Chinas Rolle im Ukraine-Krieg dominierte einmal mehr die Diskussion. Auf dem Shangri La-Sicherheitsforum in Singapur hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag ungewöhnlich offen Chinas Umgang mit dem Angriff auf sein Land kritisiert. Unter anderem warf er Peking vor, im Auftrag Russlands eine geplante Friedenskonferenz in der Schweiz zu torpedieren. So spanne Moskau chinesische Diplomaten ein, damit sie andere Länder davon abbringen, an der Konferenz Mitte Juni teilzunehmen.
Die harten Worte zeigen den Frust Selenskyjs, der sich seit der russischen Invasion immer wieder um China bemüht hat – und offenbar nicht mehr viel Hoffnung auf eine konstruktive Haltung Pekings macht. Selenskyj deutete auch die Lieferungen waffentauglicher Produkte chinesischer Firmen an Russland an.
Um diese Vorwürfe ging es bei dem Besuch von US-Vize-Finanzminister Wally Adeyemo in Berlin. Die USA würden wegen der Ausfuhren militärisch nutzbarer Güter aus China nach Russland bald handeln, kündigte Adeyemo an. Europa und Deutschland forderte er auf, ihren Worten ebenfalls Taten folgen zu lassen, wie Michael Radunski berichtet.
Fast vergessen scheint da die Corona-Pandemie. Diese hat allerdings in China schwere Folgen hinterlassen. Der Soziologe Bin Xu erklärt im Interview mit Fabian Peltsch, wie sehr vor allem die Mittelschicht unter der harten Null-Covid-Politik gelitten hat – und warum die Regierung eine Aufarbeitung der Pandemie-Jahre ablehnt.
Wir wünschen Ihnen einen guten Wochenstart,
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat China vorgeworfen, “hart daran zu arbeiten”, Länder von der Teilnahme an der Ukraine-Friedenskonferenz Mitte Juni in der Schweiz abzuhalten. Damit helfe Peking dem Kreml, das Spitzentreffen in der Schweiz zu untergraben, sagte Selenskyj nach Angaben der Nachrichtenagentur AP am Sonntag vor Reportern beim Shangri-La-Dialog in Singapur. “Russland nutzt den chinesischen Einfluss in der Region und nutzt auch chinesische Diplomaten und tut alles, um den Friedensgipfel zu stören.” Es sei bedauerlich, dass “solch ein großes unabhängiges Land wie China ein Instrument in den Händen von Putin ist.”
Es ist ungewöhnlicher Ton, der den Frust Selenskyjs über Peking zeigt. Seine Regierung hatte sich seit der russischen Invasion hinter den Kulissen immer wieder vergeblich um China bemüht. Einmal telefonierte er während des Krieges mit Staatschef Xi Jinping. “Er versprach mir, dass China abseitsstehen und Russland nicht mit Waffen unterstützen würde”, sagte Selenskyj laut der US-Nachrichtenplattform Politico. “Heute gibt es Geheimdienstinformationen, die besagen, dass einige Dinge irgendwie über China auf die russischen Märkte gelangen.” Dazu gehören auch Teile für den Bau von Waffen. Er habe kein Mitglieder der chinesischen Delegation getroffen, sagte Selenskyj.
Der Shangri-La-Dialog ist die wichtigste Sicherheitskonferenz in Asien. Chinas Verteidigungsminister Dong Jun war dort auch bilateral mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zusammengekommen. Das ist ein Fortschritt, denn Dongs Vorgänger Li Shangfu hatte 2023 ein solches Treffen abgelehnt. Austin betonte, es sei wichtig, im Austausch zu bleiben. “Nicht jedes Gespräch wird ein glückliches Gespräch sein, aber es ist wichtig, dass wir weiterhin miteinander sprechen”, sagte Austin am Samstag in seiner Rede. Er betonte, dass er trotz offensichtlicher Meinungsverschiedenheiten keine unmittelbare Gefahr einer Eskalation sehe.
Dennoch überschattete der schwelende Konflikt zwischen den USA und China die Konferenz. Austin sprach von einer “neuen Konvergenz in fast allen Sicherheitsaspekten im Indopazifik” und pries die wachsende Zusammenarbeit mit Verbündeten in der Region. Die chinesische Delegation wiederum zeigte in Singapur laut Bloomberg eine ungewohnt starke öffentliche Präsenz mit einer Reihe von Pressekonferenzen, Reden und Zwischenrufen. Vertreter Chinas kritisierten die US-Unterstützung für Taiwan, warnten vor dem Aufbau einer asiatischen Nato und warfen Washington eine “Technologieblockade” gegen Peking vor.
“Sie testen immer wieder Chinas rote Linien”, sagte Dong in seiner Rede und bezeichnete die Taiwan-Politik der USA als “Salamitaktik”, mit der sie die Grenze der Unterstützung stetig ausweiteten. Umgekehrt wirft der Westen China eine Salamitaktik im Südchinesischen Meer vor, wo Peking etwa durch das Aufschütten umstrittener Inselchen stetig Fakten schaffe.
In dieser aufgeheizten Atmosphäre zeigte sich Selenskyj in seiner Rede “enttäuscht” darüber, dass einige Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme an dem für Mitte Juni geplanten Friedensgipfel für sein Land in der Schweiz noch nicht zugesagt hätten – darunter ist auch US-Präsident Joe Biden.
Zwar haben mehr als 100 Länder ihre Teilnahme zugesagt. Doch es kommt eben auch darauf an, wer aus diesen Ländern erscheint. Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz wird dabei sein, ebenso wie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Selenskyj warb in seiner Rede um eine möglichst zahlreiche Teilnahme der Staaten Asiens.
Dass der ukrainische Präsident trotz der schwierigen Lage an der Front nach Singapur gekommen war, zeigt, wie wichtig ihm die Unterstützung möglichst vieler Länder der ganzen Welt ist. China will nach allem, was bekannt ist, aber nur dann an einer Friedenskonferenz teilnehmen, wenn auch Russland eingeladen ist. “Die Organisation des Treffens entspricht immer noch nicht den Anforderungen Chinas und den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, was die Teilnahme Chinas erschwert”, formulierte Außenamtssprecherin Mao Ning am Freitag Chinas Absage.
Der Sicherheitsexperte und ehemalige Nato-Botschafter der USA Kurt Volker hält es dennoch für möglich, dass China zumindest jemanden von der Arbeitsebene in die Schweiz schicken werde. “Das wäre immerhin ein kleiner Erfolg für die Ukraine.” Ein großer Erfolg wäre die Anwesenheit eines hochrangigen Politikers aus Peking, so Volker zu Table.Briefings. Generell müsse der Westen China davon überzeugen, dass es in seinem eigenen Interesse sei, konstruktiv zu agieren, meint Volker. Da gebe es Ansätze. So wolle China bei dem künftigen Wiederaufbau der Ukraine beteiligt sein. “China schaut nur auf chinesische Interessen.” Peking helfe Russland immer dann, wenn es China selber nützt.
Dong Jun war während der Rede Selenskyjs nicht im Raum. Er war in seiner eigenen Rede zwar auf die Friedenskonferenz eingegangen, betonte aber, dass China sich für Friedensgespräche mit “einer verantwortungsbewussten Haltung” einsetze. Sein Land habe zudem weder der einen noch der anderen Seite in dem Konflikt Waffen geliefert, betonte Dong. Die Vorwürfe, dass chinesische Dual Use-Produkte ihren Weg nach Russland gefunden haben, kommentierte er nicht.
Wally Adeyemo wählte in Berlin freundliche Worte, doch seine Botschaft ist eine ernste Warnung an China: “Wir müssen chinesische Firmen vor die Wahl stellen: Entweder verkaufen sie weiterhin diese kleine, begrenzte Anzahl von Gütern an Russland oder sie wollen doch lieber große Geschäfte auf den amerikanischen und europäischen Märkten machen.” Und der amerikanische Vize-Finanzminister schickte direkt eine kleine Entscheidungshilfe nach Peking hinterher: “Beides zugleich wird in Zukunft nicht mehr möglich sein.”
Adeyemo war vergangene Woche eigens in der Ukraine gereist, um sich persönlich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Auf dem Rückweg in die USA machte er Halt in Berlin und hielt in der deutschen Hauptstadt eine entschiedene Rede. Der Grund: Die USA wollen den Druck erhöhen, und das am liebsten gemeinsam mit ihren europäischen Partnern. In den kommenden Wochen werde Washington handeln, kündigte Adeyemo an. “Es geht nicht um bestimmte Sektoren, es werden umfassende Maßnahmen sein.”
Details wollte der Vize-Finanzminister zwar nicht nennen. Er habe sich aber eng mit der deutschen Regierung abgesprochen – mit dem Kanzleramt, dem deutschen Vizekanzler wie auch dem Außenministerium. Adeyemos Botschaft ist deutlich. “Wir müssen zwei Dinge tun: Die ukrainischen Soldaten stärken und den Nachschub für die russischen Kämpfer stoppen.”
