die Lage rund um Taiwan ist angespannt. China verstärkt seine Militärmanöver, während die USA der Insel ihre Unterstützung zusichern, auch militärisch. Taiwans Außenminister Joseph Wu sieht sein Land schon jetzt im Krieg mit China, in einem hybriden Krieg. Wu zufolge gab es in den vergangenen Monaten 15.000 Cyberangriffe – pro Sekunde wohlgemerkt. Ziele seien vor allem Regierungseinrichtungen, kritische Infrastrukturen, Krankenhäuser und Banken.
Im Gespräch mit Felix Lee lobt Wu die Rolle Deutschlands in diesem Konflikt. Allerdings müsse man in Berlin nun auch über den nächsten Schritt nachdenken. So könnte sich Wu beispielsweise ein Treffen mit Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock vorstellen. Was Wu über die anstehende Wahl in Taiwan denkt und welche Auswirkungen ein mögliches Comeback von Donald Trump im Weißen Haus für Taiwan hätte, erfahren Sie in unserem heutigen Interview.
Ein anderer chinesischer Brennpunkt weltweiter Aufmerksamkeit ist Xinjiang. Mittendrin steckt der Volkswagen-Konzern und kämpft um seine Reputation. Durch neue Erkenntnisse der Xinjiang Police Files rückt das Unternehmen wieder ein Stück näher an staatliche Zwangsarbeits-Strukturen, schreibt Marcel Grzanna. Es gibt zwar weiterhin keinen Beleg für Menschenrechtsverletzungen bei VW, aber umgekehrt wird es für VW auch immer schwerer zu belegen, dass es keine gibt.
Örtliche Hochschulen bilden nicht nur zielgerichtet Arbeitskräfte für die Autoindustrie aus. Die Studierenden wechseln zum Teil direkt aus den staatlichen Internierungslagern auf die Bildungseinrichtungen. Der Konzern wäscht seine Hände in Unschuld und verweist auf einen Einstellungsstopp. Gegen Ende des Jahres will Volkswagen das Ergebnis einer unabhängigen Prüfung vorlegen. Ob kritische Investoren damit zufrieden sein werden, bleibt abzuwarten.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis in eigener Sache. Am heutigen Dienstag stellt sich Außenamts-Staatssekretär Thomas Bagger in einer Table.Media-Veranstaltung drängenden Fragen zur deutschen Außenpolitik. Bitte beachten Sie die geänderte Uhrzeit: Beginn ist um 10.30 Uhr, also eine halbe Stunde früher als ursprünglich geplant. Hier können Sie sich kostenlos anmelden.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

China bedroht Taiwan regelmäßig mit Militärmanövern. Wie ernst ist die Lage?
Die militärische Bedrohung Taiwans hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Chinesen scheinen für einen möglichen Angriff auf Taiwan zu üben, aber bislang sehen wir noch keine konkreten, militärischen Vorbereitungen dafür. Die chinesische Armee orientiert sich an den Theorien alter Militärphilosophen. Hier ist das oberste Prinzip, den Feind ohne den Einsatz von Gewalt zu vernichten. Das ist das, was China im Moment versucht. Peking will einen hybriden Krieg gegen uns führen – bis zu dem Grad, an dem die Taiwaner es nicht mehr aushalten können. Wir sollen unsere Macht abgeben und das war’s dann: Taiwan wird ein Teil Chinas. Das ist ihre Taktik.
Und geht Chinas Taktik auf?
Wenn Sie mit den Menschen hier sprechen, werden Sie feststellen, dass sie ein normales Leben führen. Auch die Geschäftsleute sind ruhig. Sie investieren sogar mehr in Taiwan, vor allem ausländische Investoren.
Der hybride Krieg hat dennoch längst begonnen. Können Sie das näher beschreiben?
Taiwan ist weltweit das Hauptziel Nummer 1 von Cyberangriffen: Unseren Berechnungen zufolge gab es in den vergangenen Monaten 15.000 Angriffe – pro Sekunde. Ziele sind vor allem Regierungseinrichtungen, kritische Infrastrukturen, Krankenhäuser und Banken.
Welche Rolle spielen Desinformationskampagnen?
Auch hier ist Taiwan Studien zufolge am stärksten betroffen, vor allem wenn wichtige Ereignisse anstehen, wie aktuell die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Januar oder während der Corona-Pandemie. Zweck dieser Kampagnen ist es, die Gesellschaft zu spalten und Misstrauen gegenüber der Öffentlichkeit und der Regierung zu schaffen. Es wird versucht, die Grundlagen der Demokratie zu untergraben.
Die Welt beschäftigen gerade zwei große Kriege: Russland hat die Ukraine angegriffen und der Nahostkonflikt ist neu eskaliert. Wie hat sich die Sicherheitslage in Taiwan dadurch verändert?
Als der Krieg im Februar 2022 ausgebrochen ist, bestand tatsächlich die Sorge, dass die internationale Aufmerksamkeit für Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan nicht mehr vorhanden sein wird und China diesen Vorteil nutzen könnte, weil sich die Welt auf die Ukraine konzentriert. Im Laufe der Zeit haben wir jedoch festgestellt, dass die Unterstützung von den USA, Europa, Kanada und vielen anderen Staaten sogar noch weiter zunimmt. Bei jedem größeren Treffen der Staats- und Regierungschefs der Welt, sei es der G7-Gipfel oder der EU-Gipfel, gibt es nur ein Thema, das nie fehlt – und das ist die Stabilität des Friedens in der Straße von Taiwan.
Was kann Taiwan vom Widerstand der Ukrainer lernen?
Erstens ihre Tapferkeit und Entschlossenheit, sich selbst, ihre Freiheit und Souveränität zu verteidigen. Zweitens ist die Ukraine in der Lage, asymmetrische Kriegsführung für sich zu nutzen. Wir sind gerade dabei, eine Militärreform durchzuführen, die auch unsere Armee dazu befähigen soll. Der dritte Punkt ist die Bedeutung internationaler Unterstützung. Sie gibt den Ukrainern das Gefühl, nicht allein zu sein.
Nur zwölf Länder erkennen Taiwan offiziell als Land an. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Das ist eine sehr ernste Herausforderung, aber gleichzeitig haben wir in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Zeitungsberichten konnten Sie entnehmen, dass ich Gespräche in Washington geführt habe. Aber auch in Europa sind immer mehr Länder Taiwan gegenüber offen. Ich war zweimal in Bratislava, zweimal in Prag und zweimal in Warschau, mehrmals in Brüssel, im Baltikum und in Dänemark. Das zeigt: China kann mich als Außenminister nicht daran hindern, in gleichgesinnte Staaten zu reisen. Diese Länder mögen klein bis mittelgroß sein, aber moralisch sind sie Supermächte. Denn sie sind bereit, mich zu akzeptieren und sich sehr energisch gegen Autoritarismus und die Bedrohung Taiwans auszusprechen.
Im März besuchte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Taiwan und schloss ein Abkommen für eine Wissenschaftskooperation ab. Die Finanz- und Wirtschaftsminister waren noch nicht da. Sollte Deutschland mehr machen?
Das muss die deutsche Regierung entscheiden. Aber in der taiwanischen Bevölkerung gibt es einen großen Hunger auf bessere Beziehungen zwischen Taiwan und Deutschland. Wir teilen dieselben Grundwerte und sehen, wie sich in der Welt eine Dynamik entwickelt von Demokratie gegen Autokratie. Taiwan ist der Brennpunkt einer Aggression und Bedrohung durch ein autoritäres Land. Die deutsche Regierung hat sich sehr oft für den Frieden und die Stabilität in der Straße von Taiwan ausgesprochen, und das ist zu begrüßen. Aber dann müssen wir auch über den nächsten Schritt nachdenken.
Was wäre denn der nächste Schritt?
In Europa und bei den G7-Ländern ist es Konsens, dass von Geschäften mit China ein Risiko ausgeht – und das muss, denke ich, die deutsche Regierung in ihren politischen Entscheidungen einbeziehen. Wenn Deutschland als nächstes versucht, Risiken bei den Geschäftsbeziehungen mit China abzubauen, könnte Taiwan davon indirekt profitieren.
Sollte Außenministerin Annalena Baerbock nach Taiwan reisen?
Das ist nicht meine Entscheidung allein. Natürlich schließe ich die Möglichkeit eines Treffens mit meiner Amtskollegin, auch in Berlin, nicht aus. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Taiwan und Deutschland werden immer enger, etwa durch unsere Investitionen in Dresden. Da müssen wir auch über die Möglichkeit eines Treffens von Regierungsvertretern auf höherer Ebene nachdenken, um die Themen zu besprechen, die in unserem bilateralen Interesse liegen.
Sie meinen das Werk, das der weltweit größte Chiphersteller TSMC in Dresden bauen wird. Taiwan ist führend in der Halbleiter-Produktion. Sind die Chips Taiwans Schutzschild?
