Table.Briefing: China

Machtdemonstration im Pazifik + Europäische Lösungen für Taiwan

Liebe Leserin, lieber Leser,

was, wenn alle Szenarien plötzlich Wirklichkeit werden – und China aktiv versucht, Taiwan zu erobern? Eine neue Analyse vom European Council on Foreign Relations (ECFR) erklärt, dass die Europäische Union China mit gezielten Sanktionen von einem Angriff auf Taiwan abhalten könnte: Europas größtes Druckmittel sei dabei der Zugang zum europäischen Markt. Michael Radunski fasst die Studie für Sie zusammen. Allerdings bleiben auch offene Fragen. 

Am Mittwochmorgen sorgte China mit einem unerwarteten Raketentest für Aufsehen: Eine Interkontinentalrakete landete im Pazifik – der erste derartige Test seit 44 Jahren. Laut Experten ist der Test mehr als Routine, schreibt Fabian Kretschmer. Es geht um eine gezielte Machtdemonstration, vor allem auch in Richtung der USA. Plant China, seine Atomwaffen als politisches Druckmittel einzusetzen oder gar in naher Zukunft tatsächlich loszuschlagen?

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Analyse

Raketentest: Was Chinas Machtdemonstration im Pazifik bedeutet

Bei der Militärparade zum 70. Jahrestag der Volksrepublik China zeigte Peking diese Interkontinentalraketen vom Typ DF-41 Dongfeng, die eine Reichweite von bis zu 14.000 Kilometer haben.

Am Mittwochmorgen um 08:44 Uhr Ortszeit flog die chinesische Interkontinentalrakete, ausgestattet mit einer Sprengstoffattrappe, in hohem Bogen in den Pazifik. Für die Weltöffentlichkeit war der Waffentest eine riesige Überraschung. Sprecher Zhang Xiaogang vom Verteidigungsministerium hingegen sprach von reiner “Routine”: Der Test stehe “im Einklang mit dem Völkerrecht und richtet sich nicht gegen ein bestimmtes Land oder Ziel”. 

Doch von Routine kann tatsächlich keine Rede sein. Denn Chinas letzter Start einer Interkontinentalrakete über dem Pazifik liegt gut 44 Jahre zurück. Was also will die Volksbefreiungsarmee mit dieser militärischen Machtdemonstration bezwecken? Laut Experten ist die vielleicht wichtigste Botschaft, dass das notorisch intransparente China den Raketentest überhaupt öffentlich gemacht hat. Offensichtlich möchte es Stärke nach außen projizieren.

Und auch wenn das Säbelrasseln laut Angaben des Verteidigungsministeriums nicht gegen ein bestimmtes Land gerichtet ist, dürfte dies in der Region anders interpretiert werden. “Sie signalisieren, dass China in der Lage ist, US-Territorium mit Atomwaffen zu treffen”, zitiert die Financial Times den taiwanischen Professor Lin Ying-yu. Jener Raketentest würde die Verhandlungsposition Pekings stärken, ehe Xi Jinping in den kommenden Wochen ein mutmaßlich letztes Telefongespräch mit US-Präsident Joe Biden vor dessen Amtszeitende abhält. 

Drei Flugzeugträger stechen in See

Doch auch bei Chinas direkten Nachbarn wird die rasante militärische Aufrüstung mindestens ebenso skeptisch beäugt. So haben sowohl Japan, Indien, Bhutan, Vietnam, Taiwan als auch die Philippinen ungelöste territoriale Streitigkeiten mit der Volksrepublik. Weitere Konflikte, darunter auch mit Russland und Nordkorea, sind zwar momentan beigelegt, könnten aber jederzeit wieder ausbrechen. 

Die Volksbefreiungsarmee ist derzeit besonders aktiv. So hat sie in den letzten Monaten regelmäßige Militärübungen auf See und in der Luft durchgeführt, darunter auch gemeinsam mit den Armeen Russlands und des Iran. Erstmals ließ die chinesische Marine zudem am Mittwoch sämtliche der drei chinesischen Flugzeugträger gleichzeitig in See stechen. Vom taiwanischen Verteidigungsministerium heißt es, dass man aktuell “intensive Raketentestübungen und andere Aktivitäten” der Volksbefreiungsarmee beobachtet habe. 

Fakt ist: China steigert sein Militärbudget seit über drei Dekaden jährlich um mindestens sechs Prozent. Kritiker wenden zwar ein, dass dieses mit insgesamt 232 Milliarden Dollar nach wie vor nur ein Bruchteil des US-Etats ausmacht. Jedoch greift dieser Vergleich zu kurz – allein schon, weil die absoluten Zahlen aufgrund der unterschiedlichen Kaufkraft zwischen den zwei Staaten nicht vergleichbar sind.  

Volksbefreiungsarmee mächtiger als es scheint

In China gibt es etliche versteckte Kostenpunkte des Militärs, die aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht in den offiziellen Zahlen auftauchen. Zudem hat Xi Jinping eine Strategie der sogenannten “militärisch-zivilen Fusion” forciert, die unter anderem beinhaltet, dass das Militär auf sämtliche Forschungsergebnisse der Universitäten und technologische Errungenschaften von Staatsunternehmen weitgehend ohne Restriktionen zugreifen kann. Die Volksbefreiungsarmee ist also um ein Vielfaches mächtiger, als sie auf dem Papier erscheinen mag.  

Was die internationale Staatengemeinschaft jedoch am stärksten beunruhigen sollte, ist die nukleare Aufrüstung Chinas. In den letzten drei Jahren konnten US-Forscher aufgrund von Satellitenbildern mehrfach neue Nuklearsilos in den nordwestlichen Wüstengebieten der Volksrepublik entdecken. Derzeit schätzt Washington, dass China bereits rund 500 Nuklearwaffen besitzt. Und sollte dieser Trend anhalten, dürfte das Land innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu Russland und den USA aufschließen – jenen zwei Staaten mit den weltweit meisten Atomwaffen in ihren Beständen.  

Ändert Peking die Strategie?