Für den ersten Teil haben die westlichen Staaten der Ukraine nun erlaubt, mit ihren Waffen auch auf russisches Gebiet zu schießen. Nach den USA gab am Freitag auch Deutschland der Ukraine grünes Licht, den Einsatz gelieferter Waffen gegen Ziele im russischen Grenzgebiet zur Region Charkiw anzuwenden. Jetzt müsse auch beim zweiten Teil gehandelt werden, sagte Adeyemo: den Nachschub für Russlands Kriegsmaschinerie stoppen. Und die USA sind sicher: Hier spielt China eine Schlüsselrolle.
Kein anderes Land habe die nötigen Kapazitäten, etwa bei Bearbeitungsmaschinen, Mikroelektronik und anderen Produkten, die Russland für die Waffenproduktion benötige. “Peking liefert zwar keine Panzer oder Raketen nach Russland.” Aber: Ohne China könne Russland weder seine Waffenproduktion, geschweige denn den Krieg gegen die Ukraine in diesem Umfang fortsetzen.
Adeyemo wurde in Berlin deutlich. Im vergangenen Jahr habe Russland sensible Dual-Use-Güter im Wert von 5,2 Milliarden US-Dollar von chinesischen Zulieferern importiert. Das ist ein Anstieg von mehr als 40 Prozent – innerhalb nur eines Jahres. “Der Kreml weiß, dass er seine militärischen Ziele nur mit Chinas Hilfe erreichen kann.”
US-Beamte benannten schon vor Wochen ganz konkret mehrere chinesische Firmen, die für den Export verantwortlich sein sollen. Darunter:
“Diese Lieferungen helfen Russland wirklich dabei, seine Kriegsmaschinerie neu aufzubauen und zu verbessern, um die Ukraine zu zerstören”, urteilt Alexander Gabuev im Gespräch mit Table.Briefings. Der Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center sagt: “Es handelt sich hierbei nicht um normalen Handel zu zivilen Zwecken, wie den Kauf von russischem Öl, der zähneknirschend hingenommen wird. Hier geht es um militärwichtige Unterstützung.” China bestreitet bislang vehement, Russland direkte militärische Hilfe zu leisten. Allerdings finden sich auf den Schlachtfeldern in der Ukraine zunehmend Hinweise auf eine chinesische Verwicklung.
Adeyemo stellte in Berlin klar: Jetzt geht es um Taten, nicht mehr nur um Worte. Wenn Peking den Export von Dual-Use-Gütern nach Russland nicht einstelle, müsse man Maßnahmen ergreifen, um China zur Verantwortung zu ziehen. Der amerikanische Vize-Finanzminister machte in Berlin sehr deutlich, wen er damit meint: Die EU ist Chinas größter Exportmarkt, in Schlüsselsektoren wie Chemie und Maschinen ist China nach wie vor der größte Exporteur in die EU.
“Uns ist bewusst, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und China für beide Seiten von großer Bedeutung sind.” Aber: “Wir müssen den chinesischen Unternehmen klarmachen, dass wir alle bereit sind, sie mit unseren Sanktionen und Exportkontrollen zur Verantwortung zu ziehen.” Die Betonung legte Adeyemo auf: alle. EU-Kommissionschefin hatte nach dem Dreiergipfel mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Chinas Staatschef Xi Jinping im Mai ebenfalls betont, dass China mehr Anstrengungen unternehmen müsse, um die Lieferung von Dual-use-Gütern an Russland einzuschränken. Macron erklärte, Xi habe ihm zugesagt, diese Lieferungen stärker zu kontrollieren. Ob daraus konkrete Taten folgen, ist ungewiss.
Adeyemos entschiedener Auftritt in Berlin passt derweil in die vergangenen Wochen. Zuletzt hatte US-Vize-Außenminister Kurt Campbell Chinas Führung vorgeworfen, Russlands Krieg in der Ukraine zu unterstützen. Auch Campbell warnte, dass Peking deshalb mit weiteren Sanktionen rechnen müsse.
Kurz bevor Adeyemo zum Berliner Flughafen aufbrach, wollte der Vize-Finanzminister noch freundlich sein. Er habe unter der Regierung von Präsident Joe Biden kein Land so häufig besucht wie Deutschland. Das kann man als Ausdruck von Nähe und Freundschaft deuten. Es könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, wie schwierig es ist, den deutschen Partner beim Thema China auf eine gemeinsame Linie einzuschwören.
Peking hat seine “Zero Covid”-Politik Ende 2022 abrupt aufgegeben. Viele Menschen im Westen empfanden diesen Schritt als überraschend und angesichts der vorherigen Strenge auch als widersprüchlich. War die Regierung innerhalb Chinas erfolgreicher damit, ihre plötzliche Abkehr von den drakonischen Maßnahmen zu vermitteln?
Nein. Die Regierung hatte keine klaren Erklärungen für den abrupten Politikwechsel gegeben. Vielmehr wurde seit Dezember 2022 die “Null-Covid”-Politik (清零政策), einst ein heiliger Begriff, systematisch aus den offiziellen Darstellungen gestrichen.
Wie sieht es heute aus – mit welchem Narrativ will die Partei in die Geschichtsbücher eingehen, wenn es um die Pandemie geht? Gibt es immer noch Medienberichte und Ausstellungen, die die chinesischen Heldentaten feiern?
Im Allgemeinen gibt es nur sehr wenige offizielle Berichte über die Covid-Maßnahmen. Die einzige Ausstellung, die meines Wissens existiert, ist die im Archiv von Wuhan. Sie konzentriert sich erwartungsgemäß auf die heldenhaften Anstrengungen des Staates und der Bevölkerung bei der Bekämpfung des Virus.
Ist das nicht auch wieder ein Widerspruch zur eben erwähnten öffentlichen Abkehr?
Das Raffinierte daran ist, dass in den offiziellen Berichten vor allem der vermeintliche Erfolg in Wuhan hervorgehoben wird, der Ausbruch von 2022 jedoch verschwiegen wird, ganz zu schweigen von den massiven Infektionen und Todesfällen nach dem Ende der offiziellen Corona-Politik. Selbst die selbstgefälligen Erzählungen sind also sehr spärlich, da jede Erwähnung der Pandemiebekämpfung dazu führen würde, dass die Menschen an die Tragödien des Jahres 2022 denken. Der Staat scheint beschlossen zu haben, nicht über die Pandemie sprechen zu wollen.
Sie erwähnen in ihrer Forschung, dass der chinesische Staat im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Pandemie “performative Absichten” verfolgte. Können Sie näher erläutern, was mit diesen Absichten bezweckt werden sollte?
Der chinesische Staat wollte eindeutig sein starkes Staatsimage demonstrieren, das heißt das Image eines kompetenten Staates, der in der Lage ist, große Krisen erfolgreich zu bewältigen, soziale Probleme zu beseitigen und sogar Naturgewalten zu kontrollieren. Ein solches starkes Staatsbild lässt sich am besten mit der Zahl “Null” demonstrieren – als perfektes Mittel, um zu zeigen, dass der Staat Probleme komplett beseitigen, und nicht nur lindern kann. Dieses Beseitigungsziel findet sich auch in vielen anderen staatlichen Maßnahmen wieder, wie zum Beispiel im Armutsprogramm, das die Beseitigung der absoluten Armut bis Ende 2020 vorsieht – ein ehrgeiziges Ziel mit einer klaren Frist.
Peking betrachtete die Pandemiebekämpfung als eine Art globaler Wettbewerb der Nationen.
Das starke Image des Staates bedeutet auch, dass China in diesem Wettbewerb um die globale Führung so genannte “institutionelle Vorteile” für sich beanspruchte. Während der Pandemie war der Wettbewerb ein Wettbewerb der Zahlen – Infektionsfälle und Todesfälle. Der Staat versuchte alles, um das starke Image aufrechtzuerhalten, auch wenn die Realität, insbesondere die Entwicklung des Virus (hin zur hochansteckenden Omikron-Variante, d.Red.), das Null-Ziel schwer oder gar nicht erreichbar machte. Die lokalen Regierungen verschärften das Ziel und griffen zu noch drakonischeren Maßnahmen, was zu katastrophalen Ergebnissen führte.
Vor allem den Lockdown in Shanghai haben viele Menschen als traumatisch empfunden, auch weil er relativ wohlhabende Schichten in Chinas wichtigster Finanzmetropole betraf. Hat diese Zeit die Stadt und ihre Bürger verändert?
Die dramatische Abriegelung Shanghais hatte vor allem Auswirkungen auf die Bewohner der mittleren und oberen Mittelschicht sowie auf die jüngeren Generationen. Die Bewohner der städtischen Mittelschicht waren früher mit ihren materiellen Lebensbedingungen recht zufrieden, obwohl sie sich über den Staat beschwerten. Es war wie ein Deal zwischen dem Staat und ihnen, dass sie ihn nicht öffentlich herausforderten und manchmal sogar eine Komplizenschaft mit ihm eingingen – im Austausch für Stabilität und Wohlstand.
Und dieser Deal nahm dann erstmals ernsthaften Schaden?
