Direktor Christopher Wray hat kürzlich Amerikas Anti-China-Kampagne erneut vorangetrieben. In einer Anhörung vor dem Kongress am 31. Januar warnte er vor verstärkten chinesischen Hacker-Aktivitäten und davor, dass die US-Infrastruktur – Telekommunikation, Verkehr, Energie- und Wasserversorgung – durch die staatlich unterstützte chinesische Hackergruppe Volt Typhoon akut gefährdet sei. Ein Bericht auf der Titelseite der New York Times verstärkte dieses Gefühl von Dringlichkeit.

Ein paar Tage nach Wrays Äußerungen lieferte ein gemeinsamer Bericht von FBI, Cybersecurity & Infrastructure Security Agency (CISA) und National Security Agency (NSA) eine detaillierte Dokumentation der von Volt Typhoon ausgehenden Bedrohung. Ein weiterer Bericht auf der Titelseite der New York Times folgte prompt. Und dann kam am 22. Februar der Ausfall eines wichtigen Mobilfunknetzes. Plötzlich hatten die Cyber-Befürchtungen ein Eigenleben angenommen.

Ignoriert wird bei all der Aufregung eine wichtige Einschränkung in Wrays Warnung. China, so Wray, “treffe Vorbereitungen” für einen künftigen Konflikt. Das ist nicht dasselbe wie der Truppenaufmarsch des russischen Präsidenten Wladimir Putin an der Grenze zur Ukraine Ende 2021 und Anfang 2022. In Wrays Worten: Man könne einen Angriff von Volt Typhoon auf kritische Infrastruktur der USA erwarten, “falls oder wenn China sich entscheidet, dass die Zeit zum Zuschlagen gekommen ist” (meine Hervorhebung).

Mutmaßungen über einen chinesischen Angriff

Im Einvernehmen mit CISA und NSA stützt das FBI seine sehr öffentlichen Warnungen allein auf Mutmaßungen über Chinas künftige Absichten und nicht auf konkrete Informationen über einen bevorstehenden Cyber-Angriff. Es liegt mir fern, den Wahrheitsgehalt der Beweise der US-Nachrichtendienste zu Volt Typhoon zu bezweifeln; ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass dies Indizienbeweise sind, die absolut nichts über die Handlungswahrscheinlichkeit aussagen. Für jene von uns, die sich noch an die von den USA zur Rechtfertigung der Invasion im Irak 2003 genutzten düsteren, aber unzutreffenden Warnungen über Saddam Husseins vorgebliche Massenvernichtungswaffen erinnern, ist dies keine geringe Sorge. 

Als Verfasser eines kürzlich erschienen Buches über das Potenzial falscher Narrative, einen unbeabsichtigten Konflikt zwischen den USA und China auszulösen, mache ich mir große Sorgen über die übereifrige Betonung von Indizienbeweisen. Ich sorge mich zudem über die Scheinheiligkeit der Behauptungen chinesischer Vorbereitungen für einen Cyber-Angriff. Man erinnere sich an das Jahr 2010, als die USA das Stuxnet-Computervirus gegen die iranischen Nuklearzentrifugen einsetzten. 

In ihrem bemerkenswerten Buch The Politics of Language beschreiben David Beaver und Jason Stanley derartige Mutmaßungen als Fälle “präsuppositioneller Resonanz”: unbelegte Projektionen tangentialer (indiziengestützter) Informationen, die genutzt würden, um eine politisch als opportun angesehene Handlungsweise zu rechtfertigen. Die aktuelle politische Agenda der USA gegenüber China ist ein klassisches Beispiel für diese Tendenz.

Wrays präsuppositionelle Warnungen kommen nicht aus heiterem Himmel; er schürt schon lange chinafeindliche Panik. Als im Sommer 2020 der Präsidentschaftswahlkampf in die heiße Phase eintrat, erging sich Wray gemeinsam mit drei anderen führenden Mitgliedern aus Donald Trumps Regierung (Außenminister Mike Pompeo, Justizminister William Barr und dem Nationalen Sicherheitsberater Robert O’Brien) in einer Abfolge sorgfältig orchestrierter chinafeindlicher Tiraden. Als ehemals führender Mitspieler bei Trumps politischem Theater hält Wray seitdem unerschütterlich an seinen schrillen sinophoben Ansichten fest.

Für die Fixierung des FBI-Direktors auf chinesische Cyber-Bedrohungen gibt es einen unglückseligen historischen Präzedenzfall aus der Zeit des ersten Kalten Krieges. Die gleiche Diskreditierung der “Roten”, die damals auf die Sowjetunion und vorgebliche kommunistische Sympathisanten zielte, richtet sich heute gegen China.

Die von beiden Parteien verfolgte chinafeindliche Kampagne in Washington scheint vollkommen darauf zu zielen, die Chinesen in die Ecke zu drängen. Das ist in den letzten drei Jahren mit der Fortsetzung der von Trump begonnen Handels- und Technologiekriege durch die Biden-Regierung zunehmend deutlich geworden. Die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat den gezielten Druck 2022 mit ihrem Besuch Taiwans, der Salz in eine von Chinas empfindlichsten offenen Wunden schüttete, noch verstärkt. 

