Volkswagen hat sich mit seinem Xinjiang-Engagement knietief in die Bredouille gebracht. In seiner Kommunikation distanziert sich der Autobauer inzwischen weitestmöglich von seinem dortigen Joint Venture. Das ist technisch zwar richtig. Doch wenn man sich vor Augen hält, dass dort Volkswagen-Fahrzeuge mit Volkswagen-Technologie zusammengeschraubt werden, um sie mit Volkswagen-Logo in China zu verkaufen, dann wirkt die Argumentation grotesk. Vielmehr liefert das Unternehmen ein Paradebeispiel dafür, wie die Realität die Kommunikationsstrategie eines Konzerns einholt.
Doch auch andere deutsche Unternehmen, die nicht unmittelbar in Xinjiang investiert haben, sollten genau hinschauen. Denn die Zahl derjenigen Uiguren, die in andere Provinzen der Volksrepublik im Namen des Staates verfrachtet werden, um dort unfreiwillig zu arbeiten, nimmt weiter zu. Kürzlich wurde bekannt, dass die Lebensmittelindustrie in Shandong die Zwangsarbeiter beschäftige. Was kommt als nächstes, und welche ausländischen Firmen sind dann möglicherweise betroffen?
Stichwort Kommunikation. Michael Radunski hatte kürzlich auf den Fluren der Münchner Sicherheitskonferenz die interessante Beobachtung gemacht, dass US-Amerikaner und Chinesen deutlich intensiver in den informellen Austausch miteinander gegangen sind als in der Vergangenheit. Darüber hat er mit dem Politologen Ian Bremmer gesprochen.
Bremmer erklärt im Interview, weshalb die Amerikaner plötzlich so redselig sind: Sie würden sicherstellen wollen, dass die Chinesen keine Überraschungen aus den USA erleben. Wenn das stimmt, ist es Ausdruck dafür, wie angespannt das Verhältnis der beiden Rivalen ist. Denn Überraschungen vermeiden, bedeutet, das Verhalten des Gegenübers besser einschätzen und sogar steuern zu können.
Bremmer gibt aber auch Entwarnung. China sei kein Akteur, der die Welt brennen sehen möchte, so wie es andere Staaten aus Eigeninteresse gerne täten. Das wollen wir hoffen. Was hätten die Chinesen sonst auch auf der Sicherheitskonferenz zu suchen gehabt?
Das Xinjiang-Investment von Volkswagen ist ein Lehrstück dafür, wie eine strategische Entscheidung in China außer Kontrolle geraten kann. Zwar trennen die nordwestliche Uiguren-Provinz tausende Kilometer von den industriellen Zentren des Landes, wo die meisten ausländischen Firmen angesiedelt sind. Doch die Gefahr, genau wie Volkswagen mit handfesten Zwangsarbeit-Vorwürfen konfrontiert zu werden, breitet sich kontinuierlich auch in anderen Teilen der Volksrepublik aus.
Die Anzahl uigurischer Arbeitskräfte, die unfreiwillig aus Xinjiang in andere Provinzen der Volksrepublik transferiert werden, um dort in diversen Industriebereichen arbeiten zu müssen, hat sich im vergangenen Jahr weiter erhöht. Der China-Forscher Adrian Zenz beziffert sie nach Analyse chinesischer Quellen in einem Beitrag für die Jamestown-Stiftung auf 38.000 im Jahr 2023. Das bedeutet einen Anstieg von knapp 38 Prozent gegenüber 2022. In Xinjiang selbst ist es demnach sogar eine siebenstellige Zahl an Uiguren, die jedes Jahr gegen ihren Willen transferiert wird.
Das birgt Gefahren auch für deutsche Firmen, die überhaupt nicht in der autonomen Region investiert haben. Es wächst die Wahrscheinlichkeit, dass ihre chinesischen Zulieferer verstärkt in das dortige Transfersystem involviert sind. Denn ausländische Firmen wissen – wahrscheinlich nicht rein zufällig – so gut wie nichts darüber, ob transferierte Uiguren bei einem ihrer Zulieferer beschäftigt werden.
Der Transfer von Arbeitskraft ist Teil des Programms “Gezielte Armutsbekämpfung”, das Staatschef Xi Jinping höchstpersönlich ins Leben gerufen hat. Trotz Kritik aus dem Ausland, allen voran von den Vereinten Nationen, hält China an der Umsetzung des Programms in Form erzwungener Arbeitsverhältnisse und Umsiedlungen fest.
Der Verwaltungsbezirk Kashgar im tiefen Westen Xinjiangs klagte sogar darüber, dass im vergangenen Jahr nicht genug “organisierte Transferbeschäftigung” eingeplant worden seien. Zenz interpretiert das als “Präferenz für eine geplante Intensivierung von staatlich gelenkten Arbeitseinsätzen der Uiguren außerhalb ihrer Heimatregionen”. Fünfjahrespläne lassen vermuten, dass das Programm mindestens bis 2025 fortgesetzt wird.
Das bedeutet für deutsche Unternehmen ein steigendes Risiko, dass man ungewollt in das chinesische Zwangsarbeit-System verstrickt wird. Denn längst ist uigurische Zwangsarbeit in anderen Landesteilen angekommen und bedroht die ethische Sauberkeit von Lieferketten auch jenseits von Xinjiang. Im Oktober hatten Recherchen des Investigativ-Portals The Outlaw Ocean Project berichtet, dass rund 1.000 uigurische Männer und Frauen, aber auch Hunderte nordkoreanische Flüchtlinge, zur Arbeit in Lebensmittelbetrieben in chinesischen Küstenprovinzen gezwungen werden.
Wann und ob ein ausländisches Unternehmen in dieser Gemengelage die Reißleine zieht, hängt von seiner subjektiven Risikobewertung ab. Volkswagen berief sich jahrelang auf seine hohen Standards und betonte immer wieder, jedem Hinweis konsequent nachzugehen. Dass ausgerechnet aus dem eigenen Konzern Hinweise auf Zwangsarbeit beim Bau einer Teststrecke für das Gemeinschaftsunternehmen mit dem staatlichen Hersteller Saic in Turpan kamen, konterkarierte die bisherige öffentliche Darstellung.
“Volkswagen liefert damit ein Paradebeispiel, wie die Außendarstellung eines Konzerns von der Realität eingeholt wird”, sagt die Wirtschaftsethikerin mit China-Schwerpunkt, Alicia Hennig, von der IHI Zittau. “Wenn Hinweise aus dem Konzern kommen, stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit von Behauptungen, man habe von nichts gewusst.”
Anschaulich haben Hennig und die Betriebswirtin Katrin Heucher von der Universität Groningen den Verlauf der Volkswagen-Kommunikation seit der Veröffentlichung der Xinjiang Files im Jahr 2019 nachgezeichnet. Ihre Untersuchung mit dem Titel “From a ‘good’ MNC to a ‘bad’ potential human rights violator: The shifting perceptions of Volkswagen in China in Western media” spiegelt die Anpassung der Kommunikationsstrategie an neue Erkenntnisse zum Zwangsarbeit-System wider.
Die Unternehmensrhetorik sei jahrelang manipulativ gewesen und darauf ausgerichtet, andere dazu zu bringen, einen bestimmten Diskurs zu akzeptieren, schreiben die Autorinnen. Sechs Kernargumente arbeiteten die Forscherinnen heraus, mit denen es Volkswagen jahrelang gelungen war, sein Xinjiang-Investment zu rechtfertigen:
Immer neue Veröffentlichungen wie die China Cables und Xinjiang Files (2019), die Karakax-Liste (2020), die Aspi-Studie “Uyghurs for Sale” (2020), die Xinjiang Police Files (2022) und der Report “Driving Force” (2022) brachten Volkswagen zunehmend in Rechtfertigungszwang. Genügten 2019 noch wenige Argumente, so wuchs mit bröckelnder Verteidigungslinie der Einsatz des kommunikativen Arsenals.
