Table.Briefing: China

Reinhard Bütikofer im Interview + Rückgang der Geburtenrate beschleunigt sich

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Abteilungsleiter Europa im chinesischen Außenministerium hat Deutschland gewarnt, es solle nicht mit dem Feuer spielen. Diese Drohung ist eine arrogante Wolfskrieger-Aussage, die uns nicht beeindrucken sollte. Das sage nicht ich, sondern Reinhard Bütikofer, EU-Parlamentarier der Grünen und Co-Vorsitzender einer neuen deutsch-taiwanischen Dialogplattform.

Die Einrichtung dieser Plattform lieferte dem chinesischen Diplomaten Anlass genug, die Fäuste in Richtung Berlin zu ballen. History repeating. Immer wieder droht die Volksrepublik anderen Ländern mit Konsequenzen, sollten sie nicht das tun, was Peking gerne möchte. Im Interview mit Michael Radunski und Felix Lee rät Bütikofer deshalb, sich nicht einschüchtern zu lassen – schon gar nicht von großkotzigen Wolfskrieger-Aussagen. Dennoch betont Bütikofer die künftige Bedeutung der Diplomatie im Umgang mit Pekings Anspruch auf Taiwan.

Chinesische Drohungen sind irritierend, weil es angesichts der demografischen Entwicklung Chinas und anderer wirtschaftlicher Bremsklötze perspektivisch nur über die Zusammenarbeit mit dem Westen geht. Anders war auch der Auftritt von Li Qiang in Davos nicht zu verstehen – wobei auch der Westen China braucht. Die Geburtenrate jedenfalls ist trotz Ende der Ein-Kind-Politik weiter geschrumpft. Chinas Herausforderungen werden von Jahr zu Jahr größer.

Zum Schluss noch ein Hinweis für Sie, liebe Leserinnen und Leser. Der Research.Table feiert seinen 1. Geburtstag. Morgen früh erscheint die 99. Ausgabe des Professional Briefings für die Entscheider in Wissenschaft, Forschung und Politik.

Das Team hat aus diesem Anlass etwas Besonderes überlegt. Als Geschenk gibt es die ersten zehn Teile der beliebten Serie “Wissenschaftliche Politikberatung – quo vadis?” als Reader. Das Heft mit Statements von unter anderem Bärbel Bas, Helge Braun, Christine Falk, Caspar Hirschi oder Veronika Grimm kann hier kostenlos heruntergeladen werden: /tag/politikberatung/

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Interview

Reinhard Bütikofer: “Chinas aggressive Absicht ist ernst zu nehmen”

Der Grünen-EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer sieht Nachholfbedarf in Berlin und Brüssel.

Taiwan hat gewählt, mit Lai Ching-te wird ein china-kritischer Demokrat neuer Präsident – und China hat nicht angegriffen. Ist die Situation also doch nur halb so wild?

Nur hysterische Leute, die sich nicht tiefergehend mit dem Thema befassen, konnten spekulieren, dass es jetzt zu einem militärischen Angriff kommen würde. Auf anderer Ebene greift China massiv an, etwa mit Informationsmanipulation. Chinas aggressive Absicht ist ernst zu nehmen. Aber die Verbreitung von Klischees hilft nur Pekings Angst-Propaganda. Der Krieg ist vermeidbar.

Ist die Wahl von Lai Ching-te nicht ein Rückschlag für Peking, nachdem die kommunistische Führung so stark versucht hat, die Wahl zu beeinflussen?

Es ist eine herbe Schlappe für Peking. Die Menschen in Taiwan haben sich nicht beeinflussen lassen, weder durch Falschinformationen, noch durch wirtschaftlichen Zwang und auch nicht durch militärische Drohungen aus China. Das zeigt: Peking versteht einfach nicht, wie demokratische Gesellschaften funktionieren. Das war auch bei uns so, als China gegen Mitglieder des EU-Parlaments und andere Personen Sanktionen verhängt hat. Peking dachte, das würde uns einschüchtern, hat damit aber nur das Investitionsabkommen CAI an die Wand gefahren.

Wie wird China nun gegenüber Taiwan reagieren?

China wird den Druck hochhalten, immer wieder militärische Manöver durchführen, die Taiwan zeigen sollen, dass man hoffnungslos unterlegen sei. China wird die Propaganda aufrechterhalten, dass es keine andere Zukunft gebe als unter dem Stiefel der Kommunistischen Partei. Und China wird weiterhin versuchen, Einfluss zu nehmen über Falschmeldungen, über Gerüchte und über ökonomische Bestechung. Die haben eine breite Palette von Maßnahmen.

Wird Peking damit Erfolg haben?

Viel wird davon abhängen, ob Taiwan im Innern einen stabilen Weg findet. Sollten die drei Parteien nicht konstruktiv zusammenarbeiten und sich gegenseitig blockieren, wird Peking das ausnutzen. Zudem darf die internationale Gemeinschaft Taiwan nach der Wahl jetzt nicht links liegen lassen.

Deutschland hat nach der Wahl “den Gewählten” gratuliert, nicht dem Präsidenten. Aus Angst vor China?

Ach ja. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass Berlin überhaupt ein solches Wahlergebnis in Taiwan positiv kommentiert hat. Insofern ist das schon mal gut. Aber hier wollte man anscheinend in Absprache mit Paris und Brüssel besonders schlau sein: auf der einen Seite gratulieren, aber auf der anderen Seite keinen Preis dafür zahlen, indem man etwas undeutlich bleibt. Mehr Klarheit wäre besser.

Viele Experten sind ebenfalls vorsichtig. Der Taiwan-Experte Günter Schubert von der Universität Tübingen hat gewarnt: Wer die Ein-China-Politik infrage stellt, trägt dazu bei, dass die Kriegsgefahr rund um Taiwan steigt. Hat er recht?

Da muss man genau hinschauen. Die Ein-China-Politik ist richtig, und daran werden wir auch festhalten. Aber sie ist etwas Anderes als das Ein-China-Prinzip aus Peking.

Nämlich?

Das Ein-China-Prinzip aus Peking erhebt den Anspruch, dass Taiwan ohne jeden Zweifel unter die Herrschaft Pekings gehöre und die Volksrepublik das auch gewaltsam durchsetzen dürfe.

Und Deutschlands Ein-China-Politik?

Unsere Ein-China-Politik besagt, dass es nur eine Regierung gibt, die China vertritt. Das ist die Regierung in Peking. Aber daraus können keine Ansprüche auf Taiwan abgeleitet werden. Unsere Politik erkennt Taiwan diplomatisch nicht an. Aber sie schließt nicht aus, dass wir die Realität der taiwanischen Demokratie anerkennen, im Gegenteil.

Dann lassen wir die genaue diplomatische Wortwahl mal beiseite: De facto ist Taiwan doch längst eine eigenständige, demokratische Republik. Sollten wir Taiwan dann nicht auch so behandeln?

Diplomatie ganz zur Seite zu lassen, wäre nicht gut. Aber ansonsten: Ja.

Also was ist Taiwan für uns?

Tja, ich kann mich gut an die Zeit erinnern, da war Taiwan irgendwie nur im Weg: eine bucklige demokratische Verwandtschaft auf einer fernen Insel, die der gewinnversprechenden, bedingungslosen Annäherung an die Volksrepublik irgendwie im Weg zu stehen drohte. Heute ist Taiwan für uns ein wichtiger Partner, nicht nur wegen seiner führenden Chip-Industrie.

Wenn Taiwan so wichtig ist, brauchen wir dann nach der China-Strategie nicht auch eine Taiwan-Strategie?

Wir brauchen eine aktive Taiwan-Politik. Die Politik Deutschlands und der EU ist schon aktiver als zu Zeiten der Kanzlerin Merkel. Aber wir brauchen mehr.

Was zum Beispiel?

Wir sollten uns dafür einsetzen, dass Taiwan in internationalen Organisationen wie der UNFCCC, ICAO, WHO oder Interpol vernünftig mitarbeiten kann. Das wären substanzielle Beiträge zur Stabilisierung des Status Quo und zur Beruhigung der Lage in der Taiwanstraße. 

Das wäre international. Was kann Deutschland tun?

