Table.Briefing: China

Tesla + deutsch-chinesische Klimagespräche + Chloé Zhao

  • Tesla in China: Das Ende der Flitterwochen
  • EU-Indien-Gipfel: Weiter Weg bis Delhi
  • Deutsch-chinesische Klimagespräche
  • EU arbeitet an härterer Position gegenüber Peking
  • Staatlich organisierte Konsum-Messen
  • Im Portrait: Chloé Zhao 
Liebe Leserin, lieber Leser,

lange Zeit schien es so, als habe sich zwischen Tesla und den chinesischen Behörden eine positive Beziehung aufgebaut. Es schien einfach zu passen: hier der amerikanische E-Autopionier mit seinem Renommee, dort der weltgrößte Absatzmarkt, der voll auf Elektroantrieb setzt. Tesla war gar der erste ausländische Autobauer, dem Chinas Behörden keinen Joint-Venture-Zwang auferlegten. Doch das ist nun offenbar zu Ende. Wie es so weit kommen konnte, was hinter der harten Linie Pekings steckt – und was auch deutsche Autohersteller aus dem Vorgang mitnehmen sollten, erklärt Marcel Grzanna.

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China werden frostiger. Die EU arbeitet intern an einer schärferen Positionierung gegenüber der Volksrepublik. Ein entsprechender Fortschrittsbericht ist bereits an den Europäischen Rat weitergeleitet worden, berichtet Amelie Richter. Die nahe Vergangenheit hat gezeigt: Wenn Brüssel einen noch härteten Ton gegenüber Peking anschlägt, dürfte das Konsequenzen für alle Bereiche haben – von Politik über Wirtschaft bis hin zu Wissenschaft und Forschung.

Das es auch anders geht zeigen die Europäische Union und Indien. Im Vorfeld des anstehenden EU-Indien-Gipfels in Porto zeigt Amelie Richter, wie sich Brüssel und Delhi langsam annähern. Wichtig für die deutsche Wirtschaft: Vor allem durch gemeinsame Infrastrukturprojekte will man Nähe erzeugen. Vorher gilt es jedoch noch einige Hürden aus dem Weg zu räumen.

Und für alle Cineasten: Chloé Zhao ist die erste Chinesin, die in Hollywood einen Oscar für die beste Regie gewinnt. Doch in China will man von dem historischen Erfolg nichts wissen.

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Presseschau

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Analyse

Tesla in China: Das Ende der Flitterwochen

Das komplizierte Verhältnis der ausländischen Industrie zum chinesischen Staat lernt auch der amerikanische Elektromobilpionier Tesla immer besser kennen. In den vergangenen Monaten kam es in der Volksrepublik knüppeldick für das US-Unternehmen: Rückrufe, Kundenbeschwerden, Behördenvorladungen, Medienattacken – das gesamte Programm, das schon so viele andere Firmen durchlaufen haben. Die Sonderbehandlung Teslas in China scheint vorbei. Es ist das Ende der Flitterwochen.

Gleich fünf verschiedene Regulierungsbehörden baten die Tesla-Manager seit dem Herbst zum Rapport. Im Kern lautete die Aufforderung immer gleich: Behandelt die chinesischen Kunden besser! Chinesische Staatsmedien nahmen die behördliche Offensive zum Anlass, den Hersteller ihrerseits auf Normalmaß zu schrumpfen. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua warf Tesla wiederholt Arroganz vor. Und bei der Tageszeitung Global Times erteilte man süffisant Nachhilfe im interkulturellen Austausch. Tesla habe keine Ahnung, wie chinesische Kunden ticken, lautete der Vorwurf.

Tesla schien bis vor Kurzem noch der Liebling zu sein unter all jenen Firmen, die um das Wohlwollen der politischen Elite auf dem größten Konsumentenmarkt der Welt buhlen. Jetzt sieht es anders aus. Mehrfach sah sich die Firma genötigt, über soziale Medien zu Kreuze zu kriechen und sich bei chinesischen Kunden zu entschuldigen. Man habe seine Lektion gelernt, teilte Tesla pflichtgemäß mit. Bloomberg News stellte sogar fest, dass Tesla-Chef Elon Musk bereits klinge wie Alibaba-Gründer Jack Ma, der nach Kritik am staatlichen Bankensystem kaum noch öffentlich auftritt und mit ansehen muss, wie sein Konzern von den Behörden schrittweise zerstückelt wird. “Es besteht Rutschgefahr für Musk”, sagte der Tech-Analyst Dan Ives von Wedbush Securities gegenüber CNN. Musk habe “gute Beziehungen im Land aufgebaut, aber er muss in China brav im Sandkasten spielen.” Doch wie konnte es so weit kommen?

Immer mehr Rückrufe

Bei Tesla häuften sich zuletzt die Rückrufe von defekten Fahrzeugen, was den Behörden stets ein Dorn im Auge ist und in China ein wesentlich schlechteres Medienecho provoziert als sonstwo auf der Welt. Schon in der Vergangenheit haben chinesische Behörden ausländischen Akteuren klar gemacht, dass sie ihre Marktgröße als eine Art Ordnungsrahmen verstehen. Wer in China königlich verdient, sollte die Konsumenten auch wie Könige behandeln. Auch andere Hersteller bekamen in der Vergangenheit schon derart die Leviten gelesen: im Osten also nichts Neues.

Im Herbst waren es fast 50.000 Autos, deren Radaufhängungen Probleme machten. Im Februar sorgten dann die Touchscreens in 36.000 Modellen für Ärger und mussten zurück in die Werkstätten. Die Probleme betrafen allerdings keineswegs exklusiv chinesische Kunden. Es handelte sich in beiden Fällen um die importierten Modelle S und X. Als Nachlässigkeit gegenüber chinesischen Kunden dürften diese Probleme also eigentlich nicht gewertet werden. Doch Chinas Selbstverständnis hat einen Punkt erreicht, an dem es sich wenig darum schert, was auf anderen Märkten der Welt passiert. China first, lautet das Motto.

Als wäre all das nicht genug Ärger für Tesla, sorgte dann in der vergangenen Woche ein spektakulärer Protest bei der Automesse in Shanghai für Schlagzeilen. Eine Frau kaperte den Messestand des Herstellers, kletterte auf das Dach eines ausgestellten Teslas und machte ihren Unmut über vermeintlich kaputte Bremsen lautstark Luft. Die Eltern der Frau waren mit ihrem Tesla in einen Unfall verwickelt und verletzt worden, angeblich weil die Bremsen versagt hatten. Tesla wies die Vorwürfe zurück und verwies auf Daten aus dem Bordcomputer des Unfallwagens. Die Auswertung ergab, dass der Fahrer zu schnell unterwegs war. Dennoch folgten erneute eine Mahnung der Behörden – und die Entschuldigung des Unternehmens.

Keine Parteizelle mischt sich in Teslas Strategie ein

Tesla war der erste ausländische Automobilhersteller, dem die Behörden keinen Joint-Venture-Zwang auferlegt hatten. Das Unternehmen, das in Shanghai die Gigafactory 3 hochgezogen hat, heißt zwar Tesla Shanghai, ist aber allenfalls so chinesisch, wie es die Amerikaner zulassen wollen. Kein chinesischer Partner schöpft die Hälfte der Profite ab, keine Parteizelle mischt sich in die Strategie ein.

Von einer ähnlich langen Leine konnten deutsche Automobilhersteller nur träumen, als sie anfingen, in der Volksrepublik zu investieren. Jahrzehntelang mussten sie Türen und Tore öffnen, um staatliche Schnüffeleien zu ermöglichen. Und die Hälfte ihrer Gewinne treten sie in den meisten Fällen bis heute brav an die Gastgeber ab, obwohl deren Beitrag zum Bau erstklassiger Autos verschwindend gering ist. Nur langsam dreht sich der Wind, und der Zwang zu Gemeinschaftsunternehmen mit einem lokalen Partner nimmt ab. Das ist auch deshalb der Fall, weil die chinesischen Autobauer nach so langer Zeit viel gelernt haben.

