die China-Wissenschaftler in Deutschland sind schon lange keine homogene Gruppe mehr, die gemeinsam und etwas vergeistigt die Volksrepublik und deren Historie erforschen. Die aktuelle Politik und mit ihr die geopolitischen Konflikte haben längst auch die deutsche Sinologie und mit China befasste Forscher anderer Disziplinen erfasst.
Die Auseinandersetzung um die Haltung zur chinesischen Regierung ist seit dem Amtsantritt von Xi Jinping als Staats- und Parteichef immer schärfer geworden. Nun liefert ein aktueller Beitrag zweier Urgesteine der Sinologie zur Lage in Xinjiang neuen Zündstoff in der Debatte. Der Beitrag der beiden Forscher in der Neuen Zürcher Zeitung verharmlose Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und verfalle den Narrativen der Kommunistischen Partei, so die Vorwürfe.
Manche zeigten sich entsetzt. Generell sieht sich die Sinologie seit längerem dem Vorwurf mangelnder Distanz zu Peking und einer Verklärung der Realität gegenüber. Das macht es schwierig für die in der neuen China-Strategie der Bundesregierung eingeforderte Stärkung der China-Kompetenz in Deutschland. Denn wie der Streit um den Xinjiang-Text zeigt, können von zwei Experten zwei völlig unterschiedliche Einschätzungen kommen.
Derweil steht der Prozess gegen 47 Oppositionelle in Hongkong kurz vor dem Abschluss. Vordergründig geht es um die Frage, ob die Angeklagten in verschwörerischer Absicht die Funktionsfähigkeit der Hongkonger Regierung unterlaufen wollten.
Marcel Grzanna verfolgt den Prozess und erklärt, dass sein Verlauf zeigt, wie das Nationale Sicherheitsgesetz in Hongkonger Gerichtssälen angewendet wird. Sein Fazit fällt ernüchternd aus: Die Auswahl der Richter und der Prozessverlauf geben wenig Hoffnung, dass rechtsstaatliche Prinzipien bei der Urteilsfindung maßgebend sein werden.
Seit einer Weile sieht sich die deutsche China-Forschung lautstarker öffentlicher Kritik ausgesetzt. Die Debatte hat jetzt neuen Zündstoff erhalten. Zwei Urgesteine der deutschen Sinologie, Thomas Heberer von der Uni Duisburg und Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor des China Centrum Tübingen (CCT), haben mit einem Beitrag zur Situation der Uiguren in der autonomen Provinz Xinjiang für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) nicht nur ihre Kritiker außerhalb der Sinologie empört, sondern auch bei Kollegen innerhalb der Disziplin Unverständnis hervorgerufen.
Die beiden Autoren waren nach eigenen Angaben “auf eigene Initiative” im Mai nach Xinjiang gereist, mit zwei weiteren China-Wissenschaftlern und einem Völkerrechtler. Die Region ist hermetisch von chinesischen Sicherheitskräften kontrolliert. Ausländische Wissenschaftler können sich, ebenso wie Journalisten, kaum frei bewegen. Heberers und Schmidt-Glintzers Fazit lautete dennoch: “Es sind mittlerweile deutliche Anzeichen einer Rückkehr zur ‘Normalität’ erkennbar.”
Der Text löste unter China-Kennern zum Teil Entsetzen aus. Der Vorwurf lautet, Heberer und Schmidt-Glintzer relativieren und rechtfertigen die Menschenrechtsverbrechen der Kommunistischen Partei an ethnischen Minderheiten in der autonomen Provinz Xinjiang. Von Normalität könne keine Rede sein.
Die Kritik bezieht sich vor allem auf fehlende Einordnung der Forschungssituation innerhalb des Aufsatzes. “Der Text ist ein fahrlässiger Umgang mit Informationen. Die Autoren verzichten auf eine Kontextualisierung dieser Informationen und hinterfragen sie nicht kritisch”, sagt der Xinjiang-Forscher Björn Alpermann, der in der Vergangenheit schon gemeinsam mit Heberer zu China publiziert hat. Beide arbeiteten zwischen 2010 und 2016 in einem Kompetenznetz für Regionalstudien zusammen, gefördert durch das Bundesforschungsministerium.
Er verstehe nicht, “was die Kollegen da geritten hat”, sagt Alpermann. Formulierungen wie “erfolgreiche Kampagne gegen Terrorismus und Islamismus” hält Alpermann für zynisch. Er selbst bezeichnet die Minderheiten-Politik der KP in Xinjiang in seinem Buch “Xinjiang – China und die Uiguren” als “kulturellen Genozid”.
Der Artikel sei “voll von chinesischen Propaganda-Begriffen und Ansichten”, klagt die Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig. Die Sinologin Marina Rudyak von der Universität Heidelberg beklagt mangelnde Transparenz darüber, wie die Reise finanziert wurde. Als “für Wissenschaftler unwürdig” hält den Beitrag der Politologe Andreas Fulda, der zu den schärfsten Kritikern der deutschen Sinologie zählt.
Heberer und Schmidt-Glintzer verzichten in ihrem Beitrag zum Ärger ihrer Kritiker darauf, auf den Besuch von Parteichef Xi Jinping vor wenigen Wochen in Urumqi einzugehen, der Aufschluss über die Zukunftsperspektive Xinjiangs geben könnte. In seiner Grundsatzrede hatte Xi unter anderem betont, dass die “korrekte Xinjiang-Politik” der Kommunistischen Partei fortgesetzt und vollendet werden müsse. “An der Ausrichtung der Xinjiang-Politik ändert sich also nichts“, hatte Alpermann danach geschlussfolgert.
Die Verursacher des Aufruhrs, die sich beide zurzeit in China aufhalten, verteidigen ihren Beitrag. Ziel sei es gewesen, “darauf hinzuweisen, dass sich etwas zu verändern begonnen hat“, heißt es in einer Stellungnahme von Heberer und Schmidt-Glintzer gegenüber Table.Media “Es müsse doch eine Tendenz hin zu ‘Normalität’, zu Ausbildungsförderung und wirtschaftlicher Erholung und zu einer ‘Öffnung’ Xinjiangs begrüßt werden – sodass Xinjiang von einem potenziell umkämpften Teil Chinas zu einem friedlichen und prosperierenden Teil mit einem Autonomiestatus wird.” Sie hätten die “kritische Beobachtung der Verhältnisse” keineswegs aufgegeben, “doch Ansätze zu einer Auflösung früherer Repressionsmaßnahmen festgestellt.“
Heberer und Schmidt-Glintzer argumentieren, dass sich die chinesische Regierung aufgrund von “massivem islamistischem Terror” dazu “gezwungen sah” zu reagieren. Die Autoren räumen zwar ein, dass dies mit “zweifellos überharten Maßnahmen” und unter “staatlicher Willkür” geschehen sei. Doch nicht weniger als die “innere Sicherheit von ganz China” habe auf dem Spiel gestanden. Und man dürfe nicht übersehen, “dass die uigurische Bevölkerung selber unter dem Terror litt”.
In den vergangenen zehn Jahren waren mindestens eine Million Muslime, die allermeisten davon Uiguren, zum Zwecke der ideologischen Umerziehung in Internierungslager eingesperrt – das leugnet kaum noch jemand. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen hatte von “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” gesprochen und thematisierte in einem Sonderbericht sehr konkrete Vorwürfe der Zwangsarbeit, Zwangssterilisationen, Vergewaltigungen und Folter.
