Table.Briefing: China

Sachsens Taiwan-Büro + Reform im Stromsektor

Liebe Leserin, lieber Leser,

eine bemerkenswerte Verbindung wurde diese Woche in Taipeh besiegelt: Über ein neu eröffnetes Verbindungsbüro will das Land Sachsen mit dem taiwanischen Halbleiter-Weltmarktführer TSMC in Zukunft gemeinsame Sache machen. Um das neue Chip-Werk in Dresden mit Fachkräften zu bestücken, öffnet TSMC für die Sachsen erstmals seine internen Trainingszentren. Die europäische Chip-Elite von morgen, sie könnte bald also tatsächlich aus Ostdeutschland kommen.

Dass es so weit kommen konnte, hat Deutschland auch dem Besuch von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Taiwan zu verdanken, schreibt die taiwanische Journalistin Wen-Yee Lee, die bei der Eröffnung des Büros vor Ort war. Stark-Watzinger hatte im März als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit 26 Jahren die demokratisch regierte Insel besucht. Das rechnet man ihr dort hoch an.

China macht bei seiner lange angekündigten Strommarktreform nun auch Nägel mit Köpfen. Wichtigstes Element ist dabei ein nationaler Spotmarkt, der den Stromtransfer zwischen den Provinzen verbessern und es möglich machen soll, Strom nahezu in Echtzeit zu handeln. Das heißt: Bei gutem Wetter gibt es günstig erneuerbare Energie aus den Netzen. Bei Flaute oder Bewölkung können Erneuerbare aus anderen Provinzen importiert werden. Bislang hatten die einzelnen Regionen ihr eigenes Energiesüppchen gekocht.

Langfristig könnte der noch immer dominante Kohlestrom so langsam aber sicher aus dem Netz gedrängt werden, schreibt Nico Beckert. Es gilt aber noch einige Hürden zu nehmen. Lokale Kader und staatliche Energieanbieter sind von starken Eigeninteressen geleitet und stehen einem effizienten Gesamtsystem noch oft im Wege. Außerdem würde ein freier Strommarkt die Preise nach Angebot und Nachfrage regeln. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten will Peking diese Zügel möglicherweise nicht so leichtfertig aus der Hand geben.

Ihr
Fabian Peltsch
Bild von Fabian  Peltsch

Analyse

Sachsen will von Taiwan lernen

Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU), TSMC-Vize Lora Ho und die Rektorin der TU Dresden, Ursula Staudinger bei der Eröffnung des Verbindungsbüros in Taiwan.

Es ist ein technologischer Schulterschluss zwischen Sachsen und Taiwan: Das deutsche Bundesland hat am Montag ein staatlich finanziertes, wissenschaftliches Verbindungsbüro in Taipeh eröffnet. Von dort will man den Studenten- und Fachkräfteaustausch zwischen Taiwan und Sachsen fördern. Ein offenbar logischer nächster Schritt, nachdem Taiwans größter Chiphersteller TSMC im vergangenen Monat bestätigt hatte, eine Chipfabrik in Dresden zu bauen.

Das wissenschaftliche Verbindungsbüro wird von der TU Dresden betrieben, die am Dienstag eine trilaterale Kooperationsvereinbarung mit Sachsen und TSMC für ein Talent-Förderungsprogramm in Taiwan unterzeichnete. “Es geht darum, mehr und mehr Studenten der Ingenieur- und Naturwissenschaften für den Halbleiterbereich zu interessieren”, sagte Ursula Staudinger, Präsidentin der TU Dresden, bei der Eröffnungsfeier des Büros in Taipeh.

Ausbildung für Sachsens Chip-Elite von Morgen

Das neue Büro dient also als zentrale Anlaufstelle für taiwanesische Studierende, die eine Ausbildung in Sachsen anstreben, und für sächsische Studierende, die in Taiwan studieren wollen. Im Rahmen der Talent-Inkubations-Initiative werden jährlich bis zu 100 Studierende von elf sächsischen Universitäten die Möglichkeit haben, in Taiwan zu studieren und mit staatlicher Unterstützung ein Praktikum bei TSMC zu absolvieren. Die weltweit führenden taiwanischen Chip-Experten bilden damit erstmals ausländische Studierende in ihrem internen Trainingszentrum zu Chip-Fachkräften aus. Und davon soll natürlich vor allem auch das Werk in Dresden profitieren.

Weltweit fehlt es der Chip-Industrie an Fachkräften. “Wir brauchen maßgeschneiderte Curricula in der akademischen Ausbildung, die sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientieren, insbesondere im Bereich der Mikroelektronik”, sagte Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow. “Wir organisieren einen echten Fachkräfteaustausch auf der Basis von Hochschulkooperationen.” Hinsichtlich möglicher kultureller Unterschiede hat er keine Bedenken.

Auch für viele Taiwaner kommt die Zusammenarbeit zwischen der Eliten-Schmiede und dem Land Sachsen überraschend. Der Besuch der deutschen Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im März dürfte dafür den Weg geebnet haben. Es war das erste Mal seit 26 Jahren, dass ein deutsches Kabinettsmitglied Taiwan besuchte. Für die deutsch-taiwanischen Beziehungen ein Meilenstein, den ihr viele auf der Insel hoch anrechnen.

Auch die Taiwaner hoffen auf Know-how aus Deutschland.

Eine Delegation von TSMC besuchte vergangene Woche auch die TU Dresden, um das Inkubationsprogramm zu besprechen. “Wir wissen, wie wichtig es ist, in die Entwicklung von Talenten zu investieren, um Innovationen voranzutreiben. Dieses Programm spiegelt unser Engagement wider, das Wachstum und die Entwicklung der Industrie in Europa und darüber hinaus zu unterstützen”, sagte Lora Ho, Senior Vice President von TSMC, bei einer Unterzeichnungsveranstaltung in Taichung, wo sich ebenfalls ein Ausbildungszentrum befindet.

Ho fügte hinzu, dass TSMC von den teilnehmenden Studierenden nicht verlangen wird, dass sie nach Abschluss des Programms in das Unternehmen eintreten. Sie deutete jedoch an, dass das Unternehmen durch die Ausbildung von mehr Studierenden seine Chancen erhöht, Talente in Deutschland zu gewinnen. Auch die Taiwaner hoffen aus Know-how aus Deutschland. Bis 2030 will TSMC Tausende Fachkräfte für neue Werke in den USA, Japan und eben Deutschland rekrutieren. “Wir müssen uns auf den drohenden Fachkräftemangel vorbereiten und weltweit Fachkräfte ausbilden”, erklärt Ho.

Staudinger wies darauf hin, dass die TU Dresden und TSMC auch Forschungspartnerschaften anstreben, insbesondere angesichts der Stärken der Universität in den Bereichen fortgeschrittene Materialwissenschaften sowie Mikro- und Nanoelektronik. “Es ist diese Mischung aus interdisziplinär vernetzter Forschung für die Halbleiterindustrie, bei der wir sehr gut mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von TSMC zusammenpassen”, sagte sie.

Verzögerungen bei Chipfabrik in Arizona

Neben Sachsen richten auch immer mehr US-Bundesstaaten Investitionsbüros in Taiwan ein. Dabei geht es aber weniger um die Zusammenarbeit in Bildung und Forschung, sondern darum, mehr Unternehmen in die Region zu locken. Ganz reibungslos läuft das nicht. Beim Bau einer Chipfabrik von TSMC in Arizona kam es zuletzt zu Verzögerungen, sodass der Produktionsbeginn aufgrund eines Mangels an Fachkräften vor Ort von 2024 auf 2025 verschoben werden musste.

TSMC hat erfahrene Techniker aus Taiwan entsandt, um den Prozess zu beschleunigen. Die Eröffnung des sächsischen Verbindungsbüros für Wissenschaft fiel nun mit einem Besuch der Gouverneurin von Arizona, Katie Hobbs, zusammen, die in der Nähe an einer Veranstaltung zum US-Wirtschaftstag teilnahm.

Im Hinblick auf den Arbeitskräftemangel und die kulturellen Unterschiede in Arizona hat Hobbs mehrere Initiativen angekündigt, um qualifizierte Arbeitskräfte zu fördern. “Wir stellen weiterhin sicher, dass wir die benötigten qualifizierten Arbeitskräfte haben, sowohl im Bereich der fortgeschrittenen Fertigung als auch im Bauwesen”, sagte sie. Wen-Yee Lee, Fabian Peltsch

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Mehr Chancen für Erneuerbare durch Strommarktreform

Die chinesische Regierung hat neue Regeln zum Aufbau von Spotmärkten für den Stromhandel veröffentlicht. Die Regeln seien ein “Meilenstein für die Schaffung eines einheitlichen nationalen Strommarktes”, sagt Yan Qin, Energieexpertin bei der Analysefirma Refinitiv. Das könnte nach Meinung von Experten Kohlestrom aus dem Netz drängen und günstigerem Strom aus Erneuerbaren den Weg ebnen. Mit einer weitgehenden Strommarktreform könnten die chinesischen CO₂-Emissionen bis 2035 um gut ein Drittel sinken, rechnet die Internationale Energieagentur vor.

