am heutigen Dienstag droht es ungemütlich zu werden für Chinas Führung. Im Genfer Völkerbundpalast steht das Länderprüfverfahren des Menschenrechtsrats an. Besonderes Augenmerk erhält dieses Mal Tibet. Marcel Grzanna prophezeit, dass Peking wohl mit unangenehmen Fragen rechnen müsse: Die Sinisierung der Tibeter hat in den vergangenen fünf Jahren eine neue Dimension erreicht. Umsiedlungsprogramme und ein Internatssystem, in das knapp eine Million Kinder gezwungen werden, spalten Familien und entwurzeln den Nachwuchs.
Davor soll auch die deutsche Regierung nicht mehr die Augen verschließen. In einem persönlichen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock appelliert der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, die deutsche Delegation müsse “diese gigantische Verletzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und deren Familien” während der Debatte thematisieren.
Mit einem Novum wartet unterdessen die Europäische Union auf. Am Mittwoch wird die EU erstmals die Themen Sicherheit und Handel in einer Strategie vereinen und ein Paket für die wirtschaftliche Sicherheit der EU vorstellen. Auch wenn die Volksrepublik nur einmal namentlich genannt wird, ist das Ziel klar: Brüssel will Europas Technologien zukünftig besser vor China schützen.
Amelie Richter und Till Hoppe vom Europe.Table haben sich den Entwurf vorab angeschaut und die wichtigsten Punkte herausgearbeitet. So sollen unter anderem ausländische Investitionen besser auf Risiken für die Sicherheit und Ordnung geprüft werden, die Weitergabe von sensiblem Know-how durch europäische Investitionen im Ausland verhindert oder auch die Forschungssicherheit verbessert werden.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Im Genfer Völkerbundpalast wird heute zur Sprache kommen, was die chinesische Regierung am liebsten totschweigt. Im Rahmen der “Universal Periodic Review” (UPR), dem periodischen Länderprüfverfahren des Menschenrechtsrats, muss Peking turnusmäßig zu den verheerenden Berichten aus seinem Land Stellung beziehen. Besonderes Augenmerk erhält dieses Mal Tibet.
Die Sinisierung der Tibeter hat seit der vergangenen UPR vor rund fünf Jahren eine neue Dimension erreicht. Umsiedlungsprogramme und ein Internatssystem, in das knapp eine Million Kinder gezwungen werden, spalten Familien und entwurzeln den Nachwuchs. Chinesische Sicherheitskräfte und die Justiz ahnden rigoros auch nur den geringsten Verdacht des politischen Dissens. Menschenrechtsorganisationen beklagen eine systematische Ausrottung der tibetischen Kultur und Sprache.
Zehn Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben im Vorfeld des Verfahrens Dutzende Fragen übermittelt, die sich explizit auf die Situation der tibetischen Minderheit beziehen. Auch Deutschland wagt sich zunehmend aus der Deckung, wenn es darum geht, China zur Rede zur stellen, und verlangt detailliert Auskunft. Wie viel Prozent tibetischer Kinder sind Teil des Internatssystems? Haben die Familien eine Wahl? Was passiert, wenn sich Familien weigern? Auch das Schicksal von neun inhaftierten tibetischen Aktivisten setzt die Bundesrepublik namentlich auf die Agenda.
“In dieser Zeitenwende ist es nicht nebensächlich, Punkte wie Tibet, die Zwangsinternate und das sich ausbreitende Phänomen transnationaler Repression in einem solchen Staatenüberprüfungsverfahren konkret zu benennen”, sagt der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand. Der Bundestagsabgeordnete hatte vergangene Woche im Vorfeld in einem persönlichen Brief, der Table.Media vorliegt, explizit an Außenministerin Annalena Baerbock appelliert, die deutsche Delegation anzuweisen “diese gigantische Verletzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und deren Familien” während der Debatte konkret zu thematisieren.
“Das ist ein ermutigendes Zeichen”, sagt Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT) in Deutschland. “Tibet bekommt mehr Aufmerksamkeit. Die Staaten nehmen die Situation ernst.” Tatsächlich muss China sich deutlich mehr Fragen zu Tibet gefallen lassen als beim Prüfverfahren 2018. Auch zu Zwangsarbeit in Xinjiang, zu Hongkong, Arbeitsrecht und Bildung muss Peking Rede und Antwort stehen.
Mitte Dezember hatte das Europäische Parlament in einem Entschließungsantrag einen Appell an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gerichtet, sich mit der systematischen Assimilation zu befassen, und gegenüber der internationalen Gemeinschaft sowie gegenüber China konkret anzusprechen. Niemand erwartet von der Volksrepublik allerdings ernsthafte Zugeständnisse. Vor fünf Jahren lehnte China praktisch jede substanzielle Empfehlung der UN-Mitglieder ab.
Und dennoch geht es im Völkerbundpalast um viel. Jede Frage, die China beantworten muss, und jede Empfehlung, die ausgesprochen wird, lässt rückschließen auf die Bewertung der Menschenrechtssituation in China durch den Rest der Welt. So schärfen weniger die chinesischen Stellungnahmen die Wahrnehmung der Lage im Land als vielmehr die kritischen Fragen durch die Mitgliedstaaten. “Chinas Handeln darf nicht zur Norm werden. Die Staatengemeinschaft muss die Ordnungsprinzipien aufrechterhalten”, fordert Müller.
Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung des Einflusses zivilgesellschaftlicher Kräfte auf den UN-Menschenrechtsrat. China versucht seit Jahren, die internationale Zivilgesellschaft zu delegitimieren. Vor wenigen Tagen berichtete die Zeitung The Geneve Observer, dass chinesische Diplomaten die Vereinten Nationen in Genf gebeten hatten, “antichinesischen Separatisten” keinen Zugang zur Sitzung am Dienstag zu gewähren. “Belästigungsaktivitäten im Saal XX sollten ruhig, sicher und schnell erfolgen, um Störungen der Sitzung zu vermeiden”, heißt es in der Mitteilung.