Anfänglich genügte es, auf dem sozialen und wirtschaftlichen Beitrag des Investments für die uigurische Bevölkerung zu beharren, obwohl die geringe wirtschaftliche Relevanz der Anlage augenscheinlich war. Auch wehrte Volkswagen den Verdacht möglicher Zwangsarbeit noch kategorisch ab. Dann aber ruderte der Konzern erstmals zurück und gestand ein, dass er nicht hundertprozentig garantieren könnte, dass es an irgendeiner Stelle in der Lieferkette doch eine Verbindung zur Zwangsarbeit geben könnte.
Ab 2021 sah sich Volkswagen laut Hennig und Heucher dann gezwungen, eigene Maßnahmen, eigene Unternehmenswerte sowie die Einhaltung aller Normen und die ständige Evaluierung der Normen zu betonen.
Jetzt steht das Unternehmen vor einer neuen Herausforderung, nachdem nicht mehr zu leugnen ist, dass eine Tochtergesellschaft des Gemeinschaftsunternehmens doch transferierte Arbeiter beschäftigte. Volkswagen spricht nun vom “nicht kontrollierten Joint Venture SAIC-Volkswagen” oder “nicht als konzernangehöriges, verbundenes Unternehmen” und bezieht sich dabei auf § 15 des Aktiengesetzes.
Rein technisch ist das sauber. Ob es auch moralisch vertretbar ist, daran zweifelt Hennig: “Dass Hinweise bereits aus der Niederlassung in Xinjiang selbst kamen, weist darauf hin, dass man dort von Zwangsarbeit in Turpan Bescheid wusste. Aber man hat sich offenbar dazu entschieden, diesbezüglich wegzuschauen.“
Bei der Münchner Sicherheitskonferenz haben wir auf den hiesigen Fluren eine neue konstruktive Atmosphäre zwischen China und den USA gesehen. Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Angesichts der aktuellen geopolitischen Herausforderungen wollen die USA keine weitere Krise. Und China geht es genauso, aus unterschiedlichen Gründen: wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im eigenen Land und wegen der geopolitischen Situation in seiner Region, die für China sich nicht sonderlich gut entwickelt. Joe Biden und Xi Jinping haben deshalb eine strategische – und keine kurzfristige – Entscheidung getroffen: Sie wollen versuchen, die Beziehungen zumindest einigermaßen zu stabilisieren.
Was ist auf der Sicherheitskonferenz hinter den Kulissen passiert?
Die Amerikaner taten etwas sehr Ungewöhnliches. Sie kommunizierten sehr viel. Sie arbeiten hart daran, sicherzustellen, dass die Chinesen keine Überraschungen aus den USA erleben. Die Biden-Regierung unter direkter Führung von Jake Sullivan bemüht sich, regelmäßig mit allen ranghohen Führungskräften aus China zu sprechen und sie wissen zu lassen, was die Amerikaner tun, was sie denken, was auf sie zukommt, damit es keine Überraschungen gibt. Sie bemühen sich um das Verhältnis zu China, nicht nur um einzelne Themen wie Fentanyl oder Taiwan.
Dann ist also endlich alles in Ordnung zwischen den USA und China?
Natürlich nicht. Alles ist sehr fragil. Es ist nicht so, als hätten wir plötzlich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Die Konflikte bestehen weiterhin. Aber wir erleben derzeit ein viel konstruktiveres Engagement als unter den beiden vorherigen Administrationen.
Glauben Sie, dass auf der chinesischen Seite der hegemoniale Appetit von Xi Jinping aufgrund innenpolitischer Probleme nachlassen könnte?
Die große Frage ist: Hat Xi Jinping bewusst entschieden, dass China in seinen geopolitischen Begierden mehr Zurückhaltung üben sollte? Oder handelt es sich hierbei um eine taktische Finte, weil China sich aktuell in einer schwierigen Lage befindet und wenn sich der Wind dreht, China wieder genau das sein wird, was es vorher war? Ich weiß es nicht. Aber es ist auch nicht entscheidend. Denn die Konflikte werden nicht in den kommenden drei Monaten gelöst sein. Vielmehr handelt es sich um mehrjährige Herausforderungen. Sie sind sehr tiefgreifend und bedeutsam und werden nicht durch eine einzige Charmeoffensive aus dem Weg geräumt. So oder so denke ich, dass die Realitäten des heutigen Umfelds Xis Handeln einschränken.
Chinas Beziehungen zu Russland, Nordkorea und Iran verbessern sich ebenfalls.
Hier möchte ich direkt einhaken: China ist kein Chaos-Akteur. Russland, Iran und Nordkorea wollen, dass das internationale System in Flammen steht. Sie wollen, dass die Vereinigten Staaten zerstört werden. Sie wollen mehr Konflikte und Krisen auf der ganzen Welt. China will das nicht. Klar, China steht in einem harten Wettbewerb mit den USA und sucht nach Vorteilen. Aber die chinesische Führung will nicht, dass das System auseinanderfällt. Im Gegenteil, China verlässt sie sich auf das internationale System. China braucht eine stabile USA, sogar eine vergleichsweise starke USA. Ich habe von vielen ranghohen chinesischen Führungskräften gehört, dass sie sich zunehmend Sorgen darüber machen, was in einer zweiten Amtszeit von Donald Trump passieren könnte.
Chinas Bemühungen, den Krieg in der Ukraine, den Konflikt im Nahen Osten oder die Huthi-Angriffe im Roten Meer zu beenden, sind aber recht zurückhaltend.
Ich denke, dass es aus chinesischer Sicht eine gute Sache wäre, wenn der Ukraine-Krieg vorbei wäre. Das Gleiche gilt für den Konflikt Israel-Gaza. Schauen Sie, die Chinesen sind diejenigen, die von den Störungen im Roten Meer stärker betroffen sind als jedes andere große Land. China braucht die Freiheit der Schifffahrt. Aber China ist militärisch nicht in der Lage, etwas gegen diese Störungen zu unternehmen. Dafür haben die Chinesen im UN-Sicherheitsrat kein Veto gegen die Verurteilung der Huthi-Angriffe eingelegt. China ist über die aktuellen Konflikte nicht erfreut, aber bis zu deren Lösung wird es versucht sein, daraus Profit zu schlagen und immer den Vereinigten Staaten die Schuld geben.
Gleichzeitig sehen wir eine USA, die sich nach innen wenden. Welche Konsequenzen hat das für die Rivalität zwischen den USA und China?
Die Chinesen wollen, dass die USA eine Führungsrolle bei der Lösung des Russland-Ukraine-Krieges und der Israel-Palästina-Frage spielen. China treibt weniger die Sorge um, dass die Amerikaner zu Isolationisten werden könnten. In Peking fürchtet man vielmehr, dass die USA unilateralistisch werden. China ist besorgt darüber, was passiert, wenn die USA eine selbstbezogene Industriepolitik betreiben und sich nicht mehr um die Globalisierung kümmern.
Welche Rolle spielen Deutschland und Europa dabei? Spielt Berlin überhaupt eine Rolle?
Natürlich. Aber die Rolle Deutschlands hängt davon ab, um welche US-Regierung es sich handelt. Unter Biden erwarten die USA, dass Deutschland und die EU ihre China-Politik an die der USA angleichen. Das bedeutet Multilateralismus beim Risikoabbau, Koordinierung bei kritischen Mineralien, Koordinierung in der Halbleiterpolitik und ein Chip-Abkommen, das letztendlich auch andere Länder einbeziehen wird. Im Gegensatz dazu hat Donald Trump daran sehr wenig Interesse. Unter Trump wird es den USA vor allem um China gehen. Er wird sich auf die bilateralen Handelsbeziehungen konzentrieren – und deutlich weniger Engagement zeigen gegenüber den europäischen Verbündeten.
Was fürchten die USA im Hinblick auf China am meisten: die schnelle militärische Aufrüstung Pekings, einen Angriff auf Taiwan oder Chinas grenzenlose Freundschaft mit Russland?
Die Taiwan-Frage. Aber Taiwan sollte nicht unsere größte Sorge sein. Ich denke, was man in Washington fürchten sollte, ist, dass China seine eigenen Halbleiter baut und technologisch dominant wird. Dieser Bereich sollte die größte Aufmerksamkeit erhalten.
