die Nachrichten über Handelsstreitigkeiten, über Straf- und Ausgleichszölle reißen gar nicht mehr ab. Doch was macht eigentlich die Welthandelsorganisation? Auf einen Staatskapitalismus chinesischer Prägung ist sie schlichtweg nicht vorbereitet. Als China 2001 in die WTO aufgenommen wurde, war es die Werkbank der Welt, und viele glaubten, dass sich das Land liberalisieren würde – eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. In unserem ersten Stück beschreibt Julia Fiedler, wie die EU und die USA versuchen, damit umzugehen und warum China der EU vor der WTO droht und bei den USA darauf verzichtet.
Unsere zweite Analyse widmet sich der Sicherheit von Forschung und Wissenschaft. Wissenschaftsexperten der Nato sorgen sich, dass Forscher geopolitischen Gegenspielern ungewollt Informationen über sensible technologische Fortschritte gewähren könnten. Sie überlegen sich, wie sie dem zuvor kommen könnten – zum Beispiel, indem Forscher Schwachstellen und “Kronjuwelen” der eigenen Forschung definieren. Welche Ideen sonst noch zirkulieren und warum ausgerechnet Dänemark ein Vorbild sein könnte, hat Marcel Grzanna für Sie aufgeschrieben.
In unserem heutigen Standpunkt beschreibt der chinesische Professor Huang Yiping, warum ein “chinesischer grüner Marshallplan” eine gute Idee wäre. Entwicklungsländer, schreibt Huang, bräuchten Geld für grünes Wachstum. China verfüge nicht nur über Kapital und Technologie, es habe vor allem Überkapazitäten in grünen Schlüsseltechnologien. Helfe China den Entwicklungsländern, könne es damit auch seine eigene Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig seine internationale Führungsrolle stärken.
Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und einen schönen Tag.
Die Ausgleichszölle für chinesische Elektroautos können Anfang November in Kraft treten. Ob es tatsächlich dazu kommt, liegt in der Hand der EU-Kommission. Brüssel lässt Peking immer noch die Möglichkeit, am Verhandlungstisch für einen Ausweg zu werben. Ausgeschlossen ist das nicht. China genießt prominente Unterstützung. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie spricht sich für eine Verhandlungslösung aus, da sie Gegenmaßnahmen befürchtet, von denen sie selbst betroffen sein könnte.
Taktisch befindet sich die EU in einer besseren Position als noch vor der vorläufigen Festlegung der Zölle am 4. Oktober. Den Vorschlag der chinesischen Seite, einen Mindestpreis von 30.000 Euro pro Fahrzeug festzulegen, lehnte die Kommission ab. Laut Medienberichten könnte ein Mindestpreis von 35.000 bis 40.000 Euro allerdings Erfolg haben. Klar ist, dass die EU China eine Verhandlungslösung teuer bezahlen ließe.
Aufheben lassen sich die Ausgleichszölle problemlos. Denn verpflichtend sind sie nicht. Auch Mindestpreise für die Fahrzeuge seien mit WTO-Recht vereinbar, sagt Professor Christoph Herrmann von der Universität Passau, der am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht unterrichtet. Eine Ausgleichsmaßnahme könnten statt Zöllen auch Mindesteinfuhrpreise oder eine Preisverpflichtung bedeuten, die die Anbieter eingehen müssten.
“Ein Mindesteinfuhrpreis ist ein gängiges Instrumentarium, das zum Beispiel auch bei Solarpaneelen angewendet wurde. Das Problem der Umgehungsgefahr ist aus Sicht der EU allerdings recht hoch. Bei Solarpaneelen laufen viele Strafverfahren.” Ein abstrakter Mindestpreis, wie zum Beispiel die 30.000 Euro, mache dagegen keinen Sinn. Ausgleichszölle seien da viel treffgenauer, weil sie auf den Transaktionswert jedes einzelnen Fahrzeugs abgestimmt seien, so Herrmann.
“Mit ihrem Vorgehen zeigt die EU, dass sie grundlegend anders mit ihrem Handelspartner China umgeht als die USA”, sagt Max Zenglein, Chefökonom bei Merics. Er hält das Vorgehen für vernünftig, auch wenn in der Debatte um eine Verhandlungslösung durchaus unterschiedlich argumentiert wird. “Die EU signalisiert China damit: Wir verstehen euer Wirtschaftssystem, aber wir sind in einer Situation, in der wir wirtschaftlich zunehmend unter Druck gesetzt werden. Das heißt nicht, dass wir alle Verbindungen kappen und die wirtschaftlichen Beziehungen beschädigen wollen.”
Seit Ende September gelten in den USA Zölle von 100 Prozent für E-Autos aus China. Die Begründung: Umfangreiche Subventionen und nicht marktkonforme Praktiken Chinas führen zu erheblichen Risiken von Überkapazitäten und wirken sich damit negativ auf die amerikanische Industrie aus. Die Regierung Biden vervierfachte damit die bereits bestehenden Zölle von 25 Prozent, die Donald Trump 2018 auf Basis von Section 301 des U.S. Trade Act von 1974 erlassen hatte. Das Instrument ermöglicht es den USA, unilateral und ohne zeitliche Begrenzung gegen einen anderen Staat vorzugehen. China protestierte, dass die Maßnahme nicht WTO-konform sei, was stimmt.
Dennoch gab es gegenüber den USA keine Drohgebärden Pekings – ganz anders als gegenüber der EU in der aktuellen Zolldebatte. Das spiegele Chinas Blick auf die USA und Europa wider, schließt Max Zenglein aus den unterschiedlichen Reaktionen. “Die Debatte um E-Auto-Zölle zeigt, dass China Europa als schwachen Akteur sieht, den man leicht aufschrecken und dem man drohen kann. Der Prozess wurde in Europa monatelang diskutiert, in aller Öffentlichkeit, und China hat in jeder Form versucht, seinen Einfluss geltend zu machen -durchaus erfolgreich”. Das Vorgehen der USA habe China im Gegensatz dazu – wenn auch protestierend – zur Kenntnis genommen.
Für Europa sind die WTO-Regeln dagegen maßgebend. “Die EU achtet im Fall der Ausgleichszölle auf chinesische Elektroautos darauf, dass die Maßnahmen im weitesten Sinne WTO-konform sind. Auch China hat die Mechanismen in diesem Fall genutzt und über die WTO-Beschwerde eingereicht”, sagt Zenglein. Ein Blick ins Verzeichnis aktueller WTO-Beschwerden zeigt: Der Mechanismus wird zwischen den Parteien China, EU und USA rege genutzt. Aktuell liegen sechs Beschwerden Chinas gegen die EU vor, 18 gegen die USA. Und umgekehrt laufen zwölf Fälle der EU gegen China und 23 Fälle der USA gegen China.
Die Akzeptanz und die Wahrung der WTO-Prinzipien sind allerdings selektiv, die Steuerungskraft der WTO dadurch zurückgegangen. Das liegt nicht nur an der Appellate-Body-Krise, sagt Herrmann. Insbesondere die USA wollten ihre Handelsbeziehungen zu China abseits des regelbasierten Systems regulieren, China umgekehrt auch. Zudem verstoßen auch die USA zum Beispiel mit dem Inflation Reduction Act gegen WTO-Prinzipien, da er die heimische Wirtschaft bevorteilt.
Während China um die Jahrtausendwende für viele Unternehmen aus den USA und Europa billige Werkbank war, produziert es heute selbst hochwertige Industriegüter und bringt diese auf den Weltmarkt. Doch nicht nur deswegen hat sich die Situation gewandelt. Auch politisch hat sich seit dem Jahr 2001, als China in die WTO aufgenommen wurde, vieles verändert. China wurde damals in die WTO aufgenommen, weil man annahm, dass sich das chinesische System zu einer liberalen Marktwirtschaft entwickelt. Tatsächlich aber zeigt es heute planwirtschaftliche Tendenzen unter einem zunehmend autoritären Regime.
