Table.Briefing: China

Taiwan: Optionen für Deutschland + China-Themen im EU-Wahlkampf

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit dem Amtsantritt von Lai Ching-te als neuer Präsident Taiwans droht China noch lauter als zuvor. Die Wissenschaftlerin Angela Stanzel, eben erst zurück von einem zweimonatigen Aufenthalt in Taiwan, interpretiert Pekings Verhalten aber weiterhin als Warnung und nicht als Beginn einer Invasion. Im Gespräch mit Michael Radunski fordert sie allerdings, Deutschland müsse mehr Präsenz in der Region zeigen, um zu helfen, den auch für Deutschland kostbaren Frieden zu wahren.

Es gibt auch positive Nachrichten aus der Region. Vertreter Chinas, Japans und Südkoreas trafen sich in Seoul, um das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Die konkreten Erwartungen an den Gipfel sind zwar nicht allzu hoch, aber es hat Symbolkraft, dass die zerstrittenen Länder Ostasiens miteinander reden. Immerhin: China und Südkorea wollen einen sicherheitspolitischen Dialog aufnehmen.

Was die EU-Wahlen für den künftigen Kurs der Union gegenüber der Volksrepublik bedeuten, ist hingegen nicht zu unterschätzen, schreibt Amelie Richter. Insbesondere das befürchtete Erstarken der rechten Parteien könnte die Haltung zu China verändern – in eine für Europa gefährliche Richtung.

Ihre
Carolyn Braun
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Interview

China-Expertin Stanzel: “Deutschland muss sich im Indopazifik mehr engagieren”

Angela Stanzel, Forscherin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Im Portrait geht es um ihre China-Kritik.
Angela Stanzel war gerade zwei Monate in Taiwan. Sie arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums soll von “zerschmetterten Schädeln” und Blut gesprochen haben. Offiziell droht man mit Vernichtung. Ist für China jetzt die Zeit gekommen, gegen Taiwan loszuschlagen?

Das glaube ich nicht. Sicher, die aktuellen Militärmanöver sind größer, die Rhetorik schärfer als bisher. Aber ich verstehe es weiterhin als Warnung an Taiwan und seine Partner – und nicht als Beginn einer Seeblockade oder gar Invasion.

Warum tritt China gerade jetzt so scharf auf?

China wendet im Grunde die Taktik der vergangenen Jahre an: Es wird immer mehr Militär aufgefahren, es tritt immer stärker auf und rückt immer näher an Taiwan heran. Aktuell hat China schlicht den Amtsantritt des neuen taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te genutzt, um noch mal neu zu präsentieren, was es hat und was es kann.

Ist die Amtseinführung von Lai Ching-te ein berechtigter Anlass? Hat Lai China in seiner Rede provoziert oder gar angegriffen?

Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Es wurde deutlich, dass Lai keine Abkehr von der bisherigen Politik anstrebt, sondern weiterhin sehr vorsichtig mit der ganzen Situation umgehen wird. Obwohl er den Ruf hat, für Taiwans Unabhängigkeit zu sein, hat Lai nie aktiv die Unabhängigkeit Taiwans gefordert. Das ist das chinesische Narrativ und dient zugleich als Begründung für die Militärübungen.

Aber irgendetwas muss Lai doch in seiner Rede gesagt haben, das Peking zumindest verstimmt hat.

Lai hat in seiner Rede einen beidseitigen Ansatz verfolgt. Das muss er auch, denn er muss natürlich auch die Wünsche der taiwanesischen Bevölkerung berücksichtigen. Das heißt, er konnte einerseits keinen großen Schritt auf China zu machen – das würden weder die Bevölkerung noch seine Partei befürworten. Andererseits kann er China auch nicht unnötig provozieren.

Wie gelingt Lai dieser Spagat?

Er hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass Taiwan ein Existenzrecht hat. Das war das Signal an China zu sagen: Wir bleiben standhaft. Andererseits hat er auch ein Angebot an China gemacht und für mehr gegenseitigen Tourismus geworben, sogenannte People-to-People-Kontakte sollen ausgebaut werden. Er hat also durchaus versucht, sehr balanciert zu sein. Interessant ist, wie sich Chinas Verhalten gegenüber Lai verändert. Nach seinem Wahlsieg im Januar war Peking noch ziemlich ruhig und weise. Doch nun hat man sich immer mehr gesteigert, bis rein ins Aggressive.

Die Militärübungen waren also gar nicht so überraschend?

Ich glaube, China hat schon länger vorgehabt, das so zu machen. Es musste aber vorher noch ein bisschen daran basteln, welche Begründung man genau nimmt. Und das ist das Schwierige, was Lai und Taiwan in den nächsten vier Jahren bevorsteht: China wird jeden beliebigen Grund nehmen, um es als Provokation aufzufassen. Es ist fast egal, was Lai macht. Selbst wenn er gar nicht mehr über China reden würde, wäre das für Peking eine Provokation.

Immer aggressiver, immer stärker, immer näher – wie gefährlich ist denn die aktuelle Lage um Taiwan?

Die Gefahr steigt mit jedem Tag und jeder Übung. Taiwans Militär und Küstenwache achten sehr darauf, zu deeskalieren und nicht selbst zu provozieren. Das ist sehr professionell. Aber die Gefahr wächst. Auch die Gefahr einer ungewollten Eskalation, zum Beispiel durch einen Unfall.

Und dann?

Dann wird es richtig gefährlich. Denn seit 2016 gibt es keine direkten Kommunikationskanäle mehr zwischen Taipeh und Peking. Kein rotes Telefon und damit keine Möglichkeit, auf ungewollte Ereignisse schnell zu reagieren. Eine dritte Partei müsste schlichtend eingreifen, die USA oder Japan. Aber dann könnte es schon zu spät sein.

Zurück zu den aktuellen Militärübungen. Sie finden nördlich, südlich und östlich der Insel statt. Auch um die Inseln Matsu und Kinmen. Was bringen solche Übungen eigentlich?

Neben der psychologischen Wirkung aus Taiwan sind sie auch aus militärischen Gesichtspunkten wichtig, weil China so vor Ort trainieren kann, wie eine Seeblockade der Taiwan-Straße vonstattengehen könnte oder eine Invasion, die erst mal in Form einer amphibischen Landung passieren müsste. Es ist wichtig, das vor Ort zu trainieren, denn die Gewässer in der Taiwan-Straße gelten als sehr schwierig. Es gibt nur ein kleines Zeitfenster von wenigen Monaten im Jahr, in denen China überhaupt so eine amphibische Landung durchführen könnte. All das muss man an Ort und Stelle trainieren, um erfolgreich sein zu können.

Kann man innerhalb der chinesischen Militärmanöver eine taktische Entwicklung erkennen?

Ja. Man kann erkennen, dass Peking im Detail strategisch gute Positionen identifiziert hat für neue Kriegsschiffe, um beispielsweise eine Seeblockade durchzuführen und Taiwan komplett isolieren zu können. Man sieht deutlich, dass China sich weiterentwickelt hat. Das ist eine neue Qualität.

In dieser schwierigen Gemengelage will sich nun auch Deutschland stärker im Indopazifik engagieren. Eine gute Entscheidung?

Eine sehr gute Entscheidung. Deutschland muss sich in dieser Region mehr engagieren.

Zur Diskussion steht unter anderem, ob die deutsche Fregatte Baden-Württemberg durch die Taiwan-Straße fahren sollte. Sollte sie?

Absolut. Wenn wir schon Präsenz zeigen im Indopazifik und so einen Aufwand betreiben, dann wäre es angebracht, mit etwas Selbstbewusstsein heranzugehen und diese Fahrt durch die Taiwan-Straße zu machen. Gerade jetzt, vor dem Hintergrund der Spannungen und der riesigen Militärmanöver, ist es die richtige Zeit dafür.

China hat die Bundesregierung vor einer solchen Durchfahrt schon gewarnt.

Ja gut, aber China wird immer warnen und kritisieren, auch wenn die Fregatte nicht durch die Taiwan-Straße fahren würde. Das haben wir doch auch letztes Mal mit der Fregatte Bayern erlebt.

Das heißt, zu viel Kritik aus Peking?

Das ist ein Problem, dessen sich auch China mal klarwerden sollte: Wenn Kritik ständig und überall geäußert wird, kann man sie fast nicht mehr richtig ernst nehmen. Man weiß ja gar nicht mehr, welche dieser ganzen roten Linien man im Moment vielleicht überschreiten könnte. Also ich denke, es würde Deutschland guttun, diese Durchfahrt zu machen. Es wäre ein klares Signal, auch an unsere Partner wie Japan, Australien und andere Länder in Südostasien, dass Deutschland es ernst meint mit dem Engagement im Indopazifik und es sich nicht nur um leere Worthülsen handelt.