Ian Bremmer ist US-Politikwissenschaftler mit Fokus auf Außenpolitik. Er ist Gründer und Präsident der Eurasia Group sowie Initiator des Global Political Risk Index an der Wall Street.
Mit Blick auf die Chinastrategie fordert die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Bundesregierung auf, Kommunen stärker in den Fokus zu rücken. Konkret empfiehlt die FES als Fazit einer aktuellen Studie mehr finanzielle Ressourcen für Kommunen und eine bessere Vernetzung von Bund, Ländern und Kommunen beim Aufbau von China-Kompetenz.
“Eine Vielzahl von Entscheidungen, sei es in der Wissenschaft, der Wirtschaft oder der Bildung wird in den Kommunen getroffen. Die operative China-Politik findet dort statt. Im Zuge der Neuausrichtung der deutschen China-Politik auf Bundesebene sind sie bislang aber ein blinder Fleck”, sagt Stefan Pantekoek, Asienexperte der FES. In ihrer Studie “Kommunen: Kernstück deutscher China-Politik” konstatieren die Verfasser, dass eine erfolgreiche Neuausrichtung in den China-Beziehungen alle Akteure mit einbeziehen muss.
Andernfalls laufe man Gefahr, dass durch “einseitige Informationszugänge” neue Stereotype entstehen, schreiben die Autoren. Debatten seien geprägt von “zunehmender Schärfe aber abnehmender Differenziertheit“. In der Studie werden die Institute als “unterschätzte Chance” zum Aufbau einer Früh- oder Vorstufe von China-Kompetenz bezeichnet. Weitere Handlungsempfehlungen sind eine zentrale Ansprechstelle für Kommunen, bei Fragen zum Umgang mit Kooperationen und Austauschformaten.
Die Debatte über die Abwendung der Universitäten von ihren Konfuzius-Instituten ist aus Sicht der FES kontraproduktiv. Andrea Frenzel, Co-Autorin und Wissenschaftlerin am Institute for Chinese Studies der FU Berlin, plädiert dafür, die Institute aktiv mitzugestalten, statt sich einseitig zurückzuziehen. tg
China hat zu Wochenbeginn verärgert auf neue Sanktionen von Großbritannien, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten regiert. “China wird die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen entschieden schützen“, hieß es in einer Erklärung des chinesischen Handelsministeriums am Montag. Die Sanktionen der Europäischen Union gegen chinesische Unternehmen aus Russland-bezogenen Gründen hätten keine Grundlage im Völkerrecht und würden sich negativ auf die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und China auswirken.
Ziel der jüngsten Sanktionen ist es, Unternehmen daran zu hindern, Moskau es zu ermöglichen, militärische Hardware oder Ausrüstung zu beschaffen, die zum Nachfüllen seiner Munition und anderer militärischer Güter benötigt wird.
Am Freitag kündigte die US-Regierung Handelsbeschränkungen für 93 Unternehmen aus Russland, China, der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kirgisistan, Indien und Südkorea an, weil diese die Kriegsanstrengungen Russlands in der Ukraine unterstützen. Großbritannien hatte am Donnerstag unter anderem Sanktionen gegen drei chinesische Elektronikunternehmen verkündet. Die EU hatte am Mittwoch ihr eigenes Paket umfassender Sanktionen gegen Russland genehmigt, darunter einige gegen drei chinesische Firmen und ein in Hongkong ansässiges Unternehmen. rad/rtr
Satellitenbilder zeigen eine neue schwimmende Barriere vor dem umstrittenen Scarborough Shoal im Südchinesischen Meer. Die Satellitenbilder wurden am 22. Februar von der Firma Maxar Technologies aufgenommen und zeigen, wie die Barriere die Mündung des Riffes blockiert. Die philippinische Küstenwache veröffentlichte entsprechende Videoaufnahmen.
Besonders pikant: Die Sperre befindet sich just an der Stelle, wo es regelmäßig zu Zusammenstößen von philippinischen Schiffen und Schiffen der chinesischen Küstenwache kommt. Erst vergangene Woche hatte die chinesische Küstenwache behauptet, man habe an dieser Stelle ein philippinisches Schiff vertrieben, welches illegal in chinesische Gewässer eingedrungen sei. Die Philippinen versuchen, mit einer Transparenz-Offensive einer breiten Öffentlichkeit das chinesische Verhalten zu präsentieren – und so Druck auf Peking auszuüben.
Die Formulierung “in chinesische Gewässer” geht auf Pekings Sichtweise zurück, wonach das Scarborough Shoal zu China gehöre, obwohl es innerhalb der 200 Seemeilen umfassenden ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen liegt. Ein internationales Schiedsgericht in Den Haag hatte 2016 festgestellt, dass Chinas Ansprüche keine Rechtsgrundlage hätten – eine Entscheidung, die Peking jedoch zurückgewiesen hat.
Das Satellitenbild stützt Angaben der philippinischen Küstenwache (PCG), wonach zwei Schlauchboote der chinesischen Küstenwache am 22. Februar schwimmende Barrieren am Eingang der Untiefe errichtetet haben sollen. “Wir können davon ausgehen, dass (die Barriere) für philippinische Regierungsschiffe gedacht ist”, sagte Jay Tarriela, ein Sprecher der philippinischen Küstenwache. Schon im vergangenen September hatte China eine schwimmende Barriere errichtet.
Das chinesische Außenministerium wies die Vorwürfe zurück: “Vor kurzem hat die philippinische Seite eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Chinas Souveränität in den Gewässern der Untiefe zu verletzen. China muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um seine territoriale Souveränität sowie seine maritimen Rechte und Interessen sicher zu schützen.” rad
Die chinesische Polizei hat in den vergangenen Tagen mehr als 1.000 Tibeter festgenommen, darunter eine dreistellige Zahl an Mönchen. Hintergrund sind anhaltende Proteste der Menschen gegen den Bau eines Staudamms in einem tibetischen Siedlungsgebiet der Provinz Sichuan. Radio Free Asia berichtet, dass es schon seit Mitte Februar zu Protesten gegen das Projekt kommt. Die Fertigstellung des Damms würde zum Abriss von sechs Klöstern und der Umsiedlung von zwei Dörfern führen.
Allein am vergangenen Freitag zählten örtliche Quellen eine vierstellige Zahl an Inhaftierten. In den Tagen zuvor waren es mehrere Hunderte, die festgenommen wurden. Die Menschen wurden aufgefordert, eigenes Bettzeug zu organisieren, was als Zeichen dafür gedeutet wird, dass die Haft sich eine Weile hinziehen wird. Die Polizei soll laut Augenzeugenberichten brutal gegen die Demonstration vorgegangen sein. Zahlreiche Menschen wurden demnach ins örtliche Krankenhaus eingeliefert.
Der Damm soll Teil eines 13-stufigen Wasserkraftwerkskomplexes am Drichu-Fluss am Oberlauf des Jangtse mit einer geplanten Gesamtkapazität von 13.920 Megawatt werden. grz
Chinas Handelsminister Wang Wentao ist am Montag mit der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai zusammen gekommen. Am Rande eines Treffens der Welthandelsorganisation in Abu Dhabi habe Wang ernsthafte Besorgnis über US-Zölle und Taiwan-bezogene Fragen im Wirtschafts- und Handelsbereich zum Ausdruck gebracht.
China schütze das multilaterale Handelssystem und messe der Arbeit der WTO große Bedeutung bei, hieß es am Montag aus dem Handelsministerium in Peking. Gleichzeitig wurden scharfe Kritik an den USA geübt. Die Vorwürfe: Die Vereinigten Staaten verstoßen gegen WTO-Regeln. Zudem machten sie sich einseitiger Handelsschikanen schuldig, die die globale Handelsordnung ernsthaft untergraben würden, berichtet die Zeitung Global Times. Laut einer Erklärung des chinesischen Handelsministeriums führten Wang und Tai einen “professionellen und intensiven” Austausch über bilaterale Wirtschafts- und Handelsfragen.