Zudem fordert China einen “speziellen Sicherheitsplan” für seine 60-köpfige Delegation. Pekings Vertretung überreichte eine Liste von fast zwei Dutzend uigurischen, tibetischen und Hongkong-Aktivisten, die sie als “besorgniserregend” bezeichnete. Sie forderte die UN-Beamten auf, alle Anträge der betroffenen Aktivisten und Gruppen auf die Organisation von Nebenveranstaltungen abzulehnen. Betroffen davon wäre auch die ICT gewesen, die am Montag ein Briefing organisiert hatte, bei dem drei Tibeterinnen und Tibeter zu Wort kamen.
Schon im Vorfeld hatte China offenbar auch fleißig Lobbyarbeit betrieben. Reuters berichtet, dass Chinas Mission in Genf Memos an Abgesandte anderer Staaten verschickt habe und sie bat, die Menschenrechtsbilanz des Landes vor dem Gremium zu loben. Reuters berief sich auf mehrere Diplomaten und Dokumente.
Auch über die Sprache will China die Deutungshoheit gewinnen und Zweifel an der Legitimität seiner Herrschaft über Tibet langfristig zerstreuen. Tibet soll nicht mehr Tibet heißen, sondern Xizang – der Name Tibets auf Mandarin. Auf diese Taktik hatte auch Michael Brand in seinem Schreiben an Ministerin Baerbock explizit hingewiesen.
Die konkrete Verwendung der einschlägigen Begriffe wie Tibet, Zwangsinternatssystem und auch transnationale Repression sei “trotz aller erwartbaren Zurückweisungen” durch das chinesische Regime von großer Bedeutung dafür, “diese Themen nicht dem Verdrängungsmechanismus auszuliefern, den die VR China in zahlreichen internationalen Gremien, so auch beim VN-Menschenrechtsrat, bislang mit einigem Erfolg etabliert zu haben scheint”. Brand bittet Baerbock explizit darum, “das Wort Tibet nicht zu vermeiden”.
Die EU-Kommission wird am Mittwoch ihre Vision für eine wirtschaftliche Risikominderung vorlegen. Das Paket für wirtschaftliche Sicherheit umfasst Initiativen in fünf Bereichen. Ziel der Brüsseler Strategie ist es, der wachsenden Bereitschaft Chinas und Russlands entgegenzutreten, Handel und kritische Lieferketten geopolitisch zu nutzen. Der Entwurf des wirtschaftlichen Sicherheitspakets liegt Table.Media vor. Zuvor hatten Bloomberg und Politico über die Pläne berichtet.
Die Veröffentlichung des Pakets folgt auf die Ankündigung einer Strategie im Juni. Dass Peking im Fokus der Bemühungen steht, sprach damals allerdings nur Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager offen aus. In den Dokumenten zur Strategie wird China nur einmal namentlich genannt. Es handele sich um eine länderunabhängige Strategie – aber mit “geopolitischem Filter”, hatte Vestager betont.
Das Paket enthält Initiativen für:
Der Ansatz basiert auf drei Säulen: Förderung, Schutz, Partnerschaft – in der englischen Version mit der Alliteration “promoting, protecting, partnering” zusammengefasst. Zudem identifiziert die Strategie vier vorrangige Risikokategorien, darunter Risiken in Lieferketten, physische und Cyber-Sicherheit kritischer Infrastrukturen, technologische Sicherheit und das Risiko der Instrumentalisierung wirtschaftlicher Abhängigkeiten.
Bei vielen Vorschlägen handelt es sich um Stellungnahmen und Empfehlungen, deren Umsetzung in bindende Vorgaben eine Weile dauern kann. Auch wie die EU-Staaten die Initiativen annehmen, spielt eine Rolle – denn ein großer Teil der Punkte fällt in die Kompetenz der EU-Hauptstädte. Auch die Zusammensetzung der nächsten EU-Kommission und wie diese das Vorhaben dann verfolgt, wird eine wichtige Rolle spielen. Zudem sind an dem Entwurf noch Änderungen möglich.
Die neue Strategie zielt darauf ab, “Risiken für die wirtschaftliche Sicherheit der EU zu bekämpfen”, heißt es in dem Entwurf. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, “dass die EU ein äußerst attraktives Ziel für Unternehmen und Investitionen bleibt”. Ziel sei es, die Fähigkeit der EU und der Mitgliedstaaten zu stärken, “laufende Risikobewertungen im Zusammenhang mit Lieferketten, Technologien, Infrastrukturen und wirtschaftlichem Zwang” anzugehen.
Die Strategie für wirtschaftliche Sicherheit bedeutet generell ein Novum für Brüssel. Die EU vereint damit erstmals die Themen Sicherheit und Handel in einer Strategie.
Ein heftiges Erdbeben hat das Grenzgebiet zwischen China und Kirgistan erschüttert. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS lag das Zentrum des Bebens der Stärke 7,0 in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas. Zu möglichen Opfern war zunächst nichts bekannt. Die USGS warnte jedoch, dass mit “erheblichen Schäden” und Toten zu rechnen sei. Zum Zeitpunkt des Bebens war es in der Region kurz nach 02.00 Uhr morgens am Dienstag.
Die Erschütterungen des Bebens waren sogar in der 1.400 Kilometer entfernten indischen Hauptstadt Neu-Delhi zu spüren, wie örtliche TV-Sender laut der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Auch in der kasachischen Hauptstadt Astana war das Erdbeben spürbar.
Die Volksrepublik wird immer wieder von teils verheerenden Erdbeben erschüttert. Im Dezember waren bei einem schweren Erdbeben in der chinesischen Provinz Gansu 148 Menschen gestorben. Es war das Beben in China mit den meisten Todesopfern seit 2014, als in der südwestlichen Provinz Yunnan mehr als 600 Menschen starben. 2008 waren bei einem Beben der Stärke 7,9 in der Provinz Sichuan mehr als 87.000 Menschen ums Leben gekommen. ari
Deutschlands Exporte nach China sind deutlich zurückgegangen. In die Volksrepublik China wurden im Dezember 2023 Waren im Wert von 7,2 Milliarden Euro geliefert. Das ist ein Minus von 12,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Insgesamt fielen deutsche Ausfuhren in die nicht zur EU gehörenden Länder kalender- und saisonbereinigt um 4,0 Prozent, im Vergleich zum Dezember 2022 um 9,2 Prozent.
