Table.Briefing: China

Wettlauf im Erdorbit + Erbe der Streikenden

Liebe Leserin, lieber Leser,

Chinas Weltraumvorzeigeprojekt SpaceSail ist auf Erfolgskurs. 18 Satelliten wurden am Donnerstag vom Raketenstartzentrum in Taiyuan erfolgreich in den Erdorbit befördert. Dort oben hat ein Rennen um das beste Satelliten-Netzwerk begonnen. Bis 2030 plant SpaceSail, mindestens 10.000 Satelliten zu installieren, um Elon Musks Starlink Konkurrenz zu machen. Das ist ganz klar auch im Interesse der chinesischen Regierung, die China bis 2045 zur “Weltraum-Supermacht” machen will.

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, schreibt Leonardo Pape. Das Unternehmen hat gerade einmal 72 Satelliten im Orbit – Elon Musk dagegen 7.000. Doch SpaceSail holt rapide auf und bietet seine Dienste bereits in Ländern wie Brasilien und Pakistan an. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Schließlich hat der Ukraine-Krieg bewiesen, wie strategisch wichtig solche Netzwerke im Ernstfall für die Kommunikation sein können.

Einen weiten Weg beschreiten auch chinesische Arbeiter und Angestellte, wenn sie Rechte von Arbeitnehmern im Land verbessern wollen. Marcel Grzanna stellt den früheren Lokführer Li Weijie und seinen Kampf für die Zunft vor. Lis Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, dass staatliche Gewerkschaften in China eher den Interessen der Kommunistischen Partei dienen als den Arbeitern selbst.

Vor dem Hintergrund möglicher Investitionen chinesischer Hersteller in VW-Fabriken in Deutschland dürfte der Umgang chinesischer Konzerne mit ihren Arbeitern hierzulande bald größeres Interesse wecken.

Ihr
Fabian Peltsch
Bild von Fabian  Peltsch

Analyse

Industrielle Beziehungen: Was von Chinas Streikkultur noch übrig ist

Eisenbahner Li Weijie bei einem Protest am 10. September in der Provinz Zhejiang.

Über den guten Ruf chinesischer Arbeitgeber in Deutschland kann Li Weijie 李伟杰 nur den Kopf schütteln. Während chinesischen Investoren hierzulande nachgesagt wird, die Rechte der Beschäftigten widerstandslos zu akzeptieren, hat Li mit Staatsbetrieben in der Volksrepublik ganz andere Erfahrungen gemacht.

Vor mehr als einem Jahrzehnt verklagte Li seinen Arbeitgeber vergeblich auf 920.000 Yuan (heute umgerechnet rund 123.000 Euro) Ausgleichszahlung für geleistete Überstunden und medizinische Behandlungen. Der 55-Jährige war Lokführer beim Lokomotivdepot Luoyang in der Provinz Zhejiang. Dutzende Mal hat er versucht, seine Forderung über den Rechtsweg durchzusetzen. Doch an der chinesischen Justiz biss er sich die Zähne aus.

Heute ist Li eine unerwünschte Person beim Lokomotivdepot. Sein Arbeitsverhältnis ist längst aufgelöst. Er lebt in einem Wohnheim in Luoyang und kassiert 380 Yuan (50 Euro) monatliche Rente. “Das ist völlig unangemessen”, klagt er im Videogespräch mit Table.Briefings. Dem Betrieb wirft er vor, die Rechte der Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen und die kommunistischen Werte zu ignorieren. Schon vor Jahren sei er deswegen desillusioniert aus der Kommunistischen Partei ausgetreten, wie er sagt.

ACFTU als Verwaltungsarm des Parteistaates

Auf die Unterstützung einer Gewerkschaft konnte Li nicht zählen. In China vereint die All-China Federation of Trade Unions (ACFTU) alle Gewerkschaften im Land unter sich und ist eng mit der KP verbunden. “Die ACFTU fungiert im Wesentlichen als Verwaltungsarm des Parteistaates, der sie als Instrument nutzt, um die Interessen der Arbeiter mit denen der Regierung in Einklang zu bringen”, bilanziert Liu Mingwei, außerordentlicher Professor an der Rutgers University in New Jersey, in seiner Forschung. Von den Gewerkschaften werde erwartet, die Harmonie in den Arbeitsbeziehungen zu fördern. Sie stünden dabei jedoch “oft vor Herausforderungen, die Interessen der Arbeiter effektiv vertreten zu können”.

Li Weijie setzt sich deshalb im Alleingang seit Jahren für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Angestellte der staatlichen Eisenbahnbetriebe ein. Er organisiert Proteste, unterstützt Ex-Kollegen bei deren Klagen und ist bemüht, der chinesischen Öffentlichkeit die Widersprüche vor Augen zu führen, die zwischen der staatlich propagierten Bedeutung der Arbeiter im Land und ihrer Behandlung durch Staatsbetriebe klaffen.

Doch weder berichten chinesische Medien über sein Engagement, noch gestatten ihm die Sicherheitsbehörden öffentliche Auftritte oder die Organisation seiner Zunft über soziale Medien. Eine von ihm ins Leben gerufene Chat-Gruppe brachte einst 2.000 Lokführer zusammen, ehe sie von Zensoren geschlossen wurde. Die Gruppe hatte einst den 16. Juni zum Welt-Eisenbahnertag erkoren und sogar nach Japan Kontakte entwickelt, wie Li erzählt. Doch je mehr Eisenbahn-Mitarbeiter sich anschlossen, desto konsequenter reagierte der Staat.

Regierung fürchtet großflächigen Streik

Im vergangenen Jahr, erzählt Li, sei er am Tag vor dem 16. Juni von Beamten verschleppt und zwei Tage in einem abgelegenen Waldstück ohne Mobilfunkempfang festgehalten worden – ohne richterliche Grundlage, ohne Chance auf rechtsstaatliche Ahndung einer solchen Entführung. Reisepläne ins Ausland würden ihm untersagt. Als er im Vorjahr in die USA reisen wollte, um dortige Eisenbahngewerkschafter zu treffen, hielten ihn Beamte am Flughafen in Shanghai davon ab, das Flugzeug zu betreten, sagt er.

“Die Regierung fürchtet, dass ich einen Streik organisieren könnte, der sich großflächig ausbreitet”, glaubt Li. Die Provinzvertretung des Unternehmens habe deshalb schon Zugeständnisse gemacht und zahlt jährlich 100 Millionen Yuan zusätzlich an die Lokführer aus. Noch immer viel zu wenig und auf die Provinz Zhejiang beschränkt, klagt Li. Immer noch würden Überstunden nicht angemessen bezahlt, nicht ausreichend Pausen gewährt und gesundheitliche Versorgung gewährleistet.

Spätestens seit im Jahr 2010 in der Provinz Guangdong Produktionskräfte in etlichen Betrieben die Arbeit niederlegten, ist Streik in China ein probates Mittel für Belegschaften, um für ihre Rechte einzutreten. Damals war es eine Honda-Fabrik in Nanhai, die Arbeitsniederlegungen in der ganzen Provinz nach sich zogen – auch die Gemeinschaftsunternehmen deutscher Automobilhersteller waren betroffen.

Industriegewerkschaft als nächster Schritt

Die Streiks hatten Folgen. Der Staat verpflichtete die Unternehmen zur Zahlung von Mindestlöhnen im ganzen Land und verschärfte seitdem mehrfach seine Arbeitsschutzgesetze. Die Provinz Guangdong führte 2014 sogar das Recht auf Tarifverhandlungen ein. Doch bei der Umsetzung hakt es bis heute. “Viele Betriebe haben sich nie daran gehalten, die großen Staatsbetriebe schon gar nicht”, sagt Boy Lüthje vom Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main, der viele Jahre an der Sun Yat-Sen Uni und der South China University of Technology in Guangdong zu den industriellen Beziehungen in China forschte.