Angela Stanzel ist China-Expertin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin. Sie war gerade für Forschungsarbeiten zwei Monate in Taiwan.

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Analyse

EU-Wahl: Diese Rolle spielt China

Die Bühne der Debatte im Europaparlament.

In zwei Wochen findet die EU-Wahl statt. Ihre Auswirkung auf die künftige Ausrichtung der Europäischen Union gegenüber China ist nicht zu unterschätzen. Die Zukunft der Brüsseler Agenda hängt zum Teil davon ab, ob Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin zurückkehren wird. Das wiederum hängt vom EU-Parlament ab, das die neue EU-Kommission im letzten Schritt bestätigen muss. 

Auch die Zusammensetzung des Parlaments selbst ist für die Ausrichtung der China-Politik der europäischen Institutionen wichtig. Das EU-Parlament hatte 2021 beispielsweise die Arbeit an dem Investitionsabkommen mit China (CAI) weiter verweigert, nachdem Peking mehrere Abgeordnete sanktioniert hatte. CAI kam in den viel zitierten Eisschrank und blieb dort. Die Zusammensetzung der Fachausschüsse des Parlaments wird sich also konkret auf die Ausrichtung neuer Gesetzestexte und Regulation auswirken. 

“Bei der EU-Wahl steht in Sachen China viel auf dem Spiel”, sagt Niclas Frederic Poitiers, Analyst beim Brüsseler Thinktank Bruegel, wo er sich hauptsächlich mit Handelspolitik befasst. In den vergangenen Jahren habe die EU-Kommission einen zunehmend konfrontativen Ansatz gegenüber China eingenommen. Themen wie die wirtschaftliche Sicherheit seien präsenter geworden, Europa müsse sich zwischen den USA und der Volksrepublik behaupten. 

Von der Leyen: EU nicht im Handelskrieg mit China

Wie dieser Ansatz nun weitergeführt werde, stehe mit der Wahl an einem wichtigen Wendepunkt, sagt Poitiers. “Nicht zuletzt auch wegen des Aufstiegs der extremen Rechten, die China teilweise sehr nahe stehen.” Durch viele Stimmen für rechtsextreme Parteien könnten sich im Europaparlament Mehrheiten zugunsten Pekings verschieben, sagt Poitiers.  

Eine Entscheidung mit Nachwirkungen wird wohl noch vor der EU-Wahl getroffen werden: Die seit Herbst laufende EU-Untersuchung zu chinesischen Elektrofahrzeugen werde voraussichtlich Beweise für unfaire Subventionen finden, sagte von der Leyen vergangene Woche bei einer von Bruegel und Financial Times organisierten Debatte mit anderen EU-Kandidaten. Sie fügte hinzu, dass die Kommission Zölle erheben werde, “die der Höhe des Schadens entsprechen”. China drohte bereits mit Zöllen auf Autos mit mehr als 2,5 Liter Hubraum

Von der Leyen betonte jedoch, dass sich die EU nicht in einem Handelskrieg mit Peking befinde und widersprach damit EU-Kommissar Nicolas Schmit, Spitzenkandidat der Sozialisten, der die Situation als “Beginn eines Krieges oder zumindest die Gefahr einer Eskalation” bezeichnete. “Wir werden von China angegriffen”, sagte Sandro Gozi bei der Debatte zur Handelspolitik. Der italienische EU-Parlamentarier tritt für die liberale Renew als Spitzenkandidat an. “Es ist klar, dass China völlig gegen den Geist und die Regeln der WTO verstößt”, so Gozi. Die EU müsse sich gegen eine zunehmend aggressive Politik Chinas verteidigen.

Experten warnen vor Aufstieg der extremen Rechten

Bei der offiziellen Spitzenkandidaten-Debatte vergangenen Donnerstag spielte China nur indirekt eine Rolle bei Themen der wirtschaftlichen Sicherheit. Im Fokus standen andere Punkte. 

Filip Šebok, Analyst bei der Association for International Affairs (AMO) in Prag, geht davon aus, dass das auch bei der eigentlich Wahl am zweiten Juni-Wochenende der Fall sein wird: “Bei der EU-Wahl in den einzelnen Ländern stehen in der Regel heimische Themen im Vordergrund, nicht EU-Handels- oder Außenpolitik.”

Indirekt bekämen die China-Themen im Wahlkampf Aufmerksamkeit, wenn es darum ginge, ob und wie chinesische Unternehmen in den EU-Staaten investierten und wie es um die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gehe, sagt Šebok, der Chinas Einfluss vor allem in Tschechien und der Slowakei verfolgt. In diesen Staaten plädierten mehrere Parteien für eine Überarbeitung des Green Deals und weniger EU-Regulierung der Wirtschaft. “In Tschechien und der Slowakei wird oft behauptet, dass wir vor China kapitulieren, indem wir Verbrennungsmotoren aufgeben, wo die europäische Industrie traditionell stark ist, und auf Elektrofahrzeuge umsteigen, wo China dominiert.” Šebok betont, dass es dort auch zunehmend Verbindungen zwischen EU-Parlamentarier der rechts- und linksextremen Parteien und Peking gebe.

Wie die rechten Parteien bei der EU-Wahl abschneiden, wird in Peking genau verfolgt werden. “Es besteht die Gefahr, dass ein starkes Abschneiden der extremen Rechten bei den EU-Wahlen, gefolgt von ähnlichen Ergebnissen bei den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern Anfang September, den Eindruck politischer Unordnung erweckt und Europa von den großen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen ablenkt“, schreibt Noah Barkin, Analyst beim Thinktank German Marshall Fund. Die EU müsse sich nach den Wahlen schnell auf die Zusammensetzung einer neuen Kommission einigen und zeigen, dass sie “den Schwung in der China-Politik aufrechterhalten kann”.

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News

Friedensgipfel: Was Selenskyj sich von Xi und Biden wünscht

Die Ukraine möchte bei einem bevorstehenden Friedensgipfel in der Schweiz die Staatschefs der USA und Chinas mit am Tisch sitzen haben. Die USA sagten ihre Teilnahme am Sonntag zu, nachdem Präsident Wolodymyr Selenskyj zuvor US-Präsident Joe Biden und den chinesischen Staatschef Xi Jinping in einem in der Stadt Charkiw aufgenommenen eindringlichen Appell ersucht hatte, daran teilzunehmen. Wer genau für die USA in die Schweiz reisen wird, gaben die USA noch nicht bekannt.

Bundeskanzler Olaf Scholz setzte sich erneut dafür ein, dass möglichst viele Staaten an der Konferenz in der Schweiz teilnehmen: “Das ist ein kleines Pflänzchen, von dem ich hoffe, dass daraus mehr wächst und deshalb pflegen wir das auch und versuchen, möglichst viele Länder dabei zu haben.” Dies gelte gerade für Staaten, “die ein bisschen weniger entschieden auf der Seite der Ukraine sind”. China erwähnte er dabei nicht explizit. Russland ist zu der Konferenz nicht eingeladen.

In einem Interview warnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg China davor, durch seine Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg die Zusammenarbeit mit dem Westen zu gefährden. “China sagt, es wolle gute Beziehungen mit dem Westen unterhalten. Zur gleichen Zeit heizt Peking aber den Krieg in Europa an. Man kann nicht beides haben”, sagte er der Welt am Sonntag wenige Tage vor dem Treffen der Nato-Außenminister am kommenden Donnerstag und Freitag in Prag.

Chinas Unterstützung sei lebenswichtig für Russlands Krieg in der Ukraine, sagte der frühere Ministerpräsident Norwegens. “Es gibt eine eindeutige Zunahme der Verkäufe von Maschinenteilen, Mikroelektronik und anderen Technologien, die Moskau nutzt, um Raketen, Panzer und Flugzeuge zu produzieren, um sie gegen die Ukraine einzusetzen.” Stoltenberg kündigte an, beim Treffen in Prag den Gipfel zum 75. Geburtstag der Nato in Washington Mitte Juli vorzubereiten. cyb

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Handelspolitik: Wie sich die westlichen Industrieländer gegen China positionieren

Die sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) haben sich darauf geeinigt, gemeinsam Chinas Überkapazitäten zu beobachten. Außerdem ziehen sie Maßnahmen gegen die Handelspolitik des Landes in Betracht. Das erklärten die Finanzminister und Notenbankchefs der G7 zum Abschluss ihres Treffens im norditalienischen Stresa.