In ähnlicher Weise hat ein neuer, mit Vertretern beider Parteien besetzter Sonderausschuss des Repräsentantenhauses zu China unter Vorsitz von Mike Gallagher – einem in Kürze ausscheidenden republikanischen Abgeordneten aus Wisconsin – eine Kombination aus sorgsam inszenierten Anhörungen, Drohschreiben an US-Unternehmen und multimedialer Bühnenkunst genutzt, um einen Kreuzzug gegen China zu führen. Es war wenig überraschend, zu sehen, dass der Ausschuss Wray bei seiner Anhörung am 31. Januar mit offenen Armen begrüßte.

Zahllose weitere US-Politiker sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Es gibt vermutlich kein einziges US-Kongressmitglied – egal, ob Demokrat oder Republikaner -, das bereit ist, eine prinzipiengeleitete Haltung zugunsten einer amerikanischen Wiederaufnahme des Dialogs mit China einzunehmen. Jeder, der in Versuchung ist, dies zu tun, wird sich Vorwürfen eines an München erinnernden Appeasements ausgesetzt sehen. Obwohl Präsident Joe Biden beim Gipfeltreffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Woodside im letzten November einer Wiederaufnahme des Dialogs nahekam, setzt seine Regierung die Eskalation der Beschränkung des chinesischen Zugriffs auf fortschrittliche Technologien unerschütterlich fort. 

Chinas Verhalten befeuert Amerikas chinafeindliche Politik

Natürlich hat Chinas Verhalten die Lage nicht gerade vereinfacht. Der Vorfall mit dem Spionageballon Anfang letzten Jahres – gar nicht zu reden von seiner “uneingeschränkten” Partnerschaft mit Russland, das einen barbarischen, ungesetzlichen Angriffskrieg führt – befeuert Amerikas chinafeindliche Politik. Wrays Cyber-Warnungen lassen diese mutmaßlichen Gefahren noch größer erscheinen. Letztlich jedoch könnte diese Kampagne des Drucks gegenüber China nach hinten losgehen. Die zunehmend aggressiven US-Maßnahmen befeuern genau jene Art feindseliger chinesischer Absichten, die paranoide US-Politiker am meisten fürchten. Das gilt in Bezug auf Taiwan und nun auch im Hinblick auf die Cyber-Sicherheit. Amerika muss sehr vorsichtig sein mit dem, was es fordert.

All dies deutet auf ein neues Kapitel im US-chinesischen Konflikt hin – Handels- und Technologiekriege, die nun durch einen Cyber-Krieg verschärft werden. Ungeachtet von Bidens und Xis Dementis weist dieser Konflikt alle Anzeichen eines Kalten Krieges auf. Der ursprüngliche Kalte Krieg kam während der Berlinblockade und der Kubakrise einem heißen Krieg gefährlich nahe. Könnten die Risiken eines Cyber-Krieges dasselbe bewirken? Verfügen wir über die Vertrauenskapazitäten, um diese Risiken abzumildern? Wrays Panikmache bietet besorgniserregende Antworten auf diese Fragen. Der anschwellende Trommelwirbel eines US-chinesischen Cyber-Krieges birgt eine große Gefahr.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Stephen S. Roach lehrt an der Universität Yale. Er ist ehemaliger Chairman von Morgan Stanley Asia und der Verfasser von Unbalanced: The Codependency of America and China (Yale University Press, 2014) und Accidental Conflict: America, China, and the Clash of False Narratives (Yale University Press, 2022).

Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org

  • Geopolitik
  • Technologie
  • USA

Personalien

Miriam Mayer-Ebert ist seit Februar Executive Vice President HR & Orga Audi China. Die in Bonn ausgebildete Sinologin ist seit 14 Jahren für die Audi AG tätig. Zwischen 2005 und 2008 war sie schon einmal als Head of Marketing in China. Für ihren neuen Posten kehrt sie zurück nach Peking. 

Bora Caliskan ist im Januar bei Bosch China vom Posten des Vice President Manufacturing Operations in die Rolle des Vice President Technical Operations gewechselt. Sein Einsatzort bleibt weiterhin Wuxi in der Provinz Jiangsu. 

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Im Nationalen Volkskongress fallen die Vertreter der Minderheiten Chinas besonders auf. In traditioneller Tracht herausgeputzt sollen sie nicht nur Lokalkolorit, sondern auch die innere Einheit der Volksrepublik repräsentieren. So manch einer der direkt dahinter platzierten Bürokraten dürfte sich jedoch ärgern, kriegt man aufgrund des hoch aufgetürmten Kopfschmucks nicht immer alles mit, was auf der Bühne passiert.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die chinesische Zentralbank soll es jetzt richten. Sie will der Wirtschaft über niedrige Zinsen ausreichend Geld zuführen, damit mehr Investitionen möglich sind. Wie sich das mit der Ankündigung des Premiers vom Dienstag verträgt, künftig weniger Kreditrisiken in Kauf zu nehmen, bleibt aber unklar, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.

    Niedrige Zinsen erhöhen in der Regel das Risikoniveau in einer Volkswirtschaft. Wer nicht viel Zinsen zahlen muss, achtet nicht so sehr auf die Qualität seines Projekts. Das widerspricht dem Grundgedanken der aktuellen Wirtschaftspolitik, nicht wieder so hohe Risiken entstehen zu lassen wie am Immobilienmarkt. Ökonomen erwarten daher ein erhebliches Maß an Mikromanagement der Kreditvergabe durch die Regierung.

