Table.Briefing: China

Taiwans neues U-Boot + Faesers Pläne für Huawei

Liebe Leserin, lieber Leser,

zwei Top-Politiker müssen am Feiertagswochenende ran: Finanzminister Christian Lindner und Vizepremier He Lifeng halten am Sonntag eine neue Runde des Finanzdialogs ab. Das Treffen war überfällig: Die vorige Runde fand vor der Pandemie statt. Der hochrangige Gesprächspartner für Lindner signalisiert zudem, dass China der FDP vorerst die Taiwan-Besuche und kritischen Äußerungen wichtiger Politikerinnen vergibt. Wir informieren Sie in der Montagsausgabe über das, was aus dem Dialog bekannt wird.

Mit Nancy Faeser zeigt sich eine weitere Ministerin kritisch gegenüber dem Wirtschaftspartner. Im Innenministerium formiert sich eine Strategie zum Umgang mit Telekom-Ausrüstung von Huawei. Falk Steiner hat aufgeschrieben, was bisher zu dem Vorhaben bekannt ist.

Der Narwal ist ein Wal, an dem vor allem der meterlange Stoßzahn auffällt. Er ist jetzt auch Namensgeber einer neuen Klasse von U-Booten, mit denen Taiwan seine Küsten schützen will. Präsidentin Tsai Ing-wen war bei Stapellauf des ersten Exemplars dabei. David Demes berichtet von der Verteidigungsfähigkeit der Insel: Die Regierung nimmt die Bedrohung durch China ernst und bereitet sich gezielt auf einen Invasionsversuch vor.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Taiwan rüstet gegen China auf

Präsidentin Tsai Ing-wen (Mitte) beim Stapellauf des ersten Unterseeboots der Haikun-Klasse auf der Marinewerft Kaohsiung.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat am Donnerstag in Kaohsiung das erste U-Boot aus heimischer Produktion getauft. “Was früher als unmöglich galt, steht heute vor uns”, lobte Tsai das Produkt der einheimischen Werft.

Taiwan reagiert mit dem ehrgeizigen Rüstungsprojekt auf die seit Jahren wachsende Bedrohung durch die Volksrepublik. Bei einem Pressetermin in Taipeh unterstrich Außenminister Joseph Wu am gleichen Tag die Bedeutung des Projekts für Taiwans Landesverteidigung. Die Entwicklung eines eigenen U-Bootes zeige Taiwans Entschlossenheit, sich selbst zu verteidigen, so der Minister gegenüber einer Gruppe ausländischer Journalistinnen und Journalisten. Wu sieht sein Land gut vorbereitet, will die Bedrohung vom Festland aber auch nicht kleinreden.

Taktiken in der Grauzone

Taiwan sieht sich seit 2016 vermehrt militärischem Druck aus China ausgesetzt. Peking setzt dabei auf sogenannte Grauzonen-Taktiken, die unter der Schwelle einer kriegerischen Auseinandersetzung bleiben, Taiwans Verteidigungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft aber nach und nach untergraben sollen. So schickt China zum Beispiel täglich Kampfflugzeuge vor die Küste der demokratisch regierten Insel. “Es sind aber nicht nur Militärflugzeuge, die sich Taiwan nähern, auch Chinas Kriegsschiffe kommen uns sehr nah. Vor ein paar Wochen haben sie uns mit 20 Schiffen umzingelt”, so Außenminister Wu.

Außenminister Joseph Wu am Donnerstag in Taipeh.

Die neuen U-Boote sollen auch dabei helfen, eine mögliche chinesische Blockade zu durchbrechen. Die Entwicklung und der Bau des dieselelektrisch betriebenen Gefährts haben den taiwanischen Steuerzahler anderthalb Milliarden US-Dollar gekostet. Bis 2027 soll noch ein weiteres U-Boot dazukommen.

Zusammen mit den zwei Booten aus niederländischer Produktion, die Taiwan bereits in den 1980er-Jahren erworben hat, würde die taiwanische Marine damit über vier aktive Unterseeboote verfügen. Sie könnte damit die Ostküste der Insel vor einem Angriff durch Chinas neue Flugzeugträger schützen. So der Plan.

Zweifel am Sinn der Großprojekte

Einige Experten sind allerdings der Ansicht, Taiwan hätte dieses Geld besser in asymmetrische Kapazitäten investieren sollen. Joseph Wu widerspricht dem entschieden. “Die Stärkung unserer allgemeinen Verteidigungsfähigkeiten, dazu gehören die Verbesserung unserer Luftwaffen- und Luftverteidigungsfähigkeiten sowie unserer Seestreitkräfte, ist ein Muss.” Das neue U-Boot sei Teil dieser Strategie. Die abschreckende Wirkung von U-Booten sei außerdem notwendig, um Kriege zu verhindern.

China führe immer häufigere und größere Militärmanöver in der Region durch, bestätigt Wu. Ziel dieser Übungen sei es, sich auf einen möglichen Angriff auf Taiwan und eine Intervention der USA vorzubereiten. “Auch unsere Wertepartner in der Region, die USA, Japan und so weiter, verfolgen diese Eskalation genau.” Die Zunahme der militärischen Bedrohung sei also durchaus real.

Vor den Wahlen steigt der Druck

Wu vermutet, dass hinter den Übungen auch der Versuch stecken könnte, Taiwans bevorstehende Wahlen zu beeinflussen und der Opposition eine bessere Chance zu verschaffen; diese steht tendenziell für eine Annäherung mit Peking.

Erfolgreicher als die militärischen Drohgebärden könnten die Versuche der Volksrepublik sein, Taiwans Wähler durch psychologische Kriegsführung und Desinformationen zu beeinflussen. Hier gehe es vor allem darum, das Image der USA als Schutzmacht Taiwans zu schädigen. “Sie wollen den Taiwanern weismachen, dass man den USA nicht trauen kann, dass die USA Taiwan nicht wirklich helfen wollen.” China schüre diese Amerika-Skepsis ganz bewusst.

Jagd auf Fake News

Gleichzeitig sei Taiwan im Kampf gegen chinesische Desinformation aber besser aufgestellt als viele andere Länder, so Wu. Das sei vor allem den Anstrengungen von Taiwans Zivilgesellschaft zu verdanken. NGOs wie das Doublethink Lab, Taiwan FactCheck Center, Cofacts und IORG leisteten “hervorragende Arbeit darin, die Menschen darüber aufzuklären, wie sie Medienkompetenz erlangen können”, sagt Wu.

Taiwan habe wegen der chinesischen Einflussoperationen erhebliche Expertise, was den Umgang mit Fake News angeht. “Viele Länder, besonders in Europa, sind von russischen Desinformationskampagnen betroffen. Inzwischen mischt auch China dort mit. Einige Länder bitten Taiwan, Experten – seien es Beamte oder NGO-Personal – zu entsenden, um unsere Erfahrungen mit ihnen zu teilen”, so der Minister.

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Testfall 5G: Wie China aus der Kritischen Infrastruktur verschwinden soll

Wie abhängig Unternehmen von funktionierender IT-Infrastruktur sind, zeigt das aktuelle Beispiel Volkswagen eindrücklich. Doch weitaus problematischer wäre es, wenn die Kommunikation in viel größerem Ausmaß gestört wäre. Das Bundesministerium für Inneres will deshalb die Regelungen für Mobilfunknetze deutlich verschärfen, mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes. Allein das Digitalministerium hat Bedenken – hinter den Kulissen wird auf Hochtouren debattiert. Dabei geht es um nicht weniger als die Umsetzung des De-Risking-Ansatzes – und die Telekommunikationsfirmen sind nur der Auftakt der Debatte.

Schon heute gilt: Im sogenannten Kernnetz ist der erste Einsatz von kritischen Komponenten anzeigepflichtig – drei Monate hat das BMI dann Zeit, den Einsatz zu verbieten. Diese Regelung des BSI-Gesetzes wurde 2021 eingeführt und sollte die Debatte um Huawei und ZTE, die beiden großen chinesischen Komponentenhersteller, vorläufig beenden.

Insbesondere die USA hatten vor deren Einsatz gewarnt, die EU hatte mit ihrer sogenannten 5G-Toolbox reagiert, mit der Mitgliedstaaten ihre Netze der Zukunft sicherer gestalten sollen: Möglichst einheitlich sollen die Staaten vorgehen – doch die innere und äußere Sicherheit ist kein vergemeinschafteter Bereich.

BMI erweitert Prüfungen kritischer Komponenten

Die bisherigen deutschen Regelungen weisen dabei massive Lücken auf: Sie wirken in der Praxis bislang nicht – was selbst das Bundesinnenministerium indirekt einräumt. Es hat die drei großen Mobilfunkbetreiber Telekom, Vodafone und Telefonica seit Frühjahr gleich mehrfach zu Stellungnahmen aufgefordert.

Bisher hat das BMI noch keine einzige Komponente wirklich verboten. Aber es ist weder mit den jetzigen Regeln noch mit dem derzeitigen Maß an Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten zufrieden. Weshalb der Blick nun geweitet wird: “Verfahrensgegenstand dieser ex-post Prüfungen sind – im Gegensatz zu den bereits erfolgten ex-ante-Prüfungen – alle in den jeweiligen öffentlichen 5G-Mobilfunknetzen der Betreiber bereits im Einsatz befindlichen kritischen Komponenten“, sagte eine Sprecherin. Damit wird jetzt die Lage evaluiert und anschließend soll eine Neuregelung erfolgen.

Dabei geht es um viel: Die Angst vor China auf der einen Seite, Kosten auf der anderen Seite. Im Kernnetzwerk setzt Vodafone in Deutschland keine Huawei-Hardware ein. Auch Telefonica hat im Jahr 2020 bereits entschieden, im Kernnetz auf den schwedischen Anbieter Ericsson zu setzen. Die Deutsche Telekom setzt auf Ericsson und zusätzlich den US-Softwareanbieter Avenir.