Wissen Sie, wie klein so ein Chip ist? Die Halbleiter-Produktion hier in Taiwan sollte zum Nutzen der übrigen Welt sein, und wir wollen weiterhin zum Wirtschaftswachstum der Industrieländer beitragen. Doch wenn China in Taiwan einmarschiert und die Halbleiter-Lieferkette unterbricht, wird das für den Rest der Welt viele Probleme verursachen. Etwa 60 Prozent der weltweiten Halbleiter-Produktion kommt aus Taiwan, bei den Spitzenprodukten sind es sogar 90 Prozent. Hinzu kommt: Durch die Straße von Taiwan werden 50 Prozent aller Handelsgüter transportiert. Eine Blockade würde zu großen internationalen Handelsproblemen führen.
Müsste China nicht bloß die Straße von Taiwan blockieren, um die Solidarität der internationalen Gemeinschaft mit Taiwan zu brechen?
Ich denke, dass die internationale Reaktion auf eine Blockade sehr scharf wäre und die Volksrepublik selbst darunter leiden würde. Schon jetzt versucht Peking, einen Keil zwischen Taiwan und andere Länder zu treiben, aber es funktioniert nicht. Chinas Expansionsdrang hat eher dazu geführt, dass sich mehr Demokratien zusammenschließen, als dass es zu einer Spaltung kommt. Daher bin ich zuversichtlich, dass die internationale Unterstützung für Taiwan auch in Zukunft vorhanden sein wird.
Es heißt oft, niemand wolle Krieg – selbst der chinesische Partei- und Staatschef Xi Jinping sagt das. Zugleich will die Volksrepublik bis 2027 ihre Armee fertig modernisiert haben, bis 2035 globale Weltmacht sein. Glauben Sie ihm, wenn er von Frieden spricht?
Soll ich ihm glauben? Xi Jinping soll bei seinem letzten Treffen mit US-Präsident Joe Biden vor zwei Wochen gesagt haben, er wisse nichts von dem Zeitrahmen 2027 oder 2035. Wenn er das ernst meint, wäre das eine gute Nachricht für viele Menschen, nicht nur in Taiwan, sondern auch in China. Zugleich intensiviert die chinesische Armee ihre Militärübungen. Wir müssen uns also auf das schlimmste Szenario vorbereiten – und versuchen gleichzeitig, es zu verhindern.
Wie soll das gehen?
Erstens muss Taiwan als verantwortungsbewusster, gemäßigter Akteur auftreten und handeln. Zweitens müssen wir unsere Fähigkeiten zur Abschreckung ausbauen. Wir investieren in unsere Verteidigung und haben den verpflichtenden Wehrdienst für Männer von vier Monaten auf ein Jahr verlängert. Parallel dazu sehen wir, wie wichtige Länder wie die USA, Japan und Australien ihre militärischen Vorbereitungen in der Region ebenfalls verstärken. Gemeinsam sollten wir in der Lage sein, einen Krieg zu verhindern.
Am 13. Januar wählt Taiwan. Sorgen Sie sich, dass die Fortschritte in den internationalen Beziehungen Taiwans, die Ihre Partei, die DPP, erreicht hat, auf dem Spiel stehen, sollte die chinafreundlichere Oppositionspartei KMT gewinnen?
Als Außenminister muss ich neutral sein, denn ich arbeite für die Interessen des Landes und nicht für die einer politischen Partei. Aber ich kann Folgendes sagen: Unser Hauptansatz im Verhältnis zwischen Taiwan und China besteht darin, den Status quo in der Straße von Taiwan aufrechtzuerhalten. Ich glaube nicht, dass eine neue Regierung von dieser grundlegenden politischen Orientierung abweichen würde.
Die USA sind Taiwans wichtigster Unterstützer. Was ist, wenn Donald Trump im November 2024 in den USA wieder gewählt wird?
Donald Trump wäre ein anderer Führungstyp als Joe Biden. Wir sehen aber eine parteiübergreifende Unterstützung in beiden Kammern des US-Kongresses und sind deshalb der bescheidenen Ansicht, dass, selbst wenn Präsident Trump Präsident Biden ablösen sollte, die Hilfe für Taiwan weitergehen wird.
An dem Gespräch, das Joseph Wu mit mehreren deutschen Journalisten führte, nahm Felix Lee für Table.Media während einer Recherchereise des Journalists Network e.V. teil.

Mit einer unabhängigen Werksprüfung möchte der Volkswagen-Konzern ein für alle Mal die Kritik an seinem Engagement in Xinjiang entkräften. Neue Erkenntnisse aus den Xinjiang Police Files setzen den deutschen Autobauer nun aber weiter unter Druck.
Jüngsten Untersuchungen des China-Forschers und Anthropologen Adrian Zenz zufolge soll das Gemeinschaftsunternehmen von Volkswagen und dem staatlichen Hersteller SAIC enge Verbindungen zur Berufsfachschule für Leichtindustrie (新疆轻工职业技术学院) in Urumqi pflegen. Die Hochschule liegt im Bezirk Toutunhe der Regionalhauptstadt, einer Industriezone, in der auch das Volkswagen-Werk steht.
Demnach bietet die Hochschule einen Abschluss in Automobilproduktion an und listet Volkswagen als eine der Firmen, in der Absolventen üblicherweise einen Arbeitsplatz finden können. Laut Zenz sei es “direkt plausibel, dass Volkswagen Uiguren eingestellt haben könnte, die in einem Umerziehungslager interniert waren”.
Die Bildungseinrichtung bietet Berufsbildung in Kooperation mit Firmen an. Volkswagen ist laut der Internetseite der Hochschule daran beteiligt. Die Fachschule organisierte Jobmessen für Absolventen, an denen auch Volkswagen teilnahm, sagt Zenz zu Table.Media.
Bewiesen ist damit zwar nicht, dass der Wolfsburger Konzern ehemalige Häftlinge der Internierungslager auf der Lohnliste hat. Doch gerät VW wieder ein Stück näher an die Strukturen staatlicher, systematischer Zwangsarbeit-Programme. Ein Sprecher des Konzerns sagte zu Table.Media, dass er von der Zusammenarbeit mit der Hochschule keine Kenntnis habe.
Stattdessen verweist der Konzern auf einen “Einstellungsstopp in der Fabrik”, der seit vielen Jahren Bestand habe. Faktisch sei die Mitarbeiterzahl des Werks seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 gesunken. Weitere Fragen zu Einzelheiten konnte der Konzern zunächst nicht beantworten.
Die Erkenntnisse erschweren es für Volkswagen aber zumindest, eine Verbindung zu Zwangsarbeit zu widerlegen. “Die neuen Daten zeigen konkret, wie nah Volkswagen an den Menschenrechtsverbrechen dran ist. Wer in dieser Region ein Werk betreibt, hat das grundsätzliche Problem, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man davon direkt betroffen ist”, sagt Zenz.
Bei seiner Forschung ist er auf Fälle gestoßen, die darauf hinwiesen, “dass Uiguren aus den Internierungslagern umgehend in die Berufsausbildung gesteckt werden, unter anderem in Bildungsstätten, die ihre Studierenden direkt für die Arbeit in Firmen wie Volkswagen ausbilden”.
Für Volkswagen steht viel auf dem Spiel. Das Unternehmen will mithilfe einer Werksprüfung die US-Ratingagentur MSCI dazu bewegen, deren “Red Flag” wieder einzuziehen. MSCI hatte Volkswagen-Aktien wegen dessen Engagement in Xinjiang abqualifiziert. Investoren wie die Fondsgesellschaft Union Investment hatten Volkswagen aufgefordert, die Vorwürfe bis Ende des Jahres aufzuklären. Sollte dem Konzern dies nicht glaubhaft gelingen, wird Union Investment die Wertpapiere des Unternehmens aus seinem Nachhaltigkeits-Segment streichen.
Die Fondsgesellschaft Deka hat die Volkswagen-Aktie bereits aus ihrem Nachhaltigkeits-Angebot ausgeschlossen. Die Deka führte bei ihrer Entscheidung allerdings auch Mängel bei Transparenz und der Besetzung des Aufsichtsrates der Wolfsburger an.
Am Kapitalmarkt-Tag des Konzerns im Juni am Hockenheimring sicherte Konzern-Chef Oliver Blume den Anlegern ein unabhängiges Audit zu. Man wolle die “Red Flag” von MSCI loswerden, hatte Blume gesagt. Im Oktober wurde bekannt, dass eine Prüfugsgesellschaft gefunden sei. Ihren Namen will Volkswagen jedoch erst bei Veröffentlichung der Ergebnisse bekannt geben.
Die internen Polizeiberichte, die die Xinjiang Police Files publik gemacht hatten, geben Hinweise auf Einzelschicksale, die mühsam zu einem Puzzle zusammengesetzt werden müssen, um mögliche Muster zu erkennen. Forscher Zenz wurde auf den Fall eines Uiguren namens Adiljan Hashim aufmerksam, der im Oktober 2017 in ein Umerziehungslager kam. Nach seiner Entlassung begann er gleich mit seinem Studium. Die enge zeitliche Nähe zwischen beiden Ereignissen deutet Zenz als Hinweis auf eine entsprechende Verknüpfung zwischen staatlicher Internierung und der Weiterbildung im Sinne der örtlichen Industrie.