Unfaire Handelspraktiken Pekings – etwa durch hohe Subventionen für chinesische Konzerne – seien ein Grund zur Sorge. Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wird vorgeworfen, ausländische Märkte mit Produkten zu Dumping-Preisen zu fluten. Die G7-Gruppe erwägt Schritte bei der Welthandelsorganisation, um auf einen fairen Wettbewerb hinzuwirken. 

US-Finanzministerin Janet Yellen zufolge könnte es auch für andere Länder angemessen sein, Schritte gegen China zu unternehmen. Die US-Regierung hatte unter anderem vor kurzem die Zölle für chinesische E-Autos vervierfacht. rtr

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  • Handelspolitik
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Milliardenkredit: Wie Pakistan in die Falle getappt ist

Das klamme Pakistan ist dabei, seine Schulden bei chinesischen Energieerzeugern in Höhe von mehr als 15 Milliarden Dollar umzustrukturieren. Das könnte Pekings Appetit auf künftige Investitionen dämpfen, schreibt Nikkei Asia.

Das südasiatische Land steht bereits mit etwa 1,9 Milliarden Dollar an offenen Rechnungen für 20 von China unterstützte Kraftwerke im Land in der Kreide. Die meisten von ihnen wurden im Rahmen des 50 Milliarden Dollar teuren Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridors (CPEC) gebaut, einem wichtigen Teil von Pekings weltumspannender Belt and Road Initiative (BRI).

Am vergangenen Wochenende jedoch hat Islamabad darüber hinaus angekündigt, dass es sich um eine Umstrukturierung von 15,4 Milliarden Dollar an Krediten für den Bau dieser von China finanzierten Anlagen bemühen wolle. Pakistan möchte die Laufzeit der Kredite um fünf Jahre verlängern, um in den nächsten Jahren rund 2 Milliarden Dollar an Kosten für den Schuldendienst einzusparen, zitiert Nikkei Asia einen an dem Prozess beteiligten Beamten, der anonym bleiben will.

Die überraschende Ankündigung kam zu einem Zeitpunkt, als Pakistan mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein weiteres Rettungspaket in Höhe von 6 bis 8 Milliarden Dollar verhandelte, der Islamabad aufgefordert hat, die Subventionierung des Energiesektors einzustellen.

Pakistan will die vorgeschlagene Umschuldung noch vor dem Besuch von Premierminister Shehbaz Sharif in China im nächsten Monat genehmigen lassen. Beobachtern zufolge könnte es jedoch schwierig sein, Peking zu überzeugen. Der Antrag fällt in eine Zeit der Spannungen zwischen den beiden Ländern. cyb

  • Neue Seidenstraße
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Presseschau

Zahlreiche Kampfjets in Luftverteidigungszone Taiwans eingedrungen ZEIT
Taiwan reagiert gelassen auf chinesisches Militärmanöver ZEIT
Taiwan president extends goodwill after China drills, US lawmakers arrive REUTERS
Erstes Gipfeltreffen von China, Japan und Südkorea seit Jahren HANDELSBLATT
G7-Treffen in Italien: Lindner, Cognac und der Handel mit China ZDF
Wie China als Automacht Deutschland überholt AUGSBURGER ALLGEMEINE
Diplomatische Bemühungen: Selenskyj lädt Biden und Xi zu Friedenskonferenz in der Schweiz ein SPIEGEL
Nato-Generalsekretär: “Chinas Unterstützung ist für den russischen Angriffskrieg entscheidend” RND
Punktekonten und schwarze Listen: Wie Peking verschuldete Chinesen bestraft N-TV
Chinas Gen Z: Aus der Traum von der goldenen Zukunft? ARD MEDIATHEK
Beliebte Shopping-Apps: Zollfreistellung für Billigimporte aus China soll fallen SPIEGEL

Heads

Transportminister Li Xiaopeng: So wurde der Sohn des “Schlächters von Tiananmen” zu Asiens Energiekönig

Li Xiaopeng, der Sohn des ehemaligen Premierministers Li Peng, ist seit 2016 Transportminister.

Der 64-jährige Li Xiaopeng (李小鹏) ist seit Herbst 2016 im Amt. Unter ihm hat das Transportministerium vor allem das Hochgeschwindigkeitszugnetz weiter ausgebaut. Jeder Chinese solle innerhalb von 15 Minuten eine Autobahn und eine Eisenbahn in einer Stunde erreichen können, heißt es im 14. Fünfjahresplan, der von Li mit ausgearbeitet wurde und bis 2025 gilt. Li will eine Verkehrsarchitektur von Weltrang schaffen, bis 2035 soll sie ein Verkehrsnetz von rund 700.000 km Länge umfassen: 200.000 Kilometer Schienen, 460.000 Kilometer Straßen und 25.000 Kilometer Wasserstraßen. Und das alles kosteneffizient und umweltfreundlich, wie Li immer wieder betont.

Li ist einer der höchstrangigen “Prinzlinge 太子党” der Volksrepublik. So nennt man den Nachwuchs verdienter Alt-Kader, der im Fahrwasser der Eltern Parteikarriere machte. Li ist der Sohn des ehemaligen Premierministers Li Peng, den Regimekritiker bis heute als “Schlächter von Tiananmen” ächten. Li Peng hatte im Juni 1989 strenge Maßnahmen gegen die Studentenproteste gefordert.

Deng Xiaoping, der faktische Führer der Volksrepublik, hörte auf die Hardliner um Li und verkündete das Kriegsrecht. Wenig später rollten die Panzer über den Platz. Der ältere Li blieb in Würden und diente unter anderem als Vorsitzender des Nationalen Volkskongresses. Als sein Lebenswerk betrachtete er den Drei-Schluchten-Damm, dessen Bau er als ausgebildeter Elektroingenieur vorantrieb und überwachte.

Der kleine Li Peng wird Asiens Energiekönig

Auch Li Xiaopeng, dessen Name sich als “kleiner Li Peng” übersetzen lässt, genoss eine technische Ausbildung. Er studierte an der North China Electric Power University und für kurze Zeit auch im Ausland an der University of Manitoba im kanadischen Winnipeg. Ab 1982 arbeitete der Kleine Li als Ingenieur in der Energieindustrie und bekleidete bald zunehmend leitende Positionen. Im April 1999 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der China Huaneng Group ernannt. Ein Jahr später brachte er den in staatlichem Besitz befindlichen Stromerzeuger an die Hongkonger Börse. Nach einigen Fusionen und Übernahmen entwickelte sich China Huaneng zu einem der größten Energieanbieter Asiens – und Li erhielt den Spitznamen des “Asiatischen Königs der Energie”.

Seine politische Karriere begann im Sommer 2008. Damals wurde Li in den ständigen Parteivorstand der Provinz Shanxi geholt und wenig später zum Vize-Gouverneur der Provinz ernannt. In den folgenden vier Jahren, in denen Li zum Gouverneur aufstieg, startete er mehrere Anti-Korruptionskampagnen, bei der hochrangige Provinzbeamte geschasst wurden.

Dennoch scheint es so, als wäre seine Macht um das Jahr 2015 ebenfalls beschnitten worden. Seine Aufgaben innerhalb der Parteiverwaltung wurden von einem Monat auf den anderen drastisch reduziert. Li stieg nie selbst zum Provinzparteichef auf, obwohl das, gemessen an anderen Parteikarrieren, der logischste nächste Schritt gewesen wäre. Offenbar hatte man anderes mit ihm vor.

Korruptionsskandale übersteht er schadlos

Im September 2016 wurde Li vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses zum Verkehrsminister ernannt. Er löste Yang Chuantang ab, der das Amt von 2012 bis 2016 innehatte. Im selben Jahr seines Amtsantritts geriet seine Schwester, die Geschäftsfrau Li Xiaolin, in die Schlagzeilen. Die sogenannten Panama Papers legten nahe, dass sie riesige Mengen Geld über Offshore-Firmen ins Ausland verschoben hatte. Li, die in Hongkong wohnte, galt bis dahin als eine der reichsten Frauen Chinas. Ihr Vermögen hatte sie vor allem mit Investitionen in staatliche Wasserkraftwerke angehäuft, wodurch einmal mehr der Verdacht im Raum stand, dass der Li-Klan Teile Chinas Energiesektor kontrollierte und ausgebeutete.

