Saudi-Arabien hatte am Wochenende zu Gesprächen über den Ukraine-Krieg nach Dschidda geladen. Vertreter aus mehr als 40 Staaten folgten dem Aufruf. Und im Gegensatz zur vorherigen Runde in Kopenhagen folgte auch China dieses Mal der Einladung.
Was manchen bereits wie eine Abkehr von Russland erscheinen mag, sieht Michael Radunski sehr viel nüchterner. Peking handelt auch im saudischen Dschidda nur aus Eigennutz. China wird seinen Partner nicht so schnell aufgeben. Und ein Frieden in der Ukraine bleibt in weiter Ferne.
Sie fühlten sich verloren in der ungewohnten Umgebung, kannten sich kaum mit Deutschland aus, geschweige denn mit der westlichen Mentalität: chinesische Seemänner in Hamburg. Dort steht bis heute das einzige chinesische Seemannsheim der Welt. Seine Ursprünge reichen hundert Jahre zurück. Christian Domke Seidel erzählt die beeindruckende Geschichte der Familie Chen, die in vierter Generation dieses besondere Seemannsheim betreibt.
Gestatten Sie mir bitte noch einen Glückwunsch in eigener Sache: Heute wird bei Table.Media die 500. Ausgabe des Europe.Table erscheinen. Fünfhundert Briefings, vollgepackt mit News zur europäischen Politik in Brüssel und tiefgründigen Analysen der EU-Gesetze und -Verordnungen. An (fast) jedem Werktag seit dem 3. August 2021 liefert das Team um Till Hoppe Aktualität, Relevanz und journalistische Qualität. Hier geht es zum kostenfreien Test.
Viel Vergnügen beim Lesen!
Die Bewertung der Gespräche in Saudi-Arabien über ein Ende des russischen Angriffskriegs in der Ukraine fallen zu Wochenbeginn überraschend positiv aus. Zwar gaben die 40 Staaten keine gemeinsame Abschlusserklärung ab, aber vor allem die Teilnahme Chinas an den Verhandlungen wird vielerorts als Erfolg verbucht.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnet das Erscheinen von Chinas Sondergesandten für eurasische Angelegenheiten Li Hui als “erheblichen Durchbruch“. Ein europäischer Diplomat lobt in der Zeitung “Financial Times”, China sei “konstruktiv aufgetreten” und “darauf bedacht zu zeigen, dass [es] nicht Russland ist”. Seine Schlussfolgerung daraus: “Die bloße Präsenz Chinas zeigt, dass Russland immer isolierter wird.“
In der Tat hat sich China in dieser Hinsicht bewegt. Als im Sommer in Kopenhagen ähnliche Gespräche stattfanden, wollte Peking damals nicht teilnehmen. Seither hat Pekings Unzufriedenheit mit Moskau zugenommen: Die Geschehnisse auf den Schlachtfeldern entwickeln sich immer mehr zuungunsten Russlands und das nicht verlängerte Getreideabkommen trifft vor allem China als größtem Abnehmer von ukrainischem Weizen.
Aber außer seiner Teilnahme hat China in Dschidda nichts Neues auf den Tisch gelegt. Li Hui hat nochmals Chinas Friedensplan referiert und seinen Respekt für die Prinzipien der UN-Charta ausgedrückt. “Das ist alles bekannt, bringt allerdings keinerlei greifbare Veränderungen”, sagt Alexander Gabuev zu Table.Media. Der Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center weist darauf hin, dass die Gesprächsteilnehmer in Dschidda kritische Themen schlicht gemieden hätten, wie beispielsweise russische Truppen auf ukrainischem Gebiet. So findet man Konsens ohne Substanz.
Und so ist denn auch die Hoffnung auf eine Abkehr Chinas von seinem Partner Russland mehr Wunschdenken als Realität. Der bilaterale Handel wächst in immer neue Höhen, zudem verstärken China und Russland ihre militärische Zusammenarbeit, zuletzt durch große gemeinsame Übungen der See- und Luftstreitkräfte vor Alaska.
Li Huis Reise nach Dschidda ist vielmehr ein chinesisches Manöver. Denn China hat am Wochenende in Saudi-Arabien vor allem seine eigenen Interessen verfolgt.
Peking will:
Was China vor allem will, lässt sich in der Erklärung des chinesischen Außenministeriums in Peking gut erkennen. Dort hieß es am Montag: “Alle Parteien äußerten sich positiv zu Li Huis Anwesenheit und unterstützten voll und ganz Chinas positive Rolle bei der Erleichterung von Friedensgesprächen.” Li habe umfangreiche Gespräche geführt und “den internationalen Konsens gefestigt”. China werde den Dialog auf der Grundlage seines 12-Punkte-Friedensvorschlags weiter stärken und “gegenseitiges Vertrauen aufbauen”.
Zuletzt hatten die USA und Europa diplomatisch ihren Druck auf China erhöht. China solle seiner Verantwortung als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat und selbsternannter globaler Sicherheitsakteur gerecht werden. Vor allem die Kritik aus Europa ist dabei für China von Bedeutung: Peking will diesen wichtigen Partner im Ringen mit den USA nicht verlieren.
Ein weiteres Ziel hinter Chinas Teilnahme in Dschidda ist: Peking will seinen Einfluss im Nahen Osten weiter ausbauen. So hat China vor einigen Monaten ein Abkommen zwischen Iran und Saudi-Arabien vermittelt. Beide Länder liefern große Mengen Öl, was Peking hilft, seinen Energiebedarf zu diversifizieren – zu den ohnehin sehr günstigen Gaslieferungen aus Russland. Die Golf-Staaten gelten als wichtige Partner der chinesischen “Belt-and-Road”-Initiative (BRI).
Der iranische Militärberater Generalmajor Yahya Rahim Safavi hofft gar, die “post-amerikanische Ära am Persischen Golf hat begonnen.” Ganz so weit ist es noch nicht. Der US-Fernsehsender CNN stellte jedoch unlängst fest: “China hat die Prämisse der amerikanischen Dominanz im Mittleren Osten zerschlagen.”
Einer der wichtigsten Partner für China hierbei ist Saudi-Arabien. Der einst so enge Partner der USA hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr von Washington entfernt. Diese Entfremdung will China zu seinen Gunsten nutzen. Wohl auch deshalb hat Saudi-Arabien inzwischen den Status eines Dialogpartners in der Shanghai Cooperation Organization (SCO) erhalten – einem Paradebeispiel dafür, wie China alternative Strukturen zu westlich dominierten Institutionen errichtet.