Von US-Seite hieß es, Tai habe gegenüber Wang die Notwendigkeit einer fortgesetzten Zusammenarbeit zwischen den USA und der Volksrepublik China bei der WTO zum Ausdruck gebracht. Allerdings habe auch Tai Kritik geäußert – hinsichtlich der überschüssigen Stahlkapazitäten der Volksrepublik auf dem Weltmarkt oder auch der anhaltenden Ungleichgewichte, die durch Chinas staatlich geführten, nicht marktorientierten Ansatz in der Handelspolitik verursacht würden.
Am Montag trafen sich Handelsminister aus der ganzen Welt in Abu Dhabi. Ziel ist es, neue Regeln für den globalen Handel festzulegen. rad
Chinas Staatschef Xi Jinping wird dieses Jahr Serbien besuchen. Das bestätigte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić am Montag bei einer Veranstaltung zum chinesischen Neujahr in Belgrad. Vučić sagte, er habe die Bestätigung erhalten, dass der chinesische Präsident das Land besuchen werde. “Wir sind davon überzeugt, dass Ihr Land im Jahr des Holzdrachens den Weg des allgemeinen Fortschritts mit der gleichen Kraft, Weisheit und Innovation fortsetzen wird”, sagte Vučić vor dem chinesischen Botschafter in Serbien, Li Ming.
“Wir sind dankbar für die starke Unterstützung der Volksrepublik China in allen Fragen, die für die Republik Serbien von entscheidendem Interesse sind, und ich erwarte mit großer Freude, dass das Jahr des Holzdrachen unseren aufrichtigen Freund nach Serbien bringen wird, Weltführer Präsident Xi Jinping”, schrieb Vučić zu einem Post auf Instagram.
Einen offiziellen Termin gibt es noch nicht. Xi war bereits im Juni 2016 einmal in Serbien absolviert. Die Bestätigung durch Vučić macht auch einen Besuch Xis im benachbarten EU-Staat Ungarn wahrscheinlicher. Über diesen wird bereits seit einiger Zeit spekuliert. Auch Frankreich soll auf Xis Reise-Liste stehen, Berichte zufolge noch im Frühjahr. Bestätigt ist das bisher nicht. ari
Wiesloch in Baden-Württemberg ist eine Kleinstadt mit kaum 30.000 Einwohnern, dafür aber zwei Unternehmen von Weltrang: Heidelberger Druckmaschinen und SAP haben in unmittelbarer Nähe ihren Sitz. Hier wuchs Jürgen Kretz auf – mit einem Bruder, der Vater Architekt, die Mutter Hausfrau. Nach der zehnten Klasse ging es in die USA. Sein High School-Jahr wollte Jürgen Kretz in Louisiana verbringen: Der spektakuläre Golf von Mexiko erwartete ihn und das lebendige New Orleans, in dem aus jeder Ritze Jazz und Blues dringt.
In das unbeschwerte Austauschjahr mischte sich neben vielen schönen Erfahrungen jedoch etwas, das sein Weltbild herausforderte. Im Südstaat Louisiana erlebte er mit, welche Rolle Rassismus dort immer noch spielte. Und auch mit der Art, wie sein konservatives amerikanisches Umfeld auf die Welt außerhalb der USA blickte, konnte der 16-Jährige wenig anfangen. Dieser erste Schritt heraus aus der eigenen Blase prägte ihn sehr – und weckte das Interesse an Politik.
Zurück in Deutschland begann Kretz, sich mit dem Thema globale Gerechtigkeit zu beschäftigen und sich in der Grünen Jugend politisch zu engagieren. Für den Zivildienst zog es ihn in die peruanische Hauptstadt Lima, wo er für ein Jahr in einem Kinderheim in einem Armenviertel lebte. Anschließend studierte er in Chemnitz und Berlin Politikwissenschaft und interkulturelle Kommunikation.
Seit Februar ist Jürgen Kretz Abgeordneter für die Grünen im Bundestag. Er vertritt den Wahlkreis Rhein-Neckar und bringt viel China-Expertise mit. Als Teil seines Studiums hat er Chinesisch gelernt und eine Zeitlang in Peking gelebt, wo er nach einem Auslandsjahr an der Universität ein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung absolvierte und für drei Monate an der Deutschen Botschaft arbeitete.
Seinen ersten Job nach dem Studium hatte Kretz 2009 bis 2012 im Abgeordnetenbüro von Viola von Cramon-Taubadel, die zu dieser Zeit Mitglied des Bundestages war. Als Mitarbeiter für außenpolitische Themen lag einer seiner Schwerpunkte auf China. Es war die Zeit nach den Olympischen Spielen, als alles nach Aufbruch aussah und Deutschland mehr Dialog mit der sich öffnenden Volksrepublik suchte. Kretz war an der Ausarbeitung eines China-Konzepts der grünen Bundestagsfraktion beteiligt, das erstmals einen Gesamtansatz über alle Politikfelder hinweg bot und China mehr einbinden wollte.
Nach dieser Station ging es zum Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die folgenden zwölf Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit hatten vor allem ein Thema: Lieferketten. Als Länderreferent für Bangladesch setzte sich Kretz intensiv mit Textillieferketten auseinander. Später lebte er im Kongo und beschäftigte sich mit Rohstofflieferketten, in denen auch China als Mittler eine relevante Rolle spielte. Sein Antrieb, in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten, sei der Versuch gewesen, Dinge systemisch zu verbessern, sagt Kretz. Das will er nun auf anderem Wege tun – über die Politik.
Seine persönliche Funktion sieht Kretz als Scharnier zwischen Umwelt- und Sozialthemen sowie einer pragmatischen Wirtschaftspolitik. Im Bundestag hat er einen Sitz im Umweltausschuss und einen stellvertretenden Sitz im Entwicklungsausschuss, und auch hier werden Lieferketten eine Rolle spielen. Anders als die FDP, die die europäische Lieferkettenrichtlinie verhindern möchte, sieht er sie nicht als Belastung für die deutsche Wirtschaft an – wenn sie richtig ausgestaltet ist. Sie sei sogar gerade erforderlich, um ein Level Playing Field zu gewährleisten, sagt Kretz. Denn in Deutschland gibt es bereits viele nachhaltig agierende Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit dadurch sichergestellt werden könnte.
China ist für Kretz ein wichtiger, relevanter Partner, mit dem Deutschland einen konstruktiven Dialog führen sollte. Doch zugleich müsse die Politik ihre Erwartungen an das Miteinander klar äußern, sagt er. Das europäische Lieferkettengesetz ist für ihn dabei ein zentrales Element, weil dort Menschenrechtspolitik greifbar gemacht wird. Und zwar auch im Hinblick auf die eigene Verantwortung, Rechte und Standards einzuhalten. Altruismus sei dies nicht, sagt Kretz, der auch die Konkurrenz mit Akteuren wie China sieht. Das im Blick zu haben und zu versuchen, der glaubwürdigere, verlässlichere Partner zu sein, könne ein großer Vorteil sein. Julia Fiedler
Xue Liu ist jetzt Experte für Cybersicherheit bei Volkswagen Infotainment. Er kommt von der Platri IT GmbH in Bochum. Seinen Informatik-Abschluss hat er an der China University of Mining and Technology erworben.
Francesca Ghiretti ist neue Non-Resident-Fellow am Wadhwani Center for AI and Advanced Technologies am Center for Strategic and International Studies (CSIS). Sie war bis Oktober 2023 Analystin beim deutschen China-Thinktank Merics.
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In der südostchinesischen Küstenprovinz Fujian hat die zweite Bauphase des Kernkraftwerks Zhangzhou begonnen. Dabei kommen Hualong-One-Reaktoren zum Einsatz, im Inland entwickelte Reaktoren der dritten Generation. In den kommenden Jahren sollen noch Dutzende neue Reaktoren gebaut werden. Derzeit trägt die Atomkraft rund fünf Prozent zur Stromerzeugung bei. Dieser Anteil soll nach den Plänen Pekings künftig auf etwa zehn Prozent steigen.