Bisher wenig Stromhandel über Provinzgrenzen

Trotz 20 Jahren Reformbemühungen gibt es bisher keinen einheitlichen Strommarkt in China. Das begünstigt bisher den Kohlestrom. Die mehr als 20 Provinzen setzen oft eher auf Eigenständigkeit, statt auf den Stromhandel mit Nachbarprovinzen. Die Folge: Statt grünen Strom aus Nachbarprovinzen zu importieren, wurden neue Kohlekraftwerke gebaut.

Bisher basiert der Stromhandel in China auf einem Mix aus langfristigen Verträgen und Regierungsvorgaben, mit denen Preise kontrolliert werden. Zum großen Teil sind das Mittel- und Langfristverträge innerhalb von Provinzen. Der Handel über Provinzgrenzen hinaus ist ebenso wie kurzfristiger Spothandel noch sehr eingeschränkt und findet größtenteils in Pilotprojekten statt. 

Dabei sind Spotmärkte wichtig, um Strom nahezu in Echtzeit zu handeln. Die jetzt veröffentlichten Pläne sollen den Markt liberalisieren und kurzfristigen Handel vorantreiben, so Experten. “Ein funktionierender Stromhandel könnte den Bedarf an Kohlekraftwerken drastisch reduzieren und die Integration großer Mengen variabler, sauberer Stromerzeugung erleichtern”, schreibt Lauri Myllyvirta, Energie-Experte des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) auf der Plattform X, ehemals Twitter. Denn derzeit entstehen in den Wüsten im Westen Chinas riesige Wind- und Solarparks. Sie sollen Strom für die Industrie an den Küsten im Osten und Süden des Landes liefern. Das aber erfordere einen funktionierenden nationalen Strommarkt, schreiben die Analysten der Beratungsfirma Trivium China.

IEA: Mit Strommarktreform weniger CO₂-Emissionen

Ein landesweiter Spotmarkt als Ergänzung zum langfristigen Stromhandel hieße: Bei gutem Wind und guter Sonne drängen günstige erneuerbare Energien Kohlestrom aus den Netzen. Bei Flaute oder Bewölkung könnten Erneuerbare aus anderen Provinzen importiert werden. Dann müssten nicht wie derzeit die eigenen Kohlekraftwerke hochgefahren werden. Laut Myllyvirta würde ein funktionierender Stromhandel den Bau von neuen Kohlekraftwerke überflüssig machen. Laut Internationaler Energieagentur könnte eine weitreichende Strommarktreform im Jahr 2035 eine Emissionsminderung von bis zu 38 Prozent bewirken.

Yan Qin schränkt jedoch auch ein, dass die neuen Pläne nur der Anfang sind. “Es ist noch ein langer Weg, bis die Spotmärkte voll funktionsfähig sind. Ich denke, dass es noch bis 2030 dauern wird”, schreibt die Expertin auf X. Zwar erleichtern es die neuen Pläne, erneuerbare Energien in den Stromhandel aufzunehmen. Allerdings brauche es noch genauere Vorgaben und Umsetzungsbeschlüsse, so Qin.

Interessen der Provinzen bremsen Reform

Bisher sind die Provinzen für die Organisation und Reform der Strommärkte verantwortlich. Dabei stünden manchmal “starke Eigeninteressen” einem effizienten Gesamtsystem im Weg, sagt Myllyvirta. Staatliche Energieunternehmen nutzten für ihre eigenen Kraftwerke lieber Kohle aus der eigenen Provinz. Denn die Provinzen sichern so Arbeitsplätze in den Kohleminen und -kraftwerken und setzen auf Selbstversorgung. “Die chinesischen Provinzen sind hochgradig merkantilistisch und bevorzugen die lokale Produktion, selbst wenn diese bei weitem nicht kostenoptimal ist”, so Myllyvirta.

Ein Stromhandel über Provinzgrenzen ist also im nationalen und internationalen Interesse, nicht aber unbedingt im Interesse der einzelnen Provinz. Auch deswegen schlägt die Internationale Energieagentur in einem Bericht aus dem April 2023 vor, dass nationale Institutionen den Umbau des Stromhandels stärker koordinieren sollten. Dafür allerdings müsste auch das nationale Stromnetz ertüchtigt werden, um die Energieflüsse zu gewährleisten. 

Doch ein nationaler Stromhandel bedeute einen kompletten Umbau des bestehenden Systems, schreiben die Analysten von Trivium China: “Chinas Energiewende wird zu seismischen politisch-wirtschaftlichen Umwälzungen führen, die in verschiedenen Provinzen und Branchen neue Gewinner und Verlierer hervorbringen werden”. Außerdem entstehen auf einem freien Strommarkt die Preise nach Angebot und Nachfrage – und entziehen sich dem politischen Einfluss Pekings. Ob die Zentralregierung in wirtschaftlichen schweren Zeiten mit einem steigenden Strompreis leben könnte, ist ungewiss. Aus all diesen Gründen wird die Zentralregierung den Stromhandel weiterhin wohl nur vorsichtig reformieren.

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News

Deutsche Investitionen in China fast Rekordwert

Trotz der politischen Debatte um ein De-Risking gehen deutsche Direktinvestitionen einer Studie zufolge verstärkt nach China. Unternehmen investierten dort im ersten Halbjahr 10,3 Milliarden Euro, wie aus einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Dies war zwar ein leichter Rückgang zum Rekordniveau von zwölf Milliarden Euro in den ersten sechs Monaten 2022, aber der zweithöchste Wert überhaupt.

In allen ersten Halbjahren zwischen 2010 und 2020 wurde maximal halb so viel neu in China investiert, in der Regel deutlich weniger. “Der Drang nach China ist also weiter auf hohem Niveau”, heißt es in der Studie. Der Anteil Chinas an allen deutschen Direktinvestitionsströmen ins Ausland kletterte sogar auf 16,4 Prozent. “So bedeutsam war das Land in Relation zum übrigen Ausland noch nie”, sagt IW-Experte Jürgen Matthes. Denn Chinas Anteil an den gesamten Auslandsinvestitionen lag im ersten Halbjahr 2022 nur bei 11,6 Prozent und vor der Corona-Krise 2019 bei 5,1 Prozent.

Insgesamt fielen die deutschen Direktinvestitionsflüsse ins Ausland im ersten Halbjahr 2023 mit 63 Milliarden Euro hingegen deutlich niedriger aus als im Vorjahreszeitraum mit 104 Milliarden Euro. “Insgesamt ist der Trend nach China auch in diesem Jahr weitgehend ungebrochen”, sagt Matthes. “Obwohl die deutsche Wirtschaft insgesamt sehr viel weniger zusätzlich im Ausland investiert, bleiben die neuen Direktinvestitionen in China fast so hoch wie zuvor.” Der Großteil des Geldes stamme aus in China erzielten und dann reinvestierten Gewinnen.

Der Anteil des übrigen Asiens lag im ersten 2023 Halbjahr bei knapp neun Prozent. Dies bezeichnete der IW-Forscher als vergleichsweise, “aber auch nicht außergewöhnlich hoch”. Chinas Anteil dagegen sei deutlich gestiegen. “Es ist also nicht zu einer Diversifizierung weg von China gekommen, im Gegenteil: Chinas Bedeutung relativ zum übrigen Asien hat noch weiter zugenommen.” Es sei insgesamt bemerkenswert, dass fast ein Viertel der deutschen Direktinvestitionen zuletzt nach Asien geflossen seien. rtr/ari

  • Decoupling
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Unwetterwarnungen nach tödlichem Tornado

Die chinesischen Wetterbehörden haben am Mittwoch erneut vor starkem Regen und Wind in mehreren Regionen Chinas gewarnt. Am Dienstag hatte bereits ein Tornado in der östlichen Provinz Jiangsu Verwüstungen angerichtet und zehn Menschen getötet. Bilder in den sozialen Medien zeigten umgekippte Autos, umgestürzte Stromleitungen und umherfliegende Trümmer.

Laut dem Fernsehsender CCTV waren zwei Gebiete in der Provinz betroffen – Suqian und Yancheng. Fünf Menschen wurden getötet und vier schwer verletzt, als der Tornado in Suqian plötzlich in ein dicht besiedeltes Gebiet einschlug, mehr als 1.600 Häuser beschädigte und hektarweise die Ernte verwüstete. Der Tornado zog dann durch Yancheng und tötete fünf weitere Menschen und verletzte vier weitere, wie CCTV berichtete. Wetterwarnungen wurden am Mittwoch auch für die südwestliche Region Chongqing, mehrere Gebiete im südwestlichen Guizhou, das südliche Hunan, das östliche Anhui und das zentrale Hubei ausgegeben. rtr

  • Klima
  • Unwetter

Prozess gegen MeToo-Journalistin beginnt

Ende der Woche beginnt vor dem Volksgerichtshof in Guangzhou der Prozess gegen die feministische Journalistin Sophia Huang Xueqin. Huang wurde vor zwei Jahren wegen “Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht” inhaftiert. Wie ihr Anwalt berichtet, soll der Prozess Freitag um 9:30 Uhr stattfinden. Mit ihr vor Gericht steht der Gewerkschaftsaktivist Wang Jianbing, der damals zur gleichen Zeit verhaftet wurde.

