die Welt sortiert sich wieder mehr in den Blöcken, mit denen meine Generation aufgewachsen ist. Europa als Juniorpartner der USA im Westen gegen einen Osten aus Russland und dem kommunistischen China – das wirkt vertraut. Der Eindruck dieser Entwicklung verstärkte sich am Wochenende beim Besuch von Ursula von der Leyen in Washington.
Die EU-Kommissionspräsidentin übersah die protektionistische Wirtschaftspolitik der US-Amerikaner zum Teil, um den Schulterschluss gegen China zu üben. Zwar kam Joe Biden ihr in einigen Handelsfragen entgegen. Doch die US-Politik ist immer noch ziemlich unfreundlich gegenüber EU-Firmen. Als wahrer Konkurrent und Rivale galt bei den Gesprächen jedoch China, analysiert Eric Bonse. Das gilt umso mehr, falls es Waffen an Russland liefern sollte.
Chinas Nähe zu Russland ist zugleich das größte Hindernis für die angebotene Vermittlung von Friedensgesprächen mit der Ukraine. Anders verhielt es sich um Konflikt Saudi-Arabiens mit Iran. Washington war hier parteiisch und tendierte in Richtung Riad. Daher konnte es nicht vermitteln. China war dagegen im Nahen Osten wirklich neutral – und hat es erreicht, dass Iran und Saudi-Arabien wieder miteinander reden, schreibt Jörn Petring. Der Vorgang zeigt allerdings weniger, dass China auch in der Ukraine vermitteln kann, sondern eher, wie wichtig echte Neutralität ist.
General Li Shangfu steht beispielhaft für Chinas mangelnde Neutralität gegenüber Russland. Er ist neuer Verteidigungsminister der Volksrepublik – und war als oberster Leiter der Beschaffung für die Volksbefreiungsarmee ein großer Fan russischer Rüstungsartikel. In unserem Portrait erfahren Sie mehr über Lis exzellente Kontakte in Moskau.
Die USA und EU planen, gegenüber Staaten wie China künftig noch enger zusammenzuarbeiten. Beide Seiten wollten sich damit befassen, “unsere wesentlichen Sicherheitsinteressen und die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften zu stärken“, erklärten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach ihrem Treffen am Freitagabend in Washington.
Biden und von der Leyen waren sich einig, dass beide Seiten ihre Lieferketten diversifizieren sollen. Außerdem wollen sie Stacheln gegen marktfremde Praktiken und wirtschaftlichen Zwang ausfahren. China wird in der Erklärung nur einmal erwähnt, doch Peking ist der vornehmliche Adressat der Warnungen.
Die genannten Ziele sind nicht unbedingt neu. Bemerkenswert ist nun jedoch, dass sie gemeinsam vorgetragen werden. Schließlich gibt es genug eigene Spannungen zwischen Brüssel und Washington. Zahlreiche Handelsfragen sind noch nicht geklärt.
Die von Biden und von der Leyen vereinbarte Annäherung im Streit um den Inflation Reduction Act (IRA) und die massiven US-Subventionen für klimafreundliche Technologien halfen jedoch dabei, eine Flanke gegenüber Peking zu schließen. US-Regierung und EU-Kommission wollen nun kurzfristig ein Abkommen zu kritischen Mineralien ausarbeiten, das europäischen Batteriefirmen Zugang zu den IRA-Subventionen für Elektroautos gewährt.
Nun also ein sichtbarer Schulterschluss. Die Europäer hatten es bislang schon wegen ihrer ökonomischen Interessen vermieden, sich im Großmächte-Konflikt mit Peking klar auf die Seite Washingtons zu schlagen. Angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine sucht die EU aber zunehmend die Nähe des transatlantischen Verbündeten. Der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, warnt schon vor einer “Anti-China-Koalition”, die zu einer “stärkeren Blockbildung” zum Nachteil aller führen könne.
Von der Leyen geht nicht so weit, wie Washington von einem Decoupling von China zu sprechen. Sie bevorzugt wie die Bundesregierung den Begriff des “De-risking” – also des Abbaus von Abhängigkeiten von China.
Biden und sie kündigen in ihrer Erklärung aber eine engere Zusammenarbeit an, um das Abfließen sensibler Technologien zu erschweren, die die Fähigkeiten von Militär und Nachrichtendiensten strategischer Rivalen stärkt. Dafür wollten beide Seite zum einen die bereits vorhandenen Kontrollen von Dual-use-Exporten, ausländischen Direktinvestitionen und Forschungskooperationen nachschärfen.
EU und USA wollen aber auch neue Instrumente schaffen. Dezidiert genannt in der Erklärung werden sogenannte Outbound-Investments. Die US-Regierung will noch in diesem Jahr ein neues Werkzeug einführen, um Investitionen heimischer Unternehmen in sicherheitsrelevanten Sektoren in China zu erschweren. Washington drängt die Europäer nachzuziehen.
Die Überlegungen in EU-Kommission und Bundesregierung sind noch in einem frühen Stadium. Aber vieles deutet darauf hin, dass die EU-Kommission noch in diesem Jahr ein Kontrollsystem für solche Outbound-Investments vorschlagen wird. Es müsse verhindert werden, dass europäische Firmen die Exportkontrollen für Dual-Use-Güter durch den Bau von Fabriken im Zielland umgehen könnten, heißt es in hochrangigen EU-Kreisen.
Zuletzt waren die Europäer auch in anderen, verwandten Fragen auf die Linie Washingtons eingeschwenkt. So hat die niederländische Regierung erklärt, sie plane neue Beschränkungen für den Export von Halbleitertechnologie, um die nationale Sicherheit zu schützen. Konkret geht es um die niederländische Firma ASML und die sogenannte DUV-Lithografie.
Das EU-Land schließt sich damit einer Initiative der USA an, Exporte von Chips und Halbleitern nach China einzuschränken. Die US-Regierung denke über weitere Schritte nach, um den Export von Halbleiter-Technik an China einzuschränken, berichtete Bloomberg. Die Niederlanden seien dabei ebenfalls einbezogen. Die Pläne sollen dem Bericht zufolge frühestens im April bekannt gegeben werden.
Ob die EU bei möglichen Sanktionen gegen China im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg mitziehen würde, bleibt offen. Biden und von der Leyen sagten bei ihrem Treffen in Washington, sie wollten verstärkt gegen Unterstützer Russlands vorgehen. Biden sprach die Sorge an, China könne Russland mit Waffen unterstützen. Für einen solchen Fall erwägen die USA Sanktionen gegen China. Hier könnten Deutschland und die EU nachziehen – allerdings dürfte sich vor allem Deutschland mit Sanktionen schwertun.
Den Vorwurf, China liefere an Russland “tödliche Unterstützung” hatte US-Außenminister Antony Blinken im Rande der Münchner Sicherheitskonferenz aufgebracht. Bisher hielten sich die Details, die Washington dazu vorlegen wollte, aber noch vage. Die EU hat bereits den Iran wegen der Umgehung von Sanktionen mit Strafmaßnahmen belegt. Mit China wäre die Angelegenheit jedoch deutlich komplexer.
Einen wichtigen Schritt für mehr Unabhängigkeit von China will Brüssel in dieser Woche ankündigen: Am Dienstag will die EU-Kommission den Critical Raw Materials Act vorstellen. Bis 2030 sollen die Kapazitäten für die Lieferketten strategisch wichtiger Rohstoffe innerhalb der EU signifikant erhöht werden.