Ähnlich sieht es Gabuev: “Es wäre diplomatisch ein großer Fehler von China gewesen, nicht an den Gesprächen mit vierzig anderen Staaten teilzunehmen”, sagt der China-Russland-Experte zu Table.Media. “Ich sehe allerdings keine Anzeichen dafür, dass sich Pekings unverbindliche Teilnahme in Dschidda in konkreten Maßnahmen niederschlagen wird, zum Beispiel Druck auf Russland ausüben, um den Krieg so zu beenden, wie es der Westen und Kiew erhoffen.”
Und so feiern sich Saudi-Arabien als neuer Vermittler und China als verantwortungsvoller Akteur, während die westlichen Staaten sich an ihre Hoffnung klammern. Doch: China wird nur etwas Substanzielles unternehmen, wenn es dafür auch etwas angeboten bekommt.
Sollen doch die anderen Seeleute ihr Geld im Puff verjubeln. Für Bier und Korn und was sonst noch Ablenkung verspricht auf der Reeperbahn. Aber nicht die Chinesen. Denn die Chinesen, das sagt zumindest Martin Chen, Leiter des chinesischen Seemannsheims in Hamburg, sind Familienmenschen. Fleißig und pragmatisch obendrein. Deswegen gründete sein Vater die erste Niederlassung in Eppendorf. Ausgerechnet im Villenviertel zwischen Pfeffersäcken und Herrenclubs sollten ab 1962 chinesische Seeleute gastieren.
China hatte einen Bürgerkrieg und eine tragische Hungersnot hinter sich. Die Seeleute ließen ihre Familien teilweise für Jahre in bitterer Armut zurück. Chen Chung Chin, Martins Vater, lockte seine Landsleute deswegen weg vom Hafen, damit sie ihre Heuer nach Hause schicken konnten, statt sie in Deutschland zu verprassen. Das ist mittlerweile 60 Jahre her. Viel hat sich seitdem getan. In China genauso wie in Hamburg. Die Villa in Eppendorf haben die Chens vor kurzem verkauft. Das Seemannsheim liegt jetzt in Niendorf – ein Stadtteil mit vielen Einfamilienhäusern mit Gärten, einem Autobahnzubringer und noch mehr Distanz zum Hafen.
Die Familiengeschichte der Chens begann sich im Ersten Weltkrieg mit Hamburg zu verweben. Im Jahr 1915 kam Chen Chi Ling, Martins Großvater, in die Hansestadt und gründete fünf Jahre später einen Seemannsclub. Angetrieben von der Seeschifffahrt wuchs die chinesische Community in Hamburg stetig. In der Schmuckstraße – eine Gasse, die parallel zur Reeperbahn verläuft und in der Großen Freiheit endet – entstand ein eigenes Chinesenviertel.
Eines, vor dem die Nazis nicht Halt machten. Chen verhalf vielen Landsleuten zur Flucht, indem er sie auf Schiffe vermittelte. Er selbst entkam mit der Transsibirischen Eisenbahn. Während der dreimonatigen Heimreise glaubte seine Familie bereits, er hätte es nicht geschafft. Denn am 13. Mai 1944 führt die Gestapo die sogenannte Chinesenaktion durch: Wer noch in Hamburg war, wurde inhaftiert, misshandelt oder ins KZ gebracht. Chen verlor alles.
Zurück in China eröffnete er eine Süßigkeiten-Fabrik. Viele seiner Landsleute, die er einst gerettet hatte, hatten sich in seiner Heimatstadt Ningbo angesiedelt. Ein Ort, der damals nichts mit der 10-Millionen-Metropole von heute gemein hat. Seine vielen Freundschaften retteten ihm auch das Leben. Denn wegen seiner vielen Fürsprecher beließen es die Kommunisten 1949 bei einer Enteignung des Kapitalisten aus Deutschland.
Über Hongkong floh er zurück nach Hamburg. Gemeinsam mit seinem Sohn Chen Chung Chin gründete er mehrere Wäschereien und begann – wie schon zehn Jahre zuvor – chinesische Seeleute auf Schiffe zu vermitteln. Brauchten sie einen Schlafplatz, konnten sie einfach in den Wäschereien übernachten. Erst im Jahr 1962 – als auch Martin nach Hamburg nachgekommen war – gründete die Familie das Seemannsheim in Eppendorf.
Es war die Hochphase von dem, was heute nur noch Seefahrerromantik ist. Im Vergleich mit den Jahrzehnten zuvor lebte die Welt in Frieden und wurde immer kleiner. Gleichzeitig hatte der Frachtcontainer die Branche noch nicht sterilisiert. Die Seefahrt war harte Arbeit und Abenteuer. Weit über 30 Mann schufteten monatelang auf See, um Teppiche, Gewürze und Früchte aus exotischen Ländern zu holen.
Zurück in Hamburg blieben die Schiffe tagelang liegen, bis die Hafenarbeiter das Stückgut endlich ausgeladen hatten. In dieser Zeit hatten die Chinesen im chinesischen Seemannsheim eine zweite Heimat. Mit Rezepten aus der Volksrepublik, Büchern auf Chinesisch und später sogar Video- und Musikkassetten aus der Heimat und Satellitenfernsehen. Dazu kam (und kommt bis heute) ein einmaliger Service. Die Familie Chen kümmert sich um die bürokratischen Hürden: Ein- und Ausreisepapiere, Versicherungen, Stellensuche und sogar Rentenansprüche. Selbst Beerdigungen auf den zwei chinesischen Friedhöfen in Hamburg planen sie.
Das alles hat sich bis heute nicht geändert. Der Rest schon. Zum einen die Seefahrt. Große Containerschiffe kommen heute mit 18 Mann Besatzung aus. Es gibt keine Küchenhelfer und Wäscher mehr – diese Aufgaben müssen die Seeleute selbst übernehmen. Die Liegezeit beträgt nur ein paar Stunden. In die Seemannsmissionen am Hafen gehen Matrosen nur, um Billard zu spielen (weil der Boden nicht schwankt), ein wenig Ruhe zu genießen (weil kein Motor wummert), eine Kleinigkeit zu essen und billig Schokolade zu kaufen. Steht tatsächlich Landurlaub an, haben sie vorab online Flugtickets nach Hause gebucht. In einem Seemannsheim übernachten muss oder kann heute kaum einer.