Neueste Erkenntnisse wie die des Xinjiang-Experten Rune Steenberg lassen in der Tat darauf schließen, dass die Internierungslager nur noch wenige Zehntausend Insassen haben. Doch von einer Normalisierung könne kaum die Rede sein, sagen Experten. Die schrumpfende Zahl gehe “Hand in Hand mit der Errichtung eines allgegenwärtigen ‘Sicherheitsstaates’ in der gesamten Region”, schrieb der australische Xinjiang-Forscher Michael Clarke erst vor wenigen Tagen in seinem Beitrag “Social reengineering in the name of security in the Xinjiang Uyghur Autonomous Region“.
Die Kritik an der deutschen China-Forschung wird vorerst nicht abnehmen. Im Kern lautet sie, die Sinologie hierzulande sei in Teilen von Eigeninteressen getrieben, nehme zu stark die Perspektiven des chinesischen Parteistaats an und habe sich in altmaoistischer Romantik verfangen.
Statt die Widersprüche chinesischer Propaganda beim Namen zu nennen und Bedrohungsszenarien für demokratische Gesellschaften klar zu definieren, würden zu viele deutsche Chinaforscher und -forscherinnen die Realität verklären. Heberer und Schmidt-Glintzer haben den Vertretern dieser Sichtweise nun frische Munition geliefert.
Nach 115 Verhandlungstagen geht der Prozess gegen 47 Hongkonger Oppositionelle in eine mehrmonatige Pause. Die Angeklagten haben ausgesagt, Zeugen wurden gehört, Beweise gesichtet. Ende November werden Anklage und Verteidigung schließlich ihre Schlussplädoyers halten.
Vordergründig geht es um die Frage, ob die Angeklagten in verschwörerischer Absicht die Funktionsfähigkeit der Hongkonger Regierung unterlaufen wollten. Im Wirklichkeit entscheidet sich aber, ob die Verfassung der Stadt, das Basic Law, das 1997 bei der Rückgabe Hongkongs an China in Kraft getreten war, überhaupt noch von verlässlicher Bedeutung ist. Oder hat die Zentralregierung in Peking mit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Jahr 2020 endgültig die Kontrolle übernommen?
Die Chancen stehen schlecht für die Angeklagten. Nur rund ein Drittel von ihnen berief sich seit Prozessbeginn im Februar überhaupt noch auf seine verfassungsmäßigen Rechte durch das Basic Law – nämlich durch eine demokratische Mehrheit im Parlament den Haushalt der Stadt blockieren und den Regierungschef bei Neuwahlen ersetzen zu können. Schon vor Beginn der Verhandlung hatten die Pekinger Repräsentanten in der Stadt den Urteilen vorgegriffen und die politischen Absichten der Opposition zu einer illegalen Verschwörung erklärt.
Konkret geht es in dem Prozess um die Organisation von Vorwahlen des demokratischen Lagers Mitte 2020, durch die die aussichtsreichsten Kandidaten für die Parlamentswahlen gefunden werden sollten. Peking war dieser Vorgang ein Dorn im Auge. In aller Eile wurde inmitten jener Wahlen das Nationale Sicherheitsgesetz implementiert. So konnten die Vorwahlen als Verstoß gegen das Gesetz geahndet werden.
31 Angeklagte, die sich als Kandidaten bei den Vorwahlen hatten aufstellen lassen, gestanden – wohl aus Angst vor politischer Einflussnahme auf die Justiz – vorsorglich ihre Schuld, in der Hoffnung, so ihr Strafmaß mildern zu können. Schließlich drohen den Angeklagten lebenslange Haftstrafen.
“Ich halte die Wahrscheinlichkeit für sehr groß, dass alle Angeklagten auch verurteilt werden”, sagt der australische Jurist Kevin Yam, der unter anderem für das Centre for Asian Law der Georgetown University in Washington arbeitet. Yam kann Australien aus Sicherheitsgründen nicht verlassen, weil die Hongkonger Regierung wegen seines politischen Aktivismus ein Kopfgeld in Höhe von einer Million HK-Dollar auf ihn ausgesetzt und ihn mit internationalem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben hat.
Es sei schmerzhaft für ihn, zu sehen, dass die Urteile offenbar schon längst gefällt wurden, sagt Yam. Die drei Richter im Gerichtsgebäude West Kowloon auf dem Hongkonger Festland ließen seiner Meinung nach keinen anderen Eindruck zu. “Hochtrabend haben sie die Angeklagten in politischen Fragen zu westlichen Demokratien belehrt. Das ist eigentlich nicht Gegenstand der Verhandlung”, erklärt Yam.
Und während die drei Richter frühzeitig Unmengen an Videomaterial von Pressekonferenzen des demokratischen Lagers aus dem Jahr 2020 untersuchen konnten, wurde die Bitte der Staatsanwaltschaft, mehr Bildaufnahmen als Beweise zu präsentieren, vom Vorsitz kurz und knapp zurückgewiesen. Es sei nicht nötig, “weitere Zeit zu verschwenden.”
Das Nationale Sicherheitsgesetz ermächtigt Hongkongs Regierungschef John Lee dazu, die Richter für solche Fälle persönlich auszusuchen. Lee kann Richter auch wieder abziehen, wenn er die nationale Sicherheit bedroht sieht. Die Kriterien dafür sind allerdings nicht spezifiziert. “Das ist so, als ob ein US-Präsident die Richter bestimmt, die über ein nationales Abtreibungsgesetz entscheiden”, sagt Jurist Yam.
Wegen der unüblichen Praxis hat Lee bereits Post von den Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten erhalten. In ihrem Schreiben drückten sie ihre Sorge um die Hongkonger Ernennungspraxis aus, weil sie glauben, sie könnte “die Unabhängigkeit der Justiz untergraben”. Die UN empfehlen in ihren Grundprinzipien, Richter auf Lebenszeit zu ernennen und “alle Disziplinar-, Suspendierungs- oder Entlassungsverfahren in Übereinstimmung mit den etablierten Standards” zu entscheiden.
Lees Haltung ist hinlänglich bekannt. Vor seiner politischen Karriere war er Polizeichef in Hongkong. Unter seiner Führung gingen die Sicherheitskräfte der Stadt mit aller Härte gegen die Demonstranten der Massenproteste ab 2019 vor. Lee gilt als steifer Technokrat, den Peking vor allem wegen dieser Vergangenheit als Regierungschef installiert hat. Dass die Opposition unter seiner Regie kaum Rücksicht erfährt, ist daher wenig überraschend.
Der Prozess gegen die 47 Aktivisten war ursprünglich auf 90 Verhandlungstage ausgelegt, zog sich aber deutlich in die Länge. Das hat auch Auswirkungen auf den Fall des Verlegers Jimmy Lai, der sich wegen seiner Prominenz in einem gesonderten Prozess verantworten muss. Auch seinem Prozess liegen vermeintliche Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz zugrunde. Weil Richter Alex Lee für beide Fälle berufen worden ist, verzögert sich Lais Prozessauftakt wohl in den Dezember.