Volkswagen hat sich mit seinem Xinjiang-Engagement knietief in die Bredouille gebracht. In seiner Kommunikation distanziert sich der Autobauer inzwischen weitestmöglich von seinem dortigen Joint Venture. Das ist technisch zwar richtig. Doch wenn man sich vor Augen hält, dass dort Volkswagen-Fahrzeuge mit Volkswagen-Technologie zusammengeschraubt werden, um sie mit Volkswagen-Logo in China zu verkaufen, dann wirkt die Argumentation grotesk. Vielmehr liefert das Unternehmen ein Paradebeispiel dafür, wie die Realität die Kommunikationsstrategie eines Konzerns einholt.
Doch auch andere deutsche Unternehmen, die nicht unmittelbar in Xinjiang investiert haben, sollten genau hinschauen. Denn die Zahl derjenigen Uiguren, die in andere Provinzen der Volksrepublik im Namen des Staates verfrachtet werden, um dort unfreiwillig zu arbeiten, nimmt weiter zu. Kürzlich wurde bekannt, dass die Lebensmittelindustrie in Shandong die Zwangsarbeiter beschäftige. Was kommt als nächstes, und welche ausländischen Firmen sind dann möglicherweise betroffen?
Stichwort Kommunikation. Michael Radunski hatte kürzlich auf den Fluren der Münchner Sicherheitskonferenz die interessante Beobachtung gemacht, dass US-Amerikaner und Chinesen deutlich intensiver in den informellen Austausch miteinander gegangen sind als in der Vergangenheit. Darüber hat er mit dem Politologen Ian Bremmer gesprochen.
Bremmer erklärt im Interview, weshalb die Amerikaner plötzlich so redselig sind: Sie würden sicherstellen wollen, dass die Chinesen keine Überraschungen aus den USA erleben. Wenn das stimmt, ist es Ausdruck dafür, wie angespannt das Verhältnis der beiden Rivalen ist. Denn Überraschungen vermeiden, bedeutet, das Verhalten des Gegenübers besser einschätzen und sogar steuern zu können.
Bremmer gibt aber auch Entwarnung. China sei kein Akteur, der die Welt brennen sehen möchte, so wie es andere Staaten aus Eigeninteresse gerne täten. Das wollen wir hoffen. Was hätten die Chinesen sonst auch auf der Sicherheitskonferenz zu suchen gehabt?
Das Xinjiang-Investment von Volkswagen ist ein Lehrstück dafür, wie eine strategische Entscheidung in China außer Kontrolle geraten kann. Zwar trennen die nordwestliche Uiguren-Provinz tausende Kilometer von den industriellen Zentren des Landes, wo die meisten ausländischen Firmen angesiedelt sind. Doch die Gefahr, genau wie Volkswagen mit handfesten Zwangsarbeit-Vorwürfen konfrontiert zu werden, breitet sich kontinuierlich auch in anderen Teilen der Volksrepublik aus.
Die Anzahl uigurischer Arbeitskräfte, die unfreiwillig aus Xinjiang in andere Provinzen der Volksrepublik transferiert werden, um dort in diversen Industriebereichen arbeiten zu müssen, hat sich im vergangenen Jahr weiter erhöht. Der China-Forscher Adrian Zenz beziffert sie nach Analyse chinesischer Quellen in einem Beitrag für die Jamestown-Stiftung auf 38.000 im Jahr 2023. Das bedeutet einen Anstieg von knapp 38 Prozent gegenüber 2022. In Xinjiang selbst ist es demnach sogar eine siebenstellige Zahl an Uiguren, die jedes Jahr gegen ihren Willen transferiert wird.
Das birgt Gefahren auch für deutsche Firmen, die überhaupt nicht in der autonomen Region investiert haben. Es wächst die Wahrscheinlichkeit, dass ihre chinesischen Zulieferer verstärkt in das dortige Transfersystem involviert sind. Denn ausländische Firmen wissen – wahrscheinlich nicht rein zufällig – so gut wie nichts darüber, ob transferierte Uiguren bei einem ihrer Zulieferer beschäftigt werden.
Der Transfer von Arbeitskraft ist Teil des Programms “Gezielte Armutsbekämpfung”, das Staatschef Xi Jinping höchstpersönlich ins Leben gerufen hat. Trotz Kritik aus dem Ausland, allen voran von den Vereinten Nationen, hält China an der Umsetzung des Programms in Form erzwungener Arbeitsverhältnisse und Umsiedlungen fest.
Der Verwaltungsbezirk Kashgar im tiefen Westen Xinjiangs klagte sogar darüber, dass im vergangenen Jahr nicht genug “organisierte Transferbeschäftigung” eingeplant worden seien. Zenz interpretiert das als “Präferenz für eine geplante Intensivierung von staatlich gelenkten Arbeitseinsätzen der Uiguren außerhalb ihrer Heimatregionen”. Fünfjahrespläne lassen vermuten, dass das Programm mindestens bis 2025 fortgesetzt wird.
Das bedeutet für deutsche Unternehmen ein steigendes Risiko, dass man ungewollt in das chinesische Zwangsarbeit-System verstrickt wird. Denn längst ist uigurische Zwangsarbeit in anderen Landesteilen angekommen und bedroht die ethische Sauberkeit von Lieferketten auch jenseits von Xinjiang. Im Oktober hatten Recherchen des Investigativ-Portals The Outlaw Ocean Project berichtet, dass rund 1.000 uigurische Männer und Frauen, aber auch Hunderte nordkoreanische Flüchtlinge, zur Arbeit in Lebensmittelbetrieben in chinesischen Küstenprovinzen gezwungen werden.
Wann und ob ein ausländisches Unternehmen in dieser Gemengelage die Reißleine zieht, hängt von seiner subjektiven Risikobewertung ab. Volkswagen berief sich jahrelang auf seine hohen Standards und betonte immer wieder, jedem Hinweis konsequent nachzugehen. Dass ausgerechnet aus dem eigenen Konzern Hinweise auf Zwangsarbeit beim Bau einer Teststrecke für das Gemeinschaftsunternehmen mit dem staatlichen Hersteller Saic in Turpan kamen, konterkarierte die bisherige öffentliche Darstellung.
“Volkswagen liefert damit ein Paradebeispiel, wie die Außendarstellung eines Konzerns von der Realität eingeholt wird”, sagt die Wirtschaftsethikerin mit China-Schwerpunkt, Alicia Hennig, von der IHI Zittau. “Wenn Hinweise aus dem Konzern kommen, stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit von Behauptungen, man habe von nichts gewusst.”
Anschaulich haben Hennig und die Betriebswirtin Katrin Heucher von der Universität Groningen den Verlauf der Volkswagen-Kommunikation seit der Veröffentlichung der Xinjiang Files im Jahr 2019 nachgezeichnet. Ihre Untersuchung mit dem Titel “From a ‘good’ MNC to a ‘bad’ potential human rights violator: The shifting perceptions of Volkswagen in China in Western media” spiegelt die Anpassung der Kommunikationsstrategie an neue Erkenntnisse zum Zwangsarbeit-System wider.
Die Unternehmensrhetorik sei jahrelang manipulativ gewesen und darauf ausgerichtet, andere dazu zu bringen, einen bestimmten Diskurs zu akzeptieren, schreiben die Autorinnen. Sechs Kernargumente arbeiteten die Forscherinnen heraus, mit denen es Volkswagen jahrelang gelungen war, sein Xinjiang-Investment zu rechtfertigen:
Immer neue Veröffentlichungen wie die China Cables und Xinjiang Files (2019), die Karakax-Liste (2020), die Aspi-Studie “Uyghurs for Sale” (2020), die Xinjiang Police Files (2022) und der Report “Driving Force” (2022) brachten Volkswagen zunehmend in Rechtfertigungszwang. Genügten 2019 noch wenige Argumente, so wuchs mit bröckelnder Verteidigungslinie der Einsatz des kommunikativen Arsenals.