Die Aufnahme Chinas in die WTO war allerdings keine rein politische Entscheidung, argumentiert Julian Hinz, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld und Leiter des Forschungszentrums Handelspolitik am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Schließlich seien auch andere autoritäre Regime Teil der WTO geworden. “Die WTO möchte den Handel auf eine regelbasierte Basis heben. Es ist eindeutig, dass China massiv staatlich in die Wirtschaft eingreift, aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Ausgleichszölle also gerechtfertigt, denn es geht um den Ausgleich unlauteren Wettbewerbs.”
Für einen Staatskapitalismus, wie ihn China praktiziert, gibt es aber keine Regeln im WTO-Recht. “Die Frage, was industriepolitisch erlaubt ist, ist nicht ausreichend geregelt. Die Staaten berufen sich daher zum Beispiel auf die nationale Sicherheit, um Zölle zu erheben“, sagt Herrmann. Die Folge handelspolitischer Zwangsmaßnahmen, wie sie aktuell im Streit um die E-Auto-Zölle zu beobachten ist, sei entsprechend problematisch. “Man muss damit rechnen, dass mehr Zölle kommen und Gegenmaßnahmen auch unschuldige Industrien treffen, wie zum Beispiel jetzt die Branntwein-Industrie.”
Ein Ausweg könnte eine Reform des Systems sein, die den veränderten Gegebenheiten Rechnung trägt. Das hält Max Zenglein von Merics aktuell allerdings nicht für realistisch. “Um ein neues System auszudiskutieren, müssten die großen Wirtschaftsblöcke zueinander finden und sich in gewissen Punkten einigen. Dafür ist aktuell nicht der richtige Zeitpunkt.”
Julian Hinz verweist auf die Möglichkeit multilateraler Abkommen, die nicht für alle verpflichtend sind. “Länder oder Länderblocks, wie beispielsweise die EU, könnten sich zu bestimmten Themen zusammenfinden und dort weiter liberalisieren, oder sich bestimmte Regeln auferlegen. Es könnte Gruppen oder Clubs geben, die sich in diesem Rahmen weiter öffnen.”
Die Nato interessiert sich zunehmend für Exportkontrolle in der Forschung und Wissenschaft. Die Sorge, geopolitischen Gegenspielern ungewollt Zugang zu Informationen über technologische Fortschritte zu gewähren, beschäftigt nicht nur Nationalstaaten, sondern auch das Verteidigungsbündnis.
Als klassischer Gegenspieler der Nato zählt in erster Linie Russland zu jenen Ländern, denen sensible Daten und Kenntnisse nicht in den Schoß fallen sollen. Doch auch China – obwohl weit entfernt vom Nato-Territorium – rückt zunehmend in den Fokus. Im September trafen Mitglieder des Wissenschafts- und Technologieausschusses (STB) der Nato in Stockholm zusammen. Das Ziel der Tagung: erste Schritte zur Entwicklung einer neuen Wissenschafts- und Technologiestrategie.
Das aktuelle Weißbuch ist inzwischen sechs Jahre alt und wird den neuen geopolitischen Herausforderungen zunehmend weniger gerecht. “Seit der Verabschiedung der alten Strategie im Jahr 2018 ist viel passiert. Wir haben große technologische Fortschritte gesehen, zum Beispiel bei sogenannten neuen und disruptiven Technologien. Wir sind auch mit neuen Sicherheitsbedrohungen und einem anhaltenden Krieg in Europa konfrontiert”, sagte der Schwede Jens Mattsson, der die Entwicklung der neuen Strategie verantwortet. Disruptive Technologien sind Innovationen, die bestehende Technologie vom Markt verdrängen. Eine technologisch fortschrittliche Nato sei für ein starkes Bündnis unerlässlich.
Zumal sich potenzielle kriegerische Auseinandersetzungen nicht mehr nur zu Lande, zu Wasser und in der Luft abspielen, sondern auch im Cyberspace. Angriffe auf die kritische Infrastruktur eines Gegners können wichtige Kommunikationswege abschneiden und Reaktionszeiten auf militärische Manöver beeinflussen. Beispiel Taiwan: Nach Ansicht von US-Sicherheitsbehörden arbeitet China daran, die Handlungsfähigkeit der USA am Tag einer möglichen Invasion der Insel entscheidend zu verlangsamen.
Zwölf Millionen Euro investiert die Nato pro Jahr in das Science for Peace and Security Programme (SPS), das den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Partnerländern fördern soll. Grundlage für den Austausch bilden Forschung und Innovationen. SPS flankiert die Verknüpfung mit Geld, Beratung durch Experten und einer Unterstützung für “maßgeschneiderte, zivile, sicherheitsrelevante Aktivitäten, die den strategischen Zielen der NATO entsprechen”, heißt es.
Geladen nach Stockholm war auch Alicia Hennig von der IHI Zittau an der TU Dresden. Hennig war eigens vor Ort, um die Vertreter der Bündnisstaaten über die Gefahren in Kenntnis zu setzen, die speziell von der Volksrepublik für die internationale Forschungssicherheit ausgehen. Die Risiken beschäftigen die deutsche Wissenschaft schon seit einer Weile. China-Kompetenz in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern gilt als essenziell wichtig, um zu verhindern, dass sensible Informationen und Innovationen aus Deutschland in die Volksrepublik gelangen.
Auch die Nato hat erkannt, dass China-Kompetenz für ihr eigenes Forschungsprogramm von wachsender Bedeutung ist. Durch die wissenschaftliche Integration des Bündnisses entsteht ein weiteres potenzielles Einfallstor für unbefugte Informationsbeschaffung.
Die Liste der Risiken, die Hennig den Mitgliedsstaaten vorlegte, war lang. Unter anderem wies sie hin auf:
Wie in Deutschland stellen sich auch die Nato-Mitglieder die Frage, wie unter diesen Umständen die zukünftige Kooperation mit China aussehen könnte. Doch auch die Nato kennt die Antwort noch nicht. Hennig brachte die Einführung eines “Cooperation case for research” auf den Tisch – also, eine Art Leitfaden, anhand dessen begründet werden muss, weshalb ein Forschungsprojekt mit China durchgeführt werden sollte – trotz aller Risiken. In der Vergangenheit war es meistens so, dass nicht hinterfragt wurde und nicht begründen werden musste, weshalb man mit China kooperierte.
Hennig empfahl auch, die verwundbare Angriffsfläche der eigenen Arbeit zu definieren. Den Wissenschaftlern müsse klar sein, welche Forschung China interessiert, um gerade in diesen Felder besondere Vorsicht walten zu lassen. Auch Geiz wird nicht weiterhelfen. EU-Universitäten müssten solide finanziert und der Zugang zu Fördermitteln für die Unis verbessert werden, um die die Abwerbung von Talenten durch lukrative Parallel-Affiliationen verhindern zu können.
Forschung ist jedoch keine Einbahnstraße. Auch China macht Fortschritte, die für die Nato-Staaten interessant sind. Schon im vergangenen Jahr hatte der scheidende Nato-Chef Jens Stoltenberg deshalb davor gewarnt, dass sich die Mitgliedsstaaten nicht von chinesischer Technologie abhängig machen dürften. “Wir haben die Ergebnisse gesehen, wenn wir uns bei unserer Energieversorgung auf Russland verlassen. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen, indem wir uns darauf verlassen, dass China die Technologie für unsere kritischen Netzwerke bereitstellt”, sagte Stoltenberg damals.
