mit einem Plädoyer für Fairness hat Bundeskanzler Olaf Scholz schon am Montagvormittag den Ton für seine Gespräche mit Chinas Regierungschef Li Qiang gesetzt, die am Dienstag stattfinden sollen. Vor den Studierenden der Tongji-Universität zeichnete er ein Szenario des wirtschaftlichen Wettbewerbs zwischen Deutschland und Europa auf der einen, sowie China auf der anderen Seite, das von der Realität jedoch weit entfernt ist.
Ob Zufall oder geplant – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich zeitgleich noch einmal für Strafzölle auf E-Autos aus der Volksrepublik aus. Ihre Äußerungen dürften Scholz ärgern, schreibt Felix Lee. Frankreich und die meisten EU-Mitgliedsländer sind für die Strafzölle, Deutschland ist dagegen.
Von den Differenzen zwischen Berlin und Brüssel dürfte einmal mehr die Volksrepublik China profitieren, die Meisterin ihres Faches ist, Keile tief hinzutreiben in Bündnisse und Partnerschaften der anderen. Da drängt sich in diesem Zusammenhang nicht nur die Frage nach Fairness auf, sondern nach China-Kompetenz, die in Deutschland und Europa ja dringend aufgebaut werden soll. Lektion Nummer eins: geschlossenes Auftreten.
Und kritisieren Sie dafür bitte nicht China, plädiert derweil Alexander Gabujew im Interview mit Michael Radunski. Der Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center bezog dies jedoch nicht auf Strafzoll-Debatten der Europäer, sondern auf geopolitische Komplikationen, die Scholz am heutigen Dienstag mit der chinesischen Regierung besprechen wird.
Gabujew prognostiziert ebenjene chinesische Taktik des Auseinanderdividierens, wenn es um Chinas Rolle bei der Suche nach einer Lösung im Krieg in der Ukraine geht. Schon Deutschland spräche nicht mit einer Stimme, geschweige denn Europa. Und so zweifelt Gabujew, dass dies zum Erfolg führen könnte.
Ebenso wenig sei es sinnvoll, auf chinesischen Einfluss auf Iran zu setzen. Im Gegenteil ist Gabujew davon überzeugt, dass der Wille Pekings, sich in der regionalen Diplomatie zu engagieren, äußerst begrenzt ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz versucht zu verhindern, was nicht mehr zu verhindern ist: Strafzölle auf chinesische E-Auto-Importe. Bei einer Diskussion mit Studenten an der Tongji-Universität am zweiten Tag seiner China-Reise bittet er geradezu flehentlich um fairen Wettbewerb.
Es dürfe kein Dumping geben, keine Überproduktion und Urheberrechte dürften auch nicht beeinträchtigt werden. Es sei ihm zudem wichtig, dass Unternehmen Produktionsstätten errichten dürften und dies nicht durch bürokratische Hürden erschwert werde. Er dringe deshalb auf Wettbewerbsgleichheit, also ein sogenanntes Level Playing Field. “Wir möchten natürlich, dass unsere Unternehmen keine Beschränkungen haben, aber umgekehrt verhalten wir uns genauso, wie wir es hier fordern”, sagte Scholz vor den rund 250 Studierenden, die aber nur Kulisse sind. Denn eigentlich richtet er seinen Appell an die chinesische Führung in Peking, die er erst am nächsten Tag trifft – und an die EU-Kommission.
Hintergrund seines Appells ist die Anti-Subvention-Untersuchung der EU gegen in China produzierte Elektroautos. Seit vergangenem Herbst wird in Brüssel ermittelt. Der Verdacht lautet: Marktverzerrung. Staatliche Subventionen sollen dafür sorgen, dass chinesische Hersteller ihre E-Autos in Europa zu deutlich niedrigeren Preisen anbieten können als europäische Autobauer.
Ob Zufall oder geplant – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich nun zeitgleich zu Scholz’ China-Reise noch einmal deutlich für Strafzölle auf E-Autos aus der Volksrepublik ausgesprochen. Auch wenn das Verfahren noch läuft, spricht sie gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) von einer “drastischen Überproduktion elektrischer Fahrzeuge in China, gekoppelt mit massiven staatlichen Subventionen“.
Sie verweist darauf, dass die USA ihren Markt bereits abgeschottet haben, ebenso Brasilien, Mexiko und die Türkei. Die EU könne nicht der einzige Markt sein, der für chinesische Überproduktionen offen bleibe, beklagte sie. Und weiter: “Wir dürfen in Europa nicht dasselbe erleben, was bei den Solarpaneelen passiert ist: Dass durch staatlich subventionierte Dumpingpreise europäische Hersteller unfair aus dem Markt gedrängt werden und die Produktion dann unterm Strich nach China geht.” Auch deutsche Ökonomen warnen eindringlich vor Chinas zerstörerischen Überkapazitäten.
Die Äußerungen der EU-Kommissionspräsidentin dürften Scholz ärgern. Frankreich und die meisten EU-Mitgliedsländer sind für Strafzölle, Deutschland ist dagegen. Die Bundesregierung befürchtet Vergeltungsmaßnahmen der Chinesen. Scholz weiß daher die deutschen Autobauer auf seiner Seite. Während etwa französische Autobauer schon seit geraumer Zeit kaum mehr Marktanteile in China haben, fürchten die deutschen Autobauer um ihre Absätze auf dem für sie wichtigsten Markt. Sie tun sich derzeit ohnehin schwer, ihre Spitzenplätze zu halten. Im E-Autosegment hinken sie der chinesischen Konkurrenz inzwischen erheblich hinterher.
In Shanghai appellierte Scholz daher noch einmal an die chinesische Seite, für freie Automärkte zu sorgen und für fairen Wettbewerb. Das Thema Wettbewerbsgleichheit werde er ansprechen, sagte Scholz – mehr an die mitgereisten deutschen Journalisten und Ursula von der Leyen in Brüssel gerichtet als an die anwesenden Studierenden. “Aber das muss aus einer Position selbstbewusster Wettbewerbsfähigkeit heraus geschehen und nicht aus protektionistischen Motiven.” Scholz will am Dienstag in Peking bei den Gesprächen mit der chinesischen Führung auch über dieses Wirtschaftsthema sprechen. Teil der ranghohen Wirtschaftsdelegation, die ihn auf seiner dreitägigen China-Reise begleitet, sind unter anderem auch die Vorstandschefs von BMW und Mercedes.
Scholz dürfte allerdings in Peking auf Granit beißen. Der chinesischen Führung ist das Problem der Überkapazitäten zwar durchaus bewusst. Sie schaden ja auch der eigenen Wirtschaft. Doch die Überkapazitäten sind systemimmanent. Darauf verweist Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der EU-Handelskammer in China, schon seit geraumer Zeit. Trotz aller Reformen und des Aufstiegs zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sei die Volksrepublik in all den Jahrzehnten stets eine Planwirtschaft geblieben.
Die Führung legt Pläne vor und jeder wisse, dass das dafür benötigte Geld auch komme. Das repliziere sich dann in allen 30 Provinzen. Im Westen würden Überkapazitäten mit Pleiten bestraft, schildert Wuttke. Das passiere in China nicht. Selbst Firmen, die schlecht wirtschaften, gehen nicht bankrott. Sie werden von den Lokalregierungen unterstützt. Also produzieren sie eifrig weiter. Die vielen Waren landen dann auf dem Weltmarkt. Das war vor zehn Jahren bei Stahl und Aluminium so, jetzt ist das bei Solarpanelen und E-Autos der Fall.
So habe Chinas E-Autohersteller Produktionskapazitäten für 50 Millionen Autos geschaffen, der eigene Markt verträgt aber nur den Absatz von etwa 23 Millionen. Der Rest landet nun auf dem Weltmark. Und weil die USA, Japan und andere Länder bereits hohe Zölle auf chinesische E-Auto-Importe erhoben haben, sollen umso mehr in den nächsten Monaten in Europa landen – zu Niedrigstpreisen.