Wir sollten etwa den ökonomischen Beziehungen zu Taiwan ein stärkeres Format geben. Europa ist Hauptinvestor in Taiwan. Taiwans Investitionen in Europa sind noch relativ überschaubar. Das wird sich durch die Chips-Fabrik von TSMC in Dresden ein bisschen ändern, aber wir können mehr – zu beiderseitigem Nutzen.

Apropos praktisch gestalten: Sie sind inzwischen Co-Vorsitzender einer neuen deutsch-taiwanischen Dialogplattform. Was wollen Sie mit diesem Forum erreichen?

Wir wollen den zivilgesellschaftlichen Dialog fördern. Das reicht vom Umgang mit der diktatorischen Vergangenheit über Wissenschaftskooperation bis hin zur Kulturpolitik und zum Thema Recycling.

Dialog bedeutet Austausch. Was können wir von Taiwan lernen?

Wir können zum Beispiel lernen, wie man mit ausländischer Einflussnahme und Informationsmanipulation aus der Zivilgesellschaft heraus erfolgreich umgeht. Taiwan zeigt sich hier gegenüber China sehr robust.

Ihr Dialogforum mit Taiwan sorgt aber sicherlich auch für Ärger mit Peking.

Ein bisschen. Der Abteilungsleiter Europa im chinesischen Außenministerium hat die Backen aufgeblasen und gesagt, Deutschland solle nicht mit dem Feuer spielen. Das ist halt so eine arrogant-großkotzige Wolfskrieger-Aussage. Wer sich von so was beeindrucken ließe, wäre selber schuld.

Reinhard Bütikofer ist ehemaliger Bundesvorsitzender der Grünen und sitzt seit 2009 im EU-Parlament. Er gestaltet die europäische China-Politik in den Ausschüssen für Auswärtige Angelegenheiten und für Handel mit. Seit kurzem ist der zudem Co-Vorsitzender des deutsch-taiwanischen Dialogforums.

  • China-Strategie
  • Chips
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  • Geopolitik
  • Taiwan
  • Wissenschaftskooperation
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Analyse

Chinas alarmierend niedrige Geburtenrate überschattet zweifelhafte Konjunkturdaten

Chinas Statistikbehörde hat neben fragwürdigen Konjunkturdaten auch beunruhigende Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung veröffentlicht. Demnach hat sich der Rückgang der Geburtenrate seit dem vergangenen Jahr weiter beschleunigt. Nach Angaben des Statistikamtes lebten Ende Dezember rund 1,409 Milliarden Menschen in der Volksrepublik, 2,08 Millionen weniger als ein Jahr zuvor. Bereits 2022 war Chinas Bevölkerung erstmals seit sechs Jahrzehnten geschrumpft, allerdings fiel der Rückgang damals mit rund 850.000 Menschen deutlich geringer aus als im vergangenen Jahr.

In China wurden 9,02 Millionen Babys geboren, gegenüber 9,56 Millionen im Jahr 2022. Andererseits stieg die Zahl der Todesfälle deutlich von 10,41 Millionen auf 11,1 Millionen. Zu den Todesursachen machten die Pekinger Statistiker keine Angaben, doch dürfte ein erheblicher Anteil auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein.

Das überstürzte Ende der Corona-Beschränkungen Ende 2021 hatte zu vielen Todesfällen geführt – was hätte verhindert werden können, wäre vor allem die ältere Bevölkerung besser geimpft gewesen. Staatschef Xi Jinping hat bis heute wirkungsvolle Impfstoffe wie die von Biontech oder Modern nicht zugelassen, weil er aus nationalistischen Gründen auf den heimischen Impfstoff setzt, der aber schlechter wirkt.

Rhodium hält 1,5 Prozent für wahrscheinlich

Die alarmierende Nachricht zur demografischen Entwicklung überschattete am Mittwoch die Verlautbarung der Konjunkturdaten – zumal Premierminister Li Qiang die Wachstumsrate bereits am Dienstag vorab beim Weltwirtschaftsforum in Davos ausgeplaudert hatte. Demnach soll Chinas Wirtschaft im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent gewachsen sein. Damit hätte die zweitgrößte Volkswirtschaft ihr offizielles Wachstumsziel leicht übertroffen.

Wie realistisch diese Zahl tatsächlich ist, bleibt Spekulation. Schon Ende vergangenen Jahres hatten chinesische Medien recht offen beklagt, dass die aus manchen Provinzen gemeldeten Wirtschaftsdaten offenbar geschönt seien. Die Denkfabrik Rhodium beispielsweise glaubt, dass das tatsächliche Wachstum bei lediglich 1,5 Prozent gelegen habe.

Auch die Wirtschaftssinologin Doris Fischer hat Zweifel. “Selbst wenn wir annehmen, dass man auf der Ebene der Zentrale gerne die korrekten Daten berichten wollte, bleibt die Frage, wie von Ende des Jahres bis jetzt die offenbar problematischen Provinzdaten korrigiert wurden.” Fischer kommt deshalb zu dem Schluss. “den offiziellen GDP-Daten nicht viel Vertrauen entgegenzubringen“.

Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht in dem Wachstum indes einen Sondereffekt im Gange. “Es ist ein einmaliger Rebound nach dem schwachen Vorjahr 2022, in dem das Wachstum bedingt durch die Coronakrisen-Lockdowns nur bei knapp drei Prozent lag.” Der IW-Ökonom warnt jedoch: “Wir sollten die innere Stärke der chinesischen Wirtschaft nicht überschätzen, angesichts der weiter schwelenden Immobilienkrise.”

Stirnrunzeln wegen Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit

Zwar hatten sich die chinesischen Exporte zuletzt wieder positiv entwickelt, aber schwache Importe, mangelnde Investitionswilligkeit, Jugendarbeitslosigkeit, geringer Binnenkonsum und eine hohe Sparquote deuten darauf hin, dass 5,2 Prozent schlicht überzogen. “Unabhängig davon, wieviel Trickserei notwendig war, um dieses Ziel zu erfüllen, war Chinas wirtschaftliche Entwicklung im letzten jahr ernüchternd”, sagt Markus Taube, Ostasien-Wirtschaftsexperte von der Uni Duisburg. Ohne wiederbelebten Konsum könne in Anbetracht einer schwachen Weltkonjunktur auch die Industrie keine gesunde Wachstumsdynamik entfalten.

Für Stirnrunzeln sorgte das Statistikamt auch mit einer neuen Statistik zur Jugendarbeitslosigkeit. Noch im Sommer war eine Rekordquote von 21,3 Prozent gemeldet worden. Peking setzte die Statistik kurz darauf aus. Die jetzt vorgelegte Quote für die Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen lag mit 14,9 Prozent deutlich niedriger als zuvor.

Kang Yi, Direktor des Statistikamtes, erklärte, die neue Quote spiegele den Beschäftigungs- und Arbeitslosenstatus der Jugendlichen besser wider. Schüler oder Studenten, die noch zur Schule oder Universität gehen, aber bereits einen Job oder eine Teilzeitbeschäftigung suchen, würden nicht mehr in der Statistik berücksichtigt.

Wachstumsziel für 2024 zum Volkskongress erwartet

Neu ist die Auswertung für 25- bis 29-Jährige. Ihre Arbeitslosenquote liegt nach offiziellen Angaben bei rund 6,1 Prozent. Wenn diese Zahlen stimmen, ergäbe sich ein deutlich entspannteres Bild der Arbeitsmarktsituation. Jedoch bemängelten Analysten, dass ein Vergleich mit der alten Statistik nur nach Vorlage von mehr historischen Daten möglich sei. Zhang Zhiwei, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Pinpoint, sagte Bloomberg:. “Es ist besser, Daten zu haben, als sie nicht zu haben, denn so können wir zumindest in Zukunft sehen, wie sich die Situation von Monat zu Monat verändern wird.”

Das Wachstumsziel für 2024 ist noch unklar. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften gab vergangene Woche jedoch eine überraschend positive Prognose ab: Chinas Wirtschaft könnte 2024 mit 5,3 Prozent stärker wachsen als 2023. Die Akademie ist eng mit der chinesischen Regierung verbunden. Ihre Prognose spiegelt also sehr wahrscheinlich die wirtschaftspolitischen Ziele und Erwartungen der Regierung wider.

