Table.Briefing: China

Steinmeier setzt auf die Mongolei + Peking hofft aufs Drachenjahr

Liebe Leserin, lieber Leser,

in der Nacht zu Morgen begrüßt der chinesische Kulturkreis das Jahr des Drachen. Das einzige mythische Tier unter den Sternzeichen ist auch das beliebteste. Das wird mit ziemlicher Sicherheit dazu führen, dass im anbrechenden Mondjahr die Zahl der Kinder steigt, weil Horoskop-gläubige Eltern ihrem Nachwuchs in spe durch die wohl getimte Geburt beste Startbedingungen verschaffen wollen.

Das Demografie-Problem der Volksrepublik wird aber auch der Drache nicht lösen, schreibt Felix Lee – die Geburten werden nicht mehr, sie verschieben sich nur. Denn das vorausgegangene Jahr des Hasen und das nachfolgende Schlangenjahr versprechen weniger energische und kraftvolle Menschen – und dürften damit zu vergleichsweise schwachen Geburtsjahrgängen werden.

Nicht um Drachen, aber immerhin um Giraffen geht es in einer Farce, die von der miesen wirtschaftlichen Stimmung in China und der gleichzeitigen Talfahrt an den Aktienmärkten inspiriert ist. Denn normalerweise entwickelt sich die Lage an der hochspekulative Börse abgekoppelt von der normalen Konjunktur. Warum das derzeit anders ist, warum Chinesen den Weibo-Kanal der US-Botschaft nutzen, um ihrem Ärger Luft zu machen, und was all das mit langhalsigen Paarhufern und deutschen Kommunistinnen zu tun hat, lesen Sie in unserem heutigen Blick aus China.

Ihnen ein frohes neues Jahr des Drachen – und das unabhängig von Ihrem Tierkreiszeichen!

Ihre
Carolyn Braun
Bild von Carolyn  Braun

Analyse

Deutsche Partnerschaft mit der Mongolei: Klares Zeichen an China und Russland

Bundespräsident Steinmeier und der mongolische Präsident Ukhnaagiin Khurelsukh

Ein eisiger Wind weht dem deutschen Bundespräsidenten an diesem Donnerstag in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar ins Gesicht. Es hat minus 24 Grad – und die Symbolik könnte kaum passender sein. Die Demokratien dieser Welt sehen sich ebenfalls mit einem eisigen Wind konfrontiert. Er weht aus Peking und Moskau – und schickt sich an, die westlich geprägte Ordnung hinwegzufegen: Russland ganz offen mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine, China weitaus subtiler mit Wirtschaftsmacht und globalen Initiativen.

In dieser Situation will Deutschland ein starkes, geopolitisches Zeichen setzen – und hat deshalb mit der demokratischen Mongolei eine strategische Partnerschaft abgeschlossen. Mit ihr will man in mehreren Bereichen große Ziele erreichen:

  • Diplomatie: Geplant ist eine engere Zusammenarbeit, sowohl bilateral als auch international bei den Vereinten Nationen.
  • Wirtschaft: Die Mongolei ist reich an Rohstoffen wie Kupfer, Gold und Seltenen Erden, die Deutschland allesamt dringend benötigt – auch um Abhängigkeiten von China zu reduzieren.
  • Klimaschutz: Die Mongolei ist prädestiniert für den Ausbau von Solar- und Windkraft.
  • Militär: Hier will Deutschland unter anderem mongolische Gebirgsjäger ausbilden.
  • Und nicht zuletzt Geopolitik: Hier soll die demokratische Mongolei gegenüber seinen autoritären Nachbarn China und Russland gestärkt werden.

Es ist das erste Mal, dass die Mongolei mit einem europäischen Staat eine derart hohe Vereinbarung eingeht. Für den deutschen Bundespräsidenten geht es um nichts weniger als um Demokratie, Rechtsstaat und die Erhaltung der internationalen Ordnung mit der UN-Charta im Zentrum. Denn nur diese Ordnung garantiere den Staaten ihre Unabhängigkeit, Souveränität und die Sicherheit ihrer internationalen Grenzen, sagt Frank-Walter Steinmeier. “Damit geht von dieser strategischen Partnerschaft ein klares Signal aus.” Die Adressaten befinden sich ganz in der Nähe, sie grenzen direkt an die Mongolei: China und Russland.   

Mongolei ist abhängig von China und Russland

In kaum einem anderen Land wird die Bruchkante zwischen Demokratie und Autokratie so offen sichtbar wie an den Grenzen der Mongolei. Mit Russland im Norden und China im Süden befindet sich die Mongolei nicht nur geografisch in einer Art Schwitzkasten. Die Abhängigkeit von den beiden Nachbarn ist nahezu erdrückend: 98 Prozent der Energie bezieht die Mongolei aus Russland, während 90 Prozent der mongolischen Exporte nach China gehen.

“Die strategische Partnerschaft ist ein sehr wichtiger Schritt”, sagt Gantulga Tuvshinzaya zu Table.Media. “Sie gibt der Mongolei den dringend benötigten Raum zum Atmen in ihrer sehr komplizierten geopolitischen Umgebung zwischen China und Russland“, erklärt der Nonresident Fellow des Mongolian National Institute for Security Studies.

China und Russland erhöhen Druck auf Mongolei

Denn China und Russland nutzen immer offener ihren Einfluss als Druckmittel. Als Ulaanbaatar mit Frankreich über die Lieferung von Uran verhandelte, um seine Energie-Abhängigkeit von Moskau zu reduzieren, wurden plötzlich die Energielieferungen aus Russland empfindlich gedrosselt. Ähnliches im Falle Chinas: Nach einem Besuch des Dalai Lama in der Mongolei erhöhte China so lange den Druck, bis die Regierung in Ulaanbaatar versprach, das religiöse Oberhaupt der Tibeter in Zukunft nicht mehr einzuladen. Dabei ist der Dalai Lama auch das Oberhaupt der mehrheitlich buddhistischen Mongolen.

Lange Zeit standen China und Russland selbst im Wettstreit gegeneinander. Dadurch gelang es der Mongolei immer wieder, die Interessen der beiden Großmächte gegeneinander auszuspielen und eine gewisse Balance zu halten.

Deutschland als Drittnachbar

Dazu kommt noch eine dritte Säule in der mongolischen Außenpolitik: das Konzept des “Drittnachbars”. Gemeint ist, dass die Mongolei zusätzlich zu seinen geografischen Nachbarn China und Russland aktiv nach gesinnungsgleichen Nachbarn sucht.

Neben der Weltmacht USA und nahegelegenen Ländern Japan und Südkorea ist das vor allem Deutschland. Denn die Beziehung zwischen der Mongolei und Deutschland sind länger und vielfältiger, als es das 50-jährige Jubiläum diplomatischer Beziehungen vermuten lassen.

Handlungsspielraum der Mongolei schrumpft  

Jene Drittnachbarn-Politik wird zunehmend wichtiger – vor allem seit sich China und Russland unter den Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin eine “grenzenlose Freundschaft” versprochen haben. Denn die neue Nähe zwischen Peking und Moskau hat auch Konsequenzen für die Mongolei.

Im Juli reiste der russische Generalstaatsanwalt Igor Krasnow nach Peking und gab bekannt, er habe mit seinem chinesischen Kollegen beschlossen, dem zunehmenden westlichen Einfluss auf ihren “inneren Nachbarn” Mongolei entgegenwirken zu wollen. Die Möglichkeiten der Mongolei, etwaige Differenzen zwischen ihren Nachbar auszunutzen, sind seither deutlich geschrumpft.