Durch die Pandemie wurde diesen Menschen bewusst, dass ihr Wohlstand und sogar ihre Grundrechte gefährdet sein könnten, wenn der Staat entschlossen ist, sie ihnen wegzunehmen. In den letzten zwei Jahren ist ein Trend zu beobachten, dass wohlhabende Menschen aus der Mittelschicht und sogar Superreiche versuchen, auszuwandern oder ihr Vermögen außerhalb Chinas zu verlagern – manchmal auch auf illegale Weise. Die jüngeren Generationen sind vom Parteistaat desillusioniert und haben bereits ihren Widerstand demonstriert. Dennoch möchte ich die innere Vielfalt in China betonen, selbst in Orten wie Shanghai: Viele andere haben nicht auf diese Weise gedacht, geschweige denn Maßnahmen ergriffen, um ihre Lebensumstände zu ändern.
Hatte die Pandemie innerhalb Chinas auch positive Folgen? Zum Beispiel ein größerer Wille zu eigenverantwortlichem Handeln oder ein gestärktes politisches Bewusstsein, als Zivilgesellschaft zu handeln?
Ich sehe keine positiven Ergebnisse, abgesehen von der Selbsterkenntnis vieler junger Menschen bei den Weißblattprotesten. Ein solcher Bewusstseinswandel mag zu unmittelbaren Aktionen führen oder auch nicht, denn in den letzten zehn Jahren ist die chinesische Zivilgesellschaft unter verschärfter Kontrolle erstickt worden. Langfristig wird sich ein solcher Bewusstseinswandel jedoch auf das Handeln auswirken. Die Frage ist nur, wann und wie.
Würde die chinesische Regierung bei einer weiteren Pandemie anders reagieren, wenn sie jetzt ausbrechen würde? Wurden die Vorsichtsmaßnahmen und das Katastrophenmanagement verbessert?
Das ist schwer vorherzusagen. Die Geschichte lehrt uns, dass der chinesische Staat aus manchen Lektionen lernt, aus anderen aber nicht. Die Covid-Pandemie verlief zum Beispiel genauso wie die erste SARS-Krise von 2002/2003: Ein Virus tauchte auf, wurde aber von verschiedenen Teilen des Staates vertuscht oder heruntergespielt – bis es sich zu einer Krise entwickelte, die der Staat mit einer umfassenden Kampagne zu lösen versuchte.
Liegt die Ähnlichkeit daran, dass sich in China seit SARS strukturell nichts geändert hat?
Der Grund für diese Ähnlichkeit liegt in der Zersplitterung des Staates, die oft zu langsamen Aktionen und zu Konflikten zwischen verschiedenen Sektoren führt. Außerdem muss der Staat das Image des “starken Staates” aufrechterhalten, und dann neigen lokale Beamte dazu, negative Informationen zu verbergen, um das Image nicht zu beschädigen. Die Zivilgesellschaft ist nicht stark genug, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. All diese strukturellen Bedingungen sind immer noch vorhanden und werden auch in Zukunft bestehen bleiben. Ob sich eine Pandemie in diesem Maße wiederholen wird, hängt von den Merkmalen des natürlichen Erregers (zum Beispiel ob das Virus so schwerwiegend ist wie Covid oder SARS) und dem bewussten Handeln der einzelnen Behörden ab. Nach SARS gab es einige Verbesserungen im chinesischen Katastrophenmanagement, aber bei der Covid-Pandemie, die von Anfang an auf die gleiche Weise ablief, sahen wir ein größeres Versagen.
Bin Xu, geboren 1974 in Hangzhou, ist Außerordentlicher Professor für Soziologie an der Emory-Universität, Atlanta. Seine Arbeiten zur Kultursoziologie von Katastrophen erhielten Auszeichnungen und Zuschüsse von der American Sociological Association (ASA), der National Science Foundation (NSF) und dem American Council of Learned Societies (ACLS). Xu ist derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, wo er zur Erinnerungskultur des Tiananmen-Massakers forscht.
Chinas Industrie ist einem offiziellen Konjunkturbarometer zufolge zuletzt geschrumpft. Dies nährt Zweifel an einer durchgreifenden Erholung des Sektors. So fiel der vom Statistikamt (NBS) veröffentlichte Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe im Mai mit 49,5 Zählern unerwartet unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Im Vormonat hatte er mit 50,4 Zählern noch knapp darüber gelegen. Das nicht-verarbeitende Gewerbe ist zwar mit 51,1 Zählern weiterhin in positivem Terrain, allerdings auch niedriger als im April.
“Die PMIs zeigen weiterhin ein gemischtes Wachstumsbild“, sagt Commerzbank-Experte Tommy Wu. Er verweist darauf, dass die Regierung neue und aggressive Maßnahmen zur Rettung des Immobilienmarktes eingeleitet habe: “Dies erhöht die Chance, dass sich die Wirtschaft im Laufe dieses Jahres belebt.” Der überhitzte chinesische Immobilienmarkt, der für ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts steht, ist seit Jahren in der Krise. Die Behörden versuchen seit 2022 verstärkt, den Sektor zu stabilisieren, der eine wichtige Triebfeder der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist. Aber eine nennenswerte Erholung blieb bisher aus.
Der Blick auf die Einkaufsmanagerdaten im Mai zeigt laut Experten, dass sich die Industrie noch nicht nachhaltig stabilisiert hat: “Gerade als die Verbesserung im März und April darauf hinzudeuten schien, dass das verarbeitende Gewerbe endlich auf festeren Füßen steht, sät der Mai-Wert nun wieder Zweifel”, so Commerzbank-Ökonom Wu. Es bestehe das Risiko, dass die Verbesserung nur vorübergehend gewesen sei und die Schwäche anhalte.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte erst kürzlich seine Wachstumsprognose für China um 0,4 Prozentpunkte auf 5,0 Prozent für 2024 und 4,5 Prozent für 2025 nach oben korrigiert. Doch auch der IWF warnt, dass der Immobiliensektor weiterhin ein wesentliches Wachstumsrisiko darstelle. Mit der neuen Konjunkturprognose liegt der IWF im Einklang mit der Schätzung der Regierung in Peking, die für 2024 ein Wachstumsziel von rund fünf Prozent ausgegeben hat. Im ersten Quartal wurden die Erwartungen der Ökonomen übertroffen. Am Ende der ersten drei Monate stand ein Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 5,3 Prozent. rtr
Die EU-Kommission hat den chinesischen Online-Marktplatz Temu als sehr große Online-Plattform eingestuft. Die Plattform aufgrund ihrer Größe in den Geltungsbereich des Digitale-Dienste-Gesetzes (DSA), gab die Kommission bekannt. Temu ist damit die 24. Plattform, die unter die besonders strengen Regeln fällt, die für sehr große Onlineplattformen und -suchmaschinen gelten. Mit europaweit 75 Millionen monatlichen Nutzern überschreitet der Onlinehändler die Schwelle bereits deutlich. Ab 45 Millionen Nutzern gilt eine Plattform als sehr groß.
Nach dieser Einstufung muss Temu innerhalb von vier Monaten (also bis Ende September 2024) die strengsten Regeln des DSA einhalten. Dazu gehört die Verpflichtung, systemische Risiken zu bewerten und zu mindern, die sich aus ihren Dienstleistungen ergeben. Zu den Risiken gehören auch das Listen und Verkaufen von gefälschten Waren, unsicheren oder illegalen Produkten sowie Artikeln, die gegen Markenrechte verstoßen.
Deutsche und europäische Verbraucherschützer haben wiederholt massive Kritik an der Plattform geübt. So legte der europäische Verband BEUC erst Mitte Mai Beschwerde gegen den boomenden Online-Marktplatz ein, der Verbraucher nicht schütze und manipulative Praktiken anwende, die nach dem DSA illegal seien. Temu versäume es oft, “den Verbrauchern wichtige Informationen über den Verkäufer der Produkte zu geben und ist daher nicht in der Lage, mitzuteilen, ob das Produkt den EU-Produktsicherheitsanforderungen entspricht“, lautet einer der Vorwürfe.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte Temu bereits im April abgemahnt, unter anderem:
Mitte Mai hatte Temu dann eine Unterlassungserklärung abgegeben. vis
Chinas Behörden haben eine Geldstrafe in einer Höhe von umgerechnet mehr als eine halben Milliarde Euro gegen eine Tochter des hoch verschuldeten Immobilienkonzerns Evergrande verhängt. Hengda Real Estate müsse wegen betrügerischer Anleiheemissionen und Fehlinformationen eine Strafe von umgerechnet rund 530 Millionen Euro zahlen, erklärte die Aufsichtsbehörde CSRC am Freitag.