Wegen Lees Doppelbelastung werden die Urteile gegen die 47 möglicherweise erst im Sommer des kommenden Jahres gesprochen.
Vor vier Jahren hatte Ai Weiwei mit Groll auf die Deutschen Berlin verlassen. Nun hat sich der chinesische Künstler eigenen Angaben zufolge mit Deutschland wieder versöhnt. “Es ist wie eine Romanze”, sagte der 66-Jährige in einem Interview mit dem Tagesspiegel. “In einer Liebesbeziehung gibt es immer Dinge, die man liebt und andere, die einen nerven.” Er habe inzwischen festgestellt, dass die heutigen Probleme in Deutschland keine rein deutschen seien. “Sie sind überall in Europa und Amerika zu finden.” Ai Weiwei ist anlässlich der Berlin Art Week derzeit in Deutschland.
Im August 2019 hatte Ai Weiwei erklärt, Deutschland den Rücken zu kehren, weil es keinen Raum für offene Debatten und abweichende Meinungen gebe. Er beklagte eine tiefe Abneigung der Deutschen gegen Ausländer. Vier Jahre lang hatte Ai Weiwei in Berlin gelebt, nachdem die damalige Kanzlerin Angela Merkel sich für seine Ausreise aus China eingesetzt hatte. Er hatte wegen seiner regierungskritischen Äußerungen einige Jahre in Peking in Hausarrest verbringen müssen.
Über die politische Situation in seinem Heimatland zeigte sich der Regimekritiker resigniert. “Ich denke nicht, dass sich politisch in China in den nächsten Jahren viel verändern wird.” Trotz der schlechten wirtschaftlichen Situation werde China überleben. Überleben sei Teil der chinesischen Kultur geworden.
Auf die Frage, ob China den Ukraine-Krieg als Anlass für eine Invasion in Taiwan nehmen werde, sagte Ai Weiwei: “Nein, so dumm ist China nicht.” Nur, wenn Taiwan sich als unabhängig erklären würde, werde China angreifen. Daher sei es am besten, wenn Taiwan “einfach weitermacht”. flee
Die Sprecherin des britischen Parlaments hat am Montag bekannt gegeben, dass Regierung und Parlament die Vorwürfe chinesischer Spionage genau untersuchen werde. “Ich möchte den Mitgliedern versichern, dass das Repräsentantenhaus die gleichen Überprüfungsverfahren befolgt wie die Regierung, dass durch Medienberichte aufgeworfene Probleme angegangen werden und dass der Sicherheitsdienst eng und effektiv mit anderen relevanten Behörden zusammenarbeitet”, sagte Lindsay Hoyle dem Unterhaus.
Zuvor hatte die britische Polizei einen mutmaßlichen chinesischen Spion festgenommen, der für den wissenschaftlichen Dienst des britischen Parlaments gearbeitet und Zugang zu einflussreichen Politikern hatte. Es soll sich bei dem wissenschaftlichen Mitarbeiter um einen Briten handeln, der in China gelebt und gearbeitet hatte. Er soll jahrelang Einfluss auf die britische China-Politik genommen haben. Im Zusammenhang mit dem Fall wurde noch ein weiterer Mann festgenommen.
Unterdessen hat China sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Der Vorwurf, China betreibe Spionageaktivitäten gegen Großbritannien, sei ohne Grundlage und China weise das zurück, sagte die Sprecherin des Außenministeriums am Montag in Peking. “Wir fordern Großbritannien auf, damit aufzuhören, falsche Informationen, politische Manipulation und böswillige Verleumdungen gegen China zu verbreiten”, erklärte sie weiter.
Auch der Verdächtige selbst beteuerte in einem Schreiben seiner Anwälte seine Unschuld, wie die britische Nachrichtenagentur AP meldete. “Ich habe meine bisherige Karriere damit verbracht, andere über die Herausforderungen und Bedrohungen durch die Kommunistische Partei Chinas aufzuklären.” rad/rtr
Hongkongs Kungfu-Superstar Bruce Lee (Li Xiaolong) machte sich auch als chinesischer Patriot einen Namen. Im Actionfilm “Fist of Fury” (精武門), der in Deutschland unter dem Titel “Todesgrüße aus Shanghai” in die Kinos kam, spielt er einen Karatekämpfer im Shanghai der 1920er Jahre. Als er einen Park in der britischen Niederlassung am Bund besuchen will, verwehrt ihm ein indischer Torwächter im Dienst der Konzessionspolizei den Zutritt und deutet auf das hoch an der Mauer angebrachte Verbotsschild: “Chinesen und Hunde dürfen hier nicht hinein.” Währenddessen spaziert eine Ausländerin mit ihrem Schoßhund unbehelligt in den Park ebenso wie japanische Rabauken. Sie provozieren Lee, er hätte als Chinese hier nichts zu suchen. Darauf verprügelt er sie, springt in die Höhe und zertrümmert mit einem Fußtritt das Holzschild. Die Wiederholung in Zeitlupe macht die Aktion noch effektvoller.
Der Kungfu-Kick ging in die cineastische Geschichte ein. Das Publikum in Hongkong applaudierte, als es den Film 1972 sah. Nach der Kulturrevolution wurde er auch in der Volksrepublik gezeigt und verschaffte Bruce Lee einen Ehrenplatz im Olymp chinesischer Nationalisten.
Die Story war erfunden, der Drehort ein Fake, ebenso wie das Eintrittsverbot für “Chinesen und Hunde”. Aus Kostengründen ließ Hongkong die Szene nicht am Shanghaier Bund, sondern vor Macaos ältestem Park “Jardin Luís de Camões” drehen. “Es gibt keinen Beleg dafür, dass diese Aufschrift tatsächlich existierte. Sie wird heute für einen Mythos gehalten”, schrieben die Sinologen Robert Bickers und Jeffrey Wasserstrom, die nach aufwändigen Recherchen 1995 eine Abhandlung darüber für “China Quarterly” schrieben. “Praktisch jedes Lehrbuch, jede Populärgeschichte, jede wissenschaftliche Arbeit und jeder Reiseführer, die zwischen den frühen 1950er und frühen 1980er Jahren in der Volksrepublik veröffentlicht wurden und sich mit Shanghai befassten, enthielten mindestens ein paar Zeilen über das Schild.”
Peking ließ die erniedrigende Gleichsetzung von Chinesen mit Hunden politisch instrumentalisieren. Seit über 100 Jahren wird die Mär vom Park als Tatsache nacherzählt, auch im Ausland. Sie dient als anschauliches Beispiel, wie menschenverachtend die früheren Kolonialmächte mit China umgingen und untermauert das Narrativ von der Partei, die ihr unterjochtes Volk befreite.
Historisch stimmt, dass die Shanghaier diskriminiert wurden. Der Zugang zu dem im August 1868 unter dem Namen “Public Garden” von den Briten in ihrem Konzessionsgebiet angelegten Park blieb mehr als 60 Jahre nur Ausländern vorbehalten. Erst 1928 wurde der Park als “The Bund Garden” (外滩公园) für die Allgemeinheit geöffnet.
