Peking sieht sein Wachstumsziel akut gefährdet, dabei liegt das bei nur fünf Prozent – für chinesische Verhältnisse regelrecht bescheiden. Um der Wirtschaft einen kräftigen Schubs zu geben, beschließt Peking ein Stimulus-Paket, das sich aus dem gewohnten Werkzeugkasten bedient: umfangreiche Zinssenkungen, neue Anreize zum Immobilienkauf und schmackhafte Angebote für Investitionen in Wertpapiere.
Derart massive Eingriffe des Staates in den Wirtschaftskreislauf dienen als Gradmesser für die konjunkturellen Herausforderungen, die China vor der Brust hat, schreibt Marcel Grzanna in seiner Analyse. Aber werden sie auch langfristig zum gewünschten Erfolg führen? Die Reaktionen fallen eher skeptisch aus.
China investiert aber auch nachhaltig, indem es fortschrittliche Technologien wie das bi-direktionale Laden fördert. Hier gibt es erste Pilotprojekte, die zeigen, was in Zukunft möglich sein kann. Als Batteriespeicher zweitgenutzt, können parkende Autos das Stromnetz entlasten und bei späteren Lastspitzen mit ihrer Batterieladung Strom spenden.
E-Auto-Hersteller Nio nutzt jetzt schon seine Batteriewechselstationen, um mit geschicktem Energiemanagement bei den Strompreisen zu sparen. Noch ist ein integriertes System, an dem alle Autobesitzer teilnehmen können, allerdings Zukunftsmusik. Christian Domke-Seidel hat sich angesehen, auf welchem Stand die Technologie aktuell in China ist.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Umfangreiche Zinssenkungen, neue Anreize zum Immobilienkauf und schmackhafte Angebote für Investitionen in Wertpapiere – die chinesische Zentralbank (PBOC) hat am Dienstag mit einer breiten Palette an Maßnahmen auf die hartnäckigen Konjunkturprobleme in der zweitgrößten Volkswirtschaft reagiert.
Die Regierung in Peking, die die Zentralbank kontrolliert, sieht ihr Wachstumsziel für das laufende Jahr akut gefährdet und greift deshalb zum beliebten Gegengift: dem Stimulus. Spätestens seit der Finanzkrise 2008, als China ein gewaltiges Investitionspaket schnürte, gelten die massiven Eingriffe des Staates in den Wirtschaftskreislauf als Gradmesser für die konjunkturellen Herausforderungen, die China vor der Brust hat.
Wegen der vielen Brandherde, die die wirtschaftliche Entwicklung belasten, fielen die Reaktionen auf die Ankündigung gespalten aus. “Hypotheken- und Darlehenszinsen zu reduzieren, führt zu unmittelbar spürbaren Erleichterungen bei den Verbrauchern. Inwieweit diese Maßnahmen alleine aber ausreichen, verlorenes Vertrauen nachhaltig zurückzugewinnen, bleibt abzuwarten“, sagte Ralph Koppitz von der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner zu Table.Briefings.
Auch die Ökonomin Alicia García-Herrero hält das Paket nur vordergründig für gute Nachrichten. Ihrer Ansicht nach “lindert der Stimulus nur die stärksten Symptome. Strukturelle Probleme bleiben bestehen”, sagte García-Herrero zu Table.Briefings. Und damit auch die Gefahr eines drastischen Einbruchs der Wachstumszahlen in den kommenden zehn Jahren.
Die Probleme, die mit der Corona-Pandemie in Chinas Wirtschaft aufgetreten sind, bündeln sich in einer Zahl. 5,0 Prozent Wachstum lautet das vergleichsweise bescheidene Ziel für eine Volkswirtschaft, die sich nach jahrzehntelangem Höhenrausch stetig im Sinkflug befindet und eine Bruchlandung verhindern will. Die Zahl ist für China deshalb so relevant, weil sie viele soziale Implikationen mit sich führt, die unmittelbar mit der Legitimation des Machtmonopols der Kommunistischen Partei zu tun haben.
Allen voran steht die drastische Jugendarbeitslosigkeit, die immer weiter steigt und den Druck auf die Regierung erhöht. In gewisser Weise konterkariert der Stimulus die nötigen Investitionen in Berufe der Zukunft und dazu erforderliche Bildungsangebote. Denn die Maßnahmen der Zentralbank richten sich an die üblichen Branchen: den Bausektor, den Aktienmarkt und das Kreditgeschäft.
“Erneut sollen vor allem neue Schulden als Heilmittel dienen. Mehr Geld schafft aber nicht zwangsläufig mehr Vertrauen innerhalb der chinesischen Bevölkerung”, sagt Gero Kunath vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. “Die Maßnahmen können langfristig enorme Kosten haben, sie verringern den Handlungsspielraum der chinesischen Regierung bei möglichen zukünftigen Krisen und erhöhen das Risiko von Kreditausfällen.”
Tatsächlich sind es immer wieder die gleichen geldpolitischen Reflexe, mit denen die PBOC die Probleme angeht. Auch der neue PBOC-Direktor Pan Gongsheng, der seit gut einem Jahr im Amt ist, nutzt den gleichen Werkzeugkasten wie seine Vorgänger. Die Mindestreserve der Banken, verkündete Pan, wird um 50 Basispunkte oder 0,5 Prozent gesenkt. Das bedeutet, die Banken können an ihre Rücklagen gehen und rund eine Billion Renminbi (128 Mrd. €) zusätzlich als Kredite in die Wirtschaft pumpen. Weitere Senkungen der Mindestreserve stehen im Raum, um die Liquidität weiter zu erhöhen.
Schauplatz Immobilienmarkt: Die Zinssätze für bestehende Hypotheken werden um 50 Basispunkte gesenkt, die Mindestanzahlung für Häuser und Wohnungen fallen um 15 Prozent. Das soll den Konsumenten wieder mehr Lust machen auf ein Eigenheim. Chinas Immobilienmarkt befindet sich seit 2021 im Abschwung. Eine Reihe von Bauträgern sind in Konkurs gegangen, haben große Bestände an unerwünschten Wohnungen und unvollendeten Projekten hinterlassen. Vergleichbare Anreize haben bisher jedoch nicht gefruchtet. Im Gegenteil: Der Preisverfall bei Wohneigentum war im August so stark wie seit mehr als neun Jahren nicht mehr.
Die Unlust auf neues Eigentum steht sinnbildlich für das Konsumklima in China. “Die schwelende Immobilienkrise schafft weitere Verunsicherung, da schätzungsweise bis zu 70 Prozent der Ersparnisse chinesischer Haushalte in Immobilien investiert sind. Ihr derzeitiger Wertverlust greift damit direkt die finanzielle Absicherung vieler Chinesinnen und Chinesen an“, sagt Kunath. Die schwache Inlandsnachfrage resultiere unter anderem aus den Erfahrungen vieler Haushalte während der Corona-Pandemie – als viele Haushalte Einkommenseinbußen hinnehmen und durch ihre Ersparnisse ausgleichen mussten. “Ob die günstigeren Kreditbedingungen jedoch die Nachfrage ankurbeln, ist fraglich. Chinesische Haushalte tragen bereits eine hohe Schuldenlast und waren zuletzt sehr zurückhaltend – nicht nur bei der Kreditnachfrage”, so Kunath.