Die Ziele der Kommission: 2030 sollen zehn Prozent des Bedarfs der EU aus eigenem Bergbau gedeckt sein, 40 Prozent aus lokaler Weiterverarbeitung und 15 Prozent aus EU-Recyclingkapazitäten. Zudem soll die EU 2030 nicht mehr als 70 Prozent ihres jährlichen Bedarfs für einen strategischen Rohstoff aus einem einzigen Drittstaat beziehen. So sollen die bislang sehr hohen einseitigen Abhängigkeiten vor allem von China reduziert werden. Eric Bonse/Amelie Richter
Chinas Ukraine-Friedensplan ist in den vergangenen Wochen im Westen aus Skepsis gestoßen. In einem anderen Teil der Welt ist Peking nun aber ohne Frage ein diplomatischer Coup gelungen.
Die Nachricht kam kurz vor dem Wochenende scheinbar aus dem Nichts: Die seit Jahren verfeindeten Staaten Saudi-Arabien und Iran haben sich darauf geeinigt, an einer Normalisierung ihrer Beziehungen zu arbeiten. Möglich wurde dies durch die Vermittlung Chinas. Peking hat gezeigt, dass es versteht, wie stille Diplomatie funktioniert.
Ohne dass es im offiziellen Besuchskalender stand, trafen sich die drei Außenminister vergangene Woche für fünf Tage in der chinesischen Hauptstadt. Am Freitag unterzeichneten sie ein Abkommen. Iran und Saudi-Arabien gehen nach sieben Jahren Eiszeit wieder aufeinander zu. Als erster Schritt wurde ein Treffen der Außenminister der verfeindeten Staaten vereinbart. Außerdem sollen innerhalb von zwei Monaten die Botschaften wieder öffnen.
Auch wenn noch nicht klar ist, ob die Entspannung von Dauer sein wird – China beweist, dass es in der Lage ist, diplomatisches Eis zu brechen. Wie stolz man in Peking auf das Erreichte ist, machte Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi umgehend deutlich: “Dies ist ein Sieg des Dialogs und des Friedens”, sagte er laut einer noch am späten Freitagabend verbreiteten Mitteilung des Pekinger Außenministeriums.
In der Tat ist es eine gute Nachricht, dass die beiden mächtigsten Staaten der Region wieder miteinander reden. Riad hatte die offiziellen Kontakte mit Teheran im Januar 2016 als Reaktion auf einen Angriff iranischer Demonstranten auf die saudische Botschaft im Iran gekappt. Ausgelöst wurden die Proteste durch die Hinrichtung des prominenten schiitischen Geistlichen Scheich Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien. Ihre Rivalität trugen die beiden Staaten in vergangenen Jahren auch bei militärischen Konflikten in der Region aus, etwa im Jemen. Washington hat es nicht geschafft, eine Einigung zu erreichen.
Doch lassen sich aus dem nun erzielten Erfolg auch Lehren für ein mögliches Ende des Krieges in der Ukraine ziehen? Es gibt Parallelen: Vor zwei Jahren legte China einen Friedensplan für den Nahen Osten vor: “Initiative zur Erreichung von Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten” lautete der Titel des Fünf-Punkte-Plans. Er las sich ähnlich allgemein wie jetzt das Ukraine-Papier.
Dennoch ist die Ausgangslage eine andere: Für Iran und Saudi-Arabien war China ein idealer Vermittler, weil es zu beiden Staaten ähnliche Beziehungen unterhält. Beide Länder sind für Peking vor allem Wirtschaftspartner. Sowohl Saudi-Arabien als auch der Iran liefern Öl. Das hilft China hilft, seine Energieversorgung zu diversifizieren.
Beide sind wichtige Partner der Neuen Seidenstraße. In der Ukraine-Krise will Peking zwar offiziell als neutral verstanden werden. Verbal hat es sich aber immer wieder hinter Russland gestellt – und vor allem gegen die USA. Gerade war Wang Yi in Moskau, ein Besuch in der Ukraine ist noch immer nicht absehbar.
Der chinesische Spitzendiplomat kam am Freitag dann auch gleich erwartbaren Rufen aus dem Westen zuvor, nun in der Ukraine-Krise bitte ähnlich aufs Tempo zu drücken. Die Ukraine-Frage sei nicht “das einzige Problem”, sagte er. Es gebe viele andere Themen, die die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft erforderten. Das nun unterzeichnete Abkommen sende “ein klares Signal an die derzeit turbulente Welt”. China wolle weiterhin eine konstruktive Rolle bei den “heißen Themen” spielen.
Die Botschaft dahinter: China wird künftig nicht nur im Nahen Osten eine aktivere Rolle spielen. Allerdings wird Peking sein Augenmerk auf Krisen richten, die es selbst und nicht der Westen für wichtig hält. Die chinesischen Staatsmedien ließen am Wochenende in ihren Kommentaren keinen Zweifel daran, dass sich China als alternative Ordnungsmacht zu Washington positioniert. Während die USA mit Waffenlieferungen und Kriegen Chaos in der Welt anrichten, sorgt China mit geschickter Diplomatie für ein Gegengewicht, lautete der Tenor.
Das chinesische Außenministerium betonte nach dem Bekanntwerden der Einigung, China habe “keinerlei Eigeninteressen” in der Region – tatsächlich bezieht die Volksrepublik aber 40 Prozent ihres Öls und Gases von dort. China habe “kein Interesse, ein sogenanntes Vakuum in einem geostrategischen Wettbewerb zu füllen oder exklusive Blocks zu bilden”, betonte der Außenamtssprecher.
John Kirby, Sprecher der Nationalen Sicherheitsrates, sagte, die USA seien “über die Gespräche informiert” gewesen, hätten aber keine Rolle dabei gespielt. Washington habe sich in dem Konflikt nicht neutral gezeigt und damit die Rolle als Vermittler verloren, meinte Trita Parsi, Vizepräsident der US-Denkfabrik Quincy Institute und Gründer der Nichtregierungsorganisation National Iranian American Council. “Die Chinesen haben es vermieden, sich auf eine Seite zu schlagen und in den Konflikt hineinziehen zu lassen. Deshalb konnten sie nun die Rolle als Friedenstifter spielen“, schrieb Parsi auf Twitter.
Sina Toossi, Senior Fellow beim Washingtoner Thinktank Center for International Policy resümierte gegenüber dem arabischen Fernsehsender Al Jazeera: “Das ist ein deutliches Zeichen einer sich wandelnden Weltordnung.” Die Zeit der US-Amerikaner als globale Supermacht ohne Herausforderer neige sich dem Ende zu, sagte Toossi. Mit einem stärker werdenden China habe sich nun eine “Alternative entwickelt.” Mitarbeit: Frank Sieren
Chinas neue Regierung steht. Der neue Premier Li Qiang behält im Wesentlichen die Minister seines Vorgängers. Er hat jedoch vier neuen Vize-Premiers ernannt:
Folgende Neubesetzungen hat Li vorgenommen:
Folgende Staatsratsmitglieder haben ihre Posten behalten:
Außerdem bleiben im Amt (Auswahl): He Rong (Justiz), Qin Gang (Außen), Jin Zhuanglong (Industrie und Informationstechnik), Wang Zhigang (Wissenschaft und Technologie), Wang Wentao (Handel).