Auch vom Timing ist Scholz spät dran. Denn mit den Anti-Dumping-Zöllen auf chinesische E-Autos könnte es ziemlich schnell gehen – ohne Option für Berlin, noch einschreiten zu können. Seit dem 4. Oktober 2023 hat die EU-Kommission ein Untersuchungsverfahren zu staatlichen Subventionen bei chinesischen E-Autos laufen. Dieses erlaubt der Brüsseler Behörde, wenn Rechtfertigung festgestellt wird, bis neun Monate nach Einleitung vorläufige Zölle zu erheben – in diesem Fall bis zum 4. Juli.
Allerdings findet Anfang Juni die Europawahl statt, weshalb Beobachter vermuten, dass die aktuelle EU-Kommission die vorläufigen Zölle noch davor festzurren will. Die Mitgliedsstaaten, die durch den EU-Rat vertreten werden, haben dabei kein Mitspracherecht, denn Handelspolitik ist eine EU-Kompetenz. Endgültige Zölle muss Brüssel dann bis maximal 13 Monate nach Einleitung festlegen, also bis November.
Nur wie hoch die Anti-Dumpingzölle ausfallen werden, ist bislang noch unklar. EU-Beobachter gehen von einem niedrigen, zweistelligen Wert aus. Mitarbeit: Amelie Richter
Aktuelle US-Berichte legen nahe, dass China die russische Kriegsmaschinerie in der Ukraine fördert. Wie groß ist Chinas Unterstützung?
Sie ist entscheidend. Diese Lieferungen helfen Russland wirklich dabei, seine Kriegsmaschinerie wieder aufzubauen und zu verbessern, um die Ukraine zu zerstören. Es handelt sich dabei nicht um einen normalen Handel zu zivilen Zwecken wie den Kauf von russischem Öl, den der Westen widerwillig akzeptiert. Hier geht es um militärkritische Unterstützung.
China weist die Vorwürfe zurück. Welche Rolle spielt Peking hier?
Wir sehen, dass China ein sehr aktiver Zaungast ist, der Russland unterstützt, ohne die öffentlichen amerikanischen und europäischen roten Linien zu überschreiten: keine Lieferung tödlicher Waffen an Russland und kein offener Verstoß gegen Sanktionen. Aber die Realitäten auf dem Schlachtfeld haben sich verändert. Und nun versuchen die USA, ihre roten Linien zu verschieben. Und damit üben die USA auch Druck auf Europa aus, eine aktivere Rolle einzunehmen.
Da passt es, dass Bundeskanzler Olaf Scholz heute Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Peking trifft. Was soll der Kanzler tun?
Am besten wäre es, wenn er ganz pragmatisch und zielgerichtet vorgeht. Scholz könnte Xi sagen, dass es im Westen neue Informationen darüber gibt, wie China das russische Militär unterstützt und Deutschland will, dass das aufhört. Kein Export von optischen Gütern für russische Panzer, keine Satellitenbilder für die russische Aufklärung.
Mir scheint, dass Sie aber etwas anderes von Scholz erwarten.
Ich erwarte, dass Scholz einen breiteren Ansatz verfolgt. Er wird wohl etwas generell zu Chinas Unterstützung für Russland sagen, und dass dies nur Chinas Ruf in der Welt schaden würde. Verstehen Sie mich nicht falsch. All das ist richtig. Aber es reicht auch nicht mehr. Es beeindruckt die Chinesen nicht. Daher hoffe ich, dass die neuen Informationen, die von den USA bekannt gegeben und mit Partnern, auch in Berlin, geteilt wurden, zu einem entschlosseneren Vorgehen von Scholz führen werden.
Welche Möglichkeiten hat der Kanzler, Druck auf die chinesische Führung auszuüben?
Hier ist das Problem. Der Druck müsste transatlantischer und europäischer Natur sein. Wenn die USA Unternehmen wie Hikvision und andere nicht auf ihre Sanktionsliste setzen, können diese Unternehmen immer noch innerhalb der Europäischen Union tätig sein, einschließlich Deutschland. Es braucht also einen gemeinsamen Ansatz: Chinesische Unternehmen oder ganze Branchen klar benennen, die die russische Militärmaschinerie unterstützen, und sagen: Wir werden deren Möglichkeiten, in Europa oder Deutschland Geschäfte zu machen, einschränken. Aber Deutschland hat kein eigenes Sanktionsprogramm, daher müsste das im Rahmen der Europäische Union umgesetzt werden.
Sie klingen so pessimistisch. Bei seinem vorherigen Besuch in Peking gelang es Scholz, Xi Jinping eine Missbilligung der russischen Atomdrohungen abzuringen. Das war doch ein Erfolg.
Das war zweifellos ein Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt schätzten die USA das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes Putins tatsächlich als sehr hoch ein. Damals aktivierten die USA verschiedene Kanäle: Sie brachten Material nach Polen und in die Ukraine, das der Bevölkerung helfen würde, falls Russland sich für den Einsatz von Atomwaffen entscheiden würde. Sie sprachen mit den Russen und drohten ihnen mit Konsequenzen. Sie rieten den Ukrainern, nicht zu versuchen, militärisch auf die Krim einzudringen. Sie sprachen mit Ländern wie Indien und China. Und sie forderten die Europäer auf, solche Gespräche auch mit Peking zu führen. In diesem vielschichtigen Unterfangen war Scholz ein Teil. Und ja, es hat letztendlich funktioniert.
Was kann Scholz dieses Mal erreichen?
Das ist schwierig. Ich denke, dass China immer weniger bereit ist, seinen Kurs zu ändern. Der aktuelle Verlauf des Krieges ist für China ganz okay. Russland hat auf dem Schlachtfeld wieder die Oberhand, während die Maximal-Forderung von Präsident Selenskyj – dass Russland sich zunächst aus dem gesamten besetzten Gebiet der Ukraine, einschließlich der Krim, zurückziehen muss – einfach nicht die Realität auf dem Schlachtfeld widerspiegelt.
Wenn der aktuelle Zustand für China hinnehmbar ist, warum schickt Peking dann einen Friedensbotschafter wie Li Hui ins Ausland?
Lassen Sie sich nicht von der Optik ablenken. Es gibt den offiziellen Auftrag, der lautet: Wir wollen Verhandlungen führen. Wir wollen herausfinden, wie die Positionen sind und sie zusammenbringen. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei eher um eine Mission zur Informationssammlung als um einen Friedensansatz. Li Hui möchte vor allem herausfinden, wann der richtige Zeitpunkt für China sein könnte, aktiver einzugreifen, oder wenn es noch nicht der richtige Zeitpunkt ist, sich zurückzuhalten.
Und der andere Teil?
Der andere große Teil von Li Huis Mission besteht darin, das globale Publikum in den Entwicklungsländern, im sogenannten globalen Süden, zu beeinflussen. Dort sagt China ständig: Schaut her, China ist das einzige Land, das einen Sondergesandten für Frieden hat, der sowohl nach Moskau als auch nach Kiew und in alle regionalen Hauptstädte reist. Wer macht das sonst noch – Europa? Die USA? Nur China.
Aber Scholz hat einen guten Draht zu China. Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck werden in Peking deutlich kritischer gesehen. Ist das die Stärke des good cop, bad cop oder eher eine Schwäche gegenüber China?
Meiner Meinung nach ist es eine Schwäche. Es wäre vorteilhafter, mit einer Stimme zu sprechen, gerade bei einem so wichtigen außenpolitischen Thema. Denn davon wird nur China profitieren. Peking wird einen Keil in diese Differenzen treiben. Das gilt nicht nur für die deutsche Regierungskoalition, sondern auch für die gesamte Europäische Union. Und kritisieren Sie dafür bitte nicht China.
Angesichts der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten drängt sich auch noch die Frage auf: Könnte China das Verhalten Irans beeinflussen?
Wir haben seit dem Terroranschlag vom 7. Oktober keine aktive Rolle Chinas in der regionalen Diplomatie mehr gesehen. Ich teile nicht die Hyperventilation hinsichtlich der Fähigkeit Pekings, sich in der regionalen Diplomatie zu engagieren.