Tatsächlich haben die Arbeiter dort das Recht, eine Art Betriebsgewerkschaft zu gründen und über gewählte Arbeitnehmervertreter geschlossen ihre Forderungen der Betriebsleitung vorzutragen. Lüthje schätzt, dass es “vielleicht 20 bis 30 Prozent der Unternehmen in Guangdong” sind, die den Arbeitern dieses Recht auch tatsächlich einräumen. Außerhalb Guangdongs sind die Zahlen deutlich niedriger. “Die Gründung einer Industriegewerkschaft wäre der nächste Schritt in China. Aber parteipolitisch ist der Rechtsrahmen nie weiter gefördert worden”, sagt Lüthje.

US-Arbeitgeber? – “Dann lieber Chinesen”

Streiks gelten unter den Arbeitern – vor allem in Guangdong – zwar weiterhin als probates Mittel der Belegschaften. Dabei handele es sich aber um Ein-Punkt-Bewegungen, nicht um koordinierte Aktionen, die Arbeiter von der Graswurzel aus verbinden würden. “Denn das darf aus Parteisicht nicht passieren. Die Arbeitskämpfe sind heute viel stärker zersplittert“, sagt Lüthje.

Wie es mit chinesischen Arbeitgebern in Deutschland weitergeht, wird sich wohl erst herausstellen, wenn chinesische Investoren in großem Umfang in Industriestätten investieren. Das diskutierte Interesse aus China an den VW-Werken in Osnabrück und Dresden könnte sich auch zum Lackmustest für die industriellen Beziehungen zwischen deutschen Arbeiternehmern und chinesischen Chefetagen entwickeln.

Bislang harmoniert das Konstrukt. Die Studie “Chinesische Investitionen im Ruhrgebiet” zitiert einen Angestellten von ThyssenKrupp Tailored Blanks: “Wenn ich die Wahl zwischen Chinesen und Amerikanern hätte, dann lieber Chinesen.” Amerikaner kümmerten sich nicht groß um Arbeitnehmerrechte, “Chinesen akzeptieren diese”.

  • Arbeitsbedingungen
  • Gewerkschaften
  • Guangdong
  • Industrie
  • Streik
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Satellitennetzwerk: So will SpaceSail Elon Musks Starlink Konkurrenz machen

Eine Satellitengruppe von SpaceSail wird am 23. Januar dieses Jahres vom Abschusszentrum im nordchinesischen Taiyuan in den Erdorbit geschossen.

Binnen weniger Stunden vermeldete Chinas Weltraum-Vorzeigeprojekt SpaceSail vor Kurzem zwei neue Erfolge: 18 weitere seiner Satelliten gelangten am vergangenen Donnerstag vom Raketenstartzentrum im nordchinesischen Taiyuan aus in den Erdorbit. Zudem expandierte der internationale Ableger von SpaceSail mit einer neuen Niederlassung nach Kasachstan.

Hinter SpaceSail steht das Unternehmen Shanghai Spacecom Satellite Technology (SSST), hauptsächlich finanziert von der Stadtregierung Shanghai und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Entstehen soll eine sogenannte Megakonstellation, ein dichtes Satellitennetzwerk im niedrigen Erdorbit, das auch in abgelegenen Erdteilen Internetabdeckung sicherstellen kann. Bis Ende 2030 plant SpaceSail, mindestens 10.000 Satelliten zu installieren – und damit Elon Musks Starlink Konkurrenz machen

Satellitensysteme sind “strategisch wichtige Weltraumarchitektur”

Schon vor einigen Jahren rief die chinesische Regierung das Ziel aus, bis 2045 zur “Weltraum-Supermacht” aufzusteigen. Auf dem Weg dorthin ist eine eigene Satelliten-Megakonstellation “ein strategisch wichtiges Stück Weltraumarchitektur”, sagt Blaine Curcio, Analyst und Herausgeber des China Space Monitor, im Gespräch mit Table.Briefings. Die strategische Bedeutung entsprechender Systeme zeige sich unter anderem im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die Ukraine greift auf Starlink als Ersatz für im Krieg zerstörte Kommunikationsnetzwerke zurück, Russland nutzt das System vermutlich illegal mit.

Wie verheerend sich die Abhängigkeit von ausländischer Satelliteninfrastruktur im Krisenfall auswirken kann, wurde China schon vor Jahrzehnten schmerzhaft vor Augen geführt: Im Zuge einer Konfrontation in der Taiwanstraße im Jahr 1996 verlor die Volksbefreiungsarmee die Spur von zwei ihrer drei in der Meerenge abgefeuerten Raketen – wahrscheinlich weil die USA das GPS-Signal im Pazifik unterbrochen hatten. Infolgedessen entwickelte China das eigene Navigations- und Ortungssystem BeiDou. Bis heute gilt es als historisch größte chinesische Investition in der Luft- und Raumfahrttechnik.

SpaceX bisher mit weitem Abstand vorne

Eine leistungsfähige Satelliten-Megakonstellation wäre für China ein ähnlich großer Erfolg. Bislang hat SpaceX aber mit Abstand die Nase vorn. Rund 7.000 Satelliten des Unternehmens von Elon Musk kreisen bereits im Erdorbit, etwa zwei Drittel aller aktiven Satelliten. Aufseiten von SpaceSail sind es gerade einmal 72. Doch das Projekt hat erst im August vergangenen Jahres die ersten Satelliten in die Umlaufbahn gebracht und seitdem schnell an Fahrt gewonnen.

Innerhalb Chinas ist SpaceSail nach Einschätzung von Analyst Curcio “zweifellos führend”. Unter anderem habe SpaceSail das innerchinesische Konkurrenznetzwerk GuoWang von der China SatNet Group hinter sich gelassen – obwohl dieses von der Zentralregierung vor einigen Jahren als offiziell unterstützte Starlink-Alternative auserkoren worden war. Bei einer Finanzierungsrunde im Februar 2024 sammelte SpaceSail rund 6,7 Milliarden Yuan (knapp 900 Millionen Euro) an Investorengeldern ein, mehr als jedes andere Raumfahrtunternehmen in China. Curcio hält für das laufende Jahr rund 300 weitere Satelliten-Launches von SpaceSail für realistisch, in den Jahren darauf seien noch mehr möglich.

Chinesische Regierung wirbt für SpaceSail

Auch wenn der Weg zu einer leistungsfähigen Megakonstellation noch lang ist, versucht SSST bereits, sich die Zugänge zu möglichen Zielmärkten zu sichern. So hat das Unternehmen im vergangenen Jahr unter anderem mit dem brasilianischen staatlichen Telekom-Konzern Telebras eine Vereinbarung geknüpft, um dort bis 2026 in abgelegenen Gegenden die Internetverbindung zu sichern. Damit tritt SpaceSail in direkte Konkurrenz zu Starlink, das bisher den größten Marktanteil in Brasilien hat. Auch in Pakistan hat SpaceSail Interesse am Markteinstieg angemeldet. 

SpaceSail präsentiert sich dabei als kommerzielles Projekt, doch die Beziehungen zur chinesischen Regierung sind offensichtlich. Die Vereinbarung in Brasilien war direkter Teil bilateraler Verhandlungen bei Xis Staatsbesuch im November. Die Staatsnähe dient eher freundlich gesinnten Ländern als Türöffner, könnte dem Unternehmen aber auch Probleme bereiten. Curcio geht davon aus, dass viele westliche Länder SpaceSail den Markteintritt verweigern werden.

Verbot in Deutschland

In Deutschland hat das Mutterunternehmen SSST bereits unangenehme Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht: Vor einigen Jahren stieg die Firma hierzulande im Joint-Venture mit der Kleo Connect GmbH ins Satellitengeschäft ein. SSST wurde gemeinsam mit weiteren chinesischen Investoren sogar Mehrheitsaktionär.