Zum anderen hat sich China entwickelt. Das Land ist heute eine Wirtschaftsmacht und bietet qualifizierten Landsleuten entsprechende Verdienstmöglichkeiten. Sechs Monate auf einem Schiff unterwegs zu sein, lohnt sich für chinesische Seeleute nur, wenn das Schiff unter deutscher Flagge fährt. Dann ist das Einkommen so hoch, dass sich ein Chinese überzeugen lässt, längere Zeit von seiner Familie getrennt zu sein, erklärt Chen.
Und auch das nur, wenn der chinesische Seemann kein Englisch spricht. Auf See ist das die universelle Sprache, in China ist sie aber nicht weit verbreitet. Spricht dort ein Seemann Englisch, kann er in China oft mehr Geld verdienen als auf einem deutschen Schiff. Weil es kaum Frachtschiffe unter deutscher Flagge gibt, vermittelt das chinesische Seemannsheim seine Gäste vor allem an Forschungsschiffe, Fährlinien und Yachten. Im Flur hängt das Gruppenfoto einer 60-köpfigen Besatzung, die auf einer 142-Meter-Luxusacht unter saudischer Flagge unterwegs ist. Mittendrin: Die chinesischen Wäscher.
Das chinesische Seemannsheim selbst ist ein Verein. Wer den Service nutzen möchte, muss Mitglied sein. Die findet der Verein vor allem in ländlichen Regionen der Volksrepublik, wo Freunde und Bekannte Seeleute anwerben. In Hamburg hat Martin Hilfe von seinem großen Bruder Michael und dessen Sohn Markus. Der Verein geht also langsam in die Hände der vierten Generation über. Die Coronakrise war zuletzt eine hektische Phase, weil die Regelung der Tests, die Hygienebestimmung, die Reiseplanungen ein Bürokratiemonster waren, das es zu zähmen galt. Jetzt ist es merklich ruhiger geworden. Niendorf eben.
Die Entscheidung zeichnete sich bereits im Mai ab, am Dienstag soll sie offiziell verkündet werden: Der taiwanische Halbleiter-Hersteller TSMC wird eine Fabrik in Dresden errichten. Die milliardenschwere Ansiedlung sei weitgehend beschlossene Sache, heißt es aus Insiderkreisen.
Am Dienstag werde der Vorstand des Unternehmens in Taiwan zusammentreten und die Beteiligten sich für den Standort aussprechen. Zeitgleich würden TSMC-Vertreter in Dresden am Nachmittag mitteleuropäischer Zeit an die Presse treten und die Entscheidung der Öffentlichkeit mitteilen. Alle Formalitäten seien geklärt, heißt es. Das Handelsblatt hatte am Montag als Erstes darüber berichtet.
Wie das Handelsblatt unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, wird der Bund den Fabrikbau mit fünf Milliarden Euro unterstützten. TSMC werde das Werk in einem Gemeinschaftsunternehmen mit den Partnern Bosch, Infineon und NXP betreiben.
Die neue Chipfabrik in Dresden, wo sie das entsprechende Grundstück schon erworben hat, ist aus Sicht der deutschen Industrie sehr willkommen. Doch TSMC bietet hier mitnichten die aktuellste Technik, sondern baut eine Fabrik für Halbleitergenerationen, wie sie um das Jahr 2010 herum aktuell waren. Konkret handelt es sich um Chips mit Strukturbreiten um 28 Nanometer, die vor allem von der Automobilindustrie benötigt werden. flee
Die philippinische Regierung hat den chinesischen Botschafter in Manila einbestellt. Außenminister Enrique Manalo habe mündlich eine Beschwerde sowie Bilder und Videos des Wasserwerfer-Vorfalls übergeben, sagte der philippinische Präsident Ferdinand Marcos am Montag. Nun warte man auf die Antwort Pekings.
Grund für den diplomatischen Ärger ist ein Vorfall von Samstag: Demnach soll die chinesische Küstenwache im Südchinesischen Meer philippinische Schiffe blockiert und mit Wasserwerfern beschossen haben. Laut der Regierung in Manila habe die philippinische Küstenwache Schiffe eskortiert, die Lebensmittel, Wasser, Treibstoff und andere Vorräte zu einem Atoll-Stützpunkt der philippinischen Marine auf den Spratly-Inseln bringen sollten.
China hingegen behauptet, philippinische Schiffe wären “illegal” in die Gewässer um die Spratly-Inseln eingedrungen, die China als “chinesische Nansha-Inseln” bezeichnet. Darauf hätte man lediglich “regulierend” reagiert. rad
Die Ausläufer von Taifun Doksuri sorgen weiter für schwere Überschwemmungen: In der chinesischen Stadt Shulan sind am Wochenende offiziellen Angaben zufolge 14 Menschen ums Leben gekommen. Teile des Flusses Songhua und seines Nebenflusses Nenjiang wiesen nach Rekordregenfällen weiterhin gefährlich hohe Pegelstände auf, teilten die örtlichen Behörden mit. Unter den Toten seien auch drei Beamte, darunter der stellvertretende Bürgermeister der 587.000-Einwohner-Stadt Shulan, berichteten staatliche Medien.
Der Nordosten Chinas sind weiter von heftigen Regenfällen betroffen, seit der Taifun vor zwei Wochen in der südlichen Provinz Fujian auf das chinesische Festland traf. Allein in Hebei wurden über 1,2 Millionen Menschen evakuiert. Die Gesamtzahl der Todesopfer für das ganze Land gaben die Behörden noch nicht bekannt. rtr/flee
Die Schweizer Großbank UBS beginnt Insidern zufolge im Verlauf der Woche mit einem massiven Stellenabbau in Hongkong. Rund 80 Prozent der Hongkonger Investmentbanking-Mitarbeiter der im Juni übernommenen Credit Suisse dürften dabei ihre Jobs verlieren, sagten zwei mit der Sache vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters. Lediglich rund 20 Banker des 100-köpfigen Teams seien nicht von den Kürzungen betroffen.