“Die chinesische Regierung wird ihr Wachstumsziel für 2024 wahrscheinlich bei fünf Prozent halten”, sagt Alicia Garcia Herrero, Chefökonomin für den asiatisch-pazifischen Raum bei Natixis. “Aber ich glaube nicht, dass es ohne weitere fiskal- und geldpolitische Anreize einfach sein wird. Die Realzinsen in China sind auf einem Rekordniveau, viel höher als in den USA, Europa oder Japan, und China leidet unter Deflationsdruck aufgrund von Überkapazitäten.”

Eine optimistischere Wachstumsprognose könnte als Signal interpretiert werden, dass die Regierung bereit ist, zusätzliche Maßnahmen zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums zu ergreifen. Eine endgültige Klärung dieser Frage erfolgt jedoch erst Anfang März, wenn die Regierung beim Volkskongress ihr offizielles Wachstumsziel vorlegt.

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  • Konjunktur
  • Statistik
  • Wirtschaftswachstum

News

Nach DAAD-Papier: Forschungs-Community diskutiert Umgang mit China

Die neuen Handlungsempfehlungen des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) zum Umgang mit China werden in der Forschungs-Community als wichtiger Impuls für die weitere Zusammenarbeit mit der Volksrepublik aufgenommen. “Zur Umsetzung der China-Strategie im Hochschulbereich ist es vor allem wichtig, ein klares Bewusstsein für die Chancen, aber auch die Risiken der Wissenschaftskooperation mit der VR China zu haben”, sagte Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Table.Media. Die China-Kompetenz im Hochschulsystem müsse ausgebaut werden – “auch für die gesellschaftlichen Bedarfe darüber hinaus.”

Am Montag hatte der DAAD ein Papier herausgegeben, das aktuelle Probleme thematisiert und eine Handreichung für den akademischen Austausch mit China sein soll. Verwiesen wird auch auf einen bedenklichen Rückgang der Kooperationen und der Mobilität zwischen Deutschland und China.

Der Wissens- und Kompetenzausbau sowie -aufbau muss einhergehen mit einer stärker strukturellen Verankerung von Risikomanagement im Kontext internationaler Wissenschaftskooperation auf institutioneller Ebene, sagt HRK-Präsident Rosenthal. Dabei werde es darum gehen, bereits vorhandene Stellen und Prozesse, wie etwa die Dual-Use-Prüfung, mit weiteren Aspekten eines umfassend gedachten Risikomanagements zu verzahnen.

Zum Thema der Risikokontrolle betont Hannes Gohli vom China Kompetenzzentrum der Universität Würzburg, dass eine Umsetzung des eingeforderten Risikomanagements einerseits schon stattfindet, aber nicht einfach sei und durchaus spezifischer Ressourcen bedürfe. Auch im Bereich Exportkontrolle und China Kompetenz bestehe Ausbaupotenzial, sagt Gohli. Es müssten Anlaufstellen geschaffen werden, in denen Exportkontrolleure zusammen mit China-Experten arbeiten. nik/ari

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Wachsende Spannungen zwischen China und dem Westen für 2024 erwartet

Die Spannungen zwischen China und dem Westen werden im laufenden Jahr weiter zunehmen. Das glaubt eine Mehrheit von 650 Experten, die das Berliner Merics-Institut befragt hat. Die Teilnehmer gehen unter anderem davon aus, dass die Spannungen in der Taiwanstraße das ganze Jahr über für Ungewissheit sorgen werden.

China werde sich demnach verstärkt für den geopolitischen Wettbewerb wappnen, insbesondere auch mit Blick auf den handelspolitischen Rivalen USA. Zwei Drittel der von Merics befragten Experten erwarten, dass China unter Präsident Xi Jinping weiter einen eher ideologischen Kurs staatlicher Kontrolle fahren wird, bei dem die propagierte nationale Sicherheit über alles gestellt wird. Einen Schwenk zu einer eher pragmatischen Linie erwarten nur 22 Prozent der Befragten.

Am stärksten dürfte sich dies im ökonomischen Bereich auswirken. Die staatlichen Wirtschaftslenker werden demnach wohl auf den Druck der sogenannten De-Risking-Strategie des Westens reagieren und versuchen, die inländische Wirtschaftsbasis zu stabilisieren. Am Dienstag hatte Premierminister Li Qiang in Davos zu mehr internationaler Zusammenarbeit und Austausch aufgerufen.

Die Bundesregierung hatte im Juli 2023 eine Strategie für den Umgang mit China vorgelegt. Sie strebt mit dem De-Risking eine größere Unabhängigkeit der Wirtschaft an. Die EU-Staaten kritisieren Wettbewerbsnachteile auf dem chinesischen Markt, aber auch Chinas Drohungen an Taiwan sowie seine enge Partnerschaft mit Russland. grz/rtr

  • Geopolitik
  • Merics

EU-Parlament will mehr Engagement in Zentralasien sehen

Das EU-Parlament fordert eine engere Zusammenarbeit mit zentralasiatischen Staaten. Die EU habe jetzt die Möglichkeit, “ihre Beziehungen zu Zentralasien auszubauen und eine größere Rolle in der Region zu spielen“, betonten die EU-Abgeordneten am Mittwoch in einer Resolution, die mit großer Mehrheit angenommen wurde. Brüssel solle die Gelegenheit nutzen, “um eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit voranzubringen und Zentralasien eine Partnerschaft anzubieten”, nicht zuletzt, um Chinas und Russlands Einfluss in der Region entgegenzuwirken. Ein erstes Gipfeltreffen von Vertretern aus EU und Zentralasien ist demnach für 2024 geplant.

Derzeit befindet sich Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas auf Reisen in den fünf zentralasiatischen Staaten. Am Mittwoch befand sich Schinas in Usbekistan. Die Reise findet im Vorfeld eines Investorenforums für den transkaspischen Verkehrskorridor statt, das Ende des Monats in Brüssel durchgeführt werden soll. Chinas Staatschef Xi Jinping hatte im vergangenen Mai einen Gipfel mit den Staatschefs der “Stans” abgehalten.

Parlament fordert Risikoanalyse

Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch zudem über einen Bericht über Chinas Einfluss auf Europas Sicherheits- und Verteidigungspolitik ab. In dem Papier warnen die EU-Parlamentarier unter anderem vor einer zu großen Abhängigkeit von China bei bestimmten Rohstoffen und dem Abwandern von militärisch strategischem Know-how.

Die Abgeordneten forderten zudem die EU-Kommission auf, dem Parlament noch vor dem Ende der laufenden Wahlperiode eine “detaillierte Analyse der Risiken für den Handel in Bezug auf Technologien wie Halbleiter, Quanteninformatik, Blockchain, Weltraum, künstliche Intelligenz und Biotechnologie sowie den möglichen Handlungsbedarf der EU in diesen Bereichen” vorzulegen. Resolutionen sind die Standpunkte des EU-Parlaments zu bestimmten Themen, sie sind nicht bindend für die EU-Kommission. ari

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  • Chips
  • EU
  • Handelspolitik
  • Rohstoffe
  • Zentralasien

Autobauer SAIC will 14 Transportschiffe kaufen

Der chinesische Autobauer SAIC will stärker in ausländische Märkte vordringen. Um sein potenzielles Exportvolumen zu erhöhen, baut das Unternehmen deshalb seine Transportflotte aus. In den kommenden drei Jahren wolle der Konzern 14 Schiffe hinzukaufen, teilte SAIC am Mittwoch mit.

Das zu SAIC gehörende Unternehmen Anji Logistics betreibt bereits 31 Frachtschiffe. Ziel sei es, in diesem Jahr den Export von Fahrzeugen auf 1,35 (Vorjahr: 1,2) Millionen zu steigern, berichtete die chinesische Zeitung “The Paper” unter Berufung auf einen SAIC-Manager. 2025 soll der Absatz in den Überseemärkten dann 1,5 Millionen erreichen. rtr/grz

  • Autoindustrie
  • Export
  • SAIC

Chinesische Reederei bietet Transport durch den Golf von Aden

Die chinesische Linienreederei China United Lines (CU Lines) hat einen Containerschiffsverkehr durch den Golf von Aden ins Rote Meer aufgenommen. Trotz anhaltender Angriffe auf Frachter durch Huthi-Milizen aus dem Jemen bietet CUL ab sofort den Transport über die schnellst Route von Qingdao über Shanghai, Ningbo und Nansha in die saudi-arabische Hafenstadt Dschidda an.