Ausweitung auf das Antennennetz geplant

Doch das BMI will offenbar auch im Antennennetz, dem RAN, nachsteuern. Und hier spielt Huawei noch eine große Rolle. Alle drei Anbieter setzen Technologie der Firma ein – neben anderen Herstellern. “Im Antennennetz kam es nie zu Auffälligkeiten einzelner Hersteller”, teilt Vodafone auf Table.Media-Anfrage mit.

Auch Telefonica und die Telekom betonen, sich stets an alle Vorgaben gehalten und auf Multi-Vendor-Strategien gesetzt zu haben, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Einen Fürsprecher haben die Anbieter im Bundesdigitalministerium, das auf bereits heute hohe Sicherheitsstandards verweist.

Netzbetreiber wollen Klagen

Die Netzbetreiber warnen vor den Folgen eines Verbots, das Regierungskreise für 2026 überlegt hatten. Vollkommen unrealistisch sei das, meint etwa die Deutsche Telekom: “Mit Blick auf Genehmigungsverfahren, verfügbare Kapazitäten bei alternativen Lieferanten, verfügbare Kapazitäten bei Bauunternehmen und dem von Kundschaft und Politik gewünschten weiteren Mobilfunkausbau ist ein Zieldatum für den RAN-Austausch bis 2026 realitätsfern.”

Und Telefonica warnt: “Sollte es zu einem Ausschluss von Komponenten kommen, muss entsprechend ein ausreichend langer Zeitraum für deren Austausch gegeben werden. Dies ist zur Aufrechterhaltung von Netzqualität und -leistung essenziell.” Wie viele Antennen- und zugehörige Bauteile tatsächlich getauscht werden müssten, wenn chinesische Anbieter unter staatlicher Kontrolle aus dem Netz verbannt würden, ist dabei unklar. Branchenschätzungen sprechen von etwa 25.000 Standorten mit in der Regel drei Antennen und zugehöriger Technik.

Röttgen: Mobilfunkfirmen sind selbst schuld

Telefonica kündigt deshalb an: “Für einen rückwirkend notwendigen Umbau des Netzes würde Telefónica zudem Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland prüfen.” Außerdem würde man Untersagungen auch von Gerichten prüfen lassen wollen, wenn das adäquat erscheine. Für CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sind die Provider selbst schuld. Es sei seit Jahren klar, wohin die Reise gehe: “Diese Warnungen wurden ignoriert.”

Dann würden die Anbieter eben auf den Kosten sitzen bleiben. Auch Staatshilfen beim Umbau sieht er kritisch: “Ich sehe keinen Grund, warum der Steuerzahler nun für die Profitgier einzelner Unternehmen aufkommen sollte, die bei vollem Bewusstsein auf niedrige Preise statt Sicherheit gesetzt haben.”

Portugal und Vereinigtes Königreich zeigen mögliche Konsequenzen

Dass ein Huawei-Verbot massive Folgen hätte, zeigt sich derzeit in Portugal. Die dortige Regierung hat durch Anpassungen an Technischen Sicherheitsrichtlinien aus Sicht des chinesischen Anbieters ein De-Facto-Verbot erlassen – die Firma hat deswegen am 31. August in Lissabon gegen den Sicherheitsausschuss der Aufsichtsbehörde Klage eingereicht. Zugleich halten Firmen der Volksrepublik Beteiligungen an wichtigen portugiesischen Unternehmen – als viertgrößter ausländischer Investor.

Portugiesische Zeitungen berichteten, dass China mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht habe. Eine andere Wirkung gibt es im Vereinigten Königreich: Wo die chinesischen Anbieter aus den Netzen heraus müssen, geht der Ausbau der 5G-Netze vergleichsweise langsam voran. Der benötigte Ersatz für Huawei-Produkte ist keineswegs leicht zu beschaffen und teuer.

Den Kunden drohen Offline-Löcher

Davor warnen auch deutsche Anbieter. Wenn flächendeckend die RAN-Elemente ausgetauscht werden müssten, würde das zudem an anderer Stelle Ausbaukapazitäten verringern. Wenn ausgetauscht würde, müssten dafür zudem temporär komplette Mastverbünde vom Netz gehen, heißt es von den Anbietern. Sprich: Die Nutzer in einem größeren Gebiet wären offline. “Uns erschließt sich nicht, warum den deutschen Mobilfunkkunden, die von einem der besten 5G Netze in Europa profitieren, vom BMI ohne Not wesentliche Qualitätsverluste zugemutet werden sollen”, teilt die Telekom mit.

Und Vodafone betont, man müsse “einen Weg finden, der Deutschlands digitale Infrastruktur optimal schützt, der aber nicht zulasten von Millionen Smartphone-Nutzern geht.” Das BMDV betont, dass es eine ausgewogene Lösung brauche: Es müsse dabei berücksichtigt werden, “dass die flächendeckende Versorgung mit stabilem, schnellem und bezahlbarem mobilen Internet gesichert bleibt, die Netzbetreiber die Herrschaft über ihr eigenes Netz behalten und keine Abhängigkeiten entstehen.”

Der nächste Schritt könnte daher sein: Die Antennen dürfen vorerst bleiben – aber die Technik im Antennennetz dahinter müsste bis 2026 ausgetauscht werden. Das wäre zwar ebenfalls nicht im Sinne der deutschen Anbieter, als Kompromiss aber einfacher und immerhin etwas kostengünstiger.

Deutsche Bahn-5G-Netz fällt nicht unter Regelung

Die Debatte um die chinesischen Anbieter bei Telekommunikationsunternehmen wird auch in anderen Branchen intensiv verfolgt. So will derzeit etwa die Deutsche Bahn, ihrerseits Teil der kritischen Infrastruktur, ihr 5G-Netz unter anderem mit Technologie von Huawei errichten. Mit dem Netz soll unter anderem das vor Jahresfrist mit zwei Kabelschnitten im Norden Deutschlands außer Gefecht gesetzte Bahnfunk-System GSM-R ersetzt werden.

Die Bahn schreibt derartige Leistungen aus – und muss als Unternehmen in öffentlicher Hand das günstigste Angebot nehmen. “Dass die Deutsche Bahn als 100-prozentiges Eigentum des Bundes und unter Aufsicht von Mitgliedern der Bundesregierung ihr IP-Netz mit chinesischen Komponenten bauen möchte, halte ich für skandalös”, zürnt Röttgen. “Hier wurde aus der 5G-Debatte nichts gelernt.”

Doch die Bahn fällt zwar unter Regelungen für kritische Infrastrukturen. Aber nicht unter die Sonderregelungen für Telekommunikationsnetze, mit denen chinesische Anbieter aus dem Netz verschwinden sollen. Das gilt auf europäischer Ebene, wie eine Kommissionssprecherin auf Anfrage von Table.Media bestätigt: Campusnetze könnten zwar höchst relevant sein. “Aber solche Netzwerke sind nicht Gegenstand des EU-Telekommunikations-Rahmens.” Und auch in Deutschland gibt es rechtlich bislang keine wirksame Handhabe. Denn diese sei in der “derzeitigen Fassung ausschließlich auf öffentliche 5G-Mobilfunknetze anwendbar“, wie das BMI auf Anfrage mitteilt. Und als öffentlich gelten sogenannte Campusnetze wie bei der Bahn eben nicht.

Weitere Betreiber Kritischer Infrastrukturen im Fokus

Mit dem Dachgesetz für kritische Infrastrukturen (Kritis) will das Bundesinnenministerium aber noch viel mehr ändern: Kritische Komponenten könnten in allen Anlagen künftig strenger reguliert werden – von Spezialschrauben über Chips und Campusnetze bis hin zu kompletten Anlagen.

Ein Sprecher des Verbands der Kommunalen Unternehmen sagt: “Dem VKU liegen aktuell keine Daten vor, die große Abhängigkeiten kommunaler Unternehmen von chinesischen Herstellern oder Lieferanten begründen.” Doch so ganz genau wisse man es eben nicht: “Abhängigkeiten in Teilbereichen lassen sich nicht ausschließen, beispielsweise im Glasfaserbereich aufgrund des relativ übersichtlichen Anbieterangebots bei aktiven Komponenten.” Wie viel China in kritischer Infrastruktur in Deutschland steckt, ist oft nicht einmal den Betreibern bewusst.

Die eigentliche Debatte um das praktische De-Risking hat also gerade erst begonnen. Für Norbert Röttgen ist es dafür höchste Zeit. Er mahnt: “Im Konfliktfall wird China jede Einflussmöglichkeit nutzen, um zugunsten der eigenen Interessen Druck auf die Bundesregierung auszuüben.”

  • Chips

Termine

02.10.2023, 18:00 Uhr (24:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Panel Discussion: Environment in Asia Series – Stevan Harrell’s “An Ecological History of Modern China” Mehr

03.10.2023, 14:30 Uhr (20:30 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Urban China Series Featuring Li Zhigang: China’s New Experiments of Urban Neighborhood Governance (auf Chinesisch) Mehr

04.10.2023, 10:00 Uhr
Konfuzius-Institut Universität Heidelberg, Musikalische Ausstellungsführung und Workshop Seidenstraßenklänge – Auf dem Weg zu Turandot Mehr

05.10.2023, 04:00 Uhr (10:00 Uhr Beijing time)
Yusof Ishak Institute, Webinar: Dealing with China’s Gray-Zone Strategy in the South China Sea Mehr

05.10.2023, 19:00 Uhr
C-Space Berlin, Pop-Up Teahouse Salon (in Berlin): “Emerging Chinese Art Community in Berlin? – Views from Berlin-based Chinese Diaspora Artists Mehr

05.10.2023, 22:00 Uhr (06.10., 04:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Critical Issues Confronting China featuring Yao Yang: China’s New Era: Reversing the Dire Consequences of 40 Years of Reform Mehr

05.10.2023, 21:00 Uhr (03:00 Uhr Beijing time)
SOAS University of London, Webinar: US-China rivalry for world superpower in 2023 Mehr

10.10.2023, 09:00 Uhr Beijing time
Venture Capital World Summit, Konferenz: Shanghai 2023 Venture Capital World Summit Mehr

17.10.2023, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Außenwirtschafts-Center Hongkong, Webinar: Recht Haben in Hongkong – Praxistipps vom Wirtschaftsanwalt Mehr

31.10.2023
Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung, Kongress (in Düsseldorf): Deutsch-Chinesischer Wirtschaftstag 2023 Mehr

News

Dritter Finanzdialog angekündigt

China und Deutschland halten zum dritten Mal einen bilateralen Finanzdialog auf höchster Ebene ab. Beide Länder werden das Treffen am kommenden Sonntag, den 1. Oktober gemeinsam ausrichten, teilte das chinesische Finanzministerium am Donnerstag mit. Der für Finanzfragen zuständige Vize-Ministerpräsident He Lifeng werde gemeinsam mit Bundesfinanzminister Christian Lindner dem Treffen vorsitzen, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning.

