Taiwan hat gewählt. Die bisher regierende Demokratisch-Progessive Partei (DPP) hat das Präsidentenamt für sich verteidigt. Ihr Kandidat Lai Ching-te (William Lai) hat vor allem die Wähler angesprochen, die eher auf Distanz zu China gehen wollen. Alle Details finden Sie in dieser Sonderausgabe von China.Table in der Analyse von Felix Lee.
Den Machthabern in Peking wird das Ergebnis nicht gefallen. Wir halten Sie in den kommenden Tagen darüber auf dem Laufenden, mit welcher Rhetorik die Propagandisten über den sauber gewählten Lai herfallen wird. Die Zeit des Wahlkampfs hat schon einen Vorgeschmack gegeben, Lai wurde als “Separatist” gebrandmarkt – in festlandchinesischer Logik ist er damit ein Feind Chinas.
Dabei hat sich Lai in den Fernsehdebatten vor der Wahl höchst besonnen geäußert. Ein radikaler Alleingang in Richtung Unabhängigkeit ist von ihm nicht zu erwarten, nur die Fortsetzung des Status quo mit etwas mehr Reibung.
Von dieser Wahl ist daher auch keine dramatische Verschiebung der Verhältnisse zu erwarten, zumal die DPP auch in den vergangenen acht Jahren regiert hat. Die eher pro-chinesische KMT hätte zwar akut Entspannung bringen können. Doch das hätte nur wenig über die Zukunft gesagt. Wer sich in Chinas Umarmung begibt, kann sich daraus nur mit Mühe befreien.
Die Wahl war also nicht die Schicksalswahl, als die sie Peking sie dargestellt hat. Aber sie war ein ganz wundervolles Anschauungsbeispiel für Demokratie in Ostasien.
Ihr Finn Mayer-Kuckuk
Analyse
William Lai ist Taiwans neuer Präsident – trotz Chinas Einflussnahme
Taiwans künftiger Präsident am Samstagvormittag bei der Stimmabgabe: William Lai von der DPP.
Allen Drohgebärden und Hetzkampagnen der kommunistischen Führung in Peking zum Trotz – eine Mehrheit der Taiwanerinnen und Taiwaner hat sich offenbar nicht einschüchtern lassen und den China-kritischen Lai Ching-te (William Lai) von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) zum neuen Präsidenten Taiwans gewählt. Der 64-jährige Lai, der bisher Vizepräsident war, kam nach Auszählung der Stimmen aus 98 Prozent der Wahllokale auf 40,2 Prozent. Sein wichtigster Widersacher, der von der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) aufgestellte Hou Yu-ih, lag demnach mit 33,4 Prozent deutlich dahinter. Die Opposition erkannte bereits ihre Niederlage an.
Pro-chinesische Töne des KMT-Kandidaten verfingen nicht
Überraschend gut schnitt Ko Wen-je von der Taiwanischen Volkspartei TPP ab, eine gegenüber China ebenfalls nicht ganz so konfrontative neue Partei, die zum ersten Mal einen Anwärter für die Präsidentschaftswahl ins Rennen geschickt hat. Ko, der zwischen 2014 und 2022 Bürgermeister der Stadt Taipeh war, kam auf rund 26,01 Prozent.
Hätten sich KMT und TPP auf einen Präsidentschaftskandidaten geeinigt, wie es im November noch vorgesehen war, wäre eine konservative Mehrheit sehr wahrscheinlich zustande gekommen. Die TPP dürfte die KMT damit um den Sieg gebracht haben. Bis bislang amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen von der DPP durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Im Parlament schiebt sich die KMT nach vorn
Während sie in der Präsidentschaftswahl den Sieg mit nach Hause nehmen konnte, erlebte die DPP in den Regionen das Phänomen, das vielen regierenden Parteien zu schaffen macht: Die Wähler zeigten ihre Unzufriedenheit mit den innenpolitischen Realitäten und machten ihr Kreuz bei der Opposition.
Der Stimmzettel für die taiwanische Präsidentenwahl.
Denn zeitgleich zur Präsidentschaftswahl fanden auch Wahlen des Parlaments (Legislativ-Yuan) statt, in dem die DPP bislang die absolute Mehrheit hatte. Hier wird die bislang regierende DPP Verluste hinnehmen müssen und an die KMT abtreten. Es zeichnet sich ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen ab, wer im Parlament künftig die Mehrheit haben wird.