Auch die Berufliche Hochschule Xinjiang in Urumqi pflegt enge Kontakte zu ansässigen Unternehmen. In einem Artikel von Oktober beschreibt die Hochschule ihre enge Kooperation mit Firmen für die praktische Berufsbildung. In diesem Artikel wird laut Zenz auch Volkswagen erwähnt. Die Uni bietet auch Abschlüsse in Automobiltechnik an. Volkswagen wird also als einer der üblichen Arbeitgeber für Absolventen erwähnt, obwohl nach Aussagen des Sprechers seit Jahren keine neuen Mitarbeiter eingestellt wurden.
Ein Polizeibericht vom Dezember 2017 besagt, dass ein Uigure namens Ekpar Ablet im Juli desselben Jahres verhaftet und in ein Umerziehungslager gesteckt wurde. Ablet war Studierender an der Beruflichen Hochschule. Es sei unklar, ob und wann er entlassen wurde. “Aber eine bedeutende Zahl von Uiguren wurden nach einem bis drei Jahren der Umerziehung in die Zwangsarbeit entlassen, darunter auch in die Weiterbildung“, sagt Zenz.
Zwei konkrete Fälle, in denen Uiguren vom Umerziehungslager direkt in Berufsbildungsschulen in Hotan gewechselt sind, belegen auch interne Regierungsdokumente. Das Hotan Vocational Skills College bietet eine Ausbildung in KFZ-Mechanik an. Dieser Abschluss wurde in Zusammenarbeit mit dem sogenannten Pairing Assistance Programm entwickelt, bei dem Regionen in Ostchina mit Minderheitenregionen in Xinjiang und Tibet gepaart werden.
Mehrere Forschungsberichte haben diesem Programm einen engen Zusammenhang mit Zwangsarbeit nachgewiesen. Die Zusammenarbeit mit dem Berufsqualifikations-Kolleg Hotan lief über Tianjin. Laut Medienberichten unterhalten mehr als 20 Firmen aus Tianjin eine technische Zusammenarbeit mit Berufsbildungsstätten in Minderheitenregionen wie Hotan, unter anderem das Joint Venture FAW-Volkswagen in Tianjin.
Der hoch verschuldete Immobilienentwickler Evergrande hat abermals eine Vertagung seines Liquidationsverfahrens erreicht. Das zuständige Gericht in Hongkong habe die Anhörung auf den 29. Januar 2024 verschoben, teilte der Konzern am Montag mit. Die Evergrande-Aktie stieg daraufhin in Hongkong um bis zu 22 Prozent auf 0,29 Hongkong-Dollar.
Eigentlich hatte die zuständige Richterin Linda Chan dem Konzern – vermeintlich letztmalig – bis zum 4. Dezember Zeit gegeben, um sich mit den Gläubigern zu einigen. Ursprünglich hätte schon am 30. Oktober über eine Auflösung des Konzerns verhandelt werden sollen. Nun erhält der Immobilienriese also eine weitere Galgenfrist von knapp zwei Monaten.
Richterin Linda Chan forderte Evergrande am Montag auf, direkt mit den zuständigen Behörden über die Bedingungen für eine Umschuldung der Verbindlichkeiten in Höhe von umgerechnet rund 300 Milliarden Euro zu verhandeln. Die Anwälte der Immobilienfirma stellten für die kommenden Wochen ein “verfeinertes” Konzept in Aussicht.
“Eine Liquidation nützt den Gläubigern wenig, aber es ist extrem schwierig, einen Umschuldungsplan aufzustellen, der alle zufriedenstellt”, sagte Analyst Ting Meng von der ANZ Bank China der Nachrichtenagentur Reuters. Welche Szenarien wahrscheinlich sind, lesen Sie hier. rad/rtr
Zentralkommission für Disziplinarinspektion (CCDI) der Kommunistischen Partei Chinas hat am Montag angekündigt, ihren Kampf gegen Korruption zu verschärfen. Korruption sei immer schwerer zu erkennen, so die CDDI. Deshalb werde man vor den anstehenden Feiertagen den Kampf gegen extravagante Staatsausgaben verschärfen.
Es ist eine Warnung, die korrupte Kader aufschrecken lassen wird. Aber auch Kritiker von Partei- und Staatschef Xi Jinping werden die Ankündigung als Warnung verstehen müssen. Denn oftmals geraten auch sie ins Visier der CCDI. Korruption ist in China ein weitverbreitetes Problem. Zuletzt wurde gar Verteidigungsminister Li Shangfu wegen Verdacht auf Korruption gestürzt.
Die Warnung der Zentralkommission wurde am 11. Jahrestag der “acht Richtlinien” zur Verhaltensverbesserung veröffentlicht. Unter diesem Titel wird die Politik von Xi Jinping zusammengefasst, mit der er Extravaganz in der Kommunistischen Partei und der chinesischen Regierung ausmerzen will.
Wie die South China Morning Post berichtet, hat die CCDI in einem Beitrag ihre bisherigen Erfolge verkündet: Demnach habe die Kommission in den ersten zehn Monaten des Jahres fast 80.000 Verstöße gegen die Anti-Extravaganz-Vorschriften untersucht. Gegen 114.238 Personen wurden Ermittlungen eingeleitet; gegen 80.096 Personen habe man Disziplinarmaßnahmen verhängt. “Gegenwärtig gibt es immer noch den Boden, auf dem ungesunde Tendenzen gedeihen können, ebenso wie das Risiko eines abermaligen Anstiegs der Korruptionsfälle“, heißt es demnach in dem CCDI-Beitrag. rad
China will die Zusammenarbeit mit Belarus weiter vertiefen. Dies sagte Partei- und Staatschef Xi Jinping am Montag nach einem Treffen mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Peking. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, plädierte Xi unter anderem für eine verstärkte Abstimmung auf Ebene der Vereinten Nationen. Aber auch in den Bereichen von Wirtschaft und Handel wollen die beiden Staaten zukünftig enger zusammenarbeiten.
Lukaschenko sicherte Xi Unterstützung bei dessen internationalen Ambitionen zu: Belarus sei überzeugt, dass die Belt-and-Road-Inititatve (BRI) und anderen von Präsident Xi Jinping vorgeschlagenen globalen Initiativen großartige Projekte seien. Entsprechend wolle man sich auch in Zukunft aktiv daran beteiligen.
Lukaschenko ist einer der wichtigsten Unterstützer Russlands. Im Februar 2022 hatte sein Land den Russen als Aufmarschgebiet für ihre Ukraine-Invasion gedient. Allerdings präsentiert sich Weißrussland längst nicht als Anhängsel Moskaus. Vielmehr ist Lukaschenko bestrebt, sein Land als eigenständigen Akteur gegenüber China zu positionieren.
Belarus und China unterhalten seit Jahrzehnten enge diplomatische Beziehungen. Vor der Pandemie besuchte Lukaschenko die Volksrepublik fast jedes Jahr. Im März hatten sich Xi und Lukaschenko zuletzt in Peking getroffen. Damals bezeichneten sie die Freundschaft der beiden Länder als unzerstörbar. rad
Eine Reporterin der Hongkonger Zeitung South China Morning Post scheint verschwunden. Minnie Chan ist seit einer Geschäftsreise nach Peking im vergangenen Monat nicht mehr erreichbar. Das berichten mehrere Medien, unter anderem die britische Zeitung Guardian.
Minnie Chan berichtet vorwiegend über die Themen Verteidigung und Diplomatie. Ihr nahestehenden Personen zufolge sei Chan vor ihrer Teilnahme am Beijing Xiangshan Forum im Oktober nicht nach Hongkong zurückgekehrt. Zuletzt sei sie am 1. November, einen Tag nach Ende der Veranstaltung, im SCMP-Büro in Peking gesehen worden.
Die in Hongkong ansässige SCMP gehört dem chinesischen Technologieriesen Alibaba. In einer Erklärung heißt es, Chan befinde sich auf Urlaub in Peking. Man sei von ihrer Familie darüber informiert worden, dass sie “Zeit braucht, um sich um eine private Angelegenheit zu kümmern”.
“Ihre Familie hat uns mitgeteilt, dass sie in Sicherheit ist, hat uns jedoch gebeten, ihre Privatsphäre zu respektieren”, sagte ein Sprecher des Verlags der South China Morning Post gegenüber dem Sender al-Jazeera. “Wir stehen in Kontakt mit Minnies Familie und können keine weiteren Informationen preisgeben.”
Der Vorfall weckt allerdings böse Erinnerungen. Im vergangenen Jahr war es zu einem ähnlichen Vorfall mit einer anderen SCMP-Journalistin gekommen, was schon damals große Besorgnis über Chinas verschärfte Beschränkungen der Pressefreiheit hervorrief. rad

In den zwei Jahrzehnten, seit der chinesische Staatsrat den Immobiliensektor des Landes offiziell als “tragende Säule der Wirtschaft” klassifizierte, hat sich dieser Bereich rasant entwickelt, das BIP-Wachstum beflügelt und Millionen Menschen in China den Traum vom Eigenheim träumen lassen. Doch mittlerweile kämpft der Sektor mit Schwierigkeiten – von hohen Preisen bis hin zu massiven Schulden – und droht das Wachstum zu einem Zeitpunkt zu schwächen, an dem sich China das gerade nicht leisten kann.