Huang unterstützte mit ihrer Berichterstattung die #MeToo-Bewegung in China. Sie hatte unter anderem Fälle von sexueller Belästigung in der Journalismus-Branche und an chinesischen Universitäten aufgedeckt. Die heute 34-Jährige nahm im Sommer 2019 außerdem in Hongkong an einer Demonstration gegen das geplante Auslieferungsgesetz teil. Nach ihrer Rückkehr nach Festlandchina wurden ihre Reisedokumente beschlagnahmt, was sie daran hinderte, im Herbst 2019 ein Jurastudium in Hongkong aufzunehmen.

Huang befindet sich derzeit im Guangzhou No. 1 Detention Center. Eine enge Freundin von ihr erklärte gegenüber Radio Free Asia, dass Wang in der Haft Schlafentzug und Unterernährung ausgesetzt worden sei. “Sie hat in kurzer Zeit an Gewicht verloren und seit mehr als fünf Monaten keine Menstruation mehr gehabt”, berichtete die Freundin. In den vergangenen zwei Jahren soll Huang zudem unter Kalziummangel, niedrigem Blutdruck und Blutzucker gelitten haben. Organisationen wie “Reporter ohne Grenzen” fordern seit längerem die Freilassung der Journalistin. fpe

  • Gesellschaft
  • Menschenrechte

Wirtschaftsweise: EU-Prüfung hemmt Transformation der Autobranche

Deutschland muss sich nach Ansicht des Expertenkreises zur Transformation der Automobilbranche so schnell wie möglich unabhängig von Rohstoffen aus China machen. Die Experten sprachen sich in einem am Mittwoch veröffentlichten Papier für langfristige Strategien aus, die von Politik und Unternehmen erarbeitet werden müssten. Es brauche neue Handelsabkommen, Rohstoffpartnerschaften mit anderen Ländern sowie Garantien und Kredite für Rohstoffprojekte. Auch ein Rohstofffonds, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürwortet, sehen die Experten als angebracht.

Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, die die Vorsitzende der Expertenkommission ist, stellte allerdings fest: “So schnell werden wir von China nicht loskommen.” Nötig seien daher langfristig wirkende Maßnahmen. “Es muss jetzt investiert werden.” Dann könnte Deutschland in zehn Jahren davon profitieren. Der Expertenkreis verwies auch auf die Bedeutung von Halbleitern, die einen zunehmenden Teil der Wertschöpfung in Fahrzeugen ausmachten. Ziel müssten hier robuste Lieferketten mit vertretbaren Risiken sein.

Klare Meinung zu Strafzöllen

Eine Prüfung von Strafzöllen auf chinesische Elektroauto-Importe, wie sie die EU-Kommission angekündigt hat und die auf scharfe Kritik aus Peking stieß, hält Schnitzer dagegen für keine gute Idee. Diese würde Anpassungen in der Branche verzögern. “Es ist wichtiger zu schauen, dass man schneller in die Gänge kommt, um die eigenen Produkte konkurrenzfähiger zu machen”, sagte die Expertin.

Es sei immer ein falscher Weg zu denken, dass man mit Schutzmaßnahmen den Standort retten könne. Die Industrie müsse in die Offensive gehen und schauen, wie man es besser schaffe. “An der Stelle geht es ja in erster Linie um die kleineren E-Autos, die man auf die Weise von unserem Markt fernhalten würde. Bei kleineren Autos bekommen wir die Menge nur auf die Straße, wenn wir sie importieren.” Noch bessere wäre es, sagte Schnitzer, die Autos würden in Deutschland produziert und verwies dabei auf Überlegungen von BYD, in Deutschland zu Produktionsstätten zu errichten. rtr

  • Wirtschaft

Eskelund setzt auf Besuch von EU-Kommissar

Die Europäische Handelskammer in China hofft beim anstehenden Besuch von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis auf klare Worte. “Meine Erwartung wäre, dass das historisch sehr hohe Handelsungleichgewicht zwischen Europa und China zur Sprache gebracht wird”, sagte Kammer-Präsident Jens Eskelund laut DPA bei der Vorstellung des aktuellen Positionspapiers am Mittwoch in Peking. Dombrovskis soll vom 23. bis 26. September in Peking sein und unter anderem Chinas Vize-Ministerpräsidenten He Lifeng sprechen.

Eskelund geht davon aus, dass auch die angekündigte EU-Untersuchung chinesischer Subventionen für Hersteller von Elektroautos besprochen wird. “Ich bin sicher, die chinesische Seite wird auch eine Reihe von Fragen an Europa haben”. Die Untersuchung hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt.

Experten erkennen Eskelund zufolge, dass die Produktionskapazitäten in China höher sind als die Nachfrage. Eine Überkapazität habe deutliche Auswirkungen auf den Automarkt. Die Kammer hoffe, dass die Untersuchung genutzt werde, um etwaige Ungleichgewichte oder Mängel an fairen Wettbewerbsbedingungen anzusprechen. ari

  • EU
  • Handel
  • Jens Eskelund

Presseschau

EU-Kommissionschefin weiter auf Konfrontationskurs: Von der Leyen verteidigt die Anti-Dumping-Untersuchung gegen China FINANZMARKTWELT
Lieber China als die USA: Der Nahe Osten sortiert sich außenpolitisch neu TAGESSPIEGEL
EU to ask China at UN to push Russia towards “just peace” in Ukraine REUTERS
Taiwans Militär demonstriert seine Verteidigungsfähigkeit NZZ
Charles Michel: China soll Druck auf Russland erhöhen EURACTIV
White House told U.S. ambassador to Japan to stop taunting China on social media NBC NEWS
Meloni Told China Italy Plans to Exit Investment Pact BLOOMBERG
Philippines to file suit vs China MANILA TIMES
Extremwetter in China: Und der Präsident blieb im Urlaub ZEIT
UN chief puts spotlight on “movers,” excludes US, China at climate summit REUTERS
Droht ein neuer Handelskonflikt zwischen der EU und China? EURONEWS
Deutschland, China und Russland – Dieses Trio lähmt die Weltwirtschaft WELT
China ready to continue business cooperation with Russia, top diplomat tells Putin REUTERS
Deutsche Investitionen in China trotz Politik-Debatte nahe Rekordwert WELT
Trotz Taiwan-Streit: Litauen verzeichnet steigende Exporte nach China EURACTIV
Klage über “Handelsungleichgewicht” – Handelskammer: Viel Hoffnung für China-Besuch von EU-Kommissar RND
ADAC-Vergleich: China-Elektroautos “nicht unbedingt auch ein Schnäppchen” ECOMENTO
China, USA, Europa: Bei VW brennt es an allen Ecken und Enden WIWO
Telekom-Chef Höttges äußert sich zu China-Bann und KI N-TV
Europäische Unternehmen verunsichert – Zwischen leeren Versprechungen und Spionageverdacht: China schirmt seinen Markt ab RND
China pledges to accelerate introduction of more economic policies REUTERS
Einige Regionen stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit – China: Lokale Schulden gefährden Wachstum der Wirtschaft FINANZMARKTWELT
China: USA sollen Huawei seit 2009 hacken, Hintertüren in US-Produkten WINFUTURE
Halbleiter Made in China: Huawei startet Comeback auch abseits von Smartphones GOLEM
Kiel nimmt Abstand von der Städtepartnerschaft zu Qingdao NDR
China’s astronauts have been tending a “space garden” in orbit SPACE.COM

Heads

Jörg Höhn – Brückenbauer für den Mittelstand

Im German Centre Beijing ebnete Jörg Höhn mittelständischen Firmen den Weg nach China. Dabei spielten auch ein Bäcker und ein kölscher Karnevalsverein eine Rolle.

Nach dem Abschluss des Studiums der internationalen Beziehungen und Wirtschaft in Sankt Gallen stellte sich für Jörg Höhn eine entscheidende Frage: Sollte er wie die meisten seiner Kommilitonen eine Karriere in Brüssel oder bei einer der europäischen Institutionen anstreben? Immerhin war es eine spannende Zeit: Die Osterweiterung der EU war gerade erst vollzogen und die Dynamik, die er bei einem Studienjahr am Europakolleg in Polen erlebt hatte, beeindruckte ihn sehr. Aber da war auch noch die Begeisterung für ein anderes Land. Seit einer Rucksackreise nach dem Abitur war sein Interesse an China stetig gewachsen und nun bot der DAAD ein Graduiertenprogramm mit Sprachkursen für Nicht-Sinologen an. Die Entscheidung für Peking fiel schnell. Er war der Beginn von zwölf spannenden Jahren in der Volksrepublik.