Mongolei nicht zu Entscheidung drängen

In diesem Umfeld ist Deutschland als Partner hochwillkommen. Allerdings sollte man bei allem Enthusiasmus einen gravierenden Fehler vermeiden, den vor allem die USA in ihren geopolitischen Plänen oftmals begehen. “Ich hoffe, dass Deutschland von der Mongolei nicht fordert, dass wir in der geopolitischen Auseinandersetzung eine Seite wählen“, erklärt Tuvshinzaya. “Wir können uns nicht komplett von China und Russland abwenden.”

Im Grunde hat sich die Mongolei mit seiner Verfassung ja bereits entschieden. Oder in den Worten des ehemaligen US-Außenministers John Kerry: Die Mongolei ist eine Oase der Demokratie in Asien.

Die Partnerschaft braucht Substanz

Vielmehr gilt es nun, die strategische Partnerschaft mit Substanz zu füllen. Viktor Frank ist an dieser Stelle jedoch nur “verhalten optimistisch”. Der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ulaanbaatar erklärt im Gespräch mit Table.Media: “Um die reichen Rohstoffe der Mongolei tatsächlich zu erschließen, braucht es riesige Investitionen in Infrastruktur. Zudem müssten Projekte deutscher Unternehmen dann politisch flankiert werden durch Hermesbürgschaften oder Abkommen über die rechtliche Absicherung solcher Investitionen.”

Der deutsche Bundespräsident scheint sich dessen bewusst. Dem mongolischen Ministerpräsidenten versicherte Steinmeier jedenfalls: “Wir wollen nicht nur Papiere unterschreiben, sondern auch konkrete Politik machen.” Wenn das gelingt, ginge von dieser Reise tatsächlich ein wichtiges geopolitisches Signal aus.

  • Energie
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Chinas Jahr des Drachens verspricht Babyboom – Trendwende bleibt dennoch fraglich

2024 erwartet China einen Babyboom: Denn Kinder, die im Jahr des Drachen geboren sind, gelten als charismatisch und selbstbewusst.

Im Westen kennen wir den Drachen als ein feuerspeiendes Ungeheuer, das Angst und Schrecken verbreitet. In Fernost wird mit dem Drachen hingegen ein weises, gütiges und göttliches Fabeltier assoziiert, das vor bösen Geistern schützt. 

Wenn in der Nacht zum Samstag weltweit etwa 1,5 Milliarden Menschen aus dem chinesischen Kulturkreis das neue Jahr des Drachen begehen, wird aus ihrer Sicht ein ganz besonders verheißungsvolles Jahr begrüßt. Der Drache hat seit jeher eine tiefe Symbolik in der chinesischen Kultur und ist nicht nur das Symbol der alten Kaiser. Das Drachenjahr verspricht auch Glück, Erfolg, Wohlstand – sowie jede Menge Kinder.

So war das zumindest in den letzten Drachenjahren. Denn Kinder, die im Jahr des Drachen geboren werden, gelten der chinesischen Astrologie zufolge als charismatisch, entschlossen und selbstbewusst und sollen mit Weisheit gesegnet sein. Sie bringen damit der ganzen Familie Freude. Und weil dieses Mal dem Jahr des Drachen zusätzlich noch das Element Holz zugeordnet wird, verspricht 2024 ein Jahr von Wachstum und Entwicklung. Auch das weckt in China positive Assoziationen.

Geburtenrate stieg steil an

Als vor zwölf Jahren das letzte Mal das Jahr des Drachen begangen wurde, stiegen in China, Taiwan und anderen Ländern mit hohem chinesischen Bevölkerungsanteil wie Singapur und Malaysia die Geburtenraten denn auch steil an. Im Jahr des Drachen 2000 etwa wurden in Hongkong 5,6 Prozent mehr Geburten als im Vorjahr registriert. Im ebenfalls chinesisch geprägten Stadtstaat Singapur, wo die Fruchtbarkeitsrate seit Jahrzehnten bei etwa 1,1 Kinder pro Frau liegt, nahmen die Geburten in den Drachenjahren 2000 und 1988 um mehr als zehn Prozent im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahren zu, in Taiwan gar um über 13 Prozent. Auch geheiratet wurde im Jahr des Drachen mehr als in den Jahren davor oder danach.

KP-Führung setzt große Hoffnung auf 2024

Insbesondere die chinesische Führung hofft 2024 darauf, dass der Glaube an das chinesische Horoskop in diesem Jahr zu einem wahren Babyboom führt. China hat ein gewaltiges Demografieproblem. Die Ein-Kind-Politik, die mehr als 30 Jahre jedem Ehepaar in China nur ein Kind erlaubte, ist seit 2015 aufgehoben. Trotzdem gehen die Geburtenzahlen seit Jahren immer weiter zurück. Erst Anfang des Jahres gab das Nationale Statistikamt bekannt, dass die Bevölkerung der Volksrepublik 2023 das zweite Jahr in Folge geschrumpft ist. Und zwar um zwei Millionen. Vor allem die Geschwindigkeit alarmiert die Führung. Kamen 2016 noch rund 18 Millionen Kinder zur Welt, waren es im vergangenen Jahr nur noch halb so viele. Seit vergangenem Jahr ist China auch nicht mehr das bevölkerungsreichste Land der Welt, sondern Indien. 

Aber auch wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass im Drachenjahr 2024 ein Babyboom einsetzt und in China mehr Kinder das Licht der Welt erblicken als in den Vorjahren: Das ändert nichts am grundsätzlichen Trend. Und dieser lautet: Schrumpfung. 

Keine generelle Umkehr

Im letzten Drachenjahr 2012 lag der Anstieg der zur Welt gekommenen Kinder bei etwa fünf Prozent. Allerdings war eben die Geburtenrate im Jahr zuvor, das dem Hasen gewidmet ist, umso niedriger. Und auch im Jahr danach, dem Jahr der Schlange, kamen überdurchschnittlich wenige Kinder zur Welt. Viele junge Paare hatten die Zeugung ihres Kindes offenbar ganz gezielt auf das Drachenjahr gelegt. Über einen Dreijahreszeitraum glich sich das aus. Das dürfte dieses Mal nicht anders sein.

Fruchtbarkeitskliniken und auch die Branchen für Babynahrung, Spielzeug und Kinderkleidung werben in China im Internet und in Hochglanzmagazinen schon seit Monaten um mehr Schwangerschaften. Dieser Trend in der Werbebranche dürfte spätestens im Spätfrühling aber schon wieder vorbei sein.

Bis zum 17. Mai sollte ein Kind nach Berechnungen der Ärzte gezeugt werden, damit es vor Ende des Mondjahres am 28. Januar 2025 das Licht der Welt erblickt. Denn dann ist das Jahr des Drachen schon wieder vorbei. Und die Schlange ist unter Eltern in spe nicht so beliebt. 