Mit Shen Yiqin, 63, gibt es nur ein weibliches Mitglied im Staatsrat. Frauen sind im neuen Kabinett besonders schwach vertreten. Zuvor gab es in der Regel zumindest eine Vizepremierministerin. fin
Trotz Bedenken wegen möglicher Spionage setzt ein deutsches Unternehmen bei seiner Digital-Infrastruktur auf noch mehr Bauteile von Huawei: die Deutsche Bahn. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge vergab der Staatskonzern im vergangenen Dezember einen Auftrag zum Aufbau eines betriebsinternen IT-Netzwerks, bei dem Komponenten des chinesischen Konzerns zum Einsatz kommen. Rechtlich spricht bislang nichts dagegen, doch sorgt das Vorgehen für Kritik.
“Wenn sich bewahrheitet, dass das Unternehmen erneut auf Huawei-Technologie setzt, stellen sich ernste Fragen”, sagte Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die deutschen Geheimdienste überwacht. Offenkundig scheine noch nicht bei allen angekommen zu sein, “wie wichtig es ist, die eindringlichen Warnungen der Sicherheitsbehörden sehr ernst zu nehmen“.
Derzeit prüft die Bundesregierung verschärft Bauteile für moderne Mobilfunk-Netze nach dem 5G-Standard von Huawei und des ebenfalls chinesischen Mitbewerbers ZTE auf Sicherheitsrisiken. An deren Ende könnten Telekom-Anbieter gezwungen sein, bereits verbaute Komponenten zu entfernen. In einigen anderen westlichen Staaten sind diese bereits verboten. Grünen-Politiker von Notz sieht die Bundesregierung in der Pflicht, “die jahrelange Ignoranz und die massiven sicherheitspolitischen Versäumnisse so schnell wie möglich zu korrigieren”.
Ein Bahnsprecher wies darauf hin, dass für die Netzwerk-Infrastruktur keine Meldepflicht bestehe, weil das Funknetz der DB Netz nicht öffentlich sei. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betonte, dass die IT-Systeme der Bahn bislang nicht als kritisch eingestuft würden. Die Bahn hatte den 64 Millionen Euro schweren Auftrag für den Großteil des Netzwerks an die Telekom-Tochter Business Solutions vergeben, die Router und Verteiler von Huawei verwendet. Deren Betriebssysteme müssen regelmäßig aktualisiert werden. “Die digitale Infrastruktur wird zu einem wichtigen Schlachtfeld im Kampf um die Vorherrschaft“, sagte Technologie-Analyst Paolo Pescartore. “Und angesichts der anhaltenden Spannungen zwischen Ost und West ist es für die DB vielleicht am sinnvollsten, sich woanders umzusehen.” rtr/flee
Nach der EU-Kommission und dem Europaparlament hat nun auch die belgische Regierung die Nutzung der App Tiktok auf den Diensthandys ihrer Beschäftigten verboten. Der Nationale Sicherheitsrat habe vor den Risiken der Daten-Sammlung durch Tiktok und die mögliche Zusammenarbeit mit chinesischen Geheimdiensten gewarnt, erklärte Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo. “Deshalb ist es konsequent, die Nutzung von TikTok auf von der Bundesregierung bereitgestellten Handys zu verbieten. Die Sicherheit unserer Informationen muss Vorrang haben“, sagte De Croo. Zuvor hatte auch das lettische Außenministerium die Nutzung auf Diensttelefonen untersagt.
Tiktok widersprach den Aussagen des belgischen Regierungschefs. Das Unternehmen erklärte, es speichere Benutzerdaten in den USA und Singapur und baue Rechenzentren in Europa. “Die chinesische Regierung kann andere souveräne Nationen nicht dazu zwingen, Daten auszutauschen, die auf ihrem Territorium gespeichert sind”, betonte ein Sprecher des Unternehmens. rtr/ari
Drei Mitglieder der Hongkonger Organisationsgruppe des jährlichen Gedenkens an das Massaker auf dem Tiananmen-Platz sind zu viereinhalb Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Richter begründete diese harte Strafe damit, dass die drei Verurteilten sich geweigert hätten, der Polizei Antworten auf Fragen zu Auslandsverbindungen zu geben. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Die Angeklagten gehörten der Allianz zur Unterstützung patriotisch-demokratischer Bewegungen in China an.
Grundlage des Urteils ist das nationale Sicherheitsgesetz, das die Führung in Peking im Sommer 2020 eingeführt hat. Sie hat damit über Nacht den völkerrechtlich garantierten Autonomiestatus der Sonderverwaltungszone aufgehoben, der Hongkong zum Ende der britischen Kolonialherrschaft 1997 zugesichert wurde. Aufgrund dieses Gesetzes kann die Polizei von als Agenten des Auslands eingestuften Personen oder Gruppen Informationen verlangen. Die Allianz weigerte sich und erklärte, da sie kein ausländischer Agent sei, müsse sie solche Informationen auch nicht herausgeben.
Die Gruppe hatte jedes Jahr am 4. Juni die Opfer der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 in China erinnert. 2020 untersagten die Behörden die einzige Gedenkveranstaltung dieser Art auf chinesischem Boden unter Hinweis auf die Corona-Pandemie. Die Allianz löste sich 2021 selbst auf. flee
Neuer chinesischer Verteidigungsminister ist der General Li Shangfu 李尚福. Li entstammt dem roten Adel der KP, genießt das Vertrauen von Machthaber Xi Jingping und hat beste Beziehungen zu Russland. Er hat zuvor die Abteilung für Ausrüstung und Bewaffnung der Zentralen Militärkommission geleitet (中央军委装备发展部, Equipment Development Department of the Central Military Commission, kurz EDD). In diesem Amt hat er mehrere russische Waffensysteme für Chinas Luftwaffe eingekauft.
Li ist wegen dieser Bestellungen seit 2018 von Sanktionen der USA betroffen. Grund für diese Strafmaßnahmen war Russlands Einmischung in die US-Wahl 2016 (nicht die Annexion der Krim 2014, dafür gab es eine andere Sanktionsliste). Ziel waren russische Rüstungsakteure – und ihre Kunden. Damit geriet die Ausrüstungsabteilung in den Fokus.
Lis Vorliebe für hoch entwickelte Luftwaffenausrüstung hängt mit seinem Hintergrund zusammen. Er hat an der Universität für Wissenschaft und Technik der Landesverteidigung 中国人民解放军国防科技大学 in Changsha Luft- und Raumfahrttechnik studiert und seine Karriere mit Bereich der Weltraumverteidigung absolviert. Seit 2006 ist er General. Im Jahr 2013 wurde er Chef der Rüstungsabteilung der Volksbefreiungsarmee 中国人民解放军总装备部.
Als Wunschkandidat Xi Jinpings rückte er dann 2017 in die Zentrale Militärkommission auf. Dabei handelt es sich um das Gremium, das die Volksbefreiungsarmee kontrolliert. Li war also bisher schon einer der mächtigsten Militärs des Landes.
General Li entstammt dem kommunistischen Adel. Sein Vater war Li Shaozhu (1911-1995), seinerseits General der Eisenbahnstreitkräfte der Volksrepublik. Der ältere Li war Teilnehmer am Langen Marsch, dem großen Bürgerkriegsmythos der Kommunistischen Partei.
Zu den Heldentaten von Vater Li gehörte es Anfang der 1950er-Jahre, eine Gleisstrecke durch unwegsames Gelände im Norden zu schlagen, um Truppen zum Kampf gegen die USA in den Koreakrieg transportieren zu können. Später organisierte er den Bau einer ganzen Reihe weiterer strategisch wichtiger Eisenbahnlinien. Was dem Sohn die Lufthoheit ist, war dem Vater das Schienennetz.