Die Zentralbank hofft zudem auf Impulse durch eine positive Entwicklung der Finanzmärkte. Ein sogenanntes Swap-Programm in Höhe von zunächst 500 Mrd. Yuan soll Fonds, Versicherern und Maklern einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln ermöglichen, um mit diesem Geld Aktien zu kaufen. Das zweite Instrument stellt Geschäftsbanken bis zu 300 Mrd. Yuan an günstigen PBOC-Krediten zur Verfügung, um sie bei der Finanzierung von Aktienkäufen und -rückkäufen anderer Unternehmen zu unterstützen.
Die Aktienmärkte reagierten weitgehend positiv auf die Maßnahmen. Eine Trendwende hält Finanzexpertin García-Herrero dennoch für unwahrscheinlich. Als Indiz dafür sieht sie den anhaltenden Druck auf chinesische Staatsanleihen, deren Rendite trotz früherer Intervention der Zentralbank in diesem Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt. “Das ist ein klares Indiz dafür, dass die Investoren dem Braten nicht trauen.”
Elektroautos als Energiespeicher: So sieht die charmante Vision aus, an der die National Development and Reform Commission (NDRC) bastelt. Zu Spitzenzeiten sollen die Fahrzeuge Strom ins Netz abgeben und bestenfalls bei Überversorgung des Stromnetzes die eigene Batterie aufladen.
Noch aber ist die Realität eine andere. Elektroautos haben große Akkus und stehen die meiste Zeit des Tages ungenutzt auf einem Parkplatz. Durch das bidirektionale Laden kann die Batterie der Fahrzeuge in dieser Zeit genutzt werden, um Überkapazitäten zu speichern und bei Engpässen darauf zurückzugreifen. Die chinesische Regierung sieht darin einen Baustein für die Energiewende des Landes, treibt entsprechende Versuchsprojekte voran und möchte bis zum Jahr 2025 einheitliche Standards schaffen – eine zentrale Herausforderung.
Im Januar 2024 verabschiedeten die staatliche Reformkommission NDRC und die nationale Energiebehörde neue Leitlinien. Darin fordern die Behörden, dass bis zum Jahr 2025 die technischen Standards formuliert sein müssen, um bis zum Jahr 2030 ein Gesamtsystem zu etablieren. Dafür benötigt die Industrie natürlich Praxistests – insgesamt 50 laufen bereits. Unter anderem die Provinz Anhui und die Stadt Chongqing sind dem Aufruf gefolgt und haben entsprechende Pilotprojekte gestartet.
Auch in Shenzhen nehmen derzeit rund 1.400 NEV-Fahrzeuge an einem Test teil. Werden die Autos zu Lastspitzen angeschlossen, speisen sie Strom ins Netz. Im Gegenzug erhalten die Fahrer Rabatte für andere Tageszeiten. Schon im Januar wurde im Industriegebiet von Wuxi, unweit von Shanghai, experimentiert. Insgesamt 50 Elektroautos wurden parallel an Ladestationen angeschlossen, um Strom ins Netz zu übertragen. CCTV berichtete, sie hätten innerhalb von 30 Minuten rund zwei Megawatt Strom eingespeist – genug, um den Tagesbedarf von mehr als 100 Haushalten zu decken.
In vielen Teilen des Landes ist das chinesische Stromnetz aufgrund der rasanten industriellen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten an seiner Belastungsgrenze. Vereinzelt kam es zu Rationierungen. Die Rückspeisung der Energie aus den Akkus könnte für wertvolle Entlastung sorgen. So konnten die Wechselstationen von Nio bereits punktuell unterstützten, als es im Sommer 2022 aufgrund von Überlastungen zu großflächigen Stromausfällen kam.
Bei den Planungen spielt Shenzhen aus zwei Gründen eine zentrale Rolle. Erstens hat die Region einen besonders hohen NEV-Anteil. Sechs von zehn Neuwagen haben hier einen Elektromotor und rund eine Million NEV sind bereits zugelassen. Der Stromnetzbetreiber China Southern Power Grid schätzt, dass diese Fahrzeuge ein Speicherpotenzial von etwa 50 Gigawattstunden (GWh) hätten. Ließe sich diese Energie managen, stünden etwa drei Gigawatt zur permanenten Verfügung. Das entspricht dem Output von fünf mittleren Kohlekraftwerken.
Das Energiemanagement ist der zweite Grund, der Shenzhen so wichtig macht. In der Stadt gibt es ein Energiekoordinierungs- und -managementsystem – ein sogenanntes virtuelles Kraftwerk. Es steuert die Energieversorgung, indem es Stromquellen (zum Beispiel Kraftwerke und Solaranlagen), E-Fahrzeuge, große Stromspeicher, Ladesäulen und Batteriewechselstationen aufeinander abstimmt. Die Tests sollen auch zeigen, ob und wie diese Technologie skalierbar ist.
Denn diese Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) ist aus mehreren Gründen eine enorme Herausforderung. Zum einen technisch. Elektroautos fahren mit Gleichstrom (DC), Haushalte verwenden Wechselstrom (AC). Das bedeutet, dass entweder die Wallbox oder das Bordladegerät im Auto mit einem Gleichrichter ausgestattet sein müssen, wenn man den Akku laden möchte. Soll der Strom aber wieder zurück ins Netz, muss er den umgekehrten Weg gehen, wofür er einen Wechselrichter benötigt.
Nur sehr wenige Autos auf dem Markt sind dazu überhaupt technisch in der Lage. Die Fahrzeuge von Nio beherrschen V2G. Auch BYD wirbt damit, konzentriert sich im Verkauf aber auf die sogenannte Vehicle-to-Load (V2L) Technologie. Dabei dient der NEV-Akku als fahrende Powerbank und der Fahrer kann über entsprechende Ausgänge elektrische Geräte anschließen. Eine Rückspeisung ins Netz ist damit aber nicht möglich.
Hintergrund der geringen Verbreitung ist, dass diese Technologie weder den Kunden noch den Herstellern direkt nutzt. Weder die Technologie noch gesetzliche Regelungen sind weit genug, um für die Fahrzeugbesitzer lukrativ zu sein. Denn die finanzielle Ersparnis ist zu gering, gleichzeitig fürchten viele um die Lebensdauer der Batterie, die plötzlich wesentlich mehr Ladezyklen leisten müsste. In China muss ein Akku laut Gesetzgeber 1.000 Ladezyklen ohne nennenswerte Abnutzung halten. Nach Schätzungen der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) würde ein Akku mit V2G-Technologie aber fünfmal häufiger be- und entladen werden. Die Hersteller müssten also bessere und teurere Batterien verbauen oder sie öfter austauschen. Dazu kommen höhere Kosten für Wallboxen und Software.
Auch regulatorisch steht China noch am Anfang. In den unterschiedlichen Regionen gibt es verschiedene Vorgaben für den Strommarkt – einfach Strom ins Netz einzuspeisen ist längst nicht überall erlaubt, oder möglich. Die aktuellen Tests dienen aber dazu, praxistaugliche Standards und Regelungen zu definieren, um sie im nächsten Schritt umzusetzen. Langfristig könnte der Fall eintreten, dass den Herstellern gar nichts anderes übrig bleibt, als die V2G-Technologie zu verbauen.
Neben dem öffentlichen Stromnetz könnte der größte Profiteur Nio sein. Bis Ende 2024 möchte der Hersteller bereits 3.310 Batteriewechsel-Stationen in China betreiben (Anfang des Jahres waren es rund 2.400). Shen Fei, Vizepräsident bei Nio, gab auf Weibo an, dass sein Unternehmen im vergangenen Jahr durch das intelligente Energiemanagement – zu Spitzenzeiten abgeben, bei Überversorgung selbst laden – rund 17 Millionen Dollar an Stromkosten gespart habe.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Der chinesische Windrad-Hersteller Sany drängt auf den europäischen Markt und will ab 2026 auch in Europa produzieren. Man sei in fortgeschrittenen Gesprächen mit einem Kunden für einen ersten Auftrag, den man bis Ende des Jahres abschließen wolle, sagte der Geschäftsführer von Sany Renewable Energy, Paulo Fernando Soares, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.
