bislang hatte sich China zurückgehalten gegenüber den Anti-Dumping-Zöllen auf chinesische E-Autos, über die die EU wahrscheinlich noch im Juni entscheiden will. Nun aber werden doch die ersten Drohungen laut. Und sie richten sich vor allem gegen das Land, das in dieser Frage der größte Wackelkandidat ist: Deutschland. 25 Prozent Einfuhrzoll speziell für Verbrennerfahrzeuge mit größeren Motoren – das würde Porsche, Mercedes und BMW sehr viel mehr treffen als Stellantis oder Renault.
Und China könnte mit dieser Taktik Erfolg haben. Schon jetzt sickert durch, dass die EU-Strafzölle auf chinesische E-Auto-Importe zwar kommen, aber so niedrig ausfallen werden, dass Chinas Elektrohersteller damit leben können. Den Deutschen sei Dank.
Gewaltige Überkapazitäten hat China nicht nur im E-Auto-Segment geschaffen, sondern bekanntlich auch im Photovoltaik-Sektor. Auch in China selbst führen die Überkapazitäten dazu, dass jetzt reihenweise Firmen pleitegehen. An der Dominanz der chinesischen Firmen auf den Weltmärkten wird sich dennoch so schnell nichts ändern, schreibt Christiane Kühl in ihrer Analyse.
Zölle von 25 Prozent auf Autos mit mehr als 2,5 Liter Hubraum: China steigt in die nächste Runde des globalen Zollwettrüstens ein. Der Vorschlag von Liu Bin im Rahmen eines Interviews mit der KP-Zeitung Global Times darf als Drohung verstanden werden. Denn der Chefexperte von Chinas staatlichem Automobilforschungsinstitut China Automotive Technology & Research Center (CATARC) ist einflussreich, was die Automobilstrategie in China angeht. Er berät die Regierung in Industrie-, Subventions- und Steuerfragen und hat unter anderem am Entwicklungsplan für die Industrie der neuen Energiefahrzeuge (2021-2035) mitgewirkt.
Liu Bin schob im Interview zwar den Umweltschutz vor: Die 250.000 nach China importierten Fahrzeuge mit großen Motoren verursachten überdurchschnittlich hohe Emissionen und würden damit die grüne Transformation hindern. Zugleich verwies er aber auch auf Importbeschränkungen gegenüber chinesischen E-Autos, die er als “nicht WTO-konform” bezeichnete. Die Zolldrohung ist also eine Reaktion auf die Strafzölle von 100 Prozent auf chinesische E-Autos in den USA und mögliche Anti-Dumping-Zölle der EU. Und sie ist so ausgestaltet, dass sie besonders das Land treffen würde, das als Wackelkandidat bei den EU-Zöllen gilt: Deutschland.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht das Antisubventionsverfahren der EU daher sehr kritisch. “Eine Eskalation von Handelskonflikten würde insbesondere die deutsche Automobilindustrie treffen”, schreibt der VDA auf eine Anfrage von Table.Briefings. “Deutsche Hersteller exportieren rund 87.700 Fahrzeuge aus den USA nach China und rund 216.300 Fahrzeuge aus Deutschland nach China.”
Zahlreiche Premium-Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz, Audi und BMW könnten unter die neue Regelung fallen. Denn obwohl die Konzerne Werke in China betreiben, werden hochmotorige Limousinen oder SUVs zumeist nicht in der Volksrepublik produziert, sondern importiert. Wie zum Beispiel die S-Klasse von Mercedes-Benz, der Audi A8 oder die 7er-Reihe von BMW. Fahrzeuge von Porsche werden sogar ausschließlich importiert. “Das ist einer der Gründe, weshalb sich die Bundesregierung so sehr gegen die Schutzzölle gegen chinesische Fabrikate stemmt”, sagt Beatrix Keim, Direktorin für Business Development & China Projects bei CAR, dem Center Automotive Research.
Doch nicht nur deutsche Marken wären betroffen. “Die Regelung würde natürlich auch für Stellantis gelten, mit den Marken Maserati und Ferrari als Luxusfahrzeuge, die in China gerne geordert werden”, sagt CAR-Expertin Keim. “Ebenso für PSA mit dem DS.” Auch Volvo könnte mit seinen hochmotorigen Modellen betroffen sein, obwohl es zum chinesischen Konzern Geely gehört, sagt Keim. “Die Frage ist, inwieweit Volvo hier gesondert behandelt würde, aufgrund der Eigentumsverhältnisse”.
Und auch die Ausgestaltung der möglichen Maßnahmen im Detail sei wichtig. “Sollten Zölle auf Komponenten, wie zum Beispiel Motoren, erhoben werden, könnte dies auch die Zulieferindustrie oder Joint Ventures treffen, die nicht immer einen Local-Content-Anteil von 100 Prozent für alle Modelle erreichen.”
Aktuell liegen Chinas Auto-Importzölle bereits bei 15 Prozent. Die 25 Prozent-Regelung würde zu einer Anhebung von 10 Prozentpunkten führen. Bei Fahrzeugen mit einem Kaufpreis von umgerechnet über 130.000 Euro wird in China allerdings bereits jetzt ein um zehn Prozent erhöhter Steuersatz fällig. Dennoch könnten höhere Preise das aktuell sowieso schon vorsichtige Konsumverhalten verstärken.
Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage sind Konsumenten in China aktuell zurückhaltend, die Sparquote ist außergewöhnlich hoch. Obwohl Luxusfahrzeuge von einer Klientel gekauft werden, die als wohlhabend gilt, könnten sich die Zölle durchaus negativ auf die Verkäufe auswirken, wenn die Hersteller den Aufschlag an die Kunden weitergeben. Tun sie dies nicht, schrumpfen ihre Margen.
Auch wenn sie indirekt daherkommen – die Drohungen aus China fallen in Europa auf fruchtbaren Boden. Denn die Autobranche hält nicht viel von den Zollplänen der EU – sie befürchtet Gegenmaßnahmen. Stellantis-Chef Carlos Tavares bezeichnete am Mittwoch im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters Zölle als eine “größere Falle”. Sie verhinderten die nötige Anpassung der westlichen Autobauer an die Konkurrenz aus China nicht, sondern trieben lediglich die Inflation nach oben. BMW-CEO Oliver Zipse sagte in der Hauptversammlung am 15. April, dass Protektionismus eine Spirale in Gang setze: Zölle führten zu neuen Zöllen.