Obwohl in China privater Grundbesitz nicht gestattet ist, streben die Privathaushalte nach Wohneigentum, um einerseits ihre Lebensbedingungen zu verbessern und andererseits Vermögen aufzubauen. Aufgrund von Kapitalverkehrskontrollen ist es den Menschen in China nicht ohne Weiteres möglich, ausländische Vermögenswerte zu erwerben, und die chinesischen Börsen präsentieren sich auch nicht sonderlich stark. China erhebt keine Steuern auf Wohnimmobilien, Kapitalerträge oder Erbschaften – und verspricht erhebliche Wertsteigerungen. Dadurch werden Immobilien zur attraktivsten Form des Vermögensbesitzes.
Von 2005 bis 2021 ist der Realpreisindex für Wohnimmobilien in China von 87,95 auf 112,99, also um 28,5 Prozent gestiegen. Dieser Index ist im Laufe der Jahre zwar einige Male eingebrochen, hat sich aber immer wieder kräftig erholt, wodurch der Eindruck entstand, dass Wohneigentum quasi eine todsichere Sache sei, wenn es um den Aufbau von Vermögen geht.
Da jedoch Erwartungen hinsichtlich steigender Wohnungspreise und Spekulation dazu führen, dass die tatsächlichen Preise weitaus stärker steigen als das verfügbare Einkommen der Haushalte, sind Wohnungen für junge Menschen in China zunehmend unerschwinglich geworden, ganz zu schweigen von Wanderarbeitern, die nicht die gleichen Rechte genießen wie die ständige Wohnbevölkerung einer Stadt. In einigen First-Tier-Städten kosten Wohnungen mehr als das 40-fache eines Durchschnitts-Jahresseinkommens.
Die chinesische Regierung hat wiederholt versucht, die Immobilienpreise einzudämmen, etwa durch eine Begrenzung der Anzahl an Immobilienkäufen, die ein einziger Haushalt tätigen darf und sogar durch behördliche Kontrollen der Immobilienpreise. Diese Maßnahmen haben sich jedoch als weitgehend unwirksam und manchmal sogar als kontraproduktiv erwiesen. Das liegt teilweise daran, dass Käufer und Verkäufer Wege zur Umgehung der Beschränkungen finden. Der Hauptgrund dafür besteht jedoch darin, dass die chinesische Wirtschaft von der Immobilienbranche praktisch gekapert wurde.
Der Immobiliensektor umfasst eine sehr lange Wertschöpfungskette, sodass sämtliche Geschehnisse innerhalb dieser Kette weitreichende Auswirkungen haben, sowohl auf vor- als auch auf nachgelagerte Bereiche. Langsameres Wachstum der Immobilienpreise führt zu einem langsameren Wachstum der Investitionen in Immobilien. Da diese Investitionen und die damit verbundenen Aktivitäten einen großen Teil des chinesischen BIPs ausmachen – im Durchschnitt mehr als 10 Prozent im vergangenen Jahrzehnt – bremst eine derartige Entwicklung das Wirtschaftswachstum insgesamt.
Jahrelang reagierte die chinesische Regierung in derartigen Fällen mit einer Lockerung oder Rücknahme der Maßnahmen, die das Preiswachstum behinderten, und ebnete so den Weg für eine kräftige Erholung sowohl bei Immobilieninvestitionen als auch bei Immobilienpreisen. Nach dem Absturz der Jahre 2014-2015 schnellten die Immobilienpreise in die Höhe – und stiegen in den darauffolgenden sechs Jahren weiter an. Dabei handelte es sich um den längsten (weitgehend) ununterbrochenen Preisanstieg seit 2003.
Im Jahr 2021 intervenierte die chinesische Regierung daher erneut und zog drei “rote Linien” für Immobilienentwickler ein. Danach dürfen die Verbindlichkeiten eines Immobilienentwicklers maximal 70 Prozent der Vermögenswerte betragen, die liquiden Mittel müssen die kurzfristigen Schulden decken können, und die Nettoverschuldung darf maximal bei 100 Prozent des Eigenkapitals liegen. Andernfalls würde das Unternehmen den Zugang zu Bankkrediten verlieren. Wenig überraschend setzte bald darauf ein Rückgang des Immobilienpreisindex ein, gefolgt von einem Anstieg bei Immobilieninvestitionen.
Überraschend gestaltete sich allerdings das Ausmaß des Rückgangs: Im Jahr 2022 gingen die Investitionen in Immobilien im Jahresvergleich um zehn Prozent zurück. Und obwohl die Regierung ihre restriktive Politik bald darauf deutlich lockerte, blieb der gewohnte Aufschwung aus. Es folgte sogar eine gegenteilige Entwicklung. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 sank das Wachstum der Immobilieninvestitionen im Jahresvergleich um weitere 9,3 Prozent und der Bestand an unverkaufter Nutzfläche stieg um 18,3 Prozent.
Aufgrund einer Kombination aus hohen Verbindlichkeiten im Verhältnis zu vorhandenen Vermögenswerten und einem Mangel an Liquidität bewegt sich heute eine wachsende Zahl von Immobilienentwicklern am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Und einige – insbesondere Evergrande, Chinas zweitgrößter Immobilienentwickler – sind bereits in den Abgrund gestürzt. Auch wenn die chinesischen Regulierungsbehörden darauf pochen, dass es sich bei der Evergrande-Pleite um ein einmaliges Ereignis mit nur geringen Auswirkungen auf den Markt handelt, sind die steigenden Risiken im Immobiliensektor nicht zu leugnen. In der Vergangenheit ist es China immer gelungen, sich durchzuwursteln, aber dieses Mal könnte es anders kommen.
Freilich ist es unwahrscheinlich, dass Zahlungsausfälle, selbst bei sehr großen Immobilienentwicklern, in China eine systemische Finanzkrise auslösen. Am Ende des dritten Quartals dieses Jahres beliefen sich die ausstehenden Bankkredite in China auf insgesamt 234,5 Billionen Yuan (31 Billionen Euro), wobei nur 39 Billionen Yuan (16,6 Prozent des Gesamtvolumens) auf Hypothekarkredite entfielen und Kredite an Immobilienentwickler einen Wert von 13 Billionen Yuan (5,6 Prozent des Gesamtvolumens) aufwiesen. Angesichts der strengen Auflagen für Kreditnehmer und der hohen Anforderungen hinsichtlich Anzahlungen weisen die Hypothekarkredite in China hohe Qualität auf.
Das Hauptproblem, mit dem die Banken konfrontiert sind, besteht nicht in der Aussicht auf massive Kreditausfälle, sondern in dem wachsenden Wunsch der Kreditnehmer, ihre Hypothekarkredite vorzeitig zurückzuzahlen. Zwar ist die Quote der notleidenden Kredite bei den chinesischen Banken derzeit sehr niedrig – unter zwei Prozent – aber sie könnte drastisch ansteigen, wenn die Regierung nichts gegen die sich verschlechternde Finanzlage der Bauunternehmen (und ihrer vor- und nachgelagerten Betriebe) unternimmt.
Abgesehen von der Liquidation und Umstrukturierung zahlungsunfähiger Immobilienentwickler besteht für Chinas Regierung die Möglichkeit, Finanzrisiken einzudämmen, indem sie insolvenzgefährdete Immobilienentwickler einer stärkeren staatlichen Kontrolle unterstellt – sei es durch staatliche Aufsicht oder vorübergehende Verstaatlichung. Außerdem könnte sie solventen Bauträgern, die dies benötigen, Liquidität zur Verfügung stellen und deren (finanzielle oder physische) Vermögenswerte erwerben, wenn diese Firmen unter Druck stehen, “Notverkäufe” durchführen zu müssen.
Angesichts einer relativ robusten Haushaltslage und einer Zentralbank, die über Spielraum für eine expansivere Geldpolitik verfügt, sollte China in der Lage sein, Lösungen für die Schuldenprobleme der Immobilienbranche zu finden. Man kann nur hoffen, dass es die chinesische Regierung wieder einmal schafft, sich durchzuwursteln. Übersetzung: Helga Klinger-Groier
Yu Yongding ist ehemaliger Präsident der chinesischen Gesellschaft für Weltwirtschaft und früherer Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Von 2004 bis 2006 war er Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank People’s Bank of China.
Copyright: Project Syndicate, 2023.
www.project-syndicate.org
Wang Jianxi ist gestorben. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin. Der aus der ostchinesischen Provinz Jiangsu stammende Wang gilt als wichtiger Akteur beim Aufbau der chinesischen Kapitalmärkte. Unter anderem war er an der Ausarbeitung der chinesischen Wertpapiergesetze und der Gestaltung der Börsen in Shanghai und Shenzhen beteiligt. Wang wurde 72 Jahre alt.