Für einen Fertigungsstandort schaue man sich drei Länder an, darunter sei auch Deutschland. Bis dahin werde man Windräder aus China nach Europa bringen, sagte er am Rande der Messe WindEnergy Hamburg. Chinesische Firmen würden in den nächsten Jahren auf dem bislang von europäischen und nordamerikanischen Firmen dominierten Windenergie-Markt an der Spitze mitspielen.
Die chinesische Offensive hat in Europa und Deutschland Sorgen ausgelöst. Sie weckt Erinnerungen an das Schicksal der europäischen Solarindustrie, die fast völlig von chinesischen Firmen verdrängt wurde. Auch die Bundesregierung und die EU-Kommission fürchten um eine europäische Kernbranche.
Sany-Geschäftsführer Soares bestritt eine Marktverzerrung: Etablierte europäische Firmen wie Enercon oder Vestas würden weiter eine große Rolle spielen. Auf der anderen Seite sei es undenkbar, dass Europa seine Ausbauziele für Windenergie ohne China erreichen könne. Viele Komponenten für die Turbinen kämen bereits jetzt aus Fernost. Sany hat auf der Messe zwei neue Turbinen vorgestellt und hofft, damit Kunden zu gewinnen.
Der chinesische Heimatmarkt ist weit größer als der europäische. Der Konkurrent Mingyang hatte für Aufsehen gesorgt, da erstmals ein chinesischer Konzern einen deutschen Offshore-Windpark ausrüsten soll. Firmen wie Sany drängen aber auch auf den weit größeren Markt für Windenergie an Land. rtr/ari
Der niederländische Wirtschaftsminister Dirk Beljaarts hat bei einem Besuch in Washington die Bedeutung Chinas als Handelspartner unterstrichen. Er betonte, dass dem niederländischen Halbleiterhersteller ASML gestattet werden müsse, “so frei wie möglich Geschäfte zu machen”. Allerdings sagte er auch, dass sein Treffen mit dem stellvertretenden US-Handelsminister Don Graves der Förderung des bilateralen Handels und nicht der Verhandlung von Exportbeschränkungen diene.
“Die Chinesen sind ein wichtiger Handelspartner, ebenso wie die Vereinigten Staaten und viele andere Länder der Welt. Wir müssen unsere eigene Wirtschaft aufrechterhalten und sicherstellen, dass unsere Unternehmen so frei wie möglich Geschäfte machen können“, sagte Beljaarts. “Wir wissen, dass ASML ein Kronjuwel für die Niederlande ist, auf das wir sehr stolz sind. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass das Unternehmen innerhalb der bestehenden Grenzen so frei wie möglich agieren kann.”
ASML ist der größte Zulieferer von Ausrüstung für Computerchiphersteller. Seit Anfang dieses Monats verlangt die niederländische Regierung auf Druck aus den USA Exportlizenzen für weitere Produkte von ASML nach China. rtr
China hat im August 610.000 Autos exportiert und seine Exporte damit im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent gesteigert, wie die Plattform Car News China berichtet. Insgesamt wurden bis Ende August in diesem Jahr bereits 4,09 Millionen Fahrzeuge ins Ausland verkauft, ein Zuwachs von 27 Prozent.
Ein Fünftel der Fahrzeuge ging nach Russland – für chinesische Autos der mit Abstand größte Exportmarkt, der seit Russlands Angriff auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen ein enormes Wachstum erfahren hat. Während 2022 insgesamt 160.000 Fahrzeuge aus China nach Russland gingen, lag diese Zahl 2023 bei 910.000.
China exportierte bis Ende August knapp 1,3 Millionen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, ein Zuwachs von 25 Prozent im Vorjahresvergleich. Die meisten davon wurden außerhalb der EU verkauft:
Seit der Einführung der vorläufigen EU-Strafzölle sind die Exporte aus Shanghai stark gesunken. Von dort werden Fahrzeuge von Tesla und SAIC verschifft. Exporte unter anderem aus Guangdong und Shaanxi dagegen stiegen an. Shaanxi ist einer der wichtigsten Produktionsstandorte von BYD. jul
Geldpolitik mag für viele westliche Beobachter oft unspektakulär erscheinen, doch derzeit befinden wir uns in einer Phase, in der die Zentralbanken große Aufmerksamkeit erregen: Marktteilnehmer verfolgen die Zinsentscheidungen der US-amerikanischen Fed oder der europäischen EZB genau, in der Hoffnung, dass die Zentralbanken angemessene Maßnahmen ergreifen, um sowohl die Inflation in Schach zu halten als auch das schwächelnde Wachstum in den USA und der Eurozone zu stützen.
Jede Äußerung und jeder Datenpunkt werden dabei genau analysiert. Doch wie oft fiebert der Einzelne einer Sitzung der chinesischen Zentralbank (People’s Bank of China, PBoC) entgegen? Wahrscheinlich nie. Das geringe Interesse an der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt lässt sich jedoch nicht nur auf eine generelle westliche Zurückhaltung gegenüber China zurückführen, sondern hat auch strukturelle Gründe. Anders als andere große Zentralbanken folgt die PBoC keinem festen, vorhersehbaren Sitzungszyklus. Geldpolitische Entscheidungen werden ad hoc getroffen und per Pressemitteilung kommuniziert. Insofern ist das verhaltene Interesse an den Sitzungen der PBoC durchaus nachvollziehbar.
Dies sollte jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass die Geldpolitik für die chinesische Wirtschaft nicht nützlich sein kann – im Gegenteil: Der Handlungsbedarf seitens der PBoC ist enorm, da die chinesische Volkswirtschaft derzeit eine deutliche Abkühlung erfährt. Im Gegensatz zu den früheren zweistelligen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hat sich das Wachstum inzwischen auf etwa fünf Prozent verlangsamt, und es gibt Anzeichen für einen weiteren Rückgang. Für dieses Jahr wird von uns ein BIP-Wachstum von 4,9 Prozent erwartet, jedoch mit erheblichen Abwärtsrisiken.
Ab 2025 könnte das Wachstum auf nur noch 3,7 Prozent sinken. Diese Entwicklung ist teilweise auf zu erwartende ökonomische Effekte wie das Gesetz der abnehmenden Grenzerträge zurückzuführen, wonach zusätzlicher Einsatz von Kapital immer geringere Erträge abwirft – von einer hohen Basis aus wächst es sich einfach langsamer. Doch auch strukturelle Probleme belasten die chinesische Wirtschaft, wie eine ungünstige Demografie, hohe Unternehmens- und Provinzverschuldung sowie zunehmende geopolitische Spannungen, vor allem mit dem Handelspartner USA.
Obwohl die PBoC auf diese langfristigen Herausforderungen nur begrenzt Einfluss hat, gibt es akute konjunkturelle Probleme, die eine stärkere geldpolitische Unterstützung erfordern. Dazu gehört der angeschlagene Immobilienmarkt, der durch notwendige, aber abrupt umgesetzte Regulierungen destabilisiert wurde, sowie der chinesische Binnenmarkt, der seit der Covid-Pandemie unter einem Vertrauensverlust seitens der privaten Unternehmen und Haushalte leidet. Um die aktuelle Krise zu bewältigen, sind nicht nur regulatorische Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens nötig, sondern auch gezielte geldpolitische Stimuli durch die PBoC.