    Sie wird auswählen wollen, welche Branchen von der lockeren Geldpolitik profitieren und welche nicht – das klassische Muster, das auch seine Spuren am Aktienmarkt hinterlassen wird. Denn die Förderungen einzelner Branchen befeuern die Kurse. Wie das nun wieder mit der Aussage des neuen Chefs der Börsenaufsicht zusammenpasst, ist ebenso unklar. Man wolle künftig auf Fairness achten und Börsenmanipulationen bekämpfen, um dadurch Kleinanleger zu schützen. Ein hehres Ziel, wenn man bedenkt, dass die Manipulation durch staatliche Eingriffe erheblich gefördert wird.

    Chinas Politik praktiziert die Ignoranz möglicher negativer Begleiterscheinungen eben bis zur Perfektion. So wie sie die massive Kritik aus dem Ausland an der Verschärfung des Sicherheitsgesetzes in Hongkong ignoriert. Der sogenannte Artikel 23 provoziert bei Amerikanern und Europäern große Sorgen vor einer Verschlechterung des geschäftlichen Klimas, was Hongkong doch unbedingt vermeiden will. Eine Kehrtwende ist aber dennoch ausgeschlossen.

    Nationale Sicherheit hat eben vor allem anderen Priorität in der Volksrepublik und seinen Sonderverwaltungszonen. Wobei nationale Sicherheit synonym mit der Absicherung des Machtmonopols der Führungselite verwendet werden darf. Da ist das Geschäftsklima eben allenfalls zweitrangig.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Wirtschaftsplaner des chinesischen Volkskongresses stellen billiges Geld in Aussicht

    Pan Gongsheng, Chef der Zentralbank, kündigte eine lockerere Geldpolitik an.

    Chinas Premier traut sich zwar bei diesem Nationalen Volkskongress nicht vor die Presse, aber immerhin die Wirtschaftsplaner haben den Medien am Mittwoch Rede und Antwort gestanden – im Rahmen dessen, was in China üblich ist. Der Zentralbank kommt demnach eine führende Rolle dabei zu, das ehrgeizige Wachstumsziel von rund fünf Prozent im laufenden Jahr einzuhalten. Sie will der Wirtschaft genug Geld zuführen, damit Investitionen möglich sind. Wie sich das mit der Ankündigung des Premiers vom Dienstag verträgt, künftig weniger Kreditrisiken in Kauf zu nehmen, blieb aber unklar.

    Das Format der Pressekonferenz vom Mittwoch im Rahmen des NVK war neu. Gleich fünf Top-Wirtschaftsplaner waren dabei:

    • die People’s Bank of China (PBoC), also die Zentralbank,
    • das Finanz- und das
    • Handelsministerium,
    • das Wirtschaftsplanungsministerium NDRC und die
    • Wertpapieraufsicht CSRC.

    Erste Antworten – und neue Fragen

    Am Dienstag war offengeblieben, auf welchem Wege die Regierung ihr Wachstumsziel erreichen will. Chinas Volkswirtschaft ist ebenso groß wie die der EU, für ein Plus von fünf Prozent ist ein erhebliches Mehr an Waren und Diensten nötig. Die klassischen Wachstumstreiber fallen aber derzeit aus. Das waren Immobilieninvestitionen und Infrastrukturprojekte der Gemeinden und Provinzen. Beide Bereiche sind unter ihrer Schuldenlast zusammengebrochen.

    Eine lockerere Geldpolitik soll nun aber zumindest anderen Sektoren helfen, wieder mehr zu investieren. “Chinas geldpolitischer Werkzeugkasten ist prall gefüllt”, sagte PBoC-Chef Pan Gongsheng. “Es gibt noch reichlich Luft für geldpolitische Maßnahmen.” Gemeint sind damit: niedrigere Zinsen und einfachere Finanzierung neuer Projekte.

    Nebenwirkungen erwartet

    Doch niedrige Zinsen erhöhen in der Regel das Risikoniveau in einer Volkswirtschaft. Wer nicht viel Zinsen zahlen muss, achtet nicht so sehr auf die Qualität seines Projekts. Das widerspricht dem Grundgedanken der aktuellen Wirtschaftspolitik, nicht wieder so hohe Risiken entstehen zu lassen wie am Immobilienmarkt. Ökonomen erwarten daher ein erhebliches Maß an Mikromanagement der Kreditvergabe durch die Regierung. Sie wird auswählen wollen, welche Branchen von der lockeren Geldpolitik profitieren und welche nicht.

    Dazu kommt die Sorge vor einer Abwertung des Yuan, die die Ungleichgewichte im Welthandel verstärken könnte. Wenn die Zinsen in China sinken und im Rest der Welt wegen Inflation steigen, dann verlässt Kapital China und geht dahin, wo die Zinsen höher sind. Obwohl chinesische Waren weltweit gefragt sind und der Wechselkurs des Yuan steigen sollte, entsteht dadurch Abwertungsdruck, erläutert Horst Löchel, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Das macht chinesische Waren noch günstiger und damit gefragter. China hat aber schon riesige Handelsüberschüsse mit den USA und der EU, die Wirtschaftspolitiker in den anderen Blöcken ärgern.