Inzwischen durchstöberten japanische Forscher, chinesische und ausländische Historiker Lokalarchive, städtische Akten und zeitgenössische Zeitungen. Sie fanden heraus, dass die englischsprachigen Parkordnungen zwischen 1881 und 1917 mehrfach überarbeitet wurden. Die Fassung von 1903 nennt noch ausdrücklich das Wort “Chinesen”, die nur in den Park eintreten dürften, wenn sie als Bedienstete Ausländer begleiteten. Die Bezeichnung “Chinese” wird danach nicht mehr verwendet. In der bekanntesten Fassung der Parkordnung von 1917 steht unter Punkt Eins, der Park sei “reserved for the Foreign Community”. Punkt 4 untersagt die Mitnahme von Hunden und Fahrrädern. Doch nirgends findet sich die beleidigende Konnotation: Eintritt verboten “für Chinesen und Hunde”.
Die Shanghaier nahmen die Verbote nicht einfach so hin. Die Forscher entdeckten Petitionen und Protestbriefe in englischer Sprache aus den Jahren 1881 und 1885. Gutsituierte Bürger warfen dem Städtischen Rat in der Internationalen Niederlassung Diskriminierung vor und verlangten gleichberechtigte Nutzung des Freizeitparks: “Wir zahlen Steuern – welches Gesetz verbietet uns den Eintritt?” Die britischen Verwalter behaupteten, der Park sei zu klein für alle, oder verlangten “zivilisierte Kleidung”. Um den wachsenden Unmut zu besänftigen, bot die Verwaltung zwischen 1886 und 1889 Eintrittskarten für Einheimische an. 1889 wurden 183 Karten verkauft. Die Kritik ebbte nicht ab: Denn Ausländer brauchten keine Karten zu kaufen.
Längst war die Aufregung um den Park in- und außerhalb Chinas zum Politikum geworden, vor allem, nachdem sich eine vermutlich von jungen Patrioten erfundene Behauptung verbreitet hatte, auf den Schildern stünde: “Zugang für Chinesen und Hunde verboten”. Prominente Zeitzeugen vom bürgerlichen Revolutionär Sun Yat-sen (孙中山) bis zu Chinas Universalgelehrten Guo Moruo (郭沫若) entrüsteten sich über die schmachvolle Beleidigung aller Chinesen. 1923 schrieb Guo: Ihm sei geraten worden, westliche Kleidung zu tragen, um den Park besuchen zu können. Das wäre, als ob er vorgäbe, ein “Orient-Ausländer” mit “dem Status eines Hundes” (穿洋服去是假充东洋人,生就了的狗命) zu sein. Auch Ausländer solidarisierten sich, der deutsche China-Gelehrte Richard Wilhelm verurteilte in seinem 1928 erschienenen Buch “Ostasien” (Potsdam, S.123) die Sonderrechte der Niederlassungen.
Der Abgeordnete der englischen Arbeiterpartei C. Malone fotografierte in Shanghai im Mai 1926 das Schild mit der Parkordnung von 1917 und veröffentlichte das Foto in seinem Buch “Das neue China” (Berlin 1928, S. 36). Darunter schrieb er, es sei ein “Dokument der Fremdherrschaft” mit der Aufschrift Eintritt “für Chinesen, Hunde und Fahrräder verboten”. Dumm nur, dass das nicht so auf dem Schild stand.
Chinesische Forscher, die in der liberalen Atmosphäre der 1990er Jahre dem Mythos nachrecherchierten, mussten erfahren, dass ihre neuen Erkenntnisse über die Parkregeln nicht willkommen waren. Im Zuge der Re-Ideologisierung Chinas durch den seit 2012 amtierenden Parteichef Xi Jinping machten sie sich des historischen Nihilismus verdächtig, wenn sie revolutionäre Legenden auf den Prüfstand stellten. Die Partei duldete keine Zweifel, ob an angeblichen Heldentaten etwa des Mustersoldaten Lei Feng oder der Volksbefreiungsarmee im Koreakrieg. Aber an kaum einer anderen Mär hielt Peking so hartnäckig fest, wie an der Story vom Shanghaier Park und seinem Schild “Kein Zugang für Hunde und Chinesen.”
Schließlich wurde das Schild Teil des Bühnenbilds von Chinas berühmtestem epischen Sing- und Tanzschauspiel “Der Osten ist Rot” (东方红). Das 1964 inszenierte gigantische Bühnenschauspiel zur Verherrlichung des Sieges der chinesischen Revolution und ihres Führers Mao Zedong prägte eine ganze Generation. So wichtig war der Pekinger Führung das mehrstündige Propaganda-Spektakel, dass Premier Zhou Enlai die Regie führte.
Und auch Mao griff ein, enthüllten Reporter der Nachrichtenagentur China News (中新网). Nachdem er am 2. Oktober 1964 die Uraufführung gesehen hatte, verlangte er, das Bühnenbild zu ändern und schon im ersten Akt das Verbotsschild des Shanghaier Parks aufzustellen, “um realistischer darzustellen, wie das alte China von den imperialistischen Mächten schikaniert wurde”. Kein Wunder, dass Peking bis heute an diesem Narrativ festhält.
Noch weniger lässt die Partei an einem anderen politischen Mythos rütteln, den heute auch im westlichen Ausland viele unterschreiben, wonach Chinesen ein besonders friedliebendes Volk und Pazifisten nach innen wie nach außen sind. Schon vor hundert Jahren nannte der deutsche Marxist und bekannte China-Experte Karl August Wittfogel solche Bekundungen “nichtsnutzige Märchen”. In seinem 1925 erschienenen Buch “Das erwachende China” (Agis Verlag Wien) kritisierte er: “Die Chinesen (‘die’ Chinesen) werden mit Vorliebe als ein idyllisches, friedfertiges, ‘pazifistisches’ Volk bezeichnet … Was den lämmerhaften, ‘zahmen’ Charakter des chinesischen Volkes anbetrifft, so ist das ein nichtsnutziges Märchen. … China ist das klassische Land der inneren Wirren, der Empörungen und Bürgerkriege. … Kaum ein Jahrzehnt ohne einen inneren Aufstand … Das macht uns dafür aber die national-revolutionäre Energie, die heute drüben aufgebracht wird, leichter verständlich, als die Theorie vom chinesischen ‘Idyll’.”
Für Chinas Parteichef Xi ist es Kalkül, wenn er heute Chinas Friedfertigkeit als Alleinstellungsmerkmal seiner Nation anpreist. Wörtlich sagt er gerade in einer Rede über Chinas kulturelles Erbe, die in der Septemberausgabe der ZK-Zeitschrift Qiushi erschien: “Die chinesische Zivilisation zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Friedlichkeit aus. Frieden, friedliche Beziehungen und Harmonie sind die Konzepte, die die chinesische Zivilisation sich seit mehr als 5000 Jahren vererbt hat. Die Friedlichkeit der chinesischen Zivilisation bestimmt im Wesentlichen, dass China von Anfang bis heute Erbauer des Weltfriedens ist.” (中华文明具有突出的和平性。和平、和睦、和谐是中华文明五千多年来一直传承的理念,….。中华文明的和平性,从根本上决定了中国始终是世界和平的建设者)
Pekinger Parteizeitungen schreiben sogar vom chinesischen “Friedens-Gen” (和平基因). Dass es so etwas gibt, darf heute in China noch weniger angezweifelt werden, als die Mär vom Shanghaier Park. Die Partei legitimiert sich über ihre politischen Mythen.
die China-Wissenschaftler in Deutschland sind schon lange keine homogene Gruppe mehr, die gemeinsam und etwas vergeistigt die Volksrepublik und deren Historie erforschen. Die aktuelle Politik und mit ihr die geopolitischen Konflikte haben längst auch die deutsche Sinologie und mit China befasste Forscher anderer Disziplinen erfasst.