Es wäre jedoch falsch, zu behaupten, dass die PBoC in den letzten Jahren der akuten Krise tatenlos zugeschaut hätte. Im Vergleich zu etablierten Zentralbanken, die meist eine überschaubare Anzahl von Leitzinsen zur Steuerung verwenden, nutzt die PBoC eine Vielzahl von Zinssätzen, um gezielt auf verschiedene Sektoren der Wirtschaft einzuwirken. Seit Beginn der Covid-Krise im Jahr 2020 hat die PBoC dadurch mehrere bedeutende geldpolitische Maßnahmen ergriffen: Der einjährige Darlehens-Leitzins (LPR), der für Unternehmen und Haushalte wichtig ist, wurde von 4,8 Prozent auf 3,85 Prozent gesenkt. Auch der fünfjährige Darlehens-Leitzins, entscheidend für Hypothekenbanken und -kunden, wurde von 4,8 Prozent auf 3,85 Prozent reduziert. Zusätzlich wurde die mittelfristige Kreditfazilität (MLF), über die Banken Kredite von der PBoC erhalten können, von 3,25 Prozent auf 2,3 Prozent gesenkt. Der Mindestreservesatz (RRR), den Banken halten müssen, wurde von 13 Prozent auf aktuell zehn Prozent reduziert.
Trotz dieser Maßnahmen lassen sich die geldpolitischen Schritte der PBoC angesichts der Schwere der wirtschaftlichen Probleme als eher zurückhaltend bezeichnen. Die zumeist nur kleinen Zinsschritte von etwa zehn Basispunkten lassen sich jedoch teilweise strategisch begründen: Erstens wurde die Abkühlung des überhitzten Immobilienmarktes, der klare Anzeichen einer Blasenbildung zeigt, von der chinesischen Regierung bewusst eingeleitet. Eine zu starke Senkung des Darlehens-Leitzinses hätte die regulatorischen Bemühungen zur Marktberuhigung konterkariert. Zweitens hätte eine stärkere Veränderung der MLF den Zinsunterschied zwischen langfristigen Staatsanleihen der USA und Chinas vergrößert und so die ohnehin bereits starke Kapitalflucht aus China verstärkt. Dies hätte auch auf den Währungsmärkten gravierende Folgen gehabt. Insgesamt also ein schwieriger Balanceakt für die PBoC.
Nichtsdestotrotz muss an dieser Stelle auch die begrenzte Handlungsfähigkeit der PBoC im Umgang mit den aktuellen Krisen thematisiert werden. Diese Unfähigkeit resultiert jedoch nicht zwangsläufig aus mangelndem Fachwissen der chinesischen Zentralbanker, sondern vielmehr aus der fehlenden Unabhängigkeit der PBoC von der politischen Führung des Landes. Selbst wenn die Währungshüter einen schlüssigen Plan zur Bewältigung der konjunkturellen Herausforderungen hätten, sind ihre Möglichkeiten durch politische Vorgaben der Regierung stark eingeschränkt.
Vor jeder “geldpolitischen Entscheidung über die jährliche Geldmenge, Zinssätze, Wechselkurse und andere wichtige Fragen” muss der Staatsrat der Volksrepublik, das zentrale Verwaltungsorgan in China, seine Zustimmung geben. Zwar stand die PBoC schon immer unter der Aufsicht des Staatsrats, doch ihre Autorität in Finanzfragen war bislang relativ unangetastet. Diese Unabhängigkeit hat sich jedoch weiter verringert.
Seit März 2023 unterliegt die PBoC faktisch der Kontrolle eines neuen Aufsichtsgremiums, der Zentralen Finanzkommission, die direkt der Kommunistischen Partei untergeordnet ist. Diese Entwicklung markiert einen signifikanten Machtverlust und weiteren Verlust der Unabhängigkeit der PBoC. Peking zielt zunehmend darauf ab, die Kontrolle der Partei über die Finanzregulierung zu zentralisieren. Der Handlungsspielraum der einst mächtigen Zentralbank wird somit immer weiter beschnitten.
China hat sich in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht ehrgeizige Ziele für die kommenden Jahre gesetzt. Die Kommunistische Partei Chinas strebt bis 2049, dem einhundertjährigen Jubiläum der Gründung der Volksrepublik, die “große Wiederbelebung der chinesischen Nation” an. Ein zentraler Bestandteil dieser Vision ist das Erreichen einer wirtschaftlichen Überlegenheit gegenüber den USA. Ein entscheidendes Element der bisherigen ökonomischen Dominanz der USA wird dabei im US-Dollar gesehen, dessen Status als globaler Leitwährung sich in Krisenzeiten als besonders vorteilhaft erwiesen hat.
China versucht seit einiger Zeit, diesen Status herauszufordern. Besonders seit den US-Sanktionen gegen Russland nach dem Überfall auf die Ukraine hat China seine Bemühungen verstärkt – wenn auch bisher ohne großen Erfolg -, den Anteil des US-Dollars am globalen Devisenhandel zu reduzieren. Der US-Dollar bleibt mit 88,5 Prozent aller Transaktionen (laut “Bank for International Settlements” (BIS) 2022) die dominierende Währung im internationalen Handel, gefolgt vom Euro mit 30,5 Prozent. Der chinesische Renminbi, der derzeit nur sieben Prozent der globalen Devisentransaktionen ausmacht, wächst zwar, bleibt jedoch hinter den Währungen der etablierten Volkswirtschaften zurück.
China unternimmt bereits Schritte, um die Dollar-Dominanz zu schwächen: Trotz der vorherrschenden Devisenkontrollen, die ein Problem für die Verbreitung des Renminbi darstellen, werden erste Währungsswaps mit Zentralbanken in Lateinamerika, Afrika und Asien sowie eine Erhöhung des Goldanteils in den Devisenreserven organisiert. Jedoch muss China, um noch größere Anteile am weltweiten Finanzfluss zu gewinnen, bedeutende Schritte unternehmen, um die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit seiner Währung zu stärken. Dies würde nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Sitzungen der PBoC spektakulärer werden, aber sie würden an Bedeutung gewinnen.
Tariq K. Chaudhry ist China Economist bei der Hamburg Commercial Bank und betreibt “China – der Wirtschaftspodcast”. Außerdem ist Chaudhry als Autor des wöchentlichen Newsletters “China Economic Notes” auf LinkedIn aktiv. Dieser Text ist zuerst im “Wochenbarometer” von HCOB erschienen.
Arwed Schwarz ist seit Juli Chief Financial Officer (CFO) bei BMW China. Der Diplom-Kaufmann ist seit mehr als 18 Jahren für BMW tätig, davon knapp vier Jahre in China. Sein Einsatzort für den Münchner Autobauer ist Peking.
Zhenggui Cao ist seit September Vice President und Plant Manager in Nanjng für Bosch Automotive Aftermarket China. In dem vor rund zehn Jahren eröffneten Werk werden Zündkerzen, Bremsbeläge sowie Prüf- und Testgeräte überwiegend für Kunden aus der Region Asien-Pazifik gefertigt.
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Blättriger Bauch, belaubtes Haupt, buschige Brauen: Neben einer Autobahn in Hangzhou, Zhejiang, balanciert ein zehn Meter hoher Panda. Die Gartenbau-Mannschaft, die ihn aus Grünzeug geschnitten hat, schert sich sichtbar wenig um die Schwerkraft. Eine Rasur steht vermutlich in ein paar Tagen an, wenn dem bärigen Balletttänzer Zweige aus Kinn, Ohren und Brauen sprießen.