Sie entwickeln inzwischen selbst Fahrzeuge, die sich im Schatten der Premiummarken ordentlich verkaufen und verpflichten Spitzenkräfte internationaler Hersteller als Designer, Ingenieure oder Marketingstrategen (China.Table berichtete). Doch zu den Hauptargumenten für die Sonderbehandlung eines Elektroproduzenten gehört auch Chinas selbstbewusstes Auftreten im Wettlauf mit anderen Staaten um die Führungsrolle in Zukunftstechnologien. Das Land traut sich zu, ganz vorne mitzuspielen, ohne den Mitbewerbern dabei zwingend in die Karten schauen zu müssen. Und die alten Verbrennermotoren sollen ohnehin bald nur noch Reliquien aus dem 20. Jahrhundert sein. Da fällt es Peking leicht, wohlwollende Signale der Liberalisierung zu senden, ohne langfristig dafür einen Preis zahlen zu müssen. Zudem profitieren auch chinesische Firmen – einerseits finanziell, andererseits aber vor allem auch ihre Reputation als Zulieferer des weltweiten Marktführers.

Milliarden aus staatlichen Subventionen

Tesla Shanghai traf beim Kauf des Firmengeländes auf keinen Konkurrenten. Die Kreditvergabe verlief dem Vernehmen nach problemlos, selbst die Kreditlinie sei nach oben hin offen, heißt es. Zudem profitierte Tesla massiv von staatlichen Subventionen für Elektroautos. Von fast vier Milliarden US-Dollar, die Peking in den vergangenen beiden Jahren für den Anschub des Segments zur Verfügung stellte, heimste allein Tesla rund ein Viertel ein.

Das unbürokratische Entgegenkommen der Chinesen war auch eine Wette auf die Zukunft. Wenn der größte und führende Elektrohersteller der Welt schon nicht aus der Volksrepublik stammt, dann sollte er zumindest von chinesischem Boden aus die globale Mobilitätswende einläuten. Solche Schlagzeilen, die eine Wirtschaftssupermacht benötigt, um ihre Führungsrolle zu propagieren, will China nicht den USA überlassen. Und dazu braucht es eben die Gigafactory 3 in Shanghai.

An dem Standort sollen nach seiner kompletten Fertigstellung eine halbe Million Teslas jährlich vom Band laufen können. Doch schon jetzt steigen Teslas Umsätze in China massiv. 2020 verdoppelte sich das Volumen auf knapp 6,7 Milliarden US-Dollar, rund ein Fünftel der globalen Tesla-Umsätze. Das Model 3 war das bestverkaufte Elektroauto im Land im vergangenen Jahr. Doch der Rückstand auf den US-Markt, wo immer noch genauso viele Tesla verkauft werden wie im gesamten Rest der Welt, bleibt groß. Und der Abstand zwischen China und dem amerikanischen Heimatmarkt dürfte sich noch weiter verringern: Seit diesem Jahr wird nach dem 3er auch das Model Y in China gefertigt und ausgeliefert. Alle übrigen Modelle werden importiert. In den ersten drei Monaten des Jahres verkaufte Tesla rund 70.000 Fahrzeuge in China. Das ist jetzt schon mehr als die Hälfte des Vorjahresverkaufs.

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EU-Indien-Gipfel: Hohe Erwartungen in Brüssel und Delhi

Um die Beziehung zwischen der EU und Indien zu beschreiben, wurde in der Vergangenheit gerne ein englisches Adjektiv verwendet: “underperforming.” Nach dem Ende der Bemühungen um ein Freihandelsabkommen zwischen Brüssel und Delhi im Jahr 2013 brachte keine Seite die nötige Energie auf, um Fortschritte in der Zusammenarbeit zu erzielen. Im Gegenteil: Man ignorierte sich größtenteils – bis vergangenes Jahr. Das Bestreben der EU, sich in Asien als geopolitischer Akteur mit Gewicht zu positionieren, die Corona-Pandemie und nicht zuletzt ein erstarktes China bugsierte das bevölkerungsreichste Land der Welt zurück auf den Brüssler Interessensradar.

Unter der aktuellen portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft bekam Indien eine Sonderrolle, der Ausbau der Beziehungen steht weit oben auf der Agenda. Am 8. Mai findet der EU-Indien-Gipfel in Porto statt. Indiens Premier Narendra Modi wird wegen der Corona-Situation in seinem Land nicht anreisen, er trifft die EU-Vertreter online. Die Erwartungen an das Treffen sind trotz der widrigen Umstände hoch.

Win-Win für beide Seiten?

Für Stefania Benaglia, Expertin für Indien bei der Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS), hat die Beziehung zu Indien großes Potenzial für die EU – allerdings brauche sie noch mehr Zeit. Es gebe Signale, die ein neues Verständnis zwischen Brüssel und Delhi andeuteten, so Benaglia im Gespräch mit China.Table. Denn bisher habe die EU auch für Indien nicht die bedeutendste Rolle gespielt.

Einzelne Länder wie Deutschland oder Frankreich seien für den indischen Handel wichtig gewesen, die EU als Ganzes aber eher weniger, sagt Benaglia. Diese Ansicht habe sich im Laufe des vergangenen Jahres jedoch verändert: Statt bilateraler Übereinkommen mit einzelnen EU-Ländern, wolle Indien nun präferiert mit der Europäischen Union als Einheit zusammenarbeiten, betont die Expertin. 

Auch der EU kommt das gelegen. Dass sich Brüssel stärker im asiatischen Raum einbringen will, hat die EU-Kommission zuletzt mit ihrer Indopazifik-Strategie gezeigt. Für den Gipfel in Porto erwartet Benaglia nun die Ausarbeitung der Konnektivitäts-Strategie der EU mit Indien, ähnlich wie im Falle der 2019 mit Japan unterzeichneten Partnerschaft. Diese solle einen Rahmen für die Zusammenarbeit der EU und Indien setzen, so Benaglia. “Wir hoffen, dass die genannten Punkte so konkret wie möglich werden.” Letztendlich sei jedoch entscheidend, ob und wie die Vorschläge dann umgesetzt würden, betont Benaglia.

Ziel: Der BRI Konkurrenz machen

Bereits im Juli 2020 hatten die EU und Indien bei einem virtuellen Gipfel ihre Prioritäten benannt: Eine künftig engere Koordination bei Digital-, Verkehrs- und Infrastruktur-Themen sei gewollt, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Dass die strategische Partnerschaft “auf gemeinsamen Grundsätzen und Werten wie Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte” beruhe, wurde gleich zu Beginn der Erklärung hervorgehoben.

Beim virtuellen Gipfel in der kommenden Woche soll vor allem im Bereich Infrastruktur ein konkreter Plan für die Zusammenarbeit vorgelegt werden, berichtete die Zeitung Financial Times. Die Idee dahinter: Chinas “Belt and Road”-Initiative (BRI) Konkurrenz machen. Das Momentum dafür sei durchaus vorhanden, zitiert FT einen EU-Diplomaten: “Es gibt jetzt die Möglichkeit, sich zusammenzuschließen und das Umfeld für eine auf Partnerschaften basierende Globalisierung zu schaffen, die attraktiver wäre als das, was China bieten kann.” Die EU und ihre Verbündeten hätten ein gemeinsames Interesse daran, eine ordentliche BRI-Alternative auf die Beine zustellen, “anstatt zuzulassen, dass chinesische Investitionen dominieren”, erklärt die EU-Quelle weiter. Ein Ansatz, der in Brüssel allerdings nur hinter vorgehaltener Hand geteilt wird. Stoisch wird dort weiter betont, dass sich das Vorantreiben der Konnektivitäts-Partnerschaften nicht gegen Peking richte.

Indiens Wirtschaftssystem hinkt hinterher

Ist mehr Konnektivität mit Indien denn nun die passende Antwort auf Chinas BRI? “Das ist sicherlich ein nützliches Werkzeug”, sagt CEPS-Expertin Benaglia. Es könnte sogar das beste Instrument sein, dass die Staatengemeinschaft derzeit zur Verfügung habe. “Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Agenda darin besteht, die BRI anzufechten.” Die Konnektivität mit Indien könnte mehr eine “Art Ergänzung” sein. Auch hier müsste aber abgewartet werden, was konkret umgesetzt werden könne, betont die Expertin. Das – und auch die Reaktion Chinas auf die Annäherung zwischen der EU und Indien – werde sich erst noch zeigen. 