Nach den ersten zwei Finanzdialogen hatte es aufgrund der Corona-Pandemie eine mehrjährige Pause gegeben. In der letzten Gesprächsrunde im Januar 2019 hatten China und Deutschland Vereinbarungen zur Stärkung der Koordinierung auf den Banken-, Finanz- und Kapitalmärkten unterzeichnet. Auch verpflichteten sich beide Seiten, den Marktzugang im Finanzsektor weiter zu öffnen und die Zusammenarbeit zu vertiefen. In letzter Zeit wachen jedoch in der EU und auch in Deutschland Bedenken gegen eine zu enge Kooperation mit der Volksrepublik.

Die Agenda war zunächst nicht bekannt. Es gibt jedoch einige Knackpunkte in den Beziehungen. So kündigte die Regierung vergangene Woche Pläne an, die Telekommunikationsbetreiber zu Einschränkungen im Einsatz von Geräten der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE in ihren 5G-Netzen zu zwingen, nachdem eine Überprüfung eine übermäßige Abhängigkeit von diesen Anbietern ergeben habe. Auch reagierte China verärgert auf die Aussage von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, dass Staatschef Xi Jinping ein Diktator sei. Ob diese Streitpunkte den Dialog überschatten, ist noch unklar. ck/rtr

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Abgeordnete kritisieren Baerbock für China-Strategie

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat am Donnerstag im Bundestag die im Juni von der Ampel-Regierung vorgestellte China-Strategie verteidigt. “China verändert sich als Partner, als Wettbewerber und zunehmend als systemischer Rivale”, sagte Baerbock. “Wir dürfen diese Entwicklung weder übersehen noch übergehen.”

Sorge bereite ihr vor allem Chinas Außenpolitik, die sich durch “Unterstützung für Assad, diplomatische Beziehungen zu den Taliban und ein immer offensiveres Vorgehen im Indopazifik” auszeichne. Baerbock verwies auf eine neue Landkarte der chinesischen Regierung, um ihre territorialen Ansprüche in Ostasien zu unterstreichen. Dies seien “Ansprüche, die fast das ganze Südchinesische Meer bis unmittelbar vor die Küsten der anderen Anrainerstaaten betreffen und Territorialkonflikte mit anderen Staaten unterstreichen”. 

Mit ihrer China-Strategie gebe die Bundesregierung den Beziehungen zu der Volksrepublik erstmals einen festen Rahmen, sagte Baerbock. “Wir wollen überall dort kooperieren, wo das möglich ist – aber auf Grundlage fairer Regeln.”

Opposition beklagt schöne Worte statt starker Taten

Von der Opposition kam prompt Kritik an dieser positiven Darstellung. Zu oft täte die Bundesregierung das Gegenteil von dem, was sie aufgeschrieben hat, kritisierte Jens Spahn von der CDU. Es sei richtig, zu diversifizieren, um die Risiken mit China zu minimieren. Die Verhandlungen etwa um das Freihandelsabkommen mit Lateinamerika, Mercosur, würden aber so überfrachtet mit zusätzlichen Vorschlägen, dass es gar nicht zu einem Abschluss komme. Erste Länder Lateinamerikas wollten aussteigen. Deutschland könne Motor für neue Handelsverträge sein, sagte Spahn. “Aber zu sehen ist nichts von der Bundesregierung.” 

Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch warf Baerbock vor, durch kritische Äußerungen und bewusste Abgrenzung Konflikte mit China zu schüren. “Das ist ein Spiel mit dem Feuer”, sagte Lötzsch. Anstatt China als Rivalen einzustufen, müsse Deutschland die Volksrepublik “als Partner sehen – und dort, wo es nötig ist, als Partner zurückgewinnen”. In “fünf Jahrzehnten harter Arbeit” hätten frühere Bundesregierungen das Verhältnis zu China aufgebaut, wetterte der AFD-Abgeordnete Petr Bystron. “Sie zertrampeln alles, was diese aufgebaut haben.”

Baerbock hatte vergangene Woche in einem Interview mit dem US-Sender Fox News Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping als “Diktator” bezeichnet und damit nicht nur in Peking für Unmut gesorgt. Auch Mitarbeiter in ihrem eigenen Ministerium werfen ihr dager fehlendes Gespür für Diplomatie vor, sie würde mit solchen Äußerungen unnötig Porzellan zerschlagen. Baerbocks Klima-Sonderbeauftragte Jennifer Morgan bekam das bei ihrem derzeitigen Besuch in Peking zu spüren. Kein ranggleicher Beamter auf chinesischer Seite war bereit, sie zu empfangen. flee

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Importstopp für Meeresfrüchte trifft Japans Fischer

Die japanische Ausfuhr von Fisch und Meeresfrüchten nach China ist im August im Vergleich zum Vorjahr um 76 Prozent gefallen. Grund ist die Importbeschränkung nach Japans Beschluss, radioaktives Wasser aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima in den Pazifik abzulassen. China ist der wichtigste Markt für Japans Fischereiindustrie.

Auch Russland als Chinas Verbündeter erwägt, die Importe von Fischereiprodukten aus Japan einzuschränken. Als Grund wird die Gefahr radioaktiver Belastung genannt. Die Wassermengen, die Japan jährlich freisetzt, sind allerdings klein und die Belastung mit dem Wasserstoffisotop Tritium gilt als vernachlässigbar. Russland selbst gibt an, keine erhöhten Werte in Proben an der eigenen Küste festgestellt zu haben. Japan ist umgekehrt ein wichtiger Abnehmer von Fisch aus Russland. fin

  • Handel
  • Japan

Airlines bestellen hundert C919 bei Comac

China Eastern Airlines hat eine Großbestellung von 100 Flugzeugen des Typs C919 beim chinesischen Flugzeugbauer Comac aufgegeben, berichtet Bloomberg. Der Auftrag hat nach Listenpreis ein Volumen von 9,9 Milliarden US-Dollar, aufgrund der Großbestellung gab es nach Angaben der Airline allerdings einen deutlichen Rabatt. Die Flugzeuge werden zwischen 2024 und 2031 ausgeliefert.

Die Comac C919 ist das erste vollständig in der Volksrepublik entwickelte Passagierflugzeug und wurde erstmals im Dezember 2022 ausgeliefert. Der chinesische Flugzeugbauer mausert sich damit zu einem Konkurrenten für die Konzerne Boeing und Airbus, die den chinesischen Markt bisher unter sich aufgeteilt haben. Aktuell liegt Comacs Produktionsziel für die C919 allerdings nur bei jährlich 150 Flugzeugen, allzu schnell dürfte der Absatz sich damit nicht verschieben.

Eine Marktanalyse von Boeing zeigt, dass in den nächsten 20 Jahren ein Fünftel aller neuen Flugzeuge in China ausgeliefert werden, in absoluten Zahlen 8.560 Flugzeuge. Ein Großteil davon, etwa 6.500 Flugzeuge, sind Schmalrumpfflugzeuge wie die Comac C919, der A320 oder die Boeing 737.

Während Airbus im vergangenen Jahr noch einen Großauftrag von 100 Flugzeugen mit China Eastern unterzeichnen konnte, sieht es in den Auftragsbüchern von Boeing für den chinesischen Markt nicht so gut aus. China ist für Boeing der wichtigste Exportmarkt, doch der amerikanische Hersteller leidet unter der angespannten politischen Situation zwischen den USA und China. Das bekam Boeing bereits zu spüren, als der Flugzeugtyp 737 Max wegen zweier Abstürze in China deutlich länger am Boden bleiben musste als anderswo: Während die Flugzeuge im Rest der Welt ab 2018 und 2019 wieder abheben durften, wurden sie in China erst 2021 wieder zugelassen. jul

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Lockerung von grenzüberschreitenden Datentransfers

Chinas nationale Internetregulierungsbehörde, die Cyberspace Administration of China (CAC), zieht eine Lockerung der Regelungen zum internationalen Datentransfer in Betracht. Gelockert werden könnten insbesondere Sicherheitsüberprüfungen für den Datenexport im Bereich des internationalen Handels, akademischer Zusammenarbeit, grenzüberschreitender Produktion und Marketing, wenn diese keine persönlichen oder wichtigen Daten enthalten.

Zudem will die CAC Sicherheitsüberprüfungen für den Datenexport in bestimmten Situationen möglicherweise ganz abschaffen, zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Einkäufen, Hotelreservierungen, der Anstellung von Arbeitnehmern oder der Verarbeitung von Visaanträgen, bei denen persönliche Daten ins Ausland übertragen werden müssen.

Der korrekte Umgang mit Daten aller Art ist für in China tätige Unternehmen ein wichtiges Compliance-Thema, das oftmals schwer zu durchschauen ist. Hier gelten mehrere Gesetze, die zum Teil klare Richtlinien vorgeben, an anderen Stellen aber schwammig formuliert sind und daher wenig Klarheit bieten und Sorgen vor unbeabsichtigtem Fehlverhalten schüren. Zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben müssen Unternehmen nicht selten erhebliche Zusatzinvestitionen tätigen. Alex Roberts, ein in Shanghai ansässiger Anwalt bei der Kanzlei Linklaters, nannte die neuen Regeln “ein großartiges Signal für ausländische Investitionen und Handel in China.”