Vor allem aber stellt sich die Frage, warum Xi Jinping überhaupt weiter nuklear aufrüstet. Denn für die ursprüngliche Strategie der sogenannten Zweitschlagfähigkeit hat das Land längst mehr als genug Sprengköpfe. Die Gleichung ist simpel: China brauchte lediglich ausreichend Atomwaffen, um einen amerikanischen Erstschlag zu überleben, und anschließend einen Gegenangriff zu starten. Dass Peking nun sein Arsenal aufstockt, ergibt also gemessen an der ursprünglichen Strategie keinen Sinn. Es sei denn, Chinas Staatsführung hat ebenjene geändert – und nutzt seine Atommacht statt zu reiner Abschreckung jetzt möglicherweise als Druckmittel, um politische Ziele durchzusetzen

Der Waffentest vom Mittwoch soll nicht zuletzt auch die Funktionsfähigkeit der chinesischen Raketenstreitkräfte unter Beweis stellen. Diese waren nämlich innerhalb der letzten Jahre von einer beispiellosen Säuberungswelle betroffen, bei der es nach offiziellen Angaben um Korruption gegangen sein soll. Mehrere hochrangige Militärs wurden von der Parteiführung entfernt. Das Signal nach außen war damals verheerend: Dass selbst hochrangige Generäle korrupt sind, warf kein gutes Licht auf die Disziplin innerhalb der Volksbefreiungsarmee – und letztlich auch auf die Personalführung Xi Jinpings. Fabian Kretschmer

  • Interkontinentalrakete
  • Joe Biden
  • Militär
  • Universitäten
  • Volksbefreiungsarmee
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ECFR-Studie: Wie die EU einen Angriff auf Taiwan verhindern könnte

Im Mai 2024 führte Chinas Eastern Theater Command rund um Taiwan militärische Manöver durch.

Wie kann China von einem Angriff auf Taiwan abgehalten werden? Diese Frage treibt Analysten auf der ganzen Welt um. Agathe Demarais, Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations (ECFR) glaubt, die Antwort gefunden zu haben. In einer aktuellen Analyse kommt die Wissenschaftlerin zu dem Schluss: Sanktionsdrohungen der EU könnten China von einer möglichen Attacke abhalten. Allerdings müssten die Maßnahmen einige Kriterien erfüllen, um tatsächlich wirkungsvoll zu sein.

Agathe Demarais ist überzeugt: “Europa hat wahrscheinlich mehr Einfluss, als es denkt: China kann es sich nicht leisten, gleichzeitig den Zugang zum US-amerikanischen und zum EU-Markt zu verlieren.” Und so lautet der Titel der Analyse passend: “Hard, fast, and where it hurts.”

Die wichtigsten Punkte der Analyse:

  • Der Marktzugang ist Europas bestes Druckmittel.
  • Keine schrittweise Eskalation der Sanktionen.
  • Nicht den US-Forderungen nach Finanzsanktionen folgen.

Bestes Druckmittel: Zugang zum europäischen Markt

Der Marktzugang ist Europas größter Hebel“, schreibt Demarais. Und hier trifft die Wissenschaftlerin voll ins Schwarze. Chinas Wirtschaftswachstum ist zunehmend abhängig vom Export. Chinas Boom war jahrelange durch nationale Faktoren befeuert – von Ausholeffekten über riesige Infrastrukturprojekte bis hin zu einem rasanten Immobilienmarkt. Doch dieses Modell hat seine Grenzen erreicht, der Export von Industriegütern wird immer wichtiger. Das zeigen die riesigen Überkapazitäten, die nun auf die europäischen und amerikanischen Märkte drängen.

Jedes Jahr produzieren chinesische Firmen so viele Produkte wie ihre Konkurrenten in den USA und der EU zusammen. Fast 20 Prozent des chinesischen BIP sind Exporte – und fast 40 Prozent davon gehen in die G7-EU-Länder. Chinas Handelsüberschüsse mit den G7-Staaten belaufen sich 2023 auf insgesamt 612 Milliarden Dollar. Das bedeutet laut Demarais im Umkehrschluss: Nahezu 100 Millionen chinesische Arbeitsplätze hängen von der Auslandsnachfrage ab. Kurz: China kann es sich nicht leisten, gleichzeitig den Zugang zu allen Märkten der G7 und der EU zu verlieren.

Importverbote und Zölle in zwei Sektoren

Dabei ist Demarais auch die gegenseitige Abhängigkeit bewusst. Denn viele europäische Unternehmen sind auf Lieferung aus China angewiesen – von Rohstoffen über Vorprodukte bis hin zu fertigen Teilen. Der Ausweg: Die EU sollte vorrangig zwei Sektoren ins Visier nehmen: elektronische/elektrische Geräte und Low-End-Produkte wie Schuhe, Kleidung und Spielzeug. Dabei könnten die Sanktionen in Form von Importverboten oder prohibitiv hohen Zöllen daherkommen.

Demarais ist jedenfalls überzeugt: Strikte G7-EU-Importverbote für nicht kritische Konsumgüter könnten der chinesischen Wirtschaft einen schweren Schlag versetzen. Gleichzeitig hätten die Maßnahmen nur moderate Auswirkungen auf die G7- und europäischen Volkswirtschaften.

Alles auf den Tisch: Eine schrittweise Eskalation wäre kontraproduktiv

Um wirksam zu sein, müsste die EU laut Demarais allerdings alle möglichen Maßnahmen direkt ergreifen. Denn gerade große Volkswirtschaften wie Russland und China können sich gut an “milde” Sanktionen anpassen und sich so “immunisieren” gegen spätere und härtere Sanktionen.

Das bedeutet: EU-Politiker sollten hart und schnell vorgehen. “Andernfalls würde China wahrscheinlich nur vorübergehenden wirtschaftlichen Schaden erleiden, den es abtun könnte, während es Immunität gegen härtere Maßnahmen aufbaut”, schreibt Demarais.

Nicht US-Forderungen nach Finanzsanktionen folgen

Gleichzeitig sollte die EU es vermeiden, den Forderungen aus den USA nach Finanzsanktionen nachzukommen. China habe in diesen Bereichen bereits umfassende Maßnahmen ergriffen, um sich vor westlichen Finanzsanktionen zu schützen: eine schrittweise Entdollarisierung, Alternativen zu SWIFT sowie die Einführung digitaler Währungen.

Diese Schritte zielen laut Demarais nicht darauf ab, SWIFT oder den US-Dollar vollkommen abzulösen. Sie bieten China vielmehr einen Ausweg, sollte die Volksrepublik von westlichen Finanzkanälen oder Währungen abgeschnitten werden. Entsprechend haben derartige Schritte nur noch eine begrenzte Wirkung.  

Offene Fragen in der Realität

Es ist eine spannende Analyse, die Agathe Demarais vorlegt. Und doch gibt es einige Aspekte, die in der harten Realität problematisch werden könnten.

  • China: Angesichts der Entschlossenheit, der offiziellen KP-Narrative und der zunehmend harschen Rhetorik in Chinas Führung: Lässt sich Xi Jinping tatsächlich durch EU-Sanktionen von einem Angriff auf Taiwan abhalten?
  • International: Wird die Stärke der EU vielleicht etwas überschätzt?
  • Europa: Gelingt es der EU überhaupt, in so einem umfassenden Punkt geschlossen aufzutreten – sowohl gegenüber China als auch gegenüber den USA und anderen Staaten?