Dass die junge Verbundenheit zwischen Delhi und Brüssel Peking provozieren könnte, sieht Benaglia weniger als Problem: “Geschäfte mit Indien sind immer noch weniger einfach als Geschäfte mit China.” Dass Investitionen plötzlich von der Volksrepublik nach Indien verlegt würden, ist ihrer Ansicht nach derzeit keine Gefahr für China. “Das indische Wirtschaftssystem ist noch nicht fähig, Investments anzuziehen wie das chinesische”, so Benaglia. Ein Grund dafür sei das komplexe, je nach Staat unterschiedliche, wirtschaftliche System Indiens. Zudem gebe es Probleme mit Arbeits- und Landrechten – und vermehrt auch Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte

Während die EU der größte Handels- und Investitionspartner Indiens ist, rangiert der Subkontinent bei der Europäischen Union lediglich an zehnter Stelle. Überhaupt ist der Warenaustausch zwischen beiden mit einem Volumen von 87,6 Milliarden US-Dollar in 2020 ungewöhnlich bescheiden. Zum Vergleich: Der EU-China-Handel lag 2020 bei rund 600 Milliarden Euroder Indien-EU-Handel bei gut 65 Milliarden Euro.

EU-Parlament bedauert Verschlechterung der chinesisch-indischen Beziehungen

Im Europaparlament sind die EU-Indien-Beziehungen bereits am morgigen Mittwoch Thema. Am Nachmittag ist eine Debatte zur Kooperation der Europäischen Union mit Indien angesetzt. Die EU-Parlamentarier werden außerdem über eine Resolution samt Handlungsempfehlung an die EU-Kommission und den EU-Rat vor dem Gipfel abstimmen. China ist darin in einem Absatz genannt: Die Abgeordneten rügen die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Indien und der Volksrepublik, “unter anderem aufgrund der expansiven Politik der Volksrepublik China” und fordern “eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten, einen konstruktiven und umfassenden Dialog und die Achtung des Völkerrechts an der Grenze zwischen Indien und der Volksrepublik.

China und Indien sind Nachbarn – aber auf eine geografisch komplizierte Art: Sie teilen eine rund 3.500 Kilometer lange, teils umstrittene und nicht markierte Kontrolllinie in unwegsamem Gelände mitten im Himalaya. Die meisten Chinesen und Inder leben Tausende Kilometer von dieser Grenze entfernt, die daher die Menschen nicht wirklich verbindet. Es gibt kaum Straßen oder andere Infrastruktur – und auch keinen Grenzhandel.

Das Potenzial der EU-Indien-Beziehung wird auch im EU-Parlament gesehen, wichtig sei dieses vor allem im Rahmen der gesamten Indopazifik-Strategie aus Brüssel, betont der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im Europaparlament, David McAllister, gegenüber China.Table. Der Handel zwischen der Europäischen Union und Indien habe im vergangenen Jahrzehnt um mehr als 70 Prozent zugenommen, so McAllister. Gleichzeitig verkehrten rund 40 Prozent des EU-Handels über die Gewässer des Indopazifiks. “Indien ist eine Schlüsselfigur für die maritime Sicherheit und ein Handelspartner, um europäische Lieferketten zu diversifizieren.” Eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur und eine digitale Vernetzung zwischen der EU und Indien müssten dabei die Grundlage der Zusammenarbeit bilden, so der CDU-Politiker. Seine Erwartungen an das Porto-Treffen: “Mit dem Gipfel am 8. Mai könnte der Startschuss für gemeinsame Projekte fallen.”

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News

Deutsch-chinesische Klimagespräche

Deutschland und China wollen im Klima- und Umweltschutz enger zusammenarbeiten. Eine entsprechende Erklärung haben Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der chinesische Umweltminister Huang Runqui nach Angaben des Umweltministeriums am Montag unterzeichnet. Zudem habe ein bilaterales Gespräch zur Vorbereitung der Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen am kommenden Mittwoch stattgefunden.

Wie ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte, habe Schulze ihrem chinesischen Amtskollegen angeboten, vor allem in den Bereichen Emissionshandel, Kohleausstieg und Strukturwandel noch enger zusammenzuarbeiten. In China gebe es Überlegungen, den Emissionshandel auf andere Bereiche außerhalb des Energiesektors auszuweiten. Aktuell gibt es große Probleme im chinesischen Emissionshandel: Peking verteilt offenbar zu viele Emissionszertifikate für das neue System zum Emissionshandel (China.Table berichtete). Einer neuen Studie zufolge führt ein solcher Überschuss an Zertifikaten zum Absturz des CO2-Emissionspreises auf null. Doch ist der Preis für Emissionszertifikate zu billig, gibt es für ältere Kraftwerke mit hohem CO2-Ausstoß keinen Anreiz, ihren Ausstoß zu verringern, schließlich können sie günstig die notwendigen Zertifikate erwerben.

Gerade beim Kohleausstieg will Deutschland nun China helfen. Die Bundesrepublik sieht sich international als Vorreiter, die Kohleverstromung soll bis spätestens 2038 beendet werden. “Wir müssen nun alles dafür tun, dass die Treibhausgasemissionen weltweit schneller sinken als bisher geplant”, erklärte Schulze. “Dazu benötigen wir neben den großen Industrieländern vor allem auch China.” Im Mittelpunkt des Gespräches habe gestanden, wie die chinesische Regierung ihr Ziel konkret erreichen könne, vor 2060 kohlenstoffneutral zu werden. “Entscheidend dafür ist ein frühes Datum für den so genannten Scheitelpunkt, ab dem die chinesischen Treibhausgasemissionen sinken werden sowie weitere Anstrengungen, um die Kohlenutzung zu verringern und letztlich zu beenden.”

Die EU will das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen. China gehört neben den USA zu den Ländern mit dem höchsten Ausstoß an Treibhausgasen weltweit. rad mit dpa

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  • Nachhaltigkeit
  • Umwelt

EU arbeitet an härterer Position gegenüber Peking

Die Europäische Union arbeitet intern an einer härteren Positionierung gegenüber China. EU-Kreise bestätigten China.Table, dass ein entsprechender Fortschrittsbericht zu China an den Europäischen Rat weitergeleitet worden sei. Der nicht zur Veröffentlichung gedachte Report des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell war eigentlich bereits für Ende März erwartet worden. Dabei handelt es sich um eine Aktualisierung der EU-China-Strategie von 2019, die vor allem wegen der erstmaligen Erwähnung der “systematischen Rivalität” bekannt ist. Dann verhängte Peking jedoch Sanktionen gegen mehrere europäische Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und Organisationen. Die Strafmaßnahmen hätten “eine neue Atmosphäre, eine neue Situation” geschaffen, erklärte Borrell damals, der Bericht ließ auf sich warten.

Die EU verfolge einen “facettenreichen und realistischen Ansatz in Bezug auf die Beziehungen zu China”, wurde zu dem Bericht aus EU-Kreisen betont. Die Volksrepublik sei gleichzeitig Kooperationspartner, Verhandlungspartner, wirtschaftlicher Konkurrent “bei der Verfolgung der technologischen Führung” – und ein systemischer Rivale. In einem den Bericht begleitenden Brief an den Europäischen Rat warnten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Borrell einem Medienbericht zufolge vor der Fortsetzung eines “innerstaatlichen autoritären Wandels” der Volksrepublik – und legten damit eine ungewöhnlich harte Sprache an den Tag.

“China selbst hat sich ebenfalls weiterentwickelt und seine politischen und wirtschaftlichen Interessen auf globaler Ebene mit stetig wachsender Durchsetzungskraft weiter vorangetrieben”, zitiert Politico von der Leyen und Borrell aus dem Schreiben. “Die Realität ist, dass die EU und China grundlegende Unterschiede aufweisen, sei es in Bezug auf ihre Wirtschaftssysteme und das Management von Globalisierung, Demokratie und Menschenrechten oder im Umgang mit Drittländern. Diese Unterschiede werden auf absehbare Zeit bestehen bleiben und dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden.” Bei globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel müsse jedoch weiterhin mit China zusammengearbeitet werden, hieß es dem Bericht zufolge in dem Brief.

Ob der Fortschrittsbericht von Borrell bei einem der Treffen des Europäischen Rats im Mai Thema sein wird, war zunächst nicht klar. Das Europaparlament wird am Mittwoch mit Borrell über die Sanktionen Chinas debattierten. ari

  • China-Sanktionen
  • EU

Staatlich organisierte Konsum-Messen

Chinas Handelsministerium (Mofcom) fürchtet, dass aufgrund der geringeren privaten Ausgaben die Wachstumsziele des Landes gefährdet sein könnten. Damit sich die Umsätze im Einzelhandel nicht allzu sehr abschwächen, hat das Mofcom nun eine einmonatige Konsum-Kampagne angekündigt. Den Anfang macht Shanghai, wo zum 1. Mai-Feiertag eine Reihe von Aktivitäten beginnen, die den privaten Konsum ankurbeln sollen. Zum 5. Mai soll laut Staatsmedien zudem ein Einkaufsfestival beginnen, das über Shanghai hinaus auch Verbraucher in Peking, Chongqing, Suzhou und den Provinzen Jiangsu und Guangdong erreichen soll. In der Stadt Haikou auf der Insel Hainan soll laut den Behörden vom 7. bis 10. Mai die erste Konsumgütermesse stattfinden. Neben einheimischen Produkten werden auch Konsumgüter aus 69 Ländern und Regionen präsentiert, darunter Japan, Großbritannien und die USA.