Laut dem chinesischen Cybersecurity-Gesetz, das seit 2017 gilt, müssen Unternehmen ihre relevanten Daten in China speichern und dürfen diese nur unter besonderen Voraussetzungen exportieren. Seit 2021 gilt zudem ein Gesetz zum Schutz personenbezogener Informationen. jul/rtr

Presseschau

U.S., China Talks Gain Momentum, Paving Way for Xi-Biden Summit WSJ
Bundestag diskutiert Leitlinien: Wie soll Deutschland mit China umgehen? N-TV
Xi reiterates desire for China’s “complete reunification” NHK
“Darf nie so weit kommen”: So bereitet sich Taiwan auf einen Krieg mit China vor MERKUR
Inselstaat alarmiert: China eröffnet Schnellzugstrecke vor Taiwans Küste N-TV
China wants to be world’s “dominant power”, says Blinken STRAITSTIMES
China: Macht ohne Schranken SUEDDEUTSCHE
U-Boot aus Eigenproduktion: Ein “Narwal” für Taiwan TAGESSCHAU
Nicht nur in Deutschland ein Problem: Engpass beim Stromnetz bedroht die Energiewende in China und den USA FOCUS
Seltene Erden: China kauft die Hälfte aller Lithium-Minen weltweit ELEKTRONIK-PRAXIS
China makes large purchases of Ukrainian corn AGRICULTURE
Immobilienkrise in China: Handel mit Evergrande-Aktien gestoppt SPIEGEL
Es könnte bis zu einem Jahrzehnt dauern, Chinas Immobilienkrise zu lösen – warnt ein Ökonom, der in China zensiert wurde BUSINESSINSIDER
Weitere Milliarden für die Chipfertigung: China findet nicht genug Investoren HEISE
China’s Nio explores investment, tech alliances with Mercedes BUSINESSTIMES
Partnerschaft mit Longi: Enercity bietet Kunden künftig Solarmodule aus China an HAZ
Therme Erding: Offenbar ist Nachbau in China geplant SUEDDEUTSCHE
China takes back pandas from zoos in U.S., U.K. WASHINGTONPOST
Hongkong: China geht gegen Künstler vor – Säule der Schande weggeräumt TAGESANZEIGER

Kolumne

Die Partei erstickt die Popszene

China hat seit Jahren keine neuen Pop-Superstars mehr hervorgebracht. Stattdessen wurden ganze Heerscharen von Sternchen herangezüchtet, um die unterschiedlichen Vorlieben der Jugend zu bedienen. Echte Hits haben sie keine gelandet. Auch die etablierten Superstars, die hin und wieder noch Konzerte für nostalgische Fans geben, haben keine neuen Songs herausgebracht.

In den letzten beiden Monaten allerdings sind zwei neue Songs im ganzen Land viral gegangen. Ihr Erfolg beruht weniger auf musikalischer Tiefe als auf den ergreifenden Texten: Sie spiegeln unterdrückte Frustration, die Wut auf eine absurde Realität und ein überwältigendes Gefühl der Hilflosigkeit in der Bevölkerung wider.

Literaturzitate mit subtilen Hinweisen

Eines der Lieder stammt von Daolang (刀郎), einem 52 Jahre alten Sänger, der vor zwei Jahrzehnten große Erfolge feierte, um den es in letzter Zeit aber still geworden war. Im Juli veröffentlichte er den Titel “Luocha Haishi”. Der Text basiert auf den “Seltsamen Geschichten aus dem Liao-Studierzimmer” von Pu Songling (蒲松龄 1640-1715). Die Erzählung, die an Jonathan Swifts “Gullivers Reisen” erinnert, schildert die Erlebnisse eines jungen Mannes in Luocha, einem Land, in dem die Schönheitsideale umgekehrt sind: Die Hässlichen gelten als attraktiv, die Schönen als hässlich. Außerdem wird der soziale Status durch das Aussehen bestimmt, und diejenigen, die nach den Maßstäben von Luocha als schön gelten, stehen in der Hierarchie weiter oben.

Der Song ist im Stil einer Ballade mit Volksmusikelementen aus dem Nordosten Chinas komponiert. Beim Schreiben fügte der Sänger dem Text einige Details und Kommentare hinzu, die in der Vorlage nicht vorkommen. Er singt über Hühner, die glauben, sie seien Esel, während die Esel sich selbst als Hühner wahrnehmen. Nach der Stelle “Prostituierte versuchen immer, vornehm zu wirken, Eunuchen lieben Macht und Ansehen”, endet das Lied mit einer philosophischen Wendung: “Huhn oder Esel … was Wittgenstein behandelte, ist eine fundamentale Frage der Menschheit.”

Das Lied löste zahlreiche Interpretationsversuche und Kommentare aus. Einige behaupteten, Daolang mache sich auf subtile Art und Weise über die Größen der chinesischen Popszene lustig, die ihn einst geächtet hatten. Andere waren der Meinung, der Song beschreibe treffend die Mühen der Jugend, die sich in einer Welt zurechtfinden muss, die ihren Idealen zuwiderläuft. Über eines waren sich die Kommentare einig: Das Lied zieht die in China vorherrschenden Werte und Normen geschickt ins Lächerliche.

Kritisches Social-Media-Sternchen

Vergangene Woche wurde dann auf Wechat, Douyin (der chinesischen Version von Tiktok) und anderen Social-Media-Plattformen ein Lied aus einer TV-Pop-Show rasch sehr beliebt. Die 35 Jahre alte Schauspielerin Ren Suxi (任素汐) singt den Song gemeinsam mit der Band Wayina. Viele Zuhörer schrieben, das Lied habe sie zu Tränen gerührt.

Die vielseitig talentierte Ren hatte zuvor das einzige veröffentlichte Lied über Chinas strenge Corona-Maßnahmen während der Lockdowns geschrieben und gesungen. Das nur 48 Sekunden kurze Lied erschien im April 2020 und wurde vielfach im Internet geteilt, bevor es die staatlichen Zensoren nach zwei Tagen löschten.

Der Text lautet: “In jenem Jahr wurden Babys geboren / In jenem Jahr verloren die Menschen ihre Lebensgrundlage / In jenem Jahr waren die Herzen voller Wut und Hass / In jenem Jahr wechselten sich Leben und Tod ab / In jenem Jahr waren die Straßen leer / In jenem Jahr atmeten wir vorsichtig / In jenem Jahr wurden stolze Menschen hinter Eisenzäune gesperrt / In jenem Jahr weinten die Menschen um den verstorbenen Qing / In jenem Jahr konnten wir Tag und Nacht nicht unterscheiden / In jenem Jahr sehnten wir uns nach sonnigen Tagen.”

Die Passage “die Menschen weinten um den verstorbenen Qing” war besonders auffällig, da sie als versteckte Kritik an der derzeitigen Regierung verstanden werden kann: Die Qing-Dynastie war in ihren letzten Jahren ein gescheitertes Regime, das letztendlich durch Unruhen und Aufstände zu Fall gebracht wurde.

Eine Ballade bündelt aktuelle Sorgen

In ihrem aktuellen Song singt Ren zusammen mit der Band eine traurige Ballade, die ebenfalls die Sorgen, Gefühle und Nöte verschiedener Altersgruppen in China wiedergibt: Erschöpfung, Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit, unterstrichen durch den stets wiederholten Refrain “Was soll ich tun?”

Auszüge:

“Ich bin zwölf Jahre alt und war noch nie von zu Hause weg. Ich gehe auf die Mittelschule. Aber sie ist Dutzende von Kilometern von zu Hause entfernt. Was soll ich tun?

Ich bin 18 und habe es nicht auf die Uni geschafft. Soll ich es noch einmal versuchen oder mir einen Job suchen?

Ich bin nach Shenzhen gekommen und eine Weile umhergezogen, konnte aber keinen Job finden. Das Geld wird knapp, was soll ich tun?

Ich bin 28 und habe ein Date. Ich habe ihre Geschwister auf der Straße getroffen.
Ihre Schwester fragte: ‘Wie willst du ohne feste Arbeit ein Haus kaufen? Willst du Kinder?’
Völlig überrumpelt rannte ich weg. Was soll ich tun?

Ich bin 38 und mein Kind ist ein gutes Mädchen. Ich möchte mehr Zeit mit ihr verbringen, aber ich muss Überstunden machen. Brot, Schule und Krankenhaus. Ich arbeite wie eine Maschine, kann nicht aufhören, was soll ich tun?

Ich bin 58 Jahre alt. Mein zweiter Sohn ist geschieden, und ich soll mich um sein Kind kümmern. Er sagte, er wolle sein Glück versuchen, solange er noch jung ist, vielleicht könne er besser zurückkommen. Was soll ich tun?

Ich bin 78, und plötzlich breche ich zusammen. Ich liege in einem Krankenhausbett und die Zeit kommt mir ewig vor. Was soll ich tun?

Hilflos wie ein Kind angesichts des Unbekannten tue ich vor meinem Mann so, als ob es mir gut ginge, und sage, es sei nur ein kleines Hindernis auf dem Weg …

Wenn das Leben nur ein Traum ist, was würdest du dann tun …?”

Das Lied trägt den Titel “Großer Traum” (大梦 Da Meng), eine Anspielung auf eine literarische Redewendung, die den “Großen Traum” als Metapher für das Leben verwendet. Dennoch kommt man nicht umhin, an Xi Jinpings prächtiges Konzept des “Chinesischen Traums” zu denken. Es ist ein Wunder, dass weder Luocha Haishi noch Da Meng bisher verboten wurden.

  • Gesellschaft
  • Kultur

Personalien

Aadil Brar wird neuer China-Reporter für das US-Magazin Newsweek. Er wird von Taipei aus arbeiten und die US-China-Beziehungen im Fokus haben.

Chen Huaping wurde zum Vorsitzenden der China Securities Regulatory Commission ernannt. Er leitet nun die Wertpapieraufsicht.