Bleibt zu hoffen, dass ein Krieg um Taiwan ausbleibt – und diese Fragen dann nur allzu gerne unbeantwortet bleiben dürfen.

  • Deutschland
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  • EU
  • Geopolitik
  • Militär
  • Sanktionen
  • Taiwan
  • Zölle
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News

Geheimdienste: Hinweise auf russisches Kampfdrohnen-Programm in China

Russland unterhält in China ein Waffenprogramm zur Entwicklung und Herstellung von Langstrecken-Angriffsdrohnen. Dies geht aus einem Bericht von Reuters hervor, der sich auf Dokumente und zwei Quellen eines europäischen Geheimdienstes stützt. Die Waffen sollen vor allem im Krieg in der Ukraine zum Einsatz kommen.

Die Firma IEMZ Kupol, eine Tochter des russischen Rüstungskonzerns Almas-Antej, hat demnach eine Drohne des Typs Garpija-3 in China mit der Hilfe chinesischer Spezialisten entwickelt und getestet. Einem Dokument zufolge kann die Garpija-3 (G3) rund 2000 Kilometer weit fliegen und 50 Kilogramm Sprengstoff transportieren. In einer späteren Aktualisierung teilte Kupol dem Verteidigungsministerium mit, dass es in der Lage sei, Drohnen einschließlich der G3 in einer Fabrik in China in großem Maßstab zu produzieren, sodass die Waffen bei der “speziellen Militäroperation” in der Ukraine, wie Moskau den Krieg nennt, eingesetzt werden können.

Kupol, der Mutterkonzern Almas-Antej und das russische Verteidigungsministerium reagierten auf Reuters-Anfragen nicht. Das chinesische Außenministerium erklärte, ihnen sei das Projekt nicht bekannt. China hat wiederholt bestritten, dass das Land Russland mit Waffen für den Ukraine-Einsatz beliefert. Sollte Gegenteiliges bewiesen werden, besteht für China die Gefahr, von internationalen Sanktionen getroffen zu werden. rtr

  • Drohnen
  • Militär
  • Russland
  • Ukraine-Krieg

Wegen Kritik an Xi: Bekannter Ökonom verschwunden

Der bekannte Wirtschaftswissenschaftler Zhu Hengpeng ist offenbar verhaftet und seiner Ämter enthoben worden. Nach einer Meldung des Wall Street Journal wurden gegen Zhu Ermittlungen eingeleitet, weil er in einer privaten Chatgruppe die Wirtschaftspolitik Xi Jinpings kritisiert haben soll.

Zhu Hengpeng diente in den letzten zehn Jahren als stellvertretender Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften an der staatlichen Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (CASS), einem Thinktank, der die Partei- und Regierungsführung bei der Politikgestaltung berät. Wie das WSJ berichtet, wurde sein Name schon vor Monaten aus der Online-Liste der Mitarbeiter getilgt.

Zhu, der in diesem Monat 55 Jahre alt wird, wurde laut Medienberichten bereits im Frühjahr verhaftet, nachdem er in einem privaten Gruppenchat auf WeChat angeblich angemerkt hatte, dass Xi Jinping der chinesischen Volkswirtschaft Schaden zufüge. Der letzte bekannte öffentliche Auftritt Zhus war Ende April, als er auf einer Konferenz der Altenpflegeindustrie sprach. Zur nächsten geplanten Veranstaltung am 25. Mai an der Tsinghua-Universität erschien er bereits nicht mehr. Die genauen Vorwürfe und der derzeitige Stand der Ermittlungen konnten laut WSJ bislang nicht ermittelt werden. fpe

  • Meinungsfreiheit
  • Wirtschaft

Klima: Was EU-Kommissar Hoekstra von Peking fordert

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra hat China wegen Subventionen von Clean Tech kritisiert. “Wir haben tatsächlich ein China-Problem”, sagte Hoekstra in einem Interview mit Bloomberg Television. “Es kann nicht sein, dass unsere Unternehmen pleitegehen, weil der Markt mit staatlich subventionierten Produkten überschwemmt wird”, fügte er hinzu. “Das wird am Ende die europäische Industrie töten und das werden wir nicht zulassen.” Hoekstra wurde von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für weitere fünf Jahre als EU-Klimakommissar nominiert und wird sein Portfolio um die Steuerpolitik erweitern. 

Peking sei nun reich genug, um zu den weltweiten Bemühungen beizutragen, Finanzmittel für Entwicklungsländer bereitzustellen, um diesen bei der Bewältigung der Auswirkungen der globalen Erwärmung zu helfen. China zögert seit langem, zu den globalen Klimafinanzierungszielen beizutragen, und argumentiert, dies sei die Verantwortung der reichsten Länder, die seit der industriellen Revolution die meisten CO₂-Emissionen verursacht haben.

China zum Zahlen zu bewegen wird eine der größten Herausforderungen sein, wenn sich die globalen Klimaverhandler in sieben Wochen bei der COP29 in Aserbaidschan treffen, um ein neues Finanzziel für die Zeit nach 2025 zu vereinbaren. “Wenn man wie China in der Lage ist, eine Mission zum Mond zu fliegen, dann kann man auch mehr im Bereich Klimaschutz zahlen”, sagte Hoekstra. ari

  • CO2-Emissionen
  • COP29
  • EU-Kommission
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  • Ursula von der Leyen

Xinjiang: Warum Peking gegen das US-Unternehmen PVH ermittelt

China ermittelt gegen den US-Modekonzern PVH wegen des Vorwurfs, Baumwolle und andere Produkte aus der Provinz Xinjiang zu boykottieren. PVH, dem Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger gehören, handle ohne faktische Grundlage und verletze damit die Rechte chinesischer Firmen sowie die Entwicklungsinteressen Chinas, teilte das Handelsministerium in Peking mit. Das Unternehmen könnte damit in China auf eine schwarze Liste geraten.

PVH erklärte laut US-Medienberichten, mit der chinesischen Behörde in Kontakt zu stehen und beteuerte, sich strikt an relevante Gesetze in allen Ländern zu halten. Das Handelsministerium gab dem New Yorker Unternehmen laut der gestrigen Ankündigung 30 Tage Zeit, um auf den Vorwurf, in den vergangenen drei Jahren “diskriminierende Maßnahmen” gegen Produkte aus Xinjiang ergriffen zu haben, zu antworten.