“Wichtigster Handelspartner für die deutschen Exporteure waren auch im Dezember 2023 die Vereinigten Staaten“, erklärten die Statistiker. Allerdings brachen auch die US-Ausfuhren um 9,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 11,2 Milliarden Euro ein. Besondere Ausnahme: Das Geschäft mit Großbritannien wuchs um fast 20 Prozent auf sechs Milliarden Euro.
Der Handel mit China und den USA deckt knapp die Hälfte aller deutschen Exporte ab. Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge sind die gesamten deutschen Exporte im vergangenen Jahr wohl um 1,4 Prozent gesunken. 2024 dürften sie stagnieren und erst im Jahr 2025 wieder deutlicher zulegen. rtr
Taiwans Verteidigungsministerium hat am Montag bekannt gegeben, man habe weitere sechs chinesische Ballons im eigenen Luftraum oder unmittelbar davor entdeckt. China setzt derzeit vermehrt solche Ballons rund um Taiwan ein. Von den nun gesichteten sechs Ballons zog einer nahe der südlichen Stadt Pingtung vorbei, die übrigen nördlich der Hafenstadt Keelung, die einen wichtigen Marinestützpunkt beheimatet.
China unterhält seit 2019 ein großes Ballon-Programm. Es ist Teil der Erneuerung der Luftstreitkräfte im Auftrag von Xi Jinping. Experten zufolge sei das Programm derart groß, um mit unzähligen Überwachungsballons mehrere Jahre lang Geheimdienstmissionen in dutzenden Ländern durchzuführen.
Im aktuellen Fall ist nicht klar, ob die Ballons eine militärische Funktion haben. Sie scheinen allerdings Teil einer Kampagne gegen Taiwan zu sein, um die Bewohner der demokratisch regierten Insel zu verunsichern. Rund um die Präsidentenwahl vor wenigen Wochen hatte China seine Aktivitäten und Drohungen deutlich gesteigert.
So wurden am Sonntag und dem frühen Montagmorgen zudem vier chinesische Kampfflugzeuge und vier Marineschiffe um Taiwan festgestellt, wie das Ministerium mitteilte. Als Gegenmaßnahme wurden Kampfflugzeuge, Marineboote und landbasierte Raketensysteme aktiviert. rad
China will die Manipulation von Wirtschaftsdaten durch Beamte unter Strafe stellen. Das Fälschen von Konjunkturdaten sei nach wie vor problematisch, teilte das Nationale Statistikamt am Montag mit. “Statistikbetrug ist die größte Korruption im Bereich Statistik, die schwerwiegend gegen das Statistikgesetz verstößt, die Qualität statistischer Daten ernsthaft beeinträchtigt und die makroökonomische Entscheidungsfindung behindert und sogar in die Irre führt”, hieß es.
Die Äußerungen des Statistikamts folgen den neuen Disziplinarregeln der regierenden Kommunistischen Partei. Dazu gehört auch das Verwarnen oder Abberufen von Beamten, die für Verstöße verantwortlich sind.
Es besteht seit langem Skepsis gegenüber der Zuverlässigkeit chinesischer Daten. Zuletzt hatten die chinesischen Konjunkturdaten für das Jahr 2023 Zweifel gesät. Offiziell wurde es mit 5,2 Prozent angegeben. Analysten gehen davon aus, dass sich das Wachstum im laufenden Jahr aufgrund einer Immobilienkrise, steigender Schulden auf kommunaler und regionaler Ebene sowie anhaltender Deflationsrisiken verlangsamen wird. rtr
In westlichen Medien hat sich das Narrativ etabliert, wonach Chinas Wirtschaft kurz vor ihrem Zenit stehe – oder ihn bereits erreicht habe. Liest man die Analysen der Untergangspropheten jedoch aufmerksam, lässt sich feststellen, dass viele der Gründe, die sie für ihre düsteren Einschätzungen anführen, nicht neu sind. Im Gegenteil. Tendenziell streichen sie genau die gleichen Herausforderungen heraus, auf denen Ökonomen und Kommentatoren schon seit einem Jahrzehnt oder noch länger herumreiten. Wenn Chinas Wirtschaft aber schon damals nicht ins Stottern geriet, warum sollten wir glauben, dass es diesmal der Fall sein wird?
Der globale Kontext hat sich freilich verändert. Am bedeutsamsten ist vielleicht, dass das vorherrschende Bild von China weitgehend ins Negative umgeschlagen ist und der Westen dem Land heute weitaus feindseliger gegenübersteht als noch vor zehn oder auch nur fünf Jahren. Als Folge der verstärkten Bemühungen der Vereinigten Staaten zur Eindämmung Chinas kam es zu einem Rückgang der chinesischen Direktexporte in die USA.
Trotzdem wird die “Entkopplung” der beiden größten Volkswirtschaften der Welt wohl überbewertet. Aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Wirtschaftswissenschaftlerin Caroline Freund von der University of California und ihrer Kollegen geht hervor, dass die USA und China ihr Engagement in einigen Bereichen tatsächlich zurückfahren. So blieb das Wachstum der US-Importe aus China bei Produkten, die US-Zöllen unterliegen, deutlich hinter dem Wachstum der US-Importe aus anderen Ländern zurück.
Dieselbe Studie ergab jedoch auch, dass die Lieferketten der USA und Chinas insbesondere im Bereich “strategischer Produkte” weiterhin eng miteinander verflochten sind. Außerdem sind die Länder, aus denen die US-Einfuhren ansteigen, häufig stark – und in zunehmendem Maße – in chinesische Lieferketten eingebunden. Tatsächlich erhöhten jene Länder, die bestrebt sind, China aus US-Lieferketten zu verdrängen, ihre eigenen Importe aus China, insbesondere in strategischen Branchen.
Gleichzeitig verfolgen weltweit agierende Unternehmen offenbar eine “China+1“-Strategie, im Rahmen derer sie zwar noch in China, aber auch in anderen Ländern investieren. Chinesische Unternehmen ihrerseits haben in den letzten Jahren ihre Direktinvestitionen im Ausland erhöht und ihre eigenen Produktionsketten weit über die Grenzen Chinas hinaus verlagert, vor allem in Länder, in denen Strafzölle der USA vermieden werden können. Dieser Trend wird sich vermutlich fortsetzen und dafür sorgen, dass das chinesische Kapital weiterhin in andere Teile der Welt fließt.