Auch gegen Evergrande-Gründer Hui Ka Yan verhängte die CSRC ein Bußgeld. Er darf zudem keine Geschäfte mehr am Finanzmarkt tätigen. Die Aufsichtsbehörde hatte Hengda vorgeworfen, Umsätze in den Jahren 2019 und 2020 künstlich aufgebläht und auf dieser Basis Anleihen begeben zu haben. Ein Gericht in Hongkong hatte im Januar die Abwicklung Evergrandes angeordnet. Der Konzern ächzt unter einer Schuldenlast von mehr als 300 Milliarden Dollar. rtr
Im März kündigte der chinesische Ministerpräsident Li Qiang für 2024 ein ehrgeiziges Wachstumsziel von 5 Prozent an. In einem darauf folgenden Kommentar bestätigte Justin Yifu Lin, ehemaliger Chefökonom der Weltbank, dieses Ziel der Regierung und prognostizierte, dass Chinas Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 5-6 Prozent wachsen würde, bevor es zwischen 2036 und 2050 zu einer Abschwächung auf 3 bis 4 Prozent kommt. Lin deutete zudem an, dass China bereits 2026, wenn nicht schon 2025, den Status eines Landes mit hohem Einkommen erreichen könnte. Angesichts der düsteren demografischen Aussichten Chinas erscheint dies jedoch höchst unwahrscheinlich.
Lin merkt an, dass das Pro-Kopf-BIP in 26 Ländern weniger als die Hälfte des Wertes der Vereinigten Staaten betrug, als ihre Bevölkerungen zu altern begannen. Lin argumentiert, dass diese Länder ihre jeweilige Wirtschaft auch nach diesem Zeitpunkt weiter verbesserten. Das könne auch China gelingen.
Die WHO definiert den Beginn der Alterungsphase einer Volkswirtschaft als den Zeitpunkt, an dem der Anteil der Menschen im Alter von 65 und älter 7 Prozent überschreitet – ein demografischer Meilenstein, den China 1998 erreichte. Bis 2023 stieg der Anteil der über 65-Jährigen in China auf 15,4 Prozent. Historisch gesehen ist es keinem Land gelungen, in den 12 Jahren, nachdem der Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung 15 Prozent erreicht war, ein Wachstum von 4 Prozent zu erzielen. Die durchschnittliche Wachstumsrate der Länder mit hohem Einkommen liegt in diesem Zeitraum bei nur 1,8 Prozent.
Eine alternde Bevölkerung beeinträchtigt Produktion, Verbrauch, Unternehmertum und Innovation – und untergräbt die wirtschaftliche Dynamik. Steigen Medianalter und der Anteil der über 65-Jährigen, verlangsamt sich das BIP-Wachstum. Lins Prognose, wonach China zwischen 2024 und 2035 eine jährliche Wachstumsrate von 5 bis 6 Prozent erreichen wird, ist daher so wahrscheinlich, wie dass ein 80-Jähriger einen Marathonlauf gewinnt.
Lin hebt Chinas Nachzügler-Vorteil hervor, der jedoch durch die rasch alternde Bevölkerung aufgehoben wird. Demografische Probleme und ein Rückgang der Erwerbsbevölkerung haben dazu geführt, dass das Pro-Kopf-BIP in Spanien von 73 Prozent des US-Niveaus im Jahr 2008 auf nunmehr 39 Prozent gefallen ist, in Griechenland von 66 auf 27 Prozent und in Portugal von 51 auf 32 Prozent. Zusammen mit anderen alternden Gesellschaften wie Südkorea und Taiwan laufen diese Länder nun Gefahr, wieder in die Falle des mittleren Einkommens zu tappen.
Chinas Alterungskrise erinnert an die Entwicklung in Japan und Deutschland, wo die Erwerbsbevölkerung Mitte der 1990-er Jahre zu schrumpfen begann. Bis 2023 war das Pro-Kopf-BIP in Japan, ausgehend von einem Wert von 154 Prozent im Jahr 1995, auf 41 Prozent des US-Niveaus gesunken und in Deutschland im gleichen Zeitraum von 110 auf 64 Prozent.
Das Medianalter lag in China im Jahr 2023 auf dem gleichen Niveau wie in Japan im Jahr 1995 und in Deutschland im Jahr 2000, während der Anteil der Menschen im Alter von 65 Jahren und älter dem Wert Japans im Jahr 1996 und jenem in Deutschland im Jahr 1995 entsprach. In den auf diese beiden demografischen Meilensteine folgenden zwölf Jahren lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in Japan bei 0,8 Prozent und in Deutschland bei 1,4 bis 1,5 Prozent. Ausgehend von diesen historischen Trends wird sich Chinas Wachstumsrate bis 2028 wohl auf 3 Prozent verlangsamen und zwischen 2031 und 2035 unter den Wert der USA sinken.
Chinas Pro-Kopf-BIP erreichte im Jahr 2023 12.681 Dollar und verfehlte damit den von der Weltbank festgelegten Schwellenwert für ein Land hohen Einkommens von 13.845 Dollar. Angesichts eines durchschnittlichen jährlichen Anstiegs von 2,1 Prozent in den letzten zwei Jahrzehnten wird der Weltbank-Schwellenwert bis 2028 voraussichtlich auf 15.715 Dollar und bis 2035 auf 18.219 Dollar ansteigen. Geht man davon aus, dass sich das Wachstum des Pro-Kopf-BIP in China von 5 Prozent im Jahr 2024 auf 3 Prozent im Jahr 2028 und 1,5 Prozent im Jahr 2035 verlangsamt, dürfte das Pro-Kopf-BIP in China im nächsten Jahrzehnt 17.893 Dollar erreichen. Die wachsende wirtschaftliche Kluft zwischen China und den USA wird es China noch schwerer machen, die Schwelle zu einem Land hohen Einkommens zu überschreiten.
Darüber hinaus dürfte der Renminbi durch mehrere Faktoren unter Abwärtsdruck geraten und es China erschweren, der Falle des mittleren Einkommens zu entkommen. Zunächst schrumpft Chinas Erwerbsbevölkerung rapide, und die industrielle Wertschöpfungskette verlagert sich in Länder, die an der staatlichen Belt and Road Initiative (BRI) teilnehmen. Die Versuche westlicher Länder, ihre Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten zu verringern, könnten Chinas Fertigungssektor weiter schwächen und den Handelsüberschuss des Landes schmälern. Da sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt und die Lokalregierungen mit einer sich zuspitzenden Schuldenkrise zu kämpfen haben, ist mit einer Senkung der Zinsen in China zu rechnen.
Schließlich könnten niedrige Geburtenraten weltweit zu niedriger Inflation und sogar zu einer regelrechten Deflation führen. Chinas anhaltend niedrige Geburtenrate in Verbindung mit unzureichender Inlandsnachfrage und Überkapazitäten dürften den deflationären Druck verstärken und die Zinsdifferenz zwischen dem Renminbi und dem US-Dollar vergrößern.
Bliebe der Schwellenwert, um als Land mit hohem Einkommen zu gelten, unverändert, könnte China diesen zwar erreichen, doch die alternde Bevölkerung würde das Land wahrscheinlich daran hindern, der realen Falle mittleren Einkommens zu entrinnen. Das verfügbare Einkommen der Haushalte macht nur 42 Prozent des BIP aus und liegt damit weit unter dem weltweiten Durchschnitt von 60 bis 70 Prozent. Der Schwellenwert für ein Hocheinkommensland lag im Jahr 2022 bei einem verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen von 8.307 bis 9.692 Dollar. Das ist ein typischer Indikator für eine breite Mittelschicht, die Druck auf die Regierung ausüben kann.
Im Gegensatz dazu lag das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in China im Jahr 2023 bei nur 5.565 Dollar und die Mittelschicht bleibt eine Minderheit. Um die Schwelle zu einem Land hohen Einkommens zu überschreiten, müsste China sein Pro-Kopf-BIP auf 19.000 bis 22.000 Dollar steigern. Dazu sind jedoch weitreichende Reformen erforderlich.
Vor allem muss China das verfügbare Einkommen der Haushalte erhöhen und seine demografische Krise bewältigen. Beides erfordert eine politische und wirtschaftliche Neuordnung. Da China Wirtschaftsreformen heute noch ablehnender gegenübersteht als zu der Zeit, als Deng Xiaoping 1978 seine marktorientierten Reformen einleitete, erscheint ein rascher Wandel höchst unwahrscheinlich. Der notwendige Transformationsprozess könnte mehrere Jahrzehnte, wenn nicht länger, dauern. Übersetzung: Helga Klinger-Groier
Yi Fuxian ist leitender Wissenschaftler im Bereich Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of Wisconsin in Madison und Autor von Big Country with an Empty Nest (China Development Press, 2013).
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Jeff Cao ist seit April Sales Manager China bei PASS GmbH & Co. KG, einem Automobilzulieferer mit Sitz in Schwelm, Nordrhein-Westfalen. Cao war zuvor Business Director Asia für den brasilianischen Klemmenhersteller Progeral Clamps. In dieser Funktion fand er neue Kunden in den E-Autobauern Xiaopeng und Nio.
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Sweet 18: Schülerinnen und Schüler der Stadt Zhangye in der Provinz Gansu feiern ihre Volljährigkeit. Ein traditioneller Feiertag ist das in China eigentlich nicht. Aber weil die kommunistische Führung in den vergangenen Jahrzehnten zwischenzeitlich so viele traditionelle Feiertage gestrichen hatte, schufen sich die Menschen einfach neue. Und einer von ihnen ist der Tag, an dem Schüler gemeinsam den Tag begehen, an dem sie 18 werden. Oft gibt es inzwischen auch Geschenke.