Peking sieht sein Wachstumsziel akut gefährdet, dabei liegt das bei nur fünf Prozent – für chinesische Verhältnisse regelrecht bescheiden. Um der Wirtschaft einen kräftigen Schubs zu geben, beschließt Peking ein Stimulus-Paket, das sich aus dem gewohnten Werkzeugkasten bedient: umfangreiche Zinssenkungen, neue Anreize zum Immobilienkauf und schmackhafte Angebote für Investitionen in Wertpapiere.
Derart massive Eingriffe des Staates in den Wirtschaftskreislauf dienen als Gradmesser für die konjunkturellen Herausforderungen, die China vor der Brust hat, schreibt Marcel Grzanna in seiner Analyse. Aber werden sie auch langfristig zum gewünschten Erfolg führen? Die Reaktionen fallen eher skeptisch aus.
China investiert aber auch nachhaltig, indem es fortschrittliche Technologien wie das bi-direktionale Laden fördert. Hier gibt es erste Pilotprojekte, die zeigen, was in Zukunft möglich sein kann. Als Batteriespeicher zweitgenutzt, können parkende Autos das Stromnetz entlasten und bei späteren Lastspitzen mit ihrer Batterieladung Strom spenden.
E-Auto-Hersteller Nio nutzt jetzt schon seine Batteriewechselstationen, um mit geschicktem Energiemanagement bei den Strompreisen zu sparen. Noch ist ein integriertes System, an dem alle Autobesitzer teilnehmen können, allerdings Zukunftsmusik. Christian Domke-Seidel hat sich angesehen, auf welchem Stand die Technologie aktuell in China ist.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Umfangreiche Zinssenkungen, neue Anreize zum Immobilienkauf und schmackhafte Angebote für Investitionen in Wertpapiere – die chinesische Zentralbank (PBOC) hat am Dienstag mit einer breiten Palette an Maßnahmen auf die hartnäckigen Konjunkturprobleme in der zweitgrößten Volkswirtschaft reagiert.
Die Regierung in Peking, die die Zentralbank kontrolliert, sieht ihr Wachstumsziel für das laufende Jahr akut gefährdet und greift deshalb zum beliebten Gegengift: dem Stimulus. Spätestens seit der Finanzkrise 2008, als China ein gewaltiges Investitionspaket schnürte, gelten die massiven Eingriffe des Staates in den Wirtschaftskreislauf als Gradmesser für die konjunkturellen Herausforderungen, die China vor der Brust hat.
Wegen der vielen Brandherde, die die wirtschaftliche Entwicklung belasten, fielen die Reaktionen auf die Ankündigung gespalten aus. “Hypotheken- und Darlehenszinsen zu reduzieren, führt zu unmittelbar spürbaren Erleichterungen bei den Verbrauchern. Inwieweit diese Maßnahmen alleine aber ausreichen, verlorenes Vertrauen nachhaltig zurückzugewinnen, bleibt abzuwarten“, sagte Ralph Koppitz von der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner zu Table.Briefings.
Auch die Ökonomin Alicia García-Herrero hält das Paket nur vordergründig für gute Nachrichten. Ihrer Ansicht nach “lindert der Stimulus nur die stärksten Symptome. Strukturelle Probleme bleiben bestehen”, sagte García-Herrero zu Table.Briefings. Und damit auch die Gefahr eines drastischen Einbruchs der Wachstumszahlen in den kommenden zehn Jahren.
Die Probleme, die mit der Corona-Pandemie in Chinas Wirtschaft aufgetreten sind, bündeln sich in einer Zahl. 5,0 Prozent Wachstum lautet das vergleichsweise bescheidene Ziel für eine Volkswirtschaft, die sich nach jahrzehntelangem Höhenrausch stetig im Sinkflug befindet und eine Bruchlandung verhindern will. Die Zahl ist für China deshalb so relevant, weil sie viele soziale Implikationen mit sich führt, die unmittelbar mit der Legitimation des Machtmonopols der Kommunistischen Partei zu tun haben.
Allen voran steht die drastische Jugendarbeitslosigkeit, die immer weiter steigt und den Druck auf die Regierung erhöht. In gewisser Weise konterkariert der Stimulus die nötigen Investitionen in Berufe der Zukunft und dazu erforderliche Bildungsangebote. Denn die Maßnahmen der Zentralbank richten sich an die üblichen Branchen: den Bausektor, den Aktienmarkt und das Kreditgeschäft.
“Erneut sollen vor allem neue Schulden als Heilmittel dienen. Mehr Geld schafft aber nicht zwangsläufig mehr Vertrauen innerhalb der chinesischen Bevölkerung”, sagt Gero Kunath vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. “Die Maßnahmen können langfristig enorme Kosten haben, sie verringern den Handlungsspielraum der chinesischen Regierung bei möglichen zukünftigen Krisen und erhöhen das Risiko von Kreditausfällen.”
Tatsächlich sind es immer wieder die gleichen geldpolitischen Reflexe, mit denen die PBOC die Probleme angeht. Auch der neue PBOC-Direktor Pan Gongsheng, der seit gut einem Jahr im Amt ist, nutzt den gleichen Werkzeugkasten wie seine Vorgänger. Die Mindestreserve der Banken, verkündete Pan, wird um 50 Basispunkte oder 0,5 Prozent gesenkt. Das bedeutet, die Banken können an ihre Rücklagen gehen und rund eine Billion Renminbi (128 Mrd. €) zusätzlich als Kredite in die Wirtschaft pumpen. Weitere Senkungen der Mindestreserve stehen im Raum, um die Liquidität weiter zu erhöhen.
Schauplatz Immobilienmarkt: Die Zinssätze für bestehende Hypotheken werden um 50 Basispunkte gesenkt, die Mindestanzahlung für Häuser und Wohnungen fallen um 15 Prozent. Das soll den Konsumenten wieder mehr Lust machen auf ein Eigenheim. Chinas Immobilienmarkt befindet sich seit 2021 im Abschwung. Eine Reihe von Bauträgern sind in Konkurs gegangen, haben große Bestände an unerwünschten Wohnungen und unvollendeten Projekten hinterlassen. Vergleichbare Anreize haben bisher jedoch nicht gefruchtet. Im Gegenteil: Der Preisverfall bei Wohneigentum war im August so stark wie seit mehr als neun Jahren nicht mehr.
Die Unlust auf neues Eigentum steht sinnbildlich für das Konsumklima in China. “Die schwelende Immobilienkrise schafft weitere Verunsicherung, da schätzungsweise bis zu 70 Prozent der Ersparnisse chinesischer Haushalte in Immobilien investiert sind. Ihr derzeitiger Wertverlust greift damit direkt die finanzielle Absicherung vieler Chinesinnen und Chinesen an“, sagt Kunath. Die schwache Inlandsnachfrage resultiere unter anderem aus den Erfahrungen vieler Haushalte während der Corona-Pandemie – als viele Haushalte Einkommenseinbußen hinnehmen und durch ihre Ersparnisse ausgleichen mussten. “Ob die günstigeren Kreditbedingungen jedoch die Nachfrage ankurbeln, ist fraglich. Chinesische Haushalte tragen bereits eine hohe Schuldenlast und waren zuletzt sehr zurückhaltend – nicht nur bei der Kreditnachfrage”, so Kunath.