    Regierung will Anleger an die Börse locken

    Die Marktaufsicht CSRC (China Securities Regulatory Commission) möchte derweil neue Investitionskanäle schaffen, damit die chinesischen Anleger ihr Geld nicht nur in Immobilien stecken können. Sie will dazu Börsenmanipulationen bekämpfen und dadurch vor allem Kleinanleger schützen. “Als Aufsichtsbehörde müssen wir auf Fairness achten, insbesondere in einem Markt, der von Kleinanlegern dominiert wird”, sagte der neue CSRC-Chef Wu Qing auf der Pressekonferenz.

    Auch die Qualitätskriterien für gelistete Unternehmen sollen angehoben werden. Davon erhofft sich Wu mehr Investitionen, insbesondere über langfristige Fonds. “Wir werden hart gegen Betrug, Marktmanipulation und Insiderhandel vorgehen”, sagte er. Der chinesische Wertpapiermarkt ist unter anderem wegen der schleppenden Wirtschaft, regulatorischen Maßnahmen und einer Immobilienkrise drei Jahre in Folge geschrumpft. Kurz darauf übernahm Wu den Chefposten bei der CSRC und verschärfte die Gangart gegenüber Leerverkäufen und Wertpapierbetrug.

    • CSRC
    • Konjunktur
    • Nationaler Volkskongress
    • NDRC
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    Einführung des verschärften Sicherheitsgesetzes befeuert die Sorgen der EU um das Geschäftsklima in Hongkong

    Hongkongs Regierungschef bei der Pressekonferenz

    China blendet Kritik an einer Verschärfung des Sicherheitsgesetzes in Hongkong kategorisch aus. Am Mittwoch sprach Vizepremier Ding Xuexiang von einem gesellschaftlichen Konsens über das Gesetz, von dem jeder wolle, dass es so schnell wie möglich verabschiedet werde. Ding teilte diese Einschätzung in Gesprächen mit Delegierten der Politischen Konsultativkonferenz des Nationalen Volkskongresses aus Hongkong und Macau. Das berichtete das öffentlich-rechtliche Radio Television Hong Kong (RTHK).

    Ding leitete seine Beurteilung aus dem Ergebnis der vierwöchigen Konsultationsphase für den sogenannten Artikel 23 des Basic Law ab. Demnach waren aus der Hongkonger Öffentlichkeit etwa 13.000 Stellungnahmen eingegangen, von denen laut der Regierung 99 Prozent positiv gewesen seien. Artikel 23 verschafft Hongkong ein eigenes Sicherheitsgesetz mit größerer Reichweite und härteren Strafen im Vergleich zur bisherigen Version, die 2020 von der Zentralregierung in Peking erlassen worden war.

    Dissens wird in Hongkong härter denn je verfolgt

    Das eindeutige Resultat kann jedoch auch andere Gründe haben. In den vergangenen knapp vier Jahren seit Einführung des Sicherheitsgesetzes sind die Menschen vorsichtig geworden, sich politisch zu äußern, wenn ihre Meinung nicht auf der Linie der Stadtregierung liegt. Politischer Dissens wird in Hongkong härter denn je verfolgt und bestraft.

    Dass die Konsultation möglicherweise doch nicht die Stimmung unter den Bürgern widerspiegeln, zeigt eine Umfrage des Hongkonger Meinungsforschungsinstitut Pori. Demnach sei das Vertrauen der Öffentlichkeit im Februar im Monatsvergleich von 46 auf 39 Prozent gesunken, während das Misstrauen gegenüber der Regierung von 38 auf 42 gestiegen ist. Auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Zukunft Hongkongs ist um 16 Prozentpunkte gesunken. Pori sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zur “aggressiven Kampagne der Stadt zur Verabschiedung ihrer eigenen Sicherheitsgesetze”.

    Stadtregierung reagiert empfindlich auf Kritik

    Ausländische Regierungen und Organisationen blicken mit wachsender Sorge auf die Entwicklung. Die US-Botschaft in Peking hatte ernste Bedenken über die extraterritoriale Reichweite von Artikel 23 formuliert. Sie kritisierte, das Gesetz schränke das Recht zur freien Meinungsäußerung ausländischer Staatsbürger ein. Die Vertretung der Europäischen Union fürchtet, das Gesetz werde viel Unsicherheit schüren und den Spielraum für Geschäftsaktivitäten in der Finanzmetropole weiter verengen. Nichtregierungsorganisationen erwarten noch mehr Einschränkungen der ohnehin schon drastisch beschnittenen Bürgerrechte und sehen ein hohes Gefahrenpotenzial bei der Ausübung journalistischer Arbeit.

    Die Hongkonger Regierung reagiert empfindlich auf Kritik aus Europa und den USA. Sie verteidigte ihr Vorhaben. Die Äußerungen der USA seien unhaltbar und verleumderisch. Hongkong argumentiert, es wolle Lücken und Schlupflöcher schließen, die in der bisherigen Form des Sicherheitsgesetzes existierten, um politische Stabilität und ein gutes Geschäftsklima zu schaffen.

    Vage Definitionen der Straftatbestände

    “Die Regierung von Hongkong wiederholt immer wieder, dass sie mehr Unternehmen in Hongkong haben will und dass wir die Beziehungen zwischen den Menschen fördern und ausbauen sollen”, zitierte die japanische Wirtschaftszeitung Asia Nikkei eine EU-Diplomatin unter der Bedingung der Anonymität. Man fürchte, dass die Interaktion mit der Hongkonger Zivilgesellschaft massiv erschwert wird. Hintergrund sind die vagen Definitionen der Straftatbestände, die von Ermittlungsbehörden flexibel ausgelegt werden können, um Handlungen zu kriminalisieren.