In Hongkong sind die meisten Investmentbanker der Credit Suisse in Asien angesiedelt. Credit Suisse und UBS lehnten am Montag eine Stellungnahme ab. Seit der Ankündigung der Notübernahme im März hat die UBS wiederholt deutlich gemacht, dass das Institut die Risiken im Investmentbanking der Credit Suisse zurückfahren will. Diese Sparte sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für hohe Verluste. rtr/flee
In den Sozialmedien ist eine Debatte über eine mutmaßliche Kunst-Aktion in London entbrannt: In der bei Streetart-Künstlern bekannten Straße Brick Lane im Osten der britischen Hauptstadt hatten am Wochenende mehrere Personen eine Wand mit verschiedenen Graffiti mit einem roten Schriftzug auf weißem Grund übermalt. Der Schriftzug gibt die sozialistischen Grundwerte wieder. Medienberichten zufolge erklärte eine Gruppe chinesischer Studenten des Royal College of Art, die Wand übermalt zu haben. Am Sonntag wurde der Propaganda-Slogan von Passanten mit Kritik ergänzt, übermalt oder überklebt.
Der Vorfall löste auch in den chinesischen sozialen Medien Kontroversen aus. Einige Internetnutzer lobten die “Rückkehr nach China” und den “Kulturexport”. Viele kritisierten jedoch auch die “Verstärkung des negativen Images Chinas” und die “kulturelle Invasion”.
Der chinesische Künstler und Karikaturist Badiucao schrieb auf der Plattform X, davor bekannt als Twitter, dass die Aktion von einem nationalistischen Studenten mit dem Künstlernamen Yi Que begangen worden sei. Dieser veröffentlichte unter anderem auf Instagram Fotos und Videos der übermalten Wand. Bei der Aktion sei der bereits vorhandenen Streetart schrecklicher Schaden angetan worden, schrieb Badiucao. “Unabhängig von der Motivation. Ich denke, es ist ein großartiges Stück Aktionskunst – eine treffende Metapher, die die aggressive Dynamik zeigt, wenn Chinas Propaganda in der Street Art im Westen auf freie Meinungsäußerung trifft.”
Andere Stimmen argumentierten, dass die dazu gemalte Kritik an den Slogans die eigentliche Kunst sei. Die Stadtverwaltung ließ Medienberichten zufolge die Wand im Laufe des Montags wieder mit weißer Farbe überstreichen. ari
Ende Juli wurde Pan Gongsheng zum neuen Gouverneur der chinesischen Zentralbank (PBOC) ernannt. Der 60-Jährige tritt damit die Nachfolge von Yi Gang an, der das offizielle Pensionsalter von 65 Jahren erreicht hat. Kurz zuvor war Pan zum Sekretär der Kommunistischen Partei bei der PBOC ernannt worden und hatte damit bereits eine der beiden Spitzenpositionen der Bank inne.
In der Doppelrolle hat er nun noch mehr Macht. Ganz neu ist diese Lösung nicht: Auch der frühere Gouverneur Zhou Xiaochuan hatte beide Ämter inne, bis er 2018 zurücktrat und Yi Gang zum Gouverneur ernannt wurde. Das Amt des Parteichefs übernahm damals Guo Shuqing.
Pan ist ein erfahrener Zentralbanker. Er kam 2012 zur PBOC, nachdem er zuvor leitende Positionen bei staatlichen Banken wie der Industrial and Commercial Bank of China und der Agricultural Bank of China bekleidet hatte. Zuvor hatte Pan 1993 an der Volksuniversität Peking in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Anschließend studierte er in Cambridge und Harvard.
Seine Ernennung ist ein Zeichen dafür, dass Peking in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Erholung an Schwung verliert, auf Kontinuität in der Zentralbank setzt. Wie sein Vorgänger Yi gilt Pan als Technokrat, der Reformen in Bereichen wie dem Bankensektor und der Wechselkurspolitik vorangetrieben hat.
Offenbar legte Peking bei der Besetzung des Postens vor allem Wert auf Kompetenz. Denn Pan gilt nicht als enger Verbündeter von Staatspräsident Xi Jinping. Der hatte zuletzt zahlreiche andere wichtige Posten fast ausschließlich noch mit Vertrauten besetzt hat.
“Die Ernennung von Pan Gongsheng ist ein positives Zeichen für weitere, wenn auch schrittweise marktorientierte Reformen”, sagte Eswar Prasad, Wirtschaftsprofessor an der Cornell University, dem Finanzdienst Bloomberg.
“Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Geldpolitik in den kommenden Monaten eine bedeutende Wende vollziehen wird. Die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Stabilität ist nach wie vor entscheidend. Wir werden eine expansivere Geldpolitik sehen, aber sie wird nicht sehr aggressiv sein”, sagte Dan Wang, Chefvolkswirtin für China bei der Hang Seng Bank, gegenüber BBC.
Eine von Pans Prioritäten wird es sein, die Wirtschaft durch den aktuellen Abschwung zu steuern. Zuletzt hatte Peking angekündigt, mit einem Maßnahmenpaket den Konsum ankurbeln zu wollen. Auch für den schwer angeschlagenen Immobiliensektor wurden Lockerungen angekündigt. Vor allem mit Zinssenkungen der Zentralbank könnte Pan der Wirtschaft einen kräftigen Schub geben. Ob es dazu kommt, liegt aber letztlich nicht allein in seiner Hand.
Im Gegensatz zur US-Notenbank und den europäischen Zentralbanken ist die PBOC nicht unabhängig. Sie untersteht dem Staatsrat, dem chinesischen Kabinett unter Premierminister Li Qiang, und muss dessen Zustimmung einholen, bevor sie wichtige politische Entscheidungen wie die Festlegung der Zinssätze oder das Währungsmanagement trifft. Jörn Petring
Philipp Schweizer ist neuer CFO bei Voith Turbo China. Im China-Geschäft des Maschinenbauunternehmens aus Heidenheim an der Brenz ist Schweizer vor allem für die Bereiche Controlling, Commercial, Finance, Purchasing und HR zuständig. Sein Einsatzort ist Shanghai.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Mit der Beipanjiang-Brücke steht in China bereits die höchste Hängebrücke der Welt. Doch das reicht offenbar nicht. In der Provinz Guizhou soll eine noch höhere Hängebrücke entstehen. Bei ihrer Vollendung in zwei Jahren soll sie 625 Meter messen – 60 Meter höher als der bisherige Rekordhalter. Die neue Brücke wird über die Huajiang-Schlucht führen. Da wird einem nur vom Anblick schon ganz schwindelig.