Aber im vergangenen Jahr hat China ein Abkommen zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien vermittelt. Einige glaubten damals schon, China könnte die USA als regionale Ordnungsmacht ablösen.
Ja. Nur wird dies nicht durch Fakten gestützt. Zwischen Teheran und Riad wurde eine Vereinbarung zur Stabilisierung der Beziehungen getroffen. Die beiden fanden in Peking einen Akteur, der vor allem die Logistik für die Gespräche bereitstellte. Aber auch diese Vereinbarung besteht seither größtenteils auf dem Papier. Aktuell tut China nichts, damit die Houtis nicht weiter den Welthandel stören. Die Situation zwischen Iran, Israel und anderen Staaten ist, gelinde gesagt, sehr kompliziert. China weiß das und möchte nicht beteiligt und schon gar nicht verantwortlich sein.
Alexander Gabujew ist Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center. Er leitet ein Team von Analysten, die früher Mitarbeiter des Carnegie Moscow Center waren, das 2022 vom Kreml geschlossen wurde. Seine eigene Forschung konzentriert sich auf die russische Außenpolitik, den Krieg in der Ukraine und die chinesisch-russischen Beziehungen.
Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sieht nach seiner China-Reise und einem Treffen mit Chinas Außenminister Wang Yi eine sanfte Distanz Chinas zu Russland, die bei dem Treffen von Chinas Staatschef Xi Jinping und Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Dienstag eine Rolle spielen könnte. “Mein Eindruck ist, dass man in China bereit ist, mit den deutschen Kollegen nicht nur über eine Wiederholung der Erklärung zur Nicht-Zulässigkeit eines russischen Einsatzes nuklearer Waffen zu sprechen, sondern sogar diese Erklärung zuspitzen könnte”, sagte Ischinger zu Table.Briefings.
Ischinger war vergangene Woche in Peking zu einem 30-minütigen Treffen mit Wang Yi zusammengekommen. Der Außenminister Chinas ist seit 2023 auch Direktor der Zentralen Kommission für Auswärtige Angelegenheiten in der KP und damit der ranghöchste Außenpolitiker Chinas.
Der Besuch von Scholz in China sei daher “auch im Timing von besonderer Bedeutung”, sagte Ischinger. Es gebe eine offizielle Linie in China als “fortwährender Partner Russlands”, aber es gebe auch eine inoffizielle Linie, die ein Ende des Konflikts herbeisehnt, weil dieser wirtschaftspolitische Auswirkungen in den Beziehungen zu den westlichen Industriestaaten habe.
Die Beziehung zu Russland sei ohnehin keine Partnerschaft auf Augenhöhe, so Ischinger. “China ist Herr im Haus.” Es gebe eine weit verbreitete Erzählung in China, dass Putin “einen dicken Bock geschossen hat, mit dem Angriff, mit falschen Zielsetzungen und nicht erreichbaren Zielsetzungen”, berichtet Ischinger und verweist auf seine Gespräche.
China sei bei der Nuklearfrage außerdem besonders sensibel, weil sich China an den militärischen Grenzkonflikt mit Russland 1969 am Ussuri erinnere, wo Russland kurz vor der Niederlage auch China gegenüber mit einem Nuklearschlag gedroht habe. “Die älteren Herrschaften in Peking wissen ganz genau, dass sie auch schon mal bedroht worden sind von Russland.” brö
Bundeskanzler Olaf Scholz hofft auf einen stärkeren Wissenschaftsaustausch mit China. Man brauche diesen Austausch, sagte Scholz am Montag an der Tongji-Universität in Shanghai. Während der Corona-Zeit hätten die Kontakte deutlich abgenommen, was nicht gut sei. “Aber nun ist es wieder anders. Insofern hoffe ich, dass die Gespräche wieder zunehmen, die wechselseitigen Besuche auch“, sagte Scholz am zweiten Tag seiner dreitägigen China-Reise. Er verwies auf die chinesischen Studenten in Deutschland und es sei gut, dass die Zahl der deutschen Studenten in China wieder zunehme.
In den vergangenen Jahren war die Zusammenarbeit mit China in der Forschung wegen der geopolitischen Spannungen und aus Sicherheitsgründen kritisch diskutiert worden. Scholz sagte, er wolle mit der Führung in Peking am Dienstag über internationale Fragen wie Klimawandel, Sicherheit und Stabilität sowie das Zusammenwachsen der Welt sprechen. rtr/rad
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Studierenden in Shanghai versichert, dass der Konsum von Cannabis keine Voraussetzung für einen Universitätsbesuch in Deutschland ist. Er reagierte am Montag während eines Auftritts in der Tongji-Universität auf die Frage eines chinesischen Studenten, der in Berlin studieren will und fragte, ob er Cannabis in Deutschland konsumieren müsse.
“Die Antwort ist ganz einfach: nicht rauchen. Dieses Jahr werde ich 66 und ich habe noch nie Cannabis geraucht”, sagte Scholz. “Wir wollen nicht, dass mehr Leute Cannabis konsumieren, sondern weniger, dass mehr öffentliche Aufklärung darüber existiert”, erläuterte der Kanzler die seit kurzem greifende Cannabis-Teillegalisierung in Deutschland. Die Bundesregierung wolle Cannabis “aus dem grauen Bereich herausholen”.
Cannabis ist in China verboten. 1985 unterschrieb die Volksrepublik das Übereinkommen über psychotrope Stoffe der Vereinten Nationen. Wer beim Konsum der Substanz erwischt wird, kann bis zu 15 Tage inhaftiert und mit einer Geldstrafe belegt werden. Dennoch wird Cannabis für industrielle oder medizinische Zwecke teilweise als legal eingestuft. rtr/grz
Die Tierschutzgruppe Humane Society International (HSI) warnt vor einem erhöhten Risiko von Krankheits-Übertragungen vom Tier auf den Menschen in China. HSI hatte Ende vergangenen Jahres fünf Pelzfarmen in der Volksrepublik auf die Risiken untersucht. Auf den Farmen in den Provinzen Hebei und Liaoning, wo Füchse, Marderhunde und Nerze gehalten werden, wurden jeweils zwischen 2.000 und 4.000 Tiere unter intensiven Bedingungen gehalten, auch in unmittelbarer Nähe von Geflügel, sagte HSI. Fotos und Aufnahmen von HSI zeigten dicht zusammengedrängte Tiere in kleinen Käfigen mit Drahtgitterböden.
Alastair MacMillan, Gastprofessor an der Veterinärschule der Surrey University, sagte nach Sichtung des Materials von HSI, dass die hohe Besatzdichte der Tiere die schnelle Ausbreitung von Viren über Tröpfchen von einem zum anderen und möglicherweise auch zum Menschen begünstige. “Die schnelle Zirkulation und Vermischung verschiedener Virusstämme von Tier zu Tier erleichtert ihre Anpassung an einen Säugetierwirt, die Entwicklung besorgniserregender Mutantenstämme und eine größere Wahrscheinlichkeit einer drohenden Infektion beim Menschen.”
MacMillan sagte, das Filmmaterial sei unter den Aspekten Krankheits-Übertragung und öffentlicher Gesundheit äußerst besorgniserregend, zumal bekannt sei, dass wegen ihres Pelzes gezüchtete Tiere anfällig für Atemwegsviren seien, die Menschen infizieren können. Daten aus den frühen Tagen der Covid-19-Pandemie, die im vergangenen Jahr von chinesischen Wissenschaftlern kurzzeitig in eine Datenbank hochgeladen wurden, deuten darauf hin, dass die Haltung von Marderhunden möglicherweise auch daran beteiligt waren, dass das Coronavirus Menschen erreichte. rtr
Die chinesische Staatssicherheit hat die Bürger der Volksrepublik vor möglichen Konsequenzen von Spionage für ausländische Akteure gewarnt. Im Rahmen einer Kampagne zum Bildungstag der Nationalen Sicherheit verbreitete das Ministerium über staatliche Medien umfangreiches Filmmaterial zu mehreren Spionage-Fällen der vergangenen Jahre.