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Vier Richter und viele, viele Schüler einer Grundschule in Zaozhuang in der Provinz Shandong halten die Verfassung der Volksrepublik China in der Hand. Es handelt sich dabei um die revidierte Fassung vom 4. Dezember 1982, die gestern feierlich in Szene gesetzt wurde. Die ursprüngliche Version der Verfassung stammt aus dem Jahr 1954.
die Lage rund um Taiwan ist angespannt. China verstärkt seine Militärmanöver, während die USA der Insel ihre Unterstützung zusichern, auch militärisch. Taiwans Außenminister Joseph Wu sieht sein Land schon jetzt im Krieg mit China, in einem hybriden Krieg. Wu zufolge gab es in den vergangenen Monaten 15.000 Cyberangriffe – pro Sekunde wohlgemerkt. Ziele seien vor allem Regierungseinrichtungen, kritische Infrastrukturen, Krankenhäuser und Banken.
Im Gespräch mit Felix Lee lobt Wu die Rolle Deutschlands in diesem Konflikt. Allerdings müsse man in Berlin nun auch über den nächsten Schritt nachdenken. So könnte sich Wu beispielsweise ein Treffen mit Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock vorstellen. Was Wu über die anstehende Wahl in Taiwan denkt und welche Auswirkungen ein mögliches Comeback von Donald Trump im Weißen Haus für Taiwan hätte, erfahren Sie in unserem heutigen Interview.
Ein anderer chinesischer Brennpunkt weltweiter Aufmerksamkeit ist Xinjiang. Mittendrin steckt der Volkswagen-Konzern und kämpft um seine Reputation. Durch neue Erkenntnisse der Xinjiang Police Files rückt das Unternehmen wieder ein Stück näher an staatliche Zwangsarbeits-Strukturen, schreibt Marcel Grzanna. Es gibt zwar weiterhin keinen Beleg für Menschenrechtsverletzungen bei VW, aber umgekehrt wird es für VW auch immer schwerer zu belegen, dass es keine gibt.
Örtliche Hochschulen bilden nicht nur zielgerichtet Arbeitskräfte für die Autoindustrie aus. Die Studierenden wechseln zum Teil direkt aus den staatlichen Internierungslagern auf die Bildungseinrichtungen. Der Konzern wäscht seine Hände in Unschuld und verweist auf einen Einstellungsstopp. Gegen Ende des Jahres will Volkswagen das Ergebnis einer unabhängigen Prüfung vorlegen. Ob kritische Investoren damit zufrieden sein werden, bleibt abzuwarten.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis in eigener Sache. Am heutigen Dienstag stellt sich Außenamts-Staatssekretär Thomas Bagger in einer Table.Media-Veranstaltung drängenden Fragen zur deutschen Außenpolitik. Bitte beachten Sie die geänderte Uhrzeit: Beginn ist um 10.30 Uhr, also eine halbe Stunde früher als ursprünglich geplant. Hier können Sie sich kostenlos anmelden.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

China bedroht Taiwan regelmäßig mit Militärmanövern. Wie ernst ist die Lage?
Die militärische Bedrohung Taiwans hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Chinesen scheinen für einen möglichen Angriff auf Taiwan zu üben, aber bislang sehen wir noch keine konkreten, militärischen Vorbereitungen dafür. Die chinesische Armee orientiert sich an den Theorien alter Militärphilosophen. Hier ist das oberste Prinzip, den Feind ohne den Einsatz von Gewalt zu vernichten. Das ist das, was China im Moment versucht. Peking will einen hybriden Krieg gegen uns führen – bis zu dem Grad, an dem die Taiwaner es nicht mehr aushalten können. Wir sollen unsere Macht abgeben und das war’s dann: Taiwan wird ein Teil Chinas. Das ist ihre Taktik.
Und geht Chinas Taktik auf?
Wenn Sie mit den Menschen hier sprechen, werden Sie feststellen, dass sie ein normales Leben führen. Auch die Geschäftsleute sind ruhig. Sie investieren sogar mehr in Taiwan, vor allem ausländische Investoren.
Der hybride Krieg hat dennoch längst begonnen. Können Sie das näher beschreiben?
Taiwan ist weltweit das Hauptziel Nummer 1 von Cyberangriffen: Unseren Berechnungen zufolge gab es in den vergangenen Monaten 15.000 Angriffe – pro Sekunde. Ziele sind vor allem Regierungseinrichtungen, kritische Infrastrukturen, Krankenhäuser und Banken.
Welche Rolle spielen Desinformationskampagnen?
Auch hier ist Taiwan Studien zufolge am stärksten betroffen, vor allem wenn wichtige Ereignisse anstehen, wie aktuell die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Januar oder während der Corona-Pandemie. Zweck dieser Kampagnen ist es, die Gesellschaft zu spalten und Misstrauen gegenüber der Öffentlichkeit und der Regierung zu schaffen. Es wird versucht, die Grundlagen der Demokratie zu untergraben.
Die Welt beschäftigen gerade zwei große Kriege: Russland hat die Ukraine angegriffen und der Nahostkonflikt ist neu eskaliert. Wie hat sich die Sicherheitslage in Taiwan dadurch verändert?
Als der Krieg im Februar 2022 ausgebrochen ist, bestand tatsächlich die Sorge, dass die internationale Aufmerksamkeit für Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan nicht mehr vorhanden sein wird und China diesen Vorteil nutzen könnte, weil sich die Welt auf die Ukraine konzentriert. Im Laufe der Zeit haben wir jedoch festgestellt, dass die Unterstützung von den USA, Europa, Kanada und vielen anderen Staaten sogar noch weiter zunimmt. Bei jedem größeren Treffen der Staats- und Regierungschefs der Welt, sei es der G7-Gipfel oder der EU-Gipfel, gibt es nur ein Thema, das nie fehlt – und das ist die Stabilität des Friedens in der Straße von Taiwan.
Was kann Taiwan vom Widerstand der Ukrainer lernen?
Erstens ihre Tapferkeit und Entschlossenheit, sich selbst, ihre Freiheit und Souveränität zu verteidigen. Zweitens ist die Ukraine in der Lage, asymmetrische Kriegsführung für sich zu nutzen. Wir sind gerade dabei, eine Militärreform durchzuführen, die auch unsere Armee dazu befähigen soll. Der dritte Punkt ist die Bedeutung internationaler Unterstützung. Sie gibt den Ukrainern das Gefühl, nicht allein zu sein.
Nur zwölf Länder erkennen Taiwan offiziell als Land an. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Das ist eine sehr ernste Herausforderung, aber gleichzeitig haben wir in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Zeitungsberichten konnten Sie entnehmen, dass ich Gespräche in Washington geführt habe. Aber auch in Europa sind immer mehr Länder Taiwan gegenüber offen. Ich war zweimal in Bratislava, zweimal in Prag und zweimal in Warschau, mehrmals in Brüssel, im Baltikum und in Dänemark. Das zeigt: China kann mich als Außenminister nicht daran hindern, in gleichgesinnte Staaten zu reisen. Diese Länder mögen klein bis mittelgroß sein, aber moralisch sind sie Supermächte. Denn sie sind bereit, mich zu akzeptieren und sich sehr energisch gegen Autoritarismus und die Bedrohung Taiwans auszusprechen.
Im März besuchte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Taiwan und schloss ein Abkommen für eine Wissenschaftskooperation ab. Die Finanz- und Wirtschaftsminister waren noch nicht da. Sollte Deutschland mehr machen?
Das muss die deutsche Regierung entscheiden. Aber in der taiwanischen Bevölkerung gibt es einen großen Hunger auf bessere Beziehungen zwischen Taiwan und Deutschland. Wir teilen dieselben Grundwerte und sehen, wie sich in der Welt eine Dynamik entwickelt von Demokratie gegen Autokratie. Taiwan ist der Brennpunkt einer Aggression und Bedrohung durch ein autoritäres Land. Die deutsche Regierung hat sich sehr oft für den Frieden und die Stabilität in der Straße von Taiwan ausgesprochen, und das ist zu begrüßen. Aber dann müssen wir auch über den nächsten Schritt nachdenken.
Was wäre denn der nächste Schritt?
In Europa und bei den G7-Ländern ist es Konsens, dass von Geschäften mit China ein Risiko ausgeht – und das muss, denke ich, die deutsche Regierung in ihren politischen Entscheidungen einbeziehen. Wenn Deutschland als nächstes versucht, Risiken bei den Geschäftsbeziehungen mit China abzubauen, könnte Taiwan davon indirekt profitieren.
Sollte Außenministerin Annalena Baerbock nach Taiwan reisen?
Das ist nicht meine Entscheidung allein. Natürlich schließe ich die Möglichkeit eines Treffens mit meiner Amtskollegin, auch in Berlin, nicht aus. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Taiwan und Deutschland werden immer enger, etwa durch unsere Investitionen in Dresden. Da müssen wir auch über die Möglichkeit eines Treffens von Regierungsvertretern auf höherer Ebene nachdenken, um die Themen zu besprechen, die in unserem bilateralen Interesse liegen.
Sie meinen das Werk, das der weltweit größte Chiphersteller TSMC in Dresden bauen wird. Taiwan ist führend in der Halbleiter-Produktion. Sind die Chips Taiwans Schutzschild?