    Mitte vergangener Woche hatte EU-Außenminister Josep Borrell zum Internationalen Tag der NGOs die Bedeutung der Arbeit der Zivilgesellschaft betont, ohne Hongkong explizit zu erwähnen. Sie würde häufig durch Gesetze über “ausländische Agenten” oder andere legislative und administrative Maßnahmen stigmatisiert, um legitime Aktivitäten zu behindern, sagte der Diplomat.

    Gegen “moderne Formen der Spionage”

    Das Nationale Sicherheitsgesetz umfasst bislang vier Straftatbestände: Sezession, Untergrabung der Staatsgewalt, Verschwörung mit ausländischen Kräften und Terrorismus. Artikel 23 stellt hier dagegen gleich sieben Verstöße unter Strafe: Hochverrat, Sezession, Aufruhr, Subversion gegen die Zentralregierung, Diebstahl von Staatsgeheimnissen, politische Aktivitäten ausländischer Organisationen in der Stadt und die Kontaktvermittlung zwischen örtlichen und ausländischen Einrichtungen.

    Etwas konkreter formuliert sind nun auch Handlungen, die verdächtigt werden, “schwerwiegende innere Unruhen in China” auslösen zu können, aber auch “moderne Formen der Spionage” sind in die Gesetzgebung integriert. Besonders letztere besorgt ausländische Unternehmen und Organisationen, weil ihnen das Gesetz, so wie es Ende Januar vorgestellt wurde, nicht im Detail sagt, wo die Spionage nach der Rechtsauffassung beginnt.

    Wesentlich höhere Strafen

    Die USA fürchten, dass Hongkong eine Grundlage schaffen möchte, um “abweichende Meinungen durch die Angst vor Verhaftung und Inhaftierung auszuschalten.” Sie wirft China vor, internationalen Verpflichtungen und den Grundsatz “Ein Land, zwei Systeme”, der bei der Rückgabe Hongkongs von Großbritannien an die Volksrepublik bis 2047 vereinbart wurde, zu untergraben.

    Der ehemalige Hongkonger Parlamentarier Ted Hui hält die breitere Auslegung und härtere Strafen von Artikel 23 für ein Mittel politischer Verfolgung mit drastischen Konsequenzen für die Hongkonger Diaspora im Ausland. “Wenn Hongkonger aus dem Ausland zur Abgabe einer ungültigen oder Proteststimme aufgerufen haben, konnten sie bisher nur wegen geringfügiger Wahlvergehen angeklagt werden. Mit Artikel 23 können Menschen jetzt wegen Einmischung von außen angeklagt werden, wobei die Strafen wesentlich höher sind”, sagte Hui im Gespräch mit Table.Briefings.

    Empfehlungen von UN-Experten werden ignoriert

    Der Entwurf sieht zudem die Ausweitung polizeilicher Inhaftierung ohne Anklageerhebung vor. Inhaftierte könnten dann auch daran gehindert werden, mit einem Anwalt ihrer Wahl in Kontakt zu treten. Haftstrafen können künftig auch nicht mehr wegen guter Führung vermindert werden.

    86 Nichtregierungsorganisationen hatten China schon Mitte Februar in einer gemeinsamen Stellungnahme zum internationalen Widerstand gegen Artikel 23 aufgerufen. Amnesty International forderte Hongkongs Behörden dazu auf, keine Gesetze voranzutreiben oder zu verabschieden, “die die Empfehlungen von Experten der Vereinten Nationen ignorieren.”

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    Chinesische E-Autos: EU-Kommission registriert Importe zur Verhinderung von Hamsterkäufen

    Die Europäische Union leitet erste Schritte für eine mögliche rückwirkende Erhebung von Importzöllen auf chinesische E-Fahrzeuge ein. Der EU-Kommission würden ausreichende Hinweise auf staatliche Subventionen für die chinesischen Elektro-Fahrzeuge vorliegen, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichten Dokument der Brüsseler Behörde. Deswegen sei geplant, mit der Erfassung dieser Importe durch den Zoll zu beginnen. So könnten die jetzt registrierten Einfuhren nachträglich mit Zöllen belegt werden, sollten chinesische Hersteller wegen der Zuschüsse einen Wettbewerbsvorteil haben.

    Die Kommission untersucht seit Oktober die chinesischen Subventionspraktiken. Vom Resultat hängt die Entscheidung ab, ob Zölle zum Schutz der EU-Hersteller erhoben werden. Die Untersuchung soll bis November dieses Jahres abgeschlossen werden. Die EU könnte allerdings bereits im Juli vorläufige Zölle einführen.

    Importe sind um 14 Prozent gestiegen

    Nach EU-Angaben sind die Importe seit Bekanntgabe der Untersuchung im Vorjahresvergleich um 14 Prozent gestiegen. Die EU-Hersteller könnten schwere Nachteile und Schäden erleiden, wenn die Einfuhren aus China bis zum Abschluss der Untersuchung weiter steigen, warnte die Kommission.