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Dessert

Die Asienspiele in Hangzhou gehen weiter. Zu sehen sind Feng Yingying aus China im blauen Gi und Gulnoza Matniyazova aus Usbekistan beim Halbfinale im Judo.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    zwei Top-Politiker müssen am Feiertagswochenende ran: Finanzminister Christian Lindner und Vizepremier He Lifeng halten am Sonntag eine neue Runde des Finanzdialogs ab. Das Treffen war überfällig: Die vorige Runde fand vor der Pandemie statt. Der hochrangige Gesprächspartner für Lindner signalisiert zudem, dass China der FDP vorerst die Taiwan-Besuche und kritischen Äußerungen wichtiger Politikerinnen vergibt. Wir informieren Sie in der Montagsausgabe über das, was aus dem Dialog bekannt wird.

    Mit Nancy Faeser zeigt sich eine weitere Ministerin kritisch gegenüber dem Wirtschaftspartner. Im Innenministerium formiert sich eine Strategie zum Umgang mit Telekom-Ausrüstung von Huawei. Falk Steiner hat aufgeschrieben, was bisher zu dem Vorhaben bekannt ist.

    Der Narwal ist ein Wal, an dem vor allem der meterlange Stoßzahn auffällt. Er ist jetzt auch Namensgeber einer neuen Klasse von U-Booten, mit denen Taiwan seine Küsten schützen will. Präsidentin Tsai Ing-wen war bei Stapellauf des ersten Exemplars dabei. David Demes berichtet von der Verteidigungsfähigkeit der Insel: Die Regierung nimmt die Bedrohung durch China ernst und bereitet sich gezielt auf einen Invasionsversuch vor.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Taiwan rüstet gegen China auf

    Präsidentin Tsai Ing-wen (Mitte) beim Stapellauf des ersten Unterseeboots der Haikun-Klasse auf der Marinewerft Kaohsiung.

    Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat am Donnerstag in Kaohsiung das erste U-Boot aus heimischer Produktion getauft. “Was früher als unmöglich galt, steht heute vor uns”, lobte Tsai das Produkt der einheimischen Werft.

    Taiwan reagiert mit dem ehrgeizigen Rüstungsprojekt auf die seit Jahren wachsende Bedrohung durch die Volksrepublik. Bei einem Pressetermin in Taipeh unterstrich Außenminister Joseph Wu am gleichen Tag die Bedeutung des Projekts für Taiwans Landesverteidigung. Die Entwicklung eines eigenen U-Bootes zeige Taiwans Entschlossenheit, sich selbst zu verteidigen, so der Minister gegenüber einer Gruppe ausländischer Journalistinnen und Journalisten. Wu sieht sein Land gut vorbereitet, will die Bedrohung vom Festland aber auch nicht kleinreden.

    Taktiken in der Grauzone

    Taiwan sieht sich seit 2016 vermehrt militärischem Druck aus China ausgesetzt. Peking setzt dabei auf sogenannte Grauzonen-Taktiken, die unter der Schwelle einer kriegerischen Auseinandersetzung bleiben, Taiwans Verteidigungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft aber nach und nach untergraben sollen. So schickt China zum Beispiel täglich Kampfflugzeuge vor die Küste der demokratisch regierten Insel. “Es sind aber nicht nur Militärflugzeuge, die sich Taiwan nähern, auch Chinas Kriegsschiffe kommen uns sehr nah. Vor ein paar Wochen haben sie uns mit 20 Schiffen umzingelt”, so Außenminister Wu.

    Außenminister Joseph Wu am Donnerstag in Taipeh.

    Die neuen U-Boote sollen auch dabei helfen, eine mögliche chinesische Blockade zu durchbrechen. Die Entwicklung und der Bau des dieselelektrisch betriebenen Gefährts haben den taiwanischen Steuerzahler anderthalb Milliarden US-Dollar gekostet. Bis 2027 soll noch ein weiteres U-Boot dazukommen.

    Zusammen mit den zwei Booten aus niederländischer Produktion, die Taiwan bereits in den 1980er-Jahren erworben hat, würde die taiwanische Marine damit über vier aktive Unterseeboote verfügen. Sie könnte damit die Ostküste der Insel vor einem Angriff durch Chinas neue Flugzeugträger schützen. So der Plan.

    Zweifel am Sinn der Großprojekte

    Einige Experten sind allerdings der Ansicht, Taiwan hätte dieses Geld besser in asymmetrische Kapazitäten investieren sollen. Joseph Wu widerspricht dem entschieden. “Die Stärkung unserer allgemeinen Verteidigungsfähigkeiten, dazu gehören die Verbesserung unserer Luftwaffen- und Luftverteidigungsfähigkeiten sowie unserer Seestreitkräfte, ist ein Muss.” Das neue U-Boot sei Teil dieser Strategie. Die abschreckende Wirkung von U-Booten sei außerdem notwendig, um Kriege zu verhindern.

    China führe immer häufigere und größere Militärmanöver in der Region durch, bestätigt Wu. Ziel dieser Übungen sei es, sich auf einen möglichen Angriff auf Taiwan und eine Intervention der USA vorzubereiten. “Auch unsere Wertepartner in der Region, die USA, Japan und so weiter, verfolgen diese Eskalation genau.” Die Zunahme der militärischen Bedrohung sei also durchaus real.

    Vor den Wahlen steigt der Druck

    Wu vermutet, dass hinter den Übungen auch der Versuch stecken könnte, Taiwans bevorstehende Wahlen zu beeinflussen und der Opposition eine bessere Chance zu verschaffen; diese steht tendenziell für eine Annäherung mit Peking.

    Erfolgreicher als die militärischen Drohgebärden könnten die Versuche der Volksrepublik sein, Taiwans Wähler durch psychologische Kriegsführung und Desinformationen zu beeinflussen. Hier gehe es vor allem darum, das Image der USA als Schutzmacht Taiwans zu schädigen. “Sie wollen den Taiwanern weismachen, dass man den USA nicht trauen kann, dass die USA Taiwan nicht wirklich helfen wollen.” China schüre diese Amerika-Skepsis ganz bewusst.

    Jagd auf Fake News

    Gleichzeitig sei Taiwan im Kampf gegen chinesische Desinformation aber besser aufgestellt als viele andere Länder, so Wu. Das sei vor allem den Anstrengungen von Taiwans Zivilgesellschaft zu verdanken. NGOs wie das Doublethink Lab, Taiwan FactCheck Center, Cofacts und IORG leisteten “hervorragende Arbeit darin, die Menschen darüber aufzuklären, wie sie Medienkompetenz erlangen können”, sagt Wu.

    Taiwan habe wegen der chinesischen Einflussoperationen erhebliche Expertise, was den Umgang mit Fake News angeht. “Viele Länder, besonders in Europa, sind von russischen Desinformationskampagnen betroffen. Inzwischen mischt auch China dort mit. Einige Länder bitten Taiwan, Experten – seien es Beamte oder NGO-Personal – zu entsenden, um unsere Erfahrungen mit ihnen zu teilen”, so der Minister.

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    Testfall 5G: Wie China aus der Kritischen Infrastruktur verschwinden soll

    Wie abhängig Unternehmen von funktionierender IT-Infrastruktur sind, zeigt das aktuelle Beispiel Volkswagen eindrücklich. Doch weitaus problematischer wäre es, wenn die Kommunikation in viel größerem Ausmaß gestört wäre. Das Bundesministerium für Inneres will deshalb die Regelungen für Mobilfunknetze deutlich verschärfen, mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes. Allein das Digitalministerium hat Bedenken – hinter den Kulissen wird auf Hochtouren debattiert. Dabei geht es um nicht weniger als die Umsetzung des De-Risking-Ansatzes – und die Telekommunikationsfirmen sind nur der Auftakt der Debatte.

    Schon heute gilt: Im sogenannten Kernnetz ist der erste Einsatz von kritischen Komponenten anzeigepflichtig – drei Monate hat das BMI dann Zeit, den Einsatz zu verbieten. Diese Regelung des BSI-Gesetzes wurde 2021 eingeführt und sollte die Debatte um Huawei und ZTE, die beiden großen chinesischen Komponentenhersteller, vorläufig beenden.

    Insbesondere die USA hatten vor deren Einsatz gewarnt, die EU hatte mit ihrer sogenannten 5G-Toolbox reagiert, mit der Mitgliedstaaten ihre Netze der Zukunft sicherer gestalten sollen: Möglichst einheitlich sollen die Staaten vorgehen – doch die innere und äußere Sicherheit ist kein vergemeinschafteter Bereich.

    BMI erweitert Prüfungen kritischer Komponenten

    Die bisherigen deutschen Regelungen weisen dabei massive Lücken auf: Sie wirken in der Praxis bislang nicht – was selbst das Bundesinnenministerium indirekt einräumt. Es hat die drei großen Mobilfunkbetreiber Telekom, Vodafone und Telefonica seit Frühjahr gleich mehrfach zu Stellungnahmen aufgefordert.

    Bisher hat das BMI noch keine einzige Komponente wirklich verboten. Aber es ist weder mit den jetzigen Regeln noch mit dem derzeitigen Maß an Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten zufrieden. Weshalb der Blick nun geweitet wird: “Verfahrensgegenstand dieser ex-post Prüfungen sind – im Gegensatz zu den bereits erfolgten ex-ante-Prüfungen – alle in den jeweiligen öffentlichen 5G-Mobilfunknetzen der Betreiber bereits im Einsatz befindlichen kritischen Komponenten“, sagte eine Sprecherin. Damit wird jetzt die Lage evaluiert und anschließend soll eine Neuregelung erfolgen.

    Dabei geht es um viel: Die Angst vor China auf der einen Seite, Kosten auf der anderen Seite. Im Kernnetzwerk setzt Vodafone in Deutschland keine Huawei-Hardware ein. Auch Telefonica hat im Jahr 2020 bereits entschieden, im Kernnetz auf den schwedischen Anbieter Ericsson zu setzen. Die Deutsche Telekom setzt auf Ericsson und zusätzlich den US-Softwareanbieter Avenir.

    Ausweitung auf das Antennennetz geplant

    Doch das BMI will offenbar auch im Antennennetz, dem RAN, nachsteuern. Und hier spielt Huawei noch eine große Rolle. Alle drei Anbieter setzen Technologie der Firma ein – neben anderen Herstellern. “Im Antennennetz kam es nie zu Auffälligkeiten einzelner Hersteller”, teilt Vodafone auf Table.Media-Anfrage mit.