Der jüngere Li konnte schon beeindruckende Kommissionsmitgliedschaften vorweisen, bevor er nun auch noch das Regierungsamt erhielt. Er ist nicht nur Mitglied der Zentralen Militärkommission der Partei, sondern seit vergangenem Jahr auch Mitglied des Zentralkomitees.
Seine Bestellungen russischer Waffen als oberster Leiter der Beschaffung betreffen eine Reihe von berüchtigten Systemen, die jeweils auch schon in anderem Zusammenhang für Diskussionsstoff gesorgt haben:
Der Öffentlichkeit wurde er ab 2007 in seiner Zeit als Leiter des Raketenstartplatzes Xichang bekannt. Er hat unter anderem Chinas erste Mondsonde Chang’e 1 erfolgreich in ihren Orbit absetzen lassen und regelmäßig über bemannte Starts in Richtung der chinesischen Raumstation berichtet. Finn Mayer-Kuckuk
Jia Long ist neue Managerin für Marketing und PR beim chinesischen Hersteller Nio in Deutschland. Sie war zuvor Managerin für digitale Medien bei der Kommunikationsagentur Storymaker.
Uwe Hauser ist seit Anfang Februar Head of Electronics & Drive Systems beim Hausgeräte-Hersteller BSH Home Appliances Group in Nanjing. Hauser war zuvor bei BSH in Regensburg tätig.
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Na, auch schon mal mit luftigem T-Shirt am Steuer lässig einen U-Turn hingelegt? Oder sich beim Blick auf den V-Ausschnitt eines Tinder-Dates innerlich gefreut, von der Natur weder mit X- noch mit O-Beinen gestraft zu sein? Denn mit passabler Optik hat man ja bekanntlich beim Balzen bessere Chancen. Und betrachten Sie das Wenden eines saftigen T-Bone-Steaks auf dem Grill als Basisbestandteil eines gelungenen Frühlingswochenendes? Gut zu wissen! Soll aber nicht der Fokus dieser Kolumne sein. Wir wollen uns vielmehr mit sogenannten “Buchstabenwörtern” beschäftigen – also Dingen, die optisch irgendwie an lateinische Lettern erinnern und denen wir deshalb im Deutschen einen entsprechenden Namen verpasst haben. So etwas wie T-Shirts, U-Turns, V-Ausschnitte, T-Bone-Steaks und X- oder O-Beine eben.
Nun notiert man im Mandarin ja bekanntlich nicht mittels lateinischen Alphabets, sondern in Schriftzeichen. Folglich fühlt man sich in China beim Blick auf die Welt eben auch nicht an Buchstaben erinnert, sondern an Hanzi. Und statt Buchstabenwörter haben die Chinesen folgerichtig “Schriftzeichenwörter” kreiert.
Sprachlernern wird das meist erstmals bewusst, wenn sie im Einsteigerkurs das chinesische Wort für Kreuzung lernen. Das heißt nämlich 十字路口 shízì-lùkǒu – also wörtlich Schriftzeichen-Zehn-Kreuzung (von 十shí “zehn” und 字 zì “Zeichen”). Aber das ist nur die Spitze des sprachlichen Eisbergs. Denn im Wörterbuch tummeln sich noch viele weitere Wortperlen, die Schriftzeichen-Parallelen ziehen.
Vielleicht trägt der eine oder andere bei der Lektüre dieses Textes ja gerade eine Hose in Form des Schriftzeichens 丁? Kleine Pause zum Rätselraten …. Die Erklärung: 丁字裤 dīngzìkù ist schlichtweg die chinesische Bezeichnung für String-Tanga. Da hätten Sie auch gleich drauf kommen können, nicht wahr? Schließlich nennt man die stoffsparenden Schlüpfer ja auch bei uns teils T-String – auch wieder ein Buchstabenwort.
Ähnliche Parallelen gibt es übrigens auch bei den chinesischen Wörtern für T-Kreuzung beziehungsweise T-Einmündung, auf Chinesisch丁字街 dīngzìjiē (丁-förmige Straße), oder dem T-Stahl, Chinesisch 丁字钢 dīngzìgāng beziehungsweise 丁字铁 dīngzìtiě (丁-förmiger Stahl). “T-förmig” heißt entsprechend einfach丁字形 dīngzìxíng – Schriftzeichen-丁-förmig. Wer übrigens nicht einmal das Schriftzeichen丁 beherrscht, gilt den Chinesen als hoffnungsloser Analphabet – so zumindest schimpft die bekannte Redensart目不识丁 mù bù shí dīng (die Augen erkennen nicht einmal 丁). Aber das nur am Rande.
Jetzt erst einmal weg von der String-Theorie und hin zu ein paar weiteren nützlichen Praxisbeispielen in Sachen Hanzi-Ausdrücke. Da wäre zum Beispiel noch das Gesicht in Form des Schriftzeichens 国 (国字脸 guózìliǎn). Das ist der gängige chinesische Ausdruck für ein kantiges Quadratgesicht. Als Varianten kennt man im chinesischen Volksmund auch noch das由-Gesicht (由字脸 yóuzìliǎn) – eine Art Birnengesicht, das nach oben hin schmal zuläuft – und das甲-Gesicht (甲字脸 jiǎzìliǎn), gerne auch Sonnenblumenkerngesicht (瓜子脸 guāzǐliǎn) genannt – gemeint ist eine sich nach unten zuspitzende V-Visage.
Vielleicht runzeln sich bei so viel Schriftzeichensalat in Ihrem Gesicht jetzt 八-Brauen, also Augenbrauen in Form des Schriftzeichens Acht (八字眉 bāzìméi). Weiter unten, nämlich über der Oberlippe, kräuselt sich derweil eventuell ein 八-Bart, auf Chinesisch八字胡 bāzìhú. Wenn Sie dann unter diesem “Bā-Bart” auch noch ein acht-förmiges Brot (八字面包 bāzì miànbāo) mümmeln, passen Sie perfekt ins deutsche Klischee. Es handelt sich natürlich um eine “Brezel”, wobei ausnahmsweise nicht nur auf die Form des Schriftzeichens 八 angespielt wird, sondern auch auf seine Bedeutung – die arabische Zahl 8.
Bestimmt standen Sie auch schon mal auf einer Leiter in Form des Schriftzeichen “Mensch”, also einer 人-Leiter (人字梯 rénzìtī – “Stehleiter”). Hoffentlich aber nicht in 人-Schlappen (人字拖 rénzìtuō) – das nämlich ist das Sprachpendant zu unseren Flipflops.
Flipflops sind auch auf dem Gaspedal nicht zu empfehlen, insbesondere wenn man mit dem Wagen über eine之-Straße (之字路 zhīzìlù) brettert, sprich eine Strecke mit Doppelkurve. Und wenn mal wieder ein Schleicher vor Ihnen auf dem Asphalt den Berg hinaufkriecht, vertiefen sich möglicherweise zu allem Überdruss auch noch Ihre 川-Fältchen (川字纹 chuānzìwén). Das ist der chinesische Ausdruck für sogenannte Glabellafalten auf der Stirn, im Volksmund auch als Zornesfalten bekannt.