    Die chinesische Handelskammer in der EU äußerte sich enttäuscht und erklärte, dass der Anstieg der Importe die steigende Nachfrage nach Elektro-Fahrzeugen in Europa widerspiegele und “das Engagement chinesischer Automobilunternehmen für die Förderung des europäischen Marktes unterstreicht”. ari

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    Staatschef Xi fordert mehr Grundlagenforschung von chinesischen Wissenschaftlern

    Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat sein Land zu größeren Anstrengungen in der Grundlagenforschung aufgerufen. Bei einem seiner extrem seltenen Auftritte bei einer Podiumsdiskussion forderte Xi chinesische Wissenschaftler dazu auf, “die Grundlagenforschung zu verbessern und Grundlagenforschung anzuwenden, um den Kampf um Schlüsseltechnologien erfolgreich zu führen und neue Treiber der intellektuellen Produktivität zu fördern”.

    China befindet sich besonders mit den USA, aber auch mit den Europäern oder Staaten wie Japan, Südkorea oder Taiwan in einem Wettrennen um die Vormachtstellung in Schlüsseltechnologien der Zukunft – angefangen von alternativen Antrieben, über die Chip-Industrie bis zu militärischer Ausrüstung.

    Laut chinesischem Staatsfernsehen hat Xi zudem für eine gemeinsame Anstrengung zur Optimierung der Forschung und Förderung junger Wissenschaftler geworben. Er bat die besten Wissenschaftler der Volksrepublik um ihren Beitrag für eine erfolgreiche Reformierung des wissenschaftlichen Systems und deren Ideen, welche Anreize für mehr Innovationen sorgen könnten.

    Die Podiumsdiskussion war Teil der Konsulativkonferenz des Nationalen Volkskongresses, der auch Dutzende führende Wissenschaftler und Technologie-Experten angehören. grz

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    US-Gesetzentwurf soll Bytedance zum Verkauf von Tiktok zwingen

    Eine Gruppe von US-Abgeordneten hat am Dienstag einen Gesetzentwurf eingebracht, der dem chinesischen Unternehmen Bytedance sechs Monate Zeit gibt, die beliebte Kurzvideo-App TikTok zu veräußern. Andernfalls drohe ein Verbot in den App-Stores US-amerikanischer Anbieter wie Apple und Google. Hintergrund sind Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit. Kritikern glauben unter anderem, dass Bytedance Nutzerdaten in die Volksrepublik weiterleiten könnte.

    Über den Entwurf soll am Donnerstag in einer Anhörung des Energie- und Handelsausschusses abgestimmt werden. Eingereicht wurde er unter anderem von Mike Gallagher, dem republikanischen Vorsitzenden des China-Ausschusses des Repräsentantenhauses. “Dies ist meine Botschaft an Tiktok: Trennt euch von der Kommunistischen Partei Chinas oder verliert den Zugang zu euren amerikanischen Nutzern“, erklärte Gallagher. US-Präsident Joe Biden hat nach Angaben des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses bereits Zustimmung und Unterstützung für den Plan signalisiert.

    Ein Sprecher von Bytedance erklärte am Dienstag, bei dem Gesetz handle es sich um “ein totales Verbot von TikTok, egal wie sehr die Autoren versuchen, dies zu verschleiern.” Es würde die Rechte von 170 Millionen Amerikanern “mit Füßen treten” und schlussendlich auch Arbeitsplätze vernichten, so der Sprecher weiter. rtr/fpe

    • Technologie
    • USA

    Quellen: Joint-Venture zwischen Stellantis und Leapmotor erhält Zustimmung der Aufsichtsbehörde

    Die geplante Kooperation zwischen Stellantis und dem chinesischen Autobauer Leapmotor hat nach Angaben zweier mit der Angelegenheit vertrauter Quellen die Zustimmung der chinesischen Aufsichtsbehörde erhalten. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Chinas Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) habe demnach ihre Zustimmung zu dem Joint Venture gegeben, sagte eine der Quellen und fügte hinzu, dass das Geschäft noch auf die regulatorische Genehmigung in anderen Märkten warte.

    Stellantis hatte im Oktober letzten Jahres angekündigt, im Rahmen eines 1,6-Milliarden-Dollar-Deals einen 21-prozentigen Anteil an Leapmotor zu erwerben, der dem Unternehmen einen neuen Anlauf in China ermöglichen würde. Im Rahmen dieser Vereinbarung würde Stellantis auch die Exklusivrechte für den Bau, den Export und den Verkauf von Leapmotor-Produkten außerhalb Chinas erhalten – eine Premiere für einen etablierten westlichen Automobilhersteller. Letzten Monat sagte Carlos Tavares, CEO von Stellantis, dass der Autohersteller Elektroautos auf Basis der Leapmotor-Technologie in Europa, Nordamerika oder anderen Märkten bauen könnte, in denen er wettbewerbsfähige Modelle benötigt, um mit chinesischen Elektroautoherstellern konkurrieren zu können. rtr


    • Autoindustrie
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    Presseschau

    Auch Deutschland soll Exporte beschränken: USA drängen Verbündete offenbar zu strengerem China-Embargo TAGESSPIEGEL
    Soll die EU Solarmodule aus China verbieten, um Europas Industrie zu retten? DER STANDARD
    Schalhersteller Fraas verlagert Produktion nach China STERN
    EU Strikes Deal to Ban Products Made Using Forced Labor VOANEWS
    U.S. senate committee takes up bill targeting China’s BGI, WuXi Apptec REUTERS
    U.S. lawmakers seek to force ByteDance to divest TikTok or face ban ASIA
    China gives green light to Stellantis-Leapmotor joint venture REUTERS
    Militärmacht der Zukunft – Wie China weiter aufrüstet HANDELSBLATT
    Chinese investors rush abroad, hitting outbound investment limit REUTERS
    Chinese scientists develop sensor to detect chemical weapons remotely INTERESTING ENGINEERING
    Australien und ASEAN fordern China zur Zurückhaltung im Südchinesischen Meer auf DIE PRESSE
    Konflikt zwischen China und den Philippinen: Wasserschlacht auf dem Meer SPIEGEL
    The China enigma: NZ commodities face a mixed outlook NZ HERALD

    Standpunkt

    Die Trommeln des US-chinesischen Cyber-Krieges

    von Stephen S. Roach
    US-Ökonom Stephen S. Roach lehrt an der Universität Yale.