Die Auseinandersetzung um die Haltung zur chinesischen Regierung ist seit dem Amtsantritt von Xi Jinping als Staats- und Parteichef immer schärfer geworden. Nun liefert ein aktueller Beitrag zweier Urgesteine der Sinologie zur Lage in Xinjiang neuen Zündstoff in der Debatte. Der Beitrag der beiden Forscher in der Neuen Zürcher Zeitung verharmlose Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und verfalle den Narrativen der Kommunistischen Partei, so die Vorwürfe.
Manche zeigten sich entsetzt. Generell sieht sich die Sinologie seit längerem dem Vorwurf mangelnder Distanz zu Peking und einer Verklärung der Realität gegenüber. Das macht es schwierig für die in der neuen China-Strategie der Bundesregierung eingeforderte Stärkung der China-Kompetenz in Deutschland. Denn wie der Streit um den Xinjiang-Text zeigt, können von zwei Experten zwei völlig unterschiedliche Einschätzungen kommen.
Derweil steht der Prozess gegen 47 Oppositionelle in Hongkong kurz vor dem Abschluss. Vordergründig geht es um die Frage, ob die Angeklagten in verschwörerischer Absicht die Funktionsfähigkeit der Hongkonger Regierung unterlaufen wollten.
Marcel Grzanna verfolgt den Prozess und erklärt, dass sein Verlauf zeigt, wie das Nationale Sicherheitsgesetz in Hongkonger Gerichtssälen angewendet wird. Sein Fazit fällt ernüchternd aus: Die Auswahl der Richter und der Prozessverlauf geben wenig Hoffnung, dass rechtsstaatliche Prinzipien bei der Urteilsfindung maßgebend sein werden.
Seit einer Weile sieht sich die deutsche China-Forschung lautstarker öffentlicher Kritik ausgesetzt. Die Debatte hat jetzt neuen Zündstoff erhalten. Zwei Urgesteine der deutschen Sinologie, Thomas Heberer von der Uni Duisburg und Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor des China Centrum Tübingen (CCT), haben mit einem Beitrag zur Situation der Uiguren in der autonomen Provinz Xinjiang für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) nicht nur ihre Kritiker außerhalb der Sinologie empört, sondern auch bei Kollegen innerhalb der Disziplin Unverständnis hervorgerufen.
Die beiden Autoren waren nach eigenen Angaben “auf eigene Initiative” im Mai nach Xinjiang gereist, mit zwei weiteren China-Wissenschaftlern und einem Völkerrechtler. Die Region ist hermetisch von chinesischen Sicherheitskräften kontrolliert. Ausländische Wissenschaftler können sich, ebenso wie Journalisten, kaum frei bewegen. Heberers und Schmidt-Glintzers Fazit lautete dennoch: “Es sind mittlerweile deutliche Anzeichen einer Rückkehr zur ‘Normalität’ erkennbar.”
Der Text löste unter China-Kennern zum Teil Entsetzen aus. Der Vorwurf lautet, Heberer und Schmidt-Glintzer relativieren und rechtfertigen die Menschenrechtsverbrechen der Kommunistischen Partei an ethnischen Minderheiten in der autonomen Provinz Xinjiang. Von Normalität könne keine Rede sein.
Die Kritik bezieht sich vor allem auf fehlende Einordnung der Forschungssituation innerhalb des Aufsatzes. “Der Text ist ein fahrlässiger Umgang mit Informationen. Die Autoren verzichten auf eine Kontextualisierung dieser Informationen und hinterfragen sie nicht kritisch”, sagt der Xinjiang-Forscher Björn Alpermann, der in der Vergangenheit schon gemeinsam mit Heberer zu China publiziert hat. Beide arbeiteten zwischen 2010 und 2016 in einem Kompetenznetz für Regionalstudien zusammen, gefördert durch das Bundesforschungsministerium.
Er verstehe nicht, “was die Kollegen da geritten hat”, sagt Alpermann. Formulierungen wie “erfolgreiche Kampagne gegen Terrorismus und Islamismus” hält Alpermann für zynisch. Er selbst bezeichnet die Minderheiten-Politik der KP in Xinjiang in seinem Buch “Xinjiang – China und die Uiguren” als “kulturellen Genozid”.
Der Artikel sei “voll von chinesischen Propaganda-Begriffen und Ansichten”, klagt die Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig. Die Sinologin Marina Rudyak von der Universität Heidelberg beklagt mangelnde Transparenz darüber, wie die Reise finanziert wurde. Als “für Wissenschaftler unwürdig” hält den Beitrag der Politologe Andreas Fulda, der zu den schärfsten Kritikern der deutschen Sinologie zählt.
Heberer und Schmidt-Glintzer verzichten in ihrem Beitrag zum Ärger ihrer Kritiker darauf, auf den Besuch von Parteichef Xi Jinping vor wenigen Wochen in Urumqi einzugehen, der Aufschluss über die Zukunftsperspektive Xinjiangs geben könnte. In seiner Grundsatzrede hatte Xi unter anderem betont, dass die “korrekte Xinjiang-Politik” der Kommunistischen Partei fortgesetzt und vollendet werden müsse. “An der Ausrichtung der Xinjiang-Politik ändert sich also nichts“, hatte Alpermann danach geschlussfolgert.
Die Verursacher des Aufruhrs, die sich beide zurzeit in China aufhalten, verteidigen ihren Beitrag. Ziel sei es gewesen, “darauf hinzuweisen, dass sich etwas zu verändern begonnen hat“, heißt es in einer Stellungnahme von Heberer und Schmidt-Glintzer gegenüber Table.Media “Es müsse doch eine Tendenz hin zu ‘Normalität’, zu Ausbildungsförderung und wirtschaftlicher Erholung und zu einer ‘Öffnung’ Xinjiangs begrüßt werden – sodass Xinjiang von einem potenziell umkämpften Teil Chinas zu einem friedlichen und prosperierenden Teil mit einem Autonomiestatus wird.” Sie hätten die “kritische Beobachtung der Verhältnisse” keineswegs aufgegeben, “doch Ansätze zu einer Auflösung früherer Repressionsmaßnahmen festgestellt.“
Heberer und Schmidt-Glintzer argumentieren, dass sich die chinesische Regierung aufgrund von “massivem islamistischem Terror” dazu “gezwungen sah” zu reagieren. Die Autoren räumen zwar ein, dass dies mit “zweifellos überharten Maßnahmen” und unter “staatlicher Willkür” geschehen sei. Doch nicht weniger als die “innere Sicherheit von ganz China” habe auf dem Spiel gestanden. Und man dürfe nicht übersehen, “dass die uigurische Bevölkerung selber unter dem Terror litt”.
In den vergangenen zehn Jahren waren mindestens eine Million Muslime, die allermeisten davon Uiguren, zum Zwecke der ideologischen Umerziehung in Internierungslager eingesperrt – das leugnet kaum noch jemand. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen hatte von “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” gesprochen und thematisierte in einem Sonderbericht sehr konkrete Vorwürfe der Zwangsarbeit, Zwangssterilisationen, Vergewaltigungen und Folter.