Saudi-Arabien hatte am Wochenende zu Gesprächen über den Ukraine-Krieg nach Dschidda geladen. Vertreter aus mehr als 40 Staaten folgten dem Aufruf. Und im Gegensatz zur vorherigen Runde in Kopenhagen folgte auch China dieses Mal der Einladung.
Was manchen bereits wie eine Abkehr von Russland erscheinen mag, sieht Michael Radunski sehr viel nüchterner. Peking handelt auch im saudischen Dschidda nur aus Eigennutz. China wird seinen Partner nicht so schnell aufgeben. Und ein Frieden in der Ukraine bleibt in weiter Ferne.
Sie fühlten sich verloren in der ungewohnten Umgebung, kannten sich kaum mit Deutschland aus, geschweige denn mit der westlichen Mentalität: chinesische Seemänner in Hamburg. Dort steht bis heute das einzige chinesische Seemannsheim der Welt. Seine Ursprünge reichen hundert Jahre zurück. Christian Domke Seidel erzählt die beeindruckende Geschichte der Familie Chen, die in vierter Generation dieses besondere Seemannsheim betreibt.
Gestatten Sie mir bitte noch einen Glückwunsch in eigener Sache: Heute wird bei Table.Media die 500. Ausgabe des Europe.Table erscheinen. Fünfhundert Briefings, vollgepackt mit News zur europäischen Politik in Brüssel und tiefgründigen Analysen der EU-Gesetze und -Verordnungen. An (fast) jedem Werktag seit dem 3. August 2021 liefert das Team um Till Hoppe Aktualität, Relevanz und journalistische Qualität. Hier geht es zum kostenfreien Test.
Viel Vergnügen beim Lesen!
Die Bewertung der Gespräche in Saudi-Arabien über ein Ende des russischen Angriffskriegs in der Ukraine fallen zu Wochenbeginn überraschend positiv aus. Zwar gaben die 40 Staaten keine gemeinsame Abschlusserklärung ab, aber vor allem die Teilnahme Chinas an den Verhandlungen wird vielerorts als Erfolg verbucht.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnet das Erscheinen von Chinas Sondergesandten für eurasische Angelegenheiten Li Hui als “erheblichen Durchbruch“. Ein europäischer Diplomat lobt in der Zeitung “Financial Times”, China sei “konstruktiv aufgetreten” und “darauf bedacht zu zeigen, dass [es] nicht Russland ist”. Seine Schlussfolgerung daraus: “Die bloße Präsenz Chinas zeigt, dass Russland immer isolierter wird.“
In der Tat hat sich China in dieser Hinsicht bewegt. Als im Sommer in Kopenhagen ähnliche Gespräche stattfanden, wollte Peking damals nicht teilnehmen. Seither hat Pekings Unzufriedenheit mit Moskau zugenommen: Die Geschehnisse auf den Schlachtfeldern entwickeln sich immer mehr zuungunsten Russlands und das nicht verlängerte Getreideabkommen trifft vor allem China als größtem Abnehmer von ukrainischem Weizen.
Aber außer seiner Teilnahme hat China in Dschidda nichts Neues auf den Tisch gelegt. Li Hui hat nochmals Chinas Friedensplan referiert und seinen Respekt für die Prinzipien der UN-Charta ausgedrückt. “Das ist alles bekannt, bringt allerdings keinerlei greifbare Veränderungen”, sagt Alexander Gabuev zu Table.Media. Der Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center weist darauf hin, dass die Gesprächsteilnehmer in Dschidda kritische Themen schlicht gemieden hätten, wie beispielsweise russische Truppen auf ukrainischem Gebiet. So findet man Konsens ohne Substanz.
Und so ist denn auch die Hoffnung auf eine Abkehr Chinas von seinem Partner Russland mehr Wunschdenken als Realität. Der bilaterale Handel wächst in immer neue Höhen, zudem verstärken China und Russland ihre militärische Zusammenarbeit, zuletzt durch große gemeinsame Übungen der See- und Luftstreitkräfte vor Alaska.
Li Huis Reise nach Dschidda ist vielmehr ein chinesisches Manöver. Denn China hat am Wochenende in Saudi-Arabien vor allem seine eigenen Interessen verfolgt.
Peking will:
Was China vor allem will, lässt sich in der Erklärung des chinesischen Außenministeriums in Peking gut erkennen. Dort hieß es am Montag: “Alle Parteien äußerten sich positiv zu Li Huis Anwesenheit und unterstützten voll und ganz Chinas positive Rolle bei der Erleichterung von Friedensgesprächen.” Li habe umfangreiche Gespräche geführt und “den internationalen Konsens gefestigt”. China werde den Dialog auf der Grundlage seines 12-Punkte-Friedensvorschlags weiter stärken und “gegenseitiges Vertrauen aufbauen”.
Zuletzt hatten die USA und Europa diplomatisch ihren Druck auf China erhöht. China solle seiner Verantwortung als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat und selbsternannter globaler Sicherheitsakteur gerecht werden. Vor allem die Kritik aus Europa ist dabei für China von Bedeutung: Peking will diesen wichtigen Partner im Ringen mit den USA nicht verlieren.
Ein weiteres Ziel hinter Chinas Teilnahme in Dschidda ist: Peking will seinen Einfluss im Nahen Osten weiter ausbauen. So hat China vor einigen Monaten ein Abkommen zwischen Iran und Saudi-Arabien vermittelt. Beide Länder liefern große Mengen Öl, was Peking hilft, seinen Energiebedarf zu diversifizieren – zu den ohnehin sehr günstigen Gaslieferungen aus Russland. Die Golf-Staaten gelten als wichtige Partner der chinesischen “Belt-and-Road”-Initiative (BRI).
Der iranische Militärberater Generalmajor Yahya Rahim Safavi hofft gar, die “post-amerikanische Ära am Persischen Golf hat begonnen.” Ganz so weit ist es noch nicht. Der US-Fernsehsender CNN stellte jedoch unlängst fest: “China hat die Prämisse der amerikanischen Dominanz im Mittleren Osten zerschlagen.”
Einer der wichtigsten Partner für China hierbei ist Saudi-Arabien. Der einst so enge Partner der USA hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr von Washington entfernt. Diese Entfremdung will China zu seinen Gunsten nutzen. Wohl auch deshalb hat Saudi-Arabien inzwischen den Status eines Dialogpartners in der Shanghai Cooperation Organization (SCO) erhalten – einem Paradebeispiel dafür, wie China alternative Strukturen zu westlich dominierten Institutionen errichtet.