    FBI-Direktor Christopher Wray hat kürzlich Amerikas Anti-China-Kampagne erneut vorangetrieben. In einer Anhörung vor dem Kongress am 31. Januar warnte er vor verstärkten chinesischen Hacker-Aktivitäten und davor, dass die US-Infrastruktur – Telekommunikation, Verkehr, Energie- und Wasserversorgung – durch die staatlich unterstützte chinesische Hackergruppe Volt Typhoon akut gefährdet sei. Ein Bericht auf der Titelseite der New York Times verstärkte dieses Gefühl von Dringlichkeit.

    Ein paar Tage nach Wrays Äußerungen lieferte ein gemeinsamer Bericht von FBI, Cybersecurity & Infrastructure Security Agency (CISA) und National Security Agency (NSA) eine detaillierte Dokumentation der von Volt Typhoon ausgehenden Bedrohung. Ein weiterer Bericht auf der Titelseite der New York Times folgte prompt. Und dann kam am 22. Februar der Ausfall eines wichtigen Mobilfunknetzes. Plötzlich hatten die Cyber-Befürchtungen ein Eigenleben angenommen.

    Ignoriert wird bei all der Aufregung eine wichtige Einschränkung in Wrays Warnung. China, so Wray, “treffe Vorbereitungen” für einen künftigen Konflikt. Das ist nicht dasselbe wie der Truppenaufmarsch des russischen Präsidenten Wladimir Putin an der Grenze zur Ukraine Ende 2021 und Anfang 2022. In Wrays Worten: Man könne einen Angriff von Volt Typhoon auf kritische Infrastruktur der USA erwarten, “falls oder wenn China sich entscheidet, dass die Zeit zum Zuschlagen gekommen ist” (meine Hervorhebung).

    Mutmaßungen über einen chinesischen Angriff

    Im Einvernehmen mit CISA und NSA stützt das FBI seine sehr öffentlichen Warnungen allein auf Mutmaßungen über Chinas künftige Absichten und nicht auf konkrete Informationen über einen bevorstehenden Cyber-Angriff. Es liegt mir fern, den Wahrheitsgehalt der Beweise der US-Nachrichtendienste zu Volt Typhoon zu bezweifeln; ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass dies Indizienbeweise sind, die absolut nichts über die Handlungswahrscheinlichkeit aussagen. Für jene von uns, die sich noch an die von den USA zur Rechtfertigung der Invasion im Irak 2003 genutzten düsteren, aber unzutreffenden Warnungen über Saddam Husseins vorgebliche Massenvernichtungswaffen erinnern, ist dies keine geringe Sorge. 

    Als Verfasser eines kürzlich erschienen Buches über das Potenzial falscher Narrative, einen unbeabsichtigten Konflikt zwischen den USA und China auszulösen, mache ich mir große Sorgen über die übereifrige Betonung von Indizienbeweisen. Ich sorge mich zudem über die Scheinheiligkeit der Behauptungen chinesischer Vorbereitungen für einen Cyber-Angriff. Man erinnere sich an das Jahr 2010, als die USA das Stuxnet-Computervirus gegen die iranischen Nuklearzentrifugen einsetzten. 

    In ihrem bemerkenswerten Buch The Politics of Language beschreiben David Beaver und Jason Stanley derartige Mutmaßungen als Fälle “präsuppositioneller Resonanz”: unbelegte Projektionen tangentialer (indiziengestützter) Informationen, die genutzt würden, um eine politisch als opportun angesehene Handlungsweise zu rechtfertigen. Die aktuelle politische Agenda der USA gegenüber China ist ein klassisches Beispiel für diese Tendenz.

    Wrays präsuppositionelle Warnungen kommen nicht aus heiterem Himmel; er schürt schon lange chinafeindliche Panik. Als im Sommer 2020 der Präsidentschaftswahlkampf in die heiße Phase eintrat, erging sich Wray gemeinsam mit drei anderen führenden Mitgliedern aus Donald Trumps Regierung (Außenminister Mike Pompeo, Justizminister William Barr und dem Nationalen Sicherheitsberater Robert O’Brien) in einer Abfolge sorgfältig orchestrierter chinafeindlicher Tiraden. Als ehemals führender Mitspieler bei Trumps politischem Theater hält Wray seitdem unerschütterlich an seinen schrillen sinophoben Ansichten fest.

    Für die Fixierung des FBI-Direktors auf chinesische Cyber-Bedrohungen gibt es einen unglückseligen historischen Präzedenzfall aus der Zeit des ersten Kalten Krieges. Die gleiche Diskreditierung der “Roten”, die damals auf die Sowjetunion und vorgebliche kommunistische Sympathisanten zielte, richtet sich heute gegen China.