Tatsächlich könnten Chinas Exportkontrollen für seine eigenen Technologien und Innovationen erhebliche Auswirkungen auf die internationale Forschungskooperation haben. Das Gleiche gilt für die Gesetze zur Datenverarbeitung und Datenübertragung. Der Zugriff auf Daten und ihre Nutzung für die Forschung der Nato könnten unter diesen Bedingungen deutlich erschwert werden.
Möglicherweise hält die Nato einen dänischen Ansatz für die eigene Forschung für attraktiv. Dänemark hat nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs versucht, seine Wissenschaft enger mit den Verteidigungskapazitäten zu verknüpfen – eine Strategie, die in China gang und gäbe ist. Auch die Unternehmensforschung könnte interessante militärische Ansätze liefern. Mitspielen müssten dabei allerdings auch die Wissenschaftler selbst, von denen einige bei einer solchen Verzahnung ganz sicher ethische Bedenken tragen. Vorteil China: Die Wissenschaftler dort müssen mögliche ethische Bedenken für sich behalten.
China und Indien haben einen Durchbruch bei ihren Gesprächen über Patrouillen an ihrer umstrittenen Grenze erreicht. “In den vergangenen Wochen haben indische und chinesische Verhandler engen Kontakt gehalten”, sagte Auslandssekretär Vikram Misri, Indiens ranghöchster Diplomat, laut einem Bericht der japanischen Zeitung Nikkei am Montag. Sie hätten sich über die Modalitäten der Patrouillen an der Line of Actual Control geeinigt.
Die Beziehungen der beiden Ländern sind deutlich angespannter, seit es im Jahr 2020 im Galwan Tal im östlichen Ladakh zu blutigen Zusammenstößen kam, bei denen 20 indische und vier chinesische Soldaten starben. Es war die erste blutige Konfrontation der beiden Länder seit 45 Jahren. Die Grenze, die auf 3.500 Kilometern zwischen schneebedeckten Himalayagipfeln und Schluchten verläuft, ist umstritten. Beide Seiten haben in den vergangenen Jahren stark aufgerüstet.
Jahrtausendelang trennte Tibet als eine Art Puffer China und Indien. Selbst in jenen Zeiten, in denen Tibet Teil chinesischer Dynastien war, reichte die Macht der chinesischen Kaiser nicht bis an jene unwirtlichen Gebiete, in denen heute die Grenze verläuft. Erst durch die chinesische Invasion Tibets im Jahr 1951 wurden China und Indien de facto Nachbarn. 1962 fochten sie einen einmonatigen Krieg an der Grenze aus.
Misris Ankündigung wurde vor dem Reiseantritt von Indiens Premierminister Narendra Modi ins russische Kasan bekannt. Modi wird dem zweitägigen Brics+ Gipfel beiwohnen. Indische Medien hatten darüber spekuliert, ob Modi und KP Generalsekretär Xi Jinping dies zum Anlass nehmen würden, ein bilaterales Treffen abzuhalten. Miri bestätigte dies am Montag nicht, tatsächlich aber könnte der diplomatische Durchbruch die Chance auf ein derartiges Treffen erhöhen. aiko
China hat den Bombenanschlag auf sein Konsulat in Mandalay scharf verurteilt. Am Freitagnachmittag waren in der zweitgrößten Stadt Myanmars die Räumlichkeiten der diplomatischen Vertretung bei einer Explosion teilweise beschädigt worden. Verletzte gab es keine. China forderte die örtlichen Behörden dazu auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Täter zu verhaften.
Myanmar befindet sich seit Februar 2021 in Aufruhr, als das Militär durch einen Putsch eine gewählte Zivilregierung stürzte und damit die zaghaften Schritte des verarmten Landes auf dem Weg zu einer vollwertigen Demokratie abrupt beendete. Zuletzt war die Stimmung in den sozialen Medien Myanmars gegenüber China zunehmend kritisch geworden.
Chinas übt seit einer Weile Druck auf die Rebellengruppen aus, ihre Kämpfe einzustellen und versorgt die Junta mit Waffen und Munition, um die Aufständischen zu bekämpfen. Bei seinem Besuch in der Hauptstadt Naypyidaw im August traf der chinesische Außenminister nicht nur Junta-Chef Min Aung Hlaing, sondern auch General Than Shwe, der das südostasiatische Land von 1992 bis 2011 mit eiserner Hand regierte. Demokratieaktivisten kritisieren, dass Chinas Unterstützung der Junta ihren Kampf für Demokratie erheblich behindere. rtr/aiko
Chinas Zentralbank (PBoC) will die schwächelnde Wirtschaft mit einer weiteren Leitzinssenkung stützen. Sie senkte den einjährigen Leitzins (LPR) am Montag um einen Viertelpunkt auf 3,10 Prozent – er beeinflusst die meisten neuen und bestehenden Kredite in der Volksrepublik. Den fünfjährigen Leitzins setzte sie ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 3,60 Prozent herab – er spielt vor allem bei der Preisgestaltung von Hypotheken eine wichtige Rolle.
Zuletzt hatte die PBoC im Juli an der Zinsschraube gedreht. Zentralbankchef Pan Gongsheng kündigte vorige Woche die nun erfolgte Senkung an. Die Maßnahme ist Teil eines umfangreichen Konjunkturpakets der kommunistischen Führung in Peking. Das Wachstum im dritten Quartal hatte sich auf 4,6 Prozent abgekühlt.
Ziel der Maßnahmen ist es, die Preisentwicklung zu stabilisieren und die Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu fördern. China kämpft gegen deflationäre Tendenzen, also gegen eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und Konsum. Trotz einer Reihe von Konjunkturhilfen ist es Peking bislang noch nicht gelungen, das Wachstum stärker zu beleben. Eine starke Belastung für die Wirtschaft bleibt der angeschlagene Immobiliensektor. rtr
Der ehemalige Vize-Präsident der China Development Bank (CDB), Wang Yongsheng, muss für zwölf Jahre hinter Gitter. Das berichtete das chinesische Staatsfernsehen am Montag. Wang war vom Mittleren Volksgericht der Provinz Jilin für schuldig befunden worden, in seiner Amtszeit bei der Entwicklungsbank von 2010 bis 2019 umgerechnet rund drei Millionen Euro Schmiergeld angenommen zu haben.
Wang war im April angeklagt worden und hatte sich zu Prozessbeginn schuldig bekannt. Erst jetzt folgte das Urteil. Zusätzlich zu seiner Haftstrafe muss Wang zwei Millionen Yuan (260.000 €) Strafe zahlen. Schon im Januar war er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden.
Wang war in seiner Rolle bei der CDB unter anderem verantwortlich für die Kreditfinanzierung von Unternehmen und Privatpersonen sowie die Zeichnung von Anleihen. grz/rtr
Auf einem internationalen Symposium zum Thema “80 Jahre nach Bretton Woods” in Hangzhou im Mai dieses Jahres schlug ich einen “grünen Entwicklungsplan für den globalen Süden” vor, den einige Medien später als “chinesischen grünen Marshallplan” bezeichneten. Der Vorschlag verfolgt drei Ziele: die Unterstützung eines grünen Wachstums der Entwicklungsländer, die Ausweitung der chinesischen Gesamtnachfrage und die Stärkung der globalen Führungsrolle Chinas. Wie der ursprüngliche Marshallplan würde der Plan große Mengen an gewerblichen Finanzierungen und Investitionen, staatlichen Krediten und Staatshilfen umfassen.