Chinas Rolle im Ukraine-Krieg dominierte einmal mehr die Diskussion. Auf dem Shangri La-Sicherheitsforum in Singapur hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag ungewöhnlich offen Chinas Umgang mit dem Angriff auf sein Land kritisiert. Unter anderem warf er Peking vor, im Auftrag Russlands eine geplante Friedenskonferenz in der Schweiz zu torpedieren. So spanne Moskau chinesische Diplomaten ein, damit sie andere Länder davon abbringen, an der Konferenz Mitte Juni teilzunehmen.
Die harten Worte zeigen den Frust Selenskyjs, der sich seit der russischen Invasion immer wieder um China bemüht hat – und offenbar nicht mehr viel Hoffnung auf eine konstruktive Haltung Pekings macht. Selenskyj deutete auch die Lieferungen waffentauglicher Produkte chinesischer Firmen an Russland an.
Um diese Vorwürfe ging es bei dem Besuch von US-Vize-Finanzminister Wally Adeyemo in Berlin. Die USA würden wegen der Ausfuhren militärisch nutzbarer Güter aus China nach Russland bald handeln, kündigte Adeyemo an. Europa und Deutschland forderte er auf, ihren Worten ebenfalls Taten folgen zu lassen, wie Michael Radunski berichtet.
Fast vergessen scheint da die Corona-Pandemie. Diese hat allerdings in China schwere Folgen hinterlassen. Der Soziologe Bin Xu erklärt im Interview mit Fabian Peltsch, wie sehr vor allem die Mittelschicht unter der harten Null-Covid-Politik gelitten hat – und warum die Regierung eine Aufarbeitung der Pandemie-Jahre ablehnt.
Wir wünschen Ihnen einen guten Wochenstart,
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat China vorgeworfen, “hart daran zu arbeiten”, Länder von der Teilnahme an der Ukraine-Friedenskonferenz Mitte Juni in der Schweiz abzuhalten. Damit helfe Peking dem Kreml, das Spitzentreffen in der Schweiz zu untergraben, sagte Selenskyj nach Angaben der Nachrichtenagentur AP am Sonntag vor Reportern beim Shangri-La-Dialog in Singapur. “Russland nutzt den chinesischen Einfluss in der Region und nutzt auch chinesische Diplomaten und tut alles, um den Friedensgipfel zu stören.” Es sei bedauerlich, dass “solch ein großes unabhängiges Land wie China ein Instrument in den Händen von Putin ist.”
Es ist ungewöhnlicher Ton, der den Frust Selenskyjs über Peking zeigt. Seine Regierung hatte sich seit der russischen Invasion hinter den Kulissen immer wieder vergeblich um China bemüht. Einmal telefonierte er während des Krieges mit Staatschef Xi Jinping. “Er versprach mir, dass China abseitsstehen und Russland nicht mit Waffen unterstützen würde”, sagte Selenskyj laut der US-Nachrichtenplattform Politico. “Heute gibt es Geheimdienstinformationen, die besagen, dass einige Dinge irgendwie über China auf die russischen Märkte gelangen.” Dazu gehören auch Teile für den Bau von Waffen. Er habe kein Mitglieder der chinesischen Delegation getroffen, sagte Selenskyj.
Der Shangri-La-Dialog ist die wichtigste Sicherheitskonferenz in Asien. Chinas Verteidigungsminister Dong Jun war dort auch bilateral mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zusammengekommen. Das ist ein Fortschritt, denn Dongs Vorgänger Li Shangfu hatte 2023 ein solches Treffen abgelehnt. Austin betonte, es sei wichtig, im Austausch zu bleiben. “Nicht jedes Gespräch wird ein glückliches Gespräch sein, aber es ist wichtig, dass wir weiterhin miteinander sprechen”, sagte Austin am Samstag in seiner Rede. Er betonte, dass er trotz offensichtlicher Meinungsverschiedenheiten keine unmittelbare Gefahr einer Eskalation sehe.
Dennoch überschattete der schwelende Konflikt zwischen den USA und China die Konferenz. Austin sprach von einer “neuen Konvergenz in fast allen Sicherheitsaspekten im Indopazifik” und pries die wachsende Zusammenarbeit mit Verbündeten in der Region. Die chinesische Delegation wiederum zeigte in Singapur laut Bloomberg eine ungewohnt starke öffentliche Präsenz mit einer Reihe von Pressekonferenzen, Reden und Zwischenrufen. Vertreter Chinas kritisierten die US-Unterstützung für Taiwan, warnten vor dem Aufbau einer asiatischen Nato und warfen Washington eine “Technologieblockade” gegen Peking vor.
“Sie testen immer wieder Chinas rote Linien”, sagte Dong in seiner Rede und bezeichnete die Taiwan-Politik der USA als “Salamitaktik”, mit der sie die Grenze der Unterstützung stetig ausweiteten. Umgekehrt wirft der Westen China eine Salamitaktik im Südchinesischen Meer vor, wo Peking etwa durch das Aufschütten umstrittener Inselchen stetig Fakten schaffe.
In dieser aufgeheizten Atmosphäre zeigte sich Selenskyj in seiner Rede “enttäuscht” darüber, dass einige Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme an dem für Mitte Juni geplanten Friedensgipfel für sein Land in der Schweiz noch nicht zugesagt hätten – darunter ist auch US-Präsident Joe Biden.
Zwar haben mehr als 100 Länder ihre Teilnahme zugesagt. Doch es kommt eben auch darauf an, wer aus diesen Ländern erscheint. Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz wird dabei sein, ebenso wie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Selenskyj warb in seiner Rede um eine möglichst zahlreiche Teilnahme der Staaten Asiens.
Dass der ukrainische Präsident trotz der schwierigen Lage an der Front nach Singapur gekommen war, zeigt, wie wichtig ihm die Unterstützung möglichst vieler Länder der ganzen Welt ist. China will nach allem, was bekannt ist, aber nur dann an einer Friedenskonferenz teilnehmen, wenn auch Russland eingeladen ist. “Die Organisation des Treffens entspricht immer noch nicht den Anforderungen Chinas und den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, was die Teilnahme Chinas erschwert”, formulierte Außenamtssprecherin Mao Ning am Freitag Chinas Absage.
Der Sicherheitsexperte und ehemalige Nato-Botschafter der USA Kurt Volker hält es dennoch für möglich, dass China zumindest jemanden von der Arbeitsebene in die Schweiz schicken werde. “Das wäre immerhin ein kleiner Erfolg für die Ukraine.” Ein großer Erfolg wäre die Anwesenheit eines hochrangigen Politikers aus Peking, so Volker zu Table.Briefings. Generell müsse der Westen China davon überzeugen, dass es in seinem eigenen Interesse sei, konstruktiv zu agieren, meint Volker. Da gebe es Ansätze. So wolle China bei dem künftigen Wiederaufbau der Ukraine beteiligt sein. “China schaut nur auf chinesische Interessen.” Peking helfe Russland immer dann, wenn es China selber nützt.
Dong Jun war während der Rede Selenskyjs nicht im Raum. Er war in seiner eigenen Rede zwar auf die Friedenskonferenz eingegangen, betonte aber, dass China sich für Friedensgespräche mit “einer verantwortungsbewussten Haltung” einsetze. Sein Land habe zudem weder der einen noch der anderen Seite in dem Konflikt Waffen geliefert, betonte Dong. Die Vorwürfe, dass chinesische Dual Use-Produkte ihren Weg nach Russland gefunden haben, kommentierte er nicht.
Wally Adeyemo wählte in Berlin freundliche Worte, doch seine Botschaft ist eine ernste Warnung an China: “Wir müssen chinesische Firmen vor die Wahl stellen: Entweder verkaufen sie weiterhin diese kleine, begrenzte Anzahl von Gütern an Russland oder sie wollen doch lieber große Geschäfte auf den amerikanischen und europäischen Märkten machen.” Und der amerikanische Vize-Finanzminister schickte direkt eine kleine Entscheidungshilfe nach Peking hinterher: “Beides zugleich wird in Zukunft nicht mehr möglich sein.”
Adeyemo war vergangene Woche eigens in der Ukraine gereist, um sich persönlich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Auf dem Rückweg in die USA machte er Halt in Berlin und hielt in der deutschen Hauptstadt eine entschiedene Rede. Der Grund: Die USA wollen den Druck erhöhen, und das am liebsten gemeinsam mit ihren europäischen Partnern. In den kommenden Wochen werde Washington handeln, kündigte Adeyemo an. “Es geht nicht um bestimmte Sektoren, es werden umfassende Maßnahmen sein.”
Details wollte der Vize-Finanzminister zwar nicht nennen. Er habe sich aber eng mit der deutschen Regierung abgesprochen – mit dem Kanzleramt, dem deutschen Vizekanzler wie auch dem Außenministerium. Adeyemos Botschaft ist deutlich. “Wir müssen zwei Dinge tun: Die ukrainischen Soldaten stärken und den Nachschub für die russischen Kämpfer stoppen.”