Die Zentralbank hofft zudem auf Impulse durch eine positive Entwicklung der Finanzmärkte. Ein sogenanntes Swap-Programm in Höhe von zunächst 500 Mrd. Yuan soll Fonds, Versicherern und Maklern einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln ermöglichen, um mit diesem Geld Aktien zu kaufen. Das zweite Instrument stellt Geschäftsbanken bis zu 300 Mrd. Yuan an günstigen PBOC-Krediten zur Verfügung, um sie bei der Finanzierung von Aktienkäufen und -rückkäufen anderer Unternehmen zu unterstützen.
Die Aktienmärkte reagierten weitgehend positiv auf die Maßnahmen. Eine Trendwende hält Finanzexpertin García-Herrero dennoch für unwahrscheinlich. Als Indiz dafür sieht sie den anhaltenden Druck auf chinesische Staatsanleihen, deren Rendite trotz früherer Intervention der Zentralbank in diesem Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt. “Das ist ein klares Indiz dafür, dass die Investoren dem Braten nicht trauen.”
Elektroautos als Energiespeicher: So sieht die charmante Vision aus, an der die National Development and Reform Commission (NDRC) bastelt. Zu Spitzenzeiten sollen die Fahrzeuge Strom ins Netz abgeben und bestenfalls bei Überversorgung des Stromnetzes die eigene Batterie aufladen.
Noch aber ist die Realität eine andere. Elektroautos haben große Akkus und stehen die meiste Zeit des Tages ungenutzt auf einem Parkplatz. Durch das bidirektionale Laden kann die Batterie der Fahrzeuge in dieser Zeit genutzt werden, um Überkapazitäten zu speichern und bei Engpässen darauf zurückzugreifen. Die chinesische Regierung sieht darin einen Baustein für die Energiewende des Landes, treibt entsprechende Versuchsprojekte voran und möchte bis zum Jahr 2025 einheitliche Standards schaffen – eine zentrale Herausforderung.
Im Januar 2024 verabschiedeten die staatliche Reformkommission NDRC und die nationale Energiebehörde neue Leitlinien. Darin fordern die Behörden, dass bis zum Jahr 2025 die technischen Standards formuliert sein müssen, um bis zum Jahr 2030 ein Gesamtsystem zu etablieren. Dafür benötigt die Industrie natürlich Praxistests – insgesamt 50 laufen bereits. Unter anderem die Provinz Anhui und die Stadt Chongqing sind dem Aufruf gefolgt und haben entsprechende Pilotprojekte gestartet.
Auch in Shenzhen nehmen derzeit rund 1.400 NEV-Fahrzeuge an einem Test teil. Werden die Autos zu Lastspitzen angeschlossen, speisen sie Strom ins Netz. Im Gegenzug erhalten die Fahrer Rabatte für andere Tageszeiten. Schon im Januar wurde im Industriegebiet von Wuxi, unweit von Shanghai, experimentiert. Insgesamt 50 Elektroautos wurden parallel an Ladestationen angeschlossen, um Strom ins Netz zu übertragen. CCTV berichtete, sie hätten innerhalb von 30 Minuten rund zwei Megawatt Strom eingespeist – genug, um den Tagesbedarf von mehr als 100 Haushalten zu decken.
In vielen Teilen des Landes ist das chinesische Stromnetz aufgrund der rasanten industriellen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten an seiner Belastungsgrenze. Vereinzelt kam es zu Rationierungen. Die Rückspeisung der Energie aus den Akkus könnte für wertvolle Entlastung sorgen. So konnten die Wechselstationen von Nio bereits punktuell unterstützten, als es im Sommer 2022 aufgrund von Überlastungen zu großflächigen Stromausfällen kam.
Bei den Planungen spielt Shenzhen aus zwei Gründen eine zentrale Rolle. Erstens hat die Region einen besonders hohen NEV-Anteil. Sechs von zehn Neuwagen haben hier einen Elektromotor und rund eine Million NEV sind bereits zugelassen. Der Stromnetzbetreiber China Southern Power Grid schätzt, dass diese Fahrzeuge ein Speicherpotenzial von etwa 50 Gigawattstunden (GWh) hätten. Ließe sich diese Energie managen, stünden etwa drei Gigawatt zur permanenten Verfügung. Das entspricht dem Output von fünf mittleren Kohlekraftwerken.
Das Energiemanagement ist der zweite Grund, der Shenzhen so wichtig macht. In der Stadt gibt es ein Energiekoordinierungs- und -managementsystem – ein sogenanntes virtuelles Kraftwerk. Es steuert die Energieversorgung, indem es Stromquellen (zum Beispiel Kraftwerke und Solaranlagen), E-Fahrzeuge, große Stromspeicher, Ladesäulen und Batteriewechselstationen aufeinander abstimmt. Die Tests sollen auch zeigen, ob und wie diese Technologie skalierbar ist.
Denn diese Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) ist aus mehreren Gründen eine enorme Herausforderung. Zum einen technisch. Elektroautos fahren mit Gleichstrom (DC), Haushalte verwenden Wechselstrom (AC). Das bedeutet, dass entweder die Wallbox oder das Bordladegerät im Auto mit einem Gleichrichter ausgestattet sein müssen, wenn man den Akku laden möchte. Soll der Strom aber wieder zurück ins Netz, muss er den umgekehrten Weg gehen, wofür er einen Wechselrichter benötigt.
Nur sehr wenige Autos auf dem Markt sind dazu überhaupt technisch in der Lage. Die Fahrzeuge von Nio beherrschen V2G. Auch BYD wirbt damit, konzentriert sich im Verkauf aber auf die sogenannte Vehicle-to-Load (V2L) Technologie. Dabei dient der NEV-Akku als fahrende Powerbank und der Fahrer kann über entsprechende Ausgänge elektrische Geräte anschließen. Eine Rückspeisung ins Netz ist damit aber nicht möglich.
Hintergrund der geringen Verbreitung ist, dass diese Technologie weder den Kunden noch den Herstellern direkt nutzt. Weder die Technologie noch gesetzliche Regelungen sind weit genug, um für die Fahrzeugbesitzer lukrativ zu sein. Denn die finanzielle Ersparnis ist zu gering, gleichzeitig fürchten viele um die Lebensdauer der Batterie, die plötzlich wesentlich mehr Ladezyklen leisten müsste. In China muss ein Akku laut Gesetzgeber 1.000 Ladezyklen ohne nennenswerte Abnutzung halten. Nach Schätzungen der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) würde ein Akku mit V2G-Technologie aber fünfmal häufiger be- und entladen werden. Die Hersteller müssten also bessere und teurere Batterien verbauen oder sie öfter austauschen. Dazu kommen höhere Kosten für Wallboxen und Software.
Auch regulatorisch steht China noch am Anfang. In den unterschiedlichen Regionen gibt es verschiedene Vorgaben für den Strommarkt – einfach Strom ins Netz einzuspeisen ist längst nicht überall erlaubt, oder möglich. Die aktuellen Tests dienen aber dazu, praxistaugliche Standards und Regelungen zu definieren, um sie im nächsten Schritt umzusetzen. Langfristig könnte der Fall eintreten, dass den Herstellern gar nichts anderes übrig bleibt, als die V2G-Technologie zu verbauen.
Neben dem öffentlichen Stromnetz könnte der größte Profiteur Nio sein. Bis Ende 2024 möchte der Hersteller bereits 3.310 Batteriewechsel-Stationen in China betreiben (Anfang des Jahres waren es rund 2.400). Shen Fei, Vizepräsident bei Nio, gab auf Weibo an, dass sein Unternehmen im vergangenen Jahr durch das intelligente Energiemanagement – zu Spitzenzeiten abgeben, bei Überversorgung selbst laden – rund 17 Millionen Dollar an Stromkosten gespart habe.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Der chinesische Windrad-Hersteller Sany drängt auf den europäischen Markt und will ab 2026 auch in Europa produzieren. Man sei in fortgeschrittenen Gesprächen mit einem Kunden für einen ersten Auftrag, den man bis Ende des Jahres abschließen wolle, sagte der Geschäftsführer von Sany Renewable Energy, Paulo Fernando Soares, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.