Wissen Sie, wie klein so ein Chip ist? Die Halbleiter-Produktion hier in Taiwan sollte zum Nutzen der übrigen Welt sein, und wir wollen weiterhin zum Wirtschaftswachstum der Industrieländer beitragen. Doch wenn China in Taiwan einmarschiert und die Halbleiter-Lieferkette unterbricht, wird das für den Rest der Welt viele Probleme verursachen. Etwa 60 Prozent der weltweiten Halbleiter-Produktion kommt aus Taiwan, bei den Spitzenprodukten sind es sogar 90 Prozent. Hinzu kommt: Durch die Straße von Taiwan werden 50 Prozent aller Handelsgüter transportiert. Eine Blockade würde zu großen internationalen Handelsproblemen führen.
Müsste China nicht bloß die Straße von Taiwan blockieren, um die Solidarität der internationalen Gemeinschaft mit Taiwan zu brechen?
Ich denke, dass die internationale Reaktion auf eine Blockade sehr scharf wäre und die Volksrepublik selbst darunter leiden würde. Schon jetzt versucht Peking, einen Keil zwischen Taiwan und andere Länder zu treiben, aber es funktioniert nicht. Chinas Expansionsdrang hat eher dazu geführt, dass sich mehr Demokratien zusammenschließen, als dass es zu einer Spaltung kommt. Daher bin ich zuversichtlich, dass die internationale Unterstützung für Taiwan auch in Zukunft vorhanden sein wird.
Es heißt oft, niemand wolle Krieg – selbst der chinesische Partei- und Staatschef Xi Jinping sagt das. Zugleich will die Volksrepublik bis 2027 ihre Armee fertig modernisiert haben, bis 2035 globale Weltmacht sein. Glauben Sie ihm, wenn er von Frieden spricht?
Soll ich ihm glauben? Xi Jinping soll bei seinem letzten Treffen mit US-Präsident Joe Biden vor zwei Wochen gesagt haben, er wisse nichts von dem Zeitrahmen 2027 oder 2035. Wenn er das ernst meint, wäre das eine gute Nachricht für viele Menschen, nicht nur in Taiwan, sondern auch in China. Zugleich intensiviert die chinesische Armee ihre Militärübungen. Wir müssen uns also auf das schlimmste Szenario vorbereiten – und versuchen gleichzeitig, es zu verhindern.
Wie soll das gehen?
Erstens muss Taiwan als verantwortungsbewusster, gemäßigter Akteur auftreten und handeln. Zweitens müssen wir unsere Fähigkeiten zur Abschreckung ausbauen. Wir investieren in unsere Verteidigung und haben den verpflichtenden Wehrdienst für Männer von vier Monaten auf ein Jahr verlängert. Parallel dazu sehen wir, wie wichtige Länder wie die USA, Japan und Australien ihre militärischen Vorbereitungen in der Region ebenfalls verstärken. Gemeinsam sollten wir in der Lage sein, einen Krieg zu verhindern.
Am 13. Januar wählt Taiwan. Sorgen Sie sich, dass die Fortschritte in den internationalen Beziehungen Taiwans, die Ihre Partei, die DPP, erreicht hat, auf dem Spiel stehen, sollte die chinafreundlichere Oppositionspartei KMT gewinnen?
Als Außenminister muss ich neutral sein, denn ich arbeite für die Interessen des Landes und nicht für die einer politischen Partei. Aber ich kann Folgendes sagen: Unser Hauptansatz im Verhältnis zwischen Taiwan und China besteht darin, den Status quo in der Straße von Taiwan aufrechtzuerhalten. Ich glaube nicht, dass eine neue Regierung von dieser grundlegenden politischen Orientierung abweichen würde.
Die USA sind Taiwans wichtigster Unterstützer. Was ist, wenn Donald Trump im November 2024 in den USA wieder gewählt wird?
Donald Trump wäre ein anderer Führungstyp als Joe Biden. Wir sehen aber eine parteiübergreifende Unterstützung in beiden Kammern des US-Kongresses und sind deshalb der bescheidenen Ansicht, dass, selbst wenn Präsident Trump Präsident Biden ablösen sollte, die Hilfe für Taiwan weitergehen wird.
An dem Gespräch, das Joseph Wu mit mehreren deutschen Journalisten führte, nahm Felix Lee für Table.Media während einer Recherchereise des Journalists Network e.V. teil.

Mit einer unabhängigen Werksprüfung möchte der Volkswagen-Konzern ein für alle Mal die Kritik an seinem Engagement in Xinjiang entkräften. Neue Erkenntnisse aus den Xinjiang Police Files setzen den deutschen Autobauer nun aber weiter unter Druck.
Jüngsten Untersuchungen des China-Forschers und Anthropologen Adrian Zenz zufolge soll das Gemeinschaftsunternehmen von Volkswagen und dem staatlichen Hersteller SAIC enge Verbindungen zur Berufsfachschule für Leichtindustrie (新疆轻工职业技术学院) in Urumqi pflegen. Die Hochschule liegt im Bezirk Toutunhe der Regionalhauptstadt, einer Industriezone, in der auch das Volkswagen-Werk steht.
Demnach bietet die Hochschule einen Abschluss in Automobilproduktion an und listet Volkswagen als eine der Firmen, in der Absolventen üblicherweise einen Arbeitsplatz finden können. Laut Zenz sei es “direkt plausibel, dass Volkswagen Uiguren eingestellt haben könnte, die in einem Umerziehungslager interniert waren”.
Die Bildungseinrichtung bietet Berufsbildung in Kooperation mit Firmen an. Volkswagen ist laut der Internetseite der Hochschule daran beteiligt. Die Fachschule organisierte Jobmessen für Absolventen, an denen auch Volkswagen teilnahm, sagt Zenz zu Table.Media.
Bewiesen ist damit zwar nicht, dass der Wolfsburger Konzern ehemalige Häftlinge der Internierungslager auf der Lohnliste hat. Doch gerät VW wieder ein Stück näher an die Strukturen staatlicher, systematischer Zwangsarbeit-Programme. Ein Sprecher des Konzerns sagte zu Table.Media, dass er von der Zusammenarbeit mit der Hochschule keine Kenntnis habe.
Stattdessen verweist der Konzern auf einen “Einstellungsstopp in der Fabrik”, der seit vielen Jahren Bestand habe. Faktisch sei die Mitarbeiterzahl des Werks seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 gesunken. Weitere Fragen zu Einzelheiten konnte der Konzern zunächst nicht beantworten.
Die Erkenntnisse erschweren es für Volkswagen aber zumindest, eine Verbindung zu Zwangsarbeit zu widerlegen. “Die neuen Daten zeigen konkret, wie nah Volkswagen an den Menschenrechtsverbrechen dran ist. Wer in dieser Region ein Werk betreibt, hat das grundsätzliche Problem, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man davon direkt betroffen ist”, sagt Zenz.
Bei seiner Forschung ist er auf Fälle gestoßen, die darauf hinwiesen, “dass Uiguren aus den Internierungslagern umgehend in die Berufsausbildung gesteckt werden, unter anderem in Bildungsstätten, die ihre Studierenden direkt für die Arbeit in Firmen wie Volkswagen ausbilden”.
Für Volkswagen steht viel auf dem Spiel. Das Unternehmen will mithilfe einer Werksprüfung die US-Ratingagentur MSCI dazu bewegen, deren “Red Flag” wieder einzuziehen. MSCI hatte Volkswagen-Aktien wegen dessen Engagement in Xinjiang abqualifiziert. Investoren wie die Fondsgesellschaft Union Investment hatten Volkswagen aufgefordert, die Vorwürfe bis Ende des Jahres aufzuklären. Sollte dem Konzern dies nicht glaubhaft gelingen, wird Union Investment die Wertpapiere des Unternehmens aus seinem Nachhaltigkeits-Segment streichen.
Die Fondsgesellschaft Deka hat die Volkswagen-Aktie bereits aus ihrem Nachhaltigkeits-Angebot ausgeschlossen. Die Deka führte bei ihrer Entscheidung allerdings auch Mängel bei Transparenz und der Besetzung des Aufsichtsrates der Wolfsburger an.
Am Kapitalmarkt-Tag des Konzerns im Juni am Hockenheimring sicherte Konzern-Chef Oliver Blume den Anlegern ein unabhängiges Audit zu. Man wolle die “Red Flag” von MSCI loswerden, hatte Blume gesagt. Im Oktober wurde bekannt, dass eine Prüfugsgesellschaft gefunden sei. Ihren Namen will Volkswagen jedoch erst bei Veröffentlichung der Ergebnisse bekannt geben.
Die internen Polizeiberichte, die die Xinjiang Police Files publik gemacht hatten, geben Hinweise auf Einzelschicksale, die mühsam zu einem Puzzle zusammengesetzt werden müssen, um mögliche Muster zu erkennen. Forscher Zenz wurde auf den Fall eines Uiguren namens Adiljan Hashim aufmerksam, der im Oktober 2017 in ein Umerziehungslager kam. Nach seiner Entlassung begann er gleich mit seinem Studium. Die enge zeitliche Nähe zwischen beiden Ereignissen deutet Zenz als Hinweis auf eine entsprechende Verknüpfung zwischen staatlicher Internierung und der Weiterbildung im Sinne der örtlichen Industrie.