Ähnlich sieht es Gabuev: “Es wäre diplomatisch ein großer Fehler von China gewesen, nicht an den Gesprächen mit vierzig anderen Staaten teilzunehmen”, sagt der China-Russland-Experte zu Table.Media. “Ich sehe allerdings keine Anzeichen dafür, dass sich Pekings unverbindliche Teilnahme in Dschidda in konkreten Maßnahmen niederschlagen wird, zum Beispiel Druck auf Russland ausüben, um den Krieg so zu beenden, wie es der Westen und Kiew erhoffen.”
Und so feiern sich Saudi-Arabien als neuer Vermittler und China als verantwortungsvoller Akteur, während die westlichen Staaten sich an ihre Hoffnung klammern. Doch: China wird nur etwas Substanzielles unternehmen, wenn es dafür auch etwas angeboten bekommt.
Sollen doch die anderen Seeleute ihr Geld im Puff verjubeln. Für Bier und Korn und was sonst noch Ablenkung verspricht auf der Reeperbahn. Aber nicht die Chinesen. Denn die Chinesen, das sagt zumindest Martin Chen, Leiter des chinesischen Seemannsheims in Hamburg, sind Familienmenschen. Fleißig und pragmatisch obendrein. Deswegen gründete sein Vater die erste Niederlassung in Eppendorf. Ausgerechnet im Villenviertel zwischen Pfeffersäcken und Herrenclubs sollten ab 1962 chinesische Seeleute gastieren.
China hatte einen Bürgerkrieg und eine tragische Hungersnot hinter sich. Die Seeleute ließen ihre Familien teilweise für Jahre in bitterer Armut zurück. Chen Chung Chin, Martins Vater, lockte seine Landsleute deswegen weg vom Hafen, damit sie ihre Heuer nach Hause schicken konnten, statt sie in Deutschland zu verprassen. Das ist mittlerweile 60 Jahre her. Viel hat sich seitdem getan. In China genauso wie in Hamburg. Die Villa in Eppendorf haben die Chens vor kurzem verkauft. Das Seemannsheim liegt jetzt in Niendorf – ein Stadtteil mit vielen Einfamilienhäusern mit Gärten, einem Autobahnzubringer und noch mehr Distanz zum Hafen.
Die Familiengeschichte der Chens begann sich im Ersten Weltkrieg mit Hamburg zu verweben. Im Jahr 1915 kam Chen Chi Ling, Martins Großvater, in die Hansestadt und gründete fünf Jahre später einen Seemannsclub. Angetrieben von der Seeschifffahrt wuchs die chinesische Community in Hamburg stetig. In der Schmuckstraße – eine Gasse, die parallel zur Reeperbahn verläuft und in der Großen Freiheit endet – entstand ein eigenes Chinesenviertel.
Eines, vor dem die Nazis nicht Halt machten. Chen verhalf vielen Landsleuten zur Flucht, indem er sie auf Schiffe vermittelte. Er selbst entkam mit der Transsibirischen Eisenbahn. Während der dreimonatigen Heimreise glaubte seine Familie bereits, er hätte es nicht geschafft. Denn am 13. Mai 1944 führt die Gestapo die sogenannte Chinesenaktion durch: Wer noch in Hamburg war, wurde inhaftiert, misshandelt oder ins KZ gebracht. Chen verlor alles.
Zurück in China eröffnete er eine Süßigkeiten-Fabrik. Viele seiner Landsleute, die er einst gerettet hatte, hatten sich in seiner Heimatstadt Ningbo angesiedelt. Ein Ort, der damals nichts mit der 10-Millionen-Metropole von heute gemein hat. Seine vielen Freundschaften retteten ihm auch das Leben. Denn wegen seiner vielen Fürsprecher beließen es die Kommunisten 1949 bei einer Enteignung des Kapitalisten aus Deutschland.
Über Hongkong floh er zurück nach Hamburg. Gemeinsam mit seinem Sohn Chen Chung Chin gründete er mehrere Wäschereien und begann – wie schon zehn Jahre zuvor – chinesische Seeleute auf Schiffe zu vermitteln. Brauchten sie einen Schlafplatz, konnten sie einfach in den Wäschereien übernachten. Erst im Jahr 1962 – als auch Martin nach Hamburg nachgekommen war – gründete die Familie das Seemannsheim in Eppendorf.
Es war die Hochphase von dem, was heute nur noch Seefahrerromantik ist. Im Vergleich mit den Jahrzehnten zuvor lebte die Welt in Frieden und wurde immer kleiner. Gleichzeitig hatte der Frachtcontainer die Branche noch nicht sterilisiert. Die Seefahrt war harte Arbeit und Abenteuer. Weit über 30 Mann schufteten monatelang auf See, um Teppiche, Gewürze und Früchte aus exotischen Ländern zu holen.
Zurück in Hamburg blieben die Schiffe tagelang liegen, bis die Hafenarbeiter das Stückgut endlich ausgeladen hatten. In dieser Zeit hatten die Chinesen im chinesischen Seemannsheim eine zweite Heimat. Mit Rezepten aus der Volksrepublik, Büchern auf Chinesisch und später sogar Video- und Musikkassetten aus der Heimat und Satellitenfernsehen. Dazu kam (und kommt bis heute) ein einmaliger Service. Die Familie Chen kümmert sich um die bürokratischen Hürden: Ein- und Ausreisepapiere, Versicherungen, Stellensuche und sogar Rentenansprüche. Selbst Beerdigungen auf den zwei chinesischen Friedhöfen in Hamburg planen sie.
Das alles hat sich bis heute nicht geändert. Der Rest schon. Zum einen die Seefahrt. Große Containerschiffe kommen heute mit 18 Mann Besatzung aus. Es gibt keine Küchenhelfer und Wäscher mehr – diese Aufgaben müssen die Seeleute selbst übernehmen. Die Liegezeit beträgt nur ein paar Stunden. In die Seemannsmissionen am Hafen gehen Matrosen nur, um Billard zu spielen (weil der Boden nicht schwankt), ein wenig Ruhe zu genießen (weil kein Motor wummert), eine Kleinigkeit zu essen und billig Schokolade zu kaufen. Steht tatsächlich Landurlaub an, haben sie vorab online Flugtickets nach Hause gebucht. In einem Seemannsheim übernachten muss oder kann heute kaum einer.