  • Demografie
  • Ein-Kind-Politik
  • Geburtenrate

Termine

12.2.2024, 18 Uhr (13.2.2022, 1:00 Uhr Beijing time)
Program on U.S.-Japan Relations, Weatherhead Center for International Affairs, Talk (auch via Zoom): Craig Allen – China’s Economic Development Model: Implications for US-Japan Relations Mehr

14.2.2024, 14:30 Uhr (21:30 Uhr Beijing time)
CSIS Freeman Chair in China Studies, Webcast: Building International Support for Taiwan – Report Launch Mehr

14.2.2024, 19:00 Uhr (15.2.2024, 2:00 Uhr Beijing time)
Friedrich-Naumann-Stiftung, Online-Diskussion: Geld und Macht: Chinas Einfluss in Subsahara-Afrika Mehr

16.02.2024, 20:00 Uhr
Amt für Internationale Beziehungen der Stadt Nürnberg, Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen und SNPV: Neujahrskonzert Mehr

17.2.2024, 19:00 Uhr
Konfuzius-Institut Frankfurt, Festsaal der Freimaurer-Loge Zur Einigkeit: Konzert zum chinesischen Neujahr, Sounds of Spring 2024 Mehr

19.2.2024, 18:15 Uhr (20.2.2024, 1:15 Uhr Beijing time)
Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Hybrid-Vortrag: Stephanie Christmann-Budian: Quo Vadis chinesisch-deutsche Wissenschaftskooperation? Ein Ausblick auf Grundlage der bisherigen Entwicklungen Mehr

20.2.2024, 21:30 Uhr (21.2.2024 4:30 Beijing time)
Center for Strategic & International Studies CSIS, Webcast: A Conversation with U.S. Ambassador to the United Nations Linda Thomas-Greenfield on U.S. Diplomacy in the Pacific Islands Mehr

21.2.2024, 2:30 Uhr (9:30 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Urban China Lecture Series (auch via Zoom): Shawn SK Teo – Two Experiments in Theorizing (with) Urban China Mehr

News

Preise fallen wie seit über 14 Jahren nicht mehr

Die stark fallenden Preise in China schüren Sorge vor einer konjunkturschädlichen Deflationsspirale. Zu Jahresbeginn sanken sie zum vierten Mal in Folge und so stark wie seit über 14 Jahren nicht mehr: Der Rückgang war mit 0,8 Prozent der stärkste seit September 2009. Das geht aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten des Nationalen Statistikamtes (NBS) hervor. Auch die Erzeugerpreise fallen. Der entsprechende Index PPI gab im Januar um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr nach.

Während in einem Großteil der Industrieländer die hohe Inflation an der Kaufkraft der Verbraucher nagt, begünstigt die Deflation in China die Konsumzurückhaltung. Das kann eine konjunkturell verheerende Abwärtsspirale in Gang setzen. Der Volksrepublik gelang es nach dem Ende der Corona-Eindämmungsmaßnahmen Ende 2022 nicht, die Konjunktur wiederzubeleben. Das liegt unter anderem der weiter schwelenden Immobilienkrise und den Problemen der Exporteure. Die Wirtschaft wuchs im Jahr 2023 zwar um 5,2 Prozent und erreichte damit das offizielle Ziel von rund fünf Prozent. Doch die Erholung verlief holprig, insbesondere der Konsum kommt nicht in Gang.

Das offizielle Wachstumsziel für das laufende Jahr wird zur Eröffnung des Nationalen Volkskongresses erwartet – der jährlichen Parlamentstagung des kommunistisch regierten Landes. Falls wie bereits 2023 ein Plus von rund fünf Prozent angestrebt werden sollte, wäre dies aus Sicht vieler Beobachter recht ambitioniert – selbst wenn Regierung und Notenbank der Wirtschaft erneut Konjunkturspritzen verpassen sollten.

Die Notenbank hatte erst jüngst den Reservesatz für Geschäftsbanken (RRR) gesenkt – und zwar um einen halben Prozentpunkt. Mit der Senkung wird rund eine Billion Yuan (umgerechnet rund 128 Milliarden Euro) an Liquidität für das Finanzsystem freigesetzt. Das Dilemma für die Notenbank besteht darin, dass die Zinssenkungen, die die Konjunktur ankurbeln sollen, den Preisverfall beschleunigen könnten. Experten verweisen darauf, dass ein Großteil der Kredite in den Infrastruktursektor und auch in Überkapazitäten fließt, wodurch sich weiterer Deflationsdruck aufbauen könne. rtr

  • Deflation
  • Geldpolitik
  • Konjunktur
  • Konsum

Siemens hofft auf Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte

Siemens kämpft gegen die Konjunkturflaute in China. Sie ist der Grund dafür, dass das Aushängeschild des Münchner Technologiekonzerns, die Automatisierungs-Sparte Digital Industries (DI), im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 (per Ende September) ungewohnte Schwächen zeigte. Da die Käufe im Bereich Fabrikautomation in der Volksrepublik um 55 Prozent einbrachen und damit die Zuwächse in den Bereichen Mobilität und Industrie ausglichen, stagnierte der Auftragseingang von Siemens im ersten Quartal des Geschäftsjahres weitgehend.

In China könne es bis ins zweite Halbjahr dauern, bis die Kunden ihre Lager geräumt hätten, sagte Siemens-Chef Roland Busch am Donnerstag vor der Hauptversammlung in München. Wie lange genau, werde man in einigen Wochen klarer sehen, ergänzte Finanzvorstand Ralf Thomas. Der Tiefpunkt sei aber überwunden.

Auch in der Gebäude- und Infrastruktur-Technik sei die Nachfrage in China verhalten. Die Ziele von Siemens sehen beide nicht in Gefahr. Das Unternehmen ließ seinen Ausblick für die Sparte DI und den Gesamtkonzern unverändert. “Der chinesische Markt ist immer noch sehr langsam”, sagte der Vorstandsvorsitzende Roland Busch in einem Interview mit Bloomberg Television. “Wir hoffen, dass wir in der zweiten Jahreshälfte einen Aufschwung in China erleben werden.”

“Siemens hat erneut ein starkes Quartal abgeliefert und sein profitables Wachstum fortgesetzt”, sagte Vorstandschef Busch. Zwischen Oktober und Dezember sei der Umsatz um sechs Prozent auf 18,4 Milliarden Euro gestiegen. Der Auftragseingang erhöhte sich anders als von Analysten erwartet um zwei Prozent auf 22,3 Milliarden Euro. Der Nettogewinn lag mit 2,55 Milliarden Euro sogar deutlich über den Prognosen. Den Gewinnsprung verdankte Siemens auch einem Sonderertrag in Höhe von 479 Millionen Euro durch die Übertragung eines Pakets von Siemens-Energy-Aktien an den eigenen Pensionsfonds. cyb/rtr

  • Mobilität
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Menschenrechtler: China zwingt schon vierjährige Tibeter in Internate

Die chinesische Regierung zwingt nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 80 Prozent der tibetischen Kinder in Internate. Oft würden schon Vierjährige monatelang von ihren Eltern getrennt, weil das staatliche Internat hunderte Kilometer vom Heimatdorf entfernt liege, zitiert die Evangelische Presseagentur (epd) die Gesellschaft für bedrohte Völker. Insgesamt müssten Hunderttausend Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren Internate besuchen, mit dem Ziel, sie von ihrer Sprache und tibetischen Identität abzuschneiden.

Wenn die Kinder nach Monaten der Trennung aus dem Internat nach Hause kämen, könnten sie häufig nur noch Mandarin und weigerten sich, Tibetisch zu sprechen, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker laut epd weiter. Die buddhistischen Traditionen ihrer Eltern und Großeltern schienen sie dann nicht mehr zu interessieren. flee

  • Kinder
  • Menschenrechte
  • Tibet

Presseschau

China und Russland wollen “neues Kapitel aufschlagen” FRANKFURTER RUNDSCHAU
The West hasn’t grasped the scale of the disaster facing China TELEGRAPH
Verbraucherpreise in China gesunken ZEIT
Chinese equity flows turn positive as Beijing signals support FINANCIAL TIMES
In China, Deflation Tightens Its Grip. WSJ
Who Is China’s New Securities Regulator, the ‘Broker Butcher’ BLOOMBERG
Mögliche Sabotagepläne: Chinesische Hacker hatten offenbar fünf Jahre Zugriff auf kritische US-Infrastruktur SPIEGEL
US and China likely to delay renewal of key science pact again NATURE
Wirtschaftsminister Robert Habeck verärgert Wirtschaft mit Fragebogen zum China-Geschäft HANDELSBLATT
Spionageverdacht: China eröffnet neue Station in der Antarktis FAZ
Morocco Renews Adherence to One-China Policy MOROCCOWORLDNEWS

Standpunkt

Wie sich die deutsche Kommunistin Renate Koppe in China lächerlich gemacht hat

Nach einer Farce um Giraffen, die Kommunistische Partei Deutschlands und die Botschaften der Vereinigten Staaten und Indiens in Peking, sowie einem plötzlichen Wechsel an der Spitze der Börsenaufsicht, beendete der chinesische Aktienmarkt das Jahr des Hasen in einer Art Schwebezustand.