Überraschungserfolg für die TPP
Die TPP, die 2019 überhaupt erst gegründet wurde, wird voraussichtlich mit einigen Sitzen im künftigen Parlament ebenfalls vertreten sein. Dieses umfasst insgesamt 113 Sitze. Der größte Teil der Abgeordneten wird direkt gewählt, der kleinere Teil der Sitze über Stimmen für die Partei festgelegt. Für die direkte Wahl der Abgeordneten als auch die des Präsidenten reicht eine einfache Mehrheit. Dass Taiwans neue Volkspartei so stark abschneiden konnte, zeigt, dass viele Taiwaner das seit Jahren sehr polarisierte Parteiengezänk zwischen DPP und KMT leid sind. Ersten Erhebungen zufolge hat Ko und seine TPP vor allem unter jungen Wählern gut abgeschnitten.
Rund 19,5 Millionen Taiwaner waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Manche reisten eigens aus den USA, China, Australien und Europa für das Votum an. Denn Briefwahl ist aus Angst vor Manipulation in Taiwan nicht möglich. Dennoch lag die Wahlbeteiligung mit rund 69 Prozent niedriger als bei vergangenen Wahlen als sie stets um die 75 Prozent betrugen. Nur bei den Wahlen 2016 war die Wahlbeteiligung mit rund 66 Prozent noch niedriger.
Peking dramatisiert, doch Taiwan bleibt ruhig
Auch wenn alle drei Kandidaten es vermeiden wollten, das angespannte Verhältnis mit dem mächtigen Nachbarn China zum bestimmenden Thema zu machen und alle drei vor allem innenpolitische Themen in den Vordergrund rücken wollten – angesichts der fast täglichen Militärmanöver vor der Küste Taiwans hat Chinas Souveränitätsanspruch diese Wahlen so überschattet wie seit Jahrzehnten nicht.
Die kommunistische Führung in Peking hat die Abstimmung selbst als Wahl zwischen Krieg und Frieden bezeichnet. Sie lehnt Gespräche mit William Lai und der bisherigen Präsidentin Tsai Ing-wen ab und bezeichnet beide als Separatisten. Mit Politikern der KMT ist Peking hingegen ständig im Gespräch.
Taiwan hat gewählt. Die bisher regierende Demokratisch-Progessive Partei (DPP) hat das Präsidentenamt für sich verteidigt. Ihr Kandidat Lai Ching-te (William Lai) hat vor allem die Wähler angesprochen, die eher auf Distanz zu China gehen wollen. Alle Details finden Sie in dieser Sonderausgabe von China.Table in der Analyse von Felix Lee.
Den Machthabern in Peking wird das Ergebnis nicht gefallen. Wir halten Sie in den kommenden Tagen darüber auf dem Laufenden, mit welcher Rhetorik die Propagandisten über den sauber gewählten Lai herfallen wird. Die Zeit des Wahlkampfs hat schon einen Vorgeschmack gegeben, Lai wurde als “Separatist” gebrandmarkt – in festlandchinesischer Logik ist er damit ein Feind Chinas.
Dabei hat sich Lai in den Fernsehdebatten vor der Wahl höchst besonnen geäußert. Ein radikaler Alleingang in Richtung Unabhängigkeit ist von ihm nicht zu erwarten, nur die Fortsetzung des Status quo mit etwas mehr Reibung.
Von dieser Wahl ist daher auch keine dramatische Verschiebung der Verhältnisse zu erwarten, zumal die DPP auch in den vergangenen acht Jahren regiert hat. Die eher pro-chinesische KMT hätte zwar akut Entspannung bringen können. Doch das hätte nur wenig über die Zukunft gesagt. Wer sich in Chinas Umarmung begibt, kann sich daraus nur mit Mühe befreien.
Die Wahl war also nicht die Schicksalswahl, als die sie Peking sie dargestellt hat. Aber sie war ein ganz wundervolles Anschauungsbeispiel für Demokratie in Ostasien.
Ihr Finn Mayer-Kuckuk
Analyse
William Lai ist Taiwans neuer Präsident – trotz Chinas Einflussnahme
Taiwans künftiger Präsident am Samstagvormittag bei der Stimmabgabe: William Lai von der DPP.