Bewunderungsfältchen bilden sich hingegen bestimmt, wenn Sie beim nächsten Urlaub erstmals den atemberaubenden Anblick einer Pagode in 金-Form bestaunen – sprich eine Pyramide, auf Chinesisch金字塔 jīnzìtǎ. Die Welt steckt eben voller Wunder – genauso wie die chinesische Sprache.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
die Welt sortiert sich wieder mehr in den Blöcken, mit denen meine Generation aufgewachsen ist. Europa als Juniorpartner der USA im Westen gegen einen Osten aus Russland und dem kommunistischen China – das wirkt vertraut. Der Eindruck dieser Entwicklung verstärkte sich am Wochenende beim Besuch von Ursula von der Leyen in Washington.
Die EU-Kommissionspräsidentin übersah die protektionistische Wirtschaftspolitik der US-Amerikaner zum Teil, um den Schulterschluss gegen China zu üben. Zwar kam Joe Biden ihr in einigen Handelsfragen entgegen. Doch die US-Politik ist immer noch ziemlich unfreundlich gegenüber EU-Firmen. Als wahrer Konkurrent und Rivale galt bei den Gesprächen jedoch China, analysiert Eric Bonse. Das gilt umso mehr, falls es Waffen an Russland liefern sollte.
Chinas Nähe zu Russland ist zugleich das größte Hindernis für die angebotene Vermittlung von Friedensgesprächen mit der Ukraine. Anders verhielt es sich um Konflikt Saudi-Arabiens mit Iran. Washington war hier parteiisch und tendierte in Richtung Riad. Daher konnte es nicht vermitteln. China war dagegen im Nahen Osten wirklich neutral – und hat es erreicht, dass Iran und Saudi-Arabien wieder miteinander reden, schreibt Jörn Petring. Der Vorgang zeigt allerdings weniger, dass China auch in der Ukraine vermitteln kann, sondern eher, wie wichtig echte Neutralität ist.
General Li Shangfu steht beispielhaft für Chinas mangelnde Neutralität gegenüber Russland. Er ist neuer Verteidigungsminister der Volksrepublik – und war als oberster Leiter der Beschaffung für die Volksbefreiungsarmee ein großer Fan russischer Rüstungsartikel. In unserem Portrait erfahren Sie mehr über Lis exzellente Kontakte in Moskau.
Die USA und EU planen, gegenüber Staaten wie China künftig noch enger zusammenzuarbeiten. Beide Seiten wollten sich damit befassen, “unsere wesentlichen Sicherheitsinteressen und die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften zu stärken“, erklärten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach ihrem Treffen am Freitagabend in Washington.
Biden und von der Leyen waren sich einig, dass beide Seiten ihre Lieferketten diversifizieren sollen. Außerdem wollen sie Stacheln gegen marktfremde Praktiken und wirtschaftlichen Zwang ausfahren. China wird in der Erklärung nur einmal erwähnt, doch Peking ist der vornehmliche Adressat der Warnungen.
Die genannten Ziele sind nicht unbedingt neu. Bemerkenswert ist nun jedoch, dass sie gemeinsam vorgetragen werden. Schließlich gibt es genug eigene Spannungen zwischen Brüssel und Washington. Zahlreiche Handelsfragen sind noch nicht geklärt.
Die von Biden und von der Leyen vereinbarte Annäherung im Streit um den Inflation Reduction Act (IRA) und die massiven US-Subventionen für klimafreundliche Technologien halfen jedoch dabei, eine Flanke gegenüber Peking zu schließen. US-Regierung und EU-Kommission wollen nun kurzfristig ein Abkommen zu kritischen Mineralien ausarbeiten, das europäischen Batteriefirmen Zugang zu den IRA-Subventionen für Elektroautos gewährt.
Nun also ein sichtbarer Schulterschluss. Die Europäer hatten es bislang schon wegen ihrer ökonomischen Interessen vermieden, sich im Großmächte-Konflikt mit Peking klar auf die Seite Washingtons zu schlagen. Angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine sucht die EU aber zunehmend die Nähe des transatlantischen Verbündeten. Der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, warnt schon vor einer “Anti-China-Koalition”, die zu einer “stärkeren Blockbildung” zum Nachteil aller führen könne.
Von der Leyen geht nicht so weit, wie Washington von einem Decoupling von China zu sprechen. Sie bevorzugt wie die Bundesregierung den Begriff des “De-risking” – also des Abbaus von Abhängigkeiten von China.
Biden und sie kündigen in ihrer Erklärung aber eine engere Zusammenarbeit an, um das Abfließen sensibler Technologien zu erschweren, die die Fähigkeiten von Militär und Nachrichtendiensten strategischer Rivalen stärkt. Dafür wollten beide Seite zum einen die bereits vorhandenen Kontrollen von Dual-use-Exporten, ausländischen Direktinvestitionen und Forschungskooperationen nachschärfen.
EU und USA wollen aber auch neue Instrumente schaffen. Dezidiert genannt in der Erklärung werden sogenannte Outbound-Investments. Die US-Regierung will noch in diesem Jahr ein neues Werkzeug einführen, um Investitionen heimischer Unternehmen in sicherheitsrelevanten Sektoren in China zu erschweren. Washington drängt die Europäer nachzuziehen.
Die Überlegungen in EU-Kommission und Bundesregierung sind noch in einem frühen Stadium. Aber vieles deutet darauf hin, dass die EU-Kommission noch in diesem Jahr ein Kontrollsystem für solche Outbound-Investments vorschlagen wird. Es müsse verhindert werden, dass europäische Firmen die Exportkontrollen für Dual-Use-Güter durch den Bau von Fabriken im Zielland umgehen könnten, heißt es in hochrangigen EU-Kreisen.
Zuletzt waren die Europäer auch in anderen, verwandten Fragen auf die Linie Washingtons eingeschwenkt. So hat die niederländische Regierung erklärt, sie plane neue Beschränkungen für den Export von Halbleitertechnologie, um die nationale Sicherheit zu schützen. Konkret geht es um die niederländische Firma ASML und die sogenannte DUV-Lithografie.
Das EU-Land schließt sich damit einer Initiative der USA an, Exporte von Chips und Halbleitern nach China einzuschränken. Die US-Regierung denke über weitere Schritte nach, um den Export von Halbleiter-Technik an China einzuschränken, berichtete Bloomberg. Die Niederlanden seien dabei ebenfalls einbezogen. Die Pläne sollen dem Bericht zufolge frühestens im April bekannt gegeben werden.
Ob die EU bei möglichen Sanktionen gegen China im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg mitziehen würde, bleibt offen. Biden und von der Leyen sagten bei ihrem Treffen in Washington, sie wollten verstärkt gegen Unterstützer Russlands vorgehen. Biden sprach die Sorge an, China könne Russland mit Waffen unterstützen. Für einen solchen Fall erwägen die USA Sanktionen gegen China. Hier könnten Deutschland und die EU nachziehen – allerdings dürfte sich vor allem Deutschland mit Sanktionen schwertun.
Den Vorwurf, China liefere an Russland “tödliche Unterstützung” hatte US-Außenminister Antony Blinken im Rande der Münchner Sicherheitskonferenz aufgebracht. Bisher hielten sich die Details, die Washington dazu vorlegen wollte, aber noch vage. Die EU hat bereits den Iran wegen der Umgehung von Sanktionen mit Strafmaßnahmen belegt. Mit China wäre die Angelegenheit jedoch deutlich komplexer.
Einen wichtigen Schritt für mehr Unabhängigkeit von China will Brüssel in dieser Woche ankündigen: Am Dienstag will die EU-Kommission den Critical Raw Materials Act vorstellen. Bis 2030 sollen die Kapazitäten für die Lieferketten strategisch wichtiger Rohstoffe innerhalb der EU signifikant erhöht werden.