Für den ersten Teil haben die westlichen Staaten der Ukraine nun erlaubt, mit ihren Waffen auch auf russisches Gebiet zu schießen. Nach den USA gab am Freitag auch Deutschland der Ukraine grünes Licht, den Einsatz gelieferter Waffen gegen Ziele im russischen Grenzgebiet zur Region Charkiw anzuwenden. Jetzt müsse auch beim zweiten Teil gehandelt werden, sagte Adeyemo: den Nachschub für Russlands Kriegsmaschinerie stoppen. Und die USA sind sicher: Hier spielt China eine Schlüsselrolle.
Kein anderes Land habe die nötigen Kapazitäten, etwa bei Bearbeitungsmaschinen, Mikroelektronik und anderen Produkten, die Russland für die Waffenproduktion benötige. “Peking liefert zwar keine Panzer oder Raketen nach Russland.” Aber: Ohne China könne Russland weder seine Waffenproduktion, geschweige denn den Krieg gegen die Ukraine in diesem Umfang fortsetzen.
Adeyemo wurde in Berlin deutlich. Im vergangenen Jahr habe Russland sensible Dual-Use-Güter im Wert von 5,2 Milliarden US-Dollar von chinesischen Zulieferern importiert. Das ist ein Anstieg von mehr als 40 Prozent – innerhalb nur eines Jahres. “Der Kreml weiß, dass er seine militärischen Ziele nur mit Chinas Hilfe erreichen kann.”
US-Beamte benannten schon vor Wochen ganz konkret mehrere chinesische Firmen, die für den Export verantwortlich sein sollen. Darunter:
“Diese Lieferungen helfen Russland wirklich dabei, seine Kriegsmaschinerie neu aufzubauen und zu verbessern, um die Ukraine zu zerstören”, urteilt Alexander Gabuev im Gespräch mit Table.Briefings. Der Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center sagt: “Es handelt sich hierbei nicht um normalen Handel zu zivilen Zwecken, wie den Kauf von russischem Öl, der zähneknirschend hingenommen wird. Hier geht es um militärwichtige Unterstützung.” China bestreitet bislang vehement, Russland direkte militärische Hilfe zu leisten. Allerdings finden sich auf den Schlachtfeldern in der Ukraine zunehmend Hinweise auf eine chinesische Verwicklung.
Adeyemo stellte in Berlin klar: Jetzt geht es um Taten, nicht mehr nur um Worte. Wenn Peking den Export von Dual-Use-Gütern nach Russland nicht einstelle, müsse man Maßnahmen ergreifen, um China zur Verantwortung zu ziehen. Der amerikanische Vize-Finanzminister machte in Berlin sehr deutlich, wen er damit meint: Die EU ist Chinas größter Exportmarkt, in Schlüsselsektoren wie Chemie und Maschinen ist China nach wie vor der größte Exporteur in die EU.
“Uns ist bewusst, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und China für beide Seiten von großer Bedeutung sind.” Aber: “Wir müssen den chinesischen Unternehmen klarmachen, dass wir alle bereit sind, sie mit unseren Sanktionen und Exportkontrollen zur Verantwortung zu ziehen.” Die Betonung legte Adeyemo auf: alle. EU-Kommissionschefin hatte nach dem Dreiergipfel mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Chinas Staatschef Xi Jinping im Mai ebenfalls betont, dass China mehr Anstrengungen unternehmen müsse, um die Lieferung von Dual-use-Gütern an Russland einzuschränken. Macron erklärte, Xi habe ihm zugesagt, diese Lieferungen stärker zu kontrollieren. Ob daraus konkrete Taten folgen, ist ungewiss.
Adeyemos entschiedener Auftritt in Berlin passt derweil in die vergangenen Wochen. Zuletzt hatte US-Vize-Außenminister Kurt Campbell Chinas Führung vorgeworfen, Russlands Krieg in der Ukraine zu unterstützen. Auch Campbell warnte, dass Peking deshalb mit weiteren Sanktionen rechnen müsse.
Kurz bevor Adeyemo zum Berliner Flughafen aufbrach, wollte der Vize-Finanzminister noch freundlich sein. Er habe unter der Regierung von Präsident Joe Biden kein Land so häufig besucht wie Deutschland. Das kann man als Ausdruck von Nähe und Freundschaft deuten. Es könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, wie schwierig es ist, den deutschen Partner beim Thema China auf eine gemeinsame Linie einzuschwören.
Peking hat seine “Zero Covid”-Politik Ende 2022 abrupt aufgegeben. Viele Menschen im Westen empfanden diesen Schritt als überraschend und angesichts der vorherigen Strenge auch als widersprüchlich. War die Regierung innerhalb Chinas erfolgreicher damit, ihre plötzliche Abkehr von den drakonischen Maßnahmen zu vermitteln?
Nein. Die Regierung hatte keine klaren Erklärungen für den abrupten Politikwechsel gegeben. Vielmehr wurde seit Dezember 2022 die “Null-Covid”-Politik (清零政策), einst ein heiliger Begriff, systematisch aus den offiziellen Darstellungen gestrichen.
Wie sieht es heute aus – mit welchem Narrativ will die Partei in die Geschichtsbücher eingehen, wenn es um die Pandemie geht? Gibt es immer noch Medienberichte und Ausstellungen, die die chinesischen Heldentaten feiern?
Im Allgemeinen gibt es nur sehr wenige offizielle Berichte über die Covid-Maßnahmen. Die einzige Ausstellung, die meines Wissens existiert, ist die im Archiv von Wuhan. Sie konzentriert sich erwartungsgemäß auf die heldenhaften Anstrengungen des Staates und der Bevölkerung bei der Bekämpfung des Virus.
Ist das nicht auch wieder ein Widerspruch zur eben erwähnten öffentlichen Abkehr?
Das Raffinierte daran ist, dass in den offiziellen Berichten vor allem der vermeintliche Erfolg in Wuhan hervorgehoben wird, der Ausbruch von 2022 jedoch verschwiegen wird, ganz zu schweigen von den massiven Infektionen und Todesfällen nach dem Ende der offiziellen Corona-Politik. Selbst die selbstgefälligen Erzählungen sind also sehr spärlich, da jede Erwähnung der Pandemiebekämpfung dazu führen würde, dass die Menschen an die Tragödien des Jahres 2022 denken. Der Staat scheint beschlossen zu haben, nicht über die Pandemie sprechen zu wollen.
Sie erwähnen in ihrer Forschung, dass der chinesische Staat im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Pandemie “performative Absichten” verfolgte. Können Sie näher erläutern, was mit diesen Absichten bezweckt werden sollte?
Der chinesische Staat wollte eindeutig sein starkes Staatsimage demonstrieren, das heißt das Image eines kompetenten Staates, der in der Lage ist, große Krisen erfolgreich zu bewältigen, soziale Probleme zu beseitigen und sogar Naturgewalten zu kontrollieren. Ein solches starkes Staatsbild lässt sich am besten mit der Zahl “Null” demonstrieren – als perfektes Mittel, um zu zeigen, dass der Staat Probleme komplett beseitigen, und nicht nur lindern kann. Dieses Beseitigungsziel findet sich auch in vielen anderen staatlichen Maßnahmen wieder, wie zum Beispiel im Armutsprogramm, das die Beseitigung der absoluten Armut bis Ende 2020 vorsieht – ein ehrgeiziges Ziel mit einer klaren Frist.
Peking betrachtete die Pandemiebekämpfung als eine Art globaler Wettbewerb der Nationen.
Das starke Image des Staates bedeutet auch, dass China in diesem Wettbewerb um die globale Führung so genannte “institutionelle Vorteile” für sich beanspruchte. Während der Pandemie war der Wettbewerb ein Wettbewerb der Zahlen – Infektionsfälle und Todesfälle. Der Staat versuchte alles, um das starke Image aufrechtzuerhalten, auch wenn die Realität, insbesondere die Entwicklung des Virus (hin zur hochansteckenden Omikron-Variante, d.Red.), das Null-Ziel schwer oder gar nicht erreichbar machte. Die lokalen Regierungen verschärften das Ziel und griffen zu noch drakonischeren Maßnahmen, was zu katastrophalen Ergebnissen führte.
Vor allem den Lockdown in Shanghai haben viele Menschen als traumatisch empfunden, auch weil er relativ wohlhabende Schichten in Chinas wichtigster Finanzmetropole betraf. Hat diese Zeit die Stadt und ihre Bürger verändert?
Die dramatische Abriegelung Shanghais hatte vor allem Auswirkungen auf die Bewohner der mittleren und oberen Mittelschicht sowie auf die jüngeren Generationen. Die Bewohner der städtischen Mittelschicht waren früher mit ihren materiellen Lebensbedingungen recht zufrieden, obwohl sie sich über den Staat beschwerten. Es war wie ein Deal zwischen dem Staat und ihnen, dass sie ihn nicht öffentlich herausforderten und manchmal sogar eine Komplizenschaft mit ihm eingingen – im Austausch für Stabilität und Wohlstand.
Und dieser Deal nahm dann erstmals ernsthaften Schaden?