Mofcom-Sprecher Gao Feng kündigte zudem für kommenden Mittwoch den Start eines dritten Online-Shopping-Festivals an, auf dem Inlandsprodukte wie auch Artikel aus den Partnerländern der Seidenstraßeninitiative und Rabattaktionen aus den Bereichen Tourismus, Kultur- und Sportbereich angeboten werden sollen. E-Commerce-Giganten wie T-Mall, JD.com und ausländische Marken profitieren von diesen sogenannten Shopping-Festivals: Am Singles Day in der Zeit um den 11.11. und zum 18. Juni erzielen sie durch Rabattaktionen regelmäßig hohe Umsätze.

Im ersten Quartal stiegen die Einzelhandelsumsätze gegenüber dem Vorjahr um 33,9 Prozent oder um 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wie Daten aus China zeigen. Dennoch gibt es Grund zur Sorge: Eine Studie der Investmentbank Goldman Sachs hat zuletzt davor gewarnt, dass die Einzelhandelsumsätze zwischen 2019 und 2021 “nur um etwa vier Prozent im Jahr gestiegen sind”. Das sei weitaus weniger als die acht Prozent, die vor der Corona-Pandemie erreicht worden sind, so heißt es in der Studie.

Zudem sind auch die chinesischen Verbraucher vorsichtiger geworden. Neueste Daten des National Bureau of Statistics in Peking zeigen, dass das verfügbare nominale Pro-Kopf-Einkommen im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr zwar um 13,7 Prozent auf 9730 Yuan (umgerechnet 1237 Euro) gestiegen ist, wie die Global Times berichtete. Aber auch die Sparquote der privaten Haushalte ist im ersten Quartal hoch geblieben.

Peking versucht angesicht des schwellenden Handelkonflikts mit den USA, sich von Exporten unabhängiger zu machen. Die Ausfuhren hatten bisher – und gerade im Pandemiejahr – nur wenig zum Wachstum des BIPs beigetragen, da Länder weltweit mit der Coronakrise zu kämpfen haben. niw

  • Handel
  • Innenpolitik der KP China

Portrait

Chloé Zhao

Bester Film und beste Regie: Chloé Zhao ist die, die gleich zwei Oscars abräumt

Sie ist die große Gewinnerin der Oscar-Verleihung 2021: Chloé Zhao hat bei der Gala der Academy Awards mit ihrem Film Nomadland gleich zwei Preise abgeräumt. Das Sozialdrama über Arbeitsnomaden in den USA erhält den Oscar für den besten Film, Zhao selbst wird ausgezeichnet für die beste Regie. In 93 Jahren Oscarverleihung ist Zhao damit erst die zweite Frau, die den Preis für die beste Regie gewinnt – und die Erste, die aus China stammt.

Chloé Zhao wurde 1982 in Peking mit dem Namen 赵婷 (Zhào Tíng) geboren. Ihre Mutter stand als ausgebildete Krankenschwester im Dienste der chinesischen Volksbefreiungsarmee, während ihr Vater Zhao Yuji von der Industrialisierung des Landes profitierte – zunächst als Topmanager bei Chinas größtem Stahlunternehmen Shougang, später im boomenden Immobiliengeschäft. Doch Zhaos Eltern trennten sich früh: Und obwohl das junge Mädchen damals kaum Englisch spricht, wird sie im Alter von 15 Jahren auf ein Internat in Großbritannien geschickt.

Chloé Zhao ist leidenschaftliche Manga-Leserin. Ihr Traum selbst Comics zu zeichnen, sei allerdings an ihrem mangelnden Talent gescheitert. Sich selbst beschreibt sie als “rebellisch und faul in der Schule”. Mit 18 Jahren kommt Zhao nach Los Angeles, um Politikwissenschaften zu studieren; 2010 zieht sie weiter nach New York, wo sie an der New York University Tisch School of the Arts Filmproduktion erlernt. Manchmal vergesse sie, Asiatin zu sein. Dabei beschreibt sie sich selbst als typische Nordchinesin: Laut, anstößig, mit dicken Knochen.  

Nach ersten Erfolgen mit ihren Filmen Songs My Brothers Taught Me (2015) und The Rider (2017) ist Chloé Zhao nun mit Nomadland auf dem Olymp des Filmgeschäfts angekommen: Der Film war großer Sieger des Filmfests in Venedig, räumte wichtige Preise bei den Golden Globes wie auch bei den britischen Filmpreisen Baftas ab.

Doch während die Regisseurin weltweit bejubelt wird, ist es in ihrer chinesischen Heimat auffällig still um den historischen Oscargewinn der 39-Jährigen. Angesichts ihrer Erfolge fürchtete Peking bereits im Vorfeld einen möglichen Erfolg Zhaos: So wurde die diesjährige Verleihung in China erst gar nicht übertragen; selbst die beiden führenden Streaming-Plattformen, wo sonst immer der Gala-Abend zu sehen war, verzichteten. Und auch in Hongkong entschied man sich zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren gegen eine Ausstrahlung. Als vor knapp einem Monat die Entscheidung publik wurde, fiel hinter vorgehaltener Hand der Name Chloé Zhao. Denn zumindest im offiziellen China ist Zhao seit ihrem Erfolg bei den Golden Globes persona non grata.

Zuerst feierten die chinesischen Medien noch Chloé Zhao. Die Zeitung Global Times nannte sie gar “den Stolz Chinas” und verwies auf den geplanten Kinostart im April. Doch dann stießen Internetnutzer auf ein Interview aus dem Jahr 2013, in dem Zhao kritisierte, das China ihrer Jugend sei ein Ort allgegenwärtiger Lügen gewesen. “Es fühlte sich an, als würde man niemals daraus hinausfinden. Vieles, was ich erfahren habe, als ich jung war, war nicht wahr – und ich wurde ziemlich rebellisch gegenüber meiner Familie und meinem Hintergrund.” Erst im Ausland, an einem liberalen College, habe sie herausgefunden, was wahr ist. Diese Worte hatten Sprengkraft – und der nationale Stolz verkehrte sich in Windeseile in landesoffizielle Ablehnung. Chinas Kinos stoppten daraufhin umgehend den geplanten Start ihres Films.

China zensiert Oscar-Beiträge über Chloé Zhao

Als nun am Montagmorgen Nutzer auf Weibo (Chinas Twitter) Zhaos Oscargewinn feierten, wurden ihre Einträge kurzerhand gelöscht. Auch die offiziellen Medien wie Xinhua oder CGTV ignorierten zunächst die Meldung, bis sich ebenjene Global Times im Verlauf des Tages doch noch zu einem vergifteten Editorial hinreißen ließ: Das Sozialdrama sei typisch amerikanisch und könne in keiner Weise mit dem wirklichen Leben von Chinesen in Zusammenhang gebracht werden.

Um diese Zeilen zu verstehen, muss man wissen, um was es in Nomadland geht: Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Jessica Burger zeigt das behutsame Drama ein Land, das für seine Bürgerinnen und Bürger nicht mehr sorgen kann, oder es vielleicht auch gar nicht will. Männer und Frauen im Rentenalter ziehen mit Wohnmobilen durch das Land. Zeitarbeit und Gelegenheitsjob halten sie finanziell über Wasser; die Gemeinschaft, die die selbst erklärten Nomaden bilden, sorgt für den emotionalen Halt. Der Film spielt in den USA – und doch kommen dem Zuschauer unweigerlich die Schicksale der Millionen chinesischen Wanderarbeiter in den Sinn, die sich auf den Baustellen des Landes verdingen und so Chinas wirtschaftlichen Erfolg ermöglichen.

Diesen Vergleich will die Global Times unter allen Umständen – und ergänzt: Selbst wenn der Film in China gezeigt würde, hätte er wohl keinerlei Erfolg. Vielmehr hofft man bei der staatlichen Zeitung, Zhao möge nun endlich erwachsen werden.

In ihrer Oscarrede schien Zhao auf diese Schwierigkeiten anzuspielen: “Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, wie ich weitermache, wenn es kompliziert wird.” – und zitierte eine Zeile aus einem klassischen chinesischen Gedicht: “Menschen sind bei Geburt grundsätzlich gut.”