Trotz Korruptionsverdachts erhielt Li 2017 einen Sitz im Zentralkomitee der KPCh, den er bis 2022 bekleidete. Seine Schwester Li Xiaolin ging 2018 in den Ruhestand und beendete damit ihre 35-jährige Karriere in der staatlichen Elektrizitätswirtschaft. Fabian Peltsch

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Personalien

Sandra Schulze wird ab Juni neue Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks China. Schulze folgt auf Caspar Welbergen. Das Bildungsnetzwerk fördert die Vermittlung von China-Kompetenz an deutschen Schulen. Schulze hat bislang bei der Berliner Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner als Area Managerin China gearbeitet. Schulze war von 2006 bis 2007 mit dem Programm “Sprache und Praxis” des DAAD in China.  

Shen Li wurde zur Area Managerin Greater China bei Hotelkit befördert, einer digitalen Plattform für Hotels mit Sitz in Österreich. Sie hat zuvor bei EETS Europe Express Travel Service gearbeitet und davor bei Guanghau Cultures et Media als Redakteurin. Sie hat an der Hubei Universita of Technology studiert. 

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Zur Sprache

iMenschen

i人 – àirén – iMenschen

Wussten Sie, dass es in China nicht nur iPhones, iPads und iWatches gibt, sondern auch iMenschen? Die haben aber nichts mit A wie Apple zu tun, sondern sind Teil eines B wie Buchstaben-Orakels, das seit geraumer Zeit durch Chinas Internetlandschaft geistert. Es handelt sich dabei um den Myers-Briggs-Typenindikator, kurz MBTI, einen berühmten Persönlichkeitstest aus dem Jahr 1944, mit dessen Hilfe die einst von Carl Gustav Jung entwickelten psychologischen Typen erfasst werden sollen. Von manchem als Managementesoterik abgetan, ist das Tool bis heute dennoch der von Unternehmen weltweit am häufigsten eingesetzte Persönlichkeitstest.

Die Eckdaten in Kürze: Der MBTI teilt Menschen anhand von vier Gegensatz-Skalen in verschiedene Kategorien ein: Introvertierte (I) vs. Extrovertierte (E), sensorische (S) vs. intuitive Erleber (N), “Thinker” (T) vs. “Feeler” (F) und Beurteiler (J wie judging) vs. Wahrnehmer (P wie perceiving). Daraus ergeben sich 16 mögliche Persönlichkeitstypen, jede davon gelabelt mit einem vierstelligen Buchstaben-Code à la “ISTJ” oder “ENFP”.

Lockeres Outing als Introvertierter

Horoskop und Tierkreiszeichen waren also gestern! Seit der MBTI (auf Mandarin: MBTI人格测试 MBTI réngé cèshì) sich im chinesischen Web wie ein Lauffeuer verbreitet hat, ist dieses Raster im Reich der Mitte zu einem schlagfertigen Smalltalk-Eispickel avanciert. Denn mit der Frage 你的MBTI是什么类型? Nǐ de MBTI shì shénme lèixíng? (“Welcher MBTI-Typ bist du?”) lässt sich in krampfigen Kennenlernrunden schnell das Eis brechen (破冰 pòbīng).

In den Alltagssprachgebrauch und zum beliebten Online-Meme schaffte es vor allem die Dichotomie zwischen i-Menschen (i人 – àirén) und e-Menschen (e人 – yìrén), also Introvertierten und Extrovertierten. Wer sich früher für das Outing als Insichgekehrter (内向 nèixiàng – introvertiert) gegrämt hat, weil das im Vergleich zum Extrovertiert-Sein (外向 wàixiàng – extrovertiert) ziemlich uncool klang, stellt sich in China heute mit lockerer Selbstverständlichkeit als Teil der i-Community vor.

Das ePhone bimmelt ständig

Falls Sie sich selbst nicht sicher sind, ob Sie zu den i- oder e-Menschen zählen, machen Sie einfach den Akku-Test: Wer seinen emotionalen Akku draußen in der sozialen Interaktion lädt (社交就是充电 shèjiāo jiù shì chōngdiàn), ist eindeutig ein e-Modell. Wem dagegen Smalltalk und Get-togethers die letzte Reserve aus dem Speicher fressen, die dann zu Hause mühsam wieder aufgetankt werden muss (社交就是耗电 shèjiāo jiù shì hàodiàn), der ist ein i-Human.

In Anlehnung an die I-E-Gabelung, an der sich die Psychen scheiden, hat Chinas Internetgemeinde übrigens auch den scherzhaften englischen Neologismus des “ePhone” ersonnen. Gemeint ist damit das stetig brummende und bimmelnde Smartphone extrovertierter “social butterflies”. Das Gegenstück dazu ist natürlich das “iPhone” eines introvertierten i-Menschen, das sich nie regt.

i-Herrchen und e-Hündchen

Wirklich kompliziert wird es für Hundehalter. Nämlich dann, wenn das Psychogramm von Herrchen respektive Frauchen nicht so recht mit dem des Hundchens zusammenpassen will. Sprich: Wenn zum Beispiel i-Halter mit e-Wauwaus Gassi gehen. Während die Vierbeiner unterwegs schwanzwedelnd jedem Artgenossen entgegenspringen und freudig miteinander anbandeln, stehen i-Herrchen und i-Frauchen wie begossene Pudel daneben, gehüllt in betretenes Schweigen, bis sie beginnen, an der Leine zu zerren, um aus der sozialen Schnappfalle wieder herauszukommen. Im chinesischen Netz kursieren unter dem Stichwort e-Hund (e狗 yì-gǒu – extrovertierter Hund) und i-Hund (i狗 ài-gǒu – introvertierter Hund) jede Menge amüsante Momentaufnahmen.

Wer die i-Menschen in seinem Umfeld übrigens mal ordentlich ins Bockshorn jagen will, für den bieten in China die Feuertopf-Restaurants der Kette Haidilao (海底捞 Hǎidǐlāo) die perfekte Spielwiese. Hier erwartet verschämte i-Einsiedler der Cringe-Kollaps schlechthin, insbesondere an Geburtstagen. Dann nämlich rückt das Personal bewaffnet mit Lautsprecher und Pappkrönchen an, um klatschend um den Hotpot versammelt den hauseigenen Birthday-Hit zu schmettern (“Zu allen Sorgen sag’ bye bye, zu allen Freuden sag’ hi-hi …”, im Original: 跟所有的烦恼说拜拜,跟所有的快乐 say 嗨嗨 Gēn suǒyǒu de fánnǎo shuō báibái, gēn suǒyǒu de kuàilè say hāihāi). Die Blicke aller Nachbartische sind da natürlich garantiert.

Vergleichbar mit Polonäse

Doch auch an ganz gewöhnlichen Tagen kann man bei Haidilao dafür sorgen, dass schüchterne Schlemmergäste verschämt unter die Tischkante rutschen. Man muss nur die handgezogenen Nudeln (拉面 lāmiàn) nach Hausmacherart bestellen. Diese werden nämlich in Kung-Fu-Manier von sportlichen Burschen – begleitet von einem feschen Tänzchen zu fetziger Musik – direkt am Tisch topfgerecht geschleudert und gezogen. Ein Spektakel, das bei zartbesaiteten Zeitgenossen alle Schames-Schweißdrüsen und Fluchtreflexe aktiviert. In Deutschland rächt man sich am besten bei nächster Gelegenheit stilecht mit der Einladung zu einer Faschingsveranstaltung mit Polonäse (Sie wissen schon – die Löcher und der Käse und so).

Auf die Palme treiben lassen sich aber auch noch andere Buchstaben-Bekannte. Nämlich zum Beispiel j-Menschen (j人 “dschey-rén”) und ihr Counterpart, die p-Menschen (p人 pìrén). Beide haben sich als Psycho-Prototypen in der chinesischen Umgangssprache ebenfalls einen Namen gemacht. Ähnlich wie i- und e-Menschen scheint auch dieses Gegensatzpaar von unterschiedlichen Planeten zu stammen. J-Jünger sind als penible Planer verschrien (爱计划ài jìhuà), die nichts dem Zufall überlassen, während sich P-People am liebsten im Hier und Jetzt treiben lassen. Letztere sind wie freigeistige Chamäleons, dich sich mit Leichtigkeit an alle Umstände anpassen können (适应能力强 shìyìng nénglì qiáng).

Wer p-Menschen in den Wahnsinn treiben will, lässt sie vor einer gemeinsamen Urlaubsreise einen minutiösen Reiseplan (am besten in Excel) erstellen. Die Pulsfrequenz von j-Menschen dagegen kann man prima erhöhen, wenn man ihnen als Antwort auf die Frage nach der genauen Reiseroute mitteilt: “Das sehen wir dann!” (到时候再说吧 dào shíhòu zài shuō ba!). Probieren Sie es einfach im persönlichen Umfeld aus – aber bitte auf eigene Gefahr!

Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

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China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    seit dem Amtsantritt von Lai Ching-te als neuer Präsident Taiwans droht China noch lauter als zuvor. Die Wissenschaftlerin Angela Stanzel, eben erst zurück von einem zweimonatigen Aufenthalt in Taiwan, interpretiert Pekings Verhalten aber weiterhin als Warnung und nicht als Beginn einer Invasion. Im Gespräch mit Michael Radunski fordert sie allerdings, Deutschland müsse mehr Präsenz in der Region zeigen, um zu helfen, den auch für Deutschland kostbaren Frieden zu wahren.

    Es gibt auch positive Nachrichten aus der Region. Vertreter Chinas, Japans und Südkoreas trafen sich in Seoul, um das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Die konkreten Erwartungen an den Gipfel sind zwar nicht allzu hoch, aber es hat Symbolkraft, dass die zerstrittenen Länder Ostasiens miteinander reden. Immerhin: China und Südkorea wollen einen sicherheitspolitischen Dialog aufnehmen.

    Was die EU-Wahlen für den künftigen Kurs der Union gegenüber der Volksrepublik bedeuten, ist hingegen nicht zu unterschätzen, schreibt Amelie Richter. Insbesondere das befürchtete Erstarken der rechten Parteien könnte die Haltung zu China verändern – in eine für Europa gefährliche Richtung.

    Ihre
    Carolyn Braun
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    China-Expertin Stanzel: “Deutschland muss sich im Indopazifik mehr engagieren”

    Angela Stanzel, Forscherin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Im Portrait geht es um ihre China-Kritik.
    Angela Stanzel war gerade zwei Monate in Taiwan. Sie arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

    Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums soll von “zerschmetterten Schädeln” und Blut gesprochen haben. Offiziell droht man mit Vernichtung. Ist für China jetzt die Zeit gekommen, gegen Taiwan loszuschlagen?

    Das glaube ich nicht. Sicher, die aktuellen Militärmanöver sind größer, die Rhetorik schärfer als bisher. Aber ich verstehe es weiterhin als Warnung an Taiwan und seine Partner – und nicht als Beginn einer Seeblockade oder gar Invasion.

    Warum tritt China gerade jetzt so scharf auf?

    China wendet im Grunde die Taktik der vergangenen Jahre an: Es wird immer mehr Militär aufgefahren, es tritt immer stärker auf und rückt immer näher an Taiwan heran. Aktuell hat China schlicht den Amtsantritt des neuen taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te genutzt, um noch mal neu zu präsentieren, was es hat und was es kann.

    Ist die Amtseinführung von Lai Ching-te ein berechtigter Anlass? Hat Lai China in seiner Rede provoziert oder gar angegriffen?

    Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Es wurde deutlich, dass Lai keine Abkehr von der bisherigen Politik anstrebt, sondern weiterhin sehr vorsichtig mit der ganzen Situation umgehen wird. Obwohl er den Ruf hat, für Taiwans Unabhängigkeit zu sein, hat Lai nie aktiv die Unabhängigkeit Taiwans gefordert. Das ist das chinesische Narrativ und dient zugleich als Begründung für die Militärübungen.

    Aber irgendetwas muss Lai doch in seiner Rede gesagt haben, das Peking zumindest verstimmt hat.

    Lai hat in seiner Rede einen beidseitigen Ansatz verfolgt. Das muss er auch, denn er muss natürlich auch die Wünsche der taiwanesischen Bevölkerung berücksichtigen. Das heißt, er konnte einerseits keinen großen Schritt auf China zu machen – das würden weder die Bevölkerung noch seine Partei befürworten. Andererseits kann er China auch nicht unnötig provozieren.

    Wie gelingt Lai dieser Spagat?

    Er hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass Taiwan ein Existenzrecht hat. Das war das Signal an China zu sagen: Wir bleiben standhaft. Andererseits hat er auch ein Angebot an China gemacht und für mehr gegenseitigen Tourismus geworben, sogenannte People-to-People-Kontakte sollen ausgebaut werden. Er hat also durchaus versucht, sehr balanciert zu sein. Interessant ist, wie sich Chinas Verhalten gegenüber Lai verändert. Nach seinem Wahlsieg im Januar war Peking noch ziemlich ruhig und weise. Doch nun hat man sich immer mehr gesteigert, bis rein ins Aggressive.

    Die Militärübungen waren also gar nicht so überraschend?

    Ich glaube, China hat schon länger vorgehabt, das so zu machen. Es musste aber vorher noch ein bisschen daran basteln, welche Begründung man genau nimmt. Und das ist das Schwierige, was Lai und Taiwan in den nächsten vier Jahren bevorsteht: China wird jeden beliebigen Grund nehmen, um es als Provokation aufzufassen. Es ist fast egal, was Lai macht. Selbst wenn er gar nicht mehr über China reden würde, wäre das für Peking eine Provokation.

    Immer aggressiver, immer stärker, immer näher – wie gefährlich ist denn die aktuelle Lage um Taiwan?

    Die Gefahr steigt mit jedem Tag und jeder Übung. Taiwans Militär und Küstenwache achten sehr darauf, zu deeskalieren und nicht selbst zu provozieren. Das ist sehr professionell. Aber die Gefahr wächst. Auch die Gefahr einer ungewollten Eskalation, zum Beispiel durch einen Unfall.

    Und dann?

    Dann wird es richtig gefährlich. Denn seit 2016 gibt es keine direkten Kommunikationskanäle mehr zwischen Taipeh und Peking. Kein rotes Telefon und damit keine Möglichkeit, auf ungewollte Ereignisse schnell zu reagieren. Eine dritte Partei müsste schlichtend eingreifen, die USA oder Japan. Aber dann könnte es schon zu spät sein.

    Zurück zu den aktuellen Militärübungen. Sie finden nördlich, südlich und östlich der Insel statt. Auch um die Inseln Matsu und Kinmen. Was bringen solche Übungen eigentlich?

    Neben der psychologischen Wirkung aus Taiwan sind sie auch aus militärischen Gesichtspunkten wichtig, weil China so vor Ort trainieren kann, wie eine Seeblockade der Taiwan-Straße vonstattengehen könnte oder eine Invasion, die erst mal in Form einer amphibischen Landung passieren müsste. Es ist wichtig, das vor Ort zu trainieren, denn die Gewässer in der Taiwan-Straße gelten als sehr schwierig. Es gibt nur ein kleines Zeitfenster von wenigen Monaten im Jahr, in denen China überhaupt so eine amphibische Landung durchführen könnte. All das muss man an Ort und Stelle trainieren, um erfolgreich sein zu können.

    Kann man innerhalb der chinesischen Militärmanöver eine taktische Entwicklung erkennen?

    Ja. Man kann erkennen, dass Peking im Detail strategisch gute Positionen identifiziert hat für neue Kriegsschiffe, um beispielsweise eine Seeblockade durchzuführen und Taiwan komplett isolieren zu können. Man sieht deutlich, dass China sich weiterentwickelt hat. Das ist eine neue Qualität.

    In dieser schwierigen Gemengelage will sich nun auch Deutschland stärker im Indopazifik engagieren. Eine gute Entscheidung?

    Eine sehr gute Entscheidung. Deutschland muss sich in dieser Region mehr engagieren.

    Zur Diskussion steht unter anderem, ob die deutsche Fregatte Baden-Württemberg durch die Taiwan-Straße fahren sollte. Sollte sie?

    Absolut. Wenn wir schon Präsenz zeigen im Indopazifik und so einen Aufwand betreiben, dann wäre es angebracht, mit etwas Selbstbewusstsein heranzugehen und diese Fahrt durch die Taiwan-Straße zu machen. Gerade jetzt, vor dem Hintergrund der Spannungen und der riesigen Militärmanöver, ist es die richtige Zeit dafür.

    China hat die Bundesregierung vor einer solchen Durchfahrt schon gewarnt.

    Ja gut, aber China wird immer warnen und kritisieren, auch wenn die Fregatte nicht durch die Taiwan-Straße fahren würde. Das haben wir doch auch letztes Mal mit der Fregatte Bayern erlebt.

    Das heißt, zu viel Kritik aus Peking?

    Das ist ein Problem, dessen sich auch China mal klarwerden sollte: Wenn Kritik ständig und überall geäußert wird, kann man sie fast nicht mehr richtig ernst nehmen. Man weiß ja gar nicht mehr, welche dieser ganzen roten Linien man im Moment vielleicht überschreiten könnte. Also ich denke, es würde Deutschland guttun, diese Durchfahrt zu machen. Es wäre ein klares Signal, auch an unsere Partner wie Japan, Australien und andere Länder in Südostasien, dass Deutschland es ernst meint mit dem Engagement im Indopazifik und es sich nicht nur um leere Worthülsen handelt.