Unter anderem ging es dabei um den Fall eines Wissenschaftlers namens Huang Yu, der 2016 hingerichtet wurde. Erstmals räumte die Staatssicherheit öffentlich ein, dass der Mann Informationen über Chinas militärische Kommunikation an die USA weitergegeben haben soll. In einer separaten Erklärung vom Montag warnte das Ministerium, es werde im Rahmen des Gesetzes daran arbeiten, “scharfe Waffen herzustellen”, um gegen Spionage vorzugehen.
Chinas Staatsmedien wollen mit dieser Kampagne das Bewusstsein dafür zu schärfen, was Peking als Bedrohung durch ausländische Spione ansieht. Der Tag zur Förderung des nationalen Sicherheitsbewusstseins und der Wachsamkeit der Bürger war vor neun Jahren unter Präsident Xi Jinping eingeführt worden. Explizit wurde zudem auf erhöhte Gefahr in den Bereichen Seltene Erden und Landwirtschaft hingewiesen.
Die Warnungen richten sich auch an ausländische Unternehmen, die in der Informationsbeschaffung in China arbeiten. Die jüngste Version des Anti-Spionage-Gesetzes könnte bislang legale Geschäftsaktivitäten kriminalisieren. rtr/grz
Geopolitik gehört spätestens seit Russlands Angriffskrieg zu den Top-Prioritäten von CEOs und Vorständen. Laut einer Umfrage von Heydrick & Struggles stehen geopolitische und makroökonomische Unsicherheiten ganz oben auf den Agenden in den Unternehmenszentralen. Die großen Themen sind China, der Krieg in der Ukraine, eine weitere Eskalation im Nahen Osten und das Risiko einer zweiten Trump-Präsidentschaft.
Bei Risikobetrachtungen zu China fällt eine wachsende Kluft zwischen Teilen der Politik und der Wirtschaft auf: Während EU-Kommission, Auswärtiges Amt und Sicherheitsbehörden die Unternehmen zum “De-Risking” auffordern, machten mitreisende DAX-CEOs bei der jüngsten China-Reise des Bundeskanzlers deutlich: Ohne China geht es für sie nicht, das Land bleibt ein zentraler Absatzmarkt und Technologiepartner.
Noch größer wird diese Kluft beim Blick über den Atlantik: In den USA wird der Ton gegenüber China parteiübergreifend immer kritischer bis alarmistisch – was sich im Wahlkampf noch verschärfen dürfte. Jüngste Gespräche im Weißen Haus und dem Kongress haben dies gezeigt und eine Reihe von Publikationen bestätigen dies. So hat das US-Repräsentantenhaus einen Report mit dem vielsagenden Titel “Wie amerikanisches Risikokapital das Militär der Volksrepublik China und Menschenrechtsverletzungen nährt” veröffentlicht. Auf dem Feld der Technologie ist eine “Entkoppelung” zwischen den USA und China bereits im vollen Gange, wie die US-Exportrestriktionen bei Halbleitern oder schärfere “Outbound”-Investitionskontrollen bei Biotechnologie oder Artificial Intelligence zeigen.
Noch können diese Maßnahmen als “Tech-Containment” eingeordnet werden, jedoch sprechen immer mehr einflussreiche Stimmen von einem “neuen Kalten Krieg” (Niall Ferguson) gegenüber China, gerade vor dem Hintergrund der Unterstützung Russlands mit kriegsrelevanten Gütern wie Panzerteilen, Satellitenbildern oder Raketentreibstoff, die die US-Regierung benennt.
Auch deshalb fordert die Marathon Initiative, in deren Reihen einige republikanische Sicherheitspolitiker “überwintern”, eine Fokussierung des US-Militärs auf eine direkte Abschreckung Chinas. Dazu passende Kriegsszenarien spielt das renommierte Center for Strategic & International Studies durch. Im Trump-Lager haben Thinktanks Programme für eine republikanische Machtübernahme entwickelt – alle mit überaus kritischen Positionen zu China. Das gilt sowohl für sicherheitspolitische als auch in Handelsfragen, so die Heritage Foundation in ihrem 920-seitigen Strategiepapier “Project 2025”, das Center for Renewing America oder das America First Policy Institute.
Warum sollten sich hiesige Unternehmen mit diesen Debatten beschäftigen? Weil das Verhältnis zwischen den USA – als dem anderen strategischen Markt für die europäische Industrie – und China die zentrale Achse der internationalen Politik im 21. Jahrhundert ist und erhebliche Auswirkungen auf Welthandel, Energie- und Rohstoffsicherheit, Lieferketten und Kapitalmärkte hat. Damit betrifft es langfristig Unternehmensstrategien, Geschäftsmodelle und Investitionsplanung von global tätigen Unternehmen.
Diese wären also gut beraten, durchzuspielen, was ein “Kalter Krieg 2.0” für sie bedeuten würde. Ausgangspunkt sollte dabei die realistische Annahme sein, dass die Abhängigkeit Deutschlands von den USA mittelfristig hoch bleibt (Nato, nuklearer Schutzschirm) und die Annahme, dass die Vereinigten Staaten als Markt auch unter Trump ihren Wettbewerbsvorteil bei Energiepreisen, Finanzkraft und Technologie behalten oder ausbauen dürften.
Sollte es zu einer Verschärfung des Konfliktes zwischen den USA und China kommen, wird Washington von seinen Verbündeten verlangen – und Hebel dafür einsetzen -, sich auf seine Seite zu stellen. Dem könnten sich auch europäische Unternehmen nicht entziehen – und würden dann im Gegenzug stärker ins Visier der chinesischen Seite geraten. Möglich wären etwa höhere bürokratische Hürden, politisch motivierte Beschränkung von Geschäftstätigkeiten, verstärkte Exportkontrollen etwa bei kritischen Rohstoffen, schärfere Kapitalmarktkontrollen oder eine Erschwerung des Zugangs zum Südchinesischen Meer. Auch vor Handelsblockaden gegenüber Taiwan, stärkeren Cyberangriffen oder steuerlichen (Straf-)Maßnahmen warnen Fachleute.
Zu hoffen ist, dass es dazu nicht kommen wird und der Handel mit China so offen wie möglich bleibt. Aber schon im Sinne der Business Judgement Rule sind Vorstände angehalten, solche Szenarien durchzuspielen. Das ist auch eine Verantwortung gegenüber Anteilseignern, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit. Keiner möchte einen neuen Kalten Krieg. Aber auf ihn vorbereitet zu sein, ist ein Gebot guter Unternehmensführung.
Jan F. Kallmorgen ist Partner der Strategie- und Transaktionsberatung bei Ernst & Young und berät mit seinem Team Unternehmen und Investoren zu geostrategischen Fragen.
Frank Schulze ist seit Ende März Vorstandsvorsitzender der Deutschen Handelskammer Ostchina. Schulze ist zugleich Chef von DB Cargo Transasia in Shanghai.
Jun Huang ist seit Februar General Manager der Nordics/Baltics Utility Business Group beim chinesischen Solar-Hersteller Longi. Er war zuvor General Manager bei Keenon Robotics für Europa, den Nahen Osten und Afrika.
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Junge Chinesen haben einen unscheinbaren Park in Chengdus Stadtteil Yulin in ein kleines Disneyland verwandelt. Wo sich vorher vor allem Rentner die Zeit an Gymnastikgeräten vertrieben, kommen nun Jugendliche in Kostümen bekannter Disneyfiguren zusammen, filmen Videos und hören Musik. Entstanden ist der Hype durch den Streit zweier Rapper der beliebten Castingshow “The Rap of China”. In einem gegen seinen Kontrahenten Xiedi gerichteten Song erklärte der ausgeschiedene Rapper Nuomi “Xièdì, wǒ yào diss nǐ 谢帝,我要diss你”. Das englische Verb “dissen”, das im Hiphop-Slang für die Verunglimpfung des Gegenübers steht, klang laut den Fans wie der chinesische Name für Disney: Díshìní 迪士尼. Das dazugehörige Musikvideo, das in jenem Park gedreht wurde, ging viral und inspirierte so die erstaunliche Vermischung zwischen On- und Offline-Welt.
mit einem Plädoyer für Fairness hat Bundeskanzler Olaf Scholz schon am Montagvormittag den Ton für seine Gespräche mit Chinas Regierungschef Li Qiang gesetzt, die am Dienstag stattfinden sollen. Vor den Studierenden der Tongji-Universität zeichnete er ein Szenario des wirtschaftlichen Wettbewerbs zwischen Deutschland und Europa auf der einen, sowie China auf der anderen Seite, das von der Realität jedoch weit entfernt ist.