    Auch Telefonica und die Telekom betonen, sich stets an alle Vorgaben gehalten und auf Multi-Vendor-Strategien gesetzt zu haben, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Einen Fürsprecher haben die Anbieter im Bundesdigitalministerium, das auf bereits heute hohe Sicherheitsstandards verweist.

    Netzbetreiber wollen Klagen

    Die Netzbetreiber warnen vor den Folgen eines Verbots, das Regierungskreise für 2026 überlegt hatten. Vollkommen unrealistisch sei das, meint etwa die Deutsche Telekom: “Mit Blick auf Genehmigungsverfahren, verfügbare Kapazitäten bei alternativen Lieferanten, verfügbare Kapazitäten bei Bauunternehmen und dem von Kundschaft und Politik gewünschten weiteren Mobilfunkausbau ist ein Zieldatum für den RAN-Austausch bis 2026 realitätsfern.”

    Und Telefonica warnt: “Sollte es zu einem Ausschluss von Komponenten kommen, muss entsprechend ein ausreichend langer Zeitraum für deren Austausch gegeben werden. Dies ist zur Aufrechterhaltung von Netzqualität und -leistung essenziell.” Wie viele Antennen- und zugehörige Bauteile tatsächlich getauscht werden müssten, wenn chinesische Anbieter unter staatlicher Kontrolle aus dem Netz verbannt würden, ist dabei unklar. Branchenschätzungen sprechen von etwa 25.000 Standorten mit in der Regel drei Antennen und zugehöriger Technik.

    Röttgen: Mobilfunkfirmen sind selbst schuld

    Telefonica kündigt deshalb an: “Für einen rückwirkend notwendigen Umbau des Netzes würde Telefónica zudem Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland prüfen.” Außerdem würde man Untersagungen auch von Gerichten prüfen lassen wollen, wenn das adäquat erscheine. Für CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sind die Provider selbst schuld. Es sei seit Jahren klar, wohin die Reise gehe: “Diese Warnungen wurden ignoriert.”

    Dann würden die Anbieter eben auf den Kosten sitzen bleiben. Auch Staatshilfen beim Umbau sieht er kritisch: “Ich sehe keinen Grund, warum der Steuerzahler nun für die Profitgier einzelner Unternehmen aufkommen sollte, die bei vollem Bewusstsein auf niedrige Preise statt Sicherheit gesetzt haben.”

    Portugal und Vereinigtes Königreich zeigen mögliche Konsequenzen

    Dass ein Huawei-Verbot massive Folgen hätte, zeigt sich derzeit in Portugal. Die dortige Regierung hat durch Anpassungen an Technischen Sicherheitsrichtlinien aus Sicht des chinesischen Anbieters ein De-Facto-Verbot erlassen – die Firma hat deswegen am 31. August in Lissabon gegen den Sicherheitsausschuss der Aufsichtsbehörde Klage eingereicht. Zugleich halten Firmen der Volksrepublik Beteiligungen an wichtigen portugiesischen Unternehmen – als viertgrößter ausländischer Investor.

    Portugiesische Zeitungen berichteten, dass China mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht habe. Eine andere Wirkung gibt es im Vereinigten Königreich: Wo die chinesischen Anbieter aus den Netzen heraus müssen, geht der Ausbau der 5G-Netze vergleichsweise langsam voran. Der benötigte Ersatz für Huawei-Produkte ist keineswegs leicht zu beschaffen und teuer.

    Den Kunden drohen Offline-Löcher

    Davor warnen auch deutsche Anbieter. Wenn flächendeckend die RAN-Elemente ausgetauscht werden müssten, würde das zudem an anderer Stelle Ausbaukapazitäten verringern. Wenn ausgetauscht würde, müssten dafür zudem temporär komplette Mastverbünde vom Netz gehen, heißt es von den Anbietern. Sprich: Die Nutzer in einem größeren Gebiet wären offline. “Uns erschließt sich nicht, warum den deutschen Mobilfunkkunden, die von einem der besten 5G Netze in Europa profitieren, vom BMI ohne Not wesentliche Qualitätsverluste zugemutet werden sollen”, teilt die Telekom mit.

    Und Vodafone betont, man müsse “einen Weg finden, der Deutschlands digitale Infrastruktur optimal schützt, der aber nicht zulasten von Millionen Smartphone-Nutzern geht.” Das BMDV betont, dass es eine ausgewogene Lösung brauche: Es müsse dabei berücksichtigt werden, “dass die flächendeckende Versorgung mit stabilem, schnellem und bezahlbarem mobilen Internet gesichert bleibt, die Netzbetreiber die Herrschaft über ihr eigenes Netz behalten und keine Abhängigkeiten entstehen.”

    Der nächste Schritt könnte daher sein: Die Antennen dürfen vorerst bleiben – aber die Technik im Antennennetz dahinter müsste bis 2026 ausgetauscht werden. Das wäre zwar ebenfalls nicht im Sinne der deutschen Anbieter, als Kompromiss aber einfacher und immerhin etwas kostengünstiger.

    Deutsche Bahn-5G-Netz fällt nicht unter Regelung

    Die Debatte um die chinesischen Anbieter bei Telekommunikationsunternehmen wird auch in anderen Branchen intensiv verfolgt. So will derzeit etwa die Deutsche Bahn, ihrerseits Teil der kritischen Infrastruktur, ihr 5G-Netz unter anderem mit Technologie von Huawei errichten. Mit dem Netz soll unter anderem das vor Jahresfrist mit zwei Kabelschnitten im Norden Deutschlands außer Gefecht gesetzte Bahnfunk-System GSM-R ersetzt werden.

    Die Bahn schreibt derartige Leistungen aus – und muss als Unternehmen in öffentlicher Hand das günstigste Angebot nehmen. “Dass die Deutsche Bahn als 100-prozentiges Eigentum des Bundes und unter Aufsicht von Mitgliedern der Bundesregierung ihr IP-Netz mit chinesischen Komponenten bauen möchte, halte ich für skandalös”, zürnt Röttgen. “Hier wurde aus der 5G-Debatte nichts gelernt.”

    Doch die Bahn fällt zwar unter Regelungen für kritische Infrastrukturen. Aber nicht unter die Sonderregelungen für Telekommunikationsnetze, mit denen chinesische Anbieter aus dem Netz verschwinden sollen. Das gilt auf europäischer Ebene, wie eine Kommissionssprecherin auf Anfrage von Table.Media bestätigt: Campusnetze könnten zwar höchst relevant sein. “Aber solche Netzwerke sind nicht Gegenstand des EU-Telekommunikations-Rahmens.” Und auch in Deutschland gibt es rechtlich bislang keine wirksame Handhabe. Denn diese sei in der “derzeitigen Fassung ausschließlich auf öffentliche 5G-Mobilfunknetze anwendbar“, wie das BMI auf Anfrage mitteilt. Und als öffentlich gelten sogenannte Campusnetze wie bei der Bahn eben nicht.

    Weitere Betreiber Kritischer Infrastrukturen im Fokus

    Mit dem Dachgesetz für kritische Infrastrukturen (Kritis) will das Bundesinnenministerium aber noch viel mehr ändern: Kritische Komponenten könnten in allen Anlagen künftig strenger reguliert werden – von Spezialschrauben über Chips und Campusnetze bis hin zu kompletten Anlagen.

    Ein Sprecher des Verbands der Kommunalen Unternehmen sagt: “Dem VKU liegen aktuell keine Daten vor, die große Abhängigkeiten kommunaler Unternehmen von chinesischen Herstellern oder Lieferanten begründen.” Doch so ganz genau wisse man es eben nicht: “Abhängigkeiten in Teilbereichen lassen sich nicht ausschließen, beispielsweise im Glasfaserbereich aufgrund des relativ übersichtlichen Anbieterangebots bei aktiven Komponenten.” Wie viel China in kritischer Infrastruktur in Deutschland steckt, ist oft nicht einmal den Betreibern bewusst.

    Die eigentliche Debatte um das praktische De-Risking hat also gerade erst begonnen. Für Norbert Röttgen ist es dafür höchste Zeit. Er mahnt: “Im Konfliktfall wird China jede Einflussmöglichkeit nutzen, um zugunsten der eigenen Interessen Druck auf die Bundesregierung auszuüben.”

    • Chips

    Termine

    02.10.2023, 18:00 Uhr (24:00 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Panel Discussion: Environment in Asia Series – Stevan Harrell’s “An Ecological History of Modern China” Mehr

    03.10.2023, 14:30 Uhr (20:30 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Urban China Series Featuring Li Zhigang: China’s New Experiments of Urban Neighborhood Governance (auf Chinesisch) Mehr

    04.10.2023, 10:00 Uhr
    Konfuzius-Institut Universität Heidelberg, Musikalische Ausstellungsführung und Workshop Seidenstraßenklänge – Auf dem Weg zu Turandot Mehr

    05.10.2023, 04:00 Uhr (10:00 Uhr Beijing time)
    Yusof Ishak Institute, Webinar: Dealing with China’s Gray-Zone Strategy in the South China Sea Mehr

    05.10.2023, 19:00 Uhr
    C-Space Berlin, Pop-Up Teahouse Salon (in Berlin): “Emerging Chinese Art Community in Berlin? – Views from Berlin-based Chinese Diaspora Artists Mehr

    05.10.2023, 22:00 Uhr (06.10., 04:00 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Critical Issues Confronting China featuring Yao Yang: China’s New Era: Reversing the Dire Consequences of 40 Years of Reform Mehr

    05.10.2023, 21:00 Uhr (03:00 Uhr Beijing time)
    SOAS University of London, Webinar: US-China rivalry for world superpower in 2023 Mehr

    10.10.2023, 09:00 Uhr Beijing time
    Venture Capital World Summit, Konferenz: Shanghai 2023 Venture Capital World Summit Mehr

    17.10.2023, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
    Außenwirtschafts-Center Hongkong, Webinar: Recht Haben in Hongkong – Praxistipps vom Wirtschaftsanwalt Mehr

    31.10.2023
    Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung, Kongress (in Düsseldorf): Deutsch-Chinesischer Wirtschaftstag 2023 Mehr

    News

    Dritter Finanzdialog angekündigt

    China und Deutschland halten zum dritten Mal einen bilateralen Finanzdialog auf höchster Ebene ab. Beide Länder werden das Treffen am kommenden Sonntag, den 1. Oktober gemeinsam ausrichten, teilte das chinesische Finanzministerium am Donnerstag mit. Der für Finanzfragen zuständige Vize-Ministerpräsident He Lifeng werde gemeinsam mit Bundesfinanzminister Christian Lindner dem Treffen vorsitzen, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning.