Später drangen die Investoren aus China darauf, die Satellitenproduktion für das Joint-Venture weitestgehend beim Shanghaier Unternehmen SECM anzusiedeln. Dass dieses auch für das chinesische Militär arbeitet, sorgte laut Berichten der Financial Times für Unbehagen auf deutscher Seite. Die Joint-Venture-Partner zerstritten sich. Schließlich verbot die Bundesregierung im Zuge einer Investitionsprüfung im Jahr 2023 eine vollständige Übernahme durch SSST. Das Shanghaier Unternehmen zog sich zurück – und nimmt nun lieber auf dem heimischen Markt einen neuen Anlauf.

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News

Aktionsplan: Härteres Vorgehen gegen Temu & Co. wegen Verstößen gegen Produktstandards

Um künftig die Rechte gegenüber Handelsplattformen und Händlern aus der EU und aus Drittstaaten besser durchzusetzen, hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Aktionsplan für das E-Commerce-Segment beschlossen. Mit dem am Mittwoch im Kabinett vorgestellten Aktionsplan E-Commerce wolle man ein Zeichen setzen “für fairen Wettbewerb und den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unsicheren und gefährlichen Produkten im Onlinehandel”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Die hohen europäischen Standards müssten für alle gelten. “Niemand darf einen Vorteil dadurch erlangen, dass er geltendes Recht missachtet”, so Habeck. Die Online-Branche in Deutschland und der EU wirft vor allem Anbietern aus China wie Temu, Shein und Aliexpress vor, europäische Standards nicht einzuhalten und den Wettbewerb zu verzerren.

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) begrüßte das Vorgehen der Regierung und zeigte sich zuversichtlich, dass es nun eine bessere Kontrolle von Importen aus Drittstaaten durch Anbieter wie Temu gebe, “die mit fragwürdigen Geschäftspraktiken dem fairen Wettbewerb in Europa schaden”.

Im vergangenen Jahr gelangten nach Schätzungen der EU-Kommission insgesamt vier Milliarden Pakete über weltweite E-Commerce-Plattformen in die EU, wie das Wirtschaftsministerium erklärte. Die Zoll- und Marktüberwachungsbehörden hätten festgestellt, “dass viele der Produkte nicht den bestehenden Vorschriften zur Produktsicherheit, zum Verbraucherschutz, zu Umwelt- und Gesundheitsstandards, zu geistigen Eigentumsrechten sowie zu Zoll- und Einfuhrbestimmungen entsprechen”. rtr/niw

  • E-Commerce
  • Handel
  • Temu

KI: OpenAI bezichtigt DeepSeek als Raubkopierer

DeepSeek soll Modelle von OpenAI genutzt haben, um seine eigene KI trainiert zu haben. OpenAI teilte der Financial Times mit, dass es einige Beweise für “Destillation” gebe, die von DeepSeek stammen könnten. Destillation ist eine Technik, die in der Entwicklerbranche verwendet wird, um die Leistung bei kleineren Modellen zu verbessern. Dafür werden die Ergebnisse größerer, leistungsfähigerer genutzt.

Obwohl die Praxis laut Branchenkennern gängig ist, um Kosten zu sparen, sieht OpenAI einen Verstoß gegen seine Nutzungsbedingungen. Dort steht, dass Benutzer keine seiner Dienste “kopieren” oder “Ergebnisse verwenden dürfen, um Modelle zu entwickeln, die mit OpenAI konkurrieren”.

Die Kritik, dass die Modelle von DeepSeek auf von der chinesischen Regierung zensierte Begrifflichkeiten wie Tank Man oder das Massaker im Jahr 1989 auf dem Tiananmen-Platz keine Antwort geben und ungelenk “Tut mir leid, das übersteigt meine Möglichkeiten derzeit” antwortet, zeigt deutlich, dass es nicht nur inhaltliche Lücken gibt.

Auch die International Campaign for Tibet (ICT) warnte, mit den Rechercheergebnissen der chinesischen KI-DeepSeek “äußerst kritisch” umzugehen. “DeepSeek will ganz offensichtlich freien und faktenbasierten Diskurs in der Öffentlichkeit manipulieren”, so ICT-Geschäftsführer Kai Müller. Er warnte darüber hinaus davor, dass die Gefahr groß sei, dass DeepSeek als Instrument der Kommunistischen Partei Chinas genutzt werde, um Propaganda zu verbreiten. niw

  • Deepseek
  • Künstliche Intelligenz
  • Technologie
  • Tibet

EU: Bevorzugung heimischer Hightech-Unternehmen geplant

Die Europäische Kommission möchte örtliche Unternehmen zukünftig bei High-Tech-Aufträgen bevorzugen. Das geht aus ihrem am Mittwoch vorgestellten Wettbewerbskompass hervor. Konkret geht es um öffentliche Beschaffungen kritischer Technologien, die derzeit 14 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts umfassen. Die Bevorzugung europäischer Unternehmen soll Lieferketten stabilisieren, Technologie sichern und die Regeln für Start-ups vereinfachen, heißt es in dem Dokument. Diese Maßnahmen sollen auch Überkapazitäten und einem unfairen Wettbewerb entgegenwirken.

Zu einer “Buy European” Regelung wird es wohl nicht kommen, berichtet die South China Morning Post. Denn der Vorstoß kommt nur wenige Wochen nach der Feststellung der EU, dass Chinas eigene “Buy Local” Vorgaben im Medizin-Sektor illegal sind. Das Beschaffungsübereinkommen der Welthandelsorganisation WTO verbietet – über einen Schwellenwert hinaus – eine Benachteiligung ausländischer Unternehmen. Stattdessen wird die EU zukünftig vermehrt Anreize zur Investition in europäische Unternehmen schaffen.

Auch ohne “Buy European” Regelung passt der Vorschlag zum Zeitgeist. Sowohl CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz als auch der französische Premierminister François Bayrou warnten vor der Gefahr Chinas für den europäischen Markt. Die EU will daher ihre Abhängigkeit von chinesischen Märkten verringern. Stattdessen sollen mit Programmen wie dem Wettbewerbskompass Produktion und Wettbewerb innerhalb Europas gestärkt werden. ek

  • Europapolitik
  • Künstliche Intelligenz
  • Lieferketten
  • Öffentliche Beschaffung
  • Technologie
  • WTO

Presseschau

Global Risk: Südkoreas Staatskrise gefährdet die China-Strategie der USA HANDELSBLATT
How to secure Taiwan as drumbeats of a looming invasion grow louder JAPAN TIMES
China und “America First” – Polemik um Panamakanal DW
Massive Zoll-Drohungen: Zerstört Donald Trump Taiwans Schutzschild gegen China? MERKUR
Commerce Nominee Howard Lutnick Defends Trump Tariffs and Promises Strong Stance on China NEW YORK TIMES
After talking tough during campaign, Trump appears to ease up on China at start of presidency AP NEWS
EU points way to competitive future to catch US, China rivals REUTERS
Billigversender aus China: Bundesregierung verabschiedet Aktionsplan gegen Temu und Shein SPIEGEL
Chinas Spionage in Europa – Jagd auf israelische Militärtechnologien DEFENCE NETWORK
Chinas Wirtschaft im Zeichen der Schlange oder des Donald? DW
Gold-Nachfrage zeigt sinkendes Vertrauen: China – Immobilien-Krise treibt Anleger in Gold FINANZMARKTWELT
OpenAI says Chinese rivals using its work for their AI apps BBC
China’s DeepSeek disrupts American plans for AI dominance WASHINGTONPOST
Deepseek: Während der Westen noch über DeepSeek staunt, ist China schon weiter” WIWO
DeepSeek: Wie die China-KI die Wahrheit verdreht – und wo sie die Antwort verweigert MERKUR
Was Deepseek anders macht FAZ
Sogenannte Silver Economy: Wie Senioren Chinas Wirtschaft ankurbeln sollen TAGESSCHAU

Standpunkt

Technologie aus China: Ansporn oder Bedrohung für die deutsche Wirtschaft?