Die Ziele der Kommission: 2030 sollen zehn Prozent des Bedarfs der EU aus eigenem Bergbau gedeckt sein, 40 Prozent aus lokaler Weiterverarbeitung und 15 Prozent aus EU-Recyclingkapazitäten. Zudem soll die EU 2030 nicht mehr als 70 Prozent ihres jährlichen Bedarfs für einen strategischen Rohstoff aus einem einzigen Drittstaat beziehen. So sollen die bislang sehr hohen einseitigen Abhängigkeiten vor allem von China reduziert werden. Eric Bonse/Amelie Richter
Chinas Ukraine-Friedensplan ist in den vergangenen Wochen im Westen aus Skepsis gestoßen. In einem anderen Teil der Welt ist Peking nun aber ohne Frage ein diplomatischer Coup gelungen.
Die Nachricht kam kurz vor dem Wochenende scheinbar aus dem Nichts: Die seit Jahren verfeindeten Staaten Saudi-Arabien und Iran haben sich darauf geeinigt, an einer Normalisierung ihrer Beziehungen zu arbeiten. Möglich wurde dies durch die Vermittlung Chinas. Peking hat gezeigt, dass es versteht, wie stille Diplomatie funktioniert.
Ohne dass es im offiziellen Besuchskalender stand, trafen sich die drei Außenminister vergangene Woche für fünf Tage in der chinesischen Hauptstadt. Am Freitag unterzeichneten sie ein Abkommen. Iran und Saudi-Arabien gehen nach sieben Jahren Eiszeit wieder aufeinander zu. Als erster Schritt wurde ein Treffen der Außenminister der verfeindeten Staaten vereinbart. Außerdem sollen innerhalb von zwei Monaten die Botschaften wieder öffnen.
Auch wenn noch nicht klar ist, ob die Entspannung von Dauer sein wird – China beweist, dass es in der Lage ist, diplomatisches Eis zu brechen. Wie stolz man in Peking auf das Erreichte ist, machte Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi umgehend deutlich: “Dies ist ein Sieg des Dialogs und des Friedens”, sagte er laut einer noch am späten Freitagabend verbreiteten Mitteilung des Pekinger Außenministeriums.
In der Tat ist es eine gute Nachricht, dass die beiden mächtigsten Staaten der Region wieder miteinander reden. Riad hatte die offiziellen Kontakte mit Teheran im Januar 2016 als Reaktion auf einen Angriff iranischer Demonstranten auf die saudische Botschaft im Iran gekappt. Ausgelöst wurden die Proteste durch die Hinrichtung des prominenten schiitischen Geistlichen Scheich Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien. Ihre Rivalität trugen die beiden Staaten in vergangenen Jahren auch bei militärischen Konflikten in der Region aus, etwa im Jemen. Washington hat es nicht geschafft, eine Einigung zu erreichen.
Doch lassen sich aus dem nun erzielten Erfolg auch Lehren für ein mögliches Ende des Krieges in der Ukraine ziehen? Es gibt Parallelen: Vor zwei Jahren legte China einen Friedensplan für den Nahen Osten vor: “Initiative zur Erreichung von Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten” lautete der Titel des Fünf-Punkte-Plans. Er las sich ähnlich allgemein wie jetzt das Ukraine-Papier.
Dennoch ist die Ausgangslage eine andere: Für Iran und Saudi-Arabien war China ein idealer Vermittler, weil es zu beiden Staaten ähnliche Beziehungen unterhält. Beide Länder sind für Peking vor allem Wirtschaftspartner. Sowohl Saudi-Arabien als auch der Iran liefern Öl. Das hilft China hilft, seine Energieversorgung zu diversifizieren.
Beide sind wichtige Partner der Neuen Seidenstraße. In der Ukraine-Krise will Peking zwar offiziell als neutral verstanden werden. Verbal hat es sich aber immer wieder hinter Russland gestellt – und vor allem gegen die USA. Gerade war Wang Yi in Moskau, ein Besuch in der Ukraine ist noch immer nicht absehbar.
Der chinesische Spitzendiplomat kam am Freitag dann auch gleich erwartbaren Rufen aus dem Westen zuvor, nun in der Ukraine-Krise bitte ähnlich aufs Tempo zu drücken. Die Ukraine-Frage sei nicht “das einzige Problem”, sagte er. Es gebe viele andere Themen, die die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft erforderten. Das nun unterzeichnete Abkommen sende “ein klares Signal an die derzeit turbulente Welt”. China wolle weiterhin eine konstruktive Rolle bei den “heißen Themen” spielen.
Die Botschaft dahinter: China wird künftig nicht nur im Nahen Osten eine aktivere Rolle spielen. Allerdings wird Peking sein Augenmerk auf Krisen richten, die es selbst und nicht der Westen für wichtig hält. Die chinesischen Staatsmedien ließen am Wochenende in ihren Kommentaren keinen Zweifel daran, dass sich China als alternative Ordnungsmacht zu Washington positioniert. Während die USA mit Waffenlieferungen und Kriegen Chaos in der Welt anrichten, sorgt China mit geschickter Diplomatie für ein Gegengewicht, lautete der Tenor.
Das chinesische Außenministerium betonte nach dem Bekanntwerden der Einigung, China habe “keinerlei Eigeninteressen” in der Region – tatsächlich bezieht die Volksrepublik aber 40 Prozent ihres Öls und Gases von dort. China habe “kein Interesse, ein sogenanntes Vakuum in einem geostrategischen Wettbewerb zu füllen oder exklusive Blocks zu bilden”, betonte der Außenamtssprecher.
John Kirby, Sprecher der Nationalen Sicherheitsrates, sagte, die USA seien “über die Gespräche informiert” gewesen, hätten aber keine Rolle dabei gespielt. Washington habe sich in dem Konflikt nicht neutral gezeigt und damit die Rolle als Vermittler verloren, meinte Trita Parsi, Vizepräsident der US-Denkfabrik Quincy Institute und Gründer der Nichtregierungsorganisation National Iranian American Council. “Die Chinesen haben es vermieden, sich auf eine Seite zu schlagen und in den Konflikt hineinziehen zu lassen. Deshalb konnten sie nun die Rolle als Friedenstifter spielen“, schrieb Parsi auf Twitter.
Sina Toossi, Senior Fellow beim Washingtoner Thinktank Center for International Policy resümierte gegenüber dem arabischen Fernsehsender Al Jazeera: “Das ist ein deutliches Zeichen einer sich wandelnden Weltordnung.” Die Zeit der US-Amerikaner als globale Supermacht ohne Herausforderer neige sich dem Ende zu, sagte Toossi. Mit einem stärker werdenden China habe sich nun eine “Alternative entwickelt.” Mitarbeit: Frank Sieren
Chinas neue Regierung steht. Der neue Premier Li Qiang behält im Wesentlichen die Minister seines Vorgängers. Er hat jedoch vier neuen Vize-Premiers ernannt:
Folgende Neubesetzungen hat Li vorgenommen:
Folgende Staatsratsmitglieder haben ihre Posten behalten:
Außerdem bleiben im Amt (Auswahl): He Rong (Justiz), Qin Gang (Außen), Jin Zhuanglong (Industrie und Informationstechnik), Wang Zhigang (Wissenschaft und Technologie), Wang Wentao (Handel).