Durch die Pandemie wurde diesen Menschen bewusst, dass ihr Wohlstand und sogar ihre Grundrechte gefährdet sein könnten, wenn der Staat entschlossen ist, sie ihnen wegzunehmen. In den letzten zwei Jahren ist ein Trend zu beobachten, dass wohlhabende Menschen aus der Mittelschicht und sogar Superreiche versuchen, auszuwandern oder ihr Vermögen außerhalb Chinas zu verlagern – manchmal auch auf illegale Weise. Die jüngeren Generationen sind vom Parteistaat desillusioniert und haben bereits ihren Widerstand demonstriert. Dennoch möchte ich die innere Vielfalt in China betonen, selbst in Orten wie Shanghai: Viele andere haben nicht auf diese Weise gedacht, geschweige denn Maßnahmen ergriffen, um ihre Lebensumstände zu ändern.
Hatte die Pandemie innerhalb Chinas auch positive Folgen? Zum Beispiel ein größerer Wille zu eigenverantwortlichem Handeln oder ein gestärktes politisches Bewusstsein, als Zivilgesellschaft zu handeln?
Ich sehe keine positiven Ergebnisse, abgesehen von der Selbsterkenntnis vieler junger Menschen bei den Weißblattprotesten. Ein solcher Bewusstseinswandel mag zu unmittelbaren Aktionen führen oder auch nicht, denn in den letzten zehn Jahren ist die chinesische Zivilgesellschaft unter verschärfter Kontrolle erstickt worden. Langfristig wird sich ein solcher Bewusstseinswandel jedoch auf das Handeln auswirken. Die Frage ist nur, wann und wie.
Würde die chinesische Regierung bei einer weiteren Pandemie anders reagieren, wenn sie jetzt ausbrechen würde? Wurden die Vorsichtsmaßnahmen und das Katastrophenmanagement verbessert?
Das ist schwer vorherzusagen. Die Geschichte lehrt uns, dass der chinesische Staat aus manchen Lektionen lernt, aus anderen aber nicht. Die Covid-Pandemie verlief zum Beispiel genauso wie die erste SARS-Krise von 2002/2003: Ein Virus tauchte auf, wurde aber von verschiedenen Teilen des Staates vertuscht oder heruntergespielt – bis es sich zu einer Krise entwickelte, die der Staat mit einer umfassenden Kampagne zu lösen versuchte.
Liegt die Ähnlichkeit daran, dass sich in China seit SARS strukturell nichts geändert hat?
Der Grund für diese Ähnlichkeit liegt in der Zersplitterung des Staates, die oft zu langsamen Aktionen und zu Konflikten zwischen verschiedenen Sektoren führt. Außerdem muss der Staat das Image des “starken Staates” aufrechterhalten, und dann neigen lokale Beamte dazu, negative Informationen zu verbergen, um das Image nicht zu beschädigen. Die Zivilgesellschaft ist nicht stark genug, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. All diese strukturellen Bedingungen sind immer noch vorhanden und werden auch in Zukunft bestehen bleiben. Ob sich eine Pandemie in diesem Maße wiederholen wird, hängt von den Merkmalen des natürlichen Erregers (zum Beispiel ob das Virus so schwerwiegend ist wie Covid oder SARS) und dem bewussten Handeln der einzelnen Behörden ab. Nach SARS gab es einige Verbesserungen im chinesischen Katastrophenmanagement, aber bei der Covid-Pandemie, die von Anfang an auf die gleiche Weise ablief, sahen wir ein größeres Versagen.
Bin Xu, geboren 1974 in Hangzhou, ist Außerordentlicher Professor für Soziologie an der Emory-Universität, Atlanta. Seine Arbeiten zur Kultursoziologie von Katastrophen erhielten Auszeichnungen und Zuschüsse von der American Sociological Association (ASA), der National Science Foundation (NSF) und dem American Council of Learned Societies (ACLS). Xu ist derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, wo er zur Erinnerungskultur des Tiananmen-Massakers forscht.
Chinas Industrie ist einem offiziellen Konjunkturbarometer zufolge zuletzt geschrumpft. Dies nährt Zweifel an einer durchgreifenden Erholung des Sektors. So fiel der vom Statistikamt (NBS) veröffentlichte Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe im Mai mit 49,5 Zählern unerwartet unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Im Vormonat hatte er mit 50,4 Zählern noch knapp darüber gelegen. Das nicht-verarbeitende Gewerbe ist zwar mit 51,1 Zählern weiterhin in positivem Terrain, allerdings auch niedriger als im April.
“Die PMIs zeigen weiterhin ein gemischtes Wachstumsbild“, sagt Commerzbank-Experte Tommy Wu. Er verweist darauf, dass die Regierung neue und aggressive Maßnahmen zur Rettung des Immobilienmarktes eingeleitet habe: “Dies erhöht die Chance, dass sich die Wirtschaft im Laufe dieses Jahres belebt.” Der überhitzte chinesische Immobilienmarkt, der für ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts steht, ist seit Jahren in der Krise. Die Behörden versuchen seit 2022 verstärkt, den Sektor zu stabilisieren, der eine wichtige Triebfeder der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist. Aber eine nennenswerte Erholung blieb bisher aus.
Der Blick auf die Einkaufsmanagerdaten im Mai zeigt laut Experten, dass sich die Industrie noch nicht nachhaltig stabilisiert hat: “Gerade als die Verbesserung im März und April darauf hinzudeuten schien, dass das verarbeitende Gewerbe endlich auf festeren Füßen steht, sät der Mai-Wert nun wieder Zweifel”, so Commerzbank-Ökonom Wu. Es bestehe das Risiko, dass die Verbesserung nur vorübergehend gewesen sei und die Schwäche anhalte.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte erst kürzlich seine Wachstumsprognose für China um 0,4 Prozentpunkte auf 5,0 Prozent für 2024 und 4,5 Prozent für 2025 nach oben korrigiert. Doch auch der IWF warnt, dass der Immobiliensektor weiterhin ein wesentliches Wachstumsrisiko darstelle. Mit der neuen Konjunkturprognose liegt der IWF im Einklang mit der Schätzung der Regierung in Peking, die für 2024 ein Wachstumsziel von rund fünf Prozent ausgegeben hat. Im ersten Quartal wurden die Erwartungen der Ökonomen übertroffen. Am Ende der ersten drei Monate stand ein Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 5,3 Prozent. rtr
Die EU-Kommission hat den chinesischen Online-Marktplatz Temu als sehr große Online-Plattform eingestuft. Die Plattform aufgrund ihrer Größe in den Geltungsbereich des Digitale-Dienste-Gesetzes (DSA), gab die Kommission bekannt. Temu ist damit die 24. Plattform, die unter die besonders strengen Regeln fällt, die für sehr große Onlineplattformen und -suchmaschinen gelten. Mit europaweit 75 Millionen monatlichen Nutzern überschreitet der Onlinehändler die Schwelle bereits deutlich. Ab 45 Millionen Nutzern gilt eine Plattform als sehr groß.
Nach dieser Einstufung muss Temu innerhalb von vier Monaten (also bis Ende September 2024) die strengsten Regeln des DSA einhalten. Dazu gehört die Verpflichtung, systemische Risiken zu bewerten und zu mindern, die sich aus ihren Dienstleistungen ergeben. Zu den Risiken gehören auch das Listen und Verkaufen von gefälschten Waren, unsicheren oder illegalen Produkten sowie Artikeln, die gegen Markenrechte verstoßen.
Deutsche und europäische Verbraucherschützer haben wiederholt massive Kritik an der Plattform geübt. So legte der europäische Verband BEUC erst Mitte Mai Beschwerde gegen den boomenden Online-Marktplatz ein, der Verbraucher nicht schütze und manipulative Praktiken anwende, die nach dem DSA illegal seien. Temu versäume es oft, “den Verbrauchern wichtige Informationen über den Verkäufer der Produkte zu geben und ist daher nicht in der Lage, mitzuteilen, ob das Produkt den EU-Produktsicherheitsanforderungen entspricht“, lautet einer der Vorwürfe.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte Temu bereits im April abgemahnt, unter anderem:
Mitte Mai hatte Temu dann eine Unterlassungserklärung abgegeben. vis
Chinas Behörden haben eine Geldstrafe in einer Höhe von umgerechnet mehr als eine halben Milliarde Euro gegen eine Tochter des hoch verschuldeten Immobilienkonzerns Evergrande verhängt. Hengda Real Estate müsse wegen betrügerischer Anleiheemissionen und Fehlinformationen eine Strafe von umgerechnet rund 530 Millionen Euro zahlen, erklärte die Aufsichtsbehörde CSRC am Freitag.