    Angela Stanzel ist China-Expertin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin. Sie war gerade für Forschungsarbeiten zwei Monate in Taiwan.

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    Analyse

    EU-Wahl: Diese Rolle spielt China

    Die Bühne der Debatte im Europaparlament.

    In zwei Wochen findet die EU-Wahl statt. Ihre Auswirkung auf die künftige Ausrichtung der Europäischen Union gegenüber China ist nicht zu unterschätzen. Die Zukunft der Brüsseler Agenda hängt zum Teil davon ab, ob Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin zurückkehren wird. Das wiederum hängt vom EU-Parlament ab, das die neue EU-Kommission im letzten Schritt bestätigen muss. 

    Auch die Zusammensetzung des Parlaments selbst ist für die Ausrichtung der China-Politik der europäischen Institutionen wichtig. Das EU-Parlament hatte 2021 beispielsweise die Arbeit an dem Investitionsabkommen mit China (CAI) weiter verweigert, nachdem Peking mehrere Abgeordnete sanktioniert hatte. CAI kam in den viel zitierten Eisschrank und blieb dort. Die Zusammensetzung der Fachausschüsse des Parlaments wird sich also konkret auf die Ausrichtung neuer Gesetzestexte und Regulation auswirken. 

    “Bei der EU-Wahl steht in Sachen China viel auf dem Spiel”, sagt Niclas Frederic Poitiers, Analyst beim Brüsseler Thinktank Bruegel, wo er sich hauptsächlich mit Handelspolitik befasst. In den vergangenen Jahren habe die EU-Kommission einen zunehmend konfrontativen Ansatz gegenüber China eingenommen. Themen wie die wirtschaftliche Sicherheit seien präsenter geworden, Europa müsse sich zwischen den USA und der Volksrepublik behaupten. 

    Von der Leyen: EU nicht im Handelskrieg mit China

    Wie dieser Ansatz nun weitergeführt werde, stehe mit der Wahl an einem wichtigen Wendepunkt, sagt Poitiers. “Nicht zuletzt auch wegen des Aufstiegs der extremen Rechten, die China teilweise sehr nahe stehen.” Durch viele Stimmen für rechtsextreme Parteien könnten sich im Europaparlament Mehrheiten zugunsten Pekings verschieben, sagt Poitiers.  

    Eine Entscheidung mit Nachwirkungen wird wohl noch vor der EU-Wahl getroffen werden: Die seit Herbst laufende EU-Untersuchung zu chinesischen Elektrofahrzeugen werde voraussichtlich Beweise für unfaire Subventionen finden, sagte von der Leyen vergangene Woche bei einer von Bruegel und Financial Times organisierten Debatte mit anderen EU-Kandidaten. Sie fügte hinzu, dass die Kommission Zölle erheben werde, “die der Höhe des Schadens entsprechen”. China drohte bereits mit Zöllen auf Autos mit mehr als 2,5 Liter Hubraum

    Von der Leyen betonte jedoch, dass sich die EU nicht in einem Handelskrieg mit Peking befinde und widersprach damit EU-Kommissar Nicolas Schmit, Spitzenkandidat der Sozialisten, der die Situation als “Beginn eines Krieges oder zumindest die Gefahr einer Eskalation” bezeichnete. “Wir werden von China angegriffen”, sagte Sandro Gozi bei der Debatte zur Handelspolitik. Der italienische EU-Parlamentarier tritt für die liberale Renew als Spitzenkandidat an. “Es ist klar, dass China völlig gegen den Geist und die Regeln der WTO verstößt”, so Gozi. Die EU müsse sich gegen eine zunehmend aggressive Politik Chinas verteidigen.

    Experten warnen vor Aufstieg der extremen Rechten

    Bei der offiziellen Spitzenkandidaten-Debatte vergangenen Donnerstag spielte China nur indirekt eine Rolle bei Themen der wirtschaftlichen Sicherheit. Im Fokus standen andere Punkte. 

    Filip Šebok, Analyst bei der Association for International Affairs (AMO) in Prag, geht davon aus, dass das auch bei der eigentlich Wahl am zweiten Juni-Wochenende der Fall sein wird: “Bei der EU-Wahl in den einzelnen Ländern stehen in der Regel heimische Themen im Vordergrund, nicht EU-Handels- oder Außenpolitik.”

    Indirekt bekämen die China-Themen im Wahlkampf Aufmerksamkeit, wenn es darum ginge, ob und wie chinesische Unternehmen in den EU-Staaten investierten und wie es um die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gehe, sagt Šebok, der Chinas Einfluss vor allem in Tschechien und der Slowakei verfolgt. In diesen Staaten plädierten mehrere Parteien für eine Überarbeitung des Green Deals und weniger EU-Regulierung der Wirtschaft. “In Tschechien und der Slowakei wird oft behauptet, dass wir vor China kapitulieren, indem wir Verbrennungsmotoren aufgeben, wo die europäische Industrie traditionell stark ist, und auf Elektrofahrzeuge umsteigen, wo China dominiert.” Šebok betont, dass es dort auch zunehmend Verbindungen zwischen EU-Parlamentarier der rechts- und linksextremen Parteien und Peking gebe.

    Wie die rechten Parteien bei der EU-Wahl abschneiden, wird in Peking genau verfolgt werden. “Es besteht die Gefahr, dass ein starkes Abschneiden der extremen Rechten bei den EU-Wahlen, gefolgt von ähnlichen Ergebnissen bei den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern Anfang September, den Eindruck politischer Unordnung erweckt und Europa von den großen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen ablenkt“, schreibt Noah Barkin, Analyst beim Thinktank German Marshall Fund. Die EU müsse sich nach den Wahlen schnell auf die Zusammensetzung einer neuen Kommission einigen und zeigen, dass sie “den Schwung in der China-Politik aufrechterhalten kann”.

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    News

    Friedensgipfel: Was Selenskyj sich von Xi und Biden wünscht

    Die Ukraine möchte bei einem bevorstehenden Friedensgipfel in der Schweiz die Staatschefs der USA und Chinas mit am Tisch sitzen haben. Die USA sagten ihre Teilnahme am Sonntag zu, nachdem Präsident Wolodymyr Selenskyj zuvor US-Präsident Joe Biden und den chinesischen Staatschef Xi Jinping in einem in der Stadt Charkiw aufgenommenen eindringlichen Appell ersucht hatte, daran teilzunehmen. Wer genau für die USA in die Schweiz reisen wird, gaben die USA noch nicht bekannt.

    Bundeskanzler Olaf Scholz setzte sich erneut dafür ein, dass möglichst viele Staaten an der Konferenz in der Schweiz teilnehmen: “Das ist ein kleines Pflänzchen, von dem ich hoffe, dass daraus mehr wächst und deshalb pflegen wir das auch und versuchen, möglichst viele Länder dabei zu haben.” Dies gelte gerade für Staaten, “die ein bisschen weniger entschieden auf der Seite der Ukraine sind”. China erwähnte er dabei nicht explizit. Russland ist zu der Konferenz nicht eingeladen.

    In einem Interview warnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg China davor, durch seine Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg die Zusammenarbeit mit dem Westen zu gefährden. “China sagt, es wolle gute Beziehungen mit dem Westen unterhalten. Zur gleichen Zeit heizt Peking aber den Krieg in Europa an. Man kann nicht beides haben”, sagte er der Welt am Sonntag wenige Tage vor dem Treffen der Nato-Außenminister am kommenden Donnerstag und Freitag in Prag.

    Chinas Unterstützung sei lebenswichtig für Russlands Krieg in der Ukraine, sagte der frühere Ministerpräsident Norwegens. “Es gibt eine eindeutige Zunahme der Verkäufe von Maschinenteilen, Mikroelektronik und anderen Technologien, die Moskau nutzt, um Raketen, Panzer und Flugzeuge zu produzieren, um sie gegen die Ukraine einzusetzen.” Stoltenberg kündigte an, beim Treffen in Prag den Gipfel zum 75. Geburtstag der Nato in Washington Mitte Juli vorzubereiten. cyb

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    Handelspolitik: Wie sich die westlichen Industrieländer gegen China positionieren

    Die sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) haben sich darauf geeinigt, gemeinsam Chinas Überkapazitäten zu beobachten. Außerdem ziehen sie Maßnahmen gegen die Handelspolitik des Landes in Betracht. Das erklärten die Finanzminister und Notenbankchefs der G7 zum Abschluss ihres Treffens im norditalienischen Stresa.