Bei den europäischen Unternehmen in der Volksrepublik habe die angekündigte Untersuchung Besorgnis ausgelöst, erklärte die EU-Handelskammer in China in einer Mitteilung. “Europäische Unternehmen befinden sich zunehmend in einer Zwickmühle“, hieß es weiter. Wenn sei ihre Tätigkeit in Regionen wie Xinjiang einstellten, müssten sie mit heftigen Reaktionen Pekings und der Verbraucher rechnen. Wenn sie bleiben, riskierten sie negative Konsequenzen auf anderen Märkten oder Rufschädigung.

Chinas Außenamt betonte, Peking wolle die Öffnung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vorantreiben. Bislang sei nur eine kleine Zahl an ausländischen Firmen von der Liste “unzuverlässiger” Unternehmen betroffen gewesen. ari

  • EU-Handelskammer
  • Handel
  • USA
  • Xinjiang

Umweltschutz: Italien wirft Shein Irreführung vor

Die italienische Kartellbehörde hat eine Untersuchung gegen das Unternehmen Infinite Styles Services CO. Limited eingeleitet, das die Website und die App von Shein betreibt. Hintergrund sind angeblich irreführende Aussagen zum Umweltschutz. Die Internetpräsenz des chinesischen Fast-Fashion-Anbieters versuche, “ein Bild der kommerziellen Nachhaltigkeit ihrer Kleidungsstücke durch allgemeine, vage, verwirrende und/oder irreführende Umweltaussagen zu vermitteln”, erklärte Italiens Kartellbehörde am Mittwoch. Die als nachhaltig deklarierte Bekleidungskollektion “evoluSHEIN” informiere die Verbraucher beispielsweise nicht darüber, dass die Kleidungsstücke nicht weiter recycelt werden können.

Nach den Anti-Greenwashing-Vorschriften der Europäischen Union, die in diesem Jahr in Kraft getreten sind und in zwei Jahren in allen Mitgliedstaaten gelten werden, ist es Unternehmen untersagt, vage Umweltaussagen über ihre Produkte zu machen. Dazu gehört auch die Warenproduktion als “energieeffizient” oder “umweltfreundlich” zu bezeichnen, wenn gleichzeitig keine Beweise dafür vorgelegt werden können. Die Behandlung von Arbeitnehmern und die Umweltbilanz des chinesischen Textil-Unternehmens sind nach Berichten über eine mögliche Börsennotierung in London zuletzt verstärkt in den Blickpunkt gerückt. rtr


  • Greenwashing
  • Umwelt

Presseschau

UN-Vollversammlung: Selenskyj erteilt China und Brasilien eine Absage – und setzt auf eigenen Friedensplan RND
China fordert Ende von Waffenlieferungen an die Ukraine LUXEMBURGER WORT
China Accuses U.S. of Supplying Russia With Weapon Components NEWSWEEK
Tausende Kilometer Reichweite: China testet Interkontinental-Rakete ZDF
Manöver im Pazifik: Was hinter Chinas Raketentest steckt SPIEGEL
Erstmals komplettes Waffensystem – Kreise: China baut Kampfdrohnen für Russland N-TV
Wiederannäherung im Zeichen der Vorsicht: Chinas Marine zu Besuch in den USA TELEPOLIS
China auf dem Vormarsch: Wird Deutschlands Sicherheit im Indo-Pazifik verteidigt? TAGESSPIEGEL
Wie Taiwan um einen Platz in der UNO kämpft DIE PRESSE
Wirtschaftswachstum: Sieben asiatische Schwellenländer ziehen 2025 an China vorbei HANDELSBLATT
China wirft US-Modekonzern PVH Diskriminierung vor und ermittelt MERKUR
Chinas hohe Jugendarbeitslosigkeit wird auch für Deutschland zum Problem MERKUR
Neue Abhängigkeiten – Chinas Vormarsch in der Windenergie: Droht der Ausverkauf einer Schlüsselindustrie? INDUSTRIEMAGAZIN
Nach Zinssenkungen der Zentralbank: Chinesischer Yuan erreicht 16-Monats-Hoch BUSINESS INSIDER
China senkt weiteren Zins – nun wird der Zins für einjährige Refinanzierungsgelder der Banken deutlich von 2,3 auf 2% zurückgenommen BÖRSEN-ZEITUNG
Immobilienkrise: Das Wirtschaftswunderland China steckt in der Schuldenfalle HANDELSBLATT
Chinas Zentralbank tritt in Aktion – präsentiert umfangreichstes Wirtschaftspaket seit der Pandemie FR
China’s Shock-and-Awe Package Misses Key Element: Fiscal Policy BLOOMBERG
China Seeks to Resolve Structural Issues to Shore Up Employment BLOOMBERG
China to Give Cash Handouts for the Poor in Rare Use of Aid BLOOMBERG
Industriemesse in Shanghai: Chinas Roboterhersteller setzen aufs Ausland HANDELSBLATT
Weniger neue Industrieroboter in Chinas Fabriken – Indien stockt auf FAZ
Schulden wegen kostspieliger Lebensführung: Zu teuer – finnischer Zoo schickt Pandas zurück nach China SPIEGEL
China is churning out AI research but “decoupled” from global networks, report finds SCMP

Heads

Yuan Yang: Großbritanniens erste in China geborene Parlamentsabgeordnete

Yuan Yang in ihrem Wahlkreis Earley and Woodley in Südostengland.

“Meine Freunde in Großbritannien nennen sich, ausgesperrt aus London, ‘Generation Miete’. Meine Freunde in Peking sind die ‘Generation Involution’, Teil eines Systems, das immer mehr Mühe absorbiert und immer weniger Ertrag bringt.” Wenn Yuan Yang über ihre Erfahrungen in China schreibt, so schreibt sie oft über ihre eigene Generation, genannt Jiǔlínghòu (“九零后 – die ab 1990 Geborenen”). 

Doch während sich ihre Altersgenossen in China inmitten immer größer werdender Konkurrenz um Uni- und Arbeitsplätze und schrumpfender Freiheitsräume ihren Weg bahnten, wuchs Yuan Yang als Teil der “Generation Miete” nahe London auf. Ihre Eltern waren in China beide Unidozenten gewesen und einige Zeit zuvor auf eigene Faust als junges Paar nach England emigriert. Yuan Yang verbrachte ihre ersten Lebensjahre bei ihren Großeltern in einer kleinen Stadt in den Bergen der Provinz Sichuan, tief im Landesinneren Chinas. Dann holten ihre Eltern sie zu sich.

Die Einwandererfamilie baute sich in Reading, knapp 70 Kilometer westlich der britischen Hauptstadt, ein neues Leben auf. Yuan Yang schaffte nach der Schule den Sprung an die Oxford University; im Master studierte sie Wirtschaft an der London School of Economics. Nach dem Studium, mit 26 Jahren, ging sie als Chinakorrespondentin der Financial Times nach Peking. Es war eine Wiederbegegnung mit dem Land ihrer Herkunft, das sie ab dem fünften Lebensjahr nur von Sommerurlauben kannte.