Von Jörg Wuttke

China erlebt gegenwärtig seinen Sputnik-Moment. So wie die Sowjetunion in den späten 1950er-Jahren die USA mit dem ersten Satelliten im All überraschte, so erscheint der chinesische Sputnik für Europa aktuell in Form von künstlicher Intelligenz, aber auch futuristischen, batteriebetriebenen Automobilen. Das chinesische KI-Start-up DeepSeek zeigt den amerikanischen Tech-Champions Google, Apple und Meta, dass KI “Made in China” Weltklasse ist. Das junge Unternehmen hat einen offenen Standard verhältnismäßig günstig entwickelt – weniger als sechs Millionen Euro soll R1 gekostet haben. Zugleich wird deutlich, dass die US-Sanktionen auf Chip-Exporte eher chinesische Innovation stimuliert haben, als das Land in der Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen Technologie zu behindern. Ein Wake-up-Call – auch für Europa.

Made in China 2025 ließ die USA umdenken

Als die chinesische Staatsführung vor zehn Jahren ihre Industriestrategie Made in China 2025 vorstellte, sorgte sie damit weltweit für Irritationen. Spätestens in diesem Moment war klar, dass Chinas Weg zur Industrie-Supermacht Friktionen und Rivalitäten mit dem westlichen, liberalen Wirtschaftssystem verursachen würde.

In Washington fand ein Umdenken statt: Statt von “konstruktivem Engagement” mit China sprachen die Strategen in der US-Regierung und in den einflussreichen Thinktanks nun plötzlich von “strategischem Wettbewerb” oder “strategischer Rivalität”. Mit dem von der Trump-Regierung 2018 begonnenen Handelskrieg hat der Stellenwert der Innovation noch an Bedeutung gewonnen.

Die aggressive Art und Weise, mit der die USA chinesische Firmen wie Huawei und ZTE angegriffen und vom Angebot an hochwertigen Halbleitern abgeschnitten haben, führte zu einer Verhärtung der Ansichten in Peking. Mit großen finanziellen Anstrengungen arbeitet China daran, seine Abhängigkeit von “unzuverlässigen” westlichen Partnern zu verringern. China fördert unter den Konzepten “Dual Circulation” und “Indigenous Innovation” die heimische Technologie unter zunehmendem Ausschluss ausländischer Unternehmen.

Wie soll Europa dieser Herausforderung begegnen?

Europa hat weder die militärische und technologische Macht der USA. Noch kann und soll es das staatlich gelenkte Subventions- und zentralistische Planungsmodell der Volksrepublik China imitieren. Das Interesse der Europäischen Union ist es, das zu bewahren, was die Volkswirtschaften des Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich gemacht hat: integrierte globale Wertschöpfungsketten mit gegenseitigen Abhängigkeiten.

Die Basis dafür bildeten Handelsbeziehungen, die liberal, multilateral, regelbasiert und durch einen verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus vor der Welthandelsorganisation WTO abgesichert waren. Der in Teilen der Welt beobachtete Anstieg von nationalem Protektionismus, Bilateralismus und dem Streben nach Autarkie stellt die EU vor eine Herausforderung, die sie meistern muss. Aber die Antwort Europas darauf sollte nicht sein, ebenfalls protektionistischer zu werden. Sondern die liberalen, offenen Werte zu wahren und für sie einzutreten. Was konkret zu tun ist?

  1. Innovationskraft stärken: Die europäische Wirtschaft muss wettbewerbsfähiger gestaltet werden, um unsere Gesellschaft und Arbeitsplätze zu sichern. Der Draghi-Report ist voller guter Hinweise.
  2. Offenheit bewahren: Europa sollte seine gesellschaftliche Attraktivität durch Offenheit bewahren, um die besten Rahmenbedingungen für die internationale Kooperation im Bereich Forschung und Entwicklung zu schaffen.
  3. Kapitalmarktunion: Das Projekt der Erschaffung einer Kapitalmarktunion muss politisch priorisiert werden. Bei der Kapitalmarktunion geht es insbesondere um die Bereitstellung von Finanzierungsmitteln für Unternehmen, die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ausreichend und verlässlich benötigt werden. Deshalb muss der regulatorische Rahmen von diesem Zweck ausgehend entwickelt werden.
  4. Venture-Capital (VC): Wagniskapital in Deutschland liegt auf einem beschämenden Niveau von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In einer völlig anderen Liga spielen China und die USA, deren VC-Märkte gemessen an der Wirtschaftskraft um die Faktoren 4,1- respektive 5,2-mal größer sind als der Markt in Deutschland. Im Vergleich zu China entfällt in Deutschland besonders auf die Technologiebereiche Big Data, Elektro- und Hybridfahrzeuge sowie Clean Technology ein geringes Dealvolumen.

Wagniskapital trifft in der EU auf Hürden

Die Fragmentierung des europäischen VC-Markts ist einer der Gründe dafür, weshalb es in Europa insgesamt weniger “Einhörner” gibt als in China und den USA, also private Unternehmen mit einem Wert von mehr als einer Milliarde Dollar. Die nationalen VC-Märkte in Europa haben keinen einheitlichen Rechtsrahmen, was sowohl die Investitionstätigkeit als auch das Fundraising über die Grenzen hinweg behindert. Hürden für grenzüberschreitende Investitionen abzubauen, wäre ein wichtiger Schritt für eine effizientere Kapitalallokation und würde helfen, VC-Renditepotenziale zu realisieren.

Will Europa das Technologie-Rennen gegen China langfristig bestehen, dann muss es zudem seine Gangart beschleunigen. Um gegen China zu bestehen, gilt es, bessere Ideen und klügere Technologien zu entwickeln, statt durch Rückzug in die Isolation seine eigene Wirtschaft zu schützen.

Es besteht kein Zweifel, dass der wirtschaftliche und technologische Aufstieg Chinas sowie die wachsende Rivalität zwischen China und den USA in den kommenden Jahren die größte Herausforderung für Deutschland und Europa werden. China hat die Größe und unter der aktuellen Führung das politische Selbstvertrauen, ein unabhängiges, eigenständiges Wirtschaftssystem aufzubauen – ein System mit chinesischen Vorzeichen.

Dieser Beitrag entsteht im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag (30.01.2025, 14.00 Uhr, MESZ) diskutieren Jörg Wuttke, Partner bei der DGA Group/Albright Stonebridge Group in Washington D.C. und Adam S. Posen, Präsident des Peterson Institute for International Economics, ebenfalls in Washington D.C., zum Thema “Wie wird Trump 2.0 die europäisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen umgestalten?” Das Webinar findet auf Englisch statt. China.Table ist Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.

Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.

  • China
  • Handel
  • Industriepolitik
  • WTO

Personalien

Theresa Terzer ist seit Januar Head of Marketing bei Sinolytics, einer forschungsbasierten Unternehmensberatung, die sich vollständig auf China konzentriert. Die Sinologin und Marketing-Spezialistin war zuvor bei der IT-Beratungsfirma Inno-Focus Digital tätig. Ihr Einsatzort ist Berlin.