CUL will damit Lücken stopfen, die nach Beginn der Rebellen-Angriffe im Containerverkehr entstanden sind. Zahlreiche Reedereien meiden den Golf von Aden aus Angst vor weiteren Attacken. Erst am Wochenende war ein US-Frachter von einer Rakete getroffen worden, wobei sich der Sachschaden in Grenzen hielt.

Die Reederei SeaLead Shipping aus Singapur hat derweil das Volumen der Transporte aus der Region nach China erhöht. Das Unternehmen hatte vor wenigen Tagen zwei weitere Schiffe mit einer Gesamtkapazität von über 6.300 Zwanzig-Fuß-Standardcontainern (TEU) gechartert, berichtet das Branchenmagazin The Loadster.

Die angespannte Lage im Persischen Golf hat den Schiffsverkehr auf der Ausweichroute um die Südspitze Afrikas erhöht. Gleichzeitig kletterten die Preise für die deutlich kürzere Strecke von Shanghai in den Persischen Golf deutlich. Zuletzt betrug er 2.224 US-Dollar pro Container. Im Dezember kostete die gleiche Fracht mehr als 1.000 Dollar weniger. grz

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  • Lieferketten
  • Logistik
  • Saudi-Arabien

Presseschau

Geburtenrate hat sich halbiert: Eine schrumpfende Weltmacht RND
Chinas Wirtschaft wächst wieder robust – Plus von 5,2 Prozent SPIEGEL
Wirtschaft in China läuft angeblich super – doch Experten zweifeln STERN
China starts publishing youth jobless data again, with new method and a lower number ABC NEWS
China eyes defense ties reboot with Australia despite Taiwan tensions NIKKEI
China says threats of force over Taiwan not aimed at most Taiwanese REUTERS
Chinas Problem ist die Attraktivität von Taiwans Demokratie ZEIT
China looks to boost EU imports, urges bloc to ease hi-tech export controls SCMP
Chinese premier hails ‘co-operation’ with Ireland and resumes beef exports YAHOO
China überprüft Modehändler Shein vor Börsengang N-TV
Evergrande vor Anhörung: An diesem Konzern hängt das Schicksal von Chinas Wirtschaft HANDELSBLATT
E-Auto-Flut aus Fernost ab 2025? Chinas Autobauer bauen eigene Schiffe für den Export N-TV
Warum die chinesischen E-Autos auf sich warten lassen ZEIT
China will langfristig an der Verbrennertechnologie festhalten und sie auf synthetische Kraftstoffe ausrichten AUTOMOBILWOCHE
China’s BYD launches AI-powered smart car technology to better compete with rivals CNBC
China issues draft guidelines for standardising AI industry REUTERS
Chinese scientists create mutant COVID strain that kills mice TORONTO SUN
Züge schneller als Jets – China nimmt erste Vakuumröhre in Betrieb STERN

Heads

Benjamin Creutzfeldt – Von Latein gemartert, von Mandarin fasziniert

Benjamin Creutzfeldt ist Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts in Leipzig.

Als Junge beobachtete Benjamin Creutzfeldt die chinesischen und japanischen Kollegen seines Vaters. Obwohl ihre Sprachen grundverschieden waren, konnten sie über Schriftzeichen miteinander kommunizieren. Für einen Schüler, der sich jahrelang durch den Lateinunterricht geplagt hatte, strahlte das eine ungemeine Faszination aus. “Als ich dann an der Schule eine Chinesisch-AG entdeckte, ergriff ich die Chance”, sagt Benjamin Creutzfeldt. Heute ist er Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts Leipzig. 

Auf dem Weg dorthin studierte Creutzfeldt Chinastudien an der Durham Universität und asiatische Kunst und Architektur an der SOAS-Universität in London. Er promovierte an der Universidad Externado de Colombia in Bogotá zu den Beziehungen Chinas zu Lateinamerika und war Postdoctoral Fellow an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies. Neben seiner akademischen Karriere arbeitete er außerdem für das Auktionshaus Christies als Kunstexperte und Versteigerer für chinesisches Porzellan. Sein Interesse an chinesischer Kunst bewegte ihn später dazu, selbst eine Porzellanwerkstatt in Jingdezhen in der Provinz Jiangxi aufzubauen. 

Debatte um die Konfuzius-Institute

In seiner Funktion in Leipzig bündelt Creutzfeldt all diese Erfahrungen. Er organisiert mit dem Institut Sprachkurse, Konzerte, Ausstellungen, Magazine, akademische Vortragsreihen und Kulturevents. “Ich habe selten so viele so abwechslungsreiche Tätigkeiten auf einmal verrichtet, der Tag ist nie lang genug”, sagt er. Wie alle Konfuzius-Institute in Deutschland ist auch das Leipziger an die städtische Universität angedockt und arbeitet mit einer chinesischen Partneruniversität zusammen.

Wegen dieser Verbundenheit zu China stehen die 19 deutschen Konfuzius-Institute immer wieder in der Kritik. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte 2023 die Einrichtungen in seinem aktuellen Jahresbericht als ein Instrument politischer Einflussnahme eingestuft. Die Debatte habe ihn beunruhigt und verärgert, sagt Creutzfeldt. Er wirft den Kritikern vor, uninformiert zu sein und die Debatte politisch billig zu führen. “Alle deutschen Konfuzius-Institute sind voneinander unabhängig und haben sowohl hierzulande wie in China unterschiedliche Partner, somit kann man uns nicht in einen Topf werfen.” 

“Es wächst das Misstrauen auf deutscher Seite”

Die Zusammenarbeit mit der Renmin Universität beschreibt der Geschäftsführer als “hands-off”. “Die Auswahl der Lehrkräfte, Sprecher, Musiker, Bücher, Künstler, Themen, Filme steht uns offen. Wir haben noch nie eine direkte Anweisung aus China erhalten”, so Creutzfeldt. “Auch die von der Renmin Universität uns abbestellte chinesische Direktorin nimmt über organisatorische Fragen hinaus keinen Einfluss auf die Inhalte, und wir unterliegen als eingetragener Verein allein deutschem Recht.” 

Creutzfeldt sieht in der Debatte ein Beispiel, wie sich Deutschlands Blick auf China seit der Pandemie verändert hat. “Es wächst das Misstrauen auf deutscher Seite”, stellt er fest. Um dem entgegenzuwirken, braucht es in Deutschland mehr China-Wissen, glaubt Creutzfeldt. “Und dazu tragen unter anderem auch die Konfuzius-Institute bei”, sagt er. Svenja Schlicht

  • Konfuzius-Institute
  • Spionage

Personalien

Johannes Roscheck wird ab April neuer Chef von Audi in China. Roscheck übernimmt dann das Amt von Jürgen Unser. Er leitete bisher die Aktivitäten der VW-Marke in China von Peking aus. Derzeit ist Roscheck Head of Corporate Controlling & Finance bei Audi in Ingolstadt.

Hu Haifeng, der einzige Sohn des ehemaligen chinesischen Präsidenten Hu Jintao, ist zum stellvertretenden Minister für zivile Angelegenheiten Chinas befördert worden. Hu war seit gut fünf Jahren der Chef der Kommunistischen Partei in Lishui, Provinz Zhejiang.