Neueste Erkenntnisse wie die des Xinjiang-Experten Rune Steenberg lassen in der Tat darauf schließen, dass die Internierungslager nur noch wenige Zehntausend Insassen haben. Doch von einer Normalisierung könne kaum die Rede sein, sagen Experten. Die schrumpfende Zahl gehe “Hand in Hand mit der Errichtung eines allgegenwärtigen ‘Sicherheitsstaates’ in der gesamten Region”, schrieb der australische Xinjiang-Forscher Michael Clarke erst vor wenigen Tagen in seinem Beitrag “Social reengineering in the name of security in the Xinjiang Uyghur Autonomous Region“.
Die Kritik an der deutschen China-Forschung wird vorerst nicht abnehmen. Im Kern lautet sie, die Sinologie hierzulande sei in Teilen von Eigeninteressen getrieben, nehme zu stark die Perspektiven des chinesischen Parteistaats an und habe sich in altmaoistischer Romantik verfangen.
Statt die Widersprüche chinesischer Propaganda beim Namen zu nennen und Bedrohungsszenarien für demokratische Gesellschaften klar zu definieren, würden zu viele deutsche Chinaforscher und -forscherinnen die Realität verklären. Heberer und Schmidt-Glintzer haben den Vertretern dieser Sichtweise nun frische Munition geliefert.
Nach 115 Verhandlungstagen geht der Prozess gegen 47 Hongkonger Oppositionelle in eine mehrmonatige Pause. Die Angeklagten haben ausgesagt, Zeugen wurden gehört, Beweise gesichtet. Ende November werden Anklage und Verteidigung schließlich ihre Schlussplädoyers halten.
Vordergründig geht es um die Frage, ob die Angeklagten in verschwörerischer Absicht die Funktionsfähigkeit der Hongkonger Regierung unterlaufen wollten. Im Wirklichkeit entscheidet sich aber, ob die Verfassung der Stadt, das Basic Law, das 1997 bei der Rückgabe Hongkongs an China in Kraft getreten war, überhaupt noch von verlässlicher Bedeutung ist. Oder hat die Zentralregierung in Peking mit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Jahr 2020 endgültig die Kontrolle übernommen?
Die Chancen stehen schlecht für die Angeklagten. Nur rund ein Drittel von ihnen berief sich seit Prozessbeginn im Februar überhaupt noch auf seine verfassungsmäßigen Rechte durch das Basic Law – nämlich durch eine demokratische Mehrheit im Parlament den Haushalt der Stadt blockieren und den Regierungschef bei Neuwahlen ersetzen zu können. Schon vor Beginn der Verhandlung hatten die Pekinger Repräsentanten in der Stadt den Urteilen vorgegriffen und die politischen Absichten der Opposition zu einer illegalen Verschwörung erklärt.
Konkret geht es in dem Prozess um die Organisation von Vorwahlen des demokratischen Lagers Mitte 2020, durch die die aussichtsreichsten Kandidaten für die Parlamentswahlen gefunden werden sollten. Peking war dieser Vorgang ein Dorn im Auge. In aller Eile wurde inmitten jener Wahlen das Nationale Sicherheitsgesetz implementiert. So konnten die Vorwahlen als Verstoß gegen das Gesetz geahndet werden.
31 Angeklagte, die sich als Kandidaten bei den Vorwahlen hatten aufstellen lassen, gestanden – wohl aus Angst vor politischer Einflussnahme auf die Justiz – vorsorglich ihre Schuld, in der Hoffnung, so ihr Strafmaß mildern zu können. Schließlich drohen den Angeklagten lebenslange Haftstrafen.
“Ich halte die Wahrscheinlichkeit für sehr groß, dass alle Angeklagten auch verurteilt werden”, sagt der australische Jurist Kevin Yam, der unter anderem für das Centre for Asian Law der Georgetown University in Washington arbeitet. Yam kann Australien aus Sicherheitsgründen nicht verlassen, weil die Hongkonger Regierung wegen seines politischen Aktivismus ein Kopfgeld in Höhe von einer Million HK-Dollar auf ihn ausgesetzt und ihn mit internationalem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben hat.
Es sei schmerzhaft für ihn, zu sehen, dass die Urteile offenbar schon längst gefällt wurden, sagt Yam. Die drei Richter im Gerichtsgebäude West Kowloon auf dem Hongkonger Festland ließen seiner Meinung nach keinen anderen Eindruck zu. “Hochtrabend haben sie die Angeklagten in politischen Fragen zu westlichen Demokratien belehrt. Das ist eigentlich nicht Gegenstand der Verhandlung”, erklärt Yam.
Und während die drei Richter frühzeitig Unmengen an Videomaterial von Pressekonferenzen des demokratischen Lagers aus dem Jahr 2020 untersuchen konnten, wurde die Bitte der Staatsanwaltschaft, mehr Bildaufnahmen als Beweise zu präsentieren, vom Vorsitz kurz und knapp zurückgewiesen. Es sei nicht nötig, “weitere Zeit zu verschwenden.”
Das Nationale Sicherheitsgesetz ermächtigt Hongkongs Regierungschef John Lee dazu, die Richter für solche Fälle persönlich auszusuchen. Lee kann Richter auch wieder abziehen, wenn er die nationale Sicherheit bedroht sieht. Die Kriterien dafür sind allerdings nicht spezifiziert. “Das ist so, als ob ein US-Präsident die Richter bestimmt, die über ein nationales Abtreibungsgesetz entscheiden”, sagt Jurist Yam.
Wegen der unüblichen Praxis hat Lee bereits Post von den Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten erhalten. In ihrem Schreiben drückten sie ihre Sorge um die Hongkonger Ernennungspraxis aus, weil sie glauben, sie könnte “die Unabhängigkeit der Justiz untergraben”. Die UN empfehlen in ihren Grundprinzipien, Richter auf Lebenszeit zu ernennen und “alle Disziplinar-, Suspendierungs- oder Entlassungsverfahren in Übereinstimmung mit den etablierten Standards” zu entscheiden.
Lees Haltung ist hinlänglich bekannt. Vor seiner politischen Karriere war er Polizeichef in Hongkong. Unter seiner Führung gingen die Sicherheitskräfte der Stadt mit aller Härte gegen die Demonstranten der Massenproteste ab 2019 vor. Lee gilt als steifer Technokrat, den Peking vor allem wegen dieser Vergangenheit als Regierungschef installiert hat. Dass die Opposition unter seiner Regie kaum Rücksicht erfährt, ist daher wenig überraschend.
Der Prozess gegen die 47 Aktivisten war ursprünglich auf 90 Verhandlungstage ausgelegt, zog sich aber deutlich in die Länge. Das hat auch Auswirkungen auf den Fall des Verlegers Jimmy Lai, der sich wegen seiner Prominenz in einem gesonderten Prozess verantworten muss. Auch seinem Prozess liegen vermeintliche Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz zugrunde. Weil Richter Alex Lee für beide Fälle berufen worden ist, verzögert sich Lais Prozessauftakt wohl in den Dezember.