Zum anderen hat sich China entwickelt. Das Land ist heute eine Wirtschaftsmacht und bietet qualifizierten Landsleuten entsprechende Verdienstmöglichkeiten. Sechs Monate auf einem Schiff unterwegs zu sein, lohnt sich für chinesische Seeleute nur, wenn das Schiff unter deutscher Flagge fährt. Dann ist das Einkommen so hoch, dass sich ein Chinese überzeugen lässt, längere Zeit von seiner Familie getrennt zu sein, erklärt Chen.
Und auch das nur, wenn der chinesische Seemann kein Englisch spricht. Auf See ist das die universelle Sprache, in China ist sie aber nicht weit verbreitet. Spricht dort ein Seemann Englisch, kann er in China oft mehr Geld verdienen als auf einem deutschen Schiff. Weil es kaum Frachtschiffe unter deutscher Flagge gibt, vermittelt das chinesische Seemannsheim seine Gäste vor allem an Forschungsschiffe, Fährlinien und Yachten. Im Flur hängt das Gruppenfoto einer 60-köpfigen Besatzung, die auf einer 142-Meter-Luxusacht unter saudischer Flagge unterwegs ist. Mittendrin: Die chinesischen Wäscher.
Das chinesische Seemannsheim selbst ist ein Verein. Wer den Service nutzen möchte, muss Mitglied sein. Die findet der Verein vor allem in ländlichen Regionen der Volksrepublik, wo Freunde und Bekannte Seeleute anwerben. In Hamburg hat Martin Hilfe von seinem großen Bruder Michael und dessen Sohn Markus. Der Verein geht also langsam in die Hände der vierten Generation über. Die Coronakrise war zuletzt eine hektische Phase, weil die Regelung der Tests, die Hygienebestimmung, die Reiseplanungen ein Bürokratiemonster waren, das es zu zähmen galt. Jetzt ist es merklich ruhiger geworden. Niendorf eben.
Die Entscheidung zeichnete sich bereits im Mai ab, am Dienstag soll sie offiziell verkündet werden: Der taiwanische Halbleiter-Hersteller TSMC wird eine Fabrik in Dresden errichten. Die milliardenschwere Ansiedlung sei weitgehend beschlossene Sache, heißt es aus Insiderkreisen.
Am Dienstag werde der Vorstand des Unternehmens in Taiwan zusammentreten und die Beteiligten sich für den Standort aussprechen. Zeitgleich würden TSMC-Vertreter in Dresden am Nachmittag mitteleuropäischer Zeit an die Presse treten und die Entscheidung der Öffentlichkeit mitteilen. Alle Formalitäten seien geklärt, heißt es. Das Handelsblatt hatte am Montag als Erstes darüber berichtet.
Wie das Handelsblatt unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, wird der Bund den Fabrikbau mit fünf Milliarden Euro unterstützten. TSMC werde das Werk in einem Gemeinschaftsunternehmen mit den Partnern Bosch, Infineon und NXP betreiben.
Die neue Chipfabrik in Dresden, wo sie das entsprechende Grundstück schon erworben hat, ist aus Sicht der deutschen Industrie sehr willkommen. Doch TSMC bietet hier mitnichten die aktuellste Technik, sondern baut eine Fabrik für Halbleitergenerationen, wie sie um das Jahr 2010 herum aktuell waren. Konkret handelt es sich um Chips mit Strukturbreiten um 28 Nanometer, die vor allem von der Automobilindustrie benötigt werden. flee
Die philippinische Regierung hat den chinesischen Botschafter in Manila einbestellt. Außenminister Enrique Manalo habe mündlich eine Beschwerde sowie Bilder und Videos des Wasserwerfer-Vorfalls übergeben, sagte der philippinische Präsident Ferdinand Marcos am Montag. Nun warte man auf die Antwort Pekings.
Grund für den diplomatischen Ärger ist ein Vorfall von Samstag: Demnach soll die chinesische Küstenwache im Südchinesischen Meer philippinische Schiffe blockiert und mit Wasserwerfern beschossen haben. Laut der Regierung in Manila habe die philippinische Küstenwache Schiffe eskortiert, die Lebensmittel, Wasser, Treibstoff und andere Vorräte zu einem Atoll-Stützpunkt der philippinischen Marine auf den Spratly-Inseln bringen sollten.
China hingegen behauptet, philippinische Schiffe wären “illegal” in die Gewässer um die Spratly-Inseln eingedrungen, die China als “chinesische Nansha-Inseln” bezeichnet. Darauf hätte man lediglich “regulierend” reagiert. rad
Die Ausläufer von Taifun Doksuri sorgen weiter für schwere Überschwemmungen: In der chinesischen Stadt Shulan sind am Wochenende offiziellen Angaben zufolge 14 Menschen ums Leben gekommen. Teile des Flusses Songhua und seines Nebenflusses Nenjiang wiesen nach Rekordregenfällen weiterhin gefährlich hohe Pegelstände auf, teilten die örtlichen Behörden mit. Unter den Toten seien auch drei Beamte, darunter der stellvertretende Bürgermeister der 587.000-Einwohner-Stadt Shulan, berichteten staatliche Medien.
Der Nordosten Chinas sind weiter von heftigen Regenfällen betroffen, seit der Taifun vor zwei Wochen in der südlichen Provinz Fujian auf das chinesische Festland traf. Allein in Hebei wurden über 1,2 Millionen Menschen evakuiert. Die Gesamtzahl der Todesopfer für das ganze Land gaben die Behörden noch nicht bekannt. rtr/flee
Die Schweizer Großbank UBS beginnt Insidern zufolge im Verlauf der Woche mit einem massiven Stellenabbau in Hongkong. Rund 80 Prozent der Hongkonger Investmentbanking-Mitarbeiter der im Juni übernommenen Credit Suisse dürften dabei ihre Jobs verlieren, sagten zwei mit der Sache vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters. Lediglich rund 20 Banker des 100-köpfigen Teams seien nicht von den Kürzungen betroffen.