Auch die Berufliche Hochschule Xinjiang in Urumqi pflegt enge Kontakte zu ansässigen Unternehmen. In einem Artikel von Oktober beschreibt die Hochschule ihre enge Kooperation mit Firmen für die praktische Berufsbildung. In diesem Artikel wird laut Zenz auch Volkswagen erwähnt. Die Uni bietet auch Abschlüsse in Automobiltechnik an. Volkswagen wird also als einer der üblichen Arbeitgeber für Absolventen erwähnt, obwohl nach Aussagen des Sprechers seit Jahren keine neuen Mitarbeiter eingestellt wurden.
Ein Polizeibericht vom Dezember 2017 besagt, dass ein Uigure namens Ekpar Ablet im Juli desselben Jahres verhaftet und in ein Umerziehungslager gesteckt wurde. Ablet war Studierender an der Beruflichen Hochschule. Es sei unklar, ob und wann er entlassen wurde. “Aber eine bedeutende Zahl von Uiguren wurden nach einem bis drei Jahren der Umerziehung in die Zwangsarbeit entlassen, darunter auch in die Weiterbildung“, sagt Zenz.
Zwei konkrete Fälle, in denen Uiguren vom Umerziehungslager direkt in Berufsbildungsschulen in Hotan gewechselt sind, belegen auch interne Regierungsdokumente. Das Hotan Vocational Skills College bietet eine Ausbildung in KFZ-Mechanik an. Dieser Abschluss wurde in Zusammenarbeit mit dem sogenannten Pairing Assistance Programm entwickelt, bei dem Regionen in Ostchina mit Minderheitenregionen in Xinjiang und Tibet gepaart werden.
Mehrere Forschungsberichte haben diesem Programm einen engen Zusammenhang mit Zwangsarbeit nachgewiesen. Die Zusammenarbeit mit dem Berufsqualifikations-Kolleg Hotan lief über Tianjin. Laut Medienberichten unterhalten mehr als 20 Firmen aus Tianjin eine technische Zusammenarbeit mit Berufsbildungsstätten in Minderheitenregionen wie Hotan, unter anderem das Joint Venture FAW-Volkswagen in Tianjin.
Der hoch verschuldete Immobilienentwickler Evergrande hat abermals eine Vertagung seines Liquidationsverfahrens erreicht. Das zuständige Gericht in Hongkong habe die Anhörung auf den 29. Januar 2024 verschoben, teilte der Konzern am Montag mit. Die Evergrande-Aktie stieg daraufhin in Hongkong um bis zu 22 Prozent auf 0,29 Hongkong-Dollar.
Eigentlich hatte die zuständige Richterin Linda Chan dem Konzern – vermeintlich letztmalig – bis zum 4. Dezember Zeit gegeben, um sich mit den Gläubigern zu einigen. Ursprünglich hätte schon am 30. Oktober über eine Auflösung des Konzerns verhandelt werden sollen. Nun erhält der Immobilienriese also eine weitere Galgenfrist von knapp zwei Monaten.
Richterin Linda Chan forderte Evergrande am Montag auf, direkt mit den zuständigen Behörden über die Bedingungen für eine Umschuldung der Verbindlichkeiten in Höhe von umgerechnet rund 300 Milliarden Euro zu verhandeln. Die Anwälte der Immobilienfirma stellten für die kommenden Wochen ein “verfeinertes” Konzept in Aussicht.
“Eine Liquidation nützt den Gläubigern wenig, aber es ist extrem schwierig, einen Umschuldungsplan aufzustellen, der alle zufriedenstellt”, sagte Analyst Ting Meng von der ANZ Bank China der Nachrichtenagentur Reuters. Welche Szenarien wahrscheinlich sind, lesen Sie hier. rad/rtr
Zentralkommission für Disziplinarinspektion (CCDI) der Kommunistischen Partei Chinas hat am Montag angekündigt, ihren Kampf gegen Korruption zu verschärfen. Korruption sei immer schwerer zu erkennen, so die CDDI. Deshalb werde man vor den anstehenden Feiertagen den Kampf gegen extravagante Staatsausgaben verschärfen.
Es ist eine Warnung, die korrupte Kader aufschrecken lassen wird. Aber auch Kritiker von Partei- und Staatschef Xi Jinping werden die Ankündigung als Warnung verstehen müssen. Denn oftmals geraten auch sie ins Visier der CCDI. Korruption ist in China ein weitverbreitetes Problem. Zuletzt wurde gar Verteidigungsminister Li Shangfu wegen Verdacht auf Korruption gestürzt.
Die Warnung der Zentralkommission wurde am 11. Jahrestag der “acht Richtlinien” zur Verhaltensverbesserung veröffentlicht. Unter diesem Titel wird die Politik von Xi Jinping zusammengefasst, mit der er Extravaganz in der Kommunistischen Partei und der chinesischen Regierung ausmerzen will.
Wie die South China Morning Post berichtet, hat die CCDI in einem Beitrag ihre bisherigen Erfolge verkündet: Demnach habe die Kommission in den ersten zehn Monaten des Jahres fast 80.000 Verstöße gegen die Anti-Extravaganz-Vorschriften untersucht. Gegen 114.238 Personen wurden Ermittlungen eingeleitet; gegen 80.096 Personen habe man Disziplinarmaßnahmen verhängt. “Gegenwärtig gibt es immer noch den Boden, auf dem ungesunde Tendenzen gedeihen können, ebenso wie das Risiko eines abermaligen Anstiegs der Korruptionsfälle“, heißt es demnach in dem CCDI-Beitrag. rad
China will die Zusammenarbeit mit Belarus weiter vertiefen. Dies sagte Partei- und Staatschef Xi Jinping am Montag nach einem Treffen mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Peking. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, plädierte Xi unter anderem für eine verstärkte Abstimmung auf Ebene der Vereinten Nationen. Aber auch in den Bereichen von Wirtschaft und Handel wollen die beiden Staaten zukünftig enger zusammenarbeiten.
Lukaschenko sicherte Xi Unterstützung bei dessen internationalen Ambitionen zu: Belarus sei überzeugt, dass die Belt-and-Road-Inititatve (BRI) und anderen von Präsident Xi Jinping vorgeschlagenen globalen Initiativen großartige Projekte seien. Entsprechend wolle man sich auch in Zukunft aktiv daran beteiligen.
Lukaschenko ist einer der wichtigsten Unterstützer Russlands. Im Februar 2022 hatte sein Land den Russen als Aufmarschgebiet für ihre Ukraine-Invasion gedient. Allerdings präsentiert sich Weißrussland längst nicht als Anhängsel Moskaus. Vielmehr ist Lukaschenko bestrebt, sein Land als eigenständigen Akteur gegenüber China zu positionieren.
Belarus und China unterhalten seit Jahrzehnten enge diplomatische Beziehungen. Vor der Pandemie besuchte Lukaschenko die Volksrepublik fast jedes Jahr. Im März hatten sich Xi und Lukaschenko zuletzt in Peking getroffen. Damals bezeichneten sie die Freundschaft der beiden Länder als unzerstörbar. rad
Eine Reporterin der Hongkonger Zeitung South China Morning Post scheint verschwunden. Minnie Chan ist seit einer Geschäftsreise nach Peking im vergangenen Monat nicht mehr erreichbar. Das berichten mehrere Medien, unter anderem die britische Zeitung Guardian.
Minnie Chan berichtet vorwiegend über die Themen Verteidigung und Diplomatie. Ihr nahestehenden Personen zufolge sei Chan vor ihrer Teilnahme am Beijing Xiangshan Forum im Oktober nicht nach Hongkong zurückgekehrt. Zuletzt sei sie am 1. November, einen Tag nach Ende der Veranstaltung, im SCMP-Büro in Peking gesehen worden.
Die in Hongkong ansässige SCMP gehört dem chinesischen Technologieriesen Alibaba. In einer Erklärung heißt es, Chan befinde sich auf Urlaub in Peking. Man sei von ihrer Familie darüber informiert worden, dass sie “Zeit braucht, um sich um eine private Angelegenheit zu kümmern”.
“Ihre Familie hat uns mitgeteilt, dass sie in Sicherheit ist, hat uns jedoch gebeten, ihre Privatsphäre zu respektieren”, sagte ein Sprecher des Verlags der South China Morning Post gegenüber dem Sender al-Jazeera. “Wir stehen in Kontakt mit Minnies Familie und können keine weiteren Informationen preisgeben.”
Der Vorfall weckt allerdings böse Erinnerungen. Im vergangenen Jahr war es zu einem ähnlichen Vorfall mit einer anderen SCMP-Journalistin gekommen, was schon damals große Besorgnis über Chinas verschärfte Beschränkungen der Pressefreiheit hervorrief. rad

In den zwei Jahrzehnten, seit der chinesische Staatsrat den Immobiliensektor des Landes offiziell als “tragende Säule der Wirtschaft” klassifizierte, hat sich dieser Bereich rasant entwickelt, das BIP-Wachstum beflügelt und Millionen Menschen in China den Traum vom Eigenheim träumen lassen. Doch mittlerweile kämpft der Sektor mit Schwierigkeiten – von hohen Preisen bis hin zu massiven Schulden – und droht das Wachstum zu einem Zeitpunkt zu schwächen, an dem sich China das gerade nicht leisten kann.