Die Unkenrufer würden wahrscheinlich auch auf die innerstaatlichen Herausforderungen hinweisen, mit denen sich China konfrontiert sieht. Neben einer ungünstigen demografischen Entwicklung ringt China auch mit Problemen wie hohen Schulden, der Fehlallokation von Kapital, erheblicher Umweltverschmutzung und einem in Schieflage geratenen Immobiliensektor. Allerdings ist sich Chinas Regierung dieser Probleme seit einem Jahrzehnt sehr wohl bewusst – und auch um Lösungen bemüht.
So nahm beispielsweise Chinas “angebotsseitige Strukturreform” im Jahr 2015 Gestalt an. Diese umfasste strengere Finanzregulierungen sowie eine verstärkte staatliche Aufsicht über stark fremdfinanzierte Sektoren mit überschüssigen Produktionskapazitäten, einschließlich dazugehöriger Interventionen. Das Programm trug zwar dazu bei, eine Schulden- oder Finanzkrise zu verhindern, bremste aber auch das Wachstum in zahlreichen Branchen mit hoher Fremdfinanzierung wie etwa dem Immobiliensektor. Die Auffassung, wonach ein schwächelnder Immobiliensektor den wirtschaftlichen Zusammenbruch Chinas auslösen wird, ist jedoch völlig überzogen.
Die chinesische Politik ist sich darüber im Klaren, dass ein Wandel im Immobiliensektor unvermeidlich ist, und man bemüht sich, diesen reibungslos zu gestalten. Ganz allgemein haben die bereits durchgeführten Strukturreformen die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit Chinas gestärkt, und die chinesischen Exporte sind trotz der US-Zölle stabil geblieben. Unterdessen verzeichnen neue Sektoren – von Dienstleistungen über Digitalwirtschaft bis hin zu Hightech-Industrien – schnelles Wachstum.
Das alles erklärt teilweise, warum China in den Jahren 2017-2019 ein durchschnittliches Wachstum von 6,6 Prozent erzielte. Zwar dämpfte die Covid-19-Pandemie das Wachstum im Jahr 2020, doch mit einer Wachstumsrate von 8,1 Prozent im Jahr 2021 erholte sich die Wirtschaft deutlich. Die Wachstumsrate des Jahres 2023 liegt bei etwas über fünf Prozent liegen. Nicht einmal die Lockdowns des Jahres 2022 konnten dem Wachstum etwas anhaben.
Das heißt allerdings nicht, dass China die Pandemie völlig unbeschadet überstanden hat. Drei Jahre eingeschränkte Chancen, ein Einkommen zu erzielen, begrenzten die Möglichkeiten der chinesischen Verbraucher, für eine rasche Erholung nach der Pandemie zu sorgen. Mit einer expansiveren Geld- und Fiskalpolitik in den nächsten zwei Jahren muss die Regierung nun ihre Anstrengungen zur Stützung der Binnennachfrage und zur Schaffung von Arbeitsplätzen intensivieren.
Überdies gilt es für die politischen Entscheidungsträger in China, die Liberalisierung in manchen Branchen zu beschleunigen. So müssen etwa die Beschränkungen im Bereich produktiver Dienstleistungen, wo weder Privat- noch Auslandskapital erlaubt ist, so rasch wie möglich beseitigt werden. Glücklicherweise gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Behörden dieser Notwendigkeit bewusst sind. Die Finanzregulierungsbehörden haben dem US-Unternehmen Mastercard gerade eine Lizenz für das Kreditkartenclearing erteilt. Darüber hinaus führte China im vergangenen Monat einseitig die Visumfreiheit für sechs Länder – darunter Frankreich, Deutschland und Italien – ein.
Niemand rechnete damit, dass China auf Dauer zweistelliges Wachstum erreichen würde. Die Kapitalakkumulation musste sich zwangsläufig verlangsamen, und die anfängliche Dividende aus den strukturellen Wachstumsfaktoren musste sich kontinuierlich abschwächen. Für ein höheres Wirtschaftswachstum sind mittlerweile höhere Ausgaben zur Stützung des privaten Konsums eher erforderlich als Ausgaben zur Förderung der Investitionen.
Aus diesem Grund wird von Chinas Regierung erwartet, den Anteil der Investitionen am BIP unverzüglich zu senken und den privaten Konsum zu fördern, beispielsweise durch Einkommenstransfers und stärkere Sozialprogramme (die es den Haushalten ermöglichen würden, das Vorsorgesparen zu reduzieren). Auf diese Weise würde man einen florierenden Binnenmarkt schaffen, den Ausbau des Dienstleistungssektors fördern und den Übergang zu nachhaltigem Wachstum unterstützen.
Chinas Wirtschaft hat weder ihr Entwicklungspotenzial ausgeschöpft, noch ist sie so weit gesättigt, dass sie ihre Vitalität eingebüßt hätte. Der derzeitige Zustand der Wirtschaft hat eine Neuausrichtung ermöglicht und eröffnet der chinesischen Führung ein Zeitfenster, in dem sie ein Bekenntnis zur Durchführung von Strukturreformen ablegen kann. Das Wachstum hat sich zweifellos verlangsamt und der globale Kontext hat sich verändert, wodurch ein Gefühl der Dringlichkeit entstand. Das dürfte sich allerdings zum Vorteil für das Land auswirken und die für sein neues Wachstumsmodell notwendigen Strukturreformen beschleunigen.
Zhang Jun ist Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fudan und Direktor der in Shanghai ansässigen Denkfabrik China Center for Economic Studies.
Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org
Liao Lin, Präsident der Industrial and Commercial Bank of China Ltd. (ICBC), ist zum Parteichef des nach Vermögenswerten größten kommerziellen Kreditgebers der Welt ernannt worden. Die Amtsübernahme gilt als Signal dafür, dass Liao bald auch den Vorsitz der Bank übernehmen wird. Er ist seit 2021 Präsident der ICBC. Liao wird Chen Siqing ersetzen, der nach viereinhalb Jahren als Parteisekretär zurücktrat.