Mit Shen Yiqin, 63, gibt es nur ein weibliches Mitglied im Staatsrat. Frauen sind im neuen Kabinett besonders schwach vertreten. Zuvor gab es in der Regel zumindest eine Vizepremierministerin. fin
Trotz Bedenken wegen möglicher Spionage setzt ein deutsches Unternehmen bei seiner Digital-Infrastruktur auf noch mehr Bauteile von Huawei: die Deutsche Bahn. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge vergab der Staatskonzern im vergangenen Dezember einen Auftrag zum Aufbau eines betriebsinternen IT-Netzwerks, bei dem Komponenten des chinesischen Konzerns zum Einsatz kommen. Rechtlich spricht bislang nichts dagegen, doch sorgt das Vorgehen für Kritik.
“Wenn sich bewahrheitet, dass das Unternehmen erneut auf Huawei-Technologie setzt, stellen sich ernste Fragen”, sagte Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die deutschen Geheimdienste überwacht. Offenkundig scheine noch nicht bei allen angekommen zu sein, “wie wichtig es ist, die eindringlichen Warnungen der Sicherheitsbehörden sehr ernst zu nehmen“.
Derzeit prüft die Bundesregierung verschärft Bauteile für moderne Mobilfunk-Netze nach dem 5G-Standard von Huawei und des ebenfalls chinesischen Mitbewerbers ZTE auf Sicherheitsrisiken. An deren Ende könnten Telekom-Anbieter gezwungen sein, bereits verbaute Komponenten zu entfernen. In einigen anderen westlichen Staaten sind diese bereits verboten. Grünen-Politiker von Notz sieht die Bundesregierung in der Pflicht, “die jahrelange Ignoranz und die massiven sicherheitspolitischen Versäumnisse so schnell wie möglich zu korrigieren”.
Ein Bahnsprecher wies darauf hin, dass für die Netzwerk-Infrastruktur keine Meldepflicht bestehe, weil das Funknetz der DB Netz nicht öffentlich sei. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betonte, dass die IT-Systeme der Bahn bislang nicht als kritisch eingestuft würden. Die Bahn hatte den 64 Millionen Euro schweren Auftrag für den Großteil des Netzwerks an die Telekom-Tochter Business Solutions vergeben, die Router und Verteiler von Huawei verwendet. Deren Betriebssysteme müssen regelmäßig aktualisiert werden. “Die digitale Infrastruktur wird zu einem wichtigen Schlachtfeld im Kampf um die Vorherrschaft“, sagte Technologie-Analyst Paolo Pescartore. “Und angesichts der anhaltenden Spannungen zwischen Ost und West ist es für die DB vielleicht am sinnvollsten, sich woanders umzusehen.” rtr/flee
Nach der EU-Kommission und dem Europaparlament hat nun auch die belgische Regierung die Nutzung der App Tiktok auf den Diensthandys ihrer Beschäftigten verboten. Der Nationale Sicherheitsrat habe vor den Risiken der Daten-Sammlung durch Tiktok und die mögliche Zusammenarbeit mit chinesischen Geheimdiensten gewarnt, erklärte Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo. “Deshalb ist es konsequent, die Nutzung von TikTok auf von der Bundesregierung bereitgestellten Handys zu verbieten. Die Sicherheit unserer Informationen muss Vorrang haben“, sagte De Croo. Zuvor hatte auch das lettische Außenministerium die Nutzung auf Diensttelefonen untersagt.
Tiktok widersprach den Aussagen des belgischen Regierungschefs. Das Unternehmen erklärte, es speichere Benutzerdaten in den USA und Singapur und baue Rechenzentren in Europa. “Die chinesische Regierung kann andere souveräne Nationen nicht dazu zwingen, Daten auszutauschen, die auf ihrem Territorium gespeichert sind”, betonte ein Sprecher des Unternehmens. rtr/ari
Drei Mitglieder der Hongkonger Organisationsgruppe des jährlichen Gedenkens an das Massaker auf dem Tiananmen-Platz sind zu viereinhalb Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Richter begründete diese harte Strafe damit, dass die drei Verurteilten sich geweigert hätten, der Polizei Antworten auf Fragen zu Auslandsverbindungen zu geben. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Die Angeklagten gehörten der Allianz zur Unterstützung patriotisch-demokratischer Bewegungen in China an.
Grundlage des Urteils ist das nationale Sicherheitsgesetz, das die Führung in Peking im Sommer 2020 eingeführt hat. Sie hat damit über Nacht den völkerrechtlich garantierten Autonomiestatus der Sonderverwaltungszone aufgehoben, der Hongkong zum Ende der britischen Kolonialherrschaft 1997 zugesichert wurde. Aufgrund dieses Gesetzes kann die Polizei von als Agenten des Auslands eingestuften Personen oder Gruppen Informationen verlangen. Die Allianz weigerte sich und erklärte, da sie kein ausländischer Agent sei, müsse sie solche Informationen auch nicht herausgeben.
Die Gruppe hatte jedes Jahr am 4. Juni die Opfer der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 in China erinnert. 2020 untersagten die Behörden die einzige Gedenkveranstaltung dieser Art auf chinesischem Boden unter Hinweis auf die Corona-Pandemie. Die Allianz löste sich 2021 selbst auf. flee
Neuer chinesischer Verteidigungsminister ist der General Li Shangfu 李尚福. Li entstammt dem roten Adel der KP, genießt das Vertrauen von Machthaber Xi Jingping und hat beste Beziehungen zu Russland. Er hat zuvor die Abteilung für Ausrüstung und Bewaffnung der Zentralen Militärkommission geleitet (中央军委装备发展部, Equipment Development Department of the Central Military Commission, kurz EDD). In diesem Amt hat er mehrere russische Waffensysteme für Chinas Luftwaffe eingekauft.
Li ist wegen dieser Bestellungen seit 2018 von Sanktionen der USA betroffen. Grund für diese Strafmaßnahmen war Russlands Einmischung in die US-Wahl 2016 (nicht die Annexion der Krim 2014, dafür gab es eine andere Sanktionsliste). Ziel waren russische Rüstungsakteure – und ihre Kunden. Damit geriet die Ausrüstungsabteilung in den Fokus.
Lis Vorliebe für hoch entwickelte Luftwaffenausrüstung hängt mit seinem Hintergrund zusammen. Er hat an der Universität für Wissenschaft und Technik der Landesverteidigung 中国人民解放军国防科技大学 in Changsha Luft- und Raumfahrttechnik studiert und seine Karriere mit Bereich der Weltraumverteidigung absolviert. Seit 2006 ist er General. Im Jahr 2013 wurde er Chef der Rüstungsabteilung der Volksbefreiungsarmee 中国人民解放军总装备部.
Als Wunschkandidat Xi Jinpings rückte er dann 2017 in die Zentrale Militärkommission auf. Dabei handelt es sich um das Gremium, das die Volksbefreiungsarmee kontrolliert. Li war also bisher schon einer der mächtigsten Militärs des Landes.
General Li entstammt dem kommunistischen Adel. Sein Vater war Li Shaozhu (1911-1995), seinerseits General der Eisenbahnstreitkräfte der Volksrepublik. Der ältere Li war Teilnehmer am Langen Marsch, dem großen Bürgerkriegsmythos der Kommunistischen Partei.
Zu den Heldentaten von Vater Li gehörte es Anfang der 1950er-Jahre, eine Gleisstrecke durch unwegsames Gelände im Norden zu schlagen, um Truppen zum Kampf gegen die USA in den Koreakrieg transportieren zu können. Später organisierte er den Bau einer ganzen Reihe weiterer strategisch wichtiger Eisenbahnlinien. Was dem Sohn die Lufthoheit ist, war dem Vater das Schienennetz.