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Dessert

Poesie im Bild vor der Altstadtmauer der ehemaligen Kaiserresidenz Xi’an: Das Bauwerk entstand Ende des 14. Jahrhunderts während der Ming-Dynastie und umschließt eine Fläche von zwölf Quadratkilometern. Seit 1961 ist sie denkmalgeschützt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie durch Kriege oder Verfall mehrfach schwer im Mitleidenschaft gezogen und immer wieder neu aufgebaut. Heute wirkt sie wie eine faszinierende Linse auf die Vergangenheit Chinas – und entsprechend beliebt.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    der Abteilungsleiter Europa im chinesischen Außenministerium hat Deutschland gewarnt, es solle nicht mit dem Feuer spielen. Diese Drohung ist eine arrogante Wolfskrieger-Aussage, die uns nicht beeindrucken sollte. Das sage nicht ich, sondern Reinhard Bütikofer, EU-Parlamentarier der Grünen und Co-Vorsitzender einer neuen deutsch-taiwanischen Dialogplattform.

    Die Einrichtung dieser Plattform lieferte dem chinesischen Diplomaten Anlass genug, die Fäuste in Richtung Berlin zu ballen. History repeating. Immer wieder droht die Volksrepublik anderen Ländern mit Konsequenzen, sollten sie nicht das tun, was Peking gerne möchte. Im Interview mit Michael Radunski und Felix Lee rät Bütikofer deshalb, sich nicht einschüchtern zu lassen – schon gar nicht von großkotzigen Wolfskrieger-Aussagen. Dennoch betont Bütikofer die künftige Bedeutung der Diplomatie im Umgang mit Pekings Anspruch auf Taiwan.

    Chinesische Drohungen sind irritierend, weil es angesichts der demografischen Entwicklung Chinas und anderer wirtschaftlicher Bremsklötze perspektivisch nur über die Zusammenarbeit mit dem Westen geht. Anders war auch der Auftritt von Li Qiang in Davos nicht zu verstehen – wobei auch der Westen China braucht. Die Geburtenrate jedenfalls ist trotz Ende der Ein-Kind-Politik weiter geschrumpft. Chinas Herausforderungen werden von Jahr zu Jahr größer.

    Zum Schluss noch ein Hinweis für Sie, liebe Leserinnen und Leser. Der Research.Table feiert seinen 1. Geburtstag. Morgen früh erscheint die 99. Ausgabe des Professional Briefings für die Entscheider in Wissenschaft, Forschung und Politik.

    Das Team hat aus diesem Anlass etwas Besonderes überlegt. Als Geschenk gibt es die ersten zehn Teile der beliebten Serie “Wissenschaftliche Politikberatung – quo vadis?” als Reader. Das Heft mit Statements von unter anderem Bärbel Bas, Helge Braun, Christine Falk, Caspar Hirschi oder Veronika Grimm kann hier kostenlos heruntergeladen werden: /tag/politikberatung/

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    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Interview

    Reinhard Bütikofer: “Chinas aggressive Absicht ist ernst zu nehmen”

    Der Grünen-EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer sieht Nachholfbedarf in Berlin und Brüssel.

    Taiwan hat gewählt, mit Lai Ching-te wird ein china-kritischer Demokrat neuer Präsident – und China hat nicht angegriffen. Ist die Situation also doch nur halb so wild?

    Nur hysterische Leute, die sich nicht tiefergehend mit dem Thema befassen, konnten spekulieren, dass es jetzt zu einem militärischen Angriff kommen würde. Auf anderer Ebene greift China massiv an, etwa mit Informationsmanipulation. Chinas aggressive Absicht ist ernst zu nehmen. Aber die Verbreitung von Klischees hilft nur Pekings Angst-Propaganda. Der Krieg ist vermeidbar.

    Ist die Wahl von Lai Ching-te nicht ein Rückschlag für Peking, nachdem die kommunistische Führung so stark versucht hat, die Wahl zu beeinflussen?

    Es ist eine herbe Schlappe für Peking. Die Menschen in Taiwan haben sich nicht beeinflussen lassen, weder durch Falschinformationen, noch durch wirtschaftlichen Zwang und auch nicht durch militärische Drohungen aus China. Das zeigt: Peking versteht einfach nicht, wie demokratische Gesellschaften funktionieren. Das war auch bei uns so, als China gegen Mitglieder des EU-Parlaments und andere Personen Sanktionen verhängt hat. Peking dachte, das würde uns einschüchtern, hat damit aber nur das Investitionsabkommen CAI an die Wand gefahren.

    Wie wird China nun gegenüber Taiwan reagieren?

    China wird den Druck hochhalten, immer wieder militärische Manöver durchführen, die Taiwan zeigen sollen, dass man hoffnungslos unterlegen sei. China wird die Propaganda aufrechterhalten, dass es keine andere Zukunft gebe als unter dem Stiefel der Kommunistischen Partei. Und China wird weiterhin versuchen, Einfluss zu nehmen über Falschmeldungen, über Gerüchte und über ökonomische Bestechung. Die haben eine breite Palette von Maßnahmen.

    Wird Peking damit Erfolg haben?

    Viel wird davon abhängen, ob Taiwan im Innern einen stabilen Weg findet. Sollten die drei Parteien nicht konstruktiv zusammenarbeiten und sich gegenseitig blockieren, wird Peking das ausnutzen. Zudem darf die internationale Gemeinschaft Taiwan nach der Wahl jetzt nicht links liegen lassen.

    Deutschland hat nach der Wahl “den Gewählten” gratuliert, nicht dem Präsidenten. Aus Angst vor China?

    Ach ja. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass Berlin überhaupt ein solches Wahlergebnis in Taiwan positiv kommentiert hat. Insofern ist das schon mal gut. Aber hier wollte man anscheinend in Absprache mit Paris und Brüssel besonders schlau sein: auf der einen Seite gratulieren, aber auf der anderen Seite keinen Preis dafür zahlen, indem man etwas undeutlich bleibt. Mehr Klarheit wäre besser.

    Viele Experten sind ebenfalls vorsichtig. Der Taiwan-Experte Günter Schubert von der Universität Tübingen hat gewarnt: Wer die Ein-China-Politik infrage stellt, trägt dazu bei, dass die Kriegsgefahr rund um Taiwan steigt. Hat er recht?

    Da muss man genau hinschauen. Die Ein-China-Politik ist richtig, und daran werden wir auch festhalten. Aber sie ist etwas Anderes als das Ein-China-Prinzip aus Peking.

    Nämlich?

    Das Ein-China-Prinzip aus Peking erhebt den Anspruch, dass Taiwan ohne jeden Zweifel unter die Herrschaft Pekings gehöre und die Volksrepublik das auch gewaltsam durchsetzen dürfe.

    Und Deutschlands Ein-China-Politik?

    Unsere Ein-China-Politik besagt, dass es nur eine Regierung gibt, die China vertritt. Das ist die Regierung in Peking. Aber daraus können keine Ansprüche auf Taiwan abgeleitet werden. Unsere Politik erkennt Taiwan diplomatisch nicht an. Aber sie schließt nicht aus, dass wir die Realität der taiwanischen Demokratie anerkennen, im Gegenteil.

    Dann lassen wir die genaue diplomatische Wortwahl mal beiseite: De facto ist Taiwan doch längst eine eigenständige, demokratische Republik. Sollten wir Taiwan dann nicht auch so behandeln?

    Diplomatie ganz zur Seite zu lassen, wäre nicht gut. Aber ansonsten: Ja.

    Also was ist Taiwan für uns?

    Tja, ich kann mich gut an die Zeit erinnern, da war Taiwan irgendwie nur im Weg: eine bucklige demokratische Verwandtschaft auf einer fernen Insel, die der gewinnversprechenden, bedingungslosen Annäherung an die Volksrepublik irgendwie im Weg zu stehen drohte. Heute ist Taiwan für uns ein wichtiger Partner, nicht nur wegen seiner führenden Chip-Industrie.

    Wenn Taiwan so wichtig ist, brauchen wir dann nach der China-Strategie nicht auch eine Taiwan-Strategie?

    Wir brauchen eine aktive Taiwan-Politik. Die Politik Deutschlands und der EU ist schon aktiver als zu Zeiten der Kanzlerin Merkel. Aber wir brauchen mehr.

    Was zum Beispiel?

    Wir sollten uns dafür einsetzen, dass Taiwan in internationalen Organisationen wie der UNFCCC, ICAO, WHO oder Interpol vernünftig mitarbeiten kann. Das wären substanzielle Beiträge zur Stabilisierung des Status Quo und zur Beruhigung der Lage in der Taiwanstraße. 