Allen Drohgebärden und Hetzkampagnen der kommunistischen Führung in Peking zum Trotz – eine Mehrheit der Taiwanerinnen und Taiwaner hat sich offenbar nicht einschüchtern lassen und den China-kritischen Lai Ching-te (William Lai) von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) zum neuen Präsidenten Taiwans gewählt. Der 64-jährige Lai, der bisher Vizepräsident war, kam nach Auszählung der Stimmen aus 98 Prozent der Wahllokale auf 40,2 Prozent. Sein wichtigster Widersacher, der von der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) aufgestellte Hou Yu-ih, lag demnach mit 33,4 Prozent deutlich dahinter. Die Opposition erkannte bereits ihre Niederlage an.
Pro-chinesische Töne des KMT-Kandidaten verfingen nicht
Überraschend gut schnitt Ko Wen-je von der Taiwanischen Volkspartei TPP ab, eine gegenüber China ebenfalls nicht ganz so konfrontative neue Partei, die zum ersten Mal einen Anwärter für die Präsidentschaftswahl ins Rennen geschickt hat. Ko, der zwischen 2014 und 2022 Bürgermeister der Stadt Taipeh war, kam auf rund 26,01 Prozent.
Hätten sich KMT und TPP auf einen Präsidentschaftskandidaten geeinigt, wie es im November noch vorgesehen war, wäre eine konservative Mehrheit sehr wahrscheinlich zustande gekommen. Die TPP dürfte die KMT damit um den Sieg gebracht haben. Bis bislang amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen von der DPP durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Im Parlament schiebt sich die KMT nach vorn
Während sie in der Präsidentschaftswahl den Sieg mit nach Hause nehmen konnte, erlebte die DPP in den Regionen das Phänomen, das vielen regierenden Parteien zu schaffen macht: Die Wähler zeigten ihre Unzufriedenheit mit den innenpolitischen Realitäten und machten ihr Kreuz bei der Opposition.
Der Stimmzettel für die taiwanische Präsidentenwahl.
Denn zeitgleich zur Präsidentschaftswahl fanden auch Wahlen des Parlaments (Legislativ-Yuan) statt, in dem die DPP bislang die absolute Mehrheit hatte. Hier wird die bislang regierende DPP Verluste hinnehmen müssen und an die KMT abtreten. Es zeichnet sich ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen ab, wer im Parlament künftig die Mehrheit haben wird.
Überraschungserfolg für die TPP
Die TPP, die 2019 überhaupt erst gegründet wurde, wird voraussichtlich mit einigen Sitzen im künftigen Parlament ebenfalls vertreten sein. Dieses umfasst insgesamt 113 Sitze. Der größte Teil der Abgeordneten wird direkt gewählt, der kleinere Teil der Sitze über Stimmen für die Partei festgelegt. Für die direkte Wahl der Abgeordneten als auch die des Präsidenten reicht eine einfache Mehrheit. Dass Taiwans neue Volkspartei so stark abschneiden konnte, zeigt, dass viele Taiwaner das seit Jahren sehr polarisierte Parteiengezänk zwischen DPP und KMT leid sind. Ersten Erhebungen zufolge hat Ko und seine TPP vor allem unter jungen Wählern gut abgeschnitten.
Rund 19,5 Millionen Taiwaner waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Manche reisten eigens aus den USA, China, Australien und Europa für das Votum an. Denn Briefwahl ist aus Angst vor Manipulation in Taiwan nicht möglich. Dennoch lag die Wahlbeteiligung mit rund 69 Prozent niedriger als bei vergangenen Wahlen als sie stets um die 75 Prozent betrugen. Nur bei den Wahlen 2016 war die Wahlbeteiligung mit rund 66 Prozent noch niedriger.
Peking dramatisiert, doch Taiwan bleibt ruhig
Auch wenn alle drei Kandidaten es vermeiden wollten, das angespannte Verhältnis mit dem mächtigen Nachbarn China zum bestimmenden Thema zu machen und alle drei vor allem innenpolitische Themen in den Vordergrund rücken wollten – angesichts der fast täglichen Militärmanöver vor der Küste Taiwans hat Chinas Souveränitätsanspruch diese Wahlen so überschattet wie seit Jahrzehnten nicht.
Die kommunistische Führung in Peking hat die Abstimmung selbst als Wahl zwischen Krieg und Frieden bezeichnet. Sie lehnt Gespräche mit William Lai und der bisherigen Präsidentin Tsai Ing-wen ab und bezeichnet beide als Separatisten. Mit Politikern der KMT ist Peking hingegen ständig im Gespräch.