Lukas Schoske ist seit Dezember Manager of Car Electronics bei Volkswagen China. Schoske ist seit 2021 für VW in der Volksrepublik im Einsatz. Zuletzt arbeitete er in Hefei im Bereich Expert Planning Battery Housing of EV. Für seinen neuen Posten wechselte er nach Shanghai.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Die bisweilen etwas forciert wirkende Tragweite der russisch-chinesischen Beziehungen lässt sich nun auch in der Moskauer Metro begutachten. Dort schlängelte sich zu chinesisch Neujahr ein Zug mit Lampions und Fahnen-Front durch die Tunnel der Linie 3. Eine Freundschaft, die sprichwörtlich tief geht.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Chinas Weltraumvorzeigeprojekt SpaceSail ist auf Erfolgskurs. 18 Satelliten wurden am Donnerstag vom Raketenstartzentrum in Taiyuan erfolgreich in den Erdorbit befördert. Dort oben hat ein Rennen um das beste Satelliten-Netzwerk begonnen. Bis 2030 plant SpaceSail, mindestens 10.000 Satelliten zu installieren, um Elon Musks Starlink Konkurrenz zu machen. Das ist ganz klar auch im Interesse der chinesischen Regierung, die China bis 2045 zur “Weltraum-Supermacht” machen will.

    Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, schreibt Leonardo Pape. Das Unternehmen hat gerade einmal 72 Satelliten im Orbit – Elon Musk dagegen 7.000. Doch SpaceSail holt rapide auf und bietet seine Dienste bereits in Ländern wie Brasilien und Pakistan an. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Schließlich hat der Ukraine-Krieg bewiesen, wie strategisch wichtig solche Netzwerke im Ernstfall für die Kommunikation sein können.

    Einen weiten Weg beschreiten auch chinesische Arbeiter und Angestellte, wenn sie Rechte von Arbeitnehmern im Land verbessern wollen. Marcel Grzanna stellt den früheren Lokführer Li Weijie und seinen Kampf für die Zunft vor. Lis Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, dass staatliche Gewerkschaften in China eher den Interessen der Kommunistischen Partei dienen als den Arbeitern selbst.

    Vor dem Hintergrund möglicher Investitionen chinesischer Hersteller in VW-Fabriken in Deutschland dürfte der Umgang chinesischer Konzerne mit ihren Arbeitern hierzulande bald größeres Interesse wecken.

    Ihr
    Fabian Peltsch
    Bild von Fabian  Peltsch

    Analyse

    Industrielle Beziehungen: Was von Chinas Streikkultur noch übrig ist

    Eisenbahner Li Weijie bei einem Protest am 10. September in der Provinz Zhejiang.

    Über den guten Ruf chinesischer Arbeitgeber in Deutschland kann Li Weijie 李伟杰 nur den Kopf schütteln. Während chinesischen Investoren hierzulande nachgesagt wird, die Rechte der Beschäftigten widerstandslos zu akzeptieren, hat Li mit Staatsbetrieben in der Volksrepublik ganz andere Erfahrungen gemacht.

    Vor mehr als einem Jahrzehnt verklagte Li seinen Arbeitgeber vergeblich auf 920.000 Yuan (heute umgerechnet rund 123.000 Euro) Ausgleichszahlung für geleistete Überstunden und medizinische Behandlungen. Der 55-Jährige war Lokführer beim Lokomotivdepot Luoyang in der Provinz Zhejiang. Dutzende Mal hat er versucht, seine Forderung über den Rechtsweg durchzusetzen. Doch an der chinesischen Justiz biss er sich die Zähne aus.

    Heute ist Li eine unerwünschte Person beim Lokomotivdepot. Sein Arbeitsverhältnis ist längst aufgelöst. Er lebt in einem Wohnheim in Luoyang und kassiert 380 Yuan (50 Euro) monatliche Rente. “Das ist völlig unangemessen”, klagt er im Videogespräch mit Table.Briefings. Dem Betrieb wirft er vor, die Rechte der Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen und die kommunistischen Werte zu ignorieren. Schon vor Jahren sei er deswegen desillusioniert aus der Kommunistischen Partei ausgetreten, wie er sagt.

    ACFTU als Verwaltungsarm des Parteistaates

    Auf die Unterstützung einer Gewerkschaft konnte Li nicht zählen. In China vereint die All-China Federation of Trade Unions (ACFTU) alle Gewerkschaften im Land unter sich und ist eng mit der KP verbunden. “Die ACFTU fungiert im Wesentlichen als Verwaltungsarm des Parteistaates, der sie als Instrument nutzt, um die Interessen der Arbeiter mit denen der Regierung in Einklang zu bringen”, bilanziert Liu Mingwei, außerordentlicher Professor an der Rutgers University in New Jersey, in seiner Forschung. Von den Gewerkschaften werde erwartet, die Harmonie in den Arbeitsbeziehungen zu fördern. Sie stünden dabei jedoch “oft vor Herausforderungen, die Interessen der Arbeiter effektiv vertreten zu können”.

    Li Weijie setzt sich deshalb im Alleingang seit Jahren für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Angestellte der staatlichen Eisenbahnbetriebe ein. Er organisiert Proteste, unterstützt Ex-Kollegen bei deren Klagen und ist bemüht, der chinesischen Öffentlichkeit die Widersprüche vor Augen zu führen, die zwischen der staatlich propagierten Bedeutung der Arbeiter im Land und ihrer Behandlung durch Staatsbetriebe klaffen.

    Doch weder berichten chinesische Medien über sein Engagement, noch gestatten ihm die Sicherheitsbehörden öffentliche Auftritte oder die Organisation seiner Zunft über soziale Medien. Eine von ihm ins Leben gerufene Chat-Gruppe brachte einst 2.000 Lokführer zusammen, ehe sie von Zensoren geschlossen wurde. Die Gruppe hatte einst den 16. Juni zum Welt-Eisenbahnertag erkoren und sogar nach Japan Kontakte entwickelt, wie Li erzählt. Doch je mehr Eisenbahn-Mitarbeiter sich anschlossen, desto konsequenter reagierte der Staat.

    Regierung fürchtet großflächigen Streik

    Im vergangenen Jahr, erzählt Li, sei er am Tag vor dem 16. Juni von Beamten verschleppt und zwei Tage in einem abgelegenen Waldstück ohne Mobilfunkempfang festgehalten worden – ohne richterliche Grundlage, ohne Chance auf rechtsstaatliche Ahndung einer solchen Entführung. Reisepläne ins Ausland würden ihm untersagt. Als er im Vorjahr in die USA reisen wollte, um dortige Eisenbahngewerkschafter zu treffen, hielten ihn Beamte am Flughafen in Shanghai davon ab, das Flugzeug zu betreten, sagt er.

    “Die Regierung fürchtet, dass ich einen Streik organisieren könnte, der sich großflächig ausbreitet”, glaubt Li. Die Provinzvertretung des Unternehmens habe deshalb schon Zugeständnisse gemacht und zahlt jährlich 100 Millionen Yuan zusätzlich an die Lokführer aus. Noch immer viel zu wenig und auf die Provinz Zhejiang beschränkt, klagt Li. Immer noch würden Überstunden nicht angemessen bezahlt, nicht ausreichend Pausen gewährt und gesundheitliche Versorgung gewährleistet.

    Spätestens seit im Jahr 2010 in der Provinz Guangdong Produktionskräfte in etlichen Betrieben die Arbeit niederlegten, ist Streik in China ein probates Mittel für Belegschaften, um für ihre Rechte einzutreten. Damals war es eine Honda-Fabrik in Nanhai, die Arbeitsniederlegungen in der ganzen Provinz nach sich zogen – auch die Gemeinschaftsunternehmen deutscher Automobilhersteller waren betroffen.

    Industriegewerkschaft als nächster Schritt

    Die Streiks hatten Folgen. Der Staat verpflichtete die Unternehmen zur Zahlung von Mindestlöhnen im ganzen Land und verschärfte seitdem mehrfach seine Arbeitsschutzgesetze. Die Provinz Guangdong führte 2014 sogar das Recht auf Tarifverhandlungen ein. Doch bei der Umsetzung hakt es bis heute. “Viele Betriebe haben sich nie daran gehalten, die großen Staatsbetriebe schon gar nicht”, sagt Boy Lüthje vom Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main, der viele Jahre an der Sun Yat-Sen Uni und der South China University of Technology in Guangdong zu den industriellen Beziehungen in China forschte.