Auch gegen Evergrande-Gründer Hui Ka Yan verhängte die CSRC ein Bußgeld. Er darf zudem keine Geschäfte mehr am Finanzmarkt tätigen. Die Aufsichtsbehörde hatte Hengda vorgeworfen, Umsätze in den Jahren 2019 und 2020 künstlich aufgebläht und auf dieser Basis Anleihen begeben zu haben. Ein Gericht in Hongkong hatte im Januar die Abwicklung Evergrandes angeordnet. Der Konzern ächzt unter einer Schuldenlast von mehr als 300 Milliarden Dollar. rtr
Im März kündigte der chinesische Ministerpräsident Li Qiang für 2024 ein ehrgeiziges Wachstumsziel von 5 Prozent an. In einem darauf folgenden Kommentar bestätigte Justin Yifu Lin, ehemaliger Chefökonom der Weltbank, dieses Ziel der Regierung und prognostizierte, dass Chinas Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 5-6 Prozent wachsen würde, bevor es zwischen 2036 und 2050 zu einer Abschwächung auf 3 bis 4 Prozent kommt. Lin deutete zudem an, dass China bereits 2026, wenn nicht schon 2025, den Status eines Landes mit hohem Einkommen erreichen könnte. Angesichts der düsteren demografischen Aussichten Chinas erscheint dies jedoch höchst unwahrscheinlich.
Lin merkt an, dass das Pro-Kopf-BIP in 26 Ländern weniger als die Hälfte des Wertes der Vereinigten Staaten betrug, als ihre Bevölkerungen zu altern begannen. Lin argumentiert, dass diese Länder ihre jeweilige Wirtschaft auch nach diesem Zeitpunkt weiter verbesserten. Das könne auch China gelingen.
Die WHO definiert den Beginn der Alterungsphase einer Volkswirtschaft als den Zeitpunkt, an dem der Anteil der Menschen im Alter von 65 und älter 7 Prozent überschreitet – ein demografischer Meilenstein, den China 1998 erreichte. Bis 2023 stieg der Anteil der über 65-Jährigen in China auf 15,4 Prozent. Historisch gesehen ist es keinem Land gelungen, in den 12 Jahren, nachdem der Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung 15 Prozent erreicht war, ein Wachstum von 4 Prozent zu erzielen. Die durchschnittliche Wachstumsrate der Länder mit hohem Einkommen liegt in diesem Zeitraum bei nur 1,8 Prozent.
Eine alternde Bevölkerung beeinträchtigt Produktion, Verbrauch, Unternehmertum und Innovation – und untergräbt die wirtschaftliche Dynamik. Steigen Medianalter und der Anteil der über 65-Jährigen, verlangsamt sich das BIP-Wachstum. Lins Prognose, wonach China zwischen 2024 und 2035 eine jährliche Wachstumsrate von 5 bis 6 Prozent erreichen wird, ist daher so wahrscheinlich, wie dass ein 80-Jähriger einen Marathonlauf gewinnt.
Lin hebt Chinas Nachzügler-Vorteil hervor, der jedoch durch die rasch alternde Bevölkerung aufgehoben wird. Demografische Probleme und ein Rückgang der Erwerbsbevölkerung haben dazu geführt, dass das Pro-Kopf-BIP in Spanien von 73 Prozent des US-Niveaus im Jahr 2008 auf nunmehr 39 Prozent gefallen ist, in Griechenland von 66 auf 27 Prozent und in Portugal von 51 auf 32 Prozent. Zusammen mit anderen alternden Gesellschaften wie Südkorea und Taiwan laufen diese Länder nun Gefahr, wieder in die Falle des mittleren Einkommens zu tappen.
Chinas Alterungskrise erinnert an die Entwicklung in Japan und Deutschland, wo die Erwerbsbevölkerung Mitte der 1990-er Jahre zu schrumpfen begann. Bis 2023 war das Pro-Kopf-BIP in Japan, ausgehend von einem Wert von 154 Prozent im Jahr 1995, auf 41 Prozent des US-Niveaus gesunken und in Deutschland im gleichen Zeitraum von 110 auf 64 Prozent.
Das Medianalter lag in China im Jahr 2023 auf dem gleichen Niveau wie in Japan im Jahr 1995 und in Deutschland im Jahr 2000, während der Anteil der Menschen im Alter von 65 Jahren und älter dem Wert Japans im Jahr 1996 und jenem in Deutschland im Jahr 1995 entsprach. In den auf diese beiden demografischen Meilensteine folgenden zwölf Jahren lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in Japan bei 0,8 Prozent und in Deutschland bei 1,4 bis 1,5 Prozent. Ausgehend von diesen historischen Trends wird sich Chinas Wachstumsrate bis 2028 wohl auf 3 Prozent verlangsamen und zwischen 2031 und 2035 unter den Wert der USA sinken.
Chinas Pro-Kopf-BIP erreichte im Jahr 2023 12.681 Dollar und verfehlte damit den von der Weltbank festgelegten Schwellenwert für ein Land hohen Einkommens von 13.845 Dollar. Angesichts eines durchschnittlichen jährlichen Anstiegs von 2,1 Prozent in den letzten zwei Jahrzehnten wird der Weltbank-Schwellenwert bis 2028 voraussichtlich auf 15.715 Dollar und bis 2035 auf 18.219 Dollar ansteigen. Geht man davon aus, dass sich das Wachstum des Pro-Kopf-BIP in China von 5 Prozent im Jahr 2024 auf 3 Prozent im Jahr 2028 und 1,5 Prozent im Jahr 2035 verlangsamt, dürfte das Pro-Kopf-BIP in China im nächsten Jahrzehnt 17.893 Dollar erreichen. Die wachsende wirtschaftliche Kluft zwischen China und den USA wird es China noch schwerer machen, die Schwelle zu einem Land hohen Einkommens zu überschreiten.
Darüber hinaus dürfte der Renminbi durch mehrere Faktoren unter Abwärtsdruck geraten und es China erschweren, der Falle des mittleren Einkommens zu entkommen. Zunächst schrumpft Chinas Erwerbsbevölkerung rapide, und die industrielle Wertschöpfungskette verlagert sich in Länder, die an der staatlichen Belt and Road Initiative (BRI) teilnehmen. Die Versuche westlicher Länder, ihre Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten zu verringern, könnten Chinas Fertigungssektor weiter schwächen und den Handelsüberschuss des Landes schmälern. Da sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt und die Lokalregierungen mit einer sich zuspitzenden Schuldenkrise zu kämpfen haben, ist mit einer Senkung der Zinsen in China zu rechnen.
Schließlich könnten niedrige Geburtenraten weltweit zu niedriger Inflation und sogar zu einer regelrechten Deflation führen. Chinas anhaltend niedrige Geburtenrate in Verbindung mit unzureichender Inlandsnachfrage und Überkapazitäten dürften den deflationären Druck verstärken und die Zinsdifferenz zwischen dem Renminbi und dem US-Dollar vergrößern.
Bliebe der Schwellenwert, um als Land mit hohem Einkommen zu gelten, unverändert, könnte China diesen zwar erreichen, doch die alternde Bevölkerung würde das Land wahrscheinlich daran hindern, der realen Falle mittleren Einkommens zu entrinnen. Das verfügbare Einkommen der Haushalte macht nur 42 Prozent des BIP aus und liegt damit weit unter dem weltweiten Durchschnitt von 60 bis 70 Prozent. Der Schwellenwert für ein Hocheinkommensland lag im Jahr 2022 bei einem verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen von 8.307 bis 9.692 Dollar. Das ist ein typischer Indikator für eine breite Mittelschicht, die Druck auf die Regierung ausüben kann.
Im Gegensatz dazu lag das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in China im Jahr 2023 bei nur 5.565 Dollar und die Mittelschicht bleibt eine Minderheit. Um die Schwelle zu einem Land hohen Einkommens zu überschreiten, müsste China sein Pro-Kopf-BIP auf 19.000 bis 22.000 Dollar steigern. Dazu sind jedoch weitreichende Reformen erforderlich.
Vor allem muss China das verfügbare Einkommen der Haushalte erhöhen und seine demografische Krise bewältigen. Beides erfordert eine politische und wirtschaftliche Neuordnung. Da China Wirtschaftsreformen heute noch ablehnender gegenübersteht als zu der Zeit, als Deng Xiaoping 1978 seine marktorientierten Reformen einleitete, erscheint ein rascher Wandel höchst unwahrscheinlich. Der notwendige Transformationsprozess könnte mehrere Jahrzehnte, wenn nicht länger, dauern. Übersetzung: Helga Klinger-Groier
Yi Fuxian ist leitender Wissenschaftler im Bereich Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of Wisconsin in Madison und Autor von Big Country with an Empty Nest (China Development Press, 2013).
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Jeff Cao ist seit April Sales Manager China bei PASS GmbH & Co. KG, einem Automobilzulieferer mit Sitz in Schwelm, Nordrhein-Westfalen. Cao war zuvor Business Director Asia für den brasilianischen Klemmenhersteller Progeral Clamps. In dieser Funktion fand er neue Kunden in den E-Autobauern Xiaopeng und Nio.
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Sweet 18: Schülerinnen und Schüler der Stadt Zhangye in der Provinz Gansu feiern ihre Volljährigkeit. Ein traditioneller Feiertag ist das in China eigentlich nicht. Aber weil die kommunistische Führung in den vergangenen Jahrzehnten zwischenzeitlich so viele traditionelle Feiertage gestrichen hatte, schufen sich die Menschen einfach neue. Und einer von ihnen ist der Tag, an dem Schüler gemeinsam den Tag begehen, an dem sie 18 werden. Oft gibt es inzwischen auch Geschenke.