Der Leitindex Shanghai Composite Index schloss am 8. Februar, der letzten Handelssitzung vor dem Beginn des Jahres des Drachen, bei 2865,90 Punkten. Der Index stieg in der letzten Woche um fünf Prozent dank starken staatlichem Eingriffen, fiel jedoch im gesamten Mondjahr um 12 Prozent.

Chinas hochspekulativer Aktienmarkt war in seiner 33-jährigen Geschichte größtenteils von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes abgekoppelt. Doch im vergangenen Jahr, als sämtliche Indizes in den Keller rauschten, entsprach die Stimmung an der Börse ausnahmsweise der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch die Bevölkerung.

Nachdem die Behörden Ende vergangenen Jahres erkannt hatten, dass sie etwas unternehmen mussten, um das Vertrauen in die Wirtschaft zu stärken, versprachen hochrangige Funktionäre, darunter Premier Li Qiang, “stärkere und wirksamere Maßnahmen zur Stabilisierung des Marktes”. Es wurde eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, darunter auch die Erhöhung der Liquidität. Es gelang ihnen jedoch nicht, die trübe Stimmung auf dem Markt zu vertreiben, der nach wie vor auf Talfahrt zu bleiben schien.

Propaganda-Fauxpas

Zu diesem Zeitpunkt schlug der Pessimismus der Anleger wegen eines Artikels im führenden Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas in Wut um. In einem Interview mit der chinesischen Volkszeitung vom 2. Februar sagte Renate Koppe, internationale Sekretärin der Kommunistischen Partei Deutschlands, sie habe bei ihrem Besuch in China im vergangenen Jahr “ein Land gesehen, das von einer optimistischen Atmosphäre durchdrungen war”.

Das Zitat, das auch als Überschrift für den Artikel gewählt wurde, stand in völligem Kontrast zur Realität. Es ging sofort viral und rief die zutiefst beleidigten Aktienanleger auf den Plan. In der Annahme, dass die Social-Media-Seite der US-Botschaft verhältnismäßig immun gegen Zensur sei, strömten sie auf deren Weibo-Konto, einer populären chinesischen Plattform, die X ähnelt.

Unter einem am selben Tag veröffentlichten Artikel über den Schutz von Giraffen verfassten die User bis zum 5. Februar mehr als 160.000 Kommentare. Die meisten von ihnen hatten nichts mit den Tieren zu tun, sondern mit dem Aktienmarkt. Zu den provokantesten Kommentaren gehörten Aufrufe an die US-Börsenaufsicht, den chinesischen Markt zu übernehmen, der Appell an die USA, einige Raketen zur Bombardierung der Börse in Schanghai bereitzuhalten, und das Versprechen, den Weg zu ebnen, wenn die US-Armee in China einmarschiert.

Kränkelnder Aktienmarkt

China machte einmal 20 Prozent der gesamten Kapitalisierung der globalen Aktienmärkte aus. Inzwischen ist der Anteil auf etwa 10 Prozent gesunken. Die Zahl der aktiven Anleger an den beiden chinesischen Börsen wird auf 20 bis 30 Millionen geschätzt. Aber der Markt war noch nie ein Ort des fairen Handels oder einer, an dem eine vernünftige Anzahl von Unternehmen ordentliche Dividenden erwirtschaftet. Die bekannteste Kritik stammt von dem renommierten Wirtschaftswissenschaftler Wu Jinglian, der den Markt mit einem schlecht geführten Kasino verglich.

Laut einer Recherche der in Hongkong ansässigen Forthright Financial Holdings haben von den insgesamt 4.876 Unternehmen, die jemals an der Börsen notiert waren, lediglich 0,5 Prozent für ihre Investoren Nettovermögen erwirtschaftet. Dennoch glauben viele Anleger, sie wären clever oder hätten das Glück, das von anderen zu glauben. Tatsächlich haben auch nur 0,5 Prozent der Anleger Geld verdient, stand im selben Bericht. Nun geben sie den Behörden die Schuld für ihr verlorenes Kapital.

Der Spott geht weiter

Die Aktienanleger waren im vergangenen Jahr nicht die einzige verärgerte Gruppe. Der Großteil der Chinesen war aus verschiedenen Gründen – wirtschaftlich oder politisch – unzufrieden. Die Klagen der Aktieninhaber, die gegen Ende des chinesischen Mondkalenders besonders laut wurden, gaben der allgemeinen Frustration noch eine zusätzliche Dimension.

Der Artikel in der Volkszeitung erregte auch die Aufmerksamkeit vieler, die nichts an der Börse angelegt hatten. Über das Propagandastück brachen unzählige Spötteleien herein, die beliebteste darunter: “Die gesamte Giraffengemeinschaft ist von einer optimistischen Stimmung durchdrungen.”

Eine Ruhepause für ein frohes chinesisches Neujahr

Letztendlich schritten die Zensoren ein und sperrten alle Beiträge, die eine “optimistische Atmosphäre” erwähnten. Trolle wurden mobilisiert, um Kommentare zu posten, die die “chinesisch-amerikanische Freundschaft” lobten. Kommentare über den Aktienmarkt auf der Weibo-Seite der US-Botschaft wurden gelöscht, was dazu führte, dass einige hartnäckige Kritiker auf das Konto der indischen Botschaft wechselten, um dort weiter ihren Unmut kundzutun.

Am 6. Februar gab die Central Huijin Investment, eine Tochtergesellschaft des Staatsfonds China Investment Corp, bekannt, dass sie ihren Bestand an chinesischen Aktien aufstocken werde, woraufhin der Markt in Shanghai um mehr als drei Prozent anstieg.

Am 7. Februar wurde mit dem unerwarteten Rauswurf des Vorsitzenden der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde, Yi Huiman, ein Sündenbock für die Verluste am Markt gefunden. Am selben Tag berichtete Bloomberg, dass Xi Jinping selbst besorgt über die Situation am Aktienmarkt sei.

Der Markt gewann in den letzten beiden Handelstagen des Jahres weiter an Boden und bot damit etwas Hoffnung für das neue Mondjahr – hoffentlich trügt sie nicht.

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Personalien

Cliff Sims, ehemals Stellvertretender Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes für Strategie und Kommunikation in der Trump-Administration, ist vom Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, zum Mitglied der “United States-China Economic and Security Review Commission” ernannt worden.

Luo Yizhou ist seit vergangenen Monat Präsident der Öl- und Gashandelseinheit PetroChina International. Luo, der als Rohöl-Händler bei dem Ölkonzern startete, war zuletzt Vizepräsident.

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Dessert

Der Drache ist ein vor allem auch in den Medien überstrapaziertes Symbol für den Aufstieg Chinas geworden. Er soll Stärke ausdrücken, aber auch drohende Gefahr. Zahllose Magazin- und Buch-Cover geben davon Zeugnis.