Doch könnte Zhao mit diesen historischen Zeilen auch eine versteckte Nachricht in Richtung Heimat senden wollen. Denn besagtes Drei-Zeichen-Gedicht wurde vor allem von chinesischen Größen aus Politik und Wirtschaft rezitiert, um ihre Loyalität zu China und seiner Tradition zu bezeugen. Vielleicht kann sich das offizielle China doch noch etwas über den historischen Oscar-Erfolg von Chloé Zhao freuen. Michael Radunski

  • Filmindustrie
  • Kultur
  • Meinungsfreiheit
  • Zivilgesellschaft

Dessert

Auf dem Rücken der Lieferboten: Pekings Kartellbehörde nimmt die Liefer-App Meituan ins Visier. Die am Montag angekündigte Untersuchung kommt zwei Wochen, nachdem die Behörden gegen Alibaba eine Rekordstrafe von 2,8 Milliarden Dollar verhängt hatten. Vor gut einer Woche erst hatte Meituan zehn Milliarden Dollar an frischem Kapital bei Investoren besorgt.

  • Alibaba
  • Meituan

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Tesla in China: Das Ende der Flitterwochen

    Das komplizierte Verhältnis der ausländischen Industrie zum chinesischen Staat lernt auch der amerikanische Elektromobilpionier Tesla immer besser kennen. In den vergangenen Monaten kam es in der Volksrepublik knüppeldick für das US-Unternehmen: Rückrufe, Kundenbeschwerden, Behördenvorladungen, Medienattacken – das gesamte Programm, das schon so viele andere Firmen durchlaufen haben. Die Sonderbehandlung Teslas in China scheint vorbei. Es ist das Ende der Flitterwochen.

    Gleich fünf verschiedene Regulierungsbehörden baten die Tesla-Manager seit dem Herbst zum Rapport. Im Kern lautete die Aufforderung immer gleich: Behandelt die chinesischen Kunden besser! Chinesische Staatsmedien nahmen die behördliche Offensive zum Anlass, den Hersteller ihrerseits auf Normalmaß zu schrumpfen. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua warf Tesla wiederholt Arroganz vor. Und bei der Tageszeitung Global Times erteilte man süffisant Nachhilfe im interkulturellen Austausch. Tesla habe keine Ahnung, wie chinesische Kunden ticken, lautete der Vorwurf.

    Tesla schien bis vor Kurzem noch der Liebling zu sein unter all jenen Firmen, die um das Wohlwollen der politischen Elite auf dem größten Konsumentenmarkt der Welt buhlen. Jetzt sieht es anders aus. Mehrfach sah sich die Firma genötigt, über soziale Medien zu Kreuze zu kriechen und sich bei chinesischen Kunden zu entschuldigen. Man habe seine Lektion gelernt, teilte Tesla pflichtgemäß mit. Bloomberg News stellte sogar fest, dass Tesla-Chef Elon Musk bereits klinge wie Alibaba-Gründer Jack Ma, der nach Kritik am staatlichen Bankensystem kaum noch öffentlich auftritt und mit ansehen muss, wie sein Konzern von den Behörden schrittweise zerstückelt wird. “Es besteht Rutschgefahr für Musk”, sagte der Tech-Analyst Dan Ives von Wedbush Securities gegenüber CNN. Musk habe “gute Beziehungen im Land aufgebaut, aber er muss in China brav im Sandkasten spielen.” Doch wie konnte es so weit kommen?

    Immer mehr Rückrufe

    Bei Tesla häuften sich zuletzt die Rückrufe von defekten Fahrzeugen, was den Behörden stets ein Dorn im Auge ist und in China ein wesentlich schlechteres Medienecho provoziert als sonstwo auf der Welt. Schon in der Vergangenheit haben chinesische Behörden ausländischen Akteuren klar gemacht, dass sie ihre Marktgröße als eine Art Ordnungsrahmen verstehen. Wer in China königlich verdient, sollte die Konsumenten auch wie Könige behandeln. Auch andere Hersteller bekamen in der Vergangenheit schon derart die Leviten gelesen: im Osten also nichts Neues.

    Im Herbst waren es fast 50.000 Autos, deren Radaufhängungen Probleme machten. Im Februar sorgten dann die Touchscreens in 36.000 Modellen für Ärger und mussten zurück in die Werkstätten. Die Probleme betrafen allerdings keineswegs exklusiv chinesische Kunden. Es handelte sich in beiden Fällen um die importierten Modelle S und X. Als Nachlässigkeit gegenüber chinesischen Kunden dürften diese Probleme also eigentlich nicht gewertet werden. Doch Chinas Selbstverständnis hat einen Punkt erreicht, an dem es sich wenig darum schert, was auf anderen Märkten der Welt passiert. China first, lautet das Motto.

    Als wäre all das nicht genug Ärger für Tesla, sorgte dann in der vergangenen Woche ein spektakulärer Protest bei der Automesse in Shanghai für Schlagzeilen. Eine Frau kaperte den Messestand des Herstellers, kletterte auf das Dach eines ausgestellten Teslas und machte ihren Unmut über vermeintlich kaputte Bremsen lautstark Luft. Die Eltern der Frau waren mit ihrem Tesla in einen Unfall verwickelt und verletzt worden, angeblich weil die Bremsen versagt hatten. Tesla wies die Vorwürfe zurück und verwies auf Daten aus dem Bordcomputer des Unfallwagens. Die Auswertung ergab, dass der Fahrer zu schnell unterwegs war. Dennoch folgten erneute eine Mahnung der Behörden – und die Entschuldigung des Unternehmens.

    Keine Parteizelle mischt sich in Teslas Strategie ein

    Tesla war der erste ausländische Automobilhersteller, dem die Behörden keinen Joint-Venture-Zwang auferlegt hatten. Das Unternehmen, das in Shanghai die Gigafactory 3 hochgezogen hat, heißt zwar Tesla Shanghai, ist aber allenfalls so chinesisch, wie es die Amerikaner zulassen wollen. Kein chinesischer Partner schöpft die Hälfte der Profite ab, keine Parteizelle mischt sich in die Strategie ein.

    Von einer ähnlich langen Leine konnten deutsche Automobilhersteller nur träumen, als sie anfingen, in der Volksrepublik zu investieren. Jahrzehntelang mussten sie Türen und Tore öffnen, um staatliche Schnüffeleien zu ermöglichen. Und die Hälfte ihrer Gewinne treten sie in den meisten Fällen bis heute brav an die Gastgeber ab, obwohl deren Beitrag zum Bau erstklassiger Autos verschwindend gering ist. Nur langsam dreht sich der Wind, und der Zwang zu Gemeinschaftsunternehmen mit einem lokalen Partner nimmt ab. Das ist auch deshalb der Fall, weil die chinesischen Autobauer nach so langer Zeit viel gelernt haben.

    Sie entwickeln inzwischen selbst Fahrzeuge, die sich im Schatten der Premiummarken ordentlich verkaufen und verpflichten Spitzenkräfte internationaler Hersteller als Designer, Ingenieure oder Marketingstrategen (China.Table berichtete). Doch zu den Hauptargumenten für die Sonderbehandlung eines Elektroproduzenten gehört auch Chinas selbstbewusstes Auftreten im Wettlauf mit anderen Staaten um die Führungsrolle in Zukunftstechnologien. Das Land traut sich zu, ganz vorne mitzuspielen, ohne den Mitbewerbern dabei zwingend in die Karten schauen zu müssen. Und die alten Verbrennermotoren sollen ohnehin bald nur noch Reliquien aus dem 20. Jahrhundert sein. Da fällt es Peking leicht, wohlwollende Signale der Liberalisierung zu senden, ohne langfristig dafür einen Preis zahlen zu müssen. Zudem profitieren auch chinesische Firmen – einerseits finanziell, andererseits aber vor allem auch ihre Reputation als Zulieferer des weltweiten Marktführers.

    Milliarden aus staatlichen Subventionen

    Tesla Shanghai traf beim Kauf des Firmengeländes auf keinen Konkurrenten. Die Kreditvergabe verlief dem Vernehmen nach problemlos, selbst die Kreditlinie sei nach oben hin offen, heißt es. Zudem profitierte Tesla massiv von staatlichen Subventionen für Elektroautos. Von fast vier Milliarden US-Dollar, die Peking in den vergangenen beiden Jahren für den Anschub des Segments zur Verfügung stellte, heimste allein Tesla rund ein Viertel ein.