    Tatsächlich haben die Arbeiter dort das Recht, eine Art Betriebsgewerkschaft zu gründen und über gewählte Arbeitnehmervertreter geschlossen ihre Forderungen der Betriebsleitung vorzutragen. Lüthje schätzt, dass es “vielleicht 20 bis 30 Prozent der Unternehmen in Guangdong” sind, die den Arbeitern dieses Recht auch tatsächlich einräumen. Außerhalb Guangdongs sind die Zahlen deutlich niedriger. “Die Gründung einer Industriegewerkschaft wäre der nächste Schritt in China. Aber parteipolitisch ist der Rechtsrahmen nie weiter gefördert worden”, sagt Lüthje.

    US-Arbeitgeber? – “Dann lieber Chinesen”

    Streiks gelten unter den Arbeitern – vor allem in Guangdong – zwar weiterhin als probates Mittel der Belegschaften. Dabei handele es sich aber um Ein-Punkt-Bewegungen, nicht um koordinierte Aktionen, die Arbeiter von der Graswurzel aus verbinden würden. “Denn das darf aus Parteisicht nicht passieren. Die Arbeitskämpfe sind heute viel stärker zersplittert“, sagt Lüthje.

    Wie es mit chinesischen Arbeitgebern in Deutschland weitergeht, wird sich wohl erst herausstellen, wenn chinesische Investoren in großem Umfang in Industriestätten investieren. Das diskutierte Interesse aus China an den VW-Werken in Osnabrück und Dresden könnte sich auch zum Lackmustest für die industriellen Beziehungen zwischen deutschen Arbeiternehmern und chinesischen Chefetagen entwickeln.

    Bislang harmoniert das Konstrukt. Die Studie “Chinesische Investitionen im Ruhrgebiet” zitiert einen Angestellten von ThyssenKrupp Tailored Blanks: “Wenn ich die Wahl zwischen Chinesen und Amerikanern hätte, dann lieber Chinesen.” Amerikaner kümmerten sich nicht groß um Arbeitnehmerrechte, “Chinesen akzeptieren diese”.

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    Satellitennetzwerk: So will SpaceSail Elon Musks Starlink Konkurrenz machen

    Eine Satellitengruppe von SpaceSail wird am 23. Januar dieses Jahres vom Abschusszentrum im nordchinesischen Taiyuan in den Erdorbit geschossen.

    Binnen weniger Stunden vermeldete Chinas Weltraum-Vorzeigeprojekt SpaceSail vor Kurzem zwei neue Erfolge: 18 weitere seiner Satelliten gelangten am vergangenen Donnerstag vom Raketenstartzentrum im nordchinesischen Taiyuan aus in den Erdorbit. Zudem expandierte der internationale Ableger von SpaceSail mit einer neuen Niederlassung nach Kasachstan.

    Hinter SpaceSail steht das Unternehmen Shanghai Spacecom Satellite Technology (SSST), hauptsächlich finanziert von der Stadtregierung Shanghai und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Entstehen soll eine sogenannte Megakonstellation, ein dichtes Satellitennetzwerk im niedrigen Erdorbit, das auch in abgelegenen Erdteilen Internetabdeckung sicherstellen kann. Bis Ende 2030 plant SpaceSail, mindestens 10.000 Satelliten zu installieren – und damit Elon Musks Starlink Konkurrenz machen

    Satellitensysteme sind “strategisch wichtige Weltraumarchitektur”

    Schon vor einigen Jahren rief die chinesische Regierung das Ziel aus, bis 2045 zur “Weltraum-Supermacht” aufzusteigen. Auf dem Weg dorthin ist eine eigene Satelliten-Megakonstellation “ein strategisch wichtiges Stück Weltraumarchitektur”, sagt Blaine Curcio, Analyst und Herausgeber des China Space Monitor, im Gespräch mit Table.Briefings. Die strategische Bedeutung entsprechender Systeme zeige sich unter anderem im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die Ukraine greift auf Starlink als Ersatz für im Krieg zerstörte Kommunikationsnetzwerke zurück, Russland nutzt das System vermutlich illegal mit.

    Wie verheerend sich die Abhängigkeit von ausländischer Satelliteninfrastruktur im Krisenfall auswirken kann, wurde China schon vor Jahrzehnten schmerzhaft vor Augen geführt: Im Zuge einer Konfrontation in der Taiwanstraße im Jahr 1996 verlor die Volksbefreiungsarmee die Spur von zwei ihrer drei in der Meerenge abgefeuerten Raketen – wahrscheinlich weil die USA das GPS-Signal im Pazifik unterbrochen hatten. Infolgedessen entwickelte China das eigene Navigations- und Ortungssystem BeiDou. Bis heute gilt es als historisch größte chinesische Investition in der Luft- und Raumfahrttechnik.

    SpaceX bisher mit weitem Abstand vorne

    Eine leistungsfähige Satelliten-Megakonstellation wäre für China ein ähnlich großer Erfolg. Bislang hat SpaceX aber mit Abstand die Nase vorn. Rund 7.000 Satelliten des Unternehmens von Elon Musk kreisen bereits im Erdorbit, etwa zwei Drittel aller aktiven Satelliten. Aufseiten von SpaceSail sind es gerade einmal 72. Doch das Projekt hat erst im August vergangenen Jahres die ersten Satelliten in die Umlaufbahn gebracht und seitdem schnell an Fahrt gewonnen.

    Innerhalb Chinas ist SpaceSail nach Einschätzung von Analyst Curcio “zweifellos führend”. Unter anderem habe SpaceSail das innerchinesische Konkurrenznetzwerk GuoWang von der China SatNet Group hinter sich gelassen – obwohl dieses von der Zentralregierung vor einigen Jahren als offiziell unterstützte Starlink-Alternative auserkoren worden war. Bei einer Finanzierungsrunde im Februar 2024 sammelte SpaceSail rund 6,7 Milliarden Yuan (knapp 900 Millionen Euro) an Investorengeldern ein, mehr als jedes andere Raumfahrtunternehmen in China. Curcio hält für das laufende Jahr rund 300 weitere Satelliten-Launches von SpaceSail für realistisch, in den Jahren darauf seien noch mehr möglich.

    Chinesische Regierung wirbt für SpaceSail

    Auch wenn der Weg zu einer leistungsfähigen Megakonstellation noch lang ist, versucht SSST bereits, sich die Zugänge zu möglichen Zielmärkten zu sichern. So hat das Unternehmen im vergangenen Jahr unter anderem mit dem brasilianischen staatlichen Telekom-Konzern Telebras eine Vereinbarung geknüpft, um dort bis 2026 in abgelegenen Gegenden die Internetverbindung zu sichern. Damit tritt SpaceSail in direkte Konkurrenz zu Starlink, das bisher den größten Marktanteil in Brasilien hat. Auch in Pakistan hat SpaceSail Interesse am Markteinstieg angemeldet. 

    SpaceSail präsentiert sich dabei als kommerzielles Projekt, doch die Beziehungen zur chinesischen Regierung sind offensichtlich. Die Vereinbarung in Brasilien war direkter Teil bilateraler Verhandlungen bei Xis Staatsbesuch im November. Die Staatsnähe dient eher freundlich gesinnten Ländern als Türöffner, könnte dem Unternehmen aber auch Probleme bereiten. Curcio geht davon aus, dass viele westliche Länder SpaceSail den Markteintritt verweigern werden.

    Verbot in Deutschland

    In Deutschland hat das Mutterunternehmen SSST bereits unangenehme Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht: Vor einigen Jahren stieg die Firma hierzulande im Joint-Venture mit der Kleo Connect GmbH ins Satellitengeschäft ein. SSST wurde gemeinsam mit weiteren chinesischen Investoren sogar Mehrheitsaktionär.