Die Journalistin und Illustratorin Selina Lee nennt das “authorientalism” und bezeichnet damit eine Bildsprache, die Orientalismus und Autoritarismus unreflektiert kombiniert. Die gerne rot-gelbe Drachen-Optik schießt oft übers Ziel hinaus, etwa wenn das Fabeltier einen Kamera-Kopf verpasst bekommt, um die Überwachung in der Volksrepublik zu illustrieren. Chinesische Kultur und chinesische Politik wird so in einen Topf geworfen, und das mit Klischees, die sich leider auch im Jahr 2024 noch immer gut verkaufen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    in der Nacht zu Morgen begrüßt der chinesische Kulturkreis das Jahr des Drachen. Das einzige mythische Tier unter den Sternzeichen ist auch das beliebteste. Das wird mit ziemlicher Sicherheit dazu führen, dass im anbrechenden Mondjahr die Zahl der Kinder steigt, weil Horoskop-gläubige Eltern ihrem Nachwuchs in spe durch die wohl getimte Geburt beste Startbedingungen verschaffen wollen.

    Das Demografie-Problem der Volksrepublik wird aber auch der Drache nicht lösen, schreibt Felix Lee – die Geburten werden nicht mehr, sie verschieben sich nur. Denn das vorausgegangene Jahr des Hasen und das nachfolgende Schlangenjahr versprechen weniger energische und kraftvolle Menschen – und dürften damit zu vergleichsweise schwachen Geburtsjahrgängen werden.

    Nicht um Drachen, aber immerhin um Giraffen geht es in einer Farce, die von der miesen wirtschaftlichen Stimmung in China und der gleichzeitigen Talfahrt an den Aktienmärkten inspiriert ist. Denn normalerweise entwickelt sich die Lage an der hochspekulative Börse abgekoppelt von der normalen Konjunktur. Warum das derzeit anders ist, warum Chinesen den Weibo-Kanal der US-Botschaft nutzen, um ihrem Ärger Luft zu machen, und was all das mit langhalsigen Paarhufern und deutschen Kommunistinnen zu tun hat, lesen Sie in unserem heutigen Blick aus China.

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    Deutsche Partnerschaft mit der Mongolei: Klares Zeichen an China und Russland

    Bundespräsident Steinmeier und der mongolische Präsident Ukhnaagiin Khurelsukh

    Ein eisiger Wind weht dem deutschen Bundespräsidenten an diesem Donnerstag in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar ins Gesicht. Es hat minus 24 Grad – und die Symbolik könnte kaum passender sein. Die Demokratien dieser Welt sehen sich ebenfalls mit einem eisigen Wind konfrontiert. Er weht aus Peking und Moskau – und schickt sich an, die westlich geprägte Ordnung hinwegzufegen: Russland ganz offen mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine, China weitaus subtiler mit Wirtschaftsmacht und globalen Initiativen.

    In dieser Situation will Deutschland ein starkes, geopolitisches Zeichen setzen – und hat deshalb mit der demokratischen Mongolei eine strategische Partnerschaft abgeschlossen. Mit ihr will man in mehreren Bereichen große Ziele erreichen:

    • Diplomatie: Geplant ist eine engere Zusammenarbeit, sowohl bilateral als auch international bei den Vereinten Nationen.
    • Wirtschaft: Die Mongolei ist reich an Rohstoffen wie Kupfer, Gold und Seltenen Erden, die Deutschland allesamt dringend benötigt – auch um Abhängigkeiten von China zu reduzieren.
    • Klimaschutz: Die Mongolei ist prädestiniert für den Ausbau von Solar- und Windkraft.
    • Militär: Hier will Deutschland unter anderem mongolische Gebirgsjäger ausbilden.
    • Und nicht zuletzt Geopolitik: Hier soll die demokratische Mongolei gegenüber seinen autoritären Nachbarn China und Russland gestärkt werden.

    Es ist das erste Mal, dass die Mongolei mit einem europäischen Staat eine derart hohe Vereinbarung eingeht. Für den deutschen Bundespräsidenten geht es um nichts weniger als um Demokratie, Rechtsstaat und die Erhaltung der internationalen Ordnung mit der UN-Charta im Zentrum. Denn nur diese Ordnung garantiere den Staaten ihre Unabhängigkeit, Souveränität und die Sicherheit ihrer internationalen Grenzen, sagt Frank-Walter Steinmeier. “Damit geht von dieser strategischen Partnerschaft ein klares Signal aus.” Die Adressaten befinden sich ganz in der Nähe, sie grenzen direkt an die Mongolei: China und Russland.   

    Mongolei ist abhängig von China und Russland

    In kaum einem anderen Land wird die Bruchkante zwischen Demokratie und Autokratie so offen sichtbar wie an den Grenzen der Mongolei. Mit Russland im Norden und China im Süden befindet sich die Mongolei nicht nur geografisch in einer Art Schwitzkasten. Die Abhängigkeit von den beiden Nachbarn ist nahezu erdrückend: 98 Prozent der Energie bezieht die Mongolei aus Russland, während 90 Prozent der mongolischen Exporte nach China gehen.

    “Die strategische Partnerschaft ist ein sehr wichtiger Schritt”, sagt Gantulga Tuvshinzaya zu Table.Media. “Sie gibt der Mongolei den dringend benötigten Raum zum Atmen in ihrer sehr komplizierten geopolitischen Umgebung zwischen China und Russland“, erklärt der Nonresident Fellow des Mongolian National Institute for Security Studies.

    China und Russland erhöhen Druck auf Mongolei

    Denn China und Russland nutzen immer offener ihren Einfluss als Druckmittel. Als Ulaanbaatar mit Frankreich über die Lieferung von Uran verhandelte, um seine Energie-Abhängigkeit von Moskau zu reduzieren, wurden plötzlich die Energielieferungen aus Russland empfindlich gedrosselt. Ähnliches im Falle Chinas: Nach einem Besuch des Dalai Lama in der Mongolei erhöhte China so lange den Druck, bis die Regierung in Ulaanbaatar versprach, das religiöse Oberhaupt der Tibeter in Zukunft nicht mehr einzuladen. Dabei ist der Dalai Lama auch das Oberhaupt der mehrheitlich buddhistischen Mongolen.

    Lange Zeit standen China und Russland selbst im Wettstreit gegeneinander. Dadurch gelang es der Mongolei immer wieder, die Interessen der beiden Großmächte gegeneinander auszuspielen und eine gewisse Balance zu halten.

    Deutschland als Drittnachbar

    Dazu kommt noch eine dritte Säule in der mongolischen Außenpolitik: das Konzept des “Drittnachbars”. Gemeint ist, dass die Mongolei zusätzlich zu seinen geografischen Nachbarn China und Russland aktiv nach gesinnungsgleichen Nachbarn sucht.

    Neben der Weltmacht USA und nahegelegenen Ländern Japan und Südkorea ist das vor allem Deutschland. Denn die Beziehung zwischen der Mongolei und Deutschland sind länger und vielfältiger, als es das 50-jährige Jubiläum diplomatischer Beziehungen vermuten lassen.

    Handlungsspielraum der Mongolei schrumpft  

    Jene Drittnachbarn-Politik wird zunehmend wichtiger – vor allem seit sich China und Russland unter den Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin eine “grenzenlose Freundschaft” versprochen haben. Denn die neue Nähe zwischen Peking und Moskau hat auch Konsequenzen für die Mongolei.

    Im Juli reiste der russische Generalstaatsanwalt Igor Krasnow nach Peking und gab bekannt, er habe mit seinem chinesischen Kollegen beschlossen, dem zunehmenden westlichen Einfluss auf ihren “inneren Nachbarn” Mongolei entgegenwirken zu wollen. Die Möglichkeiten der Mongolei, etwaige Differenzen zwischen ihren Nachbar auszunutzen, sind seither deutlich geschrumpft.

    Mongolei nicht zu Entscheidung drängen

    In diesem Umfeld ist Deutschland als Partner hochwillkommen. Allerdings sollte man bei allem Enthusiasmus einen gravierenden Fehler vermeiden, den vor allem die USA in ihren geopolitischen Plänen oftmals begehen. “Ich hoffe, dass Deutschland von der Mongolei nicht fordert, dass wir in der geopolitischen Auseinandersetzung eine Seite wählen“, erklärt Tuvshinzaya. “Wir können uns nicht komplett von China und Russland abwenden.”