Ob Zufall oder geplant – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich zeitgleich noch einmal für Strafzölle auf E-Autos aus der Volksrepublik aus. Ihre Äußerungen dürften Scholz ärgern, schreibt Felix Lee. Frankreich und die meisten EU-Mitgliedsländer sind für die Strafzölle, Deutschland ist dagegen.
Von den Differenzen zwischen Berlin und Brüssel dürfte einmal mehr die Volksrepublik China profitieren, die Meisterin ihres Faches ist, Keile tief hinzutreiben in Bündnisse und Partnerschaften der anderen. Da drängt sich in diesem Zusammenhang nicht nur die Frage nach Fairness auf, sondern nach China-Kompetenz, die in Deutschland und Europa ja dringend aufgebaut werden soll. Lektion Nummer eins: geschlossenes Auftreten.
Und kritisieren Sie dafür bitte nicht China, plädiert derweil Alexander Gabujew im Interview mit Michael Radunski. Der Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center bezog dies jedoch nicht auf Strafzoll-Debatten der Europäer, sondern auf geopolitische Komplikationen, die Scholz am heutigen Dienstag mit der chinesischen Regierung besprechen wird.
Gabujew prognostiziert ebenjene chinesische Taktik des Auseinanderdividierens, wenn es um Chinas Rolle bei der Suche nach einer Lösung im Krieg in der Ukraine geht. Schon Deutschland spräche nicht mit einer Stimme, geschweige denn Europa. Und so zweifelt Gabujew, dass dies zum Erfolg führen könnte.
Ebenso wenig sei es sinnvoll, auf chinesischen Einfluss auf Iran zu setzen. Im Gegenteil ist Gabujew davon überzeugt, dass der Wille Pekings, sich in der regionalen Diplomatie zu engagieren, äußerst begrenzt ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz versucht zu verhindern, was nicht mehr zu verhindern ist: Strafzölle auf chinesische E-Auto-Importe. Bei einer Diskussion mit Studenten an der Tongji-Universität am zweiten Tag seiner China-Reise bittet er geradezu flehentlich um fairen Wettbewerb.
Es dürfe kein Dumping geben, keine Überproduktion und Urheberrechte dürften auch nicht beeinträchtigt werden. Es sei ihm zudem wichtig, dass Unternehmen Produktionsstätten errichten dürften und dies nicht durch bürokratische Hürden erschwert werde. Er dringe deshalb auf Wettbewerbsgleichheit, also ein sogenanntes Level Playing Field. “Wir möchten natürlich, dass unsere Unternehmen keine Beschränkungen haben, aber umgekehrt verhalten wir uns genauso, wie wir es hier fordern”, sagte Scholz vor den rund 250 Studierenden, die aber nur Kulisse sind. Denn eigentlich richtet er seinen Appell an die chinesische Führung in Peking, die er erst am nächsten Tag trifft – und an die EU-Kommission.
Hintergrund seines Appells ist die Anti-Subvention-Untersuchung der EU gegen in China produzierte Elektroautos. Seit vergangenem Herbst wird in Brüssel ermittelt. Der Verdacht lautet: Marktverzerrung. Staatliche Subventionen sollen dafür sorgen, dass chinesische Hersteller ihre E-Autos in Europa zu deutlich niedrigeren Preisen anbieten können als europäische Autobauer.
Ob Zufall oder geplant – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich nun zeitgleich zu Scholz’ China-Reise noch einmal deutlich für Strafzölle auf E-Autos aus der Volksrepublik ausgesprochen. Auch wenn das Verfahren noch läuft, spricht sie gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) von einer “drastischen Überproduktion elektrischer Fahrzeuge in China, gekoppelt mit massiven staatlichen Subventionen“.
Sie verweist darauf, dass die USA ihren Markt bereits abgeschottet haben, ebenso Brasilien, Mexiko und die Türkei. Die EU könne nicht der einzige Markt sein, der für chinesische Überproduktionen offen bleibe, beklagte sie. Und weiter: “Wir dürfen in Europa nicht dasselbe erleben, was bei den Solarpaneelen passiert ist: Dass durch staatlich subventionierte Dumpingpreise europäische Hersteller unfair aus dem Markt gedrängt werden und die Produktion dann unterm Strich nach China geht.” Auch deutsche Ökonomen warnen eindringlich vor Chinas zerstörerischen Überkapazitäten.
Die Äußerungen der EU-Kommissionspräsidentin dürften Scholz ärgern. Frankreich und die meisten EU-Mitgliedsländer sind für Strafzölle, Deutschland ist dagegen. Die Bundesregierung befürchtet Vergeltungsmaßnahmen der Chinesen. Scholz weiß daher die deutschen Autobauer auf seiner Seite. Während etwa französische Autobauer schon seit geraumer Zeit kaum mehr Marktanteile in China haben, fürchten die deutschen Autobauer um ihre Absätze auf dem für sie wichtigsten Markt. Sie tun sich derzeit ohnehin schwer, ihre Spitzenplätze zu halten. Im E-Autosegment hinken sie der chinesischen Konkurrenz inzwischen erheblich hinterher.
In Shanghai appellierte Scholz daher noch einmal an die chinesische Seite, für freie Automärkte zu sorgen und für fairen Wettbewerb. Das Thema Wettbewerbsgleichheit werde er ansprechen, sagte Scholz – mehr an die mitgereisten deutschen Journalisten und Ursula von der Leyen in Brüssel gerichtet als an die anwesenden Studierenden. “Aber das muss aus einer Position selbstbewusster Wettbewerbsfähigkeit heraus geschehen und nicht aus protektionistischen Motiven.” Scholz will am Dienstag in Peking bei den Gesprächen mit der chinesischen Führung auch über dieses Wirtschaftsthema sprechen. Teil der ranghohen Wirtschaftsdelegation, die ihn auf seiner dreitägigen China-Reise begleitet, sind unter anderem auch die Vorstandschefs von BMW und Mercedes.
Scholz dürfte allerdings in Peking auf Granit beißen. Der chinesischen Führung ist das Problem der Überkapazitäten zwar durchaus bewusst. Sie schaden ja auch der eigenen Wirtschaft. Doch die Überkapazitäten sind systemimmanent. Darauf verweist Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der EU-Handelskammer in China, schon seit geraumer Zeit. Trotz aller Reformen und des Aufstiegs zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sei die Volksrepublik in all den Jahrzehnten stets eine Planwirtschaft geblieben.
Die Führung legt Pläne vor und jeder wisse, dass das dafür benötigte Geld auch komme. Das repliziere sich dann in allen 30 Provinzen. Im Westen würden Überkapazitäten mit Pleiten bestraft, schildert Wuttke. Das passiere in China nicht. Selbst Firmen, die schlecht wirtschaften, gehen nicht bankrott. Sie werden von den Lokalregierungen unterstützt. Also produzieren sie eifrig weiter. Die vielen Waren landen dann auf dem Weltmarkt. Das war vor zehn Jahren bei Stahl und Aluminium so, jetzt ist das bei Solarpanelen und E-Autos der Fall.
So habe Chinas E-Autohersteller Produktionskapazitäten für 50 Millionen Autos geschaffen, der eigene Markt verträgt aber nur den Absatz von etwa 23 Millionen. Der Rest landet nun auf dem Weltmark. Und weil die USA, Japan und andere Länder bereits hohe Zölle auf chinesische E-Auto-Importe erhoben haben, sollen umso mehr in den nächsten Monaten in Europa landen – zu Niedrigstpreisen.