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Chinesische Grazilität: Im Rahmen des 3. Qemam International Festival for Mountain Performance Arts in Saudi-Arabien führen Mitglieder der chinesischen Delegation einen ästhetischen Tanz auf. Das Festival stellt Kulturen und Traditionen aus Bergregionen vor. Neben 20 lokalen Gruppen sind auch 25 Delegationen aus dem Ausland dabei.
am heutigen Dienstag droht es ungemütlich zu werden für Chinas Führung. Im Genfer Völkerbundpalast steht das Länderprüfverfahren des Menschenrechtsrats an. Besonderes Augenmerk erhält dieses Mal Tibet. Marcel Grzanna prophezeit, dass Peking wohl mit unangenehmen Fragen rechnen müsse: Die Sinisierung der Tibeter hat in den vergangenen fünf Jahren eine neue Dimension erreicht. Umsiedlungsprogramme und ein Internatssystem, in das knapp eine Million Kinder gezwungen werden, spalten Familien und entwurzeln den Nachwuchs.
Davor soll auch die deutsche Regierung nicht mehr die Augen verschließen. In einem persönlichen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock appelliert der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, die deutsche Delegation müsse “diese gigantische Verletzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und deren Familien” während der Debatte thematisieren.
Mit einem Novum wartet unterdessen die Europäische Union auf. Am Mittwoch wird die EU erstmals die Themen Sicherheit und Handel in einer Strategie vereinen und ein Paket für die wirtschaftliche Sicherheit der EU vorstellen. Auch wenn die Volksrepublik nur einmal namentlich genannt wird, ist das Ziel klar: Brüssel will Europas Technologien zukünftig besser vor China schützen.
Amelie Richter und Till Hoppe vom Europe.Table haben sich den Entwurf vorab angeschaut und die wichtigsten Punkte herausgearbeitet. So sollen unter anderem ausländische Investitionen besser auf Risiken für die Sicherheit und Ordnung geprüft werden, die Weitergabe von sensiblem Know-how durch europäische Investitionen im Ausland verhindert oder auch die Forschungssicherheit verbessert werden.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Im Genfer Völkerbundpalast wird heute zur Sprache kommen, was die chinesische Regierung am liebsten totschweigt. Im Rahmen der “Universal Periodic Review” (UPR), dem periodischen Länderprüfverfahren des Menschenrechtsrats, muss Peking turnusmäßig zu den verheerenden Berichten aus seinem Land Stellung beziehen. Besonderes Augenmerk erhält dieses Mal Tibet.
Die Sinisierung der Tibeter hat seit der vergangenen UPR vor rund fünf Jahren eine neue Dimension erreicht. Umsiedlungsprogramme und ein Internatssystem, in das knapp eine Million Kinder gezwungen werden, spalten Familien und entwurzeln den Nachwuchs. Chinesische Sicherheitskräfte und die Justiz ahnden rigoros auch nur den geringsten Verdacht des politischen Dissens. Menschenrechtsorganisationen beklagen eine systematische Ausrottung der tibetischen Kultur und Sprache.
Zehn Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben im Vorfeld des Verfahrens Dutzende Fragen übermittelt, die sich explizit auf die Situation der tibetischen Minderheit beziehen. Auch Deutschland wagt sich zunehmend aus der Deckung, wenn es darum geht, China zur Rede zur stellen, und verlangt detailliert Auskunft. Wie viel Prozent tibetischer Kinder sind Teil des Internatssystems? Haben die Familien eine Wahl? Was passiert, wenn sich Familien weigern? Auch das Schicksal von neun inhaftierten tibetischen Aktivisten setzt die Bundesrepublik namentlich auf die Agenda.
“In dieser Zeitenwende ist es nicht nebensächlich, Punkte wie Tibet, die Zwangsinternate und das sich ausbreitende Phänomen transnationaler Repression in einem solchen Staatenüberprüfungsverfahren konkret zu benennen”, sagt der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand. Der Bundestagsabgeordnete hatte vergangene Woche im Vorfeld in einem persönlichen Brief, der Table.Media vorliegt, explizit an Außenministerin Annalena Baerbock appelliert, die deutsche Delegation anzuweisen “diese gigantische Verletzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und deren Familien” während der Debatte konkret zu thematisieren.
“Das ist ein ermutigendes Zeichen”, sagt Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT) in Deutschland. “Tibet bekommt mehr Aufmerksamkeit. Die Staaten nehmen die Situation ernst.” Tatsächlich muss China sich deutlich mehr Fragen zu Tibet gefallen lassen als beim Prüfverfahren 2018. Auch zu Zwangsarbeit in Xinjiang, zu Hongkong, Arbeitsrecht und Bildung muss Peking Rede und Antwort stehen.
Mitte Dezember hatte das Europäische Parlament in einem Entschließungsantrag einen Appell an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gerichtet, sich mit der systematischen Assimilation zu befassen, und gegenüber der internationalen Gemeinschaft sowie gegenüber China konkret anzusprechen. Niemand erwartet von der Volksrepublik allerdings ernsthafte Zugeständnisse. Vor fünf Jahren lehnte China praktisch jede substanzielle Empfehlung der UN-Mitglieder ab.
Und dennoch geht es im Völkerbundpalast um viel. Jede Frage, die China beantworten muss, und jede Empfehlung, die ausgesprochen wird, lässt rückschließen auf die Bewertung der Menschenrechtssituation in China durch den Rest der Welt. So schärfen weniger die chinesischen Stellungnahmen die Wahrnehmung der Lage im Land als vielmehr die kritischen Fragen durch die Mitgliedstaaten. “Chinas Handeln darf nicht zur Norm werden. Die Staatengemeinschaft muss die Ordnungsprinzipien aufrechterhalten”, fordert Müller.
Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung des Einflusses zivilgesellschaftlicher Kräfte auf den UN-Menschenrechtsrat. China versucht seit Jahren, die internationale Zivilgesellschaft zu delegitimieren. Vor wenigen Tagen berichtete die Zeitung The Geneve Observer, dass chinesische Diplomaten die Vereinten Nationen in Genf gebeten hatten, “antichinesischen Separatisten” keinen Zugang zur Sitzung am Dienstag zu gewähren. “Belästigungsaktivitäten im Saal XX sollten ruhig, sicher und schnell erfolgen, um Störungen der Sitzung zu vermeiden”, heißt es in der Mitteilung.