Obwohl in China privater Grundbesitz nicht gestattet ist, streben die Privathaushalte nach Wohneigentum, um einerseits ihre Lebensbedingungen zu verbessern und andererseits Vermögen aufzubauen. Aufgrund von Kapitalverkehrskontrollen ist es den Menschen in China nicht ohne Weiteres möglich, ausländische Vermögenswerte zu erwerben, und die chinesischen Börsen präsentieren sich auch nicht sonderlich stark. China erhebt keine Steuern auf Wohnimmobilien, Kapitalerträge oder Erbschaften – und verspricht erhebliche Wertsteigerungen. Dadurch werden Immobilien zur attraktivsten Form des Vermögensbesitzes.
Von 2005 bis 2021 ist der Realpreisindex für Wohnimmobilien in China von 87,95 auf 112,99, also um 28,5 Prozent gestiegen. Dieser Index ist im Laufe der Jahre zwar einige Male eingebrochen, hat sich aber immer wieder kräftig erholt, wodurch der Eindruck entstand, dass Wohneigentum quasi eine todsichere Sache sei, wenn es um den Aufbau von Vermögen geht.
Da jedoch Erwartungen hinsichtlich steigender Wohnungspreise und Spekulation dazu führen, dass die tatsächlichen Preise weitaus stärker steigen als das verfügbare Einkommen der Haushalte, sind Wohnungen für junge Menschen in China zunehmend unerschwinglich geworden, ganz zu schweigen von Wanderarbeitern, die nicht die gleichen Rechte genießen wie die ständige Wohnbevölkerung einer Stadt. In einigen First-Tier-Städten kosten Wohnungen mehr als das 40-fache eines Durchschnitts-Jahresseinkommens.
Die chinesische Regierung hat wiederholt versucht, die Immobilienpreise einzudämmen, etwa durch eine Begrenzung der Anzahl an Immobilienkäufen, die ein einziger Haushalt tätigen darf und sogar durch behördliche Kontrollen der Immobilienpreise. Diese Maßnahmen haben sich jedoch als weitgehend unwirksam und manchmal sogar als kontraproduktiv erwiesen. Das liegt teilweise daran, dass Käufer und Verkäufer Wege zur Umgehung der Beschränkungen finden. Der Hauptgrund dafür besteht jedoch darin, dass die chinesische Wirtschaft von der Immobilienbranche praktisch gekapert wurde.
Der Immobiliensektor umfasst eine sehr lange Wertschöpfungskette, sodass sämtliche Geschehnisse innerhalb dieser Kette weitreichende Auswirkungen haben, sowohl auf vor- als auch auf nachgelagerte Bereiche. Langsameres Wachstum der Immobilienpreise führt zu einem langsameren Wachstum der Investitionen in Immobilien. Da diese Investitionen und die damit verbundenen Aktivitäten einen großen Teil des chinesischen BIPs ausmachen – im Durchschnitt mehr als 10 Prozent im vergangenen Jahrzehnt – bremst eine derartige Entwicklung das Wirtschaftswachstum insgesamt.
Jahrelang reagierte die chinesische Regierung in derartigen Fällen mit einer Lockerung oder Rücknahme der Maßnahmen, die das Preiswachstum behinderten, und ebnete so den Weg für eine kräftige Erholung sowohl bei Immobilieninvestitionen als auch bei Immobilienpreisen. Nach dem Absturz der Jahre 2014-2015 schnellten die Immobilienpreise in die Höhe – und stiegen in den darauffolgenden sechs Jahren weiter an. Dabei handelte es sich um den längsten (weitgehend) ununterbrochenen Preisanstieg seit 2003.
Im Jahr 2021 intervenierte die chinesische Regierung daher erneut und zog drei “rote Linien” für Immobilienentwickler ein. Danach dürfen die Verbindlichkeiten eines Immobilienentwicklers maximal 70 Prozent der Vermögenswerte betragen, die liquiden Mittel müssen die kurzfristigen Schulden decken können, und die Nettoverschuldung darf maximal bei 100 Prozent des Eigenkapitals liegen. Andernfalls würde das Unternehmen den Zugang zu Bankkrediten verlieren. Wenig überraschend setzte bald darauf ein Rückgang des Immobilienpreisindex ein, gefolgt von einem Anstieg bei Immobilieninvestitionen.
Überraschend gestaltete sich allerdings das Ausmaß des Rückgangs: Im Jahr 2022 gingen die Investitionen in Immobilien im Jahresvergleich um zehn Prozent zurück. Und obwohl die Regierung ihre restriktive Politik bald darauf deutlich lockerte, blieb der gewohnte Aufschwung aus. Es folgte sogar eine gegenteilige Entwicklung. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 sank das Wachstum der Immobilieninvestitionen im Jahresvergleich um weitere 9,3 Prozent und der Bestand an unverkaufter Nutzfläche stieg um 18,3 Prozent.
Aufgrund einer Kombination aus hohen Verbindlichkeiten im Verhältnis zu vorhandenen Vermögenswerten und einem Mangel an Liquidität bewegt sich heute eine wachsende Zahl von Immobilienentwicklern am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Und einige – insbesondere Evergrande, Chinas zweitgrößter Immobilienentwickler – sind bereits in den Abgrund gestürzt. Auch wenn die chinesischen Regulierungsbehörden darauf pochen, dass es sich bei der Evergrande-Pleite um ein einmaliges Ereignis mit nur geringen Auswirkungen auf den Markt handelt, sind die steigenden Risiken im Immobiliensektor nicht zu leugnen. In der Vergangenheit ist es China immer gelungen, sich durchzuwursteln, aber dieses Mal könnte es anders kommen.
Freilich ist es unwahrscheinlich, dass Zahlungsausfälle, selbst bei sehr großen Immobilienentwicklern, in China eine systemische Finanzkrise auslösen. Am Ende des dritten Quartals dieses Jahres beliefen sich die ausstehenden Bankkredite in China auf insgesamt 234,5 Billionen Yuan (31 Billionen Euro), wobei nur 39 Billionen Yuan (16,6 Prozent des Gesamtvolumens) auf Hypothekarkredite entfielen und Kredite an Immobilienentwickler einen Wert von 13 Billionen Yuan (5,6 Prozent des Gesamtvolumens) aufwiesen. Angesichts der strengen Auflagen für Kreditnehmer und der hohen Anforderungen hinsichtlich Anzahlungen weisen die Hypothekarkredite in China hohe Qualität auf.
Das Hauptproblem, mit dem die Banken konfrontiert sind, besteht nicht in der Aussicht auf massive Kreditausfälle, sondern in dem wachsenden Wunsch der Kreditnehmer, ihre Hypothekarkredite vorzeitig zurückzuzahlen. Zwar ist die Quote der notleidenden Kredite bei den chinesischen Banken derzeit sehr niedrig – unter zwei Prozent – aber sie könnte drastisch ansteigen, wenn die Regierung nichts gegen die sich verschlechternde Finanzlage der Bauunternehmen (und ihrer vor- und nachgelagerten Betriebe) unternimmt.
Abgesehen von der Liquidation und Umstrukturierung zahlungsunfähiger Immobilienentwickler besteht für Chinas Regierung die Möglichkeit, Finanzrisiken einzudämmen, indem sie insolvenzgefährdete Immobilienentwickler einer stärkeren staatlichen Kontrolle unterstellt – sei es durch staatliche Aufsicht oder vorübergehende Verstaatlichung. Außerdem könnte sie solventen Bauträgern, die dies benötigen, Liquidität zur Verfügung stellen und deren (finanzielle oder physische) Vermögenswerte erwerben, wenn diese Firmen unter Druck stehen, “Notverkäufe” durchführen zu müssen.
Angesichts einer relativ robusten Haushaltslage und einer Zentralbank, die über Spielraum für eine expansivere Geldpolitik verfügt, sollte China in der Lage sein, Lösungen für die Schuldenprobleme der Immobilienbranche zu finden. Man kann nur hoffen, dass es die chinesische Regierung wieder einmal schafft, sich durchzuwursteln. Übersetzung: Helga Klinger-Groier
Yu Yongding ist ehemaliger Präsident der chinesischen Gesellschaft für Weltwirtschaft und früherer Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Von 2004 bis 2006 war er Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank People’s Bank of China.
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Wang Jianxi ist gestorben. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin. Der aus der ostchinesischen Provinz Jiangsu stammende Wang gilt als wichtiger Akteur beim Aufbau der chinesischen Kapitalmärkte. Unter anderem war er an der Ausarbeitung der chinesischen Wertpapiergesetze und der Gestaltung der Börsen in Shanghai und Shenzhen beteiligt. Wang wurde 72 Jahre alt.
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Vier Richter und viele, viele Schüler einer Grundschule in Zaozhuang in der Provinz Shandong halten die Verfassung der Volksrepublik China in der Hand. Es handelt sich dabei um die revidierte Fassung vom 4. Dezember 1982, die gestern feierlich in Szene gesetzt wurde. Die ursprüngliche Version der Verfassung stammt aus dem Jahr 1954.