Kürzlich erschienenes Buch “Private Revolutions

In Peking schrieb sie vor allem zu wirtschaftlichen Themen, doch zugleich bewegte sie das Schicksal ihrer eigenen Generation. Während ihrer sechs Jahre in China dokumentierte sie insbesondere die Lebenswege junger Frauen. Einige dieser Geschichten erzählt sie in ihrem Buch “Private Revolutions”, das diesen März erschienen ist. Die darin porträtierten vier Frauen kämpften und kämpfen auf unterschiedliche Arten gegen traditionelle Rollenbilder an; ihre Wege führen die meisten von ihnen vom Land in die großen Städte. Eine von ihnen, Sam, eine Aktivistin für Arbeiterrechte, verschwand 2018 während einer Welle von Repressionen der Regierung.

Als ihr Buch herauskam, war Yuan Yang bereits zurück in Großbritannien – und vor allem mit Wahlkampf beschäftigt. Für die Labourpartei kandidierte sie bei den Parlamentswahlen im Juli im neu geschaffenen Wahlkreis Earley and Woodley bei Reading. Beim deutlichen Wahlsieg der Labour Partei setzte sie sich gegen den Kandidaten der Konservativen durch. Nun ist sie die erste in China geborene Parlamentsabgeordnete Großbritanniens – und eine der einzigen in ganz Europa. Im Bundestag gibt es keine Abgeordneten mit chinesischer Migrationsgeschichte.

Lokaler Fokus als Abgeordnete

Yuan Yang wurde nach eigener Schilderung durch die Finanzkrise politisiert. Während des Studiums gründete sie die Organisation Rethinking Economics, setzte sich so für eine größere Pluralität in den recht dogmatischen Wirtschaftswissenschaften ein. Noch vor ihrer Zeit in China trat sie in die Labourpartei ein.

Als Angeordnete verspricht sie, ihren Lebensmittelpunkt in ihrem Wahlkreis zu behalten, hält Bürgersprechstunden ab und verwendet einen großen Teil ihrer Energie darauf, für einen Krankenhausneubau zu kämpfen. Eine Interviewanfrage lehnte sie ab: zu viele Fragen zur britischen Handels- und Außenpolitik gegenüber China, das sei nicht der Schwerpunkt ihrer Arbeit.

Unsere Vielfalt macht uns stärker”

Doch ihre Lebensgeschichte prägt ihre Arbeit auf anderen Wegen. Eines ihrer Herzensthemen ist die Arbeit mit migrantischen Communitys und gegen Rassismus. Auch für die Belange von Migranten aus Hongkong, die nach der Niederschlagung der Proteste 2019 nach Großbritannien kamen, setzt sie sich ein. 

Sie spricht über die Demokratie in Großbritannien nicht als Selbstverständlichkeit, sondern als Errungenschaft, die es zu verteidigen und zu erneuern gilt. “Ich wäre glücklich, nur ein wenig von dem Mut der Menschen zu haben, die ich als Journalistin interviewt habe”, bemerkte sie bei ihrer ersten Rede im britischen Parlament, untermalt mit dezenten Spitzen britischen Humors. Und über ihre neue Heimat Earley and Woodley sagte Yuan Yang: “Wir sind stolz auf unsere Vielfalt, unsere Vielfalt macht uns stärker.” Man möchte sich wünschen, solche Sätze in Zukunft auch von Bundestagsabgeordneten mit chinesischer Migrationsgeschichte hören zu können. Leonardo Pape

  • Großbritannien
  • Studium

Personalien

Molly Liu wird Leiterin des China-Geschäfts von Starbucks. Sie war bereits seit vergangenem Jahr als Co-CEO für die Region tätig. Starbucks hat mit einer schwachen Nachfrage in seinen beiden größten Märkten, den USA und China, zu kämpfen. Liu soll das Geschäft stabilisieren, das von preisgünstigeren lokalen Konkurrenten bedroht wird.

Zdeněk Rod wird neuer Research Fellow am Central European Institute of Asian Studies (CEIAS). Rods Expertise liegt in den Bereichen Sicherheitsstudien, Konfliktlösung, hybride Bedrohungen und strategische Kommunikation. Zuletzt beschäftigte er sich unter anderem mit Chinas und Russlands Rolle in der Arktis.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Klettern ist in China die Trend-Sportart der Saison. Ihre Popularität hängt auch mit dem Erfolg des chinesischen Athleten Wu Peng zusammen, der bei den Olympischen Spielen in Paris eine Silbermedaille im Speedklettern gewann. Auf Social-Media zeigen sich Anfänger und Fortgeschrittene nun in dramatischen Kletterposen, gerne auch in körperbetonten Outfits. Einige Sportstudenten haben darin bereits die Marktlücke erkannt und bieten ihre Dienste als Hiking- und Kletterpartner an, die einen im Ernstfall auch mal die letzten Meter bis nach oben tragen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Am Mittwochmorgen sorgte China mit einem unerwarteten Raketentest für Aufsehen: Eine Interkontinentalrakete landete im Pazifik – der erste derartige Test seit 44 Jahren. Laut Experten ist der Test mehr als Routine, schreibt Fabian Kretschmer. Es geht um eine gezielte Machtdemonstration, vor allem auch in Richtung der USA. Plant China, seine Atomwaffen als politisches Druckmittel einzusetzen oder gar in naher Zukunft tatsächlich loszuschlagen?

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    Amelie Richter
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    Analyse

    Raketentest: Was Chinas Machtdemonstration im Pazifik bedeutet

    Bei der Militärparade zum 70. Jahrestag der Volksrepublik China zeigte Peking diese Interkontinentalraketen vom Typ DF-41 Dongfeng, die eine Reichweite von bis zu 14.000 Kilometer haben.

    Am Mittwochmorgen um 08:44 Uhr Ortszeit flog die chinesische Interkontinentalrakete, ausgestattet mit einer Sprengstoffattrappe, in hohem Bogen in den Pazifik. Für die Weltöffentlichkeit war der Waffentest eine riesige Überraschung. Sprecher Zhang Xiaogang vom Verteidigungsministerium hingegen sprach von reiner “Routine”: Der Test stehe “im Einklang mit dem Völkerrecht und richtet sich nicht gegen ein bestimmtes Land oder Ziel”. 

    Doch von Routine kann tatsächlich keine Rede sein. Denn Chinas letzter Start einer Interkontinentalrakete über dem Pazifik liegt gut 44 Jahre zurück. Was also will die Volksbefreiungsarmee mit dieser militärischen Machtdemonstration bezwecken? Laut Experten ist die vielleicht wichtigste Botschaft, dass das notorisch intransparente China den Raketentest überhaupt öffentlich gemacht hat. Offensichtlich möchte es Stärke nach außen projizieren.