Inspiriert wurde ich durch die jüngsten Diskussionen über Chinas Überkapazitäten in den grünen Schlüsselindustrien: Elektrofahrzeuge, Lithiumbatterien und Solarzellen. Bei einer Diskussion mit Professoren der Universität Peking im April sprach US-Finanzministerin Janet Yellen dieses Thema an und äußerte zwei Bedenken: dass die chinesischen Überkapazitäten das Ergebnis staatlicher Subventionen zu sein scheinen und dass sie ein Ausmaß erreicht hätten, das zu Verwerfungen an den internationalen Märkten geführt habe. Einen Monat später kündigten die USA einen 100%igen Zoll auf E-Fahrzeuge aus China an.
Die Definition von “Überkapazitäten” kann kontrovers sein. Einige chinesische Experten haben darauf verwiesen, dass keine “Überkapazitäten” vorliegen, solange die chinesischen Unternehmen ihre Produkte im In- oder Ausland verkaufen können. Wenn wir also Überkapazitäten als einen Fall verstehen, in dem das Angebot die Nachfrage übersteigt, kann es sinnvoll sein, zwischen dem nationalen und dem globalen Kontext zu unterscheiden.
Drei Gruppen von Faktoren sind hier relevant: makroökonomische Ungleichgewichte, offene und verdeckte Subventionen sowie die Größe der betreffenden Branche. Chinas gesamte Reformperiode nach den 1970er-Jahren war von “nationalen” Überkapazitäten gekennzeichnet, da das Land mehr produziert, als es verbraucht, was sich in einem hohen Leistungsbilanzüberschuss widerspiegelt. Der erste Schritt zur Beseitigung dieser Überkapazitäten bestünde daher darin, die Leistungsbilanz auszugleichen. Tatsächlich arbeiten die chinesischen Behörden seit der globalen Finanzkrise von 2008 auf dieses Ziel hin, indem sie den Inlandskonsum ankurbeln.
Amerikaner und Europäer sind eher über die offenen und stillschweigenden staatlichen Subventionen besorgt, die chinesischen Herstellern ihrer Meinung nach einen unfairen Vorteil auf den internationalen Märkten verschaffen. Chinas offene Subventionen für E-Fahrzeuge – darunter direkte Subventionen, Steuererleichterungen und Exklusivlizenzen – liegen jedoch im Durchschnitt eines Dutzend Länder, die in einem Arbeitspapier von 2022 untersucht wurden, und sind geringer als die der Regierungen Norwegens, der USA, Frankreichs und Deutschlands.
Verdeckte Subventionen – reduzierte Faktorkosten – sind weniger transparent. In einer Rede im Juli zum Thema “Chinesische Überkapazitäten und die Weltwirtschaft” zitierte Jay Shambaugh, US-Unterstaatssekretär für internationale Angelegenheiten, eine Analyse des Center for Strategic and International Studies (CSIS), in der die verdeckten Subventionen Chinas auf etwa fünf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt geschätzt werden – das Zehnfache des Niveaus der USA, Japans und einiger anderer Länder.
Zwar ähneln diese Zahlen jenen, die ich bei eigenen Untersuchungen vor etwa 15 Jahren ermittelt habe, doch ist die Interpretation von Shambaugh und den CSIS-Forschern fehlerhaft. Die Verzerrungen bei den chinesischen Faktorkosten wurden nicht als Teil einer Industriestrategie, sondern als politische Übergangsmaßnahme konzipiert, und der größte Teil der Unterstützung ging an staatseigene Unternehmen. Wenn überhaupt wurden Chinas privaten Green-Tech-Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, durch diese Politik erheblich benachteiligt.
Allerdings umfassen verschiedene kommunale “Investitionsförderprogramme” verdeckte Subventionen für private Green-Tech-Unternehmen – zum Beispiel reduzierte Landnutzungsgebühren. Eine aktuelle Untersuchung der Europäischen Union legt nahe, dass chinesische E-Fahrzeuge dank dieser Subventionen 20 Prozent billiger verkauft werden können als in der EU produzierte Modelle. Die Unterstützung durch die Kommunen nimmt jedoch rapide ab. Das liegt zum einen daran, dass viele von ihnen mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, und zum anderen, dass die Zentralregierung begonnen hat, diese irregulären und illegalen Subventionen zu verbieten.
Ein weiteres Problem ist, dass die wahrgenommenen Auswirkungen der chinesischen Überkapazitäten durch die schiere Größe der chinesischen Wirtschaft überakzentuiert werden. China ist ein riesiges Land, und seine Wirtschaftspolitik neigt dazu, Investitionen auf bestimmte Sektoren und Branchen zu konzentrieren. Dies kann zu Schwierigkeiten für Chinas Handelspartner führen. Der Punkt ist jedoch, dass die Größe von Chinas Green-Tech-Sektor vermutlich ein größeres Problem darstellt als die Subventionen.
Es stimmt jedoch, dass China den Einfluss des Staates auf die Ressourcenzuweisung verringern und mit anderen Ländern zusammenarbeiten muss, um durch Kooperation den gegenseitigen Wohlstand zu sichern. Dies war der Grund für meinen Vorschlag für einen grünen Entwicklungsplan für den globalen Süden. China hat bereits beträchtliche Produktionskapazitäten im Bereich der grünen Technologien aufgebaut, sieht sich aber auf den entwickelten Märkten mit wachsenden Handelsbarrieren konfrontiert.
Zugleich tun sich die Entwicklungsländer schwer, ihre eigene grüne Entwicklungsagenda voranzutreiben. Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigen die Entwicklungsländer jährlich Investitionen in erneuerbare Energien in Höhe von etwa 1,7 Billionen US-Dollar, konnten 2022 aber nur 544 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen in saubere Energien gewinnen. Glücklicherweise verfügt China über die Technologie, die Produktionskapazitäten und das Kapital (gewerbliche Finanzierungen, staatliche Finanzierungen und Staatshilfen), um diese Lücke zu schließen. Es kann die globale grüne Entwicklung vorantreiben, seine eigene Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig seine internationale Führungsrolle stärken.
Interessanterweise hat sich Brian Deese, von 2021 bis 2023 Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats des Weißen Hauses, Ende August für einen “Marshallplan für saubere Energie” ausgesprochen und darauf verwiesen, dass China dieselbe Idee erwäge. Im Idealfall würden beide Länder bei dieser Initiative zusammenarbeiten. Doch selbst wenn beide Länder getrennte grüne Marshallpläne verfolgen würden, würden sie die weltweite ökologische Wende dramatisch beschleunigen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan
Huang Yiping ist Dekan der Nationalen Schule für Entwicklung und Professor an der Universität Peking. Er ist Mitglied des Geldpolitischen Ausschusses der Chinesischen Zentralbank.
Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org
Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.
Michelle Ho ist neue Präsidentin von UPS China. Ho ist bereits seit 26 Jahren für den Logistikkonzern tätig, zuletzt als Financial Controller. In ihrer neuen Rolle wird Ho die Geschäfte von UPS für kleinere Pakete und strategische Geschäftsplanung in China leiten, wobei ihr rund 6.000 Angestellte unterstehen.
Weiwei Xu ist seit August Change & Communication Manager bei Zeiss in Shanghai. Die ehemalige Journalistin wird für das Optikunternehmen das interne Transformations-Programm FIT4 China Hub mitbetreuen.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Der Oktober lässt das Grasland pinkfarben strahlen – zumindest im Zishan Park in Handan im Süden der Provinz Hebei. Die Anziehungskraft der Farbe hat das Tourismusbüro der Stadt längst begriffen. Nicht nur sind die Wege durch das Gras für Fußgänger bequem gepflastert, auch ein pinkfarbenes Schienenfahrzeug im Legoland-Format tuckert durch die Landschaft.
die Nachrichten über Handelsstreitigkeiten, über Straf- und Ausgleichszölle reißen gar nicht mehr ab. Doch was macht eigentlich die Welthandelsorganisation? Auf einen Staatskapitalismus chinesischer Prägung ist sie schlichtweg nicht vorbereitet. Als China 2001 in die WTO aufgenommen wurde, war es die Werkbank der Welt, und viele glaubten, dass sich das Land liberalisieren würde – eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. In unserem ersten Stück beschreibt Julia Fiedler, wie die EU und die USA versuchen, damit umzugehen und warum China der EU vor der WTO droht und bei den USA darauf verzichtet.