Für einen Fertigungsstandort schaue man sich drei Länder an, darunter sei auch Deutschland. Bis dahin werde man Windräder aus China nach Europa bringen, sagte er am Rande der Messe WindEnergy Hamburg. Chinesische Firmen würden in den nächsten Jahren auf dem bislang von europäischen und nordamerikanischen Firmen dominierten Windenergie-Markt an der Spitze mitspielen.
Die chinesische Offensive hat in Europa und Deutschland Sorgen ausgelöst. Sie weckt Erinnerungen an das Schicksal der europäischen Solarindustrie, die fast völlig von chinesischen Firmen verdrängt wurde. Auch die Bundesregierung und die EU-Kommission fürchten um eine europäische Kernbranche.
Sany-Geschäftsführer Soares bestritt eine Marktverzerrung: Etablierte europäische Firmen wie Enercon oder Vestas würden weiter eine große Rolle spielen. Auf der anderen Seite sei es undenkbar, dass Europa seine Ausbauziele für Windenergie ohne China erreichen könne. Viele Komponenten für die Turbinen kämen bereits jetzt aus Fernost. Sany hat auf der Messe zwei neue Turbinen vorgestellt und hofft, damit Kunden zu gewinnen.
Der chinesische Heimatmarkt ist weit größer als der europäische. Der Konkurrent Mingyang hatte für Aufsehen gesorgt, da erstmals ein chinesischer Konzern einen deutschen Offshore-Windpark ausrüsten soll. Firmen wie Sany drängen aber auch auf den weit größeren Markt für Windenergie an Land. rtr/ari
Der niederländische Wirtschaftsminister Dirk Beljaarts hat bei einem Besuch in Washington die Bedeutung Chinas als Handelspartner unterstrichen. Er betonte, dass dem niederländischen Halbleiterhersteller ASML gestattet werden müsse, “so frei wie möglich Geschäfte zu machen”. Allerdings sagte er auch, dass sein Treffen mit dem stellvertretenden US-Handelsminister Don Graves der Förderung des bilateralen Handels und nicht der Verhandlung von Exportbeschränkungen diene.
“Die Chinesen sind ein wichtiger Handelspartner, ebenso wie die Vereinigten Staaten und viele andere Länder der Welt. Wir müssen unsere eigene Wirtschaft aufrechterhalten und sicherstellen, dass unsere Unternehmen so frei wie möglich Geschäfte machen können“, sagte Beljaarts. “Wir wissen, dass ASML ein Kronjuwel für die Niederlande ist, auf das wir sehr stolz sind. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass das Unternehmen innerhalb der bestehenden Grenzen so frei wie möglich agieren kann.”
ASML ist der größte Zulieferer von Ausrüstung für Computerchiphersteller. Seit Anfang dieses Monats verlangt die niederländische Regierung auf Druck aus den USA Exportlizenzen für weitere Produkte von ASML nach China. rtr
China hat im August 610.000 Autos exportiert und seine Exporte damit im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent gesteigert, wie die Plattform Car News China berichtet. Insgesamt wurden bis Ende August in diesem Jahr bereits 4,09 Millionen Fahrzeuge ins Ausland verkauft, ein Zuwachs von 27 Prozent.
Ein Fünftel der Fahrzeuge ging nach Russland – für chinesische Autos der mit Abstand größte Exportmarkt, der seit Russlands Angriff auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen ein enormes Wachstum erfahren hat. Während 2022 insgesamt 160.000 Fahrzeuge aus China nach Russland gingen, lag diese Zahl 2023 bei 910.000.
China exportierte bis Ende August knapp 1,3 Millionen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, ein Zuwachs von 25 Prozent im Vorjahresvergleich. Die meisten davon wurden außerhalb der EU verkauft:
Seit der Einführung der vorläufigen EU-Strafzölle sind die Exporte aus Shanghai stark gesunken. Von dort werden Fahrzeuge von Tesla und SAIC verschifft. Exporte unter anderem aus Guangdong und Shaanxi dagegen stiegen an. Shaanxi ist einer der wichtigsten Produktionsstandorte von BYD. jul
Geldpolitik mag für viele westliche Beobachter oft unspektakulär erscheinen, doch derzeit befinden wir uns in einer Phase, in der die Zentralbanken große Aufmerksamkeit erregen: Marktteilnehmer verfolgen die Zinsentscheidungen der US-amerikanischen Fed oder der europäischen EZB genau, in der Hoffnung, dass die Zentralbanken angemessene Maßnahmen ergreifen, um sowohl die Inflation in Schach zu halten als auch das schwächelnde Wachstum in den USA und der Eurozone zu stützen.
Jede Äußerung und jeder Datenpunkt werden dabei genau analysiert. Doch wie oft fiebert der Einzelne einer Sitzung der chinesischen Zentralbank (People’s Bank of China, PBoC) entgegen? Wahrscheinlich nie. Das geringe Interesse an der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt lässt sich jedoch nicht nur auf eine generelle westliche Zurückhaltung gegenüber China zurückführen, sondern hat auch strukturelle Gründe. Anders als andere große Zentralbanken folgt die PBoC keinem festen, vorhersehbaren Sitzungszyklus. Geldpolitische Entscheidungen werden ad hoc getroffen und per Pressemitteilung kommuniziert. Insofern ist das verhaltene Interesse an den Sitzungen der PBoC durchaus nachvollziehbar.
Dies sollte jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass die Geldpolitik für die chinesische Wirtschaft nicht nützlich sein kann – im Gegenteil: Der Handlungsbedarf seitens der PBoC ist enorm, da die chinesische Volkswirtschaft derzeit eine deutliche Abkühlung erfährt. Im Gegensatz zu den früheren zweistelligen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hat sich das Wachstum inzwischen auf etwa fünf Prozent verlangsamt, und es gibt Anzeichen für einen weiteren Rückgang. Für dieses Jahr wird von uns ein BIP-Wachstum von 4,9 Prozent erwartet, jedoch mit erheblichen Abwärtsrisiken.
Ab 2025 könnte das Wachstum auf nur noch 3,7 Prozent sinken. Diese Entwicklung ist teilweise auf zu erwartende ökonomische Effekte wie das Gesetz der abnehmenden Grenzerträge zurückzuführen, wonach zusätzlicher Einsatz von Kapital immer geringere Erträge abwirft – von einer hohen Basis aus wächst es sich einfach langsamer. Doch auch strukturelle Probleme belasten die chinesische Wirtschaft, wie eine ungünstige Demografie, hohe Unternehmens- und Provinzverschuldung sowie zunehmende geopolitische Spannungen, vor allem mit dem Handelspartner USA.
Obwohl die PBoC auf diese langfristigen Herausforderungen nur begrenzt Einfluss hat, gibt es akute konjunkturelle Probleme, die eine stärkere geldpolitische Unterstützung erfordern. Dazu gehört der angeschlagene Immobilienmarkt, der durch notwendige, aber abrupt umgesetzte Regulierungen destabilisiert wurde, sowie der chinesische Binnenmarkt, der seit der Covid-Pandemie unter einem Vertrauensverlust seitens der privaten Unternehmen und Haushalte leidet. Um die aktuelle Krise zu bewältigen, sind nicht nur regulatorische Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens nötig, sondern auch gezielte geldpolitische Stimuli durch die PBoC.