Zudem fordert China einen “speziellen Sicherheitsplan” für seine 60-köpfige Delegation. Pekings Vertretung überreichte eine Liste von fast zwei Dutzend uigurischen, tibetischen und Hongkong-Aktivisten, die sie als “besorgniserregend” bezeichnete. Sie forderte die UN-Beamten auf, alle Anträge der betroffenen Aktivisten und Gruppen auf die Organisation von Nebenveranstaltungen abzulehnen. Betroffen davon wäre auch die ICT gewesen, die am Montag ein Briefing organisiert hatte, bei dem drei Tibeterinnen und Tibeter zu Wort kamen.
Schon im Vorfeld hatte China offenbar auch fleißig Lobbyarbeit betrieben. Reuters berichtet, dass Chinas Mission in Genf Memos an Abgesandte anderer Staaten verschickt habe und sie bat, die Menschenrechtsbilanz des Landes vor dem Gremium zu loben. Reuters berief sich auf mehrere Diplomaten und Dokumente.
Auch über die Sprache will China die Deutungshoheit gewinnen und Zweifel an der Legitimität seiner Herrschaft über Tibet langfristig zerstreuen. Tibet soll nicht mehr Tibet heißen, sondern Xizang – der Name Tibets auf Mandarin. Auf diese Taktik hatte auch Michael Brand in seinem Schreiben an Ministerin Baerbock explizit hingewiesen.
Die konkrete Verwendung der einschlägigen Begriffe wie Tibet, Zwangsinternatssystem und auch transnationale Repression sei “trotz aller erwartbaren Zurückweisungen” durch das chinesische Regime von großer Bedeutung dafür, “diese Themen nicht dem Verdrängungsmechanismus auszuliefern, den die VR China in zahlreichen internationalen Gremien, so auch beim VN-Menschenrechtsrat, bislang mit einigem Erfolg etabliert zu haben scheint”. Brand bittet Baerbock explizit darum, “das Wort Tibet nicht zu vermeiden”.
Die EU-Kommission wird am Mittwoch ihre Vision für eine wirtschaftliche Risikominderung vorlegen. Das Paket für wirtschaftliche Sicherheit umfasst Initiativen in fünf Bereichen. Ziel der Brüsseler Strategie ist es, der wachsenden Bereitschaft Chinas und Russlands entgegenzutreten, Handel und kritische Lieferketten geopolitisch zu nutzen. Der Entwurf des wirtschaftlichen Sicherheitspakets liegt Table.Media vor. Zuvor hatten Bloomberg und Politico über die Pläne berichtet.
Die Veröffentlichung des Pakets folgt auf die Ankündigung einer Strategie im Juni. Dass Peking im Fokus der Bemühungen steht, sprach damals allerdings nur Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager offen aus. In den Dokumenten zur Strategie wird China nur einmal namentlich genannt. Es handele sich um eine länderunabhängige Strategie – aber mit “geopolitischem Filter”, hatte Vestager betont.
Das Paket enthält Initiativen für:
Der Ansatz basiert auf drei Säulen: Förderung, Schutz, Partnerschaft – in der englischen Version mit der Alliteration “promoting, protecting, partnering” zusammengefasst. Zudem identifiziert die Strategie vier vorrangige Risikokategorien, darunter Risiken in Lieferketten, physische und Cyber-Sicherheit kritischer Infrastrukturen, technologische Sicherheit und das Risiko der Instrumentalisierung wirtschaftlicher Abhängigkeiten.
Bei vielen Vorschlägen handelt es sich um Stellungnahmen und Empfehlungen, deren Umsetzung in bindende Vorgaben eine Weile dauern kann. Auch wie die EU-Staaten die Initiativen annehmen, spielt eine Rolle – denn ein großer Teil der Punkte fällt in die Kompetenz der EU-Hauptstädte. Auch die Zusammensetzung der nächsten EU-Kommission und wie diese das Vorhaben dann verfolgt, wird eine wichtige Rolle spielen. Zudem sind an dem Entwurf noch Änderungen möglich.
Die neue Strategie zielt darauf ab, “Risiken für die wirtschaftliche Sicherheit der EU zu bekämpfen”, heißt es in dem Entwurf. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, “dass die EU ein äußerst attraktives Ziel für Unternehmen und Investitionen bleibt”. Ziel sei es, die Fähigkeit der EU und der Mitgliedstaaten zu stärken, “laufende Risikobewertungen im Zusammenhang mit Lieferketten, Technologien, Infrastrukturen und wirtschaftlichem Zwang” anzugehen.
Die Strategie für wirtschaftliche Sicherheit bedeutet generell ein Novum für Brüssel. Die EU vereint damit erstmals die Themen Sicherheit und Handel in einer Strategie.
Ein heftiges Erdbeben hat das Grenzgebiet zwischen China und Kirgistan erschüttert. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS lag das Zentrum des Bebens der Stärke 7,0 in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas. Zu möglichen Opfern war zunächst nichts bekannt. Die USGS warnte jedoch, dass mit “erheblichen Schäden” und Toten zu rechnen sei. Zum Zeitpunkt des Bebens war es in der Region kurz nach 02.00 Uhr morgens am Dienstag.
Die Erschütterungen des Bebens waren sogar in der 1.400 Kilometer entfernten indischen Hauptstadt Neu-Delhi zu spüren, wie örtliche TV-Sender laut der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Auch in der kasachischen Hauptstadt Astana war das Erdbeben spürbar.
Die Volksrepublik wird immer wieder von teils verheerenden Erdbeben erschüttert. Im Dezember waren bei einem schweren Erdbeben in der chinesischen Provinz Gansu 148 Menschen gestorben. Es war das Beben in China mit den meisten Todesopfern seit 2014, als in der südwestlichen Provinz Yunnan mehr als 600 Menschen starben. 2008 waren bei einem Beben der Stärke 7,9 in der Provinz Sichuan mehr als 87.000 Menschen ums Leben gekommen. ari
Deutschlands Exporte nach China sind deutlich zurückgegangen. In die Volksrepublik China wurden im Dezember 2023 Waren im Wert von 7,2 Milliarden Euro geliefert. Das ist ein Minus von 12,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Insgesamt fielen deutsche Ausfuhren in die nicht zur EU gehörenden Länder kalender- und saisonbereinigt um 4,0 Prozent, im Vergleich zum Dezember 2022 um 9,2 Prozent.