    Im Grunde hat sich die Mongolei mit seiner Verfassung ja bereits entschieden. Oder in den Worten des ehemaligen US-Außenministers John Kerry: Die Mongolei ist eine Oase der Demokratie in Asien.

    Die Partnerschaft braucht Substanz

    Vielmehr gilt es nun, die strategische Partnerschaft mit Substanz zu füllen. Viktor Frank ist an dieser Stelle jedoch nur “verhalten optimistisch”. Der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ulaanbaatar erklärt im Gespräch mit Table.Media: “Um die reichen Rohstoffe der Mongolei tatsächlich zu erschließen, braucht es riesige Investitionen in Infrastruktur. Zudem müssten Projekte deutscher Unternehmen dann politisch flankiert werden durch Hermesbürgschaften oder Abkommen über die rechtliche Absicherung solcher Investitionen.”

    Der deutsche Bundespräsident scheint sich dessen bewusst. Dem mongolischen Ministerpräsidenten versicherte Steinmeier jedenfalls: “Wir wollen nicht nur Papiere unterschreiben, sondern auch konkrete Politik machen.” Wenn das gelingt, ginge von dieser Reise tatsächlich ein wichtiges geopolitisches Signal aus.

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    Chinas Jahr des Drachens verspricht Babyboom – Trendwende bleibt dennoch fraglich

    2024 erwartet China einen Babyboom: Denn Kinder, die im Jahr des Drachen geboren sind, gelten als charismatisch und selbstbewusst.

    Im Westen kennen wir den Drachen als ein feuerspeiendes Ungeheuer, das Angst und Schrecken verbreitet. In Fernost wird mit dem Drachen hingegen ein weises, gütiges und göttliches Fabeltier assoziiert, das vor bösen Geistern schützt. 

    Wenn in der Nacht zum Samstag weltweit etwa 1,5 Milliarden Menschen aus dem chinesischen Kulturkreis das neue Jahr des Drachen begehen, wird aus ihrer Sicht ein ganz besonders verheißungsvolles Jahr begrüßt. Der Drache hat seit jeher eine tiefe Symbolik in der chinesischen Kultur und ist nicht nur das Symbol der alten Kaiser. Das Drachenjahr verspricht auch Glück, Erfolg, Wohlstand – sowie jede Menge Kinder.

    So war das zumindest in den letzten Drachenjahren. Denn Kinder, die im Jahr des Drachen geboren werden, gelten der chinesischen Astrologie zufolge als charismatisch, entschlossen und selbstbewusst und sollen mit Weisheit gesegnet sein. Sie bringen damit der ganzen Familie Freude. Und weil dieses Mal dem Jahr des Drachen zusätzlich noch das Element Holz zugeordnet wird, verspricht 2024 ein Jahr von Wachstum und Entwicklung. Auch das weckt in China positive Assoziationen.

    Geburtenrate stieg steil an

    Als vor zwölf Jahren das letzte Mal das Jahr des Drachen begangen wurde, stiegen in China, Taiwan und anderen Ländern mit hohem chinesischen Bevölkerungsanteil wie Singapur und Malaysia die Geburtenraten denn auch steil an. Im Jahr des Drachen 2000 etwa wurden in Hongkong 5,6 Prozent mehr Geburten als im Vorjahr registriert. Im ebenfalls chinesisch geprägten Stadtstaat Singapur, wo die Fruchtbarkeitsrate seit Jahrzehnten bei etwa 1,1 Kinder pro Frau liegt, nahmen die Geburten in den Drachenjahren 2000 und 1988 um mehr als zehn Prozent im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahren zu, in Taiwan gar um über 13 Prozent. Auch geheiratet wurde im Jahr des Drachen mehr als in den Jahren davor oder danach.

    KP-Führung setzt große Hoffnung auf 2024

    Insbesondere die chinesische Führung hofft 2024 darauf, dass der Glaube an das chinesische Horoskop in diesem Jahr zu einem wahren Babyboom führt. China hat ein gewaltiges Demografieproblem. Die Ein-Kind-Politik, die mehr als 30 Jahre jedem Ehepaar in China nur ein Kind erlaubte, ist seit 2015 aufgehoben. Trotzdem gehen die Geburtenzahlen seit Jahren immer weiter zurück. Erst Anfang des Jahres gab das Nationale Statistikamt bekannt, dass die Bevölkerung der Volksrepublik 2023 das zweite Jahr in Folge geschrumpft ist. Und zwar um zwei Millionen. Vor allem die Geschwindigkeit alarmiert die Führung. Kamen 2016 noch rund 18 Millionen Kinder zur Welt, waren es im vergangenen Jahr nur noch halb so viele. Seit vergangenem Jahr ist China auch nicht mehr das bevölkerungsreichste Land der Welt, sondern Indien. 

    Aber auch wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass im Drachenjahr 2024 ein Babyboom einsetzt und in China mehr Kinder das Licht der Welt erblicken als in den Vorjahren: Das ändert nichts am grundsätzlichen Trend. Und dieser lautet: Schrumpfung. 

    Keine generelle Umkehr

    Im letzten Drachenjahr 2012 lag der Anstieg der zur Welt gekommenen Kinder bei etwa fünf Prozent. Allerdings war eben die Geburtenrate im Jahr zuvor, das dem Hasen gewidmet ist, umso niedriger. Und auch im Jahr danach, dem Jahr der Schlange, kamen überdurchschnittlich wenige Kinder zur Welt. Viele junge Paare hatten die Zeugung ihres Kindes offenbar ganz gezielt auf das Drachenjahr gelegt. Über einen Dreijahreszeitraum glich sich das aus. Das dürfte dieses Mal nicht anders sein.

    Fruchtbarkeitskliniken und auch die Branchen für Babynahrung, Spielzeug und Kinderkleidung werben in China im Internet und in Hochglanzmagazinen schon seit Monaten um mehr Schwangerschaften. Dieser Trend in der Werbebranche dürfte spätestens im Spätfrühling aber schon wieder vorbei sein.

    Bis zum 17. Mai sollte ein Kind nach Berechnungen der Ärzte gezeugt werden, damit es vor Ende des Mondjahres am 28. Januar 2025 das Licht der Welt erblickt. Denn dann ist das Jahr des Drachen schon wieder vorbei. Und die Schlange ist unter Eltern in spe nicht so beliebt. 

    • Demografie
    • Ein-Kind-Politik
    • Geburtenrate

    Termine

    12.2.2024, 18 Uhr (13.2.2022, 1:00 Uhr Beijing time)
    Program on U.S.-Japan Relations, Weatherhead Center for International Affairs, Talk (auch via Zoom): Craig Allen – China’s Economic Development Model: Implications for US-Japan Relations Mehr

    14.2.2024, 14:30 Uhr (21:30 Uhr Beijing time)
    CSIS Freeman Chair in China Studies, Webcast: Building International Support for Taiwan – Report Launch Mehr

    14.2.2024, 19:00 Uhr (15.2.2024, 2:00 Uhr Beijing time)
    Friedrich-Naumann-Stiftung, Online-Diskussion: Geld und Macht: Chinas Einfluss in Subsahara-Afrika Mehr

    16.02.2024, 20:00 Uhr
    Amt für Internationale Beziehungen der Stadt Nürnberg, Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen und SNPV: Neujahrskonzert Mehr

    17.2.2024, 19:00 Uhr
    Konfuzius-Institut Frankfurt, Festsaal der Freimaurer-Loge Zur Einigkeit: Konzert zum chinesischen Neujahr, Sounds of Spring 2024 Mehr