Unsere zweite Analyse widmet sich der Sicherheit von Forschung und Wissenschaft. Wissenschaftsexperten der Nato sorgen sich, dass Forscher geopolitischen Gegenspielern ungewollt Informationen über sensible technologische Fortschritte gewähren könnten. Sie überlegen sich, wie sie dem zuvor kommen könnten – zum Beispiel, indem Forscher Schwachstellen und “Kronjuwelen” der eigenen Forschung definieren. Welche Ideen sonst noch zirkulieren und warum ausgerechnet Dänemark ein Vorbild sein könnte, hat Marcel Grzanna für Sie aufgeschrieben.
In unserem heutigen Standpunkt beschreibt der chinesische Professor Huang Yiping, warum ein “chinesischer grüner Marshallplan” eine gute Idee wäre. Entwicklungsländer, schreibt Huang, bräuchten Geld für grünes Wachstum. China verfüge nicht nur über Kapital und Technologie, es habe vor allem Überkapazitäten in grünen Schlüsseltechnologien. Helfe China den Entwicklungsländern, könne es damit auch seine eigene Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig seine internationale Führungsrolle stärken.
Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und einen schönen Tag.
Die Ausgleichszölle für chinesische Elektroautos können Anfang November in Kraft treten. Ob es tatsächlich dazu kommt, liegt in der Hand der EU-Kommission. Brüssel lässt Peking immer noch die Möglichkeit, am Verhandlungstisch für einen Ausweg zu werben. Ausgeschlossen ist das nicht. China genießt prominente Unterstützung. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie spricht sich für eine Verhandlungslösung aus, da sie Gegenmaßnahmen befürchtet, von denen sie selbst betroffen sein könnte.
Taktisch befindet sich die EU in einer besseren Position als noch vor der vorläufigen Festlegung der Zölle am 4. Oktober. Den Vorschlag der chinesischen Seite, einen Mindestpreis von 30.000 Euro pro Fahrzeug festzulegen, lehnte die Kommission ab. Laut Medienberichten könnte ein Mindestpreis von 35.000 bis 40.000 Euro allerdings Erfolg haben. Klar ist, dass die EU China eine Verhandlungslösung teuer bezahlen ließe.
Aufheben lassen sich die Ausgleichszölle problemlos. Denn verpflichtend sind sie nicht. Auch Mindestpreise für die Fahrzeuge seien mit WTO-Recht vereinbar, sagt Professor Christoph Herrmann von der Universität Passau, der am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht unterrichtet. Eine Ausgleichsmaßnahme könnten statt Zöllen auch Mindesteinfuhrpreise oder eine Preisverpflichtung bedeuten, die die Anbieter eingehen müssten.
“Ein Mindesteinfuhrpreis ist ein gängiges Instrumentarium, das zum Beispiel auch bei Solarpaneelen angewendet wurde. Das Problem der Umgehungsgefahr ist aus Sicht der EU allerdings recht hoch. Bei Solarpaneelen laufen viele Strafverfahren.” Ein abstrakter Mindestpreis, wie zum Beispiel die 30.000 Euro, mache dagegen keinen Sinn. Ausgleichszölle seien da viel treffgenauer, weil sie auf den Transaktionswert jedes einzelnen Fahrzeugs abgestimmt seien, so Herrmann.
“Mit ihrem Vorgehen zeigt die EU, dass sie grundlegend anders mit ihrem Handelspartner China umgeht als die USA”, sagt Max Zenglein, Chefökonom bei Merics. Er hält das Vorgehen für vernünftig, auch wenn in der Debatte um eine Verhandlungslösung durchaus unterschiedlich argumentiert wird. “Die EU signalisiert China damit: Wir verstehen euer Wirtschaftssystem, aber wir sind in einer Situation, in der wir wirtschaftlich zunehmend unter Druck gesetzt werden. Das heißt nicht, dass wir alle Verbindungen kappen und die wirtschaftlichen Beziehungen beschädigen wollen.”
Seit Ende September gelten in den USA Zölle von 100 Prozent für E-Autos aus China. Die Begründung: Umfangreiche Subventionen und nicht marktkonforme Praktiken Chinas führen zu erheblichen Risiken von Überkapazitäten und wirken sich damit negativ auf die amerikanische Industrie aus. Die Regierung Biden vervierfachte damit die bereits bestehenden Zölle von 25 Prozent, die Donald Trump 2018 auf Basis von Section 301 des U.S. Trade Act von 1974 erlassen hatte. Das Instrument ermöglicht es den USA, unilateral und ohne zeitliche Begrenzung gegen einen anderen Staat vorzugehen. China protestierte, dass die Maßnahme nicht WTO-konform sei, was stimmt.
Dennoch gab es gegenüber den USA keine Drohgebärden Pekings – ganz anders als gegenüber der EU in der aktuellen Zolldebatte. Das spiegele Chinas Blick auf die USA und Europa wider, schließt Max Zenglein aus den unterschiedlichen Reaktionen. “Die Debatte um E-Auto-Zölle zeigt, dass China Europa als schwachen Akteur sieht, den man leicht aufschrecken und dem man drohen kann. Der Prozess wurde in Europa monatelang diskutiert, in aller Öffentlichkeit, und China hat in jeder Form versucht, seinen Einfluss geltend zu machen -durchaus erfolgreich”. Das Vorgehen der USA habe China im Gegensatz dazu – wenn auch protestierend – zur Kenntnis genommen.
Für Europa sind die WTO-Regeln dagegen maßgebend. “Die EU achtet im Fall der Ausgleichszölle auf chinesische Elektroautos darauf, dass die Maßnahmen im weitesten Sinne WTO-konform sind. Auch China hat die Mechanismen in diesem Fall genutzt und über die WTO-Beschwerde eingereicht”, sagt Zenglein. Ein Blick ins Verzeichnis aktueller WTO-Beschwerden zeigt: Der Mechanismus wird zwischen den Parteien China, EU und USA rege genutzt. Aktuell liegen sechs Beschwerden Chinas gegen die EU vor, 18 gegen die USA. Und umgekehrt laufen zwölf Fälle der EU gegen China und 23 Fälle der USA gegen China.
Die Akzeptanz und die Wahrung der WTO-Prinzipien sind allerdings selektiv, die Steuerungskraft der WTO dadurch zurückgegangen. Das liegt nicht nur an der Appellate-Body-Krise, sagt Herrmann. Insbesondere die USA wollten ihre Handelsbeziehungen zu China abseits des regelbasierten Systems regulieren, China umgekehrt auch. Zudem verstoßen auch die USA zum Beispiel mit dem Inflation Reduction Act gegen WTO-Prinzipien, da er die heimische Wirtschaft bevorteilt.
Während China um die Jahrtausendwende für viele Unternehmen aus den USA und Europa billige Werkbank war, produziert es heute selbst hochwertige Industriegüter und bringt diese auf den Weltmarkt. Doch nicht nur deswegen hat sich die Situation gewandelt. Auch politisch hat sich seit dem Jahr 2001, als China in die WTO aufgenommen wurde, vieles verändert. China wurde damals in die WTO aufgenommen, weil man annahm, dass sich das chinesische System zu einer liberalen Marktwirtschaft entwickelt. Tatsächlich aber zeigt es heute planwirtschaftliche Tendenzen unter einem zunehmend autoritären Regime.