    Nach den ersten zwei Finanzdialogen hatte es aufgrund der Corona-Pandemie eine mehrjährige Pause gegeben. In der letzten Gesprächsrunde im Januar 2019 hatten China und Deutschland Vereinbarungen zur Stärkung der Koordinierung auf den Banken-, Finanz- und Kapitalmärkten unterzeichnet. Auch verpflichteten sich beide Seiten, den Marktzugang im Finanzsektor weiter zu öffnen und die Zusammenarbeit zu vertiefen. In letzter Zeit wachen jedoch in der EU und auch in Deutschland Bedenken gegen eine zu enge Kooperation mit der Volksrepublik.

    Die Agenda war zunächst nicht bekannt. Es gibt jedoch einige Knackpunkte in den Beziehungen. So kündigte die Regierung vergangene Woche Pläne an, die Telekommunikationsbetreiber zu Einschränkungen im Einsatz von Geräten der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE in ihren 5G-Netzen zu zwingen, nachdem eine Überprüfung eine übermäßige Abhängigkeit von diesen Anbietern ergeben habe. Auch reagierte China verärgert auf die Aussage von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, dass Staatschef Xi Jinping ein Diktator sei. Ob diese Streitpunkte den Dialog überschatten, ist noch unklar. ck/rtr

    • Deutschland
    • Finanzen

    Abgeordnete kritisieren Baerbock für China-Strategie

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat am Donnerstag im Bundestag die im Juni von der Ampel-Regierung vorgestellte China-Strategie verteidigt. “China verändert sich als Partner, als Wettbewerber und zunehmend als systemischer Rivale”, sagte Baerbock. “Wir dürfen diese Entwicklung weder übersehen noch übergehen.”

    Sorge bereite ihr vor allem Chinas Außenpolitik, die sich durch “Unterstützung für Assad, diplomatische Beziehungen zu den Taliban und ein immer offensiveres Vorgehen im Indopazifik” auszeichne. Baerbock verwies auf eine neue Landkarte der chinesischen Regierung, um ihre territorialen Ansprüche in Ostasien zu unterstreichen. Dies seien “Ansprüche, die fast das ganze Südchinesische Meer bis unmittelbar vor die Küsten der anderen Anrainerstaaten betreffen und Territorialkonflikte mit anderen Staaten unterstreichen”. 

    Mit ihrer China-Strategie gebe die Bundesregierung den Beziehungen zu der Volksrepublik erstmals einen festen Rahmen, sagte Baerbock. “Wir wollen überall dort kooperieren, wo das möglich ist – aber auf Grundlage fairer Regeln.”

    Opposition beklagt schöne Worte statt starker Taten

    Von der Opposition kam prompt Kritik an dieser positiven Darstellung. Zu oft täte die Bundesregierung das Gegenteil von dem, was sie aufgeschrieben hat, kritisierte Jens Spahn von der CDU. Es sei richtig, zu diversifizieren, um die Risiken mit China zu minimieren. Die Verhandlungen etwa um das Freihandelsabkommen mit Lateinamerika, Mercosur, würden aber so überfrachtet mit zusätzlichen Vorschlägen, dass es gar nicht zu einem Abschluss komme. Erste Länder Lateinamerikas wollten aussteigen. Deutschland könne Motor für neue Handelsverträge sein, sagte Spahn. “Aber zu sehen ist nichts von der Bundesregierung.” 

    Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch warf Baerbock vor, durch kritische Äußerungen und bewusste Abgrenzung Konflikte mit China zu schüren. “Das ist ein Spiel mit dem Feuer”, sagte Lötzsch. Anstatt China als Rivalen einzustufen, müsse Deutschland die Volksrepublik “als Partner sehen – und dort, wo es nötig ist, als Partner zurückgewinnen”. In “fünf Jahrzehnten harter Arbeit” hätten frühere Bundesregierungen das Verhältnis zu China aufgebaut, wetterte der AFD-Abgeordnete Petr Bystron. “Sie zertrampeln alles, was diese aufgebaut haben.”

    Baerbock hatte vergangene Woche in einem Interview mit dem US-Sender Fox News Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping als “Diktator” bezeichnet und damit nicht nur in Peking für Unmut gesorgt. Auch Mitarbeiter in ihrem eigenen Ministerium werfen ihr dager fehlendes Gespür für Diplomatie vor, sie würde mit solchen Äußerungen unnötig Porzellan zerschlagen. Baerbocks Klima-Sonderbeauftragte Jennifer Morgan bekam das bei ihrem derzeitigen Besuch in Peking zu spüren. Kein ranggleicher Beamter auf chinesischer Seite war bereit, sie zu empfangen. flee

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    Importstopp für Meeresfrüchte trifft Japans Fischer

    Die japanische Ausfuhr von Fisch und Meeresfrüchten nach China ist im August im Vergleich zum Vorjahr um 76 Prozent gefallen. Grund ist die Importbeschränkung nach Japans Beschluss, radioaktives Wasser aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima in den Pazifik abzulassen. China ist der wichtigste Markt für Japans Fischereiindustrie.

    Auch Russland als Chinas Verbündeter erwägt, die Importe von Fischereiprodukten aus Japan einzuschränken. Als Grund wird die Gefahr radioaktiver Belastung genannt. Die Wassermengen, die Japan jährlich freisetzt, sind allerdings klein und die Belastung mit dem Wasserstoffisotop Tritium gilt als vernachlässigbar. Russland selbst gibt an, keine erhöhten Werte in Proben an der eigenen Küste festgestellt zu haben. Japan ist umgekehrt ein wichtiger Abnehmer von Fisch aus Russland. fin

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    • Japan

    Airlines bestellen hundert C919 bei Comac

    China Eastern Airlines hat eine Großbestellung von 100 Flugzeugen des Typs C919 beim chinesischen Flugzeugbauer Comac aufgegeben, berichtet Bloomberg. Der Auftrag hat nach Listenpreis ein Volumen von 9,9 Milliarden US-Dollar, aufgrund der Großbestellung gab es nach Angaben der Airline allerdings einen deutlichen Rabatt. Die Flugzeuge werden zwischen 2024 und 2031 ausgeliefert.

    Die Comac C919 ist das erste vollständig in der Volksrepublik entwickelte Passagierflugzeug und wurde erstmals im Dezember 2022 ausgeliefert. Der chinesische Flugzeugbauer mausert sich damit zu einem Konkurrenten für die Konzerne Boeing und Airbus, die den chinesischen Markt bisher unter sich aufgeteilt haben. Aktuell liegt Comacs Produktionsziel für die C919 allerdings nur bei jährlich 150 Flugzeugen, allzu schnell dürfte der Absatz sich damit nicht verschieben.

    Eine Marktanalyse von Boeing zeigt, dass in den nächsten 20 Jahren ein Fünftel aller neuen Flugzeuge in China ausgeliefert werden, in absoluten Zahlen 8.560 Flugzeuge. Ein Großteil davon, etwa 6.500 Flugzeuge, sind Schmalrumpfflugzeuge wie die Comac C919, der A320 oder die Boeing 737.

    Während Airbus im vergangenen Jahr noch einen Großauftrag von 100 Flugzeugen mit China Eastern unterzeichnen konnte, sieht es in den Auftragsbüchern von Boeing für den chinesischen Markt nicht so gut aus. China ist für Boeing der wichtigste Exportmarkt, doch der amerikanische Hersteller leidet unter der angespannten politischen Situation zwischen den USA und China. Das bekam Boeing bereits zu spüren, als der Flugzeugtyp 737 Max wegen zweier Abstürze in China deutlich länger am Boden bleiben musste als anderswo: Während die Flugzeuge im Rest der Welt ab 2018 und 2019 wieder abheben durften, wurden sie in China erst 2021 wieder zugelassen. jul

    • Airbus
    • Boeing
    • Comac

    Lockerung von grenzüberschreitenden Datentransfers

    Chinas nationale Internetregulierungsbehörde, die Cyberspace Administration of China (CAC), zieht eine Lockerung der Regelungen zum internationalen Datentransfer in Betracht. Gelockert werden könnten insbesondere Sicherheitsüberprüfungen für den Datenexport im Bereich des internationalen Handels, akademischer Zusammenarbeit, grenzüberschreitender Produktion und Marketing, wenn diese keine persönlichen oder wichtigen Daten enthalten.

    Zudem will die CAC Sicherheitsüberprüfungen für den Datenexport in bestimmten Situationen möglicherweise ganz abschaffen, zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Einkäufen, Hotelreservierungen, der Anstellung von Arbeitnehmern oder der Verarbeitung von Visaanträgen, bei denen persönliche Daten ins Ausland übertragen werden müssen.

    Der korrekte Umgang mit Daten aller Art ist für in China tätige Unternehmen ein wichtiges Compliance-Thema, das oftmals schwer zu durchschauen ist. Hier gelten mehrere Gesetze, die zum Teil klare Richtlinien vorgeben, an anderen Stellen aber schwammig formuliert sind und daher wenig Klarheit bieten und Sorgen vor unbeabsichtigtem Fehlverhalten schüren. Zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben müssen Unternehmen nicht selten erhebliche Zusatzinvestitionen tätigen. Alex Roberts, ein in Shanghai ansässiger Anwalt bei der Kanzlei Linklaters, nannte die neuen Regeln “ein großartiges Signal für ausländische Investitionen und Handel in China.”