    19.2.2024, 18:15 Uhr (20.2.2024, 1:15 Uhr Beijing time)
    Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Hybrid-Vortrag: Stephanie Christmann-Budian: Quo Vadis chinesisch-deutsche Wissenschaftskooperation? Ein Ausblick auf Grundlage der bisherigen Entwicklungen Mehr

    20.2.2024, 21:30 Uhr (21.2.2024 4:30 Beijing time)
    Center for Strategic & International Studies CSIS, Webcast: A Conversation with U.S. Ambassador to the United Nations Linda Thomas-Greenfield on U.S. Diplomacy in the Pacific Islands Mehr

    21.2.2024, 2:30 Uhr (9:30 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Urban China Lecture Series (auch via Zoom): Shawn SK Teo – Two Experiments in Theorizing (with) Urban China Mehr

    News

    Preise fallen wie seit über 14 Jahren nicht mehr

    Die stark fallenden Preise in China schüren Sorge vor einer konjunkturschädlichen Deflationsspirale. Zu Jahresbeginn sanken sie zum vierten Mal in Folge und so stark wie seit über 14 Jahren nicht mehr: Der Rückgang war mit 0,8 Prozent der stärkste seit September 2009. Das geht aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten des Nationalen Statistikamtes (NBS) hervor. Auch die Erzeugerpreise fallen. Der entsprechende Index PPI gab im Januar um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr nach.

    Während in einem Großteil der Industrieländer die hohe Inflation an der Kaufkraft der Verbraucher nagt, begünstigt die Deflation in China die Konsumzurückhaltung. Das kann eine konjunkturell verheerende Abwärtsspirale in Gang setzen. Der Volksrepublik gelang es nach dem Ende der Corona-Eindämmungsmaßnahmen Ende 2022 nicht, die Konjunktur wiederzubeleben. Das liegt unter anderem der weiter schwelenden Immobilienkrise und den Problemen der Exporteure. Die Wirtschaft wuchs im Jahr 2023 zwar um 5,2 Prozent und erreichte damit das offizielle Ziel von rund fünf Prozent. Doch die Erholung verlief holprig, insbesondere der Konsum kommt nicht in Gang.

    Das offizielle Wachstumsziel für das laufende Jahr wird zur Eröffnung des Nationalen Volkskongresses erwartet – der jährlichen Parlamentstagung des kommunistisch regierten Landes. Falls wie bereits 2023 ein Plus von rund fünf Prozent angestrebt werden sollte, wäre dies aus Sicht vieler Beobachter recht ambitioniert – selbst wenn Regierung und Notenbank der Wirtschaft erneut Konjunkturspritzen verpassen sollten.

    Die Notenbank hatte erst jüngst den Reservesatz für Geschäftsbanken (RRR) gesenkt – und zwar um einen halben Prozentpunkt. Mit der Senkung wird rund eine Billion Yuan (umgerechnet rund 128 Milliarden Euro) an Liquidität für das Finanzsystem freigesetzt. Das Dilemma für die Notenbank besteht darin, dass die Zinssenkungen, die die Konjunktur ankurbeln sollen, den Preisverfall beschleunigen könnten. Experten verweisen darauf, dass ein Großteil der Kredite in den Infrastruktursektor und auch in Überkapazitäten fließt, wodurch sich weiterer Deflationsdruck aufbauen könne. rtr

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    Siemens hofft auf Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte

    Siemens kämpft gegen die Konjunkturflaute in China. Sie ist der Grund dafür, dass das Aushängeschild des Münchner Technologiekonzerns, die Automatisierungs-Sparte Digital Industries (DI), im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 (per Ende September) ungewohnte Schwächen zeigte. Da die Käufe im Bereich Fabrikautomation in der Volksrepublik um 55 Prozent einbrachen und damit die Zuwächse in den Bereichen Mobilität und Industrie ausglichen, stagnierte der Auftragseingang von Siemens im ersten Quartal des Geschäftsjahres weitgehend.

    In China könne es bis ins zweite Halbjahr dauern, bis die Kunden ihre Lager geräumt hätten, sagte Siemens-Chef Roland Busch am Donnerstag vor der Hauptversammlung in München. Wie lange genau, werde man in einigen Wochen klarer sehen, ergänzte Finanzvorstand Ralf Thomas. Der Tiefpunkt sei aber überwunden.

    Auch in der Gebäude- und Infrastruktur-Technik sei die Nachfrage in China verhalten. Die Ziele von Siemens sehen beide nicht in Gefahr. Das Unternehmen ließ seinen Ausblick für die Sparte DI und den Gesamtkonzern unverändert. “Der chinesische Markt ist immer noch sehr langsam”, sagte der Vorstandsvorsitzende Roland Busch in einem Interview mit Bloomberg Television. “Wir hoffen, dass wir in der zweiten Jahreshälfte einen Aufschwung in China erleben werden.”

    “Siemens hat erneut ein starkes Quartal abgeliefert und sein profitables Wachstum fortgesetzt”, sagte Vorstandschef Busch. Zwischen Oktober und Dezember sei der Umsatz um sechs Prozent auf 18,4 Milliarden Euro gestiegen. Der Auftragseingang erhöhte sich anders als von Analysten erwartet um zwei Prozent auf 22,3 Milliarden Euro. Der Nettogewinn lag mit 2,55 Milliarden Euro sogar deutlich über den Prognosen. Den Gewinnsprung verdankte Siemens auch einem Sonderertrag in Höhe von 479 Millionen Euro durch die Übertragung eines Pakets von Siemens-Energy-Aktien an den eigenen Pensionsfonds. cyb/rtr

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    Menschenrechtler: China zwingt schon vierjährige Tibeter in Internate

    Die chinesische Regierung zwingt nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 80 Prozent der tibetischen Kinder in Internate. Oft würden schon Vierjährige monatelang von ihren Eltern getrennt, weil das staatliche Internat hunderte Kilometer vom Heimatdorf entfernt liege, zitiert die Evangelische Presseagentur (epd) die Gesellschaft für bedrohte Völker. Insgesamt müssten Hunderttausend Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren Internate besuchen, mit dem Ziel, sie von ihrer Sprache und tibetischen Identität abzuschneiden.

    Wenn die Kinder nach Monaten der Trennung aus dem Internat nach Hause kämen, könnten sie häufig nur noch Mandarin und weigerten sich, Tibetisch zu sprechen, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker laut epd weiter. Die buddhistischen Traditionen ihrer Eltern und Großeltern schienen sie dann nicht mehr zu interessieren. flee

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    Presseschau

    China und Russland wollen “neues Kapitel aufschlagen” FRANKFURTER RUNDSCHAU
    The West hasn’t grasped the scale of the disaster facing China TELEGRAPH
    Verbraucherpreise in China gesunken ZEIT
    Chinese equity flows turn positive as Beijing signals support FINANCIAL TIMES
    In China, Deflation Tightens Its Grip. WSJ
    Who Is China’s New Securities Regulator, the ‘Broker Butcher’ BLOOMBERG
    Mögliche Sabotagepläne: Chinesische Hacker hatten offenbar fünf Jahre Zugriff auf kritische US-Infrastruktur SPIEGEL
    US and China likely to delay renewal of key science pact again NATURE
    Wirtschaftsminister Robert Habeck verärgert Wirtschaft mit Fragebogen zum China-Geschäft HANDELSBLATT
    Spionageverdacht: China eröffnet neue Station in der Antarktis FAZ
    Morocco Renews Adherence to One-China Policy MOROCCOWORLDNEWS

    Standpunkt

    Wie sich die deutsche Kommunistin Renate Koppe in China lächerlich gemacht hat

    Nach einer Farce um Giraffen, die Kommunistische Partei Deutschlands und die Botschaften der Vereinigten Staaten und Indiens in Peking, sowie einem plötzlichen Wechsel an der Spitze der Börsenaufsicht, beendete der chinesische Aktienmarkt das Jahr des Hasen in einer Art Schwebezustand.