    Später drangen die Investoren aus China darauf, die Satellitenproduktion für das Joint-Venture weitestgehend beim Shanghaier Unternehmen SECM anzusiedeln. Dass dieses auch für das chinesische Militär arbeitet, sorgte laut Berichten der Financial Times für Unbehagen auf deutscher Seite. Die Joint-Venture-Partner zerstritten sich. Schließlich verbot die Bundesregierung im Zuge einer Investitionsprüfung im Jahr 2023 eine vollständige Übernahme durch SSST. Das Shanghaier Unternehmen zog sich zurück – und nimmt nun lieber auf dem heimischen Markt einen neuen Anlauf.

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    News

    Aktionsplan: Härteres Vorgehen gegen Temu & Co. wegen Verstößen gegen Produktstandards

    Um künftig die Rechte gegenüber Handelsplattformen und Händlern aus der EU und aus Drittstaaten besser durchzusetzen, hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Aktionsplan für das E-Commerce-Segment beschlossen. Mit dem am Mittwoch im Kabinett vorgestellten Aktionsplan E-Commerce wolle man ein Zeichen setzen “für fairen Wettbewerb und den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unsicheren und gefährlichen Produkten im Onlinehandel”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

    Die hohen europäischen Standards müssten für alle gelten. “Niemand darf einen Vorteil dadurch erlangen, dass er geltendes Recht missachtet”, so Habeck. Die Online-Branche in Deutschland und der EU wirft vor allem Anbietern aus China wie Temu, Shein und Aliexpress vor, europäische Standards nicht einzuhalten und den Wettbewerb zu verzerren.

    Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) begrüßte das Vorgehen der Regierung und zeigte sich zuversichtlich, dass es nun eine bessere Kontrolle von Importen aus Drittstaaten durch Anbieter wie Temu gebe, “die mit fragwürdigen Geschäftspraktiken dem fairen Wettbewerb in Europa schaden”.

    Im vergangenen Jahr gelangten nach Schätzungen der EU-Kommission insgesamt vier Milliarden Pakete über weltweite E-Commerce-Plattformen in die EU, wie das Wirtschaftsministerium erklärte. Die Zoll- und Marktüberwachungsbehörden hätten festgestellt, “dass viele der Produkte nicht den bestehenden Vorschriften zur Produktsicherheit, zum Verbraucherschutz, zu Umwelt- und Gesundheitsstandards, zu geistigen Eigentumsrechten sowie zu Zoll- und Einfuhrbestimmungen entsprechen”. rtr/niw

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    KI: OpenAI bezichtigt DeepSeek als Raubkopierer

    DeepSeek soll Modelle von OpenAI genutzt haben, um seine eigene KI trainiert zu haben. OpenAI teilte der Financial Times mit, dass es einige Beweise für “Destillation” gebe, die von DeepSeek stammen könnten. Destillation ist eine Technik, die in der Entwicklerbranche verwendet wird, um die Leistung bei kleineren Modellen zu verbessern. Dafür werden die Ergebnisse größerer, leistungsfähigerer genutzt.

    Obwohl die Praxis laut Branchenkennern gängig ist, um Kosten zu sparen, sieht OpenAI einen Verstoß gegen seine Nutzungsbedingungen. Dort steht, dass Benutzer keine seiner Dienste “kopieren” oder “Ergebnisse verwenden dürfen, um Modelle zu entwickeln, die mit OpenAI konkurrieren”.

    Die Kritik, dass die Modelle von DeepSeek auf von der chinesischen Regierung zensierte Begrifflichkeiten wie Tank Man oder das Massaker im Jahr 1989 auf dem Tiananmen-Platz keine Antwort geben und ungelenk “Tut mir leid, das übersteigt meine Möglichkeiten derzeit” antwortet, zeigt deutlich, dass es nicht nur inhaltliche Lücken gibt.

    Auch die International Campaign for Tibet (ICT) warnte, mit den Rechercheergebnissen der chinesischen KI-DeepSeek “äußerst kritisch” umzugehen. “DeepSeek will ganz offensichtlich freien und faktenbasierten Diskurs in der Öffentlichkeit manipulieren”, so ICT-Geschäftsführer Kai Müller. Er warnte darüber hinaus davor, dass die Gefahr groß sei, dass DeepSeek als Instrument der Kommunistischen Partei Chinas genutzt werde, um Propaganda zu verbreiten. niw

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    EU: Bevorzugung heimischer Hightech-Unternehmen geplant

    Die Europäische Kommission möchte örtliche Unternehmen zukünftig bei High-Tech-Aufträgen bevorzugen. Das geht aus ihrem am Mittwoch vorgestellten Wettbewerbskompass hervor. Konkret geht es um öffentliche Beschaffungen kritischer Technologien, die derzeit 14 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts umfassen. Die Bevorzugung europäischer Unternehmen soll Lieferketten stabilisieren, Technologie sichern und die Regeln für Start-ups vereinfachen, heißt es in dem Dokument. Diese Maßnahmen sollen auch Überkapazitäten und einem unfairen Wettbewerb entgegenwirken.

    Zu einer “Buy European” Regelung wird es wohl nicht kommen, berichtet die South China Morning Post. Denn der Vorstoß kommt nur wenige Wochen nach der Feststellung der EU, dass Chinas eigene “Buy Local” Vorgaben im Medizin-Sektor illegal sind. Das Beschaffungsübereinkommen der Welthandelsorganisation WTO verbietet – über einen Schwellenwert hinaus – eine Benachteiligung ausländischer Unternehmen. Stattdessen wird die EU zukünftig vermehrt Anreize zur Investition in europäische Unternehmen schaffen.

    Auch ohne “Buy European” Regelung passt der Vorschlag zum Zeitgeist. Sowohl CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz als auch der französische Premierminister François Bayrou warnten vor der Gefahr Chinas für den europäischen Markt. Die EU will daher ihre Abhängigkeit von chinesischen Märkten verringern. Stattdessen sollen mit Programmen wie dem Wettbewerbskompass Produktion und Wettbewerb innerhalb Europas gestärkt werden. ek

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    Presseschau

    Global Risk: Südkoreas Staatskrise gefährdet die China-Strategie der USA HANDELSBLATT
    How to secure Taiwan as drumbeats of a looming invasion grow louder JAPAN TIMES
    China und “America First” – Polemik um Panamakanal DW
    Massive Zoll-Drohungen: Zerstört Donald Trump Taiwans Schutzschild gegen China? MERKUR
    Commerce Nominee Howard Lutnick Defends Trump Tariffs and Promises Strong Stance on China NEW YORK TIMES
    After talking tough during campaign, Trump appears to ease up on China at start of presidency AP NEWS
    EU points way to competitive future to catch US, China rivals REUTERS
    Billigversender aus China: Bundesregierung verabschiedet Aktionsplan gegen Temu und Shein SPIEGEL
    Chinas Spionage in Europa – Jagd auf israelische Militärtechnologien DEFENCE NETWORK
    Chinas Wirtschaft im Zeichen der Schlange oder des Donald? DW
    Gold-Nachfrage zeigt sinkendes Vertrauen: China – Immobilien-Krise treibt Anleger in Gold FINANZMARKTWELT
    OpenAI says Chinese rivals using its work for their AI apps BBC
    China’s DeepSeek disrupts American plans for AI dominance WASHINGTONPOST
    Deepseek: Während der Westen noch über DeepSeek staunt, ist China schon weiter” WIWO
    DeepSeek: Wie die China-KI die Wahrheit verdreht – und wo sie die Antwort verweigert MERKUR
    Was Deepseek anders macht FAZ
    Sogenannte Silver Economy: Wie Senioren Chinas Wirtschaft ankurbeln sollen TAGESSCHAU

    Standpunkt

    Technologie aus China: Ansporn oder Bedrohung für die deutsche Wirtschaft?