Bei seiner Ankunft hätte er niemals gedacht, dass er so lange bleiben würde, sagt Höhn heute. An der Beijing Foreign Studies University im westlichen Stadtteil Haidian lockten zunächst einmal das bunte Studentenleben und neue Freundschaften. Aber auch gelegentliche Unternehmensbesuche im Rahmen des DAAD-Graduiertenprogramms. Gleich beim ersten Termin ging es ins German Centre Beijing, eine Art Gründungszentrum für deutsche Unternehmen in China. Trotz des Namens keine staatliche Institution, sondern eine Gründung der Landesbank Baden-Württemberg. In China gibt es noch zwei weitere Standorte in Shanghai und Taicang, die zur Bayerischen Landesbank gehören. 

Die Idee faszinierte Höhn sofort. In einem Hochhaus im zentralen Stadtteil Chaoyang und ganz in der Nähe der deutschen Schule und Botschaft bot das German Centre Beijing seit 1999 kleine Büros an, ideal für Neuankömmlinge. “Wenn mittelständische Firmen nach China kommen, haben sie Start-up-Größe. Das sind dann zwei, drei Leute”, erzählt Höhn. “Das German Centre Beijing bietet eine sichere Basis. Ankommen, auspacken, loslegen.” 

Ein bunter Mix mittelständischer Firmen

Die Vielfalt der Unternehmen, die sich dort eingemietet hatten, war groß, erzählt Höhn. “Das reichte vom Medizintechnik-Unternehmen bis zum S-Bahn-Schienenbauer, da waren die ganz großen Energiefirmen, aber auch wissenschaftliche Einrichtungen, die Außenhandelskammer, Rechtsanwälte, einfach ein sehr ungewöhnlicher Mix. Ich fand es spannend zu erfahren: Warum sind diese Leute in China und was sind ihre Chancen dort? Wenn man mit diesen kleinen Firmen spricht, dann sind das oft wirklich tolle Mittelständler, mit irren Geschäftsfeldern, Ideen, auf die ich nie kommen würde.”

Auf eine Anstellung als Assistent der Geschäftsführung im German Centre Beijing folgte schnell die Position als Business Development Manager. Nach drei Jahren wechselte Höhn als Economic Counselor zur luxemburgischen Botschaft in Peking, kehrte aber wieder zum German Centre Beijing zurück, nun als Geschäftsführer. 

Von Anfang an beschäftigte ihn besonders die Frage, wie man den deutschen Neuankömmlingen bestmöglich Brücken bauen konnte, damit sie am neuen Arbeits- und Wohnort China gut ankommen. Und auch Brücken zwischen den Unternehmen untereinander, die auf zwölf Etagen verteilt arbeiteten und wenig Überschneidungspunkte hatten. 

Am ersten Tag hatten Höhn und sein Team für Neuankömmlinge stets eine Überraschung parat, die viele freudige Gesichter herbeizauberte. “Auf unserer Ebene des German Centre Beijing war der deutsche Bäcker. Wenn die Leute gerade frisch angekommen sind und sich vielleicht ein bisschen verloren fühlten, war das ein Stück Heimat, ein kleiner Anlaufpunkt. Da haben wir uns dann einen Kaffee geholt und vielleicht ein Stück Kuchen und darüber geredet, was sie von uns brauchen, um zu starten.” Dazu gehörten oft Gründungs- und Personalfragen, aber auch die Frage, wie man einen chinesischen Führerschein macht, oder Pass- und Visa-Fragen. Auch das regulatorische Umfeld sei oft nicht klar.

Den Aufbau von Netzwerken anschieben

Für manche Unternehmen baute Höhn im weiteren Verlauf auch Brücken in die Heimat. “Wir waren für unsere Kunden ein objektiver Sparringspartner, der zwischen den Welten stand. Wir haben mit Einschätzungen und Problemlösungen vor Ort geholfen, aber auch zurückübersetzt ins Hauptquartier in Deutschland”, erzählt Höhn. “Ab und zu wurde ich von Mietern gefragt: Können wir vielleicht mal gemeinsam mit den Kollegen in Deutschland ins Gespräch gehen, dass du ihnen erklärst, wie du das hier in China siehst und welche Herausforderungen und besondere Umstände wir bei der Arbeit hier haben?” 

Um Brücken zwischen den Unternehmen zu bauen und die Vernetzung anzuschieben, schufen Höhn und sein Team ein breites Spektrum an Aktivitäten. Bei fachlichen Veranstaltungen ging es um Fragen im Geschäftsalltag, aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht, die allgemeine Marktentwicklung oder spezifische Branchenberichte. Aber es gab natürlich auch ein kulturelles Programm. “Wir haben zum Beispiel zusammen Chinesisch Neujahr gefeiert. Da stand dann auch mal die chinesische Mitarbeiterin mit dem neuen Chef aus Deutschland und hat ihm gezeigt, wie man Jiaozi macht. Es ging darum, Raum zum Kennenlernen zu bieten, dass man auch die Geschäftsführer und Mitarbeiter der anderen Firmen mal persönlich kennenlernt, dass es da einen Austausch gibt. Einmal im Jahr gab es Feuerzangenbowle und es wurde auch der Film gezeigt, mit englischen Untertiteln.” Und manchmal ging es auch zum Skifahren außerhalb von Peking oder zum Wandern auf der Großen Mauer. 

Karnevalsprinz in Peking

Besonders eine kulturelle Aktivität lag Höhn als rheinische Frohnatur am Herzen. “Wir haben Kölsche in Peking (KiP) gegründet. Das heißt, wir haben einmal im Jahr in der Pekinger Kneipe ‘Der Landgraf’ Karneval gefeiert. Da wurde ich sogar mit ins Dreigestirn aufgenommen. Einmal Prinz zu sein, das war ne tolle Sache!”

Als Höhn zum German Centre Beijing stieß, befand sich China in einer besonders dynamischen Phase. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen im Jahr 2008 öffnete sich das Land zusehends und manche deutschen Unternehmen schafften es, Chancen und Nischen im chinesischen Markt in Zusammenarbeit mit ihren chinesischen Partnern schnell zu entwickeln und zu ergreifen. Das faszinierte Höhn immer wieder. 

“Viele kamen auch mit den großen deutschen Firmen mit, zum Beispiel als Zulieferer in der Automobilbranche. China hat sich zu der Zeit immer weiter geöffnet. Dann gab es dort auf einmal auch eine Mittelschicht, die auch Geld hatte, wo Konsumgüter auf einmal interessanter wurden.” Besonders spannend fand er den Fall einer Kommunikationsagentur, die einem deutschen Konzern als Dienstleister gefolgt war, um das Branding vor Ort aufzubauen. “Und dann merkte man, dass diese Firmen mit der Zeit – das war so ab 2010 – auf einmal erzählten, dass sie chinesische Kunden hatten. Das fand ich damals sehr spannend, denn das gab es vorher nicht, dass sich große chinesische Unternehmen auf einmal eine Kommunikationsagentur aus dem Westen geholt haben.”

Nach zwölf Jahren verließ Höhn China aus privaten Gründen und machte sich als Consultant selbständig, inzwischen arbeitet er im Education Tech-Bereich in Berlin. Die Erfahrung in China hat sein Mindset nachhaltig geprägt. “Chancen sehen, Chancen ergreifen: Das ist etwas, das ich definitiv aus China mitgenommen habe und wovon ich nach wie vor profitiere. In China herrschte immer die Einstellung: Wir probieren das jetzt mal aus. Wenn es nicht klappt, finden wir eine andere Idee.” Julia Fiedler

Personalien

Zhang Yuejia ist neuer Präsident von Zhilian Zhaopin, auch bekannt als Zhaopin.com. Die Website ist eine der führenden Personalbeschaffungs-Plattformen in China.

Rachel Cheung ist neue Reporterin bei The Wire China. Cheung wird von Hongkong aus arbeiten und war zuvor für die South China Morning Post und Vice tätig.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

In den Bergen der nordwestchinesischen Provinz Qinghai hat am Sonntag das neue Wide Field Survey Telescope (WFST) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften seinen Betrieb aufgenommen. Unter den ersten Bildern, die das 2,5 Meter breite Teleskop lieferte, war dieses hochauflösendes Weitwinkel-Porträt unserer Nachbargalaxie Andromeda. Das Gerät trägt den Spitznamen Mozi, nach dem alten chinesischen Philosophen, der bereits im späten 5. Jahrhundert v. Chr. optische Experimente durchführte.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    eine bemerkenswerte Verbindung wurde diese Woche in Taipeh besiegelt: Über ein neu eröffnetes Verbindungsbüro will das Land Sachsen mit dem taiwanischen Halbleiter-Weltmarktführer TSMC in Zukunft gemeinsame Sache machen. Um das neue Chip-Werk in Dresden mit Fachkräften zu bestücken, öffnet TSMC für die Sachsen erstmals seine internen Trainingszentren. Die europäische Chip-Elite von morgen, sie könnte bald also tatsächlich aus Ostdeutschland kommen.