Auch vom Timing ist Scholz spät dran. Denn mit den Anti-Dumping-Zöllen auf chinesische E-Autos könnte es ziemlich schnell gehen – ohne Option für Berlin, noch einschreiten zu können. Seit dem 4. Oktober 2023 hat die EU-Kommission ein Untersuchungsverfahren zu staatlichen Subventionen bei chinesischen E-Autos laufen. Dieses erlaubt der Brüsseler Behörde, wenn Rechtfertigung festgestellt wird, bis neun Monate nach Einleitung vorläufige Zölle zu erheben – in diesem Fall bis zum 4. Juli.
Allerdings findet Anfang Juni die Europawahl statt, weshalb Beobachter vermuten, dass die aktuelle EU-Kommission die vorläufigen Zölle noch davor festzurren will. Die Mitgliedsstaaten, die durch den EU-Rat vertreten werden, haben dabei kein Mitspracherecht, denn Handelspolitik ist eine EU-Kompetenz. Endgültige Zölle muss Brüssel dann bis maximal 13 Monate nach Einleitung festlegen, also bis November.
Nur wie hoch die Anti-Dumpingzölle ausfallen werden, ist bislang noch unklar. EU-Beobachter gehen von einem niedrigen, zweistelligen Wert aus. Mitarbeit: Amelie Richter
Aktuelle US-Berichte legen nahe, dass China die russische Kriegsmaschinerie in der Ukraine fördert. Wie groß ist Chinas Unterstützung?
Sie ist entscheidend. Diese Lieferungen helfen Russland wirklich dabei, seine Kriegsmaschinerie wieder aufzubauen und zu verbessern, um die Ukraine zu zerstören. Es handelt sich dabei nicht um einen normalen Handel zu zivilen Zwecken wie den Kauf von russischem Öl, den der Westen widerwillig akzeptiert. Hier geht es um militärkritische Unterstützung.
China weist die Vorwürfe zurück. Welche Rolle spielt Peking hier?
Wir sehen, dass China ein sehr aktiver Zaungast ist, der Russland unterstützt, ohne die öffentlichen amerikanischen und europäischen roten Linien zu überschreiten: keine Lieferung tödlicher Waffen an Russland und kein offener Verstoß gegen Sanktionen. Aber die Realitäten auf dem Schlachtfeld haben sich verändert. Und nun versuchen die USA, ihre roten Linien zu verschieben. Und damit üben die USA auch Druck auf Europa aus, eine aktivere Rolle einzunehmen.
Da passt es, dass Bundeskanzler Olaf Scholz heute Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Peking trifft. Was soll der Kanzler tun?
Am besten wäre es, wenn er ganz pragmatisch und zielgerichtet vorgeht. Scholz könnte Xi sagen, dass es im Westen neue Informationen darüber gibt, wie China das russische Militär unterstützt und Deutschland will, dass das aufhört. Kein Export von optischen Gütern für russische Panzer, keine Satellitenbilder für die russische Aufklärung.
Mir scheint, dass Sie aber etwas anderes von Scholz erwarten.
Ich erwarte, dass Scholz einen breiteren Ansatz verfolgt. Er wird wohl etwas generell zu Chinas Unterstützung für Russland sagen, und dass dies nur Chinas Ruf in der Welt schaden würde. Verstehen Sie mich nicht falsch. All das ist richtig. Aber es reicht auch nicht mehr. Es beeindruckt die Chinesen nicht. Daher hoffe ich, dass die neuen Informationen, die von den USA bekannt gegeben und mit Partnern, auch in Berlin, geteilt wurden, zu einem entschlosseneren Vorgehen von Scholz führen werden.
Welche Möglichkeiten hat der Kanzler, Druck auf die chinesische Führung auszuüben?
Hier ist das Problem. Der Druck müsste transatlantischer und europäischer Natur sein. Wenn die USA Unternehmen wie Hikvision und andere nicht auf ihre Sanktionsliste setzen, können diese Unternehmen immer noch innerhalb der Europäischen Union tätig sein, einschließlich Deutschland. Es braucht also einen gemeinsamen Ansatz: Chinesische Unternehmen oder ganze Branchen klar benennen, die die russische Militärmaschinerie unterstützen, und sagen: Wir werden deren Möglichkeiten, in Europa oder Deutschland Geschäfte zu machen, einschränken. Aber Deutschland hat kein eigenes Sanktionsprogramm, daher müsste das im Rahmen der Europäische Union umgesetzt werden.
Sie klingen so pessimistisch. Bei seinem vorherigen Besuch in Peking gelang es Scholz, Xi Jinping eine Missbilligung der russischen Atomdrohungen abzuringen. Das war doch ein Erfolg.
Das war zweifellos ein Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt schätzten die USA das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes Putins tatsächlich als sehr hoch ein. Damals aktivierten die USA verschiedene Kanäle: Sie brachten Material nach Polen und in die Ukraine, das der Bevölkerung helfen würde, falls Russland sich für den Einsatz von Atomwaffen entscheiden würde. Sie sprachen mit den Russen und drohten ihnen mit Konsequenzen. Sie rieten den Ukrainern, nicht zu versuchen, militärisch auf die Krim einzudringen. Sie sprachen mit Ländern wie Indien und China. Und sie forderten die Europäer auf, solche Gespräche auch mit Peking zu führen. In diesem vielschichtigen Unterfangen war Scholz ein Teil. Und ja, es hat letztendlich funktioniert.
Was kann Scholz dieses Mal erreichen?
Das ist schwierig. Ich denke, dass China immer weniger bereit ist, seinen Kurs zu ändern. Der aktuelle Verlauf des Krieges ist für China ganz okay. Russland hat auf dem Schlachtfeld wieder die Oberhand, während die Maximal-Forderung von Präsident Selenskyj – dass Russland sich zunächst aus dem gesamten besetzten Gebiet der Ukraine, einschließlich der Krim, zurückziehen muss – einfach nicht die Realität auf dem Schlachtfeld widerspiegelt.
Wenn der aktuelle Zustand für China hinnehmbar ist, warum schickt Peking dann einen Friedensbotschafter wie Li Hui ins Ausland?
Lassen Sie sich nicht von der Optik ablenken. Es gibt den offiziellen Auftrag, der lautet: Wir wollen Verhandlungen führen. Wir wollen herausfinden, wie die Positionen sind und sie zusammenbringen. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei eher um eine Mission zur Informationssammlung als um einen Friedensansatz. Li Hui möchte vor allem herausfinden, wann der richtige Zeitpunkt für China sein könnte, aktiver einzugreifen, oder wenn es noch nicht der richtige Zeitpunkt ist, sich zurückzuhalten.
Und der andere Teil?
Der andere große Teil von Li Huis Mission besteht darin, das globale Publikum in den Entwicklungsländern, im sogenannten globalen Süden, zu beeinflussen. Dort sagt China ständig: Schaut her, China ist das einzige Land, das einen Sondergesandten für Frieden hat, der sowohl nach Moskau als auch nach Kiew und in alle regionalen Hauptstädte reist. Wer macht das sonst noch – Europa? Die USA? Nur China.
Aber Scholz hat einen guten Draht zu China. Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck werden in Peking deutlich kritischer gesehen. Ist das die Stärke des good cop, bad cop oder eher eine Schwäche gegenüber China?
Meiner Meinung nach ist es eine Schwäche. Es wäre vorteilhafter, mit einer Stimme zu sprechen, gerade bei einem so wichtigen außenpolitischen Thema. Denn davon wird nur China profitieren. Peking wird einen Keil in diese Differenzen treiben. Das gilt nicht nur für die deutsche Regierungskoalition, sondern auch für die gesamte Europäische Union. Und kritisieren Sie dafür bitte nicht China.
Angesichts der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten drängt sich auch noch die Frage auf: Könnte China das Verhalten Irans beeinflussen?
Wir haben seit dem Terroranschlag vom 7. Oktober keine aktive Rolle Chinas in der regionalen Diplomatie mehr gesehen. Ich teile nicht die Hyperventilation hinsichtlich der Fähigkeit Pekings, sich in der regionalen Diplomatie zu engagieren.