Die deutschen Premiumhersteller wollten sich auf Anfrage von Table.Briefings nicht zu den neuen Zollvorschlägen aus China äußern, man wolle sich nicht an “Spekulationen” beteiligen. Ein Umschwenken der EU, auch auf Drängen von Deutschland, ist derweil unwahrscheinlich. Da der Handel in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt, können die Länder Brüssel nur mit einer qualifizierten Mehrheit stoppen, das bedeutet: Mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, müssten dieses Umschwenken fordern. Und das ist nicht absehbar.
Die Überkapazitäten in Chinas Cleantech-Sektor beunruhigen nicht nur den Westen. Sie sorgen auch in China selbst für große Probleme. So droht in der Photovoltaik-Branche des Landes aufgrund auch dort stark gesunkener Preise ein Firmensterben. Viele Firmen waren 2023 angesichts des Preisverfalls auf einmal gezwungen, zu Produktionskosten oder gar darunter zu verkaufen. Das brachte ihnen nicht nur Dumping-Vorwürfe etwa aus Brüssel ein, sondern fraß sich auch in die Firmenfinanzen.
Vielen Unternehmen half da weder der Rekord-Zubau von Solaranlagen 2023 in China (216,9 Gigawatt), noch die Dominanz ihres Sektors auf den Weltmärkten. Die Branche erwartet eine Pleitewelle unter den zumeist privat geführten Solarfirmen. Als Reaktion versuchen die betroffenen Firmen “sich entweder mit innovativen Produkten oder mit außergewöhnlichen Preisen von der Konkurrenz abzuheben”, schreibt Clean Energy-Expertin Edurne Zoco von S&P Global Commodity Insight in einem Beitrag für das Fachmedium pv magazine. Schmale oder negative Margen werden auch 2024 zu einem schwierigen Jahr für die Hersteller machen, erwartet sie.
Viele Firmen hatten angesichts des globalen Erneuerbaren-Booms noch weit über das rasante Marktwachstum hinaus expandiert. Sie lassen nun Kapazitäten ruhen, bauen Arbeitsplätze ab und legen Investitionspläne auf Eis, um den Preiskampf zu überstehen.
Einer der Branchenführer, Longi Green Energy Technology, begann zum Beispiel im November 2023, Mitarbeitende zu entlassen, vor allem Fabrikarbeiter und Management-Trainees. Im März gab es laut Bloomberg Berichte, Longi wolle bis zu 30 Prozent seiner Belegschaft entlassen, die einmal 80.000 Mitarbeitende umfasst hatte. Selbst bei kleinen Ausgaben spare Longi: So soll es im Shanghaier Büro keinen kostenlosen Kaffee mehr für die Angestellten geben. Solche vermeintlich läppischen Dinge sind meist ein Zeichen für eine gewisse Verzweiflung.
Die Lingda Group legte im März Pläne auf Eis, eine Solarzellenfabrik für 1,3 Milliarden US-Dollar zu errichten. Etwa zur selben Zeit meldete Lingda, dass es auch die Produktion in seiner bestehenden Fabrik eingestellt habe, um nach dem Preissturz für Solarzellen Verluste zu vermeiden. Solarzellen machen 90 Prozent der Einnahmen des Unternehmens aus, das seit 2020 jedes Jahr Millionen Yuan an Verlusten eingefahren hat.
2023 noch hatten die Solarfirmen gigantische Expansionspläne verkündet. Peking lässt riesige Solar- und Windparks in den Wüsten Westchinas errichten, um seine Klimaziele zu erreichen. Außerdem läuft eine Kampagne für Solarzellen auf Dächern in ländlichen Regionen. Und ganz generell fördert China das verarbeitende Gewerbe, etwa durch vergünstigte Bankkredite bis hin zu Belohnungen für das Erreichen bestimmter Quoten beim Bau von Fabriken.
Während des Booms flossen nach einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Caixin zudem gewaltige Mengen Investorenkapital in den Sektor: Von 2019 bis 2022 erhielten Photovoltaik-Unternehmen rund 380 Milliarden Yuan (etwa 49 Milliarden Euro) über die Kapitalmärkte, schreibt das Magazin unter Berufung auf Daten des Branchenverbands China Photovoltaic Industry Association (CPIA), etwa durch Börsengänge, Privatplatzierungen und Wandelanleihen.
Wie die Unternehmen in der Euphorie über das Ziel hinausschossen, zeigt das Beispiel des Marktführers Jinko Solar. Jinko kündigte laut Caixin seinen Investoren im August 2023 an, in der Provinz Shanxi für umgerechnet etwa 7,2 Milliarden Euro das größte integrierte Solarkraftwerk zu errichten, das es je gab. Jinko unterfütterte die Pläne mit Zahlen, die für das erste Halbjahr 2023 eine Vervierfachung des Gewinns auswiesen. Trotzdem reagierten die Kapitalgeber mit Skepsis, ob dieser Plan angesichts eines nahezu gesättigten Marktes nicht zu aggressiv sei. Am Folgetag fielen die Jinko-Aktien um zwölf Prozent – ein Warnschuss in den ersten Tagen der Krise. Etwa zu jener Zeit begann auch in Europa der dramatische Preisverfall für Solaranlagen und -module.
Angesichts der eigenen Misere kann die chinesische Branche die Vorwürfe und Subventionsermittlungen aus der EU nicht nachvollziehen. Die Zentralregierung stelle keine Subventionen für den Solarmarkt oder den Solarproduktionssektor bereit, sagte etwa CPIA-Vizegeneralsekretär Liu Yiyang in einem Gespräch mit dem Fachdienst Carbon Brief. Es gebe lediglich ein kleines Budget an Forschungs- und Entwicklungsgeldern, um Pilotversuche oder den technologischen Fortschritt der globalen Solarindustrie zu unterstützen, so Liu. “Dies ist in der ganzen Welt gängige Praxis.” Tatsächlich ist die Zeit der hohen Subventionierung des Solarsektors vorbei. Ob es dennoch für konkrete Projekte eben doch Zuschüsse gibt, will die EU-Kommission nun prüfen.
Longi hat die EU-Debatte um Strafzölle bereits öffentlich kritisiert. Doch zugleich forderte Longi-Chairman Zhong Baoshen die Pekinger Regierung in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung Shanghai Securities News am Rande des Nationalen Volkskongresses auf, gegen die niedrigen Preisen vorzugehen und die Qualität von Solarmodulen sicherzustellen. Peking solle neue Ausschreibungsregeln einführen, die Dumping verhindern, so Zhong. Ob ihm jemand zugehört hat, ist nicht bekannt.