    Dass es so weit kommen konnte, hat Deutschland auch dem Besuch von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Taiwan zu verdanken, schreibt die taiwanische Journalistin Wen-Yee Lee, die bei der Eröffnung des Büros vor Ort war. Stark-Watzinger hatte im März als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit 26 Jahren die demokratisch regierte Insel besucht. Das rechnet man ihr dort hoch an.

    China macht bei seiner lange angekündigten Strommarktreform nun auch Nägel mit Köpfen. Wichtigstes Element ist dabei ein nationaler Spotmarkt, der den Stromtransfer zwischen den Provinzen verbessern und es möglich machen soll, Strom nahezu in Echtzeit zu handeln. Das heißt: Bei gutem Wetter gibt es günstig erneuerbare Energie aus den Netzen. Bei Flaute oder Bewölkung können Erneuerbare aus anderen Provinzen importiert werden. Bislang hatten die einzelnen Regionen ihr eigenes Energiesüppchen gekocht.

    Langfristig könnte der noch immer dominante Kohlestrom so langsam aber sicher aus dem Netz gedrängt werden, schreibt Nico Beckert. Es gilt aber noch einige Hürden zu nehmen. Lokale Kader und staatliche Energieanbieter sind von starken Eigeninteressen geleitet und stehen einem effizienten Gesamtsystem noch oft im Wege. Außerdem würde ein freier Strommarkt die Preise nach Angebot und Nachfrage regeln. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten will Peking diese Zügel möglicherweise nicht so leichtfertig aus der Hand geben.

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    Sachsen will von Taiwan lernen

    Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU), TSMC-Vize Lora Ho und die Rektorin der TU Dresden, Ursula Staudinger bei der Eröffnung des Verbindungsbüros in Taiwan.

    Es ist ein technologischer Schulterschluss zwischen Sachsen und Taiwan: Das deutsche Bundesland hat am Montag ein staatlich finanziertes, wissenschaftliches Verbindungsbüro in Taipeh eröffnet. Von dort will man den Studenten- und Fachkräfteaustausch zwischen Taiwan und Sachsen fördern. Ein offenbar logischer nächster Schritt, nachdem Taiwans größter Chiphersteller TSMC im vergangenen Monat bestätigt hatte, eine Chipfabrik in Dresden zu bauen.

    Das wissenschaftliche Verbindungsbüro wird von der TU Dresden betrieben, die am Dienstag eine trilaterale Kooperationsvereinbarung mit Sachsen und TSMC für ein Talent-Förderungsprogramm in Taiwan unterzeichnete. “Es geht darum, mehr und mehr Studenten der Ingenieur- und Naturwissenschaften für den Halbleiterbereich zu interessieren”, sagte Ursula Staudinger, Präsidentin der TU Dresden, bei der Eröffnungsfeier des Büros in Taipeh.

    Ausbildung für Sachsens Chip-Elite von Morgen

    Das neue Büro dient also als zentrale Anlaufstelle für taiwanesische Studierende, die eine Ausbildung in Sachsen anstreben, und für sächsische Studierende, die in Taiwan studieren wollen. Im Rahmen der Talent-Inkubations-Initiative werden jährlich bis zu 100 Studierende von elf sächsischen Universitäten die Möglichkeit haben, in Taiwan zu studieren und mit staatlicher Unterstützung ein Praktikum bei TSMC zu absolvieren. Die weltweit führenden taiwanischen Chip-Experten bilden damit erstmals ausländische Studierende in ihrem internen Trainingszentrum zu Chip-Fachkräften aus. Und davon soll natürlich vor allem auch das Werk in Dresden profitieren.

    Weltweit fehlt es der Chip-Industrie an Fachkräften. “Wir brauchen maßgeschneiderte Curricula in der akademischen Ausbildung, die sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientieren, insbesondere im Bereich der Mikroelektronik”, sagte Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow. “Wir organisieren einen echten Fachkräfteaustausch auf der Basis von Hochschulkooperationen.” Hinsichtlich möglicher kultureller Unterschiede hat er keine Bedenken.

    Auch für viele Taiwaner kommt die Zusammenarbeit zwischen der Eliten-Schmiede und dem Land Sachsen überraschend. Der Besuch der deutschen Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im März dürfte dafür den Weg geebnet haben. Es war das erste Mal seit 26 Jahren, dass ein deutsches Kabinettsmitglied Taiwan besuchte. Für die deutsch-taiwanischen Beziehungen ein Meilenstein, den ihr viele auf der Insel hoch anrechnen.

    Auch die Taiwaner hoffen auf Know-how aus Deutschland.

    Eine Delegation von TSMC besuchte vergangene Woche auch die TU Dresden, um das Inkubationsprogramm zu besprechen. “Wir wissen, wie wichtig es ist, in die Entwicklung von Talenten zu investieren, um Innovationen voranzutreiben. Dieses Programm spiegelt unser Engagement wider, das Wachstum und die Entwicklung der Industrie in Europa und darüber hinaus zu unterstützen”, sagte Lora Ho, Senior Vice President von TSMC, bei einer Unterzeichnungsveranstaltung in Taichung, wo sich ebenfalls ein Ausbildungszentrum befindet.

    Ho fügte hinzu, dass TSMC von den teilnehmenden Studierenden nicht verlangen wird, dass sie nach Abschluss des Programms in das Unternehmen eintreten. Sie deutete jedoch an, dass das Unternehmen durch die Ausbildung von mehr Studierenden seine Chancen erhöht, Talente in Deutschland zu gewinnen. Auch die Taiwaner hoffen aus Know-how aus Deutschland. Bis 2030 will TSMC Tausende Fachkräfte für neue Werke in den USA, Japan und eben Deutschland rekrutieren. “Wir müssen uns auf den drohenden Fachkräftemangel vorbereiten und weltweit Fachkräfte ausbilden”, erklärt Ho.

    Staudinger wies darauf hin, dass die TU Dresden und TSMC auch Forschungspartnerschaften anstreben, insbesondere angesichts der Stärken der Universität in den Bereichen fortgeschrittene Materialwissenschaften sowie Mikro- und Nanoelektronik. “Es ist diese Mischung aus interdisziplinär vernetzter Forschung für die Halbleiterindustrie, bei der wir sehr gut mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von TSMC zusammenpassen”, sagte sie.

    Verzögerungen bei Chipfabrik in Arizona

    Neben Sachsen richten auch immer mehr US-Bundesstaaten Investitionsbüros in Taiwan ein. Dabei geht es aber weniger um die Zusammenarbeit in Bildung und Forschung, sondern darum, mehr Unternehmen in die Region zu locken. Ganz reibungslos läuft das nicht. Beim Bau einer Chipfabrik von TSMC in Arizona kam es zuletzt zu Verzögerungen, sodass der Produktionsbeginn aufgrund eines Mangels an Fachkräften vor Ort von 2024 auf 2025 verschoben werden musste.

    TSMC hat erfahrene Techniker aus Taiwan entsandt, um den Prozess zu beschleunigen. Die Eröffnung des sächsischen Verbindungsbüros für Wissenschaft fiel nun mit einem Besuch der Gouverneurin von Arizona, Katie Hobbs, zusammen, die in der Nähe an einer Veranstaltung zum US-Wirtschaftstag teilnahm.

    Im Hinblick auf den Arbeitskräftemangel und die kulturellen Unterschiede in Arizona hat Hobbs mehrere Initiativen angekündigt, um qualifizierte Arbeitskräfte zu fördern. “Wir stellen weiterhin sicher, dass wir die benötigten qualifizierten Arbeitskräfte haben, sowohl im Bereich der fortgeschrittenen Fertigung als auch im Bauwesen”, sagte sie. Wen-Yee Lee, Fabian Peltsch

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    Mehr Chancen für Erneuerbare durch Strommarktreform

    Die chinesische Regierung hat neue Regeln zum Aufbau von Spotmärkten für den Stromhandel veröffentlicht. Die Regeln seien ein “Meilenstein für die Schaffung eines einheitlichen nationalen Strommarktes”, sagt Yan Qin, Energieexpertin bei der Analysefirma Refinitiv. Das könnte nach Meinung von Experten Kohlestrom aus dem Netz drängen und günstigerem Strom aus Erneuerbaren den Weg ebnen. Mit einer weitgehenden Strommarktreform könnten die chinesischen CO₂-Emissionen bis 2035 um gut ein Drittel sinken, rechnet die Internationale Energieagentur vor.