    Und auch wenn das Säbelrasseln laut Angaben des Verteidigungsministeriums nicht gegen ein bestimmtes Land gerichtet ist, dürfte dies in der Region anders interpretiert werden. “Sie signalisieren, dass China in der Lage ist, US-Territorium mit Atomwaffen zu treffen”, zitiert die Financial Times den taiwanischen Professor Lin Ying-yu. Jener Raketentest würde die Verhandlungsposition Pekings stärken, ehe Xi Jinping in den kommenden Wochen ein mutmaßlich letztes Telefongespräch mit US-Präsident Joe Biden vor dessen Amtszeitende abhält. 

    Drei Flugzeugträger stechen in See

    Doch auch bei Chinas direkten Nachbarn wird die rasante militärische Aufrüstung mindestens ebenso skeptisch beäugt. So haben sowohl Japan, Indien, Bhutan, Vietnam, Taiwan als auch die Philippinen ungelöste territoriale Streitigkeiten mit der Volksrepublik. Weitere Konflikte, darunter auch mit Russland und Nordkorea, sind zwar momentan beigelegt, könnten aber jederzeit wieder ausbrechen. 

    Die Volksbefreiungsarmee ist derzeit besonders aktiv. So hat sie in den letzten Monaten regelmäßige Militärübungen auf See und in der Luft durchgeführt, darunter auch gemeinsam mit den Armeen Russlands und des Iran. Erstmals ließ die chinesische Marine zudem am Mittwoch sämtliche der drei chinesischen Flugzeugträger gleichzeitig in See stechen. Vom taiwanischen Verteidigungsministerium heißt es, dass man aktuell “intensive Raketentestübungen und andere Aktivitäten” der Volksbefreiungsarmee beobachtet habe. 

    Fakt ist: China steigert sein Militärbudget seit über drei Dekaden jährlich um mindestens sechs Prozent. Kritiker wenden zwar ein, dass dieses mit insgesamt 232 Milliarden Dollar nach wie vor nur ein Bruchteil des US-Etats ausmacht. Jedoch greift dieser Vergleich zu kurz – allein schon, weil die absoluten Zahlen aufgrund der unterschiedlichen Kaufkraft zwischen den zwei Staaten nicht vergleichbar sind.  

    Volksbefreiungsarmee mächtiger als es scheint

    In China gibt es etliche versteckte Kostenpunkte des Militärs, die aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht in den offiziellen Zahlen auftauchen. Zudem hat Xi Jinping eine Strategie der sogenannten “militärisch-zivilen Fusion” forciert, die unter anderem beinhaltet, dass das Militär auf sämtliche Forschungsergebnisse der Universitäten und technologische Errungenschaften von Staatsunternehmen weitgehend ohne Restriktionen zugreifen kann. Die Volksbefreiungsarmee ist also um ein Vielfaches mächtiger, als sie auf dem Papier erscheinen mag.  

    Was die internationale Staatengemeinschaft jedoch am stärksten beunruhigen sollte, ist die nukleare Aufrüstung Chinas. In den letzten drei Jahren konnten US-Forscher aufgrund von Satellitenbildern mehrfach neue Nuklearsilos in den nordwestlichen Wüstengebieten der Volksrepublik entdecken. Derzeit schätzt Washington, dass China bereits rund 500 Nuklearwaffen besitzt. Und sollte dieser Trend anhalten, dürfte das Land innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu Russland und den USA aufschließen – jenen zwei Staaten mit den weltweit meisten Atomwaffen in ihren Beständen.  

    Ändert Peking die Strategie?

    Vor allem aber stellt sich die Frage, warum Xi Jinping überhaupt weiter nuklear aufrüstet. Denn für die ursprüngliche Strategie der sogenannten Zweitschlagfähigkeit hat das Land längst mehr als genug Sprengköpfe. Die Gleichung ist simpel: China brauchte lediglich ausreichend Atomwaffen, um einen amerikanischen Erstschlag zu überleben, und anschließend einen Gegenangriff zu starten. Dass Peking nun sein Arsenal aufstockt, ergibt also gemessen an der ursprünglichen Strategie keinen Sinn. Es sei denn, Chinas Staatsführung hat ebenjene geändert – und nutzt seine Atommacht statt zu reiner Abschreckung jetzt möglicherweise als Druckmittel, um politische Ziele durchzusetzen

    Der Waffentest vom Mittwoch soll nicht zuletzt auch die Funktionsfähigkeit der chinesischen Raketenstreitkräfte unter Beweis stellen. Diese waren nämlich innerhalb der letzten Jahre von einer beispiellosen Säuberungswelle betroffen, bei der es nach offiziellen Angaben um Korruption gegangen sein soll. Mehrere hochrangige Militärs wurden von der Parteiführung entfernt. Das Signal nach außen war damals verheerend: Dass selbst hochrangige Generäle korrupt sind, warf kein gutes Licht auf die Disziplin innerhalb der Volksbefreiungsarmee – und letztlich auch auf die Personalführung Xi Jinpings. Fabian Kretschmer

    • Interkontinentalrakete
    • Joe Biden
    • Militär
    • Universitäten
    • Volksbefreiungsarmee
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    ECFR-Studie: Wie die EU einen Angriff auf Taiwan verhindern könnte

    Im Mai 2024 führte Chinas Eastern Theater Command rund um Taiwan militärische Manöver durch.

    Wie kann China von einem Angriff auf Taiwan abgehalten werden? Diese Frage treibt Analysten auf der ganzen Welt um. Agathe Demarais, Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations (ECFR) glaubt, die Antwort gefunden zu haben. In einer aktuellen Analyse kommt die Wissenschaftlerin zu dem Schluss: Sanktionsdrohungen der EU könnten China von einer möglichen Attacke abhalten. Allerdings müssten die Maßnahmen einige Kriterien erfüllen, um tatsächlich wirkungsvoll zu sein.

    Agathe Demarais ist überzeugt: “Europa hat wahrscheinlich mehr Einfluss, als es denkt: China kann es sich nicht leisten, gleichzeitig den Zugang zum US-amerikanischen und zum EU-Markt zu verlieren.” Und so lautet der Titel der Analyse passend: “Hard, fast, and where it hurts.”

    Die wichtigsten Punkte der Analyse:

    • Der Marktzugang ist Europas bestes Druckmittel.
    • Keine schrittweise Eskalation der Sanktionen.
    • Nicht den US-Forderungen nach Finanzsanktionen folgen.