Aber im vergangenen Jahr hat China ein Abkommen zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien vermittelt. Einige glaubten damals schon, China könnte die USA als regionale Ordnungsmacht ablösen.
Ja. Nur wird dies nicht durch Fakten gestützt. Zwischen Teheran und Riad wurde eine Vereinbarung zur Stabilisierung der Beziehungen getroffen. Die beiden fanden in Peking einen Akteur, der vor allem die Logistik für die Gespräche bereitstellte. Aber auch diese Vereinbarung besteht seither größtenteils auf dem Papier. Aktuell tut China nichts, damit die Houtis nicht weiter den Welthandel stören. Die Situation zwischen Iran, Israel und anderen Staaten ist, gelinde gesagt, sehr kompliziert. China weiß das und möchte nicht beteiligt und schon gar nicht verantwortlich sein.
Alexander Gabujew ist Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center. Er leitet ein Team von Analysten, die früher Mitarbeiter des Carnegie Moscow Center waren, das 2022 vom Kreml geschlossen wurde. Seine eigene Forschung konzentriert sich auf die russische Außenpolitik, den Krieg in der Ukraine und die chinesisch-russischen Beziehungen.
Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sieht nach seiner China-Reise und einem Treffen mit Chinas Außenminister Wang Yi eine sanfte Distanz Chinas zu Russland, die bei dem Treffen von Chinas Staatschef Xi Jinping und Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Dienstag eine Rolle spielen könnte. “Mein Eindruck ist, dass man in China bereit ist, mit den deutschen Kollegen nicht nur über eine Wiederholung der Erklärung zur Nicht-Zulässigkeit eines russischen Einsatzes nuklearer Waffen zu sprechen, sondern sogar diese Erklärung zuspitzen könnte”, sagte Ischinger zu Table.Briefings.
Ischinger war vergangene Woche in Peking zu einem 30-minütigen Treffen mit Wang Yi zusammengekommen. Der Außenminister Chinas ist seit 2023 auch Direktor der Zentralen Kommission für Auswärtige Angelegenheiten in der KP und damit der ranghöchste Außenpolitiker Chinas.
Der Besuch von Scholz in China sei daher “auch im Timing von besonderer Bedeutung”, sagte Ischinger. Es gebe eine offizielle Linie in China als “fortwährender Partner Russlands”, aber es gebe auch eine inoffizielle Linie, die ein Ende des Konflikts herbeisehnt, weil dieser wirtschaftspolitische Auswirkungen in den Beziehungen zu den westlichen Industriestaaten habe.
Die Beziehung zu Russland sei ohnehin keine Partnerschaft auf Augenhöhe, so Ischinger. “China ist Herr im Haus.” Es gebe eine weit verbreitete Erzählung in China, dass Putin “einen dicken Bock geschossen hat, mit dem Angriff, mit falschen Zielsetzungen und nicht erreichbaren Zielsetzungen”, berichtet Ischinger und verweist auf seine Gespräche.
China sei bei der Nuklearfrage außerdem besonders sensibel, weil sich China an den militärischen Grenzkonflikt mit Russland 1969 am Ussuri erinnere, wo Russland kurz vor der Niederlage auch China gegenüber mit einem Nuklearschlag gedroht habe. “Die älteren Herrschaften in Peking wissen ganz genau, dass sie auch schon mal bedroht worden sind von Russland.” brö
Bundeskanzler Olaf Scholz hofft auf einen stärkeren Wissenschaftsaustausch mit China. Man brauche diesen Austausch, sagte Scholz am Montag an der Tongji-Universität in Shanghai. Während der Corona-Zeit hätten die Kontakte deutlich abgenommen, was nicht gut sei. “Aber nun ist es wieder anders. Insofern hoffe ich, dass die Gespräche wieder zunehmen, die wechselseitigen Besuche auch“, sagte Scholz am zweiten Tag seiner dreitägigen China-Reise. Er verwies auf die chinesischen Studenten in Deutschland und es sei gut, dass die Zahl der deutschen Studenten in China wieder zunehme.
In den vergangenen Jahren war die Zusammenarbeit mit China in der Forschung wegen der geopolitischen Spannungen und aus Sicherheitsgründen kritisch diskutiert worden. Scholz sagte, er wolle mit der Führung in Peking am Dienstag über internationale Fragen wie Klimawandel, Sicherheit und Stabilität sowie das Zusammenwachsen der Welt sprechen. rtr/rad
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Studierenden in Shanghai versichert, dass der Konsum von Cannabis keine Voraussetzung für einen Universitätsbesuch in Deutschland ist. Er reagierte am Montag während eines Auftritts in der Tongji-Universität auf die Frage eines chinesischen Studenten, der in Berlin studieren will und fragte, ob er Cannabis in Deutschland konsumieren müsse.
“Die Antwort ist ganz einfach: nicht rauchen. Dieses Jahr werde ich 66 und ich habe noch nie Cannabis geraucht”, sagte Scholz. “Wir wollen nicht, dass mehr Leute Cannabis konsumieren, sondern weniger, dass mehr öffentliche Aufklärung darüber existiert”, erläuterte der Kanzler die seit kurzem greifende Cannabis-Teillegalisierung in Deutschland. Die Bundesregierung wolle Cannabis “aus dem grauen Bereich herausholen”.
Cannabis ist in China verboten. 1985 unterschrieb die Volksrepublik das Übereinkommen über psychotrope Stoffe der Vereinten Nationen. Wer beim Konsum der Substanz erwischt wird, kann bis zu 15 Tage inhaftiert und mit einer Geldstrafe belegt werden. Dennoch wird Cannabis für industrielle oder medizinische Zwecke teilweise als legal eingestuft. rtr/grz
Die Tierschutzgruppe Humane Society International (HSI) warnt vor einem erhöhten Risiko von Krankheits-Übertragungen vom Tier auf den Menschen in China. HSI hatte Ende vergangenen Jahres fünf Pelzfarmen in der Volksrepublik auf die Risiken untersucht. Auf den Farmen in den Provinzen Hebei und Liaoning, wo Füchse, Marderhunde und Nerze gehalten werden, wurden jeweils zwischen 2.000 und 4.000 Tiere unter intensiven Bedingungen gehalten, auch in unmittelbarer Nähe von Geflügel, sagte HSI. Fotos und Aufnahmen von HSI zeigten dicht zusammengedrängte Tiere in kleinen Käfigen mit Drahtgitterböden.
Alastair MacMillan, Gastprofessor an der Veterinärschule der Surrey University, sagte nach Sichtung des Materials von HSI, dass die hohe Besatzdichte der Tiere die schnelle Ausbreitung von Viren über Tröpfchen von einem zum anderen und möglicherweise auch zum Menschen begünstige. “Die schnelle Zirkulation und Vermischung verschiedener Virusstämme von Tier zu Tier erleichtert ihre Anpassung an einen Säugetierwirt, die Entwicklung besorgniserregender Mutantenstämme und eine größere Wahrscheinlichkeit einer drohenden Infektion beim Menschen.”
MacMillan sagte, das Filmmaterial sei unter den Aspekten Krankheits-Übertragung und öffentlicher Gesundheit äußerst besorgniserregend, zumal bekannt sei, dass wegen ihres Pelzes gezüchtete Tiere anfällig für Atemwegsviren seien, die Menschen infizieren können. Daten aus den frühen Tagen der Covid-19-Pandemie, die im vergangenen Jahr von chinesischen Wissenschaftlern kurzzeitig in eine Datenbank hochgeladen wurden, deuten darauf hin, dass die Haltung von Marderhunden möglicherweise auch daran beteiligt waren, dass das Coronavirus Menschen erreichte. rtr
Die chinesische Staatssicherheit hat die Bürger der Volksrepublik vor möglichen Konsequenzen von Spionage für ausländische Akteure gewarnt. Im Rahmen einer Kampagne zum Bildungstag der Nationalen Sicherheit verbreitete das Ministerium über staatliche Medien umfangreiches Filmmaterial zu mehreren Spionage-Fällen der vergangenen Jahre.