    Das wäre international. Was kann Deutschland tun?

    Wir sollten etwa den ökonomischen Beziehungen zu Taiwan ein stärkeres Format geben. Europa ist Hauptinvestor in Taiwan. Taiwans Investitionen in Europa sind noch relativ überschaubar. Das wird sich durch die Chips-Fabrik von TSMC in Dresden ein bisschen ändern, aber wir können mehr – zu beiderseitigem Nutzen.

    Apropos praktisch gestalten: Sie sind inzwischen Co-Vorsitzender einer neuen deutsch-taiwanischen Dialogplattform. Was wollen Sie mit diesem Forum erreichen?

    Wir wollen den zivilgesellschaftlichen Dialog fördern. Das reicht vom Umgang mit der diktatorischen Vergangenheit über Wissenschaftskooperation bis hin zur Kulturpolitik und zum Thema Recycling.

    Dialog bedeutet Austausch. Was können wir von Taiwan lernen?

    Wir können zum Beispiel lernen, wie man mit ausländischer Einflussnahme und Informationsmanipulation aus der Zivilgesellschaft heraus erfolgreich umgeht. Taiwan zeigt sich hier gegenüber China sehr robust.

    Ihr Dialogforum mit Taiwan sorgt aber sicherlich auch für Ärger mit Peking.

    Ein bisschen. Der Abteilungsleiter Europa im chinesischen Außenministerium hat die Backen aufgeblasen und gesagt, Deutschland solle nicht mit dem Feuer spielen. Das ist halt so eine arrogant-großkotzige Wolfskrieger-Aussage. Wer sich von so was beeindrucken ließe, wäre selber schuld.

    Reinhard Bütikofer ist ehemaliger Bundesvorsitzender der Grünen und sitzt seit 2009 im EU-Parlament. Er gestaltet die europäische China-Politik in den Ausschüssen für Auswärtige Angelegenheiten und für Handel mit. Seit kurzem ist der zudem Co-Vorsitzender des deutsch-taiwanischen Dialogforums.

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    Analyse

    Chinas alarmierend niedrige Geburtenrate überschattet zweifelhafte Konjunkturdaten

    Chinas Statistikbehörde hat neben fragwürdigen Konjunkturdaten auch beunruhigende Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung veröffentlicht. Demnach hat sich der Rückgang der Geburtenrate seit dem vergangenen Jahr weiter beschleunigt. Nach Angaben des Statistikamtes lebten Ende Dezember rund 1,409 Milliarden Menschen in der Volksrepublik, 2,08 Millionen weniger als ein Jahr zuvor. Bereits 2022 war Chinas Bevölkerung erstmals seit sechs Jahrzehnten geschrumpft, allerdings fiel der Rückgang damals mit rund 850.000 Menschen deutlich geringer aus als im vergangenen Jahr.

    In China wurden 9,02 Millionen Babys geboren, gegenüber 9,56 Millionen im Jahr 2022. Andererseits stieg die Zahl der Todesfälle deutlich von 10,41 Millionen auf 11,1 Millionen. Zu den Todesursachen machten die Pekinger Statistiker keine Angaben, doch dürfte ein erheblicher Anteil auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein.

    Das überstürzte Ende der Corona-Beschränkungen Ende 2021 hatte zu vielen Todesfällen geführt – was hätte verhindert werden können, wäre vor allem die ältere Bevölkerung besser geimpft gewesen. Staatschef Xi Jinping hat bis heute wirkungsvolle Impfstoffe wie die von Biontech oder Modern nicht zugelassen, weil er aus nationalistischen Gründen auf den heimischen Impfstoff setzt, der aber schlechter wirkt.

    Rhodium hält 1,5 Prozent für wahrscheinlich

    Die alarmierende Nachricht zur demografischen Entwicklung überschattete am Mittwoch die Verlautbarung der Konjunkturdaten – zumal Premierminister Li Qiang die Wachstumsrate bereits am Dienstag vorab beim Weltwirtschaftsforum in Davos ausgeplaudert hatte. Demnach soll Chinas Wirtschaft im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent gewachsen sein. Damit hätte die zweitgrößte Volkswirtschaft ihr offizielles Wachstumsziel leicht übertroffen.

    Wie realistisch diese Zahl tatsächlich ist, bleibt Spekulation. Schon Ende vergangenen Jahres hatten chinesische Medien recht offen beklagt, dass die aus manchen Provinzen gemeldeten Wirtschaftsdaten offenbar geschönt seien. Die Denkfabrik Rhodium beispielsweise glaubt, dass das tatsächliche Wachstum bei lediglich 1,5 Prozent gelegen habe.

    Auch die Wirtschaftssinologin Doris Fischer hat Zweifel. “Selbst wenn wir annehmen, dass man auf der Ebene der Zentrale gerne die korrekten Daten berichten wollte, bleibt die Frage, wie von Ende des Jahres bis jetzt die offenbar problematischen Provinzdaten korrigiert wurden.” Fischer kommt deshalb zu dem Schluss. “den offiziellen GDP-Daten nicht viel Vertrauen entgegenzubringen“.

    Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht in dem Wachstum indes einen Sondereffekt im Gange. “Es ist ein einmaliger Rebound nach dem schwachen Vorjahr 2022, in dem das Wachstum bedingt durch die Coronakrisen-Lockdowns nur bei knapp drei Prozent lag.” Der IW-Ökonom warnt jedoch: “Wir sollten die innere Stärke der chinesischen Wirtschaft nicht überschätzen, angesichts der weiter schwelenden Immobilienkrise.”

    Stirnrunzeln wegen Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit

    Zwar hatten sich die chinesischen Exporte zuletzt wieder positiv entwickelt, aber schwache Importe, mangelnde Investitionswilligkeit, Jugendarbeitslosigkeit, geringer Binnenkonsum und eine hohe Sparquote deuten darauf hin, dass 5,2 Prozent schlicht überzogen. “Unabhängig davon, wieviel Trickserei notwendig war, um dieses Ziel zu erfüllen, war Chinas wirtschaftliche Entwicklung im letzten jahr ernüchternd”, sagt Markus Taube, Ostasien-Wirtschaftsexperte von der Uni Duisburg. Ohne wiederbelebten Konsum könne in Anbetracht einer schwachen Weltkonjunktur auch die Industrie keine gesunde Wachstumsdynamik entfalten.

    Für Stirnrunzeln sorgte das Statistikamt auch mit einer neuen Statistik zur Jugendarbeitslosigkeit. Noch im Sommer war eine Rekordquote von 21,3 Prozent gemeldet worden. Peking setzte die Statistik kurz darauf aus. Die jetzt vorgelegte Quote für die Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen lag mit 14,9 Prozent deutlich niedriger als zuvor.

    Kang Yi, Direktor des Statistikamtes, erklärte, die neue Quote spiegele den Beschäftigungs- und Arbeitslosenstatus der Jugendlichen besser wider. Schüler oder Studenten, die noch zur Schule oder Universität gehen, aber bereits einen Job oder eine Teilzeitbeschäftigung suchen, würden nicht mehr in der Statistik berücksichtigt.

    Wachstumsziel für 2024 zum Volkskongress erwartet

    Neu ist die Auswertung für 25- bis 29-Jährige. Ihre Arbeitslosenquote liegt nach offiziellen Angaben bei rund 6,1 Prozent. Wenn diese Zahlen stimmen, ergäbe sich ein deutlich entspannteres Bild der Arbeitsmarktsituation. Jedoch bemängelten Analysten, dass ein Vergleich mit der alten Statistik nur nach Vorlage von mehr historischen Daten möglich sei. Zhang Zhiwei, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Pinpoint, sagte Bloomberg:. “Es ist besser, Daten zu haben, als sie nicht zu haben, denn so können wir zumindest in Zukunft sehen, wie sich die Situation von Monat zu Monat verändern wird.”

    Das Wachstumsziel für 2024 ist noch unklar. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften gab vergangene Woche jedoch eine überraschend positive Prognose ab: Chinas Wirtschaft könnte 2024 mit 5,3 Prozent stärker wachsen als 2023. Die Akademie ist eng mit der chinesischen Regierung verbunden. Ihre Prognose spiegelt also sehr wahrscheinlich die wirtschaftspolitischen Ziele und Erwartungen der Regierung wider.