“Wichtigster Handelspartner für die deutschen Exporteure waren auch im Dezember 2023 die Vereinigten Staaten“, erklärten die Statistiker. Allerdings brachen auch die US-Ausfuhren um 9,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 11,2 Milliarden Euro ein. Besondere Ausnahme: Das Geschäft mit Großbritannien wuchs um fast 20 Prozent auf sechs Milliarden Euro.
Der Handel mit China und den USA deckt knapp die Hälfte aller deutschen Exporte ab. Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge sind die gesamten deutschen Exporte im vergangenen Jahr wohl um 1,4 Prozent gesunken. 2024 dürften sie stagnieren und erst im Jahr 2025 wieder deutlicher zulegen. rtr
Taiwans Verteidigungsministerium hat am Montag bekannt gegeben, man habe weitere sechs chinesische Ballons im eigenen Luftraum oder unmittelbar davor entdeckt. China setzt derzeit vermehrt solche Ballons rund um Taiwan ein. Von den nun gesichteten sechs Ballons zog einer nahe der südlichen Stadt Pingtung vorbei, die übrigen nördlich der Hafenstadt Keelung, die einen wichtigen Marinestützpunkt beheimatet.
China unterhält seit 2019 ein großes Ballon-Programm. Es ist Teil der Erneuerung der Luftstreitkräfte im Auftrag von Xi Jinping. Experten zufolge sei das Programm derart groß, um mit unzähligen Überwachungsballons mehrere Jahre lang Geheimdienstmissionen in dutzenden Ländern durchzuführen.
Im aktuellen Fall ist nicht klar, ob die Ballons eine militärische Funktion haben. Sie scheinen allerdings Teil einer Kampagne gegen Taiwan zu sein, um die Bewohner der demokratisch regierten Insel zu verunsichern. Rund um die Präsidentenwahl vor wenigen Wochen hatte China seine Aktivitäten und Drohungen deutlich gesteigert.
So wurden am Sonntag und dem frühen Montagmorgen zudem vier chinesische Kampfflugzeuge und vier Marineschiffe um Taiwan festgestellt, wie das Ministerium mitteilte. Als Gegenmaßnahme wurden Kampfflugzeuge, Marineboote und landbasierte Raketensysteme aktiviert. rad
China will die Manipulation von Wirtschaftsdaten durch Beamte unter Strafe stellen. Das Fälschen von Konjunkturdaten sei nach wie vor problematisch, teilte das Nationale Statistikamt am Montag mit. “Statistikbetrug ist die größte Korruption im Bereich Statistik, die schwerwiegend gegen das Statistikgesetz verstößt, die Qualität statistischer Daten ernsthaft beeinträchtigt und die makroökonomische Entscheidungsfindung behindert und sogar in die Irre führt”, hieß es.
Die Äußerungen des Statistikamts folgen den neuen Disziplinarregeln der regierenden Kommunistischen Partei. Dazu gehört auch das Verwarnen oder Abberufen von Beamten, die für Verstöße verantwortlich sind.
Es besteht seit langem Skepsis gegenüber der Zuverlässigkeit chinesischer Daten. Zuletzt hatten die chinesischen Konjunkturdaten für das Jahr 2023 Zweifel gesät. Offiziell wurde es mit 5,2 Prozent angegeben. Analysten gehen davon aus, dass sich das Wachstum im laufenden Jahr aufgrund einer Immobilienkrise, steigender Schulden auf kommunaler und regionaler Ebene sowie anhaltender Deflationsrisiken verlangsamen wird. rtr
In westlichen Medien hat sich das Narrativ etabliert, wonach Chinas Wirtschaft kurz vor ihrem Zenit stehe – oder ihn bereits erreicht habe. Liest man die Analysen der Untergangspropheten jedoch aufmerksam, lässt sich feststellen, dass viele der Gründe, die sie für ihre düsteren Einschätzungen anführen, nicht neu sind. Im Gegenteil. Tendenziell streichen sie genau die gleichen Herausforderungen heraus, auf denen Ökonomen und Kommentatoren schon seit einem Jahrzehnt oder noch länger herumreiten. Wenn Chinas Wirtschaft aber schon damals nicht ins Stottern geriet, warum sollten wir glauben, dass es diesmal der Fall sein wird?
Der globale Kontext hat sich freilich verändert. Am bedeutsamsten ist vielleicht, dass das vorherrschende Bild von China weitgehend ins Negative umgeschlagen ist und der Westen dem Land heute weitaus feindseliger gegenübersteht als noch vor zehn oder auch nur fünf Jahren. Als Folge der verstärkten Bemühungen der Vereinigten Staaten zur Eindämmung Chinas kam es zu einem Rückgang der chinesischen Direktexporte in die USA.
Trotzdem wird die “Entkopplung” der beiden größten Volkswirtschaften der Welt wohl überbewertet. Aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Wirtschaftswissenschaftlerin Caroline Freund von der University of California und ihrer Kollegen geht hervor, dass die USA und China ihr Engagement in einigen Bereichen tatsächlich zurückfahren. So blieb das Wachstum der US-Importe aus China bei Produkten, die US-Zöllen unterliegen, deutlich hinter dem Wachstum der US-Importe aus anderen Ländern zurück.
Dieselbe Studie ergab jedoch auch, dass die Lieferketten der USA und Chinas insbesondere im Bereich “strategischer Produkte” weiterhin eng miteinander verflochten sind. Außerdem sind die Länder, aus denen die US-Einfuhren ansteigen, häufig stark – und in zunehmendem Maße – in chinesische Lieferketten eingebunden. Tatsächlich erhöhten jene Länder, die bestrebt sind, China aus US-Lieferketten zu verdrängen, ihre eigenen Importe aus China, insbesondere in strategischen Branchen.