Wegen Lees Doppelbelastung werden die Urteile gegen die 47 möglicherweise erst im Sommer des kommenden Jahres gesprochen.
Vor vier Jahren hatte Ai Weiwei mit Groll auf die Deutschen Berlin verlassen. Nun hat sich der chinesische Künstler eigenen Angaben zufolge mit Deutschland wieder versöhnt. “Es ist wie eine Romanze”, sagte der 66-Jährige in einem Interview mit dem Tagesspiegel. “In einer Liebesbeziehung gibt es immer Dinge, die man liebt und andere, die einen nerven.” Er habe inzwischen festgestellt, dass die heutigen Probleme in Deutschland keine rein deutschen seien. “Sie sind überall in Europa und Amerika zu finden.” Ai Weiwei ist anlässlich der Berlin Art Week derzeit in Deutschland.
Im August 2019 hatte Ai Weiwei erklärt, Deutschland den Rücken zu kehren, weil es keinen Raum für offene Debatten und abweichende Meinungen gebe. Er beklagte eine tiefe Abneigung der Deutschen gegen Ausländer. Vier Jahre lang hatte Ai Weiwei in Berlin gelebt, nachdem die damalige Kanzlerin Angela Merkel sich für seine Ausreise aus China eingesetzt hatte. Er hatte wegen seiner regierungskritischen Äußerungen einige Jahre in Peking in Hausarrest verbringen müssen.
Über die politische Situation in seinem Heimatland zeigte sich der Regimekritiker resigniert. “Ich denke nicht, dass sich politisch in China in den nächsten Jahren viel verändern wird.” Trotz der schlechten wirtschaftlichen Situation werde China überleben. Überleben sei Teil der chinesischen Kultur geworden.
Auf die Frage, ob China den Ukraine-Krieg als Anlass für eine Invasion in Taiwan nehmen werde, sagte Ai Weiwei: “Nein, so dumm ist China nicht.” Nur, wenn Taiwan sich als unabhängig erklären würde, werde China angreifen. Daher sei es am besten, wenn Taiwan “einfach weitermacht”. flee
Die Sprecherin des britischen Parlaments hat am Montag bekannt gegeben, dass Regierung und Parlament die Vorwürfe chinesischer Spionage genau untersuchen werde. “Ich möchte den Mitgliedern versichern, dass das Repräsentantenhaus die gleichen Überprüfungsverfahren befolgt wie die Regierung, dass durch Medienberichte aufgeworfene Probleme angegangen werden und dass der Sicherheitsdienst eng und effektiv mit anderen relevanten Behörden zusammenarbeitet”, sagte Lindsay Hoyle dem Unterhaus.
Zuvor hatte die britische Polizei einen mutmaßlichen chinesischen Spion festgenommen, der für den wissenschaftlichen Dienst des britischen Parlaments gearbeitet und Zugang zu einflussreichen Politikern hatte. Es soll sich bei dem wissenschaftlichen Mitarbeiter um einen Briten handeln, der in China gelebt und gearbeitet hatte. Er soll jahrelang Einfluss auf die britische China-Politik genommen haben. Im Zusammenhang mit dem Fall wurde noch ein weiterer Mann festgenommen.
Unterdessen hat China sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Der Vorwurf, China betreibe Spionageaktivitäten gegen Großbritannien, sei ohne Grundlage und China weise das zurück, sagte die Sprecherin des Außenministeriums am Montag in Peking. “Wir fordern Großbritannien auf, damit aufzuhören, falsche Informationen, politische Manipulation und böswillige Verleumdungen gegen China zu verbreiten”, erklärte sie weiter.
Auch der Verdächtige selbst beteuerte in einem Schreiben seiner Anwälte seine Unschuld, wie die britische Nachrichtenagentur AP meldete. “Ich habe meine bisherige Karriere damit verbracht, andere über die Herausforderungen und Bedrohungen durch die Kommunistische Partei Chinas aufzuklären.” rad/rtr
Hongkongs Kungfu-Superstar Bruce Lee (Li Xiaolong) machte sich auch als chinesischer Patriot einen Namen. Im Actionfilm “Fist of Fury” (精武門), der in Deutschland unter dem Titel “Todesgrüße aus Shanghai” in die Kinos kam, spielt er einen Karatekämpfer im Shanghai der 1920er Jahre. Als er einen Park in der britischen Niederlassung am Bund besuchen will, verwehrt ihm ein indischer Torwächter im Dienst der Konzessionspolizei den Zutritt und deutet auf das hoch an der Mauer angebrachte Verbotsschild: “Chinesen und Hunde dürfen hier nicht hinein.” Währenddessen spaziert eine Ausländerin mit ihrem Schoßhund unbehelligt in den Park ebenso wie japanische Rabauken. Sie provozieren Lee, er hätte als Chinese hier nichts zu suchen. Darauf verprügelt er sie, springt in die Höhe und zertrümmert mit einem Fußtritt das Holzschild. Die Wiederholung in Zeitlupe macht die Aktion noch effektvoller.
Der Kungfu-Kick ging in die cineastische Geschichte ein. Das Publikum in Hongkong applaudierte, als es den Film 1972 sah. Nach der Kulturrevolution wurde er auch in der Volksrepublik gezeigt und verschaffte Bruce Lee einen Ehrenplatz im Olymp chinesischer Nationalisten.
Die Story war erfunden, der Drehort ein Fake, ebenso wie das Eintrittsverbot für “Chinesen und Hunde”. Aus Kostengründen ließ Hongkong die Szene nicht am Shanghaier Bund, sondern vor Macaos ältestem Park “Jardin Luís de Camões” drehen. “Es gibt keinen Beleg dafür, dass diese Aufschrift tatsächlich existierte. Sie wird heute für einen Mythos gehalten”, schrieben die Sinologen Robert Bickers und Jeffrey Wasserstrom, die nach aufwändigen Recherchen 1995 eine Abhandlung darüber für “China Quarterly” schrieben. “Praktisch jedes Lehrbuch, jede Populärgeschichte, jede wissenschaftliche Arbeit und jeder Reiseführer, die zwischen den frühen 1950er und frühen 1980er Jahren in der Volksrepublik veröffentlicht wurden und sich mit Shanghai befassten, enthielten mindestens ein paar Zeilen über das Schild.”
Peking ließ die erniedrigende Gleichsetzung von Chinesen mit Hunden politisch instrumentalisieren. Seit über 100 Jahren wird die Mär vom Park als Tatsache nacherzählt, auch im Ausland. Sie dient als anschauliches Beispiel, wie menschenverachtend die früheren Kolonialmächte mit China umgingen und untermauert das Narrativ von der Partei, die ihr unterjochtes Volk befreite.
Historisch stimmt, dass die Shanghaier diskriminiert wurden. Der Zugang zu dem im August 1868 unter dem Namen “Public Garden” von den Briten in ihrem Konzessionsgebiet angelegten Park blieb mehr als 60 Jahre nur Ausländern vorbehalten. Erst 1928 wurde der Park als “The Bund Garden” (外滩公园) für die Allgemeinheit geöffnet.