    “Die chinesische Regierung wird ihr Wachstumsziel für 2024 wahrscheinlich bei fünf Prozent halten”, sagt Alicia Garcia Herrero, Chefökonomin für den asiatisch-pazifischen Raum bei Natixis. “Aber ich glaube nicht, dass es ohne weitere fiskal- und geldpolitische Anreize einfach sein wird. Die Realzinsen in China sind auf einem Rekordniveau, viel höher als in den USA, Europa oder Japan, und China leidet unter Deflationsdruck aufgrund von Überkapazitäten.”

    Eine optimistischere Wachstumsprognose könnte als Signal interpretiert werden, dass die Regierung bereit ist, zusätzliche Maßnahmen zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums zu ergreifen. Eine endgültige Klärung dieser Frage erfolgt jedoch erst Anfang März, wenn die Regierung beim Volkskongress ihr offizielles Wachstumsziel vorlegt.

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    News

    Nach DAAD-Papier: Forschungs-Community diskutiert Umgang mit China

    Die neuen Handlungsempfehlungen des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) zum Umgang mit China werden in der Forschungs-Community als wichtiger Impuls für die weitere Zusammenarbeit mit der Volksrepublik aufgenommen. “Zur Umsetzung der China-Strategie im Hochschulbereich ist es vor allem wichtig, ein klares Bewusstsein für die Chancen, aber auch die Risiken der Wissenschaftskooperation mit der VR China zu haben”, sagte Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Table.Media. Die China-Kompetenz im Hochschulsystem müsse ausgebaut werden – “auch für die gesellschaftlichen Bedarfe darüber hinaus.”

    Am Montag hatte der DAAD ein Papier herausgegeben, das aktuelle Probleme thematisiert und eine Handreichung für den akademischen Austausch mit China sein soll. Verwiesen wird auch auf einen bedenklichen Rückgang der Kooperationen und der Mobilität zwischen Deutschland und China.

    Der Wissens- und Kompetenzausbau sowie -aufbau muss einhergehen mit einer stärker strukturellen Verankerung von Risikomanagement im Kontext internationaler Wissenschaftskooperation auf institutioneller Ebene, sagt HRK-Präsident Rosenthal. Dabei werde es darum gehen, bereits vorhandene Stellen und Prozesse, wie etwa die Dual-Use-Prüfung, mit weiteren Aspekten eines umfassend gedachten Risikomanagements zu verzahnen.

    Zum Thema der Risikokontrolle betont Hannes Gohli vom China Kompetenzzentrum der Universität Würzburg, dass eine Umsetzung des eingeforderten Risikomanagements einerseits schon stattfindet, aber nicht einfach sei und durchaus spezifischer Ressourcen bedürfe. Auch im Bereich Exportkontrolle und China Kompetenz bestehe Ausbaupotenzial, sagt Gohli. Es müssten Anlaufstellen geschaffen werden, in denen Exportkontrolleure zusammen mit China-Experten arbeiten. nik/ari

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    Wachsende Spannungen zwischen China und dem Westen für 2024 erwartet

    Die Spannungen zwischen China und dem Westen werden im laufenden Jahr weiter zunehmen. Das glaubt eine Mehrheit von 650 Experten, die das Berliner Merics-Institut befragt hat. Die Teilnehmer gehen unter anderem davon aus, dass die Spannungen in der Taiwanstraße das ganze Jahr über für Ungewissheit sorgen werden.

    China werde sich demnach verstärkt für den geopolitischen Wettbewerb wappnen, insbesondere auch mit Blick auf den handelspolitischen Rivalen USA. Zwei Drittel der von Merics befragten Experten erwarten, dass China unter Präsident Xi Jinping weiter einen eher ideologischen Kurs staatlicher Kontrolle fahren wird, bei dem die propagierte nationale Sicherheit über alles gestellt wird. Einen Schwenk zu einer eher pragmatischen Linie erwarten nur 22 Prozent der Befragten.

    Am stärksten dürfte sich dies im ökonomischen Bereich auswirken. Die staatlichen Wirtschaftslenker werden demnach wohl auf den Druck der sogenannten De-Risking-Strategie des Westens reagieren und versuchen, die inländische Wirtschaftsbasis zu stabilisieren. Am Dienstag hatte Premierminister Li Qiang in Davos zu mehr internationaler Zusammenarbeit und Austausch aufgerufen.

    Die Bundesregierung hatte im Juli 2023 eine Strategie für den Umgang mit China vorgelegt. Sie strebt mit dem De-Risking eine größere Unabhängigkeit der Wirtschaft an. Die EU-Staaten kritisieren Wettbewerbsnachteile auf dem chinesischen Markt, aber auch Chinas Drohungen an Taiwan sowie seine enge Partnerschaft mit Russland. grz/rtr

    • Geopolitik
    • Merics

    EU-Parlament will mehr Engagement in Zentralasien sehen

    Das EU-Parlament fordert eine engere Zusammenarbeit mit zentralasiatischen Staaten. Die EU habe jetzt die Möglichkeit, “ihre Beziehungen zu Zentralasien auszubauen und eine größere Rolle in der Region zu spielen“, betonten die EU-Abgeordneten am Mittwoch in einer Resolution, die mit großer Mehrheit angenommen wurde. Brüssel solle die Gelegenheit nutzen, “um eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit voranzubringen und Zentralasien eine Partnerschaft anzubieten”, nicht zuletzt, um Chinas und Russlands Einfluss in der Region entgegenzuwirken. Ein erstes Gipfeltreffen von Vertretern aus EU und Zentralasien ist demnach für 2024 geplant.

    Derzeit befindet sich Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas auf Reisen in den fünf zentralasiatischen Staaten. Am Mittwoch befand sich Schinas in Usbekistan. Die Reise findet im Vorfeld eines Investorenforums für den transkaspischen Verkehrskorridor statt, das Ende des Monats in Brüssel durchgeführt werden soll. Chinas Staatschef Xi Jinping hatte im vergangenen Mai einen Gipfel mit den Staatschefs der “Stans” abgehalten.

    Parlament fordert Risikoanalyse

    Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch zudem über einen Bericht über Chinas Einfluss auf Europas Sicherheits- und Verteidigungspolitik ab. In dem Papier warnen die EU-Parlamentarier unter anderem vor einer zu großen Abhängigkeit von China bei bestimmten Rohstoffen und dem Abwandern von militärisch strategischem Know-how.

    Die Abgeordneten forderten zudem die EU-Kommission auf, dem Parlament noch vor dem Ende der laufenden Wahlperiode eine “detaillierte Analyse der Risiken für den Handel in Bezug auf Technologien wie Halbleiter, Quanteninformatik, Blockchain, Weltraum, künstliche Intelligenz und Biotechnologie sowie den möglichen Handlungsbedarf der EU in diesen Bereichen” vorzulegen. Resolutionen sind die Standpunkte des EU-Parlaments zu bestimmten Themen, sie sind nicht bindend für die EU-Kommission. ari

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    Autobauer SAIC will 14 Transportschiffe kaufen

    Der chinesische Autobauer SAIC will stärker in ausländische Märkte vordringen. Um sein potenzielles Exportvolumen zu erhöhen, baut das Unternehmen deshalb seine Transportflotte aus. In den kommenden drei Jahren wolle der Konzern 14 Schiffe hinzukaufen, teilte SAIC am Mittwoch mit.

    Das zu SAIC gehörende Unternehmen Anji Logistics betreibt bereits 31 Frachtschiffe. Ziel sei es, in diesem Jahr den Export von Fahrzeugen auf 1,35 (Vorjahr: 1,2) Millionen zu steigern, berichtete die chinesische Zeitung “The Paper” unter Berufung auf einen SAIC-Manager. 2025 soll der Absatz in den Überseemärkten dann 1,5 Millionen erreichen. rtr/grz

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    • Export
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    Chinesische Reederei bietet Transport durch den Golf von Aden

    Die chinesische Linienreederei China United Lines (CU Lines) hat einen Containerschiffsverkehr durch den Golf von Aden ins Rote Meer aufgenommen. Trotz anhaltender Angriffe auf Frachter durch Huthi-Milizen aus dem Jemen bietet CUL ab sofort den Transport über die schnellst Route von Qingdao über Shanghai, Ningbo und Nansha in die saudi-arabische Hafenstadt Dschidda an.