An der Dominanz der chinesischen Firmen auf den Weltmärkten wird sich jedenfalls so schnell nichts ändern. “Das Problem ist, dass China eigentlich keine andere Wahl hat als die massiven Kapazitäten auf Exportmärkten loszuwerden“, sagt Experte Nis Grünberg vom Merics-Institut in Berlin. Der Cleantech-Sektor sei so groß geworden und sein Wachstumsimpuls angesichts der Schwäche anderer Branchen zu wichtig, “als dass sich die Führung hineinreden lässt”, so Grünberg zu Table.Briefings. “Es ist auch die erklärte Absicht Pekings, diesen Sektor zur erfolgreichen Exportindustrie aufzubauen.”
Auch mehrere Tage nach der Amtseinführung von Präsident Lai Ching-te halten die Proteste vor dem Parlamentsgebäude Taiwans weiter an. Auslöser waren die Pläne der Opposition zu einer Reform, die dem Parlament eine stärkere Kontrolle über die Regierung ermöglichen würden. Mit solcher einer Reform könnten die nationalistische Kuomintang-Partei (KMT) und die Taiwanische Volkspartei (TVP) bei Abstimmungen eine Mehrheit zustande bringen. Zu diesem Zweck hatten die beiden wichtigsten Oppositionsparteien der Insel einen Zusammenschluss angekündigt.
Präsident Lais Demokratische Fortschrittspartei (DFP) hatte bei den Wahlen im Januar die absolute Mehrheit im Parlament eingebüßt. Damit ist sie für Vorhaben auf Zustimmung des Oppositionsblocks angewiesen. KMT und TVP gelten als China-freundlich, auch wenn sie die Demokratie und Freiheitsrechte in Taiwan ebenfalls bewahren wollen. Trotzdem warnt die DFP im Falle einer Reform vor “Hongkonger Zuständen”, bei der die Demokratie schleichend ausgehöhlt werden könnte.
Als demokratiefeindlich wird etwa das Vorgehen der Opposition angeführt, die Reformpläne im entsprechenden Ausschuss am vergangenen Freitag ohne Debatten eilig durchdrücken zu wollen. Bereits im Anschluss war es zu Handgreiflichkeiten zwischen den Parlamentariern gekommen. Fünf Abgeordnete mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Sowohl Taiwans nationale Anwaltskammer als auch die der Hauptstadt Taipeh haben die Reformpläne im Parlament als möglicherweise verfassungswidrig kritisiert. Die KMT, die über eine relative Mehrheit verfügt, könnte aus der Legislative heraus regieren und zudem als eine Art Justiz agieren. In seiner Antrittsrede hatte Lai erklärt, die Mehrheit im Parlament müsse die Minderheit respektieren und umgekehrt, nur dann könne Taiwan “eine stabile und harmonische Gesellschaft” bleiben. Parlamentspräsident Han hatte die Abstimmung nach den Tumulten am Freitag auf Dienstag verschoben. Eine endgültige Entscheidung wird nun für kommenden Freitag erwartet. fpe
Die chinesische Bloggerin und ehemalige Rechtsanwältin Zhang Zhan ist nach vier Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen worden. Zhang war wegen ihrer kritischen Berichterstattung beim Ausbruch der Corona-Pandemie in Wuhan im Frühjahr 2020 verhaftet worden. “Die Polizei hat mich am 13. Mai um fünf Uhr morgens aus dem Gefängnis entlassen und mich zum Haus meines älteren Bruders in Shanghai geschickt”, erklärte Zhang in einem am Mittwoch von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Video.
Ihr aktueller Aufenthaltsort und ihr Gesundheitszustand sind jedoch unbekannt. Während der Haft hatte Zhang mit mehreren Hungerstreiks gegen ihre Verurteilung protestiert. Unter Menschenrechtsaktivisten gilt es als wahrscheinlich, dass die 40-Jährige weiterhin unter Bewachung stehen wird. Reporter ohne Grenzen erklärte, man sei wegen Zhangs Situation nach wie vor besorgt und betonte: “Eine teilweise Freiheit ist gar keine Freiheit.” fpe
China zeigt sich offenbar bereit, mit dem Vatikan in direktem Austausch zu treten. “Wir sind bereit, mit dem Vatikan zusammenzuarbeiten, um die kontinuierliche Verbesserung der Beziehungen zwischen China und dem Vatikan zu fördern”, sagte der Sprecher des Außenministeriums Wang Wenbin.
Am Dienstag hatte Kardinal Pietro Parolin, Spitzendiplomat des Heiligen Stuhls, den Willen bekundet, ein ständiges Büro in China einrichten zu wollen. Das würde eine deutliche Verbesserung der Beziehungen bedeuten. Der Vatikan unterhält bis heute keine diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik, sondern ist der einzige europäische Staat, der in Taiwan eine Botschaft hat.
Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der Führung der Kommunistischen Partei Chinas waren in der Vergangenheit angespannt. In China gibt es eine offizielle Staatskirche, die der Partei untersteht und dazu noch viele Untergrundkirchen, die sich auf den Papst berufen. Ihre Gottesdienste werden im Privaten abgehalten und wurden in der Vergangenheit je nach politischer Wetterlage mal mehr und mal weniger geduldet. rtr/fpe/flee
Wie die britische Polizei am Dienstag mitteilte, wurde ein ehemaliger Angehöriger der britischen Royal Marines, der beschuldigt wurde, den Behörden in Hongkong beim Sammeln von Informationen geholfen zu haben, tot aufgefunden. Die Polizei teilte mit, dass die Ermittlungen zu dem “ungeklärten Todesfall” noch andauern.
Der 37-Jährige war einer von drei Männern, die Anfang des Monats wegen Spionagetätigkeiten festgenommen wurden. Sie sollen seit Ende 2023 dem Geheimdienst in Hongkong zugearbeitet haben und am 1. Mai gewaltsam in eine Wohnung eingedrungen sein. Die britische Staatsanwaltschaft führte Transaktionsunterlagen an, wonach die Beschuldigten vom Hong Kong Economic and Trade Office (HKETO) in London für Überwachungsaufträge bezahlt worden seien. Vor dem Londoner Büro kam es zu Protesten gegen chinesische Einflussnahme.
Die Männer waren gegen Kaution freigelassen worden und sollten am Freitag zu einer Anhörung vor dem Londoner Central Criminal Court erscheinen. Die Thames Valley Police teilte mit, dass der 37-Jährige am Sonntagnachmittag in einem Park in Maidenhead, westlich von London, von einem Spaziergänger tot aufgefunden wurde. Die Regierung von Hongkong wolle sich nicht zum Tod des Briten äußern, sagte Hongkongs Finanzchef Paul Chan. Die chinesische Botschaft in London wies die Spionage-Anschuldigungen zurück. fpe
Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps wirft China vor, Russland Güter zu liefern, die im Krieg gegen die Ukraine auf tödliche Weise eingesetzt werden können – oder zumindest eine Lieferung solcher Güter vorzubereiten. Es lägen britische und amerikanische Geheimdienstinformationen vor, wonach “tödliche Hilfe derzeit von China an Russland und in die Ukraine fließt oder fließen wird”, sagt Shapps in London. “Das sollte uns Sorgen bereiten.”
In den Anfangstagen dieses Krieges habe sich China gerne als mäßigender Einfluss auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin darstellen wollen. Belege legt Shapps für seine Vorwürfe nicht vor. Die chinesische Botschaft in den USA erklärte im April, die Volksrepublik habe keine Waffen geliefert und sei auch nicht “an der Ukraine-Krise beteiligt”. rtr
Inmitten der vielfältigen alternativen Populärkultur in Taiwan sind sogenannte Drag-Performances in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Drag-Künstlerinnen und -künstler erschaffen eine Bühnenpersönlichkeit, für die sie in die Rolle eines anderen Geschlechts schlüpfen. Mit extravaganten Outfits und reichlich Make-up spielen sie mit gesellschaftlichen Geschlechterbildern.
Hinter der Drag-Queen Nymphia Wind steht der 28-jährige Leo Tsao. Seine Bühnenpersönlichkeit ist auch Ausdruck seiner eigenen bewegten Lebensgeschichte. Geboren wurde Tsao in Los Angeles, aufgewachsen ist er in Hongkong und Taiwan. Nach dem Schulabschluss in Taipeh zog er für ein Modestudium nach London, und kam dort zum ersten Mal mit Drag-Kunst in Kontakt. Zurück in Taiwan wurde er einer der bekanntesten Drag-Künstler des Landes.
Das Markenzeichen seiner Kunstfigur sind bananengelbe Outfits, eine ironische Anspielung auf Tsaos persönlichen Hintergrund. Asiatischstämmige US-Amerikaner werden in den USA manchmal scherzhaft, teils auch mit rassistischem Anklang, als “Bananen” bezeichnet: außen gelb, innen weiß. Tsao spielt mit dem Klischee und drückt mit der Farbe bananengelb den Stolz auf seine interkulturelle Identität aus.
Mittlerweile wohnt Leo Tsao in New York, einer Hochburg queerer Subkultur. Doch seine künstlerische Heimat ist das Café Dalida in Taipei, einer der Geburtsorte der taiwanischen Drag-Szene. Im April dieses Jahres versammelten sich dort und in anderen Schwulenbars und -clubs in Taipeh regelmäßig Hunderte von Fans, um die Auftritte von Nymphia Wind bei RuPaul’s Drag Race, einem internationalen Wettbewerb von Dragkünstlerinnen und -künstlern, zu verfolgen. Viele von ihnen, gekleidet in bananengelb, gaben sich den Spitznamen “banana believers”.
Nymphia Wind gewann als erste ostasiatische Künstlerin überhaupt eine Staffel von RuPaul’s Drag Race. “Taiwan, this is for you” (“Taiwan, das ist für dich”), kommentierte sie im Anschluss an ihren Sieg. Tsai Ing-wen übersandte Gratulationen und fügte an: “Taiwan thanks you for living fearlessly” (“Taiwan dankt dir, dass du furchtlos lebst”).
Nymphia Winds extravaganter Stil und ihr Spiel mit Geschlechterrollenbildern steht auch für die zunehmende Vielfalt und Offenheit von Taiwans Zivilgesellschaft. In China unterdrückt die Führung unter Xi Jinping dagegen die LGBTQ-Szene im Land und verurteilt “unmännliche” Ausdrucksformen der Populärkultur, etwa das in ihren Augen allzu weiche Auftreten von Popidolen. In Internetforen gratulierten einige chinesische Drag-Fans Nymphia Wind dennoch zu ihrem Sieg.
In einem Interview nach dem Drag-Wettbewerb sprach Nymphia Wind auch über Taiwans internationale politische Isolation und über den Wunsch nach politischer Anerkennung für ihr Land. Durch ihre Bekanntheit ist sie nun selbst zu einer bedeutenden kulturellen Botschafterin Taiwans geworden.
Eine Gelegenheit, in der Welt für Taiwan zu werben, bietet sich ihr in diesen Sommer. Nymphia Wind wird als eine taiwanische Künstlerin auf der Pariser Kultur-Olympiade auftreten, einer künstlerischen Begleitveranstaltung der Olympischen Sommerspiele. Im Sport zeigt sich Taiwans marginalisierte Stellung in der Staatengemeinschaft regelmäßig. Das Land kann die Wettbewerbe in Paris, wie fast alle großen internationalen Sportveranstaltungen, nur unter dem Namen “Chinese Taipei” bestreiten. Doch das Begleitprogramm scheint davon verschont zu bleiben – bei der Kulturolympiade tritt Nymphia Wind ganz offiziell im Taiwan-Pavillion auf.
Lu Kang, bis vor kurzem chinesischer Botschafter in Indonesien, wird neuer Vizeminister der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (IDCPC). Sie ist für die Außenbeziehungen der Partei zuständig. Lu wurde 1968 in Nanjing geboren. Er studierte Englisch an der Chinesischen Universität für Auswärtige Angelegenheiten und hat einen Master-Abschluss in öffentlicher Politik.
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Donald Duck feiert seinen 90. Geburtstag – auch in dieser Shopping Mall in Shanghai. So lange ist Tang Laoya 唐老鸭 – so heißt Donald in China – hier freilich noch nicht bekannt. 1986 erschienen im chinesischen Staatsfernsehen CCTV die ersten Folgen mit der jähzornigen Ente – sie war auf einen Schlag der absolute Renner. Heute hat Donald seine größte Fan-Gemeinde in der Volksrepublik.
bislang hatte sich China zurückgehalten gegenüber den Anti-Dumping-Zöllen auf chinesische E-Autos, über die die EU wahrscheinlich noch im Juni entscheiden will. Nun aber werden doch die ersten Drohungen laut. Und sie richten sich vor allem gegen das Land, das in dieser Frage der größte Wackelkandidat ist: Deutschland. 25 Prozent Einfuhrzoll speziell für Verbrennerfahrzeuge mit größeren Motoren – das würde Porsche, Mercedes und BMW sehr viel mehr treffen als Stellantis oder Renault.
Und China könnte mit dieser Taktik Erfolg haben. Schon jetzt sickert durch, dass die EU-Strafzölle auf chinesische E-Auto-Importe zwar kommen, aber so niedrig ausfallen werden, dass Chinas Elektrohersteller damit leben können. Den Deutschen sei Dank.
Gewaltige Überkapazitäten hat China nicht nur im E-Auto-Segment geschaffen, sondern bekanntlich auch im Photovoltaik-Sektor. Auch in China selbst führen die Überkapazitäten dazu, dass jetzt reihenweise Firmen pleitegehen. An der Dominanz der chinesischen Firmen auf den Weltmärkten wird sich dennoch so schnell nichts ändern, schreibt Christiane Kühl in ihrer Analyse.
Zölle von 25 Prozent auf Autos mit mehr als 2,5 Liter Hubraum: China steigt in die nächste Runde des globalen Zollwettrüstens ein. Der Vorschlag von Liu Bin im Rahmen eines Interviews mit der KP-Zeitung Global Times darf als Drohung verstanden werden. Denn der Chefexperte von Chinas staatlichem Automobilforschungsinstitut China Automotive Technology & Research Center (CATARC) ist einflussreich, was die Automobilstrategie in China angeht. Er berät die Regierung in Industrie-, Subventions- und Steuerfragen und hat unter anderem am Entwicklungsplan für die Industrie der neuen Energiefahrzeuge (2021-2035) mitgewirkt.
Liu Bin schob im Interview zwar den Umweltschutz vor: Die 250.000 nach China importierten Fahrzeuge mit großen Motoren verursachten überdurchschnittlich hohe Emissionen und würden damit die grüne Transformation hindern. Zugleich verwies er aber auch auf Importbeschränkungen gegenüber chinesischen E-Autos, die er als “nicht WTO-konform” bezeichnete. Die Zolldrohung ist also eine Reaktion auf die Strafzölle von 100 Prozent auf chinesische E-Autos in den USA und mögliche Anti-Dumping-Zölle der EU. Und sie ist so ausgestaltet, dass sie besonders das Land treffen würde, das als Wackelkandidat bei den EU-Zöllen gilt: Deutschland.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht das Antisubventionsverfahren der EU daher sehr kritisch. “Eine Eskalation von Handelskonflikten würde insbesondere die deutsche Automobilindustrie treffen”, schreibt der VDA auf eine Anfrage von Table.Briefings. “Deutsche Hersteller exportieren rund 87.700 Fahrzeuge aus den USA nach China und rund 216.300 Fahrzeuge aus Deutschland nach China.”
Zahlreiche Premium-Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz, Audi und BMW könnten unter die neue Regelung fallen. Denn obwohl die Konzerne Werke in China betreiben, werden hochmotorige Limousinen oder SUVs zumeist nicht in der Volksrepublik produziert, sondern importiert. Wie zum Beispiel die S-Klasse von Mercedes-Benz, der Audi A8 oder die 7er-Reihe von BMW. Fahrzeuge von Porsche werden sogar ausschließlich importiert. “Das ist einer der Gründe, weshalb sich die Bundesregierung so sehr gegen die Schutzzölle gegen chinesische Fabrikate stemmt”, sagt Beatrix Keim, Direktorin für Business Development & China Projects bei CAR, dem Center Automotive Research.
Doch nicht nur deutsche Marken wären betroffen. “Die Regelung würde natürlich auch für Stellantis gelten, mit den Marken Maserati und Ferrari als Luxusfahrzeuge, die in China gerne geordert werden”, sagt CAR-Expertin Keim. “Ebenso für PSA mit dem DS.” Auch Volvo könnte mit seinen hochmotorigen Modellen betroffen sein, obwohl es zum chinesischen Konzern Geely gehört, sagt Keim. “Die Frage ist, inwieweit Volvo hier gesondert behandelt würde, aufgrund der Eigentumsverhältnisse”.
Und auch die Ausgestaltung der möglichen Maßnahmen im Detail sei wichtig. “Sollten Zölle auf Komponenten, wie zum Beispiel Motoren, erhoben werden, könnte dies auch die Zulieferindustrie oder Joint Ventures treffen, die nicht immer einen Local-Content-Anteil von 100 Prozent für alle Modelle erreichen.”
Aktuell liegen Chinas Auto-Importzölle bereits bei 15 Prozent. Die 25 Prozent-Regelung würde zu einer Anhebung von 10 Prozentpunkten führen. Bei Fahrzeugen mit einem Kaufpreis von umgerechnet über 130.000 Euro wird in China allerdings bereits jetzt ein um zehn Prozent erhöhter Steuersatz fällig. Dennoch könnten höhere Preise das aktuell sowieso schon vorsichtige Konsumverhalten verstärken.
Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage sind Konsumenten in China aktuell zurückhaltend, die Sparquote ist außergewöhnlich hoch. Obwohl Luxusfahrzeuge von einer Klientel gekauft werden, die als wohlhabend gilt, könnten sich die Zölle durchaus negativ auf die Verkäufe auswirken, wenn die Hersteller den Aufschlag an die Kunden weitergeben. Tun sie dies nicht, schrumpfen ihre Margen.
Auch wenn sie indirekt daherkommen – die Drohungen aus China fallen in Europa auf fruchtbaren Boden. Denn die Autobranche hält nicht viel von den Zollplänen der EU – sie befürchtet Gegenmaßnahmen. Stellantis-Chef Carlos Tavares bezeichnete am Mittwoch im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters Zölle als eine “größere Falle”. Sie verhinderten die nötige Anpassung der westlichen Autobauer an die Konkurrenz aus China nicht, sondern trieben lediglich die Inflation nach oben. BMW-CEO Oliver Zipse sagte in der Hauptversammlung am 15. April, dass Protektionismus eine Spirale in Gang setze: Zölle führten zu neuen Zöllen.
Die deutschen Premiumhersteller wollten sich auf Anfrage von Table.Briefings nicht zu den neuen Zollvorschlägen aus China äußern, man wolle sich nicht an “Spekulationen” beteiligen. Ein Umschwenken der EU, auch auf Drängen von Deutschland, ist derweil unwahrscheinlich. Da der Handel in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt, können die Länder Brüssel nur mit einer qualifizierten Mehrheit stoppen, das bedeutet: Mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, müssten dieses Umschwenken fordern. Und das ist nicht absehbar.
Die Überkapazitäten in Chinas Cleantech-Sektor beunruhigen nicht nur den Westen. Sie sorgen auch in China selbst für große Probleme. So droht in der Photovoltaik-Branche des Landes aufgrund auch dort stark gesunkener Preise ein Firmensterben. Viele Firmen waren 2023 angesichts des Preisverfalls auf einmal gezwungen, zu Produktionskosten oder gar darunter zu verkaufen. Das brachte ihnen nicht nur Dumping-Vorwürfe etwa aus Brüssel ein, sondern fraß sich auch in die Firmenfinanzen.
Vielen Unternehmen half da weder der Rekord-Zubau von Solaranlagen 2023 in China (216,9 Gigawatt), noch die Dominanz ihres Sektors auf den Weltmärkten. Die Branche erwartet eine Pleitewelle unter den zumeist privat geführten Solarfirmen. Als Reaktion versuchen die betroffenen Firmen “sich entweder mit innovativen Produkten oder mit außergewöhnlichen Preisen von der Konkurrenz abzuheben”, schreibt Clean Energy-Expertin Edurne Zoco von S&P Global Commodity Insight in einem Beitrag für das Fachmedium pv magazine. Schmale oder negative Margen werden auch 2024 zu einem schwierigen Jahr für die Hersteller machen, erwartet sie.
Viele Firmen hatten angesichts des globalen Erneuerbaren-Booms noch weit über das rasante Marktwachstum hinaus expandiert. Sie lassen nun Kapazitäten ruhen, bauen Arbeitsplätze ab und legen Investitionspläne auf Eis, um den Preiskampf zu überstehen.
Einer der Branchenführer, Longi Green Energy Technology, begann zum Beispiel im November 2023, Mitarbeitende zu entlassen, vor allem Fabrikarbeiter und Management-Trainees. Im März gab es laut Bloomberg Berichte, Longi wolle bis zu 30 Prozent seiner Belegschaft entlassen, die einmal 80.000 Mitarbeitende umfasst hatte. Selbst bei kleinen Ausgaben spare Longi: So soll es im Shanghaier Büro keinen kostenlosen Kaffee mehr für die Angestellten geben. Solche vermeintlich läppischen Dinge sind meist ein Zeichen für eine gewisse Verzweiflung.
Die Lingda Group legte im März Pläne auf Eis, eine Solarzellenfabrik für 1,3 Milliarden US-Dollar zu errichten. Etwa zur selben Zeit meldete Lingda, dass es auch die Produktion in seiner bestehenden Fabrik eingestellt habe, um nach dem Preissturz für Solarzellen Verluste zu vermeiden. Solarzellen machen 90 Prozent der Einnahmen des Unternehmens aus, das seit 2020 jedes Jahr Millionen Yuan an Verlusten eingefahren hat.
2023 noch hatten die Solarfirmen gigantische Expansionspläne verkündet. Peking lässt riesige Solar- und Windparks in den Wüsten Westchinas errichten, um seine Klimaziele zu erreichen. Außerdem läuft eine Kampagne für Solarzellen auf Dächern in ländlichen Regionen. Und ganz generell fördert China das verarbeitende Gewerbe, etwa durch vergünstigte Bankkredite bis hin zu Belohnungen für das Erreichen bestimmter Quoten beim Bau von Fabriken.
Während des Booms flossen nach einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Caixin zudem gewaltige Mengen Investorenkapital in den Sektor: Von 2019 bis 2022 erhielten Photovoltaik-Unternehmen rund 380 Milliarden Yuan (etwa 49 Milliarden Euro) über die Kapitalmärkte, schreibt das Magazin unter Berufung auf Daten des Branchenverbands China Photovoltaic Industry Association (CPIA), etwa durch Börsengänge, Privatplatzierungen und Wandelanleihen.
Wie die Unternehmen in der Euphorie über das Ziel hinausschossen, zeigt das Beispiel des Marktführers Jinko Solar. Jinko kündigte laut Caixin seinen Investoren im August 2023 an, in der Provinz Shanxi für umgerechnet etwa 7,2 Milliarden Euro das größte integrierte Solarkraftwerk zu errichten, das es je gab. Jinko unterfütterte die Pläne mit Zahlen, die für das erste Halbjahr 2023 eine Vervierfachung des Gewinns auswiesen. Trotzdem reagierten die Kapitalgeber mit Skepsis, ob dieser Plan angesichts eines nahezu gesättigten Marktes nicht zu aggressiv sei. Am Folgetag fielen die Jinko-Aktien um zwölf Prozent – ein Warnschuss in den ersten Tagen der Krise. Etwa zu jener Zeit begann auch in Europa der dramatische Preisverfall für Solaranlagen und -module.
Angesichts der eigenen Misere kann die chinesische Branche die Vorwürfe und Subventionsermittlungen aus der EU nicht nachvollziehen. Die Zentralregierung stelle keine Subventionen für den Solarmarkt oder den Solarproduktionssektor bereit, sagte etwa CPIA-Vizegeneralsekretär Liu Yiyang in einem Gespräch mit dem Fachdienst Carbon Brief. Es gebe lediglich ein kleines Budget an Forschungs- und Entwicklungsgeldern, um Pilotversuche oder den technologischen Fortschritt der globalen Solarindustrie zu unterstützen, so Liu. “Dies ist in der ganzen Welt gängige Praxis.” Tatsächlich ist die Zeit der hohen Subventionierung des Solarsektors vorbei. Ob es dennoch für konkrete Projekte eben doch Zuschüsse gibt, will die EU-Kommission nun prüfen.
Longi hat die EU-Debatte um Strafzölle bereits öffentlich kritisiert. Doch zugleich forderte Longi-Chairman Zhong Baoshen die Pekinger Regierung in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung Shanghai Securities News am Rande des Nationalen Volkskongresses auf, gegen die niedrigen Preisen vorzugehen und die Qualität von Solarmodulen sicherzustellen. Peking solle neue Ausschreibungsregeln einführen, die Dumping verhindern, so Zhong. Ob ihm jemand zugehört hat, ist nicht bekannt.
An der Dominanz der chinesischen Firmen auf den Weltmärkten wird sich jedenfalls so schnell nichts ändern. “Das Problem ist, dass China eigentlich keine andere Wahl hat als die massiven Kapazitäten auf Exportmärkten loszuwerden“, sagt Experte Nis Grünberg vom Merics-Institut in Berlin. Der Cleantech-Sektor sei so groß geworden und sein Wachstumsimpuls angesichts der Schwäche anderer Branchen zu wichtig, “als dass sich die Führung hineinreden lässt”, so Grünberg zu Table.Briefings. “Es ist auch die erklärte Absicht Pekings, diesen Sektor zur erfolgreichen Exportindustrie aufzubauen.”
Auch mehrere Tage nach der Amtseinführung von Präsident Lai Ching-te halten die Proteste vor dem Parlamentsgebäude Taiwans weiter an. Auslöser waren die Pläne der Opposition zu einer Reform, die dem Parlament eine stärkere Kontrolle über die Regierung ermöglichen würden. Mit solcher einer Reform könnten die nationalistische Kuomintang-Partei (KMT) und die Taiwanische Volkspartei (TVP) bei Abstimmungen eine Mehrheit zustande bringen. Zu diesem Zweck hatten die beiden wichtigsten Oppositionsparteien der Insel einen Zusammenschluss angekündigt.
Präsident Lais Demokratische Fortschrittspartei (DFP) hatte bei den Wahlen im Januar die absolute Mehrheit im Parlament eingebüßt. Damit ist sie für Vorhaben auf Zustimmung des Oppositionsblocks angewiesen. KMT und TVP gelten als China-freundlich, auch wenn sie die Demokratie und Freiheitsrechte in Taiwan ebenfalls bewahren wollen. Trotzdem warnt die DFP im Falle einer Reform vor “Hongkonger Zuständen”, bei der die Demokratie schleichend ausgehöhlt werden könnte.
Als demokratiefeindlich wird etwa das Vorgehen der Opposition angeführt, die Reformpläne im entsprechenden Ausschuss am vergangenen Freitag ohne Debatten eilig durchdrücken zu wollen. Bereits im Anschluss war es zu Handgreiflichkeiten zwischen den Parlamentariern gekommen. Fünf Abgeordnete mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Sowohl Taiwans nationale Anwaltskammer als auch die der Hauptstadt Taipeh haben die Reformpläne im Parlament als möglicherweise verfassungswidrig kritisiert. Die KMT, die über eine relative Mehrheit verfügt, könnte aus der Legislative heraus regieren und zudem als eine Art Justiz agieren. In seiner Antrittsrede hatte Lai erklärt, die Mehrheit im Parlament müsse die Minderheit respektieren und umgekehrt, nur dann könne Taiwan “eine stabile und harmonische Gesellschaft” bleiben. Parlamentspräsident Han hatte die Abstimmung nach den Tumulten am Freitag auf Dienstag verschoben. Eine endgültige Entscheidung wird nun für kommenden Freitag erwartet. fpe
Die chinesische Bloggerin und ehemalige Rechtsanwältin Zhang Zhan ist nach vier Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen worden. Zhang war wegen ihrer kritischen Berichterstattung beim Ausbruch der Corona-Pandemie in Wuhan im Frühjahr 2020 verhaftet worden. “Die Polizei hat mich am 13. Mai um fünf Uhr morgens aus dem Gefängnis entlassen und mich zum Haus meines älteren Bruders in Shanghai geschickt”, erklärte Zhang in einem am Mittwoch von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Video.
Ihr aktueller Aufenthaltsort und ihr Gesundheitszustand sind jedoch unbekannt. Während der Haft hatte Zhang mit mehreren Hungerstreiks gegen ihre Verurteilung protestiert. Unter Menschenrechtsaktivisten gilt es als wahrscheinlich, dass die 40-Jährige weiterhin unter Bewachung stehen wird. Reporter ohne Grenzen erklärte, man sei wegen Zhangs Situation nach wie vor besorgt und betonte: “Eine teilweise Freiheit ist gar keine Freiheit.” fpe
China zeigt sich offenbar bereit, mit dem Vatikan in direktem Austausch zu treten. “Wir sind bereit, mit dem Vatikan zusammenzuarbeiten, um die kontinuierliche Verbesserung der Beziehungen zwischen China und dem Vatikan zu fördern”, sagte der Sprecher des Außenministeriums Wang Wenbin.
Am Dienstag hatte Kardinal Pietro Parolin, Spitzendiplomat des Heiligen Stuhls, den Willen bekundet, ein ständiges Büro in China einrichten zu wollen. Das würde eine deutliche Verbesserung der Beziehungen bedeuten. Der Vatikan unterhält bis heute keine diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik, sondern ist der einzige europäische Staat, der in Taiwan eine Botschaft hat.
Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der Führung der Kommunistischen Partei Chinas waren in der Vergangenheit angespannt. In China gibt es eine offizielle Staatskirche, die der Partei untersteht und dazu noch viele Untergrundkirchen, die sich auf den Papst berufen. Ihre Gottesdienste werden im Privaten abgehalten und wurden in der Vergangenheit je nach politischer Wetterlage mal mehr und mal weniger geduldet. rtr/fpe/flee
Wie die britische Polizei am Dienstag mitteilte, wurde ein ehemaliger Angehöriger der britischen Royal Marines, der beschuldigt wurde, den Behörden in Hongkong beim Sammeln von Informationen geholfen zu haben, tot aufgefunden. Die Polizei teilte mit, dass die Ermittlungen zu dem “ungeklärten Todesfall” noch andauern.
Der 37-Jährige war einer von drei Männern, die Anfang des Monats wegen Spionagetätigkeiten festgenommen wurden. Sie sollen seit Ende 2023 dem Geheimdienst in Hongkong zugearbeitet haben und am 1. Mai gewaltsam in eine Wohnung eingedrungen sein. Die britische Staatsanwaltschaft führte Transaktionsunterlagen an, wonach die Beschuldigten vom Hong Kong Economic and Trade Office (HKETO) in London für Überwachungsaufträge bezahlt worden seien. Vor dem Londoner Büro kam es zu Protesten gegen chinesische Einflussnahme.
Die Männer waren gegen Kaution freigelassen worden und sollten am Freitag zu einer Anhörung vor dem Londoner Central Criminal Court erscheinen. Die Thames Valley Police teilte mit, dass der 37-Jährige am Sonntagnachmittag in einem Park in Maidenhead, westlich von London, von einem Spaziergänger tot aufgefunden wurde. Die Regierung von Hongkong wolle sich nicht zum Tod des Briten äußern, sagte Hongkongs Finanzchef Paul Chan. Die chinesische Botschaft in London wies die Spionage-Anschuldigungen zurück. fpe
Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps wirft China vor, Russland Güter zu liefern, die im Krieg gegen die Ukraine auf tödliche Weise eingesetzt werden können – oder zumindest eine Lieferung solcher Güter vorzubereiten. Es lägen britische und amerikanische Geheimdienstinformationen vor, wonach “tödliche Hilfe derzeit von China an Russland und in die Ukraine fließt oder fließen wird”, sagt Shapps in London. “Das sollte uns Sorgen bereiten.”
In den Anfangstagen dieses Krieges habe sich China gerne als mäßigender Einfluss auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin darstellen wollen. Belege legt Shapps für seine Vorwürfe nicht vor. Die chinesische Botschaft in den USA erklärte im April, die Volksrepublik habe keine Waffen geliefert und sei auch nicht “an der Ukraine-Krise beteiligt”. rtr
Inmitten der vielfältigen alternativen Populärkultur in Taiwan sind sogenannte Drag-Performances in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Drag-Künstlerinnen und -künstler erschaffen eine Bühnenpersönlichkeit, für die sie in die Rolle eines anderen Geschlechts schlüpfen. Mit extravaganten Outfits und reichlich Make-up spielen sie mit gesellschaftlichen Geschlechterbildern.
Hinter der Drag-Queen Nymphia Wind steht der 28-jährige Leo Tsao. Seine Bühnenpersönlichkeit ist auch Ausdruck seiner eigenen bewegten Lebensgeschichte. Geboren wurde Tsao in Los Angeles, aufgewachsen ist er in Hongkong und Taiwan. Nach dem Schulabschluss in Taipeh zog er für ein Modestudium nach London, und kam dort zum ersten Mal mit Drag-Kunst in Kontakt. Zurück in Taiwan wurde er einer der bekanntesten Drag-Künstler des Landes.
Das Markenzeichen seiner Kunstfigur sind bananengelbe Outfits, eine ironische Anspielung auf Tsaos persönlichen Hintergrund. Asiatischstämmige US-Amerikaner werden in den USA manchmal scherzhaft, teils auch mit rassistischem Anklang, als “Bananen” bezeichnet: außen gelb, innen weiß. Tsao spielt mit dem Klischee und drückt mit der Farbe bananengelb den Stolz auf seine interkulturelle Identität aus.
Mittlerweile wohnt Leo Tsao in New York, einer Hochburg queerer Subkultur. Doch seine künstlerische Heimat ist das Café Dalida in Taipei, einer der Geburtsorte der taiwanischen Drag-Szene. Im April dieses Jahres versammelten sich dort und in anderen Schwulenbars und -clubs in Taipeh regelmäßig Hunderte von Fans, um die Auftritte von Nymphia Wind bei RuPaul’s Drag Race, einem internationalen Wettbewerb von Dragkünstlerinnen und -künstlern, zu verfolgen. Viele von ihnen, gekleidet in bananengelb, gaben sich den Spitznamen “banana believers”.
Nymphia Wind gewann als erste ostasiatische Künstlerin überhaupt eine Staffel von RuPaul’s Drag Race. “Taiwan, this is for you” (“Taiwan, das ist für dich”), kommentierte sie im Anschluss an ihren Sieg. Tsai Ing-wen übersandte Gratulationen und fügte an: “Taiwan thanks you for living fearlessly” (“Taiwan dankt dir, dass du furchtlos lebst”).
Nymphia Winds extravaganter Stil und ihr Spiel mit Geschlechterrollenbildern steht auch für die zunehmende Vielfalt und Offenheit von Taiwans Zivilgesellschaft. In China unterdrückt die Führung unter Xi Jinping dagegen die LGBTQ-Szene im Land und verurteilt “unmännliche” Ausdrucksformen der Populärkultur, etwa das in ihren Augen allzu weiche Auftreten von Popidolen. In Internetforen gratulierten einige chinesische Drag-Fans Nymphia Wind dennoch zu ihrem Sieg.
In einem Interview nach dem Drag-Wettbewerb sprach Nymphia Wind auch über Taiwans internationale politische Isolation und über den Wunsch nach politischer Anerkennung für ihr Land. Durch ihre Bekanntheit ist sie nun selbst zu einer bedeutenden kulturellen Botschafterin Taiwans geworden.
Eine Gelegenheit, in der Welt für Taiwan zu werben, bietet sich ihr in diesen Sommer. Nymphia Wind wird als eine taiwanische Künstlerin auf der Pariser Kultur-Olympiade auftreten, einer künstlerischen Begleitveranstaltung der Olympischen Sommerspiele. Im Sport zeigt sich Taiwans marginalisierte Stellung in der Staatengemeinschaft regelmäßig. Das Land kann die Wettbewerbe in Paris, wie fast alle großen internationalen Sportveranstaltungen, nur unter dem Namen “Chinese Taipei” bestreiten. Doch das Begleitprogramm scheint davon verschont zu bleiben – bei der Kulturolympiade tritt Nymphia Wind ganz offiziell im Taiwan-Pavillion auf.
Lu Kang, bis vor kurzem chinesischer Botschafter in Indonesien, wird neuer Vizeminister der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (IDCPC). Sie ist für die Außenbeziehungen der Partei zuständig. Lu wurde 1968 in Nanjing geboren. Er studierte Englisch an der Chinesischen Universität für Auswärtige Angelegenheiten und hat einen Master-Abschluss in öffentlicher Politik.
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Donald Duck feiert seinen 90. Geburtstag – auch in dieser Shopping Mall in Shanghai. So lange ist Tang Laoya 唐老鸭 – so heißt Donald in China – hier freilich noch nicht bekannt. 1986 erschienen im chinesischen Staatsfernsehen CCTV die ersten Folgen mit der jähzornigen Ente – sie war auf einen Schlag der absolute Renner. Heute hat Donald seine größte Fan-Gemeinde in der Volksrepublik.