Inzwischen durchstöberten japanische Forscher, chinesische und ausländische Historiker Lokalarchive, städtische Akten und zeitgenössische Zeitungen. Sie fanden heraus, dass die englischsprachigen Parkordnungen zwischen 1881 und 1917 mehrfach überarbeitet wurden. Die Fassung von 1903 nennt noch ausdrücklich das Wort “Chinesen”, die nur in den Park eintreten dürften, wenn sie als Bedienstete Ausländer begleiteten. Die Bezeichnung “Chinese” wird danach nicht mehr verwendet. In der bekanntesten Fassung der Parkordnung von 1917 steht unter Punkt Eins, der Park sei “reserved for the Foreign Community”. Punkt 4 untersagt die Mitnahme von Hunden und Fahrrädern. Doch nirgends findet sich die beleidigende Konnotation: Eintritt verboten “für Chinesen und Hunde”.
Die Shanghaier nahmen die Verbote nicht einfach so hin. Die Forscher entdeckten Petitionen und Protestbriefe in englischer Sprache aus den Jahren 1881 und 1885. Gutsituierte Bürger warfen dem Städtischen Rat in der Internationalen Niederlassung Diskriminierung vor und verlangten gleichberechtigte Nutzung des Freizeitparks: “Wir zahlen Steuern – welches Gesetz verbietet uns den Eintritt?” Die britischen Verwalter behaupteten, der Park sei zu klein für alle, oder verlangten “zivilisierte Kleidung”. Um den wachsenden Unmut zu besänftigen, bot die Verwaltung zwischen 1886 und 1889 Eintrittskarten für Einheimische an. 1889 wurden 183 Karten verkauft. Die Kritik ebbte nicht ab: Denn Ausländer brauchten keine Karten zu kaufen.
Längst war die Aufregung um den Park in- und außerhalb Chinas zum Politikum geworden, vor allem, nachdem sich eine vermutlich von jungen Patrioten erfundene Behauptung verbreitet hatte, auf den Schildern stünde: “Zugang für Chinesen und Hunde verboten”. Prominente Zeitzeugen vom bürgerlichen Revolutionär Sun Yat-sen (孙中山) bis zu Chinas Universalgelehrten Guo Moruo (郭沫若) entrüsteten sich über die schmachvolle Beleidigung aller Chinesen. 1923 schrieb Guo: Ihm sei geraten worden, westliche Kleidung zu tragen, um den Park besuchen zu können. Das wäre, als ob er vorgäbe, ein “Orient-Ausländer” mit “dem Status eines Hundes” (穿洋服去是假充东洋人,生就了的狗命) zu sein. Auch Ausländer solidarisierten sich, der deutsche China-Gelehrte Richard Wilhelm verurteilte in seinem 1928 erschienenen Buch “Ostasien” (Potsdam, S.123) die Sonderrechte der Niederlassungen.
Der Abgeordnete der englischen Arbeiterpartei C. Malone fotografierte in Shanghai im Mai 1926 das Schild mit der Parkordnung von 1917 und veröffentlichte das Foto in seinem Buch “Das neue China” (Berlin 1928, S. 36). Darunter schrieb er, es sei ein “Dokument der Fremdherrschaft” mit der Aufschrift Eintritt “für Chinesen, Hunde und Fahrräder verboten”. Dumm nur, dass das nicht so auf dem Schild stand.
Chinesische Forscher, die in der liberalen Atmosphäre der 1990er Jahre dem Mythos nachrecherchierten, mussten erfahren, dass ihre neuen Erkenntnisse über die Parkregeln nicht willkommen waren. Im Zuge der Re-Ideologisierung Chinas durch den seit 2012 amtierenden Parteichef Xi Jinping machten sie sich des historischen Nihilismus verdächtig, wenn sie revolutionäre Legenden auf den Prüfstand stellten. Die Partei duldete keine Zweifel, ob an angeblichen Heldentaten etwa des Mustersoldaten Lei Feng oder der Volksbefreiungsarmee im Koreakrieg. Aber an kaum einer anderen Mär hielt Peking so hartnäckig fest, wie an der Story vom Shanghaier Park und seinem Schild “Kein Zugang für Hunde und Chinesen.”
Schließlich wurde das Schild Teil des Bühnenbilds von Chinas berühmtestem epischen Sing- und Tanzschauspiel “Der Osten ist Rot” (东方红). Das 1964 inszenierte gigantische Bühnenschauspiel zur Verherrlichung des Sieges der chinesischen Revolution und ihres Führers Mao Zedong prägte eine ganze Generation. So wichtig war der Pekinger Führung das mehrstündige Propaganda-Spektakel, dass Premier Zhou Enlai die Regie führte.
Und auch Mao griff ein, enthüllten Reporter der Nachrichtenagentur China News (中新网). Nachdem er am 2. Oktober 1964 die Uraufführung gesehen hatte, verlangte er, das Bühnenbild zu ändern und schon im ersten Akt das Verbotsschild des Shanghaier Parks aufzustellen, “um realistischer darzustellen, wie das alte China von den imperialistischen Mächten schikaniert wurde”. Kein Wunder, dass Peking bis heute an diesem Narrativ festhält.
Noch weniger lässt die Partei an einem anderen politischen Mythos rütteln, den heute auch im westlichen Ausland viele unterschreiben, wonach Chinesen ein besonders friedliebendes Volk und Pazifisten nach innen wie nach außen sind. Schon vor hundert Jahren nannte der deutsche Marxist und bekannte China-Experte Karl August Wittfogel solche Bekundungen “nichtsnutzige Märchen”. In seinem 1925 erschienenen Buch “Das erwachende China” (Agis Verlag Wien) kritisierte er: “Die Chinesen (‘die’ Chinesen) werden mit Vorliebe als ein idyllisches, friedfertiges, ‘pazifistisches’ Volk bezeichnet … Was den lämmerhaften, ‘zahmen’ Charakter des chinesischen Volkes anbetrifft, so ist das ein nichtsnutziges Märchen. … China ist das klassische Land der inneren Wirren, der Empörungen und Bürgerkriege. … Kaum ein Jahrzehnt ohne einen inneren Aufstand … Das macht uns dafür aber die national-revolutionäre Energie, die heute drüben aufgebracht wird, leichter verständlich, als die Theorie vom chinesischen ‘Idyll’.”
Für Chinas Parteichef Xi ist es Kalkül, wenn er heute Chinas Friedfertigkeit als Alleinstellungsmerkmal seiner Nation anpreist. Wörtlich sagt er gerade in einer Rede über Chinas kulturelles Erbe, die in der Septemberausgabe der ZK-Zeitschrift Qiushi erschien: “Die chinesische Zivilisation zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Friedlichkeit aus. Frieden, friedliche Beziehungen und Harmonie sind die Konzepte, die die chinesische Zivilisation sich seit mehr als 5000 Jahren vererbt hat. Die Friedlichkeit der chinesischen Zivilisation bestimmt im Wesentlichen, dass China von Anfang bis heute Erbauer des Weltfriedens ist.” (中华文明具有突出的和平性。和平、和睦、和谐是中华文明五千多年来一直传承的理念,….。中华文明的和平性,从根本上决定了中国始终是世界和平的建设者)
Pekinger Parteizeitungen schreiben sogar vom chinesischen “Friedens-Gen” (和平基因). Dass es so etwas gibt, darf heute in China noch weniger angezweifelt werden, als die Mär vom Shanghaier Park. Die Partei legitimiert sich über ihre politischen Mythen.