Die Aufnahme Chinas in die WTO war allerdings keine rein politische Entscheidung, argumentiert Julian Hinz, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld und Leiter des Forschungszentrums Handelspolitik am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Schließlich seien auch andere autoritäre Regime Teil der WTO geworden. “Die WTO möchte den Handel auf eine regelbasierte Basis heben. Es ist eindeutig, dass China massiv staatlich in die Wirtschaft eingreift, aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Ausgleichszölle also gerechtfertigt, denn es geht um den Ausgleich unlauteren Wettbewerbs.”
Für einen Staatskapitalismus, wie ihn China praktiziert, gibt es aber keine Regeln im WTO-Recht. “Die Frage, was industriepolitisch erlaubt ist, ist nicht ausreichend geregelt. Die Staaten berufen sich daher zum Beispiel auf die nationale Sicherheit, um Zölle zu erheben“, sagt Herrmann. Die Folge handelspolitischer Zwangsmaßnahmen, wie sie aktuell im Streit um die E-Auto-Zölle zu beobachten ist, sei entsprechend problematisch. “Man muss damit rechnen, dass mehr Zölle kommen und Gegenmaßnahmen auch unschuldige Industrien treffen, wie zum Beispiel jetzt die Branntwein-Industrie.”
Ein Ausweg könnte eine Reform des Systems sein, die den veränderten Gegebenheiten Rechnung trägt. Das hält Max Zenglein von Merics aktuell allerdings nicht für realistisch. “Um ein neues System auszudiskutieren, müssten die großen Wirtschaftsblöcke zueinander finden und sich in gewissen Punkten einigen. Dafür ist aktuell nicht der richtige Zeitpunkt.”
Julian Hinz verweist auf die Möglichkeit multilateraler Abkommen, die nicht für alle verpflichtend sind. “Länder oder Länderblocks, wie beispielsweise die EU, könnten sich zu bestimmten Themen zusammenfinden und dort weiter liberalisieren, oder sich bestimmte Regeln auferlegen. Es könnte Gruppen oder Clubs geben, die sich in diesem Rahmen weiter öffnen.”
Die Nato interessiert sich zunehmend für Exportkontrolle in der Forschung und Wissenschaft. Die Sorge, geopolitischen Gegenspielern ungewollt Zugang zu Informationen über technologische Fortschritte zu gewähren, beschäftigt nicht nur Nationalstaaten, sondern auch das Verteidigungsbündnis.
Als klassischer Gegenspieler der Nato zählt in erster Linie Russland zu jenen Ländern, denen sensible Daten und Kenntnisse nicht in den Schoß fallen sollen. Doch auch China – obwohl weit entfernt vom Nato-Territorium – rückt zunehmend in den Fokus. Im September trafen Mitglieder des Wissenschafts- und Technologieausschusses (STB) der Nato in Stockholm zusammen. Das Ziel der Tagung: erste Schritte zur Entwicklung einer neuen Wissenschafts- und Technologiestrategie.
Das aktuelle Weißbuch ist inzwischen sechs Jahre alt und wird den neuen geopolitischen Herausforderungen zunehmend weniger gerecht. “Seit der Verabschiedung der alten Strategie im Jahr 2018 ist viel passiert. Wir haben große technologische Fortschritte gesehen, zum Beispiel bei sogenannten neuen und disruptiven Technologien. Wir sind auch mit neuen Sicherheitsbedrohungen und einem anhaltenden Krieg in Europa konfrontiert”, sagte der Schwede Jens Mattsson, der die Entwicklung der neuen Strategie verantwortet. Disruptive Technologien sind Innovationen, die bestehende Technologie vom Markt verdrängen. Eine technologisch fortschrittliche Nato sei für ein starkes Bündnis unerlässlich.
Zumal sich potenzielle kriegerische Auseinandersetzungen nicht mehr nur zu Lande, zu Wasser und in der Luft abspielen, sondern auch im Cyberspace. Angriffe auf die kritische Infrastruktur eines Gegners können wichtige Kommunikationswege abschneiden und Reaktionszeiten auf militärische Manöver beeinflussen. Beispiel Taiwan: Nach Ansicht von US-Sicherheitsbehörden arbeitet China daran, die Handlungsfähigkeit der USA am Tag einer möglichen Invasion der Insel entscheidend zu verlangsamen.
Zwölf Millionen Euro investiert die Nato pro Jahr in das Science for Peace and Security Programme (SPS), das den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Partnerländern fördern soll. Grundlage für den Austausch bilden Forschung und Innovationen. SPS flankiert die Verknüpfung mit Geld, Beratung durch Experten und einer Unterstützung für “maßgeschneiderte, zivile, sicherheitsrelevante Aktivitäten, die den strategischen Zielen der NATO entsprechen”, heißt es.
Geladen nach Stockholm war auch Alicia Hennig von der IHI Zittau an der TU Dresden. Hennig war eigens vor Ort, um die Vertreter der Bündnisstaaten über die Gefahren in Kenntnis zu setzen, die speziell von der Volksrepublik für die internationale Forschungssicherheit ausgehen. Die Risiken beschäftigen die deutsche Wissenschaft schon seit einer Weile. China-Kompetenz in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern gilt als essenziell wichtig, um zu verhindern, dass sensible Informationen und Innovationen aus Deutschland in die Volksrepublik gelangen.
Auch die Nato hat erkannt, dass China-Kompetenz für ihr eigenes Forschungsprogramm von wachsender Bedeutung ist. Durch die wissenschaftliche Integration des Bündnisses entsteht ein weiteres potenzielles Einfallstor für unbefugte Informationsbeschaffung.
Die Liste der Risiken, die Hennig den Mitgliedsstaaten vorlegte, war lang. Unter anderem wies sie hin auf:
Wie in Deutschland stellen sich auch die Nato-Mitglieder die Frage, wie unter diesen Umständen die zukünftige Kooperation mit China aussehen könnte. Doch auch die Nato kennt die Antwort noch nicht. Hennig brachte die Einführung eines “Cooperation case for research” auf den Tisch – also, eine Art Leitfaden, anhand dessen begründet werden muss, weshalb ein Forschungsprojekt mit China durchgeführt werden sollte – trotz aller Risiken. In der Vergangenheit war es meistens so, dass nicht hinterfragt wurde und nicht begründen werden musste, weshalb man mit China kooperierte.
Hennig empfahl auch, die verwundbare Angriffsfläche der eigenen Arbeit zu definieren. Den Wissenschaftlern müsse klar sein, welche Forschung China interessiert, um gerade in diesen Felder besondere Vorsicht walten zu lassen. Auch Geiz wird nicht weiterhelfen. EU-Universitäten müssten solide finanziert und der Zugang zu Fördermitteln für die Unis verbessert werden, um die die Abwerbung von Talenten durch lukrative Parallel-Affiliationen verhindern zu können.
Forschung ist jedoch keine Einbahnstraße. Auch China macht Fortschritte, die für die Nato-Staaten interessant sind. Schon im vergangenen Jahr hatte der scheidende Nato-Chef Jens Stoltenberg deshalb davor gewarnt, dass sich die Mitgliedsstaaten nicht von chinesischer Technologie abhängig machen dürften. “Wir haben die Ergebnisse gesehen, wenn wir uns bei unserer Energieversorgung auf Russland verlassen. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen, indem wir uns darauf verlassen, dass China die Technologie für unsere kritischen Netzwerke bereitstellt”, sagte Stoltenberg damals.