    Die von beiden Parteien verfolgte chinafeindliche Kampagne in Washington scheint vollkommen darauf zu zielen, die Chinesen in die Ecke zu drängen. Das ist in den letzten drei Jahren mit der Fortsetzung der von Trump begonnen Handels- und Technologiekriege durch die Biden-Regierung zunehmend deutlich geworden. Die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat den gezielten Druck 2022 mit ihrem Besuch Taiwans, der Salz in eine von Chinas empfindlichsten offenen Wunden schüttete, noch verstärkt. 

    In ähnlicher Weise hat ein neuer, mit Vertretern beider Parteien besetzter Sonderausschuss des Repräsentantenhauses zu China unter Vorsitz von Mike Gallagher – einem in Kürze ausscheidenden republikanischen Abgeordneten aus Wisconsin – eine Kombination aus sorgsam inszenierten Anhörungen, Drohschreiben an US-Unternehmen und multimedialer Bühnenkunst genutzt, um einen Kreuzzug gegen China zu führen. Es war wenig überraschend, zu sehen, dass der Ausschuss Wray bei seiner Anhörung am 31. Januar mit offenen Armen begrüßte.

    Zahllose weitere US-Politiker sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Es gibt vermutlich kein einziges US-Kongressmitglied – egal, ob Demokrat oder Republikaner -, das bereit ist, eine prinzipiengeleitete Haltung zugunsten einer amerikanischen Wiederaufnahme des Dialogs mit China einzunehmen. Jeder, der in Versuchung ist, dies zu tun, wird sich Vorwürfen eines an München erinnernden Appeasements ausgesetzt sehen. Obwohl Präsident Joe Biden beim Gipfeltreffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Woodside im letzten November einer Wiederaufnahme des Dialogs nahekam, setzt seine Regierung die Eskalation der Beschränkung des chinesischen Zugriffs auf fortschrittliche Technologien unerschütterlich fort. 

    Chinas Verhalten befeuert Amerikas chinafeindliche Politik

    Natürlich hat Chinas Verhalten die Lage nicht gerade vereinfacht. Der Vorfall mit dem Spionageballon Anfang letzten Jahres – gar nicht zu reden von seiner “uneingeschränkten” Partnerschaft mit Russland, das einen barbarischen, ungesetzlichen Angriffskrieg führt – befeuert Amerikas chinafeindliche Politik. Wrays Cyber-Warnungen lassen diese mutmaßlichen Gefahren noch größer erscheinen. Letztlich jedoch könnte diese Kampagne des Drucks gegenüber China nach hinten losgehen. Die zunehmend aggressiven US-Maßnahmen befeuern genau jene Art feindseliger chinesischer Absichten, die paranoide US-Politiker am meisten fürchten. Das gilt in Bezug auf Taiwan und nun auch im Hinblick auf die Cyber-Sicherheit. Amerika muss sehr vorsichtig sein mit dem, was es fordert.

    All dies deutet auf ein neues Kapitel im US-chinesischen Konflikt hin – Handels- und Technologiekriege, die nun durch einen Cyber-Krieg verschärft werden. Ungeachtet von Bidens und Xis Dementis weist dieser Konflikt alle Anzeichen eines Kalten Krieges auf. Der ursprüngliche Kalte Krieg kam während der Berlinblockade und der Kubakrise einem heißen Krieg gefährlich nahe. Könnten die Risiken eines Cyber-Krieges dasselbe bewirken? Verfügen wir über die Vertrauenskapazitäten, um diese Risiken abzumildern? Wrays Panikmache bietet besorgniserregende Antworten auf diese Fragen. Der anschwellende Trommelwirbel eines US-chinesischen Cyber-Krieges birgt eine große Gefahr.

    Aus dem Englischen von Jan Doolan

    Stephen S. Roach lehrt an der Universität Yale. Er ist ehemaliger Chairman von Morgan Stanley Asia und der Verfasser von Unbalanced: The Codependency of America and China (Yale University Press, 2014) und Accidental Conflict: America, China, and the Clash of False Narratives (Yale University Press, 2022).

    Copyright: Project Syndicate, 2024.
    www.project-syndicate.org

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    Personalien

    Miriam Mayer-Ebert ist seit Februar Executive Vice President HR & Orga Audi China. Die in Bonn ausgebildete Sinologin ist seit 14 Jahren für die Audi AG tätig. Zwischen 2005 und 2008 war sie schon einmal als Head of Marketing in China. Für ihren neuen Posten kehrt sie zurück nach Peking. 

    Bora Caliskan ist im Januar bei Bosch China vom Posten des Vice President Manufacturing Operations in die Rolle des Vice President Technical Operations gewechselt. Sein Einsatzort bleibt weiterhin Wuxi in der Provinz Jiangsu. 

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    Dessert

    Im Nationalen Volkskongress fallen die Vertreter der Minderheiten Chinas besonders auf. In traditioneller Tracht herausgeputzt sollen sie nicht nur Lokalkolorit, sondern auch die innere Einheit der Volksrepublik repräsentieren. So manch einer der direkt dahinter platzierten Bürokraten dürfte sich jedoch ärgern, kriegt man aufgrund des hoch aufgetürmten Kopfschmucks nicht immer alles mit, was auf der Bühne passiert.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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