In Hongkong sind die meisten Investmentbanker der Credit Suisse in Asien angesiedelt. Credit Suisse und UBS lehnten am Montag eine Stellungnahme ab. Seit der Ankündigung der Notübernahme im März hat die UBS wiederholt deutlich gemacht, dass das Institut die Risiken im Investmentbanking der Credit Suisse zurückfahren will. Diese Sparte sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für hohe Verluste. rtr/flee
In den Sozialmedien ist eine Debatte über eine mutmaßliche Kunst-Aktion in London entbrannt: In der bei Streetart-Künstlern bekannten Straße Brick Lane im Osten der britischen Hauptstadt hatten am Wochenende mehrere Personen eine Wand mit verschiedenen Graffiti mit einem roten Schriftzug auf weißem Grund übermalt. Der Schriftzug gibt die sozialistischen Grundwerte wieder. Medienberichten zufolge erklärte eine Gruppe chinesischer Studenten des Royal College of Art, die Wand übermalt zu haben. Am Sonntag wurde der Propaganda-Slogan von Passanten mit Kritik ergänzt, übermalt oder überklebt.
Der Vorfall löste auch in den chinesischen sozialen Medien Kontroversen aus. Einige Internetnutzer lobten die “Rückkehr nach China” und den “Kulturexport”. Viele kritisierten jedoch auch die “Verstärkung des negativen Images Chinas” und die “kulturelle Invasion”.
Der chinesische Künstler und Karikaturist Badiucao schrieb auf der Plattform X, davor bekannt als Twitter, dass die Aktion von einem nationalistischen Studenten mit dem Künstlernamen Yi Que begangen worden sei. Dieser veröffentlichte unter anderem auf Instagram Fotos und Videos der übermalten Wand. Bei der Aktion sei der bereits vorhandenen Streetart schrecklicher Schaden angetan worden, schrieb Badiucao. “Unabhängig von der Motivation. Ich denke, es ist ein großartiges Stück Aktionskunst – eine treffende Metapher, die die aggressive Dynamik zeigt, wenn Chinas Propaganda in der Street Art im Westen auf freie Meinungsäußerung trifft.”
Andere Stimmen argumentierten, dass die dazu gemalte Kritik an den Slogans die eigentliche Kunst sei. Die Stadtverwaltung ließ Medienberichten zufolge die Wand im Laufe des Montags wieder mit weißer Farbe überstreichen. ari
Ende Juli wurde Pan Gongsheng zum neuen Gouverneur der chinesischen Zentralbank (PBOC) ernannt. Der 60-Jährige tritt damit die Nachfolge von Yi Gang an, der das offizielle Pensionsalter von 65 Jahren erreicht hat. Kurz zuvor war Pan zum Sekretär der Kommunistischen Partei bei der PBOC ernannt worden und hatte damit bereits eine der beiden Spitzenpositionen der Bank inne.
In der Doppelrolle hat er nun noch mehr Macht. Ganz neu ist diese Lösung nicht: Auch der frühere Gouverneur Zhou Xiaochuan hatte beide Ämter inne, bis er 2018 zurücktrat und Yi Gang zum Gouverneur ernannt wurde. Das Amt des Parteichefs übernahm damals Guo Shuqing.
Pan ist ein erfahrener Zentralbanker. Er kam 2012 zur PBOC, nachdem er zuvor leitende Positionen bei staatlichen Banken wie der Industrial and Commercial Bank of China und der Agricultural Bank of China bekleidet hatte. Zuvor hatte Pan 1993 an der Volksuniversität Peking in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Anschließend studierte er in Cambridge und Harvard.
Seine Ernennung ist ein Zeichen dafür, dass Peking in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Erholung an Schwung verliert, auf Kontinuität in der Zentralbank setzt. Wie sein Vorgänger Yi gilt Pan als Technokrat, der Reformen in Bereichen wie dem Bankensektor und der Wechselkurspolitik vorangetrieben hat.
Offenbar legte Peking bei der Besetzung des Postens vor allem Wert auf Kompetenz. Denn Pan gilt nicht als enger Verbündeter von Staatspräsident Xi Jinping. Der hatte zuletzt zahlreiche andere wichtige Posten fast ausschließlich noch mit Vertrauten besetzt hat.
“Die Ernennung von Pan Gongsheng ist ein positives Zeichen für weitere, wenn auch schrittweise marktorientierte Reformen”, sagte Eswar Prasad, Wirtschaftsprofessor an der Cornell University, dem Finanzdienst Bloomberg.
“Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Geldpolitik in den kommenden Monaten eine bedeutende Wende vollziehen wird. Die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Stabilität ist nach wie vor entscheidend. Wir werden eine expansivere Geldpolitik sehen, aber sie wird nicht sehr aggressiv sein”, sagte Dan Wang, Chefvolkswirtin für China bei der Hang Seng Bank, gegenüber BBC.
Eine von Pans Prioritäten wird es sein, die Wirtschaft durch den aktuellen Abschwung zu steuern. Zuletzt hatte Peking angekündigt, mit einem Maßnahmenpaket den Konsum ankurbeln zu wollen. Auch für den schwer angeschlagenen Immobiliensektor wurden Lockerungen angekündigt. Vor allem mit Zinssenkungen der Zentralbank könnte Pan der Wirtschaft einen kräftigen Schub geben. Ob es dazu kommt, liegt aber letztlich nicht allein in seiner Hand.
Im Gegensatz zur US-Notenbank und den europäischen Zentralbanken ist die PBOC nicht unabhängig. Sie untersteht dem Staatsrat, dem chinesischen Kabinett unter Premierminister Li Qiang, und muss dessen Zustimmung einholen, bevor sie wichtige politische Entscheidungen wie die Festlegung der Zinssätze oder das Währungsmanagement trifft. Jörn Petring
Philipp Schweizer ist neuer CFO bei Voith Turbo China. Im China-Geschäft des Maschinenbauunternehmens aus Heidenheim an der Brenz ist Schweizer vor allem für die Bereiche Controlling, Commercial, Finance, Purchasing und HR zuständig. Sein Einsatzort ist Shanghai.
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Mit der Beipanjiang-Brücke steht in China bereits die höchste Hängebrücke der Welt. Doch das reicht offenbar nicht. In der Provinz Guizhou soll eine noch höhere Hängebrücke entstehen. Bei ihrer Vollendung in zwei Jahren soll sie 625 Meter messen – 60 Meter höher als der bisherige Rekordhalter. Die neue Brücke wird über die Huajiang-Schlucht führen. Da wird einem nur vom Anblick schon ganz schwindelig.