    Bisher wenig Stromhandel über Provinzgrenzen

    Trotz 20 Jahren Reformbemühungen gibt es bisher keinen einheitlichen Strommarkt in China. Das begünstigt bisher den Kohlestrom. Die mehr als 20 Provinzen setzen oft eher auf Eigenständigkeit, statt auf den Stromhandel mit Nachbarprovinzen. Die Folge: Statt grünen Strom aus Nachbarprovinzen zu importieren, wurden neue Kohlekraftwerke gebaut.

    Bisher basiert der Stromhandel in China auf einem Mix aus langfristigen Verträgen und Regierungsvorgaben, mit denen Preise kontrolliert werden. Zum großen Teil sind das Mittel- und Langfristverträge innerhalb von Provinzen. Der Handel über Provinzgrenzen hinaus ist ebenso wie kurzfristiger Spothandel noch sehr eingeschränkt und findet größtenteils in Pilotprojekten statt. 

    Dabei sind Spotmärkte wichtig, um Strom nahezu in Echtzeit zu handeln. Die jetzt veröffentlichten Pläne sollen den Markt liberalisieren und kurzfristigen Handel vorantreiben, so Experten. “Ein funktionierender Stromhandel könnte den Bedarf an Kohlekraftwerken drastisch reduzieren und die Integration großer Mengen variabler, sauberer Stromerzeugung erleichtern”, schreibt Lauri Myllyvirta, Energie-Experte des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) auf der Plattform X, ehemals Twitter. Denn derzeit entstehen in den Wüsten im Westen Chinas riesige Wind- und Solarparks. Sie sollen Strom für die Industrie an den Küsten im Osten und Süden des Landes liefern. Das aber erfordere einen funktionierenden nationalen Strommarkt, schreiben die Analysten der Beratungsfirma Trivium China.

    IEA: Mit Strommarktreform weniger CO₂-Emissionen

    Ein landesweiter Spotmarkt als Ergänzung zum langfristigen Stromhandel hieße: Bei gutem Wind und guter Sonne drängen günstige erneuerbare Energien Kohlestrom aus den Netzen. Bei Flaute oder Bewölkung könnten Erneuerbare aus anderen Provinzen importiert werden. Dann müssten nicht wie derzeit die eigenen Kohlekraftwerke hochgefahren werden. Laut Myllyvirta würde ein funktionierender Stromhandel den Bau von neuen Kohlekraftwerke überflüssig machen. Laut Internationaler Energieagentur könnte eine weitreichende Strommarktreform im Jahr 2035 eine Emissionsminderung von bis zu 38 Prozent bewirken.

    Yan Qin schränkt jedoch auch ein, dass die neuen Pläne nur der Anfang sind. “Es ist noch ein langer Weg, bis die Spotmärkte voll funktionsfähig sind. Ich denke, dass es noch bis 2030 dauern wird”, schreibt die Expertin auf X. Zwar erleichtern es die neuen Pläne, erneuerbare Energien in den Stromhandel aufzunehmen. Allerdings brauche es noch genauere Vorgaben und Umsetzungsbeschlüsse, so Qin.

    Interessen der Provinzen bremsen Reform

    Bisher sind die Provinzen für die Organisation und Reform der Strommärkte verantwortlich. Dabei stünden manchmal “starke Eigeninteressen” einem effizienten Gesamtsystem im Weg, sagt Myllyvirta. Staatliche Energieunternehmen nutzten für ihre eigenen Kraftwerke lieber Kohle aus der eigenen Provinz. Denn die Provinzen sichern so Arbeitsplätze in den Kohleminen und -kraftwerken und setzen auf Selbstversorgung. “Die chinesischen Provinzen sind hochgradig merkantilistisch und bevorzugen die lokale Produktion, selbst wenn diese bei weitem nicht kostenoptimal ist”, so Myllyvirta.

    Ein Stromhandel über Provinzgrenzen ist also im nationalen und internationalen Interesse, nicht aber unbedingt im Interesse der einzelnen Provinz. Auch deswegen schlägt die Internationale Energieagentur in einem Bericht aus dem April 2023 vor, dass nationale Institutionen den Umbau des Stromhandels stärker koordinieren sollten. Dafür allerdings müsste auch das nationale Stromnetz ertüchtigt werden, um die Energieflüsse zu gewährleisten. 

    Doch ein nationaler Stromhandel bedeute einen kompletten Umbau des bestehenden Systems, schreiben die Analysten von Trivium China: “Chinas Energiewende wird zu seismischen politisch-wirtschaftlichen Umwälzungen führen, die in verschiedenen Provinzen und Branchen neue Gewinner und Verlierer hervorbringen werden”. Außerdem entstehen auf einem freien Strommarkt die Preise nach Angebot und Nachfrage – und entziehen sich dem politischen Einfluss Pekings. Ob die Zentralregierung in wirtschaftlichen schweren Zeiten mit einem steigenden Strompreis leben könnte, ist ungewiss. Aus all diesen Gründen wird die Zentralregierung den Stromhandel weiterhin wohl nur vorsichtig reformieren.

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    Deutsche Investitionen in China fast Rekordwert

    Trotz der politischen Debatte um ein De-Risking gehen deutsche Direktinvestitionen einer Studie zufolge verstärkt nach China. Unternehmen investierten dort im ersten Halbjahr 10,3 Milliarden Euro, wie aus einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Dies war zwar ein leichter Rückgang zum Rekordniveau von zwölf Milliarden Euro in den ersten sechs Monaten 2022, aber der zweithöchste Wert überhaupt.

    In allen ersten Halbjahren zwischen 2010 und 2020 wurde maximal halb so viel neu in China investiert, in der Regel deutlich weniger. “Der Drang nach China ist also weiter auf hohem Niveau”, heißt es in der Studie. Der Anteil Chinas an allen deutschen Direktinvestitionsströmen ins Ausland kletterte sogar auf 16,4 Prozent. “So bedeutsam war das Land in Relation zum übrigen Ausland noch nie”, sagt IW-Experte Jürgen Matthes. Denn Chinas Anteil an den gesamten Auslandsinvestitionen lag im ersten Halbjahr 2022 nur bei 11,6 Prozent und vor der Corona-Krise 2019 bei 5,1 Prozent.

    Insgesamt fielen die deutschen Direktinvestitionsflüsse ins Ausland im ersten Halbjahr 2023 mit 63 Milliarden Euro hingegen deutlich niedriger aus als im Vorjahreszeitraum mit 104 Milliarden Euro. “Insgesamt ist der Trend nach China auch in diesem Jahr weitgehend ungebrochen”, sagt Matthes. “Obwohl die deutsche Wirtschaft insgesamt sehr viel weniger zusätzlich im Ausland investiert, bleiben die neuen Direktinvestitionen in China fast so hoch wie zuvor.” Der Großteil des Geldes stamme aus in China erzielten und dann reinvestierten Gewinnen.

    Der Anteil des übrigen Asiens lag im ersten 2023 Halbjahr bei knapp neun Prozent. Dies bezeichnete der IW-Forscher als vergleichsweise, “aber auch nicht außergewöhnlich hoch”. Chinas Anteil dagegen sei deutlich gestiegen. “Es ist also nicht zu einer Diversifizierung weg von China gekommen, im Gegenteil: Chinas Bedeutung relativ zum übrigen Asien hat noch weiter zugenommen.” Es sei insgesamt bemerkenswert, dass fast ein Viertel der deutschen Direktinvestitionen zuletzt nach Asien geflossen seien. rtr/ari

    • Decoupling
    • Investitionen

    Unwetterwarnungen nach tödlichem Tornado

    Die chinesischen Wetterbehörden haben am Mittwoch erneut vor starkem Regen und Wind in mehreren Regionen Chinas gewarnt. Am Dienstag hatte bereits ein Tornado in der östlichen Provinz Jiangsu Verwüstungen angerichtet und zehn Menschen getötet. Bilder in den sozialen Medien zeigten umgekippte Autos, umgestürzte Stromleitungen und umherfliegende Trümmer.

    Laut dem Fernsehsender CCTV waren zwei Gebiete in der Provinz betroffen – Suqian und Yancheng. Fünf Menschen wurden getötet und vier schwer verletzt, als der Tornado in Suqian plötzlich in ein dicht besiedeltes Gebiet einschlug, mehr als 1.600 Häuser beschädigte und hektarweise die Ernte verwüstete. Der Tornado zog dann durch Yancheng und tötete fünf weitere Menschen und verletzte vier weitere, wie CCTV berichtete. Wetterwarnungen wurden am Mittwoch auch für die südwestliche Region Chongqing, mehrere Gebiete im südwestlichen Guizhou, das südliche Hunan, das östliche Anhui und das zentrale Hubei ausgegeben. rtr

    • Klima
    • Unwetter

    Prozess gegen MeToo-Journalistin beginnt

    Ende der Woche beginnt vor dem Volksgerichtshof in Guangzhou der Prozess gegen die feministische Journalistin Sophia Huang Xueqin. Huang wurde vor zwei Jahren wegen “Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht” inhaftiert. Wie ihr Anwalt berichtet, soll der Prozess Freitag um 9:30 Uhr stattfinden. Mit ihr vor Gericht steht der Gewerkschaftsaktivist Wang Jianbing, der damals zur gleichen Zeit verhaftet wurde.