    Bestes Druckmittel: Zugang zum europäischen Markt

    Der Marktzugang ist Europas größter Hebel“, schreibt Demarais. Und hier trifft die Wissenschaftlerin voll ins Schwarze. Chinas Wirtschaftswachstum ist zunehmend abhängig vom Export. Chinas Boom war jahrelange durch nationale Faktoren befeuert – von Ausholeffekten über riesige Infrastrukturprojekte bis hin zu einem rasanten Immobilienmarkt. Doch dieses Modell hat seine Grenzen erreicht, der Export von Industriegütern wird immer wichtiger. Das zeigen die riesigen Überkapazitäten, die nun auf die europäischen und amerikanischen Märkte drängen.

    Jedes Jahr produzieren chinesische Firmen so viele Produkte wie ihre Konkurrenten in den USA und der EU zusammen. Fast 20 Prozent des chinesischen BIP sind Exporte – und fast 40 Prozent davon gehen in die G7-EU-Länder. Chinas Handelsüberschüsse mit den G7-Staaten belaufen sich 2023 auf insgesamt 612 Milliarden Dollar. Das bedeutet laut Demarais im Umkehrschluss: Nahezu 100 Millionen chinesische Arbeitsplätze hängen von der Auslandsnachfrage ab. Kurz: China kann es sich nicht leisten, gleichzeitig den Zugang zu allen Märkten der G7 und der EU zu verlieren.

    Importverbote und Zölle in zwei Sektoren

    Dabei ist Demarais auch die gegenseitige Abhängigkeit bewusst. Denn viele europäische Unternehmen sind auf Lieferung aus China angewiesen – von Rohstoffen über Vorprodukte bis hin zu fertigen Teilen. Der Ausweg: Die EU sollte vorrangig zwei Sektoren ins Visier nehmen: elektronische/elektrische Geräte und Low-End-Produkte wie Schuhe, Kleidung und Spielzeug. Dabei könnten die Sanktionen in Form von Importverboten oder prohibitiv hohen Zöllen daherkommen.

    Demarais ist jedenfalls überzeugt: Strikte G7-EU-Importverbote für nicht kritische Konsumgüter könnten der chinesischen Wirtschaft einen schweren Schlag versetzen. Gleichzeitig hätten die Maßnahmen nur moderate Auswirkungen auf die G7- und europäischen Volkswirtschaften.

    Alles auf den Tisch: Eine schrittweise Eskalation wäre kontraproduktiv

    Um wirksam zu sein, müsste die EU laut Demarais allerdings alle möglichen Maßnahmen direkt ergreifen. Denn gerade große Volkswirtschaften wie Russland und China können sich gut an “milde” Sanktionen anpassen und sich so “immunisieren” gegen spätere und härtere Sanktionen.

    Das bedeutet: EU-Politiker sollten hart und schnell vorgehen. “Andernfalls würde China wahrscheinlich nur vorübergehenden wirtschaftlichen Schaden erleiden, den es abtun könnte, während es Immunität gegen härtere Maßnahmen aufbaut”, schreibt Demarais.

    Nicht US-Forderungen nach Finanzsanktionen folgen

    Gleichzeitig sollte die EU es vermeiden, den Forderungen aus den USA nach Finanzsanktionen nachzukommen. China habe in diesen Bereichen bereits umfassende Maßnahmen ergriffen, um sich vor westlichen Finanzsanktionen zu schützen: eine schrittweise Entdollarisierung, Alternativen zu SWIFT sowie die Einführung digitaler Währungen.

    Diese Schritte zielen laut Demarais nicht darauf ab, SWIFT oder den US-Dollar vollkommen abzulösen. Sie bieten China vielmehr einen Ausweg, sollte die Volksrepublik von westlichen Finanzkanälen oder Währungen abgeschnitten werden. Entsprechend haben derartige Schritte nur noch eine begrenzte Wirkung.  

    Offene Fragen in der Realität

    Es ist eine spannende Analyse, die Agathe Demarais vorlegt. Und doch gibt es einige Aspekte, die in der harten Realität problematisch werden könnten.

    • China: Angesichts der Entschlossenheit, der offiziellen KP-Narrative und der zunehmend harschen Rhetorik in Chinas Führung: Lässt sich Xi Jinping tatsächlich durch EU-Sanktionen von einem Angriff auf Taiwan abhalten?
    • International: Wird die Stärke der EU vielleicht etwas überschätzt?
    • Europa: Gelingt es der EU überhaupt, in so einem umfassenden Punkt geschlossen aufzutreten – sowohl gegenüber China als auch gegenüber den USA und anderen Staaten?

    Bleibt zu hoffen, dass ein Krieg um Taiwan ausbleibt – und diese Fragen dann nur allzu gerne unbeantwortet bleiben dürfen.

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    News

    Geheimdienste: Hinweise auf russisches Kampfdrohnen-Programm in China

    Russland unterhält in China ein Waffenprogramm zur Entwicklung und Herstellung von Langstrecken-Angriffsdrohnen. Dies geht aus einem Bericht von Reuters hervor, der sich auf Dokumente und zwei Quellen eines europäischen Geheimdienstes stützt. Die Waffen sollen vor allem im Krieg in der Ukraine zum Einsatz kommen.

    Die Firma IEMZ Kupol, eine Tochter des russischen Rüstungskonzerns Almas-Antej, hat demnach eine Drohne des Typs Garpija-3 in China mit der Hilfe chinesischer Spezialisten entwickelt und getestet. Einem Dokument zufolge kann die Garpija-3 (G3) rund 2000 Kilometer weit fliegen und 50 Kilogramm Sprengstoff transportieren. In einer späteren Aktualisierung teilte Kupol dem Verteidigungsministerium mit, dass es in der Lage sei, Drohnen einschließlich der G3 in einer Fabrik in China in großem Maßstab zu produzieren, sodass die Waffen bei der “speziellen Militäroperation” in der Ukraine, wie Moskau den Krieg nennt, eingesetzt werden können.

    Kupol, der Mutterkonzern Almas-Antej und das russische Verteidigungsministerium reagierten auf Reuters-Anfragen nicht. Das chinesische Außenministerium erklärte, ihnen sei das Projekt nicht bekannt. China hat wiederholt bestritten, dass das Land Russland mit Waffen für den Ukraine-Einsatz beliefert. Sollte Gegenteiliges bewiesen werden, besteht für China die Gefahr, von internationalen Sanktionen getroffen zu werden. rtr

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    Wegen Kritik an Xi: Bekannter Ökonom verschwunden

    Der bekannte Wirtschaftswissenschaftler Zhu Hengpeng ist offenbar verhaftet und seiner Ämter enthoben worden. Nach einer Meldung des Wall Street Journal wurden gegen Zhu Ermittlungen eingeleitet, weil er in einer privaten Chatgruppe die Wirtschaftspolitik Xi Jinpings kritisiert haben soll.