    Unfaire Handelspraktiken Pekings – etwa durch hohe Subventionen für chinesische Konzerne – seien ein Grund zur Sorge. Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wird vorgeworfen, ausländische Märkte mit Produkten zu Dumping-Preisen zu fluten. Die G7-Gruppe erwägt Schritte bei der Welthandelsorganisation, um auf einen fairen Wettbewerb hinzuwirken. 

    US-Finanzministerin Janet Yellen zufolge könnte es auch für andere Länder angemessen sein, Schritte gegen China zu unternehmen. Die US-Regierung hatte unter anderem vor kurzem die Zölle für chinesische E-Autos vervierfacht. rtr

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    Milliardenkredit: Wie Pakistan in die Falle getappt ist

    Das klamme Pakistan ist dabei, seine Schulden bei chinesischen Energieerzeugern in Höhe von mehr als 15 Milliarden Dollar umzustrukturieren. Das könnte Pekings Appetit auf künftige Investitionen dämpfen, schreibt Nikkei Asia.

    Das südasiatische Land steht bereits mit etwa 1,9 Milliarden Dollar an offenen Rechnungen für 20 von China unterstützte Kraftwerke im Land in der Kreide. Die meisten von ihnen wurden im Rahmen des 50 Milliarden Dollar teuren Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridors (CPEC) gebaut, einem wichtigen Teil von Pekings weltumspannender Belt and Road Initiative (BRI).

    Am vergangenen Wochenende jedoch hat Islamabad darüber hinaus angekündigt, dass es sich um eine Umstrukturierung von 15,4 Milliarden Dollar an Krediten für den Bau dieser von China finanzierten Anlagen bemühen wolle. Pakistan möchte die Laufzeit der Kredite um fünf Jahre verlängern, um in den nächsten Jahren rund 2 Milliarden Dollar an Kosten für den Schuldendienst einzusparen, zitiert Nikkei Asia einen an dem Prozess beteiligten Beamten, der anonym bleiben will.

    Die überraschende Ankündigung kam zu einem Zeitpunkt, als Pakistan mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein weiteres Rettungspaket in Höhe von 6 bis 8 Milliarden Dollar verhandelte, der Islamabad aufgefordert hat, die Subventionierung des Energiesektors einzustellen.

    Pakistan will die vorgeschlagene Umschuldung noch vor dem Besuch von Premierminister Shehbaz Sharif in China im nächsten Monat genehmigen lassen. Beobachtern zufolge könnte es jedoch schwierig sein, Peking zu überzeugen. Der Antrag fällt in eine Zeit der Spannungen zwischen den beiden Ländern. cyb

    • Neue Seidenstraße
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    Presseschau

    Zahlreiche Kampfjets in Luftverteidigungszone Taiwans eingedrungen ZEIT
    Taiwan reagiert gelassen auf chinesisches Militärmanöver ZEIT
    Taiwan president extends goodwill after China drills, US lawmakers arrive REUTERS
    Erstes Gipfeltreffen von China, Japan und Südkorea seit Jahren HANDELSBLATT
    G7-Treffen in Italien: Lindner, Cognac und der Handel mit China ZDF
    Wie China als Automacht Deutschland überholt AUGSBURGER ALLGEMEINE
    Diplomatische Bemühungen: Selenskyj lädt Biden und Xi zu Friedenskonferenz in der Schweiz ein SPIEGEL
    Nato-Generalsekretär: “Chinas Unterstützung ist für den russischen Angriffskrieg entscheidend” RND
    Punktekonten und schwarze Listen: Wie Peking verschuldete Chinesen bestraft N-TV
    Chinas Gen Z: Aus der Traum von der goldenen Zukunft? ARD MEDIATHEK
    Beliebte Shopping-Apps: Zollfreistellung für Billigimporte aus China soll fallen SPIEGEL

    Heads

    Transportminister Li Xiaopeng: So wurde der Sohn des “Schlächters von Tiananmen” zu Asiens Energiekönig

    Li Xiaopeng, der Sohn des ehemaligen Premierministers Li Peng, ist seit 2016 Transportminister.

    Der 64-jährige Li Xiaopeng (李小鹏) ist seit Herbst 2016 im Amt. Unter ihm hat das Transportministerium vor allem das Hochgeschwindigkeitszugnetz weiter ausgebaut. Jeder Chinese solle innerhalb von 15 Minuten eine Autobahn und eine Eisenbahn in einer Stunde erreichen können, heißt es im 14. Fünfjahresplan, der von Li mit ausgearbeitet wurde und bis 2025 gilt. Li will eine Verkehrsarchitektur von Weltrang schaffen, bis 2035 soll sie ein Verkehrsnetz von rund 700.000 km Länge umfassen: 200.000 Kilometer Schienen, 460.000 Kilometer Straßen und 25.000 Kilometer Wasserstraßen. Und das alles kosteneffizient und umweltfreundlich, wie Li immer wieder betont.

    Li ist einer der höchstrangigen “Prinzlinge 太子党” der Volksrepublik. So nennt man den Nachwuchs verdienter Alt-Kader, der im Fahrwasser der Eltern Parteikarriere machte. Li ist der Sohn des ehemaligen Premierministers Li Peng, den Regimekritiker bis heute als “Schlächter von Tiananmen” ächten. Li Peng hatte im Juni 1989 strenge Maßnahmen gegen die Studentenproteste gefordert.

    Deng Xiaoping, der faktische Führer der Volksrepublik, hörte auf die Hardliner um Li und verkündete das Kriegsrecht. Wenig später rollten die Panzer über den Platz. Der ältere Li blieb in Würden und diente unter anderem als Vorsitzender des Nationalen Volkskongresses. Als sein Lebenswerk betrachtete er den Drei-Schluchten-Damm, dessen Bau er als ausgebildeter Elektroingenieur vorantrieb und überwachte.

    Der kleine Li Peng wird Asiens Energiekönig

    Auch Li Xiaopeng, dessen Name sich als “kleiner Li Peng” übersetzen lässt, genoss eine technische Ausbildung. Er studierte an der North China Electric Power University und für kurze Zeit auch im Ausland an der University of Manitoba im kanadischen Winnipeg. Ab 1982 arbeitete der Kleine Li als Ingenieur in der Energieindustrie und bekleidete bald zunehmend leitende Positionen. Im April 1999 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der China Huaneng Group ernannt. Ein Jahr später brachte er den in staatlichem Besitz befindlichen Stromerzeuger an die Hongkonger Börse. Nach einigen Fusionen und Übernahmen entwickelte sich China Huaneng zu einem der größten Energieanbieter Asiens – und Li erhielt den Spitznamen des “Asiatischen Königs der Energie”.

    Seine politische Karriere begann im Sommer 2008. Damals wurde Li in den ständigen Parteivorstand der Provinz Shanxi geholt und wenig später zum Vize-Gouverneur der Provinz ernannt. In den folgenden vier Jahren, in denen Li zum Gouverneur aufstieg, startete er mehrere Anti-Korruptionskampagnen, bei der hochrangige Provinzbeamte geschasst wurden.

    Dennoch scheint es so, als wäre seine Macht um das Jahr 2015 ebenfalls beschnitten worden. Seine Aufgaben innerhalb der Parteiverwaltung wurden von einem Monat auf den anderen drastisch reduziert. Li stieg nie selbst zum Provinzparteichef auf, obwohl das, gemessen an anderen Parteikarrieren, der logischste nächste Schritt gewesen wäre. Offenbar hatte man anderes mit ihm vor.

    Korruptionsskandale übersteht er schadlos

    Im September 2016 wurde Li vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses zum Verkehrsminister ernannt. Er löste Yang Chuantang ab, der das Amt von 2012 bis 2016 innehatte. Im selben Jahr seines Amtsantritts geriet seine Schwester, die Geschäftsfrau Li Xiaolin, in die Schlagzeilen. Die sogenannten Panama Papers legten nahe, dass sie riesige Mengen Geld über Offshore-Firmen ins Ausland verschoben hatte. Li, die in Hongkong wohnte, galt bis dahin als eine der reichsten Frauen Chinas. Ihr Vermögen hatte sie vor allem mit Investitionen in staatliche Wasserkraftwerke angehäuft, wodurch einmal mehr der Verdacht im Raum stand, dass der Li-Klan Teile Chinas Energiesektor kontrollierte und ausgebeutete.