Anfänglich genügte es, auf dem sozialen und wirtschaftlichen Beitrag des Investments für die uigurische Bevölkerung zu beharren, obwohl die geringe wirtschaftliche Relevanz der Anlage augenscheinlich war. Auch wehrte Volkswagen den Verdacht möglicher Zwangsarbeit noch kategorisch ab. Dann aber ruderte der Konzern erstmals zurück und gestand ein, dass er nicht hundertprozentig garantieren könnte, dass es an irgendeiner Stelle in der Lieferkette doch eine Verbindung zur Zwangsarbeit geben könnte.
Ab 2021 sah sich Volkswagen laut Hennig und Heucher dann gezwungen, eigene Maßnahmen, eigene Unternehmenswerte sowie die Einhaltung aller Normen und die ständige Evaluierung der Normen zu betonen.
Jetzt steht das Unternehmen vor einer neuen Herausforderung, nachdem nicht mehr zu leugnen ist, dass eine Tochtergesellschaft des Gemeinschaftsunternehmens doch transferierte Arbeiter beschäftigte. Volkswagen spricht nun vom “nicht kontrollierten Joint Venture SAIC-Volkswagen” oder “nicht als konzernangehöriges, verbundenes Unternehmen” und bezieht sich dabei auf § 15 des Aktiengesetzes.
Rein technisch ist das sauber. Ob es auch moralisch vertretbar ist, daran zweifelt Hennig: “Dass Hinweise bereits aus der Niederlassung in Xinjiang selbst kamen, weist darauf hin, dass man dort von Zwangsarbeit in Turpan Bescheid wusste. Aber man hat sich offenbar dazu entschieden, diesbezüglich wegzuschauen.“
Bei der Münchner Sicherheitskonferenz haben wir auf den hiesigen Fluren eine neue konstruktive Atmosphäre zwischen China und den USA gesehen. Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Angesichts der aktuellen geopolitischen Herausforderungen wollen die USA keine weitere Krise. Und China geht es genauso, aus unterschiedlichen Gründen: wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im eigenen Land und wegen der geopolitischen Situation in seiner Region, die für China sich nicht sonderlich gut entwickelt. Joe Biden und Xi Jinping haben deshalb eine strategische – und keine kurzfristige – Entscheidung getroffen: Sie wollen versuchen, die Beziehungen zumindest einigermaßen zu stabilisieren.
Was ist auf der Sicherheitskonferenz hinter den Kulissen passiert?
Die Amerikaner taten etwas sehr Ungewöhnliches. Sie kommunizierten sehr viel. Sie arbeiten hart daran, sicherzustellen, dass die Chinesen keine Überraschungen aus den USA erleben. Die Biden-Regierung unter direkter Führung von Jake Sullivan bemüht sich, regelmäßig mit allen ranghohen Führungskräften aus China zu sprechen und sie wissen zu lassen, was die Amerikaner tun, was sie denken, was auf sie zukommt, damit es keine Überraschungen gibt. Sie bemühen sich um das Verhältnis zu China, nicht nur um einzelne Themen wie Fentanyl oder Taiwan.
Dann ist also endlich alles in Ordnung zwischen den USA und China?
Natürlich nicht. Alles ist sehr fragil. Es ist nicht so, als hätten wir plötzlich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Die Konflikte bestehen weiterhin. Aber wir erleben derzeit ein viel konstruktiveres Engagement als unter den beiden vorherigen Administrationen.
Glauben Sie, dass auf der chinesischen Seite der hegemoniale Appetit von Xi Jinping aufgrund innenpolitischer Probleme nachlassen könnte?
Die große Frage ist: Hat Xi Jinping bewusst entschieden, dass China in seinen geopolitischen Begierden mehr Zurückhaltung üben sollte? Oder handelt es sich hierbei um eine taktische Finte, weil China sich aktuell in einer schwierigen Lage befindet und wenn sich der Wind dreht, China wieder genau das sein wird, was es vorher war? Ich weiß es nicht. Aber es ist auch nicht entscheidend. Denn die Konflikte werden nicht in den kommenden drei Monaten gelöst sein. Vielmehr handelt es sich um mehrjährige Herausforderungen. Sie sind sehr tiefgreifend und bedeutsam und werden nicht durch eine einzige Charmeoffensive aus dem Weg geräumt. So oder so denke ich, dass die Realitäten des heutigen Umfelds Xis Handeln einschränken.
Chinas Beziehungen zu Russland, Nordkorea und Iran verbessern sich ebenfalls.
Hier möchte ich direkt einhaken: China ist kein Chaos-Akteur. Russland, Iran und Nordkorea wollen, dass das internationale System in Flammen steht. Sie wollen, dass die Vereinigten Staaten zerstört werden. Sie wollen mehr Konflikte und Krisen auf der ganzen Welt. China will das nicht. Klar, China steht in einem harten Wettbewerb mit den USA und sucht nach Vorteilen. Aber die chinesische Führung will nicht, dass das System auseinanderfällt. Im Gegenteil, China verlässt sie sich auf das internationale System. China braucht eine stabile USA, sogar eine vergleichsweise starke USA. Ich habe von vielen ranghohen chinesischen Führungskräften gehört, dass sie sich zunehmend Sorgen darüber machen, was in einer zweiten Amtszeit von Donald Trump passieren könnte.
Chinas Bemühungen, den Krieg in der Ukraine, den Konflikt im Nahen Osten oder die Huthi-Angriffe im Roten Meer zu beenden, sind aber recht zurückhaltend.
Ich denke, dass es aus chinesischer Sicht eine gute Sache wäre, wenn der Ukraine-Krieg vorbei wäre. Das Gleiche gilt für den Konflikt Israel-Gaza. Schauen Sie, die Chinesen sind diejenigen, die von den Störungen im Roten Meer stärker betroffen sind als jedes andere große Land. China braucht die Freiheit der Schifffahrt. Aber China ist militärisch nicht in der Lage, etwas gegen diese Störungen zu unternehmen. Dafür haben die Chinesen im UN-Sicherheitsrat kein Veto gegen die Verurteilung der Huthi-Angriffe eingelegt. China ist über die aktuellen Konflikte nicht erfreut, aber bis zu deren Lösung wird es versucht sein, daraus Profit zu schlagen und immer den Vereinigten Staaten die Schuld geben.
Gleichzeitig sehen wir eine USA, die sich nach innen wenden. Welche Konsequenzen hat das für die Rivalität zwischen den USA und China?
Die Chinesen wollen, dass die USA eine Führungsrolle bei der Lösung des Russland-Ukraine-Krieges und der Israel-Palästina-Frage spielen. China treibt weniger die Sorge um, dass die Amerikaner zu Isolationisten werden könnten. In Peking fürchtet man vielmehr, dass die USA unilateralistisch werden. China ist besorgt darüber, was passiert, wenn die USA eine selbstbezogene Industriepolitik betreiben und sich nicht mehr um die Globalisierung kümmern.
Welche Rolle spielen Deutschland und Europa dabei? Spielt Berlin überhaupt eine Rolle?
Natürlich. Aber die Rolle Deutschlands hängt davon ab, um welche US-Regierung es sich handelt. Unter Biden erwarten die USA, dass Deutschland und die EU ihre China-Politik an die der USA angleichen. Das bedeutet Multilateralismus beim Risikoabbau, Koordinierung bei kritischen Mineralien, Koordinierung in der Halbleiterpolitik und ein Chip-Abkommen, das letztendlich auch andere Länder einbeziehen wird. Im Gegensatz dazu hat Donald Trump daran sehr wenig Interesse. Unter Trump wird es den USA vor allem um China gehen. Er wird sich auf die bilateralen Handelsbeziehungen konzentrieren – und deutlich weniger Engagement zeigen gegenüber den europäischen Verbündeten.
Was fürchten die USA im Hinblick auf China am meisten: die schnelle militärische Aufrüstung Pekings, einen Angriff auf Taiwan oder Chinas grenzenlose Freundschaft mit Russland?
Die Taiwan-Frage. Aber Taiwan sollte nicht unsere größte Sorge sein. Ich denke, was man in Washington fürchten sollte, ist, dass China seine eigenen Halbleiter baut und technologisch dominant wird. Dieser Bereich sollte die größte Aufmerksamkeit erhalten.