    Der Leitindex Shanghai Composite Index schloss am 8. Februar, der letzten Handelssitzung vor dem Beginn des Jahres des Drachen, bei 2865,90 Punkten. Der Index stieg in der letzten Woche um fünf Prozent dank starken staatlichem Eingriffen, fiel jedoch im gesamten Mondjahr um 12 Prozent.

    Chinas hochspekulativer Aktienmarkt war in seiner 33-jährigen Geschichte größtenteils von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes abgekoppelt. Doch im vergangenen Jahr, als sämtliche Indizes in den Keller rauschten, entsprach die Stimmung an der Börse ausnahmsweise der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch die Bevölkerung.

    Nachdem die Behörden Ende vergangenen Jahres erkannt hatten, dass sie etwas unternehmen mussten, um das Vertrauen in die Wirtschaft zu stärken, versprachen hochrangige Funktionäre, darunter Premier Li Qiang, “stärkere und wirksamere Maßnahmen zur Stabilisierung des Marktes”. Es wurde eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, darunter auch die Erhöhung der Liquidität. Es gelang ihnen jedoch nicht, die trübe Stimmung auf dem Markt zu vertreiben, der nach wie vor auf Talfahrt zu bleiben schien.

    Propaganda-Fauxpas

    Zu diesem Zeitpunkt schlug der Pessimismus der Anleger wegen eines Artikels im führenden Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas in Wut um. In einem Interview mit der chinesischen Volkszeitung vom 2. Februar sagte Renate Koppe, internationale Sekretärin der Kommunistischen Partei Deutschlands, sie habe bei ihrem Besuch in China im vergangenen Jahr “ein Land gesehen, das von einer optimistischen Atmosphäre durchdrungen war”.

    Das Zitat, das auch als Überschrift für den Artikel gewählt wurde, stand in völligem Kontrast zur Realität. Es ging sofort viral und rief die zutiefst beleidigten Aktienanleger auf den Plan. In der Annahme, dass die Social-Media-Seite der US-Botschaft verhältnismäßig immun gegen Zensur sei, strömten sie auf deren Weibo-Konto, einer populären chinesischen Plattform, die X ähnelt.

    Unter einem am selben Tag veröffentlichten Artikel über den Schutz von Giraffen verfassten die User bis zum 5. Februar mehr als 160.000 Kommentare. Die meisten von ihnen hatten nichts mit den Tieren zu tun, sondern mit dem Aktienmarkt. Zu den provokantesten Kommentaren gehörten Aufrufe an die US-Börsenaufsicht, den chinesischen Markt zu übernehmen, der Appell an die USA, einige Raketen zur Bombardierung der Börse in Schanghai bereitzuhalten, und das Versprechen, den Weg zu ebnen, wenn die US-Armee in China einmarschiert.

    Kränkelnder Aktienmarkt

    China machte einmal 20 Prozent der gesamten Kapitalisierung der globalen Aktienmärkte aus. Inzwischen ist der Anteil auf etwa 10 Prozent gesunken. Die Zahl der aktiven Anleger an den beiden chinesischen Börsen wird auf 20 bis 30 Millionen geschätzt. Aber der Markt war noch nie ein Ort des fairen Handels oder einer, an dem eine vernünftige Anzahl von Unternehmen ordentliche Dividenden erwirtschaftet. Die bekannteste Kritik stammt von dem renommierten Wirtschaftswissenschaftler Wu Jinglian, der den Markt mit einem schlecht geführten Kasino verglich.

    Laut einer Recherche der in Hongkong ansässigen Forthright Financial Holdings haben von den insgesamt 4.876 Unternehmen, die jemals an der Börsen notiert waren, lediglich 0,5 Prozent für ihre Investoren Nettovermögen erwirtschaftet. Dennoch glauben viele Anleger, sie wären clever oder hätten das Glück, das von anderen zu glauben. Tatsächlich haben auch nur 0,5 Prozent der Anleger Geld verdient, stand im selben Bericht. Nun geben sie den Behörden die Schuld für ihr verlorenes Kapital.

    Der Spott geht weiter

    Die Aktienanleger waren im vergangenen Jahr nicht die einzige verärgerte Gruppe. Der Großteil der Chinesen war aus verschiedenen Gründen – wirtschaftlich oder politisch – unzufrieden. Die Klagen der Aktieninhaber, die gegen Ende des chinesischen Mondkalenders besonders laut wurden, gaben der allgemeinen Frustration noch eine zusätzliche Dimension.

    Der Artikel in der Volkszeitung erregte auch die Aufmerksamkeit vieler, die nichts an der Börse angelegt hatten. Über das Propagandastück brachen unzählige Spötteleien herein, die beliebteste darunter: “Die gesamte Giraffengemeinschaft ist von einer optimistischen Stimmung durchdrungen.”

    Eine Ruhepause für ein frohes chinesisches Neujahr

    Letztendlich schritten die Zensoren ein und sperrten alle Beiträge, die eine “optimistische Atmosphäre” erwähnten. Trolle wurden mobilisiert, um Kommentare zu posten, die die “chinesisch-amerikanische Freundschaft” lobten. Kommentare über den Aktienmarkt auf der Weibo-Seite der US-Botschaft wurden gelöscht, was dazu führte, dass einige hartnäckige Kritiker auf das Konto der indischen Botschaft wechselten, um dort weiter ihren Unmut kundzutun.

    Am 6. Februar gab die Central Huijin Investment, eine Tochtergesellschaft des Staatsfonds China Investment Corp, bekannt, dass sie ihren Bestand an chinesischen Aktien aufstocken werde, woraufhin der Markt in Shanghai um mehr als drei Prozent anstieg.

    Am 7. Februar wurde mit dem unerwarteten Rauswurf des Vorsitzenden der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde, Yi Huiman, ein Sündenbock für die Verluste am Markt gefunden. Am selben Tag berichtete Bloomberg, dass Xi Jinping selbst besorgt über die Situation am Aktienmarkt sei.

    Der Markt gewann in den letzten beiden Handelstagen des Jahres weiter an Boden und bot damit etwas Hoffnung für das neue Mondjahr – hoffentlich trügt sie nicht.

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    Personalien

    Cliff Sims, ehemals Stellvertretender Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes für Strategie und Kommunikation in der Trump-Administration, ist vom Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, zum Mitglied der “United States-China Economic and Security Review Commission” ernannt worden.

    Luo Yizhou ist seit vergangenen Monat Präsident der Öl- und Gashandelseinheit PetroChina International. Luo, der als Rohöl-Händler bei dem Ölkonzern startete, war zuletzt Vizepräsident.

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    Dessert

    Der Drache ist ein vor allem auch in den Medien überstrapaziertes Symbol für den Aufstieg Chinas geworden. Er soll Stärke ausdrücken, aber auch drohende Gefahr. Zahllose Magazin- und Buch-Cover geben davon Zeugnis.

    Die Journalistin und Illustratorin Selina Lee nennt das “authorientalism” und bezeichnet damit eine Bildsprache, die Orientalismus und Autoritarismus unreflektiert kombiniert. Die gerne rot-gelbe Drachen-Optik schießt oft übers Ziel hinaus, etwa wenn das Fabeltier einen Kamera-Kopf verpasst bekommt, um die Überwachung in der Volksrepublik zu illustrieren. Chinesische Kultur und chinesische Politik wird so in einen Topf geworfen, und das mit Klischees, die sich leider auch im Jahr 2024 noch immer gut verkaufen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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