    Von Jörg Wuttke

    China erlebt gegenwärtig seinen Sputnik-Moment. So wie die Sowjetunion in den späten 1950er-Jahren die USA mit dem ersten Satelliten im All überraschte, so erscheint der chinesische Sputnik für Europa aktuell in Form von künstlicher Intelligenz, aber auch futuristischen, batteriebetriebenen Automobilen. Das chinesische KI-Start-up DeepSeek zeigt den amerikanischen Tech-Champions Google, Apple und Meta, dass KI “Made in China” Weltklasse ist. Das junge Unternehmen hat einen offenen Standard verhältnismäßig günstig entwickelt – weniger als sechs Millionen Euro soll R1 gekostet haben. Zugleich wird deutlich, dass die US-Sanktionen auf Chip-Exporte eher chinesische Innovation stimuliert haben, als das Land in der Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen Technologie zu behindern. Ein Wake-up-Call – auch für Europa.

    Made in China 2025 ließ die USA umdenken

    Als die chinesische Staatsführung vor zehn Jahren ihre Industriestrategie Made in China 2025 vorstellte, sorgte sie damit weltweit für Irritationen. Spätestens in diesem Moment war klar, dass Chinas Weg zur Industrie-Supermacht Friktionen und Rivalitäten mit dem westlichen, liberalen Wirtschaftssystem verursachen würde.

    In Washington fand ein Umdenken statt: Statt von “konstruktivem Engagement” mit China sprachen die Strategen in der US-Regierung und in den einflussreichen Thinktanks nun plötzlich von “strategischem Wettbewerb” oder “strategischer Rivalität”. Mit dem von der Trump-Regierung 2018 begonnenen Handelskrieg hat der Stellenwert der Innovation noch an Bedeutung gewonnen.

    Die aggressive Art und Weise, mit der die USA chinesische Firmen wie Huawei und ZTE angegriffen und vom Angebot an hochwertigen Halbleitern abgeschnitten haben, führte zu einer Verhärtung der Ansichten in Peking. Mit großen finanziellen Anstrengungen arbeitet China daran, seine Abhängigkeit von “unzuverlässigen” westlichen Partnern zu verringern. China fördert unter den Konzepten “Dual Circulation” und “Indigenous Innovation” die heimische Technologie unter zunehmendem Ausschluss ausländischer Unternehmen.

    Wie soll Europa dieser Herausforderung begegnen?

    Europa hat weder die militärische und technologische Macht der USA. Noch kann und soll es das staatlich gelenkte Subventions- und zentralistische Planungsmodell der Volksrepublik China imitieren. Das Interesse der Europäischen Union ist es, das zu bewahren, was die Volkswirtschaften des Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich gemacht hat: integrierte globale Wertschöpfungsketten mit gegenseitigen Abhängigkeiten.

    Die Basis dafür bildeten Handelsbeziehungen, die liberal, multilateral, regelbasiert und durch einen verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus vor der Welthandelsorganisation WTO abgesichert waren. Der in Teilen der Welt beobachtete Anstieg von nationalem Protektionismus, Bilateralismus und dem Streben nach Autarkie stellt die EU vor eine Herausforderung, die sie meistern muss. Aber die Antwort Europas darauf sollte nicht sein, ebenfalls protektionistischer zu werden. Sondern die liberalen, offenen Werte zu wahren und für sie einzutreten. Was konkret zu tun ist?

    1. Innovationskraft stärken: Die europäische Wirtschaft muss wettbewerbsfähiger gestaltet werden, um unsere Gesellschaft und Arbeitsplätze zu sichern. Der Draghi-Report ist voller guter Hinweise.
    2. Offenheit bewahren: Europa sollte seine gesellschaftliche Attraktivität durch Offenheit bewahren, um die besten Rahmenbedingungen für die internationale Kooperation im Bereich Forschung und Entwicklung zu schaffen.
    3. Kapitalmarktunion: Das Projekt der Erschaffung einer Kapitalmarktunion muss politisch priorisiert werden. Bei der Kapitalmarktunion geht es insbesondere um die Bereitstellung von Finanzierungsmitteln für Unternehmen, die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ausreichend und verlässlich benötigt werden. Deshalb muss der regulatorische Rahmen von diesem Zweck ausgehend entwickelt werden.
    4. Venture-Capital (VC): Wagniskapital in Deutschland liegt auf einem beschämenden Niveau von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In einer völlig anderen Liga spielen China und die USA, deren VC-Märkte gemessen an der Wirtschaftskraft um die Faktoren 4,1- respektive 5,2-mal größer sind als der Markt in Deutschland. Im Vergleich zu China entfällt in Deutschland besonders auf die Technologiebereiche Big Data, Elektro- und Hybridfahrzeuge sowie Clean Technology ein geringes Dealvolumen.

    Wagniskapital trifft in der EU auf Hürden

    Die Fragmentierung des europäischen VC-Markts ist einer der Gründe dafür, weshalb es in Europa insgesamt weniger “Einhörner” gibt als in China und den USA, also private Unternehmen mit einem Wert von mehr als einer Milliarde Dollar. Die nationalen VC-Märkte in Europa haben keinen einheitlichen Rechtsrahmen, was sowohl die Investitionstätigkeit als auch das Fundraising über die Grenzen hinweg behindert. Hürden für grenzüberschreitende Investitionen abzubauen, wäre ein wichtiger Schritt für eine effizientere Kapitalallokation und würde helfen, VC-Renditepotenziale zu realisieren.

    Will Europa das Technologie-Rennen gegen China langfristig bestehen, dann muss es zudem seine Gangart beschleunigen. Um gegen China zu bestehen, gilt es, bessere Ideen und klügere Technologien zu entwickeln, statt durch Rückzug in die Isolation seine eigene Wirtschaft zu schützen.

    Es besteht kein Zweifel, dass der wirtschaftliche und technologische Aufstieg Chinas sowie die wachsende Rivalität zwischen China und den USA in den kommenden Jahren die größte Herausforderung für Deutschland und Europa werden. China hat die Größe und unter der aktuellen Führung das politische Selbstvertrauen, ein unabhängiges, eigenständiges Wirtschaftssystem aufzubauen – ein System mit chinesischen Vorzeichen.

    Dieser Beitrag entsteht im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag (30.01.2025, 14.00 Uhr, MESZ) diskutieren Jörg Wuttke, Partner bei der DGA Group/Albright Stonebridge Group in Washington D.C. und Adam S. Posen, Präsident des Peterson Institute for International Economics, ebenfalls in Washington D.C., zum Thema “Wie wird Trump 2.0 die europäisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen umgestalten?” Das Webinar findet auf Englisch statt. China.Table ist Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.

    Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.

    • China
    • Handel
    • Industriepolitik
    • WTO

    Personalien

    Theresa Terzer ist seit Januar Head of Marketing bei Sinolytics, einer forschungsbasierten Unternehmensberatung, die sich vollständig auf China konzentriert. Die Sinologin und Marketing-Spezialistin war zuvor bei der IT-Beratungsfirma Inno-Focus Digital tätig. Ihr Einsatzort ist Berlin.

    Lukas Schoske ist seit Dezember Manager of Car Electronics bei Volkswagen China. Schoske ist seit 2021 für VW in der Volksrepublik im Einsatz. Zuletzt arbeitete er in Hefei im Bereich Expert Planning Battery Housing of EV. Für seinen neuen Posten wechselte er nach Shanghai.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Die bisweilen etwas forciert wirkende Tragweite der russisch-chinesischen Beziehungen lässt sich nun auch in der Moskauer Metro begutachten. Dort schlängelte sich zu chinesisch Neujahr ein Zug mit Lampions und Fahnen-Front durch die Tunnel der Linie 3. Eine Freundschaft, die sprichwörtlich tief geht.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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