Unter anderem ging es dabei um den Fall eines Wissenschaftlers namens Huang Yu, der 2016 hingerichtet wurde. Erstmals räumte die Staatssicherheit öffentlich ein, dass der Mann Informationen über Chinas militärische Kommunikation an die USA weitergegeben haben soll. In einer separaten Erklärung vom Montag warnte das Ministerium, es werde im Rahmen des Gesetzes daran arbeiten, “scharfe Waffen herzustellen”, um gegen Spionage vorzugehen.
Chinas Staatsmedien wollen mit dieser Kampagne das Bewusstsein dafür zu schärfen, was Peking als Bedrohung durch ausländische Spione ansieht. Der Tag zur Förderung des nationalen Sicherheitsbewusstseins und der Wachsamkeit der Bürger war vor neun Jahren unter Präsident Xi Jinping eingeführt worden. Explizit wurde zudem auf erhöhte Gefahr in den Bereichen Seltene Erden und Landwirtschaft hingewiesen.
Die Warnungen richten sich auch an ausländische Unternehmen, die in der Informationsbeschaffung in China arbeiten. Die jüngste Version des Anti-Spionage-Gesetzes könnte bislang legale Geschäftsaktivitäten kriminalisieren. rtr/grz
Geopolitik gehört spätestens seit Russlands Angriffskrieg zu den Top-Prioritäten von CEOs und Vorständen. Laut einer Umfrage von Heydrick & Struggles stehen geopolitische und makroökonomische Unsicherheiten ganz oben auf den Agenden in den Unternehmenszentralen. Die großen Themen sind China, der Krieg in der Ukraine, eine weitere Eskalation im Nahen Osten und das Risiko einer zweiten Trump-Präsidentschaft.
Bei Risikobetrachtungen zu China fällt eine wachsende Kluft zwischen Teilen der Politik und der Wirtschaft auf: Während EU-Kommission, Auswärtiges Amt und Sicherheitsbehörden die Unternehmen zum “De-Risking” auffordern, machten mitreisende DAX-CEOs bei der jüngsten China-Reise des Bundeskanzlers deutlich: Ohne China geht es für sie nicht, das Land bleibt ein zentraler Absatzmarkt und Technologiepartner.
Noch größer wird diese Kluft beim Blick über den Atlantik: In den USA wird der Ton gegenüber China parteiübergreifend immer kritischer bis alarmistisch – was sich im Wahlkampf noch verschärfen dürfte. Jüngste Gespräche im Weißen Haus und dem Kongress haben dies gezeigt und eine Reihe von Publikationen bestätigen dies. So hat das US-Repräsentantenhaus einen Report mit dem vielsagenden Titel “Wie amerikanisches Risikokapital das Militär der Volksrepublik China und Menschenrechtsverletzungen nährt” veröffentlicht. Auf dem Feld der Technologie ist eine “Entkoppelung” zwischen den USA und China bereits im vollen Gange, wie die US-Exportrestriktionen bei Halbleitern oder schärfere “Outbound”-Investitionskontrollen bei Biotechnologie oder Artificial Intelligence zeigen.
Noch können diese Maßnahmen als “Tech-Containment” eingeordnet werden, jedoch sprechen immer mehr einflussreiche Stimmen von einem “neuen Kalten Krieg” (Niall Ferguson) gegenüber China, gerade vor dem Hintergrund der Unterstützung Russlands mit kriegsrelevanten Gütern wie Panzerteilen, Satellitenbildern oder Raketentreibstoff, die die US-Regierung benennt.
Auch deshalb fordert die Marathon Initiative, in deren Reihen einige republikanische Sicherheitspolitiker “überwintern”, eine Fokussierung des US-Militärs auf eine direkte Abschreckung Chinas. Dazu passende Kriegsszenarien spielt das renommierte Center for Strategic & International Studies durch. Im Trump-Lager haben Thinktanks Programme für eine republikanische Machtübernahme entwickelt – alle mit überaus kritischen Positionen zu China. Das gilt sowohl für sicherheitspolitische als auch in Handelsfragen, so die Heritage Foundation in ihrem 920-seitigen Strategiepapier “Project 2025”, das Center for Renewing America oder das America First Policy Institute.
Warum sollten sich hiesige Unternehmen mit diesen Debatten beschäftigen? Weil das Verhältnis zwischen den USA – als dem anderen strategischen Markt für die europäische Industrie – und China die zentrale Achse der internationalen Politik im 21. Jahrhundert ist und erhebliche Auswirkungen auf Welthandel, Energie- und Rohstoffsicherheit, Lieferketten und Kapitalmärkte hat. Damit betrifft es langfristig Unternehmensstrategien, Geschäftsmodelle und Investitionsplanung von global tätigen Unternehmen.
Diese wären also gut beraten, durchzuspielen, was ein “Kalter Krieg 2.0” für sie bedeuten würde. Ausgangspunkt sollte dabei die realistische Annahme sein, dass die Abhängigkeit Deutschlands von den USA mittelfristig hoch bleibt (Nato, nuklearer Schutzschirm) und die Annahme, dass die Vereinigten Staaten als Markt auch unter Trump ihren Wettbewerbsvorteil bei Energiepreisen, Finanzkraft und Technologie behalten oder ausbauen dürften.
Sollte es zu einer Verschärfung des Konfliktes zwischen den USA und China kommen, wird Washington von seinen Verbündeten verlangen – und Hebel dafür einsetzen -, sich auf seine Seite zu stellen. Dem könnten sich auch europäische Unternehmen nicht entziehen – und würden dann im Gegenzug stärker ins Visier der chinesischen Seite geraten. Möglich wären etwa höhere bürokratische Hürden, politisch motivierte Beschränkung von Geschäftstätigkeiten, verstärkte Exportkontrollen etwa bei kritischen Rohstoffen, schärfere Kapitalmarktkontrollen oder eine Erschwerung des Zugangs zum Südchinesischen Meer. Auch vor Handelsblockaden gegenüber Taiwan, stärkeren Cyberangriffen oder steuerlichen (Straf-)Maßnahmen warnen Fachleute.
Zu hoffen ist, dass es dazu nicht kommen wird und der Handel mit China so offen wie möglich bleibt. Aber schon im Sinne der Business Judgement Rule sind Vorstände angehalten, solche Szenarien durchzuspielen. Das ist auch eine Verantwortung gegenüber Anteilseignern, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit. Keiner möchte einen neuen Kalten Krieg. Aber auf ihn vorbereitet zu sein, ist ein Gebot guter Unternehmensführung.
Jan F. Kallmorgen ist Partner der Strategie- und Transaktionsberatung bei Ernst & Young und berät mit seinem Team Unternehmen und Investoren zu geostrategischen Fragen.
Frank Schulze ist seit Ende März Vorstandsvorsitzender der Deutschen Handelskammer Ostchina. Schulze ist zugleich Chef von DB Cargo Transasia in Shanghai.
Jun Huang ist seit Februar General Manager der Nordics/Baltics Utility Business Group beim chinesischen Solar-Hersteller Longi. Er war zuvor General Manager bei Keenon Robotics für Europa, den Nahen Osten und Afrika.
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Junge Chinesen haben einen unscheinbaren Park in Chengdus Stadtteil Yulin in ein kleines Disneyland verwandelt. Wo sich vorher vor allem Rentner die Zeit an Gymnastikgeräten vertrieben, kommen nun Jugendliche in Kostümen bekannter Disneyfiguren zusammen, filmen Videos und hören Musik. Entstanden ist der Hype durch den Streit zweier Rapper der beliebten Castingshow “The Rap of China”. In einem gegen seinen Kontrahenten Xiedi gerichteten Song erklärte der ausgeschiedene Rapper Nuomi “Xièdì, wǒ yào diss nǐ 谢帝,我要diss你”. Das englische Verb “dissen”, das im Hiphop-Slang für die Verunglimpfung des Gegenübers steht, klang laut den Fans wie der chinesische Name für Disney: Díshìní 迪士尼. Das dazugehörige Musikvideo, das in jenem Park gedreht wurde, ging viral und inspirierte so die erstaunliche Vermischung zwischen On- und Offline-Welt.