Der jüngere Li konnte schon beeindruckende Kommissionsmitgliedschaften vorweisen, bevor er nun auch noch das Regierungsamt erhielt. Er ist nicht nur Mitglied der Zentralen Militärkommission der Partei, sondern seit vergangenem Jahr auch Mitglied des Zentralkomitees.
Seine Bestellungen russischer Waffen als oberster Leiter der Beschaffung betreffen eine Reihe von berüchtigten Systemen, die jeweils auch schon in anderem Zusammenhang für Diskussionsstoff gesorgt haben:
Der Öffentlichkeit wurde er ab 2007 in seiner Zeit als Leiter des Raketenstartplatzes Xichang bekannt. Er hat unter anderem Chinas erste Mondsonde Chang’e 1 erfolgreich in ihren Orbit absetzen lassen und regelmäßig über bemannte Starts in Richtung der chinesischen Raumstation berichtet. Finn Mayer-Kuckuk
Jia Long ist neue Managerin für Marketing und PR beim chinesischen Hersteller Nio in Deutschland. Sie war zuvor Managerin für digitale Medien bei der Kommunikationsagentur Storymaker.
Uwe Hauser ist seit Anfang Februar Head of Electronics & Drive Systems beim Hausgeräte-Hersteller BSH Home Appliances Group in Nanjing. Hauser war zuvor bei BSH in Regensburg tätig.
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Na, auch schon mal mit luftigem T-Shirt am Steuer lässig einen U-Turn hingelegt? Oder sich beim Blick auf den V-Ausschnitt eines Tinder-Dates innerlich gefreut, von der Natur weder mit X- noch mit O-Beinen gestraft zu sein? Denn mit passabler Optik hat man ja bekanntlich beim Balzen bessere Chancen. Und betrachten Sie das Wenden eines saftigen T-Bone-Steaks auf dem Grill als Basisbestandteil eines gelungenen Frühlingswochenendes? Gut zu wissen! Soll aber nicht der Fokus dieser Kolumne sein. Wir wollen uns vielmehr mit sogenannten “Buchstabenwörtern” beschäftigen – also Dingen, die optisch irgendwie an lateinische Lettern erinnern und denen wir deshalb im Deutschen einen entsprechenden Namen verpasst haben. So etwas wie T-Shirts, U-Turns, V-Ausschnitte, T-Bone-Steaks und X- oder O-Beine eben.
Nun notiert man im Mandarin ja bekanntlich nicht mittels lateinischen Alphabets, sondern in Schriftzeichen. Folglich fühlt man sich in China beim Blick auf die Welt eben auch nicht an Buchstaben erinnert, sondern an Hanzi. Und statt Buchstabenwörter haben die Chinesen folgerichtig “Schriftzeichenwörter” kreiert.
Sprachlernern wird das meist erstmals bewusst, wenn sie im Einsteigerkurs das chinesische Wort für Kreuzung lernen. Das heißt nämlich 十字路口 shízì-lùkǒu – also wörtlich Schriftzeichen-Zehn-Kreuzung (von 十shí “zehn” und 字 zì “Zeichen”). Aber das ist nur die Spitze des sprachlichen Eisbergs. Denn im Wörterbuch tummeln sich noch viele weitere Wortperlen, die Schriftzeichen-Parallelen ziehen.
Vielleicht trägt der eine oder andere bei der Lektüre dieses Textes ja gerade eine Hose in Form des Schriftzeichens 丁? Kleine Pause zum Rätselraten …. Die Erklärung: 丁字裤 dīngzìkù ist schlichtweg die chinesische Bezeichnung für String-Tanga. Da hätten Sie auch gleich drauf kommen können, nicht wahr? Schließlich nennt man die stoffsparenden Schlüpfer ja auch bei uns teils T-String – auch wieder ein Buchstabenwort.
Ähnliche Parallelen gibt es übrigens auch bei den chinesischen Wörtern für T-Kreuzung beziehungsweise T-Einmündung, auf Chinesisch丁字街 dīngzìjiē (丁-förmige Straße), oder dem T-Stahl, Chinesisch 丁字钢 dīngzìgāng beziehungsweise 丁字铁 dīngzìtiě (丁-förmiger Stahl). “T-förmig” heißt entsprechend einfach丁字形 dīngzìxíng – Schriftzeichen-丁-förmig. Wer übrigens nicht einmal das Schriftzeichen丁 beherrscht, gilt den Chinesen als hoffnungsloser Analphabet – so zumindest schimpft die bekannte Redensart目不识丁 mù bù shí dīng (die Augen erkennen nicht einmal 丁). Aber das nur am Rande.
Jetzt erst einmal weg von der String-Theorie und hin zu ein paar weiteren nützlichen Praxisbeispielen in Sachen Hanzi-Ausdrücke. Da wäre zum Beispiel noch das Gesicht in Form des Schriftzeichens 国 (国字脸 guózìliǎn). Das ist der gängige chinesische Ausdruck für ein kantiges Quadratgesicht. Als Varianten kennt man im chinesischen Volksmund auch noch das由-Gesicht (由字脸 yóuzìliǎn) – eine Art Birnengesicht, das nach oben hin schmal zuläuft – und das甲-Gesicht (甲字脸 jiǎzìliǎn), gerne auch Sonnenblumenkerngesicht (瓜子脸 guāzǐliǎn) genannt – gemeint ist eine sich nach unten zuspitzende V-Visage.
Vielleicht runzeln sich bei so viel Schriftzeichensalat in Ihrem Gesicht jetzt 八-Brauen, also Augenbrauen in Form des Schriftzeichens Acht (八字眉 bāzìméi). Weiter unten, nämlich über der Oberlippe, kräuselt sich derweil eventuell ein 八-Bart, auf Chinesisch八字胡 bāzìhú. Wenn Sie dann unter diesem “Bā-Bart” auch noch ein acht-förmiges Brot (八字面包 bāzì miànbāo) mümmeln, passen Sie perfekt ins deutsche Klischee. Es handelt sich natürlich um eine “Brezel”, wobei ausnahmsweise nicht nur auf die Form des Schriftzeichens 八 angespielt wird, sondern auch auf seine Bedeutung – die arabische Zahl 8.
Bestimmt standen Sie auch schon mal auf einer Leiter in Form des Schriftzeichen “Mensch”, also einer 人-Leiter (人字梯 rénzìtī – “Stehleiter”). Hoffentlich aber nicht in 人-Schlappen (人字拖 rénzìtuō) – das nämlich ist das Sprachpendant zu unseren Flipflops.
Flipflops sind auch auf dem Gaspedal nicht zu empfehlen, insbesondere wenn man mit dem Wagen über eine之-Straße (之字路 zhīzìlù) brettert, sprich eine Strecke mit Doppelkurve. Und wenn mal wieder ein Schleicher vor Ihnen auf dem Asphalt den Berg hinaufkriecht, vertiefen sich möglicherweise zu allem Überdruss auch noch Ihre 川-Fältchen (川字纹 chuānzìwén). Das ist der chinesische Ausdruck für sogenannte Glabellafalten auf der Stirn, im Volksmund auch als Zornesfalten bekannt.
Bewunderungsfältchen bilden sich hingegen bestimmt, wenn Sie beim nächsten Urlaub erstmals den atemberaubenden Anblick einer Pagode in 金-Form bestaunen – sprich eine Pyramide, auf Chinesisch金字塔 jīnzìtǎ. Die Welt steckt eben voller Wunder – genauso wie die chinesische Sprache.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.