Tatsächlich könnten Chinas Exportkontrollen für seine eigenen Technologien und Innovationen erhebliche Auswirkungen auf die internationale Forschungskooperation haben. Das Gleiche gilt für die Gesetze zur Datenverarbeitung und Datenübertragung. Der Zugriff auf Daten und ihre Nutzung für die Forschung der Nato könnten unter diesen Bedingungen deutlich erschwert werden.
Möglicherweise hält die Nato einen dänischen Ansatz für die eigene Forschung für attraktiv. Dänemark hat nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs versucht, seine Wissenschaft enger mit den Verteidigungskapazitäten zu verknüpfen – eine Strategie, die in China gang und gäbe ist. Auch die Unternehmensforschung könnte interessante militärische Ansätze liefern. Mitspielen müssten dabei allerdings auch die Wissenschaftler selbst, von denen einige bei einer solchen Verzahnung ganz sicher ethische Bedenken tragen. Vorteil China: Die Wissenschaftler dort müssen mögliche ethische Bedenken für sich behalten.
China und Indien haben einen Durchbruch bei ihren Gesprächen über Patrouillen an ihrer umstrittenen Grenze erreicht. “In den vergangenen Wochen haben indische und chinesische Verhandler engen Kontakt gehalten”, sagte Auslandssekretär Vikram Misri, Indiens ranghöchster Diplomat, laut einem Bericht der japanischen Zeitung Nikkei am Montag. Sie hätten sich über die Modalitäten der Patrouillen an der Line of Actual Control geeinigt.
Die Beziehungen der beiden Ländern sind deutlich angespannter, seit es im Jahr 2020 im Galwan Tal im östlichen Ladakh zu blutigen Zusammenstößen kam, bei denen 20 indische und vier chinesische Soldaten starben. Es war die erste blutige Konfrontation der beiden Länder seit 45 Jahren. Die Grenze, die auf 3.500 Kilometern zwischen schneebedeckten Himalayagipfeln und Schluchten verläuft, ist umstritten. Beide Seiten haben in den vergangenen Jahren stark aufgerüstet.
Jahrtausendelang trennte Tibet als eine Art Puffer China und Indien. Selbst in jenen Zeiten, in denen Tibet Teil chinesischer Dynastien war, reichte die Macht der chinesischen Kaiser nicht bis an jene unwirtlichen Gebiete, in denen heute die Grenze verläuft. Erst durch die chinesische Invasion Tibets im Jahr 1951 wurden China und Indien de facto Nachbarn. 1962 fochten sie einen einmonatigen Krieg an der Grenze aus.
Misris Ankündigung wurde vor dem Reiseantritt von Indiens Premierminister Narendra Modi ins russische Kasan bekannt. Modi wird dem zweitägigen Brics+ Gipfel beiwohnen. Indische Medien hatten darüber spekuliert, ob Modi und KP Generalsekretär Xi Jinping dies zum Anlass nehmen würden, ein bilaterales Treffen abzuhalten. Miri bestätigte dies am Montag nicht, tatsächlich aber könnte der diplomatische Durchbruch die Chance auf ein derartiges Treffen erhöhen. aiko
China hat den Bombenanschlag auf sein Konsulat in Mandalay scharf verurteilt. Am Freitagnachmittag waren in der zweitgrößten Stadt Myanmars die Räumlichkeiten der diplomatischen Vertretung bei einer Explosion teilweise beschädigt worden. Verletzte gab es keine. China forderte die örtlichen Behörden dazu auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Täter zu verhaften.
Myanmar befindet sich seit Februar 2021 in Aufruhr, als das Militär durch einen Putsch eine gewählte Zivilregierung stürzte und damit die zaghaften Schritte des verarmten Landes auf dem Weg zu einer vollwertigen Demokratie abrupt beendete. Zuletzt war die Stimmung in den sozialen Medien Myanmars gegenüber China zunehmend kritisch geworden.
Chinas übt seit einer Weile Druck auf die Rebellengruppen aus, ihre Kämpfe einzustellen und versorgt die Junta mit Waffen und Munition, um die Aufständischen zu bekämpfen. Bei seinem Besuch in der Hauptstadt Naypyidaw im August traf der chinesische Außenminister nicht nur Junta-Chef Min Aung Hlaing, sondern auch General Than Shwe, der das südostasiatische Land von 1992 bis 2011 mit eiserner Hand regierte. Demokratieaktivisten kritisieren, dass Chinas Unterstützung der Junta ihren Kampf für Demokratie erheblich behindere. rtr/aiko
Chinas Zentralbank (PBoC) will die schwächelnde Wirtschaft mit einer weiteren Leitzinssenkung stützen. Sie senkte den einjährigen Leitzins (LPR) am Montag um einen Viertelpunkt auf 3,10 Prozent – er beeinflusst die meisten neuen und bestehenden Kredite in der Volksrepublik. Den fünfjährigen Leitzins setzte sie ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 3,60 Prozent herab – er spielt vor allem bei der Preisgestaltung von Hypotheken eine wichtige Rolle.
Zuletzt hatte die PBoC im Juli an der Zinsschraube gedreht. Zentralbankchef Pan Gongsheng kündigte vorige Woche die nun erfolgte Senkung an. Die Maßnahme ist Teil eines umfangreichen Konjunkturpakets der kommunistischen Führung in Peking. Das Wachstum im dritten Quartal hatte sich auf 4,6 Prozent abgekühlt.
Ziel der Maßnahmen ist es, die Preisentwicklung zu stabilisieren und die Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu fördern. China kämpft gegen deflationäre Tendenzen, also gegen eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und Konsum. Trotz einer Reihe von Konjunkturhilfen ist es Peking bislang noch nicht gelungen, das Wachstum stärker zu beleben. Eine starke Belastung für die Wirtschaft bleibt der angeschlagene Immobiliensektor. rtr
Der ehemalige Vize-Präsident der China Development Bank (CDB), Wang Yongsheng, muss für zwölf Jahre hinter Gitter. Das berichtete das chinesische Staatsfernsehen am Montag. Wang war vom Mittleren Volksgericht der Provinz Jilin für schuldig befunden worden, in seiner Amtszeit bei der Entwicklungsbank von 2010 bis 2019 umgerechnet rund drei Millionen Euro Schmiergeld angenommen zu haben.
Wang war im April angeklagt worden und hatte sich zu Prozessbeginn schuldig bekannt. Erst jetzt folgte das Urteil. Zusätzlich zu seiner Haftstrafe muss Wang zwei Millionen Yuan (260.000 €) Strafe zahlen. Schon im Januar war er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden.
Wang war in seiner Rolle bei der CDB unter anderem verantwortlich für die Kreditfinanzierung von Unternehmen und Privatpersonen sowie die Zeichnung von Anleihen. grz/rtr
Auf einem internationalen Symposium zum Thema “80 Jahre nach Bretton Woods” in Hangzhou im Mai dieses Jahres schlug ich einen “grünen Entwicklungsplan für den globalen Süden” vor, den einige Medien später als “chinesischen grünen Marshallplan” bezeichneten. Der Vorschlag verfolgt drei Ziele: die Unterstützung eines grünen Wachstums der Entwicklungsländer, die Ausweitung der chinesischen Gesamtnachfrage und die Stärkung der globalen Führungsrolle Chinas. Wie der ursprüngliche Marshallplan würde der Plan große Mengen an gewerblichen Finanzierungen und Investitionen, staatlichen Krediten und Staatshilfen umfassen.