Gleichzeitig verfolgen weltweit agierende Unternehmen offenbar eine “China+1“-Strategie, im Rahmen derer sie zwar noch in China, aber auch in anderen Ländern investieren. Chinesische Unternehmen ihrerseits haben in den letzten Jahren ihre Direktinvestitionen im Ausland erhöht und ihre eigenen Produktionsketten weit über die Grenzen Chinas hinaus verlagert, vor allem in Länder, in denen Strafzölle der USA vermieden werden können. Dieser Trend wird sich vermutlich fortsetzen und dafür sorgen, dass das chinesische Kapital weiterhin in andere Teile der Welt fließt.
Die Unkenrufer würden wahrscheinlich auch auf die innerstaatlichen Herausforderungen hinweisen, mit denen sich China konfrontiert sieht. Neben einer ungünstigen demografischen Entwicklung ringt China auch mit Problemen wie hohen Schulden, der Fehlallokation von Kapital, erheblicher Umweltverschmutzung und einem in Schieflage geratenen Immobiliensektor. Allerdings ist sich Chinas Regierung dieser Probleme seit einem Jahrzehnt sehr wohl bewusst – und auch um Lösungen bemüht.
So nahm beispielsweise Chinas “angebotsseitige Strukturreform” im Jahr 2015 Gestalt an. Diese umfasste strengere Finanzregulierungen sowie eine verstärkte staatliche Aufsicht über stark fremdfinanzierte Sektoren mit überschüssigen Produktionskapazitäten, einschließlich dazugehöriger Interventionen. Das Programm trug zwar dazu bei, eine Schulden- oder Finanzkrise zu verhindern, bremste aber auch das Wachstum in zahlreichen Branchen mit hoher Fremdfinanzierung wie etwa dem Immobiliensektor. Die Auffassung, wonach ein schwächelnder Immobiliensektor den wirtschaftlichen Zusammenbruch Chinas auslösen wird, ist jedoch völlig überzogen.
Die chinesische Politik ist sich darüber im Klaren, dass ein Wandel im Immobiliensektor unvermeidlich ist, und man bemüht sich, diesen reibungslos zu gestalten. Ganz allgemein haben die bereits durchgeführten Strukturreformen die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit Chinas gestärkt, und die chinesischen Exporte sind trotz der US-Zölle stabil geblieben. Unterdessen verzeichnen neue Sektoren – von Dienstleistungen über Digitalwirtschaft bis hin zu Hightech-Industrien – schnelles Wachstum.
Das alles erklärt teilweise, warum China in den Jahren 2017-2019 ein durchschnittliches Wachstum von 6,6 Prozent erzielte. Zwar dämpfte die Covid-19-Pandemie das Wachstum im Jahr 2020, doch mit einer Wachstumsrate von 8,1 Prozent im Jahr 2021 erholte sich die Wirtschaft deutlich. Die Wachstumsrate des Jahres 2023 liegt bei etwas über fünf Prozent liegen. Nicht einmal die Lockdowns des Jahres 2022 konnten dem Wachstum etwas anhaben.
Das heißt allerdings nicht, dass China die Pandemie völlig unbeschadet überstanden hat. Drei Jahre eingeschränkte Chancen, ein Einkommen zu erzielen, begrenzten die Möglichkeiten der chinesischen Verbraucher, für eine rasche Erholung nach der Pandemie zu sorgen. Mit einer expansiveren Geld- und Fiskalpolitik in den nächsten zwei Jahren muss die Regierung nun ihre Anstrengungen zur Stützung der Binnennachfrage und zur Schaffung von Arbeitsplätzen intensivieren.
Überdies gilt es für die politischen Entscheidungsträger in China, die Liberalisierung in manchen Branchen zu beschleunigen. So müssen etwa die Beschränkungen im Bereich produktiver Dienstleistungen, wo weder Privat- noch Auslandskapital erlaubt ist, so rasch wie möglich beseitigt werden. Glücklicherweise gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Behörden dieser Notwendigkeit bewusst sind. Die Finanzregulierungsbehörden haben dem US-Unternehmen Mastercard gerade eine Lizenz für das Kreditkartenclearing erteilt. Darüber hinaus führte China im vergangenen Monat einseitig die Visumfreiheit für sechs Länder – darunter Frankreich, Deutschland und Italien – ein.
Niemand rechnete damit, dass China auf Dauer zweistelliges Wachstum erreichen würde. Die Kapitalakkumulation musste sich zwangsläufig verlangsamen, und die anfängliche Dividende aus den strukturellen Wachstumsfaktoren musste sich kontinuierlich abschwächen. Für ein höheres Wirtschaftswachstum sind mittlerweile höhere Ausgaben zur Stützung des privaten Konsums eher erforderlich als Ausgaben zur Förderung der Investitionen.
Aus diesem Grund wird von Chinas Regierung erwartet, den Anteil der Investitionen am BIP unverzüglich zu senken und den privaten Konsum zu fördern, beispielsweise durch Einkommenstransfers und stärkere Sozialprogramme (die es den Haushalten ermöglichen würden, das Vorsorgesparen zu reduzieren). Auf diese Weise würde man einen florierenden Binnenmarkt schaffen, den Ausbau des Dienstleistungssektors fördern und den Übergang zu nachhaltigem Wachstum unterstützen.
Chinas Wirtschaft hat weder ihr Entwicklungspotenzial ausgeschöpft, noch ist sie so weit gesättigt, dass sie ihre Vitalität eingebüßt hätte. Der derzeitige Zustand der Wirtschaft hat eine Neuausrichtung ermöglicht und eröffnet der chinesischen Führung ein Zeitfenster, in dem sie ein Bekenntnis zur Durchführung von Strukturreformen ablegen kann. Das Wachstum hat sich zweifellos verlangsamt und der globale Kontext hat sich verändert, wodurch ein Gefühl der Dringlichkeit entstand. Das dürfte sich allerdings zum Vorteil für das Land auswirken und die für sein neues Wachstumsmodell notwendigen Strukturreformen beschleunigen.
Zhang Jun ist Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fudan und Direktor der in Shanghai ansässigen Denkfabrik China Center for Economic Studies.
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