    CUL will damit Lücken stopfen, die nach Beginn der Rebellen-Angriffe im Containerverkehr entstanden sind. Zahlreiche Reedereien meiden den Golf von Aden aus Angst vor weiteren Attacken. Erst am Wochenende war ein US-Frachter von einer Rakete getroffen worden, wobei sich der Sachschaden in Grenzen hielt.

    Die Reederei SeaLead Shipping aus Singapur hat derweil das Volumen der Transporte aus der Region nach China erhöht. Das Unternehmen hatte vor wenigen Tagen zwei weitere Schiffe mit einer Gesamtkapazität von über 6.300 Zwanzig-Fuß-Standardcontainern (TEU) gechartert, berichtet das Branchenmagazin The Loadster.

    Die angespannte Lage im Persischen Golf hat den Schiffsverkehr auf der Ausweichroute um die Südspitze Afrikas erhöht. Gleichzeitig kletterten die Preise für die deutlich kürzere Strecke von Shanghai in den Persischen Golf deutlich. Zuletzt betrug er 2.224 US-Dollar pro Container. Im Dezember kostete die gleiche Fracht mehr als 1.000 Dollar weniger. grz

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    Presseschau

    Geburtenrate hat sich halbiert: Eine schrumpfende Weltmacht RND
    Chinas Wirtschaft wächst wieder robust – Plus von 5,2 Prozent SPIEGEL
    Wirtschaft in China läuft angeblich super – doch Experten zweifeln STERN
    China starts publishing youth jobless data again, with new method and a lower number ABC NEWS
    China eyes defense ties reboot with Australia despite Taiwan tensions NIKKEI
    China says threats of force over Taiwan not aimed at most Taiwanese REUTERS
    Chinas Problem ist die Attraktivität von Taiwans Demokratie ZEIT
    China looks to boost EU imports, urges bloc to ease hi-tech export controls SCMP
    Chinese premier hails ‘co-operation’ with Ireland and resumes beef exports YAHOO
    China überprüft Modehändler Shein vor Börsengang N-TV
    Evergrande vor Anhörung: An diesem Konzern hängt das Schicksal von Chinas Wirtschaft HANDELSBLATT
    E-Auto-Flut aus Fernost ab 2025? Chinas Autobauer bauen eigene Schiffe für den Export N-TV
    Warum die chinesischen E-Autos auf sich warten lassen ZEIT
    China will langfristig an der Verbrennertechnologie festhalten und sie auf synthetische Kraftstoffe ausrichten AUTOMOBILWOCHE
    China’s BYD launches AI-powered smart car technology to better compete with rivals CNBC
    China issues draft guidelines for standardising AI industry REUTERS
    Chinese scientists create mutant COVID strain that kills mice TORONTO SUN
    Züge schneller als Jets – China nimmt erste Vakuumröhre in Betrieb STERN

    Heads

    Benjamin Creutzfeldt – Von Latein gemartert, von Mandarin fasziniert

    Benjamin Creutzfeldt ist Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts in Leipzig.

    Als Junge beobachtete Benjamin Creutzfeldt die chinesischen und japanischen Kollegen seines Vaters. Obwohl ihre Sprachen grundverschieden waren, konnten sie über Schriftzeichen miteinander kommunizieren. Für einen Schüler, der sich jahrelang durch den Lateinunterricht geplagt hatte, strahlte das eine ungemeine Faszination aus. “Als ich dann an der Schule eine Chinesisch-AG entdeckte, ergriff ich die Chance”, sagt Benjamin Creutzfeldt. Heute ist er Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts Leipzig. 

    Auf dem Weg dorthin studierte Creutzfeldt Chinastudien an der Durham Universität und asiatische Kunst und Architektur an der SOAS-Universität in London. Er promovierte an der Universidad Externado de Colombia in Bogotá zu den Beziehungen Chinas zu Lateinamerika und war Postdoctoral Fellow an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies. Neben seiner akademischen Karriere arbeitete er außerdem für das Auktionshaus Christies als Kunstexperte und Versteigerer für chinesisches Porzellan. Sein Interesse an chinesischer Kunst bewegte ihn später dazu, selbst eine Porzellanwerkstatt in Jingdezhen in der Provinz Jiangxi aufzubauen. 

    Debatte um die Konfuzius-Institute

    In seiner Funktion in Leipzig bündelt Creutzfeldt all diese Erfahrungen. Er organisiert mit dem Institut Sprachkurse, Konzerte, Ausstellungen, Magazine, akademische Vortragsreihen und Kulturevents. “Ich habe selten so viele so abwechslungsreiche Tätigkeiten auf einmal verrichtet, der Tag ist nie lang genug”, sagt er. Wie alle Konfuzius-Institute in Deutschland ist auch das Leipziger an die städtische Universität angedockt und arbeitet mit einer chinesischen Partneruniversität zusammen.

    Wegen dieser Verbundenheit zu China stehen die 19 deutschen Konfuzius-Institute immer wieder in der Kritik. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte 2023 die Einrichtungen in seinem aktuellen Jahresbericht als ein Instrument politischer Einflussnahme eingestuft. Die Debatte habe ihn beunruhigt und verärgert, sagt Creutzfeldt. Er wirft den Kritikern vor, uninformiert zu sein und die Debatte politisch billig zu führen. “Alle deutschen Konfuzius-Institute sind voneinander unabhängig und haben sowohl hierzulande wie in China unterschiedliche Partner, somit kann man uns nicht in einen Topf werfen.” 

    “Es wächst das Misstrauen auf deutscher Seite”

    Die Zusammenarbeit mit der Renmin Universität beschreibt der Geschäftsführer als “hands-off”. “Die Auswahl der Lehrkräfte, Sprecher, Musiker, Bücher, Künstler, Themen, Filme steht uns offen. Wir haben noch nie eine direkte Anweisung aus China erhalten”, so Creutzfeldt. “Auch die von der Renmin Universität uns abbestellte chinesische Direktorin nimmt über organisatorische Fragen hinaus keinen Einfluss auf die Inhalte, und wir unterliegen als eingetragener Verein allein deutschem Recht.” 

    Creutzfeldt sieht in der Debatte ein Beispiel, wie sich Deutschlands Blick auf China seit der Pandemie verändert hat. “Es wächst das Misstrauen auf deutscher Seite”, stellt er fest. Um dem entgegenzuwirken, braucht es in Deutschland mehr China-Wissen, glaubt Creutzfeldt. “Und dazu tragen unter anderem auch die Konfuzius-Institute bei”, sagt er. Svenja Schlicht

    • Konfuzius-Institute
    • Spionage

    Personalien

    Johannes Roscheck wird ab April neuer Chef von Audi in China. Roscheck übernimmt dann das Amt von Jürgen Unser. Er leitete bisher die Aktivitäten der VW-Marke in China von Peking aus. Derzeit ist Roscheck Head of Corporate Controlling & Finance bei Audi in Ingolstadt.

    Hu Haifeng, der einzige Sohn des ehemaligen chinesischen Präsidenten Hu Jintao, ist zum stellvertretenden Minister für zivile Angelegenheiten Chinas befördert worden. Hu war seit gut fünf Jahren der Chef der Kommunistischen Partei in Lishui, Provinz Zhejiang.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Poesie im Bild vor der Altstadtmauer der ehemaligen Kaiserresidenz Xi’an: Das Bauwerk entstand Ende des 14. Jahrhunderts während der Ming-Dynastie und umschließt eine Fläche von zwölf Quadratkilometern. Seit 1961 ist sie denkmalgeschützt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie durch Kriege oder Verfall mehrfach schwer im Mitleidenschaft gezogen und immer wieder neu aufgebaut. Heute wirkt sie wie eine faszinierende Linse auf die Vergangenheit Chinas – und entsprechend beliebt.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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