    Das unbürokratische Entgegenkommen der Chinesen war auch eine Wette auf die Zukunft. Wenn der größte und führende Elektrohersteller der Welt schon nicht aus der Volksrepublik stammt, dann sollte er zumindest von chinesischem Boden aus die globale Mobilitätswende einläuten. Solche Schlagzeilen, die eine Wirtschaftssupermacht benötigt, um ihre Führungsrolle zu propagieren, will China nicht den USA überlassen. Und dazu braucht es eben die Gigafactory 3 in Shanghai.

    An dem Standort sollen nach seiner kompletten Fertigstellung eine halbe Million Teslas jährlich vom Band laufen können. Doch schon jetzt steigen Teslas Umsätze in China massiv. 2020 verdoppelte sich das Volumen auf knapp 6,7 Milliarden US-Dollar, rund ein Fünftel der globalen Tesla-Umsätze. Das Model 3 war das bestverkaufte Elektroauto im Land im vergangenen Jahr. Doch der Rückstand auf den US-Markt, wo immer noch genauso viele Tesla verkauft werden wie im gesamten Rest der Welt, bleibt groß. Und der Abstand zwischen China und dem amerikanischen Heimatmarkt dürfte sich noch weiter verringern: Seit diesem Jahr wird nach dem 3er auch das Model Y in China gefertigt und ausgeliefert. Alle übrigen Modelle werden importiert. In den ersten drei Monaten des Jahres verkaufte Tesla rund 70.000 Fahrzeuge in China. Das ist jetzt schon mehr als die Hälfte des Vorjahresverkaufs.

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    EU-Indien-Gipfel: Hohe Erwartungen in Brüssel und Delhi

    Um die Beziehung zwischen der EU und Indien zu beschreiben, wurde in der Vergangenheit gerne ein englisches Adjektiv verwendet: “underperforming.” Nach dem Ende der Bemühungen um ein Freihandelsabkommen zwischen Brüssel und Delhi im Jahr 2013 brachte keine Seite die nötige Energie auf, um Fortschritte in der Zusammenarbeit zu erzielen. Im Gegenteil: Man ignorierte sich größtenteils – bis vergangenes Jahr. Das Bestreben der EU, sich in Asien als geopolitischer Akteur mit Gewicht zu positionieren, die Corona-Pandemie und nicht zuletzt ein erstarktes China bugsierte das bevölkerungsreichste Land der Welt zurück auf den Brüssler Interessensradar.

    Unter der aktuellen portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft bekam Indien eine Sonderrolle, der Ausbau der Beziehungen steht weit oben auf der Agenda. Am 8. Mai findet der EU-Indien-Gipfel in Porto statt. Indiens Premier Narendra Modi wird wegen der Corona-Situation in seinem Land nicht anreisen, er trifft die EU-Vertreter online. Die Erwartungen an das Treffen sind trotz der widrigen Umstände hoch.

    Win-Win für beide Seiten?

    Für Stefania Benaglia, Expertin für Indien bei der Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS), hat die Beziehung zu Indien großes Potenzial für die EU – allerdings brauche sie noch mehr Zeit. Es gebe Signale, die ein neues Verständnis zwischen Brüssel und Delhi andeuteten, so Benaglia im Gespräch mit China.Table. Denn bisher habe die EU auch für Indien nicht die bedeutendste Rolle gespielt.

    Einzelne Länder wie Deutschland oder Frankreich seien für den indischen Handel wichtig gewesen, die EU als Ganzes aber eher weniger, sagt Benaglia. Diese Ansicht habe sich im Laufe des vergangenen Jahres jedoch verändert: Statt bilateraler Übereinkommen mit einzelnen EU-Ländern, wolle Indien nun präferiert mit der Europäischen Union als Einheit zusammenarbeiten, betont die Expertin. 

    Auch der EU kommt das gelegen. Dass sich Brüssel stärker im asiatischen Raum einbringen will, hat die EU-Kommission zuletzt mit ihrer Indopazifik-Strategie gezeigt. Für den Gipfel in Porto erwartet Benaglia nun die Ausarbeitung der Konnektivitäts-Strategie der EU mit Indien, ähnlich wie im Falle der 2019 mit Japan unterzeichneten Partnerschaft. Diese solle einen Rahmen für die Zusammenarbeit der EU und Indien setzen, so Benaglia. “Wir hoffen, dass die genannten Punkte so konkret wie möglich werden.” Letztendlich sei jedoch entscheidend, ob und wie die Vorschläge dann umgesetzt würden, betont Benaglia.

    Ziel: Der BRI Konkurrenz machen

    Bereits im Juli 2020 hatten die EU und Indien bei einem virtuellen Gipfel ihre Prioritäten benannt: Eine künftig engere Koordination bei Digital-, Verkehrs- und Infrastruktur-Themen sei gewollt, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Dass die strategische Partnerschaft “auf gemeinsamen Grundsätzen und Werten wie Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte” beruhe, wurde gleich zu Beginn der Erklärung hervorgehoben.

    Beim virtuellen Gipfel in der kommenden Woche soll vor allem im Bereich Infrastruktur ein konkreter Plan für die Zusammenarbeit vorgelegt werden, berichtete die Zeitung Financial Times. Die Idee dahinter: Chinas “Belt and Road”-Initiative (BRI) Konkurrenz machen. Das Momentum dafür sei durchaus vorhanden, zitiert FT einen EU-Diplomaten: “Es gibt jetzt die Möglichkeit, sich zusammenzuschließen und das Umfeld für eine auf Partnerschaften basierende Globalisierung zu schaffen, die attraktiver wäre als das, was China bieten kann.” Die EU und ihre Verbündeten hätten ein gemeinsames Interesse daran, eine ordentliche BRI-Alternative auf die Beine zustellen, “anstatt zuzulassen, dass chinesische Investitionen dominieren”, erklärt die EU-Quelle weiter. Ein Ansatz, der in Brüssel allerdings nur hinter vorgehaltener Hand geteilt wird. Stoisch wird dort weiter betont, dass sich das Vorantreiben der Konnektivitäts-Partnerschaften nicht gegen Peking richte.

    Indiens Wirtschaftssystem hinkt hinterher

    Ist mehr Konnektivität mit Indien denn nun die passende Antwort auf Chinas BRI? “Das ist sicherlich ein nützliches Werkzeug”, sagt CEPS-Expertin Benaglia. Es könnte sogar das beste Instrument sein, dass die Staatengemeinschaft derzeit zur Verfügung habe. “Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Agenda darin besteht, die BRI anzufechten.” Die Konnektivität mit Indien könnte mehr eine “Art Ergänzung” sein. Auch hier müsste aber abgewartet werden, was konkret umgesetzt werden könne, betont die Expertin. Das – und auch die Reaktion Chinas auf die Annäherung zwischen der EU und Indien – werde sich erst noch zeigen. 

    Dass die junge Verbundenheit zwischen Delhi und Brüssel Peking provozieren könnte, sieht Benaglia weniger als Problem: “Geschäfte mit Indien sind immer noch weniger einfach als Geschäfte mit China.” Dass Investitionen plötzlich von der Volksrepublik nach Indien verlegt würden, ist ihrer Ansicht nach derzeit keine Gefahr für China. “Das indische Wirtschaftssystem ist noch nicht fähig, Investments anzuziehen wie das chinesische”, so Benaglia. Ein Grund dafür sei das komplexe, je nach Staat unterschiedliche, wirtschaftliche System Indiens. Zudem gebe es Probleme mit Arbeits- und Landrechten – und vermehrt auch Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte

    Während die EU der größte Handels- und Investitionspartner Indiens ist, rangiert der Subkontinent bei der Europäischen Union lediglich an zehnter Stelle. Überhaupt ist der Warenaustausch zwischen beiden mit einem Volumen von 87,6 Milliarden US-Dollar in 2020 ungewöhnlich bescheiden. Zum Vergleich: Der EU-China-Handel lag 2020 bei rund 600 Milliarden Euroder Indien-EU-Handel bei gut 65 Milliarden Euro.

    EU-Parlament bedauert Verschlechterung der chinesisch-indischen Beziehungen

    Im Europaparlament sind die EU-Indien-Beziehungen bereits am morgigen Mittwoch Thema. Am Nachmittag ist eine Debatte zur Kooperation der Europäischen Union mit Indien angesetzt. Die EU-Parlamentarier werden außerdem über eine Resolution samt Handlungsempfehlung an die EU-Kommission und den EU-Rat vor dem Gipfel abstimmen. China ist darin in einem Absatz genannt: Die Abgeordneten rügen die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Indien und der Volksrepublik, “unter anderem aufgrund der expansiven Politik der Volksrepublik China” und fordern “eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten, einen konstruktiven und umfassenden Dialog und die Achtung des Völkerrechts an der Grenze zwischen Indien und der Volksrepublik.