    Zhu Hengpeng diente in den letzten zehn Jahren als stellvertretender Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften an der staatlichen Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (CASS), einem Thinktank, der die Partei- und Regierungsführung bei der Politikgestaltung berät. Wie das WSJ berichtet, wurde sein Name schon vor Monaten aus der Online-Liste der Mitarbeiter getilgt.

    Zhu, der in diesem Monat 55 Jahre alt wird, wurde laut Medienberichten bereits im Frühjahr verhaftet, nachdem er in einem privaten Gruppenchat auf WeChat angeblich angemerkt hatte, dass Xi Jinping der chinesischen Volkswirtschaft Schaden zufüge. Der letzte bekannte öffentliche Auftritt Zhus war Ende April, als er auf einer Konferenz der Altenpflegeindustrie sprach. Zur nächsten geplanten Veranstaltung am 25. Mai an der Tsinghua-Universität erschien er bereits nicht mehr. Die genauen Vorwürfe und der derzeitige Stand der Ermittlungen konnten laut WSJ bislang nicht ermittelt werden. fpe

    • Meinungsfreiheit
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    Klima: Was EU-Kommissar Hoekstra von Peking fordert

    EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra hat China wegen Subventionen von Clean Tech kritisiert. “Wir haben tatsächlich ein China-Problem”, sagte Hoekstra in einem Interview mit Bloomberg Television. “Es kann nicht sein, dass unsere Unternehmen pleitegehen, weil der Markt mit staatlich subventionierten Produkten überschwemmt wird”, fügte er hinzu. “Das wird am Ende die europäische Industrie töten und das werden wir nicht zulassen.” Hoekstra wurde von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für weitere fünf Jahre als EU-Klimakommissar nominiert und wird sein Portfolio um die Steuerpolitik erweitern. 

    Peking sei nun reich genug, um zu den weltweiten Bemühungen beizutragen, Finanzmittel für Entwicklungsländer bereitzustellen, um diesen bei der Bewältigung der Auswirkungen der globalen Erwärmung zu helfen. China zögert seit langem, zu den globalen Klimafinanzierungszielen beizutragen, und argumentiert, dies sei die Verantwortung der reichsten Länder, die seit der industriellen Revolution die meisten CO₂-Emissionen verursacht haben.

    China zum Zahlen zu bewegen wird eine der größten Herausforderungen sein, wenn sich die globalen Klimaverhandler in sieben Wochen bei der COP29 in Aserbaidschan treffen, um ein neues Finanzziel für die Zeit nach 2025 zu vereinbaren. “Wenn man wie China in der Lage ist, eine Mission zum Mond zu fliegen, dann kann man auch mehr im Bereich Klimaschutz zahlen”, sagte Hoekstra. ari

    • CO2-Emissionen
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    • Klima
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    Xinjiang: Warum Peking gegen das US-Unternehmen PVH ermittelt

    China ermittelt gegen den US-Modekonzern PVH wegen des Vorwurfs, Baumwolle und andere Produkte aus der Provinz Xinjiang zu boykottieren. PVH, dem Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger gehören, handle ohne faktische Grundlage und verletze damit die Rechte chinesischer Firmen sowie die Entwicklungsinteressen Chinas, teilte das Handelsministerium in Peking mit. Das Unternehmen könnte damit in China auf eine schwarze Liste geraten.

    PVH erklärte laut US-Medienberichten, mit der chinesischen Behörde in Kontakt zu stehen und beteuerte, sich strikt an relevante Gesetze in allen Ländern zu halten. Das Handelsministerium gab dem New Yorker Unternehmen laut der gestrigen Ankündigung 30 Tage Zeit, um auf den Vorwurf, in den vergangenen drei Jahren “diskriminierende Maßnahmen” gegen Produkte aus Xinjiang ergriffen zu haben, zu antworten.

    Bei den europäischen Unternehmen in der Volksrepublik habe die angekündigte Untersuchung Besorgnis ausgelöst, erklärte die EU-Handelskammer in China in einer Mitteilung. “Europäische Unternehmen befinden sich zunehmend in einer Zwickmühle“, hieß es weiter. Wenn sei ihre Tätigkeit in Regionen wie Xinjiang einstellten, müssten sie mit heftigen Reaktionen Pekings und der Verbraucher rechnen. Wenn sie bleiben, riskierten sie negative Konsequenzen auf anderen Märkten oder Rufschädigung.

    Chinas Außenamt betonte, Peking wolle die Öffnung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vorantreiben. Bislang sei nur eine kleine Zahl an ausländischen Firmen von der Liste “unzuverlässiger” Unternehmen betroffen gewesen. ari

    • EU-Handelskammer
    • Handel
    • USA
    • Xinjiang

    Umweltschutz: Italien wirft Shein Irreführung vor

    Die italienische Kartellbehörde hat eine Untersuchung gegen das Unternehmen Infinite Styles Services CO. Limited eingeleitet, das die Website und die App von Shein betreibt. Hintergrund sind angeblich irreführende Aussagen zum Umweltschutz. Die Internetpräsenz des chinesischen Fast-Fashion-Anbieters versuche, “ein Bild der kommerziellen Nachhaltigkeit ihrer Kleidungsstücke durch allgemeine, vage, verwirrende und/oder irreführende Umweltaussagen zu vermitteln”, erklärte Italiens Kartellbehörde am Mittwoch. Die als nachhaltig deklarierte Bekleidungskollektion “evoluSHEIN” informiere die Verbraucher beispielsweise nicht darüber, dass die Kleidungsstücke nicht weiter recycelt werden können.

    Nach den Anti-Greenwashing-Vorschriften der Europäischen Union, die in diesem Jahr in Kraft getreten sind und in zwei Jahren in allen Mitgliedstaaten gelten werden, ist es Unternehmen untersagt, vage Umweltaussagen über ihre Produkte zu machen. Dazu gehört auch die Warenproduktion als “energieeffizient” oder “umweltfreundlich” zu bezeichnen, wenn gleichzeitig keine Beweise dafür vorgelegt werden können. Die Behandlung von Arbeitnehmern und die Umweltbilanz des chinesischen Textil-Unternehmens sind nach Berichten über eine mögliche Börsennotierung in London zuletzt verstärkt in den Blickpunkt gerückt. rtr


    • Greenwashing
    • Umwelt

    Presseschau

    UN-Vollversammlung: Selenskyj erteilt China und Brasilien eine Absage – und setzt auf eigenen Friedensplan RND
    China fordert Ende von Waffenlieferungen an die Ukraine LUXEMBURGER WORT