    Laut dem chinesischen Cybersecurity-Gesetz, das seit 2017 gilt, müssen Unternehmen ihre relevanten Daten in China speichern und dürfen diese nur unter besonderen Voraussetzungen exportieren. Seit 2021 gilt zudem ein Gesetz zum Schutz personenbezogener Informationen. jul/rtr

    Presseschau

    U.S., China Talks Gain Momentum, Paving Way for Xi-Biden Summit WSJ
    Bundestag diskutiert Leitlinien: Wie soll Deutschland mit China umgehen? N-TV
    Xi reiterates desire for China’s “complete reunification” NHK
    “Darf nie so weit kommen”: So bereitet sich Taiwan auf einen Krieg mit China vor MERKUR
    Inselstaat alarmiert: China eröffnet Schnellzugstrecke vor Taiwans Küste N-TV
    China wants to be world’s “dominant power”, says Blinken STRAITSTIMES
    China: Macht ohne Schranken SUEDDEUTSCHE
    U-Boot aus Eigenproduktion: Ein “Narwal” für Taiwan TAGESSCHAU
    Nicht nur in Deutschland ein Problem: Engpass beim Stromnetz bedroht die Energiewende in China und den USA FOCUS
    Seltene Erden: China kauft die Hälfte aller Lithium-Minen weltweit ELEKTRONIK-PRAXIS
    China makes large purchases of Ukrainian corn AGRICULTURE
    Immobilienkrise in China: Handel mit Evergrande-Aktien gestoppt SPIEGEL
    Es könnte bis zu einem Jahrzehnt dauern, Chinas Immobilienkrise zu lösen – warnt ein Ökonom, der in China zensiert wurde BUSINESSINSIDER
    Weitere Milliarden für die Chipfertigung: China findet nicht genug Investoren HEISE
    China’s Nio explores investment, tech alliances with Mercedes BUSINESSTIMES
    Partnerschaft mit Longi: Enercity bietet Kunden künftig Solarmodule aus China an HAZ
    Therme Erding: Offenbar ist Nachbau in China geplant SUEDDEUTSCHE
    China takes back pandas from zoos in U.S., U.K. WASHINGTONPOST
    Hongkong: China geht gegen Künstler vor – Säule der Schande weggeräumt TAGESANZEIGER

    Kolumne

    Die Partei erstickt die Popszene

    China hat seit Jahren keine neuen Pop-Superstars mehr hervorgebracht. Stattdessen wurden ganze Heerscharen von Sternchen herangezüchtet, um die unterschiedlichen Vorlieben der Jugend zu bedienen. Echte Hits haben sie keine gelandet. Auch die etablierten Superstars, die hin und wieder noch Konzerte für nostalgische Fans geben, haben keine neuen Songs herausgebracht.

    In den letzten beiden Monaten allerdings sind zwei neue Songs im ganzen Land viral gegangen. Ihr Erfolg beruht weniger auf musikalischer Tiefe als auf den ergreifenden Texten: Sie spiegeln unterdrückte Frustration, die Wut auf eine absurde Realität und ein überwältigendes Gefühl der Hilflosigkeit in der Bevölkerung wider.

    Literaturzitate mit subtilen Hinweisen

    Eines der Lieder stammt von Daolang (刀郎), einem 52 Jahre alten Sänger, der vor zwei Jahrzehnten große Erfolge feierte, um den es in letzter Zeit aber still geworden war. Im Juli veröffentlichte er den Titel “Luocha Haishi”. Der Text basiert auf den “Seltsamen Geschichten aus dem Liao-Studierzimmer” von Pu Songling (蒲松龄 1640-1715). Die Erzählung, die an Jonathan Swifts “Gullivers Reisen” erinnert, schildert die Erlebnisse eines jungen Mannes in Luocha, einem Land, in dem die Schönheitsideale umgekehrt sind: Die Hässlichen gelten als attraktiv, die Schönen als hässlich. Außerdem wird der soziale Status durch das Aussehen bestimmt, und diejenigen, die nach den Maßstäben von Luocha als schön gelten, stehen in der Hierarchie weiter oben.

    Der Song ist im Stil einer Ballade mit Volksmusikelementen aus dem Nordosten Chinas komponiert. Beim Schreiben fügte der Sänger dem Text einige Details und Kommentare hinzu, die in der Vorlage nicht vorkommen. Er singt über Hühner, die glauben, sie seien Esel, während die Esel sich selbst als Hühner wahrnehmen. Nach der Stelle “Prostituierte versuchen immer, vornehm zu wirken, Eunuchen lieben Macht und Ansehen”, endet das Lied mit einer philosophischen Wendung: “Huhn oder Esel … was Wittgenstein behandelte, ist eine fundamentale Frage der Menschheit.”

    Das Lied löste zahlreiche Interpretationsversuche und Kommentare aus. Einige behaupteten, Daolang mache sich auf subtile Art und Weise über die Größen der chinesischen Popszene lustig, die ihn einst geächtet hatten. Andere waren der Meinung, der Song beschreibe treffend die Mühen der Jugend, die sich in einer Welt zurechtfinden muss, die ihren Idealen zuwiderläuft. Über eines waren sich die Kommentare einig: Das Lied zieht die in China vorherrschenden Werte und Normen geschickt ins Lächerliche.

    Kritisches Social-Media-Sternchen

    Vergangene Woche wurde dann auf Wechat, Douyin (der chinesischen Version von Tiktok) und anderen Social-Media-Plattformen ein Lied aus einer TV-Pop-Show rasch sehr beliebt. Die 35 Jahre alte Schauspielerin Ren Suxi (任素汐) singt den Song gemeinsam mit der Band Wayina. Viele Zuhörer schrieben, das Lied habe sie zu Tränen gerührt.

    Die vielseitig talentierte Ren hatte zuvor das einzige veröffentlichte Lied über Chinas strenge Corona-Maßnahmen während der Lockdowns geschrieben und gesungen. Das nur 48 Sekunden kurze Lied erschien im April 2020 und wurde vielfach im Internet geteilt, bevor es die staatlichen Zensoren nach zwei Tagen löschten.

    Der Text lautet: “In jenem Jahr wurden Babys geboren / In jenem Jahr verloren die Menschen ihre Lebensgrundlage / In jenem Jahr waren die Herzen voller Wut und Hass / In jenem Jahr wechselten sich Leben und Tod ab / In jenem Jahr waren die Straßen leer / In jenem Jahr atmeten wir vorsichtig / In jenem Jahr wurden stolze Menschen hinter Eisenzäune gesperrt / In jenem Jahr weinten die Menschen um den verstorbenen Qing / In jenem Jahr konnten wir Tag und Nacht nicht unterscheiden / In jenem Jahr sehnten wir uns nach sonnigen Tagen.”

    Die Passage “die Menschen weinten um den verstorbenen Qing” war besonders auffällig, da sie als versteckte Kritik an der derzeitigen Regierung verstanden werden kann: Die Qing-Dynastie war in ihren letzten Jahren ein gescheitertes Regime, das letztendlich durch Unruhen und Aufstände zu Fall gebracht wurde.

    Eine Ballade bündelt aktuelle Sorgen

    In ihrem aktuellen Song singt Ren zusammen mit der Band eine traurige Ballade, die ebenfalls die Sorgen, Gefühle und Nöte verschiedener Altersgruppen in China wiedergibt: Erschöpfung, Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit, unterstrichen durch den stets wiederholten Refrain “Was soll ich tun?”

    Auszüge:

    “Ich bin zwölf Jahre alt und war noch nie von zu Hause weg. Ich gehe auf die Mittelschule. Aber sie ist Dutzende von Kilometern von zu Hause entfernt. Was soll ich tun?

    Ich bin 18 und habe es nicht auf die Uni geschafft. Soll ich es noch einmal versuchen oder mir einen Job suchen?

    Ich bin nach Shenzhen gekommen und eine Weile umhergezogen, konnte aber keinen Job finden. Das Geld wird knapp, was soll ich tun?

    Ich bin 28 und habe ein Date. Ich habe ihre Geschwister auf der Straße getroffen.
    Ihre Schwester fragte: ‘Wie willst du ohne feste Arbeit ein Haus kaufen? Willst du Kinder?’
    Völlig überrumpelt rannte ich weg. Was soll ich tun?

    Ich bin 38 und mein Kind ist ein gutes Mädchen. Ich möchte mehr Zeit mit ihr verbringen, aber ich muss Überstunden machen. Brot, Schule und Krankenhaus. Ich arbeite wie eine Maschine, kann nicht aufhören, was soll ich tun?

    Ich bin 58 Jahre alt. Mein zweiter Sohn ist geschieden, und ich soll mich um sein Kind kümmern. Er sagte, er wolle sein Glück versuchen, solange er noch jung ist, vielleicht könne er besser zurückkommen. Was soll ich tun?

    Ich bin 78, und plötzlich breche ich zusammen. Ich liege in einem Krankenhausbett und die Zeit kommt mir ewig vor. Was soll ich tun?

    Hilflos wie ein Kind angesichts des Unbekannten tue ich vor meinem Mann so, als ob es mir gut ginge, und sage, es sei nur ein kleines Hindernis auf dem Weg …

    Wenn das Leben nur ein Traum ist, was würdest du dann tun …?”

    Das Lied trägt den Titel “Großer Traum” (大梦 Da Meng), eine Anspielung auf eine literarische Redewendung, die den “Großen Traum” als Metapher für das Leben verwendet. Dennoch kommt man nicht umhin, an Xi Jinpings prächtiges Konzept des “Chinesischen Traums” zu denken. Es ist ein Wunder, dass weder Luocha Haishi noch Da Meng bisher verboten wurden.

    • Gesellschaft
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    Personalien

    Aadil Brar wird neuer China-Reporter für das US-Magazin Newsweek. Er wird von Taipei aus arbeiten und die US-China-Beziehungen im Fokus haben.

    Chen Huaping wurde zum Vorsitzenden der China Securities Regulatory Commission ernannt. Er leitet nun die Wertpapieraufsicht.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    • CSRC

    Dessert

    Die Asienspiele in Hangzhou gehen weiter. Zu sehen sind Feng Yingying aus China im blauen Gi und Gulnoza Matniyazova aus Usbekistan beim Halbfinale im Judo.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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