    China und Indien sind Nachbarn – aber auf eine geografisch komplizierte Art: Sie teilen eine rund 3.500 Kilometer lange, teils umstrittene und nicht markierte Kontrolllinie in unwegsamem Gelände mitten im Himalaya. Die meisten Chinesen und Inder leben Tausende Kilometer von dieser Grenze entfernt, die daher die Menschen nicht wirklich verbindet. Es gibt kaum Straßen oder andere Infrastruktur – und auch keinen Grenzhandel.

    Das Potenzial der EU-Indien-Beziehung wird auch im EU-Parlament gesehen, wichtig sei dieses vor allem im Rahmen der gesamten Indopazifik-Strategie aus Brüssel, betont der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im Europaparlament, David McAllister, gegenüber China.Table. Der Handel zwischen der Europäischen Union und Indien habe im vergangenen Jahrzehnt um mehr als 70 Prozent zugenommen, so McAllister. Gleichzeitig verkehrten rund 40 Prozent des EU-Handels über die Gewässer des Indopazifiks. “Indien ist eine Schlüsselfigur für die maritime Sicherheit und ein Handelspartner, um europäische Lieferketten zu diversifizieren.” Eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur und eine digitale Vernetzung zwischen der EU und Indien müssten dabei die Grundlage der Zusammenarbeit bilden, so der CDU-Politiker. Seine Erwartungen an das Porto-Treffen: “Mit dem Gipfel am 8. Mai könnte der Startschuss für gemeinsame Projekte fallen.”

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    Deutsch-chinesische Klimagespräche

    Deutschland und China wollen im Klima- und Umweltschutz enger zusammenarbeiten. Eine entsprechende Erklärung haben Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der chinesische Umweltminister Huang Runqui nach Angaben des Umweltministeriums am Montag unterzeichnet. Zudem habe ein bilaterales Gespräch zur Vorbereitung der Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen am kommenden Mittwoch stattgefunden.

    Wie ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte, habe Schulze ihrem chinesischen Amtskollegen angeboten, vor allem in den Bereichen Emissionshandel, Kohleausstieg und Strukturwandel noch enger zusammenzuarbeiten. In China gebe es Überlegungen, den Emissionshandel auf andere Bereiche außerhalb des Energiesektors auszuweiten. Aktuell gibt es große Probleme im chinesischen Emissionshandel: Peking verteilt offenbar zu viele Emissionszertifikate für das neue System zum Emissionshandel (China.Table berichtete). Einer neuen Studie zufolge führt ein solcher Überschuss an Zertifikaten zum Absturz des CO2-Emissionspreises auf null. Doch ist der Preis für Emissionszertifikate zu billig, gibt es für ältere Kraftwerke mit hohem CO2-Ausstoß keinen Anreiz, ihren Ausstoß zu verringern, schließlich können sie günstig die notwendigen Zertifikate erwerben.

    Gerade beim Kohleausstieg will Deutschland nun China helfen. Die Bundesrepublik sieht sich international als Vorreiter, die Kohleverstromung soll bis spätestens 2038 beendet werden. “Wir müssen nun alles dafür tun, dass die Treibhausgasemissionen weltweit schneller sinken als bisher geplant”, erklärte Schulze. “Dazu benötigen wir neben den großen Industrieländern vor allem auch China.” Im Mittelpunkt des Gespräches habe gestanden, wie die chinesische Regierung ihr Ziel konkret erreichen könne, vor 2060 kohlenstoffneutral zu werden. “Entscheidend dafür ist ein frühes Datum für den so genannten Scheitelpunkt, ab dem die chinesischen Treibhausgasemissionen sinken werden sowie weitere Anstrengungen, um die Kohlenutzung zu verringern und letztlich zu beenden.”

    Die EU will das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen. China gehört neben den USA zu den Ländern mit dem höchsten Ausstoß an Treibhausgasen weltweit. rad mit dpa

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    EU arbeitet an härterer Position gegenüber Peking

    Die Europäische Union arbeitet intern an einer härteren Positionierung gegenüber China. EU-Kreise bestätigten China.Table, dass ein entsprechender Fortschrittsbericht zu China an den Europäischen Rat weitergeleitet worden sei. Der nicht zur Veröffentlichung gedachte Report des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell war eigentlich bereits für Ende März erwartet worden. Dabei handelt es sich um eine Aktualisierung der EU-China-Strategie von 2019, die vor allem wegen der erstmaligen Erwähnung der “systematischen Rivalität” bekannt ist. Dann verhängte Peking jedoch Sanktionen gegen mehrere europäische Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und Organisationen. Die Strafmaßnahmen hätten “eine neue Atmosphäre, eine neue Situation” geschaffen, erklärte Borrell damals, der Bericht ließ auf sich warten.

    Die EU verfolge einen “facettenreichen und realistischen Ansatz in Bezug auf die Beziehungen zu China”, wurde zu dem Bericht aus EU-Kreisen betont. Die Volksrepublik sei gleichzeitig Kooperationspartner, Verhandlungspartner, wirtschaftlicher Konkurrent “bei der Verfolgung der technologischen Führung” – und ein systemischer Rivale. In einem den Bericht begleitenden Brief an den Europäischen Rat warnten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Borrell einem Medienbericht zufolge vor der Fortsetzung eines “innerstaatlichen autoritären Wandels” der Volksrepublik – und legten damit eine ungewöhnlich harte Sprache an den Tag.

    “China selbst hat sich ebenfalls weiterentwickelt und seine politischen und wirtschaftlichen Interessen auf globaler Ebene mit stetig wachsender Durchsetzungskraft weiter vorangetrieben”, zitiert Politico von der Leyen und Borrell aus dem Schreiben. “Die Realität ist, dass die EU und China grundlegende Unterschiede aufweisen, sei es in Bezug auf ihre Wirtschaftssysteme und das Management von Globalisierung, Demokratie und Menschenrechten oder im Umgang mit Drittländern. Diese Unterschiede werden auf absehbare Zeit bestehen bleiben und dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden.” Bei globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel müsse jedoch weiterhin mit China zusammengearbeitet werden, hieß es dem Bericht zufolge in dem Brief.

    Ob der Fortschrittsbericht von Borrell bei einem der Treffen des Europäischen Rats im Mai Thema sein wird, war zunächst nicht klar. Das Europaparlament wird am Mittwoch mit Borrell über die Sanktionen Chinas debattierten. ari

    • China-Sanktionen
    • EU

    Staatlich organisierte Konsum-Messen

    Chinas Handelsministerium (Mofcom) fürchtet, dass aufgrund der geringeren privaten Ausgaben die Wachstumsziele des Landes gefährdet sein könnten. Damit sich die Umsätze im Einzelhandel nicht allzu sehr abschwächen, hat das Mofcom nun eine einmonatige Konsum-Kampagne angekündigt. Den Anfang macht Shanghai, wo zum 1. Mai-Feiertag eine Reihe von Aktivitäten beginnen, die den privaten Konsum ankurbeln sollen. Zum 5. Mai soll laut Staatsmedien zudem ein Einkaufsfestival beginnen, das über Shanghai hinaus auch Verbraucher in Peking, Chongqing, Suzhou und den Provinzen Jiangsu und Guangdong erreichen soll. In der Stadt Haikou auf der Insel Hainan soll laut den Behörden vom 7. bis 10. Mai die erste Konsumgütermesse stattfinden. Neben einheimischen Produkten werden auch Konsumgüter aus 69 Ländern und Regionen präsentiert, darunter Japan, Großbritannien und die USA.

    Mofcom-Sprecher Gao Feng kündigte zudem für kommenden Mittwoch den Start eines dritten Online-Shopping-Festivals an, auf dem Inlandsprodukte wie auch Artikel aus den Partnerländern der Seidenstraßeninitiative und Rabattaktionen aus den Bereichen Tourismus, Kultur- und Sportbereich angeboten werden sollen. E-Commerce-Giganten wie T-Mall, JD.com und ausländische Marken profitieren von diesen sogenannten Shopping-Festivals: Am Singles Day in der Zeit um den 11.11. und zum 18. Juni erzielen sie durch Rabattaktionen regelmäßig hohe Umsätze.