    Trotz Korruptionsverdachts erhielt Li 2017 einen Sitz im Zentralkomitee der KPCh, den er bis 2022 bekleidete. Seine Schwester Li Xiaolin ging 2018 in den Ruhestand und beendete damit ihre 35-jährige Karriere in der staatlichen Elektrizitätswirtschaft. Fabian Peltsch

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    • Verkehrspolitik

    Personalien

    Sandra Schulze wird ab Juni neue Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks China. Schulze folgt auf Caspar Welbergen. Das Bildungsnetzwerk fördert die Vermittlung von China-Kompetenz an deutschen Schulen. Schulze hat bislang bei der Berliner Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner als Area Managerin China gearbeitet. Schulze war von 2006 bis 2007 mit dem Programm “Sprache und Praxis” des DAAD in China.  

    Shen Li wurde zur Area Managerin Greater China bei Hotelkit befördert, einer digitalen Plattform für Hotels mit Sitz in Österreich. Sie hat zuvor bei EETS Europe Express Travel Service gearbeitet und davor bei Guanghau Cultures et Media als Redakteurin. Sie hat an der Hubei Universita of Technology studiert. 

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    iMenschen

    i人 – àirén – iMenschen

    Wussten Sie, dass es in China nicht nur iPhones, iPads und iWatches gibt, sondern auch iMenschen? Die haben aber nichts mit A wie Apple zu tun, sondern sind Teil eines B wie Buchstaben-Orakels, das seit geraumer Zeit durch Chinas Internetlandschaft geistert. Es handelt sich dabei um den Myers-Briggs-Typenindikator, kurz MBTI, einen berühmten Persönlichkeitstest aus dem Jahr 1944, mit dessen Hilfe die einst von Carl Gustav Jung entwickelten psychologischen Typen erfasst werden sollen. Von manchem als Managementesoterik abgetan, ist das Tool bis heute dennoch der von Unternehmen weltweit am häufigsten eingesetzte Persönlichkeitstest.

    Die Eckdaten in Kürze: Der MBTI teilt Menschen anhand von vier Gegensatz-Skalen in verschiedene Kategorien ein: Introvertierte (I) vs. Extrovertierte (E), sensorische (S) vs. intuitive Erleber (N), “Thinker” (T) vs. “Feeler” (F) und Beurteiler (J wie judging) vs. Wahrnehmer (P wie perceiving). Daraus ergeben sich 16 mögliche Persönlichkeitstypen, jede davon gelabelt mit einem vierstelligen Buchstaben-Code à la “ISTJ” oder “ENFP”.

    Lockeres Outing als Introvertierter

    Horoskop und Tierkreiszeichen waren also gestern! Seit der MBTI (auf Mandarin: MBTI人格测试 MBTI réngé cèshì) sich im chinesischen Web wie ein Lauffeuer verbreitet hat, ist dieses Raster im Reich der Mitte zu einem schlagfertigen Smalltalk-Eispickel avanciert. Denn mit der Frage 你的MBTI是什么类型? Nǐ de MBTI shì shénme lèixíng? (“Welcher MBTI-Typ bist du?”) lässt sich in krampfigen Kennenlernrunden schnell das Eis brechen (破冰 pòbīng).

    In den Alltagssprachgebrauch und zum beliebten Online-Meme schaffte es vor allem die Dichotomie zwischen i-Menschen (i人 – àirén) und e-Menschen (e人 – yìrén), also Introvertierten und Extrovertierten. Wer sich früher für das Outing als Insichgekehrter (内向 nèixiàng – introvertiert) gegrämt hat, weil das im Vergleich zum Extrovertiert-Sein (外向 wàixiàng – extrovertiert) ziemlich uncool klang, stellt sich in China heute mit lockerer Selbstverständlichkeit als Teil der i-Community vor.

    Das ePhone bimmelt ständig

    Falls Sie sich selbst nicht sicher sind, ob Sie zu den i- oder e-Menschen zählen, machen Sie einfach den Akku-Test: Wer seinen emotionalen Akku draußen in der sozialen Interaktion lädt (社交就是充电 shèjiāo jiù shì chōngdiàn), ist eindeutig ein e-Modell. Wem dagegen Smalltalk und Get-togethers die letzte Reserve aus dem Speicher fressen, die dann zu Hause mühsam wieder aufgetankt werden muss (社交就是耗电 shèjiāo jiù shì hàodiàn), der ist ein i-Human.

    In Anlehnung an die I-E-Gabelung, an der sich die Psychen scheiden, hat Chinas Internetgemeinde übrigens auch den scherzhaften englischen Neologismus des “ePhone” ersonnen. Gemeint ist damit das stetig brummende und bimmelnde Smartphone extrovertierter “social butterflies”. Das Gegenstück dazu ist natürlich das “iPhone” eines introvertierten i-Menschen, das sich nie regt.

    i-Herrchen und e-Hündchen

    Wirklich kompliziert wird es für Hundehalter. Nämlich dann, wenn das Psychogramm von Herrchen respektive Frauchen nicht so recht mit dem des Hundchens zusammenpassen will. Sprich: Wenn zum Beispiel i-Halter mit e-Wauwaus Gassi gehen. Während die Vierbeiner unterwegs schwanzwedelnd jedem Artgenossen entgegenspringen und freudig miteinander anbandeln, stehen i-Herrchen und i-Frauchen wie begossene Pudel daneben, gehüllt in betretenes Schweigen, bis sie beginnen, an der Leine zu zerren, um aus der sozialen Schnappfalle wieder herauszukommen. Im chinesischen Netz kursieren unter dem Stichwort e-Hund (e狗 yì-gǒu – extrovertierter Hund) und i-Hund (i狗 ài-gǒu – introvertierter Hund) jede Menge amüsante Momentaufnahmen.

    Wer die i-Menschen in seinem Umfeld übrigens mal ordentlich ins Bockshorn jagen will, für den bieten in China die Feuertopf-Restaurants der Kette Haidilao (海底捞 Hǎidǐlāo) die perfekte Spielwiese. Hier erwartet verschämte i-Einsiedler der Cringe-Kollaps schlechthin, insbesondere an Geburtstagen. Dann nämlich rückt das Personal bewaffnet mit Lautsprecher und Pappkrönchen an, um klatschend um den Hotpot versammelt den hauseigenen Birthday-Hit zu schmettern (“Zu allen Sorgen sag’ bye bye, zu allen Freuden sag’ hi-hi …”, im Original: 跟所有的烦恼说拜拜,跟所有的快乐 say 嗨嗨 Gēn suǒyǒu de fánnǎo shuō báibái, gēn suǒyǒu de kuàilè say hāihāi). Die Blicke aller Nachbartische sind da natürlich garantiert.

    Vergleichbar mit Polonäse

    Doch auch an ganz gewöhnlichen Tagen kann man bei Haidilao dafür sorgen, dass schüchterne Schlemmergäste verschämt unter die Tischkante rutschen. Man muss nur die handgezogenen Nudeln (拉面 lāmiàn) nach Hausmacherart bestellen. Diese werden nämlich in Kung-Fu-Manier von sportlichen Burschen – begleitet von einem feschen Tänzchen zu fetziger Musik – direkt am Tisch topfgerecht geschleudert und gezogen. Ein Spektakel, das bei zartbesaiteten Zeitgenossen alle Schames-Schweißdrüsen und Fluchtreflexe aktiviert. In Deutschland rächt man sich am besten bei nächster Gelegenheit stilecht mit der Einladung zu einer Faschingsveranstaltung mit Polonäse (Sie wissen schon – die Löcher und der Käse und so).

    Auf die Palme treiben lassen sich aber auch noch andere Buchstaben-Bekannte. Nämlich zum Beispiel j-Menschen (j人 “dschey-rén”) und ihr Counterpart, die p-Menschen (p人 pìrén). Beide haben sich als Psycho-Prototypen in der chinesischen Umgangssprache ebenfalls einen Namen gemacht. Ähnlich wie i- und e-Menschen scheint auch dieses Gegensatzpaar von unterschiedlichen Planeten zu stammen. J-Jünger sind als penible Planer verschrien (爱计划ài jìhuà), die nichts dem Zufall überlassen, während sich P-People am liebsten im Hier und Jetzt treiben lassen. Letztere sind wie freigeistige Chamäleons, dich sich mit Leichtigkeit an alle Umstände anpassen können (适应能力强 shìyìng nénglì qiáng).

    Wer p-Menschen in den Wahnsinn treiben will, lässt sie vor einer gemeinsamen Urlaubsreise einen minutiösen Reiseplan (am besten in Excel) erstellen. Die Pulsfrequenz von j-Menschen dagegen kann man prima erhöhen, wenn man ihnen als Antwort auf die Frage nach der genauen Reiseroute mitteilt: “Das sehen wir dann!” (到时候再说吧 dào shíhòu zài shuō ba!). Probieren Sie es einfach im persönlichen Umfeld aus – aber bitte auf eigene Gefahr!

    Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

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