    Huang unterstützte mit ihrer Berichterstattung die #MeToo-Bewegung in China. Sie hatte unter anderem Fälle von sexueller Belästigung in der Journalismus-Branche und an chinesischen Universitäten aufgedeckt. Die heute 34-Jährige nahm im Sommer 2019 außerdem in Hongkong an einer Demonstration gegen das geplante Auslieferungsgesetz teil. Nach ihrer Rückkehr nach Festlandchina wurden ihre Reisedokumente beschlagnahmt, was sie daran hinderte, im Herbst 2019 ein Jurastudium in Hongkong aufzunehmen.

    Huang befindet sich derzeit im Guangzhou No. 1 Detention Center. Eine enge Freundin von ihr erklärte gegenüber Radio Free Asia, dass Wang in der Haft Schlafentzug und Unterernährung ausgesetzt worden sei. “Sie hat in kurzer Zeit an Gewicht verloren und seit mehr als fünf Monaten keine Menstruation mehr gehabt”, berichtete die Freundin. In den vergangenen zwei Jahren soll Huang zudem unter Kalziummangel, niedrigem Blutdruck und Blutzucker gelitten haben. Organisationen wie “Reporter ohne Grenzen” fordern seit längerem die Freilassung der Journalistin. fpe

    • Gesellschaft
    • Menschenrechte

    Wirtschaftsweise: EU-Prüfung hemmt Transformation der Autobranche

    Deutschland muss sich nach Ansicht des Expertenkreises zur Transformation der Automobilbranche so schnell wie möglich unabhängig von Rohstoffen aus China machen. Die Experten sprachen sich in einem am Mittwoch veröffentlichten Papier für langfristige Strategien aus, die von Politik und Unternehmen erarbeitet werden müssten. Es brauche neue Handelsabkommen, Rohstoffpartnerschaften mit anderen Ländern sowie Garantien und Kredite für Rohstoffprojekte. Auch ein Rohstofffonds, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürwortet, sehen die Experten als angebracht.

    Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, die die Vorsitzende der Expertenkommission ist, stellte allerdings fest: “So schnell werden wir von China nicht loskommen.” Nötig seien daher langfristig wirkende Maßnahmen. “Es muss jetzt investiert werden.” Dann könnte Deutschland in zehn Jahren davon profitieren. Der Expertenkreis verwies auch auf die Bedeutung von Halbleitern, die einen zunehmenden Teil der Wertschöpfung in Fahrzeugen ausmachten. Ziel müssten hier robuste Lieferketten mit vertretbaren Risiken sein.

    Klare Meinung zu Strafzöllen

    Eine Prüfung von Strafzöllen auf chinesische Elektroauto-Importe, wie sie die EU-Kommission angekündigt hat und die auf scharfe Kritik aus Peking stieß, hält Schnitzer dagegen für keine gute Idee. Diese würde Anpassungen in der Branche verzögern. “Es ist wichtiger zu schauen, dass man schneller in die Gänge kommt, um die eigenen Produkte konkurrenzfähiger zu machen”, sagte die Expertin.

    Es sei immer ein falscher Weg zu denken, dass man mit Schutzmaßnahmen den Standort retten könne. Die Industrie müsse in die Offensive gehen und schauen, wie man es besser schaffe. “An der Stelle geht es ja in erster Linie um die kleineren E-Autos, die man auf die Weise von unserem Markt fernhalten würde. Bei kleineren Autos bekommen wir die Menge nur auf die Straße, wenn wir sie importieren.” Noch bessere wäre es, sagte Schnitzer, die Autos würden in Deutschland produziert und verwies dabei auf Überlegungen von BYD, in Deutschland zu Produktionsstätten zu errichten. rtr

    • Wirtschaft

    Eskelund setzt auf Besuch von EU-Kommissar

    Die Europäische Handelskammer in China hofft beim anstehenden Besuch von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis auf klare Worte. “Meine Erwartung wäre, dass das historisch sehr hohe Handelsungleichgewicht zwischen Europa und China zur Sprache gebracht wird”, sagte Kammer-Präsident Jens Eskelund laut DPA bei der Vorstellung des aktuellen Positionspapiers am Mittwoch in Peking. Dombrovskis soll vom 23. bis 26. September in Peking sein und unter anderem Chinas Vize-Ministerpräsidenten He Lifeng sprechen.

    Eskelund geht davon aus, dass auch die angekündigte EU-Untersuchung chinesischer Subventionen für Hersteller von Elektroautos besprochen wird. “Ich bin sicher, die chinesische Seite wird auch eine Reihe von Fragen an Europa haben”. Die Untersuchung hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt.

    Experten erkennen Eskelund zufolge, dass die Produktionskapazitäten in China höher sind als die Nachfrage. Eine Überkapazität habe deutliche Auswirkungen auf den Automarkt. Die Kammer hoffe, dass die Untersuchung genutzt werde, um etwaige Ungleichgewichte oder Mängel an fairen Wettbewerbsbedingungen anzusprechen. ari

    • EU
    • Handel
    • Jens Eskelund

    Presseschau

    EU-Kommissionschefin weiter auf Konfrontationskurs: Von der Leyen verteidigt die Anti-Dumping-Untersuchung gegen China FINANZMARKTWELT
    Lieber China als die USA: Der Nahe Osten sortiert sich außenpolitisch neu TAGESSPIEGEL
    EU to ask China at UN to push Russia towards “just peace” in Ukraine REUTERS
    Taiwans Militär demonstriert seine Verteidigungsfähigkeit NZZ
    Charles Michel: China soll Druck auf Russland erhöhen EURACTIV
    White House told U.S. ambassador to Japan to stop taunting China on social media NBC NEWS
    Meloni Told China Italy Plans to Exit Investment Pact BLOOMBERG
    Philippines to file suit vs China MANILA TIMES
    Extremwetter in China: Und der Präsident blieb im Urlaub ZEIT
    UN chief puts spotlight on “movers,” excludes US, China at climate summit REUTERS
    Droht ein neuer Handelskonflikt zwischen der EU und China? EURONEWS
    Deutschland, China und Russland – Dieses Trio lähmt die Weltwirtschaft WELT
    China ready to continue business cooperation with Russia, top diplomat tells Putin REUTERS
    Deutsche Investitionen in China trotz Politik-Debatte nahe Rekordwert WELT
    Trotz Taiwan-Streit: Litauen verzeichnet steigende Exporte nach China EURACTIV
    Klage über “Handelsungleichgewicht” – Handelskammer: Viel Hoffnung für China-Besuch von EU-Kommissar RND
    ADAC-Vergleich: China-Elektroautos “nicht unbedingt auch ein Schnäppchen” ECOMENTO
    China, USA, Europa: Bei VW brennt es an allen Ecken und Enden WIWO
    Telekom-Chef Höttges äußert sich zu China-Bann und KI N-TV
    Europäische Unternehmen verunsichert – Zwischen leeren Versprechungen und Spionageverdacht: China schirmt seinen Markt ab RND
    China pledges to accelerate introduction of more economic policies REUTERS
    Einige Regionen stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit – China: Lokale Schulden gefährden Wachstum der Wirtschaft FINANZMARKTWELT
    China: USA sollen Huawei seit 2009 hacken, Hintertüren in US-Produkten WINFUTURE
    Halbleiter Made in China: Huawei startet Comeback auch abseits von Smartphones GOLEM
    Kiel nimmt Abstand von der Städtepartnerschaft zu Qingdao NDR
    China’s astronauts have been tending a “space garden” in orbit SPACE.COM

    Heads

    Jörg Höhn – Brückenbauer für den Mittelstand

    Im German Centre Beijing ebnete Jörg Höhn mittelständischen Firmen den Weg nach China. Dabei spielten auch ein Bäcker und ein kölscher Karnevalsverein eine Rolle.

    Nach dem Abschluss des Studiums der internationalen Beziehungen und Wirtschaft in Sankt Gallen stellte sich für Jörg Höhn eine entscheidende Frage: Sollte er wie die meisten seiner Kommilitonen eine Karriere in Brüssel oder bei einer der europäischen Institutionen anstreben? Immerhin war es eine spannende Zeit: Die Osterweiterung der EU war gerade erst vollzogen und die Dynamik, die er bei einem Studienjahr am Europakolleg in Polen erlebt hatte, beeindruckte ihn sehr. Aber da war auch noch die Begeisterung für ein anderes Land. Seit einer Rucksackreise nach dem Abitur war sein Interesse an China stetig gewachsen und nun bot der DAAD ein Graduiertenprogramm mit Sprachkursen für Nicht-Sinologen an. Die Entscheidung für Peking fiel schnell. Er war der Beginn von zwölf spannenden Jahren in der Volksrepublik.