    Im ersten Quartal stiegen die Einzelhandelsumsätze gegenüber dem Vorjahr um 33,9 Prozent oder um 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wie Daten aus China zeigen. Dennoch gibt es Grund zur Sorge: Eine Studie der Investmentbank Goldman Sachs hat zuletzt davor gewarnt, dass die Einzelhandelsumsätze zwischen 2019 und 2021 “nur um etwa vier Prozent im Jahr gestiegen sind”. Das sei weitaus weniger als die acht Prozent, die vor der Corona-Pandemie erreicht worden sind, so heißt es in der Studie.

    Zudem sind auch die chinesischen Verbraucher vorsichtiger geworden. Neueste Daten des National Bureau of Statistics in Peking zeigen, dass das verfügbare nominale Pro-Kopf-Einkommen im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr zwar um 13,7 Prozent auf 9730 Yuan (umgerechnet 1237 Euro) gestiegen ist, wie die Global Times berichtete. Aber auch die Sparquote der privaten Haushalte ist im ersten Quartal hoch geblieben.

    Peking versucht angesicht des schwellenden Handelkonflikts mit den USA, sich von Exporten unabhängiger zu machen. Die Ausfuhren hatten bisher – und gerade im Pandemiejahr – nur wenig zum Wachstum des BIPs beigetragen, da Länder weltweit mit der Coronakrise zu kämpfen haben. niw

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    Portrait

    Chloé Zhao

    Bester Film und beste Regie: Chloé Zhao ist die, die gleich zwei Oscars abräumt

    Sie ist die große Gewinnerin der Oscar-Verleihung 2021: Chloé Zhao hat bei der Gala der Academy Awards mit ihrem Film Nomadland gleich zwei Preise abgeräumt. Das Sozialdrama über Arbeitsnomaden in den USA erhält den Oscar für den besten Film, Zhao selbst wird ausgezeichnet für die beste Regie. In 93 Jahren Oscarverleihung ist Zhao damit erst die zweite Frau, die den Preis für die beste Regie gewinnt – und die Erste, die aus China stammt.

    Chloé Zhao wurde 1982 in Peking mit dem Namen 赵婷 (Zhào Tíng) geboren. Ihre Mutter stand als ausgebildete Krankenschwester im Dienste der chinesischen Volksbefreiungsarmee, während ihr Vater Zhao Yuji von der Industrialisierung des Landes profitierte – zunächst als Topmanager bei Chinas größtem Stahlunternehmen Shougang, später im boomenden Immobiliengeschäft. Doch Zhaos Eltern trennten sich früh: Und obwohl das junge Mädchen damals kaum Englisch spricht, wird sie im Alter von 15 Jahren auf ein Internat in Großbritannien geschickt.

    Chloé Zhao ist leidenschaftliche Manga-Leserin. Ihr Traum selbst Comics zu zeichnen, sei allerdings an ihrem mangelnden Talent gescheitert. Sich selbst beschreibt sie als “rebellisch und faul in der Schule”. Mit 18 Jahren kommt Zhao nach Los Angeles, um Politikwissenschaften zu studieren; 2010 zieht sie weiter nach New York, wo sie an der New York University Tisch School of the Arts Filmproduktion erlernt. Manchmal vergesse sie, Asiatin zu sein. Dabei beschreibt sie sich selbst als typische Nordchinesin: Laut, anstößig, mit dicken Knochen.  

    Nach ersten Erfolgen mit ihren Filmen Songs My Brothers Taught Me (2015) und The Rider (2017) ist Chloé Zhao nun mit Nomadland auf dem Olymp des Filmgeschäfts angekommen: Der Film war großer Sieger des Filmfests in Venedig, räumte wichtige Preise bei den Golden Globes wie auch bei den britischen Filmpreisen Baftas ab.

    Doch während die Regisseurin weltweit bejubelt wird, ist es in ihrer chinesischen Heimat auffällig still um den historischen Oscargewinn der 39-Jährigen. Angesichts ihrer Erfolge fürchtete Peking bereits im Vorfeld einen möglichen Erfolg Zhaos: So wurde die diesjährige Verleihung in China erst gar nicht übertragen; selbst die beiden führenden Streaming-Plattformen, wo sonst immer der Gala-Abend zu sehen war, verzichteten. Und auch in Hongkong entschied man sich zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren gegen eine Ausstrahlung. Als vor knapp einem Monat die Entscheidung publik wurde, fiel hinter vorgehaltener Hand der Name Chloé Zhao. Denn zumindest im offiziellen China ist Zhao seit ihrem Erfolg bei den Golden Globes persona non grata.

    Zuerst feierten die chinesischen Medien noch Chloé Zhao. Die Zeitung Global Times nannte sie gar “den Stolz Chinas” und verwies auf den geplanten Kinostart im April. Doch dann stießen Internetnutzer auf ein Interview aus dem Jahr 2013, in dem Zhao kritisierte, das China ihrer Jugend sei ein Ort allgegenwärtiger Lügen gewesen. “Es fühlte sich an, als würde man niemals daraus hinausfinden. Vieles, was ich erfahren habe, als ich jung war, war nicht wahr – und ich wurde ziemlich rebellisch gegenüber meiner Familie und meinem Hintergrund.” Erst im Ausland, an einem liberalen College, habe sie herausgefunden, was wahr ist. Diese Worte hatten Sprengkraft – und der nationale Stolz verkehrte sich in Windeseile in landesoffizielle Ablehnung. Chinas Kinos stoppten daraufhin umgehend den geplanten Start ihres Films.

    China zensiert Oscar-Beiträge über Chloé Zhao

    Als nun am Montagmorgen Nutzer auf Weibo (Chinas Twitter) Zhaos Oscargewinn feierten, wurden ihre Einträge kurzerhand gelöscht. Auch die offiziellen Medien wie Xinhua oder CGTV ignorierten zunächst die Meldung, bis sich ebenjene Global Times im Verlauf des Tages doch noch zu einem vergifteten Editorial hinreißen ließ: Das Sozialdrama sei typisch amerikanisch und könne in keiner Weise mit dem wirklichen Leben von Chinesen in Zusammenhang gebracht werden.

    Um diese Zeilen zu verstehen, muss man wissen, um was es in Nomadland geht: Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Jessica Burger zeigt das behutsame Drama ein Land, das für seine Bürgerinnen und Bürger nicht mehr sorgen kann, oder es vielleicht auch gar nicht will. Männer und Frauen im Rentenalter ziehen mit Wohnmobilen durch das Land. Zeitarbeit und Gelegenheitsjob halten sie finanziell über Wasser; die Gemeinschaft, die die selbst erklärten Nomaden bilden, sorgt für den emotionalen Halt. Der Film spielt in den USA – und doch kommen dem Zuschauer unweigerlich die Schicksale der Millionen chinesischen Wanderarbeiter in den Sinn, die sich auf den Baustellen des Landes verdingen und so Chinas wirtschaftlichen Erfolg ermöglichen.

    Diesen Vergleich will die Global Times unter allen Umständen – und ergänzt: Selbst wenn der Film in China gezeigt würde, hätte er wohl keinerlei Erfolg. Vielmehr hofft man bei der staatlichen Zeitung, Zhao möge nun endlich erwachsen werden.

    In ihrer Oscarrede schien Zhao auf diese Schwierigkeiten anzuspielen: “Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, wie ich weitermache, wenn es kompliziert wird.” – und zitierte eine Zeile aus einem klassischen chinesischen Gedicht: “Menschen sind bei Geburt grundsätzlich gut.”

    Doch könnte Zhao mit diesen historischen Zeilen auch eine versteckte Nachricht in Richtung Heimat senden wollen. Denn besagtes Drei-Zeichen-Gedicht wurde vor allem von chinesischen Größen aus Politik und Wirtschaft rezitiert, um ihre Loyalität zu China und seiner Tradition zu bezeugen. Vielleicht kann sich das offizielle China doch noch etwas über den historischen Oscar-Erfolg von Chloé Zhao freuen. Michael Radunski

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    Dessert

    Auf dem Rücken der Lieferboten: Pekings Kartellbehörde nimmt die Liefer-App Meituan ins Visier. Die am Montag angekündigte Untersuchung kommt zwei Wochen, nachdem die Behörden gegen Alibaba eine Rekordstrafe von 2,8 Milliarden Dollar verhängt hatten. Vor gut einer Woche erst hatte Meituan zehn Milliarden Dollar an frischem Kapital bei Investoren besorgt.

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    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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