Es wäre jedoch falsch, zu behaupten, dass die PBoC in den letzten Jahren der akuten Krise tatenlos zugeschaut hätte. Im Vergleich zu etablierten Zentralbanken, die meist eine überschaubare Anzahl von Leitzinsen zur Steuerung verwenden, nutzt die PBoC eine Vielzahl von Zinssätzen, um gezielt auf verschiedene Sektoren der Wirtschaft einzuwirken. Seit Beginn der Covid-Krise im Jahr 2020 hat die PBoC dadurch mehrere bedeutende geldpolitische Maßnahmen ergriffen: Der einjährige Darlehens-Leitzins (LPR), der für Unternehmen und Haushalte wichtig ist, wurde von 4,8 Prozent auf 3,85 Prozent gesenkt. Auch der fünfjährige Darlehens-Leitzins, entscheidend für Hypothekenbanken und -kunden, wurde von 4,8 Prozent auf 3,85 Prozent reduziert. Zusätzlich wurde die mittelfristige Kreditfazilität (MLF), über die Banken Kredite von der PBoC erhalten können, von 3,25 Prozent auf 2,3 Prozent gesenkt. Der Mindestreservesatz (RRR), den Banken halten müssen, wurde von 13 Prozent auf aktuell zehn Prozent reduziert.
Trotz dieser Maßnahmen lassen sich die geldpolitischen Schritte der PBoC angesichts der Schwere der wirtschaftlichen Probleme als eher zurückhaltend bezeichnen. Die zumeist nur kleinen Zinsschritte von etwa zehn Basispunkten lassen sich jedoch teilweise strategisch begründen: Erstens wurde die Abkühlung des überhitzten Immobilienmarktes, der klare Anzeichen einer Blasenbildung zeigt, von der chinesischen Regierung bewusst eingeleitet. Eine zu starke Senkung des Darlehens-Leitzinses hätte die regulatorischen Bemühungen zur Marktberuhigung konterkariert. Zweitens hätte eine stärkere Veränderung der MLF den Zinsunterschied zwischen langfristigen Staatsanleihen der USA und Chinas vergrößert und so die ohnehin bereits starke Kapitalflucht aus China verstärkt. Dies hätte auch auf den Währungsmärkten gravierende Folgen gehabt. Insgesamt also ein schwieriger Balanceakt für die PBoC.
Nichtsdestotrotz muss an dieser Stelle auch die begrenzte Handlungsfähigkeit der PBoC im Umgang mit den aktuellen Krisen thematisiert werden. Diese Unfähigkeit resultiert jedoch nicht zwangsläufig aus mangelndem Fachwissen der chinesischen Zentralbanker, sondern vielmehr aus der fehlenden Unabhängigkeit der PBoC von der politischen Führung des Landes. Selbst wenn die Währungshüter einen schlüssigen Plan zur Bewältigung der konjunkturellen Herausforderungen hätten, sind ihre Möglichkeiten durch politische Vorgaben der Regierung stark eingeschränkt.
Vor jeder “geldpolitischen Entscheidung über die jährliche Geldmenge, Zinssätze, Wechselkurse und andere wichtige Fragen” muss der Staatsrat der Volksrepublik, das zentrale Verwaltungsorgan in China, seine Zustimmung geben. Zwar stand die PBoC schon immer unter der Aufsicht des Staatsrats, doch ihre Autorität in Finanzfragen war bislang relativ unangetastet. Diese Unabhängigkeit hat sich jedoch weiter verringert.
Seit März 2023 unterliegt die PBoC faktisch der Kontrolle eines neuen Aufsichtsgremiums, der Zentralen Finanzkommission, die direkt der Kommunistischen Partei untergeordnet ist. Diese Entwicklung markiert einen signifikanten Machtverlust und weiteren Verlust der Unabhängigkeit der PBoC. Peking zielt zunehmend darauf ab, die Kontrolle der Partei über die Finanzregulierung zu zentralisieren. Der Handlungsspielraum der einst mächtigen Zentralbank wird somit immer weiter beschnitten.
China hat sich in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht ehrgeizige Ziele für die kommenden Jahre gesetzt. Die Kommunistische Partei Chinas strebt bis 2049, dem einhundertjährigen Jubiläum der Gründung der Volksrepublik, die “große Wiederbelebung der chinesischen Nation” an. Ein zentraler Bestandteil dieser Vision ist das Erreichen einer wirtschaftlichen Überlegenheit gegenüber den USA. Ein entscheidendes Element der bisherigen ökonomischen Dominanz der USA wird dabei im US-Dollar gesehen, dessen Status als globaler Leitwährung sich in Krisenzeiten als besonders vorteilhaft erwiesen hat.
China versucht seit einiger Zeit, diesen Status herauszufordern. Besonders seit den US-Sanktionen gegen Russland nach dem Überfall auf die Ukraine hat China seine Bemühungen verstärkt – wenn auch bisher ohne großen Erfolg -, den Anteil des US-Dollars am globalen Devisenhandel zu reduzieren. Der US-Dollar bleibt mit 88,5 Prozent aller Transaktionen (laut “Bank for International Settlements” (BIS) 2022) die dominierende Währung im internationalen Handel, gefolgt vom Euro mit 30,5 Prozent. Der chinesische Renminbi, der derzeit nur sieben Prozent der globalen Devisentransaktionen ausmacht, wächst zwar, bleibt jedoch hinter den Währungen der etablierten Volkswirtschaften zurück.
China unternimmt bereits Schritte, um die Dollar-Dominanz zu schwächen: Trotz der vorherrschenden Devisenkontrollen, die ein Problem für die Verbreitung des Renminbi darstellen, werden erste Währungsswaps mit Zentralbanken in Lateinamerika, Afrika und Asien sowie eine Erhöhung des Goldanteils in den Devisenreserven organisiert. Jedoch muss China, um noch größere Anteile am weltweiten Finanzfluss zu gewinnen, bedeutende Schritte unternehmen, um die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit seiner Währung zu stärken. Dies würde nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Sitzungen der PBoC spektakulärer werden, aber sie würden an Bedeutung gewinnen.
Tariq K. Chaudhry ist China Economist bei der Hamburg Commercial Bank und betreibt “China – der Wirtschaftspodcast”. Außerdem ist Chaudhry als Autor des wöchentlichen Newsletters “China Economic Notes” auf LinkedIn aktiv. Dieser Text ist zuerst im “Wochenbarometer” von HCOB erschienen.
Arwed Schwarz ist seit Juli Chief Financial Officer (CFO) bei BMW China. Der Diplom-Kaufmann ist seit mehr als 18 Jahren für BMW tätig, davon knapp vier Jahre in China. Sein Einsatzort für den Münchner Autobauer ist Peking.
Zhenggui Cao ist seit September Vice President und Plant Manager in Nanjng für Bosch Automotive Aftermarket China. In dem vor rund zehn Jahren eröffneten Werk werden Zündkerzen, Bremsbeläge sowie Prüf- und Testgeräte überwiegend für Kunden aus der Region Asien-Pazifik gefertigt.
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Blättriger Bauch, belaubtes Haupt, buschige Brauen: Neben einer Autobahn in Hangzhou, Zhejiang, balanciert ein zehn Meter hoher Panda. Die Gartenbau-Mannschaft, die ihn aus Grünzeug geschnitten hat, schert sich sichtbar wenig um die Schwerkraft. Eine Rasur steht vermutlich in ein paar Tagen an, wenn dem bärigen Balletttänzer Zweige aus Kinn, Ohren und Brauen sprießen.