Ian Bremmer ist US-Politikwissenschaftler mit Fokus auf Außenpolitik. Er ist Gründer und Präsident der Eurasia Group sowie Initiator des Global Political Risk Index an der Wall Street.
Mit Blick auf die Chinastrategie fordert die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Bundesregierung auf, Kommunen stärker in den Fokus zu rücken. Konkret empfiehlt die FES als Fazit einer aktuellen Studie mehr finanzielle Ressourcen für Kommunen und eine bessere Vernetzung von Bund, Ländern und Kommunen beim Aufbau von China-Kompetenz.
“Eine Vielzahl von Entscheidungen, sei es in der Wissenschaft, der Wirtschaft oder der Bildung wird in den Kommunen getroffen. Die operative China-Politik findet dort statt. Im Zuge der Neuausrichtung der deutschen China-Politik auf Bundesebene sind sie bislang aber ein blinder Fleck”, sagt Stefan Pantekoek, Asienexperte der FES. In ihrer Studie “Kommunen: Kernstück deutscher China-Politik” konstatieren die Verfasser, dass eine erfolgreiche Neuausrichtung in den China-Beziehungen alle Akteure mit einbeziehen muss.
Andernfalls laufe man Gefahr, dass durch “einseitige Informationszugänge” neue Stereotype entstehen, schreiben die Autoren. Debatten seien geprägt von “zunehmender Schärfe aber abnehmender Differenziertheit“. In der Studie werden die Institute als “unterschätzte Chance” zum Aufbau einer Früh- oder Vorstufe von China-Kompetenz bezeichnet. Weitere Handlungsempfehlungen sind eine zentrale Ansprechstelle für Kommunen, bei Fragen zum Umgang mit Kooperationen und Austauschformaten.
Die Debatte über die Abwendung der Universitäten von ihren Konfuzius-Instituten ist aus Sicht der FES kontraproduktiv. Andrea Frenzel, Co-Autorin und Wissenschaftlerin am Institute for Chinese Studies der FU Berlin, plädiert dafür, die Institute aktiv mitzugestalten, statt sich einseitig zurückzuziehen. tg
China hat zu Wochenbeginn verärgert auf neue Sanktionen von Großbritannien, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten regiert. “China wird die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen entschieden schützen“, hieß es in einer Erklärung des chinesischen Handelsministeriums am Montag. Die Sanktionen der Europäischen Union gegen chinesische Unternehmen aus Russland-bezogenen Gründen hätten keine Grundlage im Völkerrecht und würden sich negativ auf die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und China auswirken.
Ziel der jüngsten Sanktionen ist es, Unternehmen daran zu hindern, Moskau es zu ermöglichen, militärische Hardware oder Ausrüstung zu beschaffen, die zum Nachfüllen seiner Munition und anderer militärischer Güter benötigt wird.
Am Freitag kündigte die US-Regierung Handelsbeschränkungen für 93 Unternehmen aus Russland, China, der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kirgisistan, Indien und Südkorea an, weil diese die Kriegsanstrengungen Russlands in der Ukraine unterstützen. Großbritannien hatte am Donnerstag unter anderem Sanktionen gegen drei chinesische Elektronikunternehmen verkündet. Die EU hatte am Mittwoch ihr eigenes Paket umfassender Sanktionen gegen Russland genehmigt, darunter einige gegen drei chinesische Firmen und ein in Hongkong ansässiges Unternehmen. rad/rtr
Satellitenbilder zeigen eine neue schwimmende Barriere vor dem umstrittenen Scarborough Shoal im Südchinesischen Meer. Die Satellitenbilder wurden am 22. Februar von der Firma Maxar Technologies aufgenommen und zeigen, wie die Barriere die Mündung des Riffes blockiert. Die philippinische Küstenwache veröffentlichte entsprechende Videoaufnahmen.
Besonders pikant: Die Sperre befindet sich just an der Stelle, wo es regelmäßig zu Zusammenstößen von philippinischen Schiffen und Schiffen der chinesischen Küstenwache kommt. Erst vergangene Woche hatte die chinesische Küstenwache behauptet, man habe an dieser Stelle ein philippinisches Schiff vertrieben, welches illegal in chinesische Gewässer eingedrungen sei. Die Philippinen versuchen, mit einer Transparenz-Offensive einer breiten Öffentlichkeit das chinesische Verhalten zu präsentieren – und so Druck auf Peking auszuüben.
Die Formulierung “in chinesische Gewässer” geht auf Pekings Sichtweise zurück, wonach das Scarborough Shoal zu China gehöre, obwohl es innerhalb der 200 Seemeilen umfassenden ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen liegt. Ein internationales Schiedsgericht in Den Haag hatte 2016 festgestellt, dass Chinas Ansprüche keine Rechtsgrundlage hätten – eine Entscheidung, die Peking jedoch zurückgewiesen hat.
Das Satellitenbild stützt Angaben der philippinischen Küstenwache (PCG), wonach zwei Schlauchboote der chinesischen Küstenwache am 22. Februar schwimmende Barrieren am Eingang der Untiefe errichtetet haben sollen. “Wir können davon ausgehen, dass (die Barriere) für philippinische Regierungsschiffe gedacht ist”, sagte Jay Tarriela, ein Sprecher der philippinischen Küstenwache. Schon im vergangenen September hatte China eine schwimmende Barriere errichtet.
Das chinesische Außenministerium wies die Vorwürfe zurück: “Vor kurzem hat die philippinische Seite eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Chinas Souveränität in den Gewässern der Untiefe zu verletzen. China muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um seine territoriale Souveränität sowie seine maritimen Rechte und Interessen sicher zu schützen.” rad
Die chinesische Polizei hat in den vergangenen Tagen mehr als 1.000 Tibeter festgenommen, darunter eine dreistellige Zahl an Mönchen. Hintergrund sind anhaltende Proteste der Menschen gegen den Bau eines Staudamms in einem tibetischen Siedlungsgebiet der Provinz Sichuan. Radio Free Asia berichtet, dass es schon seit Mitte Februar zu Protesten gegen das Projekt kommt. Die Fertigstellung des Damms würde zum Abriss von sechs Klöstern und der Umsiedlung von zwei Dörfern führen.
Allein am vergangenen Freitag zählten örtliche Quellen eine vierstellige Zahl an Inhaftierten. In den Tagen zuvor waren es mehrere Hunderte, die festgenommen wurden. Die Menschen wurden aufgefordert, eigenes Bettzeug zu organisieren, was als Zeichen dafür gedeutet wird, dass die Haft sich eine Weile hinziehen wird. Die Polizei soll laut Augenzeugenberichten brutal gegen die Demonstration vorgegangen sein. Zahlreiche Menschen wurden demnach ins örtliche Krankenhaus eingeliefert.
Der Damm soll Teil eines 13-stufigen Wasserkraftwerkskomplexes am Drichu-Fluss am Oberlauf des Jangtse mit einer geplanten Gesamtkapazität von 13.920 Megawatt werden. grz
Chinas Handelsminister Wang Wentao ist am Montag mit der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai zusammen gekommen. Am Rande eines Treffens der Welthandelsorganisation in Abu Dhabi habe Wang ernsthafte Besorgnis über US-Zölle und Taiwan-bezogene Fragen im Wirtschafts- und Handelsbereich zum Ausdruck gebracht.
China schütze das multilaterale Handelssystem und messe der Arbeit der WTO große Bedeutung bei, hieß es am Montag aus dem Handelsministerium in Peking. Gleichzeitig wurden scharfe Kritik an den USA geübt. Die Vorwürfe: Die Vereinigten Staaten verstoßen gegen WTO-Regeln. Zudem machten sie sich einseitiger Handelsschikanen schuldig, die die globale Handelsordnung ernsthaft untergraben würden, berichtet die Zeitung Global Times. Laut einer Erklärung des chinesischen Handelsministeriums führten Wang und Tai einen “professionellen und intensiven” Austausch über bilaterale Wirtschafts- und Handelsfragen.