    Bei seiner Ankunft hätte er niemals gedacht, dass er so lange bleiben würde, sagt Höhn heute. An der Beijing Foreign Studies University im westlichen Stadtteil Haidian lockten zunächst einmal das bunte Studentenleben und neue Freundschaften. Aber auch gelegentliche Unternehmensbesuche im Rahmen des DAAD-Graduiertenprogramms. Gleich beim ersten Termin ging es ins German Centre Beijing, eine Art Gründungszentrum für deutsche Unternehmen in China. Trotz des Namens keine staatliche Institution, sondern eine Gründung der Landesbank Baden-Württemberg. In China gibt es noch zwei weitere Standorte in Shanghai und Taicang, die zur Bayerischen Landesbank gehören. 

    Die Idee faszinierte Höhn sofort. In einem Hochhaus im zentralen Stadtteil Chaoyang und ganz in der Nähe der deutschen Schule und Botschaft bot das German Centre Beijing seit 1999 kleine Büros an, ideal für Neuankömmlinge. “Wenn mittelständische Firmen nach China kommen, haben sie Start-up-Größe. Das sind dann zwei, drei Leute”, erzählt Höhn. “Das German Centre Beijing bietet eine sichere Basis. Ankommen, auspacken, loslegen.” 

    Ein bunter Mix mittelständischer Firmen

    Die Vielfalt der Unternehmen, die sich dort eingemietet hatten, war groß, erzählt Höhn. “Das reichte vom Medizintechnik-Unternehmen bis zum S-Bahn-Schienenbauer, da waren die ganz großen Energiefirmen, aber auch wissenschaftliche Einrichtungen, die Außenhandelskammer, Rechtsanwälte, einfach ein sehr ungewöhnlicher Mix. Ich fand es spannend zu erfahren: Warum sind diese Leute in China und was sind ihre Chancen dort? Wenn man mit diesen kleinen Firmen spricht, dann sind das oft wirklich tolle Mittelständler, mit irren Geschäftsfeldern, Ideen, auf die ich nie kommen würde.”

    Auf eine Anstellung als Assistent der Geschäftsführung im German Centre Beijing folgte schnell die Position als Business Development Manager. Nach drei Jahren wechselte Höhn als Economic Counselor zur luxemburgischen Botschaft in Peking, kehrte aber wieder zum German Centre Beijing zurück, nun als Geschäftsführer. 

    Von Anfang an beschäftigte ihn besonders die Frage, wie man den deutschen Neuankömmlingen bestmöglich Brücken bauen konnte, damit sie am neuen Arbeits- und Wohnort China gut ankommen. Und auch Brücken zwischen den Unternehmen untereinander, die auf zwölf Etagen verteilt arbeiteten und wenig Überschneidungspunkte hatten. 

    Am ersten Tag hatten Höhn und sein Team für Neuankömmlinge stets eine Überraschung parat, die viele freudige Gesichter herbeizauberte. “Auf unserer Ebene des German Centre Beijing war der deutsche Bäcker. Wenn die Leute gerade frisch angekommen sind und sich vielleicht ein bisschen verloren fühlten, war das ein Stück Heimat, ein kleiner Anlaufpunkt. Da haben wir uns dann einen Kaffee geholt und vielleicht ein Stück Kuchen und darüber geredet, was sie von uns brauchen, um zu starten.” Dazu gehörten oft Gründungs- und Personalfragen, aber auch die Frage, wie man einen chinesischen Führerschein macht, oder Pass- und Visa-Fragen. Auch das regulatorische Umfeld sei oft nicht klar.

    Den Aufbau von Netzwerken anschieben

    Für manche Unternehmen baute Höhn im weiteren Verlauf auch Brücken in die Heimat. “Wir waren für unsere Kunden ein objektiver Sparringspartner, der zwischen den Welten stand. Wir haben mit Einschätzungen und Problemlösungen vor Ort geholfen, aber auch zurückübersetzt ins Hauptquartier in Deutschland”, erzählt Höhn. “Ab und zu wurde ich von Mietern gefragt: Können wir vielleicht mal gemeinsam mit den Kollegen in Deutschland ins Gespräch gehen, dass du ihnen erklärst, wie du das hier in China siehst und welche Herausforderungen und besondere Umstände wir bei der Arbeit hier haben?” 

    Um Brücken zwischen den Unternehmen zu bauen und die Vernetzung anzuschieben, schufen Höhn und sein Team ein breites Spektrum an Aktivitäten. Bei fachlichen Veranstaltungen ging es um Fragen im Geschäftsalltag, aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht, die allgemeine Marktentwicklung oder spezifische Branchenberichte. Aber es gab natürlich auch ein kulturelles Programm. “Wir haben zum Beispiel zusammen Chinesisch Neujahr gefeiert. Da stand dann auch mal die chinesische Mitarbeiterin mit dem neuen Chef aus Deutschland und hat ihm gezeigt, wie man Jiaozi macht. Es ging darum, Raum zum Kennenlernen zu bieten, dass man auch die Geschäftsführer und Mitarbeiter der anderen Firmen mal persönlich kennenlernt, dass es da einen Austausch gibt. Einmal im Jahr gab es Feuerzangenbowle und es wurde auch der Film gezeigt, mit englischen Untertiteln.” Und manchmal ging es auch zum Skifahren außerhalb von Peking oder zum Wandern auf der Großen Mauer. 

    Karnevalsprinz in Peking

    Besonders eine kulturelle Aktivität lag Höhn als rheinische Frohnatur am Herzen. “Wir haben Kölsche in Peking (KiP) gegründet. Das heißt, wir haben einmal im Jahr in der Pekinger Kneipe ‘Der Landgraf’ Karneval gefeiert. Da wurde ich sogar mit ins Dreigestirn aufgenommen. Einmal Prinz zu sein, das war ne tolle Sache!”

    Als Höhn zum German Centre Beijing stieß, befand sich China in einer besonders dynamischen Phase. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen im Jahr 2008 öffnete sich das Land zusehends und manche deutschen Unternehmen schafften es, Chancen und Nischen im chinesischen Markt in Zusammenarbeit mit ihren chinesischen Partnern schnell zu entwickeln und zu ergreifen. Das faszinierte Höhn immer wieder. 

    “Viele kamen auch mit den großen deutschen Firmen mit, zum Beispiel als Zulieferer in der Automobilbranche. China hat sich zu der Zeit immer weiter geöffnet. Dann gab es dort auf einmal auch eine Mittelschicht, die auch Geld hatte, wo Konsumgüter auf einmal interessanter wurden.” Besonders spannend fand er den Fall einer Kommunikationsagentur, die einem deutschen Konzern als Dienstleister gefolgt war, um das Branding vor Ort aufzubauen. “Und dann merkte man, dass diese Firmen mit der Zeit – das war so ab 2010 – auf einmal erzählten, dass sie chinesische Kunden hatten. Das fand ich damals sehr spannend, denn das gab es vorher nicht, dass sich große chinesische Unternehmen auf einmal eine Kommunikationsagentur aus dem Westen geholt haben.”

    Nach zwölf Jahren verließ Höhn China aus privaten Gründen und machte sich als Consultant selbständig, inzwischen arbeitet er im Education Tech-Bereich in Berlin. Die Erfahrung in China hat sein Mindset nachhaltig geprägt. “Chancen sehen, Chancen ergreifen: Das ist etwas, das ich definitiv aus China mitgenommen habe und wovon ich nach wie vor profitiere. In China herrschte immer die Einstellung: Wir probieren das jetzt mal aus. Wenn es nicht klappt, finden wir eine andere Idee.” Julia Fiedler

    Personalien

    Zhang Yuejia ist neuer Präsident von Zhilian Zhaopin, auch bekannt als Zhaopin.com. Die Website ist eine der führenden Personalbeschaffungs-Plattformen in China.

    Rachel Cheung ist neue Reporterin bei The Wire China. Cheung wird von Hongkong aus arbeiten und war zuvor für die South China Morning Post und Vice tätig.

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    Dessert

    In den Bergen der nordwestchinesischen Provinz Qinghai hat am Sonntag das neue Wide Field Survey Telescope (WFST) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften seinen Betrieb aufgenommen. Unter den ersten Bildern, die das 2,5 Meter breite Teleskop lieferte, war dieses hochauflösendes Weitwinkel-Porträt unserer Nachbargalaxie Andromeda. Das Gerät trägt den Spitznamen Mozi, nach dem alten chinesischen Philosophen, der bereits im späten 5. Jahrhundert v. Chr. optische Experimente durchführte.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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