Inspiriert wurde ich durch die jüngsten Diskussionen über Chinas Überkapazitäten in den grünen Schlüsselindustrien: Elektrofahrzeuge, Lithiumbatterien und Solarzellen. Bei einer Diskussion mit Professoren der Universität Peking im April sprach US-Finanzministerin Janet Yellen dieses Thema an und äußerte zwei Bedenken: dass die chinesischen Überkapazitäten das Ergebnis staatlicher Subventionen zu sein scheinen und dass sie ein Ausmaß erreicht hätten, das zu Verwerfungen an den internationalen Märkten geführt habe. Einen Monat später kündigten die USA einen 100%igen Zoll auf E-Fahrzeuge aus China an.
Die Definition von “Überkapazitäten” kann kontrovers sein. Einige chinesische Experten haben darauf verwiesen, dass keine “Überkapazitäten” vorliegen, solange die chinesischen Unternehmen ihre Produkte im In- oder Ausland verkaufen können. Wenn wir also Überkapazitäten als einen Fall verstehen, in dem das Angebot die Nachfrage übersteigt, kann es sinnvoll sein, zwischen dem nationalen und dem globalen Kontext zu unterscheiden.
Drei Gruppen von Faktoren sind hier relevant: makroökonomische Ungleichgewichte, offene und verdeckte Subventionen sowie die Größe der betreffenden Branche. Chinas gesamte Reformperiode nach den 1970er-Jahren war von “nationalen” Überkapazitäten gekennzeichnet, da das Land mehr produziert, als es verbraucht, was sich in einem hohen Leistungsbilanzüberschuss widerspiegelt. Der erste Schritt zur Beseitigung dieser Überkapazitäten bestünde daher darin, die Leistungsbilanz auszugleichen. Tatsächlich arbeiten die chinesischen Behörden seit der globalen Finanzkrise von 2008 auf dieses Ziel hin, indem sie den Inlandskonsum ankurbeln.
Amerikaner und Europäer sind eher über die offenen und stillschweigenden staatlichen Subventionen besorgt, die chinesischen Herstellern ihrer Meinung nach einen unfairen Vorteil auf den internationalen Märkten verschaffen. Chinas offene Subventionen für E-Fahrzeuge – darunter direkte Subventionen, Steuererleichterungen und Exklusivlizenzen – liegen jedoch im Durchschnitt eines Dutzend Länder, die in einem Arbeitspapier von 2022 untersucht wurden, und sind geringer als die der Regierungen Norwegens, der USA, Frankreichs und Deutschlands.
Verdeckte Subventionen – reduzierte Faktorkosten – sind weniger transparent. In einer Rede im Juli zum Thema “Chinesische Überkapazitäten und die Weltwirtschaft” zitierte Jay Shambaugh, US-Unterstaatssekretär für internationale Angelegenheiten, eine Analyse des Center for Strategic and International Studies (CSIS), in der die verdeckten Subventionen Chinas auf etwa fünf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt geschätzt werden – das Zehnfache des Niveaus der USA, Japans und einiger anderer Länder.
Zwar ähneln diese Zahlen jenen, die ich bei eigenen Untersuchungen vor etwa 15 Jahren ermittelt habe, doch ist die Interpretation von Shambaugh und den CSIS-Forschern fehlerhaft. Die Verzerrungen bei den chinesischen Faktorkosten wurden nicht als Teil einer Industriestrategie, sondern als politische Übergangsmaßnahme konzipiert, und der größte Teil der Unterstützung ging an staatseigene Unternehmen. Wenn überhaupt wurden Chinas privaten Green-Tech-Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, durch diese Politik erheblich benachteiligt.
Allerdings umfassen verschiedene kommunale “Investitionsförderprogramme” verdeckte Subventionen für private Green-Tech-Unternehmen – zum Beispiel reduzierte Landnutzungsgebühren. Eine aktuelle Untersuchung der Europäischen Union legt nahe, dass chinesische E-Fahrzeuge dank dieser Subventionen 20 Prozent billiger verkauft werden können als in der EU produzierte Modelle. Die Unterstützung durch die Kommunen nimmt jedoch rapide ab. Das liegt zum einen daran, dass viele von ihnen mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, und zum anderen, dass die Zentralregierung begonnen hat, diese irregulären und illegalen Subventionen zu verbieten.
Ein weiteres Problem ist, dass die wahrgenommenen Auswirkungen der chinesischen Überkapazitäten durch die schiere Größe der chinesischen Wirtschaft überakzentuiert werden. China ist ein riesiges Land, und seine Wirtschaftspolitik neigt dazu, Investitionen auf bestimmte Sektoren und Branchen zu konzentrieren. Dies kann zu Schwierigkeiten für Chinas Handelspartner führen. Der Punkt ist jedoch, dass die Größe von Chinas Green-Tech-Sektor vermutlich ein größeres Problem darstellt als die Subventionen.
Es stimmt jedoch, dass China den Einfluss des Staates auf die Ressourcenzuweisung verringern und mit anderen Ländern zusammenarbeiten muss, um durch Kooperation den gegenseitigen Wohlstand zu sichern. Dies war der Grund für meinen Vorschlag für einen grünen Entwicklungsplan für den globalen Süden. China hat bereits beträchtliche Produktionskapazitäten im Bereich der grünen Technologien aufgebaut, sieht sich aber auf den entwickelten Märkten mit wachsenden Handelsbarrieren konfrontiert.
Zugleich tun sich die Entwicklungsländer schwer, ihre eigene grüne Entwicklungsagenda voranzutreiben. Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigen die Entwicklungsländer jährlich Investitionen in erneuerbare Energien in Höhe von etwa 1,7 Billionen US-Dollar, konnten 2022 aber nur 544 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen in saubere Energien gewinnen. Glücklicherweise verfügt China über die Technologie, die Produktionskapazitäten und das Kapital (gewerbliche Finanzierungen, staatliche Finanzierungen und Staatshilfen), um diese Lücke zu schließen. Es kann die globale grüne Entwicklung vorantreiben, seine eigene Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig seine internationale Führungsrolle stärken.
Interessanterweise hat sich Brian Deese, von 2021 bis 2023 Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats des Weißen Hauses, Ende August für einen “Marshallplan für saubere Energie” ausgesprochen und darauf verwiesen, dass China dieselbe Idee erwäge. Im Idealfall würden beide Länder bei dieser Initiative zusammenarbeiten. Doch selbst wenn beide Länder getrennte grüne Marshallpläne verfolgen würden, würden sie die weltweite ökologische Wende dramatisch beschleunigen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan
Huang Yiping ist Dekan der Nationalen Schule für Entwicklung und Professor an der Universität Peking. Er ist Mitglied des Geldpolitischen Ausschusses der Chinesischen Zentralbank.
Copyright: Project Syndicate, 2024.
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Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.
Michelle Ho ist neue Präsidentin von UPS China. Ho ist bereits seit 26 Jahren für den Logistikkonzern tätig, zuletzt als Financial Controller. In ihrer neuen Rolle wird Ho die Geschäfte von UPS für kleinere Pakete und strategische Geschäftsplanung in China leiten, wobei ihr rund 6.000 Angestellte unterstehen.
Weiwei Xu ist seit August Change & Communication Manager bei Zeiss in Shanghai. Die ehemalige Journalistin wird für das Optikunternehmen das interne Transformations-Programm FIT4 China Hub mitbetreuen.
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Der Oktober lässt das Grasland pinkfarben strahlen – zumindest im Zishan Park in Handan im Süden der Provinz Hebei. Die Anziehungskraft der Farbe hat das Tourismusbüro der Stadt längst begriffen. Nicht nur sind die Wege durch das Gras für Fußgänger bequem gepflastert, auch ein pinkfarbenes Schienenfahrzeug im Legoland-Format tuckert durch die Landschaft.