Von US-Seite hieß es, Tai habe gegenüber Wang die Notwendigkeit einer fortgesetzten Zusammenarbeit zwischen den USA und der Volksrepublik China bei der WTO zum Ausdruck gebracht. Allerdings habe auch Tai Kritik geäußert – hinsichtlich der überschüssigen Stahlkapazitäten der Volksrepublik auf dem Weltmarkt oder auch der anhaltenden Ungleichgewichte, die durch Chinas staatlich geführten, nicht marktorientierten Ansatz in der Handelspolitik verursacht würden.
Am Montag trafen sich Handelsminister aus der ganzen Welt in Abu Dhabi. Ziel ist es, neue Regeln für den globalen Handel festzulegen. rad
Chinas Staatschef Xi Jinping wird dieses Jahr Serbien besuchen. Das bestätigte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić am Montag bei einer Veranstaltung zum chinesischen Neujahr in Belgrad. Vučić sagte, er habe die Bestätigung erhalten, dass der chinesische Präsident das Land besuchen werde. “Wir sind davon überzeugt, dass Ihr Land im Jahr des Holzdrachens den Weg des allgemeinen Fortschritts mit der gleichen Kraft, Weisheit und Innovation fortsetzen wird”, sagte Vučić vor dem chinesischen Botschafter in Serbien, Li Ming.
“Wir sind dankbar für die starke Unterstützung der Volksrepublik China in allen Fragen, die für die Republik Serbien von entscheidendem Interesse sind, und ich erwarte mit großer Freude, dass das Jahr des Holzdrachen unseren aufrichtigen Freund nach Serbien bringen wird, Weltführer Präsident Xi Jinping”, schrieb Vučić zu einem Post auf Instagram.
Einen offiziellen Termin gibt es noch nicht. Xi war bereits im Juni 2016 einmal in Serbien absolviert. Die Bestätigung durch Vučić macht auch einen Besuch Xis im benachbarten EU-Staat Ungarn wahrscheinlicher. Über diesen wird bereits seit einiger Zeit spekuliert. Auch Frankreich soll auf Xis Reise-Liste stehen, Berichte zufolge noch im Frühjahr. Bestätigt ist das bisher nicht. ari
Wiesloch in Baden-Württemberg ist eine Kleinstadt mit kaum 30.000 Einwohnern, dafür aber zwei Unternehmen von Weltrang: Heidelberger Druckmaschinen und SAP haben in unmittelbarer Nähe ihren Sitz. Hier wuchs Jürgen Kretz auf – mit einem Bruder, der Vater Architekt, die Mutter Hausfrau. Nach der zehnten Klasse ging es in die USA. Sein High School-Jahr wollte Jürgen Kretz in Louisiana verbringen: Der spektakuläre Golf von Mexiko erwartete ihn und das lebendige New Orleans, in dem aus jeder Ritze Jazz und Blues dringt.
In das unbeschwerte Austauschjahr mischte sich neben vielen schönen Erfahrungen jedoch etwas, das sein Weltbild herausforderte. Im Südstaat Louisiana erlebte er mit, welche Rolle Rassismus dort immer noch spielte. Und auch mit der Art, wie sein konservatives amerikanisches Umfeld auf die Welt außerhalb der USA blickte, konnte der 16-Jährige wenig anfangen. Dieser erste Schritt heraus aus der eigenen Blase prägte ihn sehr – und weckte das Interesse an Politik.
Zurück in Deutschland begann Kretz, sich mit dem Thema globale Gerechtigkeit zu beschäftigen und sich in der Grünen Jugend politisch zu engagieren. Für den Zivildienst zog es ihn in die peruanische Hauptstadt Lima, wo er für ein Jahr in einem Kinderheim in einem Armenviertel lebte. Anschließend studierte er in Chemnitz und Berlin Politikwissenschaft und interkulturelle Kommunikation.
Seit Februar ist Jürgen Kretz Abgeordneter für die Grünen im Bundestag. Er vertritt den Wahlkreis Rhein-Neckar und bringt viel China-Expertise mit. Als Teil seines Studiums hat er Chinesisch gelernt und eine Zeitlang in Peking gelebt, wo er nach einem Auslandsjahr an der Universität ein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung absolvierte und für drei Monate an der Deutschen Botschaft arbeitete.
Seinen ersten Job nach dem Studium hatte Kretz 2009 bis 2012 im Abgeordnetenbüro von Viola von Cramon-Taubadel, die zu dieser Zeit Mitglied des Bundestages war. Als Mitarbeiter für außenpolitische Themen lag einer seiner Schwerpunkte auf China. Es war die Zeit nach den Olympischen Spielen, als alles nach Aufbruch aussah und Deutschland mehr Dialog mit der sich öffnenden Volksrepublik suchte. Kretz war an der Ausarbeitung eines China-Konzepts der grünen Bundestagsfraktion beteiligt, das erstmals einen Gesamtansatz über alle Politikfelder hinweg bot und China mehr einbinden wollte.
Nach dieser Station ging es zum Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die folgenden zwölf Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit hatten vor allem ein Thema: Lieferketten. Als Länderreferent für Bangladesch setzte sich Kretz intensiv mit Textillieferketten auseinander. Später lebte er im Kongo und beschäftigte sich mit Rohstofflieferketten, in denen auch China als Mittler eine relevante Rolle spielte. Sein Antrieb, in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten, sei der Versuch gewesen, Dinge systemisch zu verbessern, sagt Kretz. Das will er nun auf anderem Wege tun – über die Politik.
Seine persönliche Funktion sieht Kretz als Scharnier zwischen Umwelt- und Sozialthemen sowie einer pragmatischen Wirtschaftspolitik. Im Bundestag hat er einen Sitz im Umweltausschuss und einen stellvertretenden Sitz im Entwicklungsausschuss, und auch hier werden Lieferketten eine Rolle spielen. Anders als die FDP, die die europäische Lieferkettenrichtlinie verhindern möchte, sieht er sie nicht als Belastung für die deutsche Wirtschaft an – wenn sie richtig ausgestaltet ist. Sie sei sogar gerade erforderlich, um ein Level Playing Field zu gewährleisten, sagt Kretz. Denn in Deutschland gibt es bereits viele nachhaltig agierende Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit dadurch sichergestellt werden könnte.
China ist für Kretz ein wichtiger, relevanter Partner, mit dem Deutschland einen konstruktiven Dialog führen sollte. Doch zugleich müsse die Politik ihre Erwartungen an das Miteinander klar äußern, sagt er. Das europäische Lieferkettengesetz ist für ihn dabei ein zentrales Element, weil dort Menschenrechtspolitik greifbar gemacht wird. Und zwar auch im Hinblick auf die eigene Verantwortung, Rechte und Standards einzuhalten. Altruismus sei dies nicht, sagt Kretz, der auch die Konkurrenz mit Akteuren wie China sieht. Das im Blick zu haben und zu versuchen, der glaubwürdigere, verlässlichere Partner zu sein, könne ein großer Vorteil sein. Julia Fiedler
Xue Liu ist jetzt Experte für Cybersicherheit bei Volkswagen Infotainment. Er kommt von der Platri IT GmbH in Bochum. Seinen Informatik-Abschluss hat er an der China University of Mining and Technology erworben.
Francesca Ghiretti ist neue Non-Resident-Fellow am Wadhwani Center for AI and Advanced Technologies am Center for Strategic and International Studies (CSIS). Sie war bis Oktober 2023 Analystin beim deutschen China-Thinktank Merics.
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In der südostchinesischen Küstenprovinz Fujian hat die zweite Bauphase des Kernkraftwerks Zhangzhou begonnen. Dabei kommen Hualong-One-Reaktoren zum Einsatz, im Inland entwickelte Reaktoren der dritten Generation. In den kommenden Jahren sollen noch Dutzende neue Reaktoren gebaut werden. Derzeit trägt die Atomkraft rund fünf Prozent zur Stromerzeugung bei. Dieser Anteil soll nach den Plänen Pekings künftig auf etwa zehn Prozent steigen.