zu einer Zeit, in der normalerweise alle in den Weihnachtsmodus schalten, nimmt der politische Betrieb noch mal richtig an Fahrt auf. Gestern hat Olaf Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt, heute veröffentlichen die Parteien ihre Wahlprogramme. Der Wahlkampf geht damit in die nächste Phase. Amelie Richter und Julia Fiedler haben für Sie in die Programme von SPD, Grüne und CDU geschaut, die Table.Briefings gestern bereits vorlagen. Sie analysieren, wie die einzelnen Parteien ihre China-Politik ausrichten wollen.
Um das Thema Wahlen dreht sich auch unser zweites Stück. In zwei Wochen wird das Superwahljahr 2024 zu Ende gehen, in dem rund 3,7 Milliarden Menschen in mehr als 70 Ländern ihre Stimme abgeben konnten. China selbst nahm zwar nicht am Superwahljahr teil, als Wahlkampfthema aber beeinflusste die Volksrepublik Wahlentscheidungen auf der ganzen Welt. Insbesondere Chinas industrielle Überkapazitäten – beispielsweise bei E-Autos – beschäftigten Regierende und Wähler weltweit, schreibt Leonardo Pape.
Und auch unser drittes Stück widmet sich Wahlen: den Neuwahlen in Südkorea nämlich, aus denen der Linkspopulist Lee Jae Myung siegreich hervorgehen und damit neuer Präsident Südkoreas werden könnte. Was China betrifft, so strebt Lee einen Ausgleich zwischen Washington und Peking an. Das Schicksal Taiwans interessiert ihn nicht besonders. “Warum sollten wir uns in die Frage der Taiwanstraße einmischen?”, sagte er 2022 in einem Interview. Was Lee sonst noch bewegt, hat Fabian Kretschmer für Sie aufgeschrieben.
Ich wünsche Ihnen eine erhellende Lektüre und einen produktiven Tag,
Die Bundeskanzler-Partei SPD will den Dialog mit Peking “robust” führen. Ihr Noch-Ampel-Partner, Die Grünen, sieht China zunehmend in der Rolle des Rivalen. Die Union verspricht den Aufbau eines Netzwerks von unabhängigen China-Wissenschaftlern. Das geht aus den Entwürfen der Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2025 hervor, die SPD, Grüne, Union und auch FDP am Dienstag offiziell vorstellen.
Die Volksrepublik spielt in den Programmen durchaus eine Rolle. Im Fokus stehen Deutschlands Wirtschaft, Europas Sicherheit und die Positionierung in einem zunehmend schwierigen geopolitischen Umfeld.
China wird als “systemischer Rivale” betrachtet, dessen militärische und wirtschaftliche Ambitionen eine Herausforderung darstellen. Die Grünen setzen auf die Umsetzung und Weiterentwicklung der China-Strategie der Bundesregierung, die darauf abzielt, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu reduzieren und die Zusammenarbeit mit Partnerstaaten im Indopazifik zu stärken – etwa in den Bereichen Klima, Handel und Sicherheit.
Dabei sehen die Grünen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den globalen Systemkonflikt mit autoritären Staaten wie China als Anlass für eine Neuausrichtung von “Wirtschaftssicherheit und Handel, Lieferketten und Absatzmärkten”. Weitere wichtige Punkte bei den Grünen:
Die SPD beschreibt China mit dem von der China-Strategie geprägten Dreiklang “Partner, Wettbewerber und Systemrivale”. Die Partei sieht die Volksrepublik als “eine führende globale Gestaltungsmacht”, deren Mitwirkung bei globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Rüstungskontrolle und der Verschuldungskrise unverzichtbar ist.
Gleichzeitig kritisiert sie jedoch Chinas “selbstbewusstes und aggressives Auftreten“, seine Machtansprüche in der Nachbarschaft und die mangelnde Distanzierung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die SPD will zudem diese Punkte priorisieren:
Die Union beschreibt China im Entwurf ihres Wahlprogramms als zunehmend expansiv, mit dem Ziel, “wirtschaftliche, finanzielle und politische Abhängigkeiten” zu schaffen. Die CDU will Chinas Einfluss daher “zurückdrängen, wo immer unsere strategischen Interessen berührt sind“, durch eine “eigenständige europäische China-Politik”, die eng mit den USA abgestimmt ist.
In der Außenpolitik wollen CDU und CSU eine Strategie für “europäischen Frieden in Freiheit und Sicherheit” verfolgen: Die geopolitische Handlungsfähigkeit Europas soll gestärkt und die Präsenz im Indopazifik ausgebaut werden, um die “Systemkonkurrenz zu China” aktiv anzugehen. Darüber hinaus positioniert sie sich wie folgt:
Taiwan, Indien, Indonesien, USA, Japan – um nur einen Teil der Liste zu nennen. 2024 konnten rund 3,7 Milliarden Menschen in mehr als 70 Ländern in nationalen und supranationalen Wahlen (wie der EU-Wahl) ihre Stimme abgeben. Die Volksrepublik China selbst nahm zwar nicht teil am Superwahljahr, doch als Wahlkampfthema beeinflusste die zweitgrößte Volkswirtschaft Richtungsentscheidungen auf der ganzen Welt – und frisch gewählte Regierungen definierten ihre China-Politik neu.
Schon im Januar spielte China bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen mit Abstand die wichtigste Rolle. Annähernd vergleichbar präsent war China im Wahlkampf nur in kleinen Ländern mit intensiven Verflechtungen zur Volksrepublik. Dazu zählten die Pazifikrepubliken Palau, Tuvalu, die Salomonen, Kiribati, aber auch das südafrikanische Namibia, wo ökonomische Abhängigkeiten von der Volksrepublik besonders spürbar sind.Mit Ausnahme Palaus und Tuvalus, zwei von Taiwans letzten zwölf diplomatischen Verbündeten, setzten die Führungen all dieser Länder trotz ambivalenten Haltungen in den Bevölkerungen auf enge Beziehungen mit China – und gewannen ihre Wahlen, wenn auch unter teils als unfrei kritisierten Umständen.
Abgesehen von Taiwans neuem Präsidenten Lai Ching-te und Taiwans diplomatischen Verbündeten gratulierte die Regierung in Peking ziemlich jedem Wahlsieger – auch Putin in Russland, der von westlichen Staaten keine Glückwünsche erhielt, oder Maduro in Venezuela, der das offizielle Wahlergebis nicht anerkannte und mit Gewalt an der Macht festhielt. So nutzte China das Superwahljahr nach außen vor allem dazu, sich als Verteidiger nationalstaatlicher Souveränität und Nicht-Einmischung zu inszenieren, auch um andere Staaten kategorisch in die Schranken weisen zu können, sollte China selbst kritisiert werden. Das zugrundeliegende Angebot Pekings an alle lautet: Wirtschaftliche Partnerschaft ohne jedwede Erwartung an das politische System.
Mit der vorbehaltlosen Anerkennung unfreier Wahlen legitimierte China damit zugleich die Entwicklungen in einigen Ländern hin zur sogenannten elektoralen Autokratie mit formal demokratischen, aber strukturell unfairen Wahlen. Auch im Diskurs der Staatsmedien innerhalb Chinas wurden freie und unfreie Wahlen weitestgehend gleichgesetzt. Den Wahlsieg von Russlands Präsident Wladimir Putin im März werteten Staatsmedien etwa ohne weitere Einordnung als Beweis seines Rückhalts im russischen Volk. Im Zuge der US-Wahlen betonten sie dagegen lieber die politische Polarisierung im Land und die Schwächen des amerikanischen politischen Systems.
In der Debatte in den USA selbst war China vor den Präsidentschaftswahlen weniger präsent als im Corona-Jahr 2020. Auch wenn Donald Trump auf China als Schuldigem hinter Jobverlusten in heimischen Industrien und dem Handelsungleichgewicht mit den USA schimpfte.
Vor allem standen die US-Wahlen an der Spitze eines Rechtsrucks in westlichen Demokratien. Auch bei den EU-Wahlen gewannen rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte deutlich hinzu, etwa in Deutschland, Italien und den Niederlanden ebenso wie bei den Parlamentswahlen in Österreich und Belgien. Unter rechtsgerichteten Kräften in der EU finden Chinas proklamierte Ideale von Souveränität und Nichteinmischung mehr und mehr Anklang. Die Fragmentierung der Staatengemeinschaft könnte die Abstimmung etwa bei menschenrechtlichen Fragen weiter verkomplizieren. Auf wirtschaftspolitischer Ebene zeigte sich die Fragmentierung bereits durch die hohe Zahl von Nein-Stimmen und Enthaltungen beim Beschluss zu Zöllen auf chinesische Elektroautos.
Bei den Wahlen in wichtigen Schwellenländern wie Indien, Südafrika, Indonesien und Mexiko war die Volksrepublik zwar kein vornehmliches Wahlkampfthema. Die Ambivalenz von Chinas Rolle als wirtschaftlicher Partner und zugleich als Risikofaktor für heimische Industrien zeigte sich dennoch in einer Vielzahl von Abwehrmaßnahmen gegen chinesische Importe – auch von Staatsführungen, die China prinzipiell eher zugewandt sind. Beispiel Indonesien: Das Land verhängte im Juli Einfuhrzölle von bis zu 200 Prozent auf Textilien und andere Waren, begründet mit unfairer Konkurrenz aus China. Auch Mexiko beschloss im Juli gemeinsam mit den USA stärkere Einfuhrkontrollen auf Stahl.
Laut dem Forschungsinstitut Merics wird Chinas Handelsbilanzüberschuss bis zum Jahresende weltweit bei mehr als 900 Millionen US-Dollar liegen – ein Rekordwert. Insbesondere Chinas industrielle Überkapazitäten in Bereichen wie Stahl und der E-Auto-Industrie entwickeln sich zunehmend zu einem globalen Politikum. Während die Auseinandersetzungen Chinas zu den USA und der EU sich offen zuspitzten, trafen die meisten Schwellenländer ihre Abwehrmaßnahmen aber eher im Stillen. Lediglich in Indien gibt es einen prominenten, explizit chinakritischen Diskurs. Auch das inzwischen bevölkerungsreichste Land der Erde erhebt seit September zwischen zwölf und 30 Prozent Zölle auf bestimmte aus China und Vietnam importierte Stahlprodukte.
Chinas Exportabhängigkeit wird wohl weiter zunehmen, und damit der Druck auf Importmärkte sowohl in Schwellen- als auch in Industrieländern. Auf derlei Herausforderungen ansatzweise global koordinierte Antworten zu finden, dürfte aber noch schwieriger werden. Ein Trend der Wahlen in diesem Jahr war die Schwächung bestehender Regierungen und Mehrheitskoalitionen – bei den EU-Wahlen ebenso wie in Indien, Südafrika, Japan oder Taiwan.
Zudem lässt Donald Trumps Wahlgewinn einen weiteren radikalen Bruch auf der Koordinationsachse zwischen den USA und Europa erwarten. Die teilweise politische Fragmentierung im Gefolge dieser und weiterer Wahlen in diesem Jahr kommt China insgesamt entgegen. Auf Deutschland wartet am Ende des Superwahljahres 2024 nun zunächst: der Bundestagswahlkampf. Leonardo Pape
Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sanktioniert die Europäische Union erstmals auch chinesische Unternehmen. Das 15. Sanktionspaket der EU umfasst unter anderen “eine Einzelperson und zwei Unternehmen, die die Umgehung von EU-Sanktionen erleichtern, sowie vier Unternehmen, die sensible Drohnenkomponenten und mikroelektronische Komponenten an das russische Militär liefern”, heißt es in einer Erklärung der EU-Kommission.
Die Sanktionen ziehen Einreiseverbote und das Einfrieren möglicher Vermögenswerten in der EU nach sich. Engin Eroglu, Vorsitzender der China-Delegation im Europäischen Parlament, bezeichnete die Sanktionen “gegen Waffenhersteller aus China” als richtig und wichtig. Ein systemischer Rivale wie China berge systemische Risiken, auf die sich die EU vorbereiten müsse. “Seit Monaten gibt es Berichte, dass chinesische Unternehmen Dual-Use-Güter und Waffen direkt nach Russland exportieren und damit den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine direkt unterstützen. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Bedrohung für die europäische Sicherheit dar”, kommentierte Eroglu.
Die EU erwarte nun, dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping schnellstmöglich entschlossene Maßnahmen ergreife. “Solche Lieferungen dürfen nicht stattfinden. Andernfalls wird Präsident Xi nach seinen Forderungen nach einem Waffenstillstand weiter an Vertrauen verlieren.”
Der Schritt zu vollwertigen Sanktionen sende ein wichtiges Signal an die Chinesen. Man nehme die Situation sehr ernst, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen nicht genannten EU-Diplomaten. EU-Sanktionschef David O’Sullivan und ukrainische Beamte hatten darauf hingewiesen, dass China Hauptlieferant für den Verkauf ausländischer Technologie nach Russland sei. Bisherige Erwähnungen chinesischer Akteure in den Sanktionspaketen gegen Russland hätten demnach nur Exportkontrollen beinhaltet, aber keine vollwertigen Sanktionen. grz/rtr
Arbeitskräfte in China werden schnell immer älter. Im Jahr 2022 lag das durchschnittliche Alter der arbeitsfähigen Bevölkerung bei knapp 40 Jahren. Laut dem Bericht über das chinesische Humankapital 2024, der am Wochenende veröffentlicht wurde, stieg das Durchschnittsalter zwischen 1985 und 2022 von 32,25 Jahren auf 39,72 Jahre.
Das ist umso bemerkenswerter, weil das Rentenalter in China vergleichsweise niedrig ist und erst ab dem kommenden Jahr schrittweise angehoben wird. Mit einem späteren Eintritt ins Rentenalter dürfte die Alterung der arbeitsfähigen Bevölkerung eine weitere Dynamik erhalten.
Aufgrund der Ein-Kind-Politik, die von 1979 bis 2015 die Anzahl der Geburten in China staatlich regulierte, altert die chinesische Bevölkerung im Durchschnitt besonders schnell. Für das Jahr 2022 hatte die Nationale Statistikbehörde mitgeteilt, dass die chinesische Bevölkerung erstmals um 850.000 Menschen geschrumpft war. Im Jahr darauf ging die Bevölkerung bereits um zwei Millionen zurück. Im nächsten Jahrzehnt wird sich die Bevölkerung voraussichtlich um 50 Millionen Menschen verringern. Die Behörden scheitern bislang daran, mit fiskalpolitischen Anreizen die Geburtenrate zu steigern.
Relativ wenig Arbeitskräfte werden in Zukunft eine immer größer werdende Zahl älterer Menschen zu versorgen haben. Dazu kommt, dass Chinesen sehr früh in Rente gehen. Nach der jüngsten Regelung, die am 1. Januar 2025 in Kraft tritt, wird das Rentenalter im nächsten Jahrzehnt graduell ansteigen: Männer werden dann mit 63 Jahren pensioniert, Frauen in technischen und Managerberufen mit 58 Jahren, Frauen in Arbeiterberufen mit 55 Jahren.
Trotz der gewaltigen demografischen Herausforderung ist die Altersdiskriminierung auf dem chinesischen Arbeitsmarkt weiterhin groß. Schon 45-Jährige berichten, dass es in ihrem Alter schwierig sei, eine feste Stelle zu finden. Die derzeit hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen macht es Menschen im mittleren oder höheren Alter schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden. aiko
China hat scheinbar den Höchststand beim Erdölverbrauch erreicht. Wurden im Jahr 2023 noch 399 Millionen Tonnen raffiniertes Öl verbraucht, lag der Wert im Jahr 2024 schon 1,3 Prozent niedriger (394 Millionen Tonnen), wie aus Berechnungen eines Research-Instituts des nationalen Erdölkonzerns China National Petroleum Corporation (CNPC) hervorgeht.
China ist der weltweit größte Erdölimporteur. Ein Rückgang der Ölnachfrage in der Volksrepublik hätte große Bedeutung für den Klimaschutz. Die jahrzehntelange Rolle des Landes als Haupttreiber des steigenden Ölverbrauchs könnte somit enden. Der Rückgang geht vor allem auf eine sinkende Nachfrage nach Ölprodukten im Straßenverkehr zurück. Eine Ursache dafür: der hohe E-Auto-Absatz. Laut CNPC wird:
Die Abteilung für elektronische Kriegsführung der Volksbefreiungsarmee hat eine Liste von Zielen für koordinierte Angriffe gegen amerikanische Flugzeugträgerkampftruppen veröffentlicht. Im Falle eines militärischen Konfliktes wären diese sehr konkret benannten Radare, Sensoren und Kommunikationssysteme sehr wahrscheinlich Ziel chinesischer elektronischer Kriegsführung.
Eine Veröffentlichung wie diese, die in der jüngsten Ausgabe der Defence Industry Conversion erschien, einem Magazin unter der Aufsicht der Staatlichen Abteilung für Wissenschaft, Technologie und Industrie für Landesverteidigung, hat es zuvor nie gegeben. Die Publikation verfolgt das Ziel, zivile Institutionen und Unternehmen für die Forschung an Militärtechnologien und Waffenproduktion zu gewinnen.
Der Report konzentriert sich auf die Arbeitsweise des Cooperative Engagement Capability (CEC)-Systems, einem essenziellen Teil des Frühwarn- und Luftabwehrsystems der amerikanischen Flugzeugträgerflotte. Dieses System ermöglicht der ganzen Flotte, ihre Luftabwehrressourcen zu teilen, weist aber eine entscheidende Schwachstelle auf.
Sie besteht aus einem Netzwerk von Radaren, “die auf drahtlosen Kommunikationskanälen beruhen. Wenn eine gegnerische Kraft mit elektronischen Signalen interferiert, können die drahtlosen Verbindungen unterbrochen oder zerstört werden”, heißt es in dem Report. Der Hauptfokus der elektronischen Kriegsführung der Volksbefreiungsarmee liegt auf US-amerikanischen Aegis-Kampfsystemen. aiko
Lee Jae Myung könnte neuer südkoreanischer Staatspräsident werden. In Peking dürfte man das hoffnungsvoll zur Kenntnis nehmen. Seine China-Politik, die die chinesische Regierung erfreuen dürfte, bezeichnen Lees Kritiker als naiv. Lee will sich auf keine Seite schlagen und strebt einen Ausgleich zwischen den Weltmächten in Washington und Peking an. So gilt er als ausgesprochener Gegner des Raketenabwehrsystems THAAD, das vom US-Militär 2016 auf südkoreanischem Boden installiert worden ist – und damit massive Wirtschaftsboykotte von Seiten Chinas auslöste.
Um das ebenfalls demokratisch regierte Taiwan schert sich der Linkspopulist nicht: “Warum sollten wir uns in die Frage der Taiwanstraße einmischen?”, sagte er 2022 in einem Interview. Diese Positionierung gefällt der chinesischen Regierung über alle Maßen. Sie hat ihren Anspruch auf Taiwan zu einer inneren chinesischen Angelegenheit erklärt, aus der sich andere Staaten herauszuhalten hätten. Lee sieht das offenbar ähnlich.
Auch in Bezug auf Nordkorea erntet Lee Wohlgefallen in Peking. Er befürwortet die sogenannte Sonnenscheinpolitik, die auf Annäherung zwischen den verfeindeten Nachbarn setzt. Einen hochexplosiven Krisenherd vor der eigenen Haustür, wo einer der Protagonisten ständig mit der Drohung von Atomwaffen zündelt, kann die Volksrepublik nicht gebrauchen. Eine Annäherung zwischen Süd- und Nordkorea würde China weniger Aufmerksamkeit abverlangen und Ressourcen für andere Regionen freisetzen.
Annäherung klingt auf dem Papier zwar sinnvoll, erscheint angesichts der politischen Realitäten jedoch eher unwahrscheinlich. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat den Süden unlängst per Verfassung zum Hauptfeind erklärt und droht auch immer direkter mit dessen nuklearer Vernichtung. Dass Lee in einer solchen Stimmung einige Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea aufheben möchte, gilt als kontrovers.
Einen uneingeschränkten Unterstützer der eigenen Interessen sollte Peking dennoch nicht erwarten, sollte Lee tatsächlich neuer Präsident werden. Er warf China in der Vergangenheit kulturelle Aneignung und “den Raub der koreanischen Kultur” vor. Und er hat auch klar gemacht, dass er jedes chinesische Fischerboot “versenken” lasse, sollte es illegal in südkoreanische Gewässer eindringen.
Dass Lee bald die Geschicke seines Landes lenken könnte, war vor wenigen Wochen nicht absehbar. Nur weil das konservative Staatsoberhaupt Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht ausgerufen hatte und anschließend seines Amtes enthoben worden war, könnte bald neu gewählt werden. Sollte Südkoreas Verfassungsgericht die Amtsenthebung durch die Parlamentarier bestätigen, müssten Neuwahlen binnen zwei Monaten stattfinden.
Lee gilt augenblicklich zwar als aussichtsreicher Kandidat, wird jedoch von vielen Koreanern verachtet – und das nicht nur innerhalb des konservativen Lagers. Sein Populismus polarisiert ungemein und bietet Angriffsfläche. Zu Beginn des Jahres wurde Lee Opfer eines Messerangriffs – eine Folge der zunehmenden politischen Radikalisierung.
1963 wurde Lee als fünftes von sieben Geschwistern in der Stadt Andong in sozial schwachen Verhältnissen geboren. Während der rasanten Industrialisierung des Landes zog die Familie in eine Trabantenstadt der Metropole Seoul, wo Lee als Teenager in den Fabriken schuftete. Er trotzte den widrigen Umständen und besuchte eine Oberschule. Dank eines Stipendiums studierte er später Rechtswissenschaften.
Sein gesamtes politisches Weltbild basiert auf jenen Jahren des Verzichts: Lee will Privilegien der Reichen begrenzen und das Leben der Armen verbessern. Innerhalb des linken Lagers durchlief Lee in 20 Jahren eine steile Karriere, die ihn als Provinzgouverneur in die Nationalversammlung brachte. Dort produzierte er in den Nachtstunden des 3. Dezember jene Aufnahmen, die zeigen, wie er über den Parlamentszaun kletterte und im Gebäude mit 189 weiteren Abgeordneten in einer hastig einberufenen Abstimmung Präsident Yoon dazu zwang, das Kriegsrecht zurückzunehmen.
Ob der Linkspopulist tatsächlich zum Präsidenten gewählt wird, wird das Land frühestens in einem halben Jahr erfahren. Dann nämlich könnten bereits Neuwahlen anstehen. Lee Jae Myung hat dabei gleich einen doppelten Anreiz, möglichst früh zum Staatsoberhaupt gewählt zu werden. Denn erst im November wurde Lee von einem Gericht wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden, nachdem er falsche Angaben zu Korruptionsvorwürfen machte. Noch läuft ein Berufungsverfahren gegen das Urteil. Sollte Lee den Prozess allerdings vor dem Zeitpunkt potenzieller Neuwahlen verlieren, dürfte er per Gesetz nicht mehr antreten. Fabian Kretschmer
Bonnie Chen ist seit November China Operations Managerin bei der JURA Elektroapparate AG, einem Schweizer Unternehmen für die Entwicklung und den Vertrieb von Haushalts- und Elektrogeräten. Chen war zuvor Senior Managerin beim US-amerikanischen Solarkomponenten-Hersteller Renogy. Ihr Einsatzort bleibt weiterhin Shanghai.
Kenan Ertuerk ist seit Dezember Sales Manager Central China beim Hamburger Logistikunternehmen A. Hartrodt. Zuvor war Ertuerk unter anderem Trade- und Sales-Manager bei Dachser und DB Schenker in Shanghai. In China lebt und arbeitet er seit März 2012.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Was haben Holländer und Chinesen gemeinsam? Beide bezeichnen Pinguine als “Gans”. Im Falle der Niederländer als “Fettgans” (vetgans ist im Niederländischen ein Synonym für pinguin). Die Chinesen sehen in den putzigen, flugunfähigen Seevögeln, “auf den Zehenspitzen stehende Gänse“, das zumindest legt der Chinesische Begriff 企鹅 qǐ’é für “Pinguin” nahe (企 qǐ bedeutet unter anderem “auf den Zehenspitzen stehen”, 鹅 é ist das chinesische Schriftzeichen für “Gans”).
zu einer Zeit, in der normalerweise alle in den Weihnachtsmodus schalten, nimmt der politische Betrieb noch mal richtig an Fahrt auf. Gestern hat Olaf Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt, heute veröffentlichen die Parteien ihre Wahlprogramme. Der Wahlkampf geht damit in die nächste Phase. Amelie Richter und Julia Fiedler haben für Sie in die Programme von SPD, Grüne und CDU geschaut, die Table.Briefings gestern bereits vorlagen. Sie analysieren, wie die einzelnen Parteien ihre China-Politik ausrichten wollen.
Um das Thema Wahlen dreht sich auch unser zweites Stück. In zwei Wochen wird das Superwahljahr 2024 zu Ende gehen, in dem rund 3,7 Milliarden Menschen in mehr als 70 Ländern ihre Stimme abgeben konnten. China selbst nahm zwar nicht am Superwahljahr teil, als Wahlkampfthema aber beeinflusste die Volksrepublik Wahlentscheidungen auf der ganzen Welt. Insbesondere Chinas industrielle Überkapazitäten – beispielsweise bei E-Autos – beschäftigten Regierende und Wähler weltweit, schreibt Leonardo Pape.
Und auch unser drittes Stück widmet sich Wahlen: den Neuwahlen in Südkorea nämlich, aus denen der Linkspopulist Lee Jae Myung siegreich hervorgehen und damit neuer Präsident Südkoreas werden könnte. Was China betrifft, so strebt Lee einen Ausgleich zwischen Washington und Peking an. Das Schicksal Taiwans interessiert ihn nicht besonders. “Warum sollten wir uns in die Frage der Taiwanstraße einmischen?”, sagte er 2022 in einem Interview. Was Lee sonst noch bewegt, hat Fabian Kretschmer für Sie aufgeschrieben.
Ich wünsche Ihnen eine erhellende Lektüre und einen produktiven Tag,
Die Bundeskanzler-Partei SPD will den Dialog mit Peking “robust” führen. Ihr Noch-Ampel-Partner, Die Grünen, sieht China zunehmend in der Rolle des Rivalen. Die Union verspricht den Aufbau eines Netzwerks von unabhängigen China-Wissenschaftlern. Das geht aus den Entwürfen der Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2025 hervor, die SPD, Grüne, Union und auch FDP am Dienstag offiziell vorstellen.
Die Volksrepublik spielt in den Programmen durchaus eine Rolle. Im Fokus stehen Deutschlands Wirtschaft, Europas Sicherheit und die Positionierung in einem zunehmend schwierigen geopolitischen Umfeld.
China wird als “systemischer Rivale” betrachtet, dessen militärische und wirtschaftliche Ambitionen eine Herausforderung darstellen. Die Grünen setzen auf die Umsetzung und Weiterentwicklung der China-Strategie der Bundesregierung, die darauf abzielt, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu reduzieren und die Zusammenarbeit mit Partnerstaaten im Indopazifik zu stärken – etwa in den Bereichen Klima, Handel und Sicherheit.
Dabei sehen die Grünen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den globalen Systemkonflikt mit autoritären Staaten wie China als Anlass für eine Neuausrichtung von “Wirtschaftssicherheit und Handel, Lieferketten und Absatzmärkten”. Weitere wichtige Punkte bei den Grünen:
Die SPD beschreibt China mit dem von der China-Strategie geprägten Dreiklang “Partner, Wettbewerber und Systemrivale”. Die Partei sieht die Volksrepublik als “eine führende globale Gestaltungsmacht”, deren Mitwirkung bei globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Rüstungskontrolle und der Verschuldungskrise unverzichtbar ist.
Gleichzeitig kritisiert sie jedoch Chinas “selbstbewusstes und aggressives Auftreten“, seine Machtansprüche in der Nachbarschaft und die mangelnde Distanzierung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die SPD will zudem diese Punkte priorisieren:
Die Union beschreibt China im Entwurf ihres Wahlprogramms als zunehmend expansiv, mit dem Ziel, “wirtschaftliche, finanzielle und politische Abhängigkeiten” zu schaffen. Die CDU will Chinas Einfluss daher “zurückdrängen, wo immer unsere strategischen Interessen berührt sind“, durch eine “eigenständige europäische China-Politik”, die eng mit den USA abgestimmt ist.
In der Außenpolitik wollen CDU und CSU eine Strategie für “europäischen Frieden in Freiheit und Sicherheit” verfolgen: Die geopolitische Handlungsfähigkeit Europas soll gestärkt und die Präsenz im Indopazifik ausgebaut werden, um die “Systemkonkurrenz zu China” aktiv anzugehen. Darüber hinaus positioniert sie sich wie folgt:
Taiwan, Indien, Indonesien, USA, Japan – um nur einen Teil der Liste zu nennen. 2024 konnten rund 3,7 Milliarden Menschen in mehr als 70 Ländern in nationalen und supranationalen Wahlen (wie der EU-Wahl) ihre Stimme abgeben. Die Volksrepublik China selbst nahm zwar nicht teil am Superwahljahr, doch als Wahlkampfthema beeinflusste die zweitgrößte Volkswirtschaft Richtungsentscheidungen auf der ganzen Welt – und frisch gewählte Regierungen definierten ihre China-Politik neu.
Schon im Januar spielte China bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen mit Abstand die wichtigste Rolle. Annähernd vergleichbar präsent war China im Wahlkampf nur in kleinen Ländern mit intensiven Verflechtungen zur Volksrepublik. Dazu zählten die Pazifikrepubliken Palau, Tuvalu, die Salomonen, Kiribati, aber auch das südafrikanische Namibia, wo ökonomische Abhängigkeiten von der Volksrepublik besonders spürbar sind.Mit Ausnahme Palaus und Tuvalus, zwei von Taiwans letzten zwölf diplomatischen Verbündeten, setzten die Führungen all dieser Länder trotz ambivalenten Haltungen in den Bevölkerungen auf enge Beziehungen mit China – und gewannen ihre Wahlen, wenn auch unter teils als unfrei kritisierten Umständen.
Abgesehen von Taiwans neuem Präsidenten Lai Ching-te und Taiwans diplomatischen Verbündeten gratulierte die Regierung in Peking ziemlich jedem Wahlsieger – auch Putin in Russland, der von westlichen Staaten keine Glückwünsche erhielt, oder Maduro in Venezuela, der das offizielle Wahlergebis nicht anerkannte und mit Gewalt an der Macht festhielt. So nutzte China das Superwahljahr nach außen vor allem dazu, sich als Verteidiger nationalstaatlicher Souveränität und Nicht-Einmischung zu inszenieren, auch um andere Staaten kategorisch in die Schranken weisen zu können, sollte China selbst kritisiert werden. Das zugrundeliegende Angebot Pekings an alle lautet: Wirtschaftliche Partnerschaft ohne jedwede Erwartung an das politische System.
Mit der vorbehaltlosen Anerkennung unfreier Wahlen legitimierte China damit zugleich die Entwicklungen in einigen Ländern hin zur sogenannten elektoralen Autokratie mit formal demokratischen, aber strukturell unfairen Wahlen. Auch im Diskurs der Staatsmedien innerhalb Chinas wurden freie und unfreie Wahlen weitestgehend gleichgesetzt. Den Wahlsieg von Russlands Präsident Wladimir Putin im März werteten Staatsmedien etwa ohne weitere Einordnung als Beweis seines Rückhalts im russischen Volk. Im Zuge der US-Wahlen betonten sie dagegen lieber die politische Polarisierung im Land und die Schwächen des amerikanischen politischen Systems.
In der Debatte in den USA selbst war China vor den Präsidentschaftswahlen weniger präsent als im Corona-Jahr 2020. Auch wenn Donald Trump auf China als Schuldigem hinter Jobverlusten in heimischen Industrien und dem Handelsungleichgewicht mit den USA schimpfte.
Vor allem standen die US-Wahlen an der Spitze eines Rechtsrucks in westlichen Demokratien. Auch bei den EU-Wahlen gewannen rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte deutlich hinzu, etwa in Deutschland, Italien und den Niederlanden ebenso wie bei den Parlamentswahlen in Österreich und Belgien. Unter rechtsgerichteten Kräften in der EU finden Chinas proklamierte Ideale von Souveränität und Nichteinmischung mehr und mehr Anklang. Die Fragmentierung der Staatengemeinschaft könnte die Abstimmung etwa bei menschenrechtlichen Fragen weiter verkomplizieren. Auf wirtschaftspolitischer Ebene zeigte sich die Fragmentierung bereits durch die hohe Zahl von Nein-Stimmen und Enthaltungen beim Beschluss zu Zöllen auf chinesische Elektroautos.
Bei den Wahlen in wichtigen Schwellenländern wie Indien, Südafrika, Indonesien und Mexiko war die Volksrepublik zwar kein vornehmliches Wahlkampfthema. Die Ambivalenz von Chinas Rolle als wirtschaftlicher Partner und zugleich als Risikofaktor für heimische Industrien zeigte sich dennoch in einer Vielzahl von Abwehrmaßnahmen gegen chinesische Importe – auch von Staatsführungen, die China prinzipiell eher zugewandt sind. Beispiel Indonesien: Das Land verhängte im Juli Einfuhrzölle von bis zu 200 Prozent auf Textilien und andere Waren, begründet mit unfairer Konkurrenz aus China. Auch Mexiko beschloss im Juli gemeinsam mit den USA stärkere Einfuhrkontrollen auf Stahl.
Laut dem Forschungsinstitut Merics wird Chinas Handelsbilanzüberschuss bis zum Jahresende weltweit bei mehr als 900 Millionen US-Dollar liegen – ein Rekordwert. Insbesondere Chinas industrielle Überkapazitäten in Bereichen wie Stahl und der E-Auto-Industrie entwickeln sich zunehmend zu einem globalen Politikum. Während die Auseinandersetzungen Chinas zu den USA und der EU sich offen zuspitzten, trafen die meisten Schwellenländer ihre Abwehrmaßnahmen aber eher im Stillen. Lediglich in Indien gibt es einen prominenten, explizit chinakritischen Diskurs. Auch das inzwischen bevölkerungsreichste Land der Erde erhebt seit September zwischen zwölf und 30 Prozent Zölle auf bestimmte aus China und Vietnam importierte Stahlprodukte.
Chinas Exportabhängigkeit wird wohl weiter zunehmen, und damit der Druck auf Importmärkte sowohl in Schwellen- als auch in Industrieländern. Auf derlei Herausforderungen ansatzweise global koordinierte Antworten zu finden, dürfte aber noch schwieriger werden. Ein Trend der Wahlen in diesem Jahr war die Schwächung bestehender Regierungen und Mehrheitskoalitionen – bei den EU-Wahlen ebenso wie in Indien, Südafrika, Japan oder Taiwan.
Zudem lässt Donald Trumps Wahlgewinn einen weiteren radikalen Bruch auf der Koordinationsachse zwischen den USA und Europa erwarten. Die teilweise politische Fragmentierung im Gefolge dieser und weiterer Wahlen in diesem Jahr kommt China insgesamt entgegen. Auf Deutschland wartet am Ende des Superwahljahres 2024 nun zunächst: der Bundestagswahlkampf. Leonardo Pape
Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sanktioniert die Europäische Union erstmals auch chinesische Unternehmen. Das 15. Sanktionspaket der EU umfasst unter anderen “eine Einzelperson und zwei Unternehmen, die die Umgehung von EU-Sanktionen erleichtern, sowie vier Unternehmen, die sensible Drohnenkomponenten und mikroelektronische Komponenten an das russische Militär liefern”, heißt es in einer Erklärung der EU-Kommission.
Die Sanktionen ziehen Einreiseverbote und das Einfrieren möglicher Vermögenswerten in der EU nach sich. Engin Eroglu, Vorsitzender der China-Delegation im Europäischen Parlament, bezeichnete die Sanktionen “gegen Waffenhersteller aus China” als richtig und wichtig. Ein systemischer Rivale wie China berge systemische Risiken, auf die sich die EU vorbereiten müsse. “Seit Monaten gibt es Berichte, dass chinesische Unternehmen Dual-Use-Güter und Waffen direkt nach Russland exportieren und damit den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine direkt unterstützen. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Bedrohung für die europäische Sicherheit dar”, kommentierte Eroglu.
Die EU erwarte nun, dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping schnellstmöglich entschlossene Maßnahmen ergreife. “Solche Lieferungen dürfen nicht stattfinden. Andernfalls wird Präsident Xi nach seinen Forderungen nach einem Waffenstillstand weiter an Vertrauen verlieren.”
Der Schritt zu vollwertigen Sanktionen sende ein wichtiges Signal an die Chinesen. Man nehme die Situation sehr ernst, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen nicht genannten EU-Diplomaten. EU-Sanktionschef David O’Sullivan und ukrainische Beamte hatten darauf hingewiesen, dass China Hauptlieferant für den Verkauf ausländischer Technologie nach Russland sei. Bisherige Erwähnungen chinesischer Akteure in den Sanktionspaketen gegen Russland hätten demnach nur Exportkontrollen beinhaltet, aber keine vollwertigen Sanktionen. grz/rtr
Arbeitskräfte in China werden schnell immer älter. Im Jahr 2022 lag das durchschnittliche Alter der arbeitsfähigen Bevölkerung bei knapp 40 Jahren. Laut dem Bericht über das chinesische Humankapital 2024, der am Wochenende veröffentlicht wurde, stieg das Durchschnittsalter zwischen 1985 und 2022 von 32,25 Jahren auf 39,72 Jahre.
Das ist umso bemerkenswerter, weil das Rentenalter in China vergleichsweise niedrig ist und erst ab dem kommenden Jahr schrittweise angehoben wird. Mit einem späteren Eintritt ins Rentenalter dürfte die Alterung der arbeitsfähigen Bevölkerung eine weitere Dynamik erhalten.
Aufgrund der Ein-Kind-Politik, die von 1979 bis 2015 die Anzahl der Geburten in China staatlich regulierte, altert die chinesische Bevölkerung im Durchschnitt besonders schnell. Für das Jahr 2022 hatte die Nationale Statistikbehörde mitgeteilt, dass die chinesische Bevölkerung erstmals um 850.000 Menschen geschrumpft war. Im Jahr darauf ging die Bevölkerung bereits um zwei Millionen zurück. Im nächsten Jahrzehnt wird sich die Bevölkerung voraussichtlich um 50 Millionen Menschen verringern. Die Behörden scheitern bislang daran, mit fiskalpolitischen Anreizen die Geburtenrate zu steigern.
Relativ wenig Arbeitskräfte werden in Zukunft eine immer größer werdende Zahl älterer Menschen zu versorgen haben. Dazu kommt, dass Chinesen sehr früh in Rente gehen. Nach der jüngsten Regelung, die am 1. Januar 2025 in Kraft tritt, wird das Rentenalter im nächsten Jahrzehnt graduell ansteigen: Männer werden dann mit 63 Jahren pensioniert, Frauen in technischen und Managerberufen mit 58 Jahren, Frauen in Arbeiterberufen mit 55 Jahren.
Trotz der gewaltigen demografischen Herausforderung ist die Altersdiskriminierung auf dem chinesischen Arbeitsmarkt weiterhin groß. Schon 45-Jährige berichten, dass es in ihrem Alter schwierig sei, eine feste Stelle zu finden. Die derzeit hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen macht es Menschen im mittleren oder höheren Alter schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden. aiko
China hat scheinbar den Höchststand beim Erdölverbrauch erreicht. Wurden im Jahr 2023 noch 399 Millionen Tonnen raffiniertes Öl verbraucht, lag der Wert im Jahr 2024 schon 1,3 Prozent niedriger (394 Millionen Tonnen), wie aus Berechnungen eines Research-Instituts des nationalen Erdölkonzerns China National Petroleum Corporation (CNPC) hervorgeht.
China ist der weltweit größte Erdölimporteur. Ein Rückgang der Ölnachfrage in der Volksrepublik hätte große Bedeutung für den Klimaschutz. Die jahrzehntelange Rolle des Landes als Haupttreiber des steigenden Ölverbrauchs könnte somit enden. Der Rückgang geht vor allem auf eine sinkende Nachfrage nach Ölprodukten im Straßenverkehr zurück. Eine Ursache dafür: der hohe E-Auto-Absatz. Laut CNPC wird:
Die Abteilung für elektronische Kriegsführung der Volksbefreiungsarmee hat eine Liste von Zielen für koordinierte Angriffe gegen amerikanische Flugzeugträgerkampftruppen veröffentlicht. Im Falle eines militärischen Konfliktes wären diese sehr konkret benannten Radare, Sensoren und Kommunikationssysteme sehr wahrscheinlich Ziel chinesischer elektronischer Kriegsführung.
Eine Veröffentlichung wie diese, die in der jüngsten Ausgabe der Defence Industry Conversion erschien, einem Magazin unter der Aufsicht der Staatlichen Abteilung für Wissenschaft, Technologie und Industrie für Landesverteidigung, hat es zuvor nie gegeben. Die Publikation verfolgt das Ziel, zivile Institutionen und Unternehmen für die Forschung an Militärtechnologien und Waffenproduktion zu gewinnen.
Der Report konzentriert sich auf die Arbeitsweise des Cooperative Engagement Capability (CEC)-Systems, einem essenziellen Teil des Frühwarn- und Luftabwehrsystems der amerikanischen Flugzeugträgerflotte. Dieses System ermöglicht der ganzen Flotte, ihre Luftabwehrressourcen zu teilen, weist aber eine entscheidende Schwachstelle auf.
Sie besteht aus einem Netzwerk von Radaren, “die auf drahtlosen Kommunikationskanälen beruhen. Wenn eine gegnerische Kraft mit elektronischen Signalen interferiert, können die drahtlosen Verbindungen unterbrochen oder zerstört werden”, heißt es in dem Report. Der Hauptfokus der elektronischen Kriegsführung der Volksbefreiungsarmee liegt auf US-amerikanischen Aegis-Kampfsystemen. aiko
Lee Jae Myung könnte neuer südkoreanischer Staatspräsident werden. In Peking dürfte man das hoffnungsvoll zur Kenntnis nehmen. Seine China-Politik, die die chinesische Regierung erfreuen dürfte, bezeichnen Lees Kritiker als naiv. Lee will sich auf keine Seite schlagen und strebt einen Ausgleich zwischen den Weltmächten in Washington und Peking an. So gilt er als ausgesprochener Gegner des Raketenabwehrsystems THAAD, das vom US-Militär 2016 auf südkoreanischem Boden installiert worden ist – und damit massive Wirtschaftsboykotte von Seiten Chinas auslöste.
Um das ebenfalls demokratisch regierte Taiwan schert sich der Linkspopulist nicht: “Warum sollten wir uns in die Frage der Taiwanstraße einmischen?”, sagte er 2022 in einem Interview. Diese Positionierung gefällt der chinesischen Regierung über alle Maßen. Sie hat ihren Anspruch auf Taiwan zu einer inneren chinesischen Angelegenheit erklärt, aus der sich andere Staaten herauszuhalten hätten. Lee sieht das offenbar ähnlich.
Auch in Bezug auf Nordkorea erntet Lee Wohlgefallen in Peking. Er befürwortet die sogenannte Sonnenscheinpolitik, die auf Annäherung zwischen den verfeindeten Nachbarn setzt. Einen hochexplosiven Krisenherd vor der eigenen Haustür, wo einer der Protagonisten ständig mit der Drohung von Atomwaffen zündelt, kann die Volksrepublik nicht gebrauchen. Eine Annäherung zwischen Süd- und Nordkorea würde China weniger Aufmerksamkeit abverlangen und Ressourcen für andere Regionen freisetzen.
Annäherung klingt auf dem Papier zwar sinnvoll, erscheint angesichts der politischen Realitäten jedoch eher unwahrscheinlich. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat den Süden unlängst per Verfassung zum Hauptfeind erklärt und droht auch immer direkter mit dessen nuklearer Vernichtung. Dass Lee in einer solchen Stimmung einige Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea aufheben möchte, gilt als kontrovers.
Einen uneingeschränkten Unterstützer der eigenen Interessen sollte Peking dennoch nicht erwarten, sollte Lee tatsächlich neuer Präsident werden. Er warf China in der Vergangenheit kulturelle Aneignung und “den Raub der koreanischen Kultur” vor. Und er hat auch klar gemacht, dass er jedes chinesische Fischerboot “versenken” lasse, sollte es illegal in südkoreanische Gewässer eindringen.
Dass Lee bald die Geschicke seines Landes lenken könnte, war vor wenigen Wochen nicht absehbar. Nur weil das konservative Staatsoberhaupt Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht ausgerufen hatte und anschließend seines Amtes enthoben worden war, könnte bald neu gewählt werden. Sollte Südkoreas Verfassungsgericht die Amtsenthebung durch die Parlamentarier bestätigen, müssten Neuwahlen binnen zwei Monaten stattfinden.
Lee gilt augenblicklich zwar als aussichtsreicher Kandidat, wird jedoch von vielen Koreanern verachtet – und das nicht nur innerhalb des konservativen Lagers. Sein Populismus polarisiert ungemein und bietet Angriffsfläche. Zu Beginn des Jahres wurde Lee Opfer eines Messerangriffs – eine Folge der zunehmenden politischen Radikalisierung.
1963 wurde Lee als fünftes von sieben Geschwistern in der Stadt Andong in sozial schwachen Verhältnissen geboren. Während der rasanten Industrialisierung des Landes zog die Familie in eine Trabantenstadt der Metropole Seoul, wo Lee als Teenager in den Fabriken schuftete. Er trotzte den widrigen Umständen und besuchte eine Oberschule. Dank eines Stipendiums studierte er später Rechtswissenschaften.
Sein gesamtes politisches Weltbild basiert auf jenen Jahren des Verzichts: Lee will Privilegien der Reichen begrenzen und das Leben der Armen verbessern. Innerhalb des linken Lagers durchlief Lee in 20 Jahren eine steile Karriere, die ihn als Provinzgouverneur in die Nationalversammlung brachte. Dort produzierte er in den Nachtstunden des 3. Dezember jene Aufnahmen, die zeigen, wie er über den Parlamentszaun kletterte und im Gebäude mit 189 weiteren Abgeordneten in einer hastig einberufenen Abstimmung Präsident Yoon dazu zwang, das Kriegsrecht zurückzunehmen.
Ob der Linkspopulist tatsächlich zum Präsidenten gewählt wird, wird das Land frühestens in einem halben Jahr erfahren. Dann nämlich könnten bereits Neuwahlen anstehen. Lee Jae Myung hat dabei gleich einen doppelten Anreiz, möglichst früh zum Staatsoberhaupt gewählt zu werden. Denn erst im November wurde Lee von einem Gericht wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden, nachdem er falsche Angaben zu Korruptionsvorwürfen machte. Noch läuft ein Berufungsverfahren gegen das Urteil. Sollte Lee den Prozess allerdings vor dem Zeitpunkt potenzieller Neuwahlen verlieren, dürfte er per Gesetz nicht mehr antreten. Fabian Kretschmer
Bonnie Chen ist seit November China Operations Managerin bei der JURA Elektroapparate AG, einem Schweizer Unternehmen für die Entwicklung und den Vertrieb von Haushalts- und Elektrogeräten. Chen war zuvor Senior Managerin beim US-amerikanischen Solarkomponenten-Hersteller Renogy. Ihr Einsatzort bleibt weiterhin Shanghai.
Kenan Ertuerk ist seit Dezember Sales Manager Central China beim Hamburger Logistikunternehmen A. Hartrodt. Zuvor war Ertuerk unter anderem Trade- und Sales-Manager bei Dachser und DB Schenker in Shanghai. In China lebt und arbeitet er seit März 2012.
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Was haben Holländer und Chinesen gemeinsam? Beide bezeichnen Pinguine als “Gans”. Im Falle der Niederländer als “Fettgans” (vetgans ist im Niederländischen ein Synonym für pinguin). Die Chinesen sehen in den putzigen, flugunfähigen Seevögeln, “auf den Zehenspitzen stehende Gänse“, das zumindest legt der Chinesische Begriff 企鹅 qǐ’é für “Pinguin” nahe (企 qǐ bedeutet unter anderem “auf den Zehenspitzen stehen”, 鹅 é ist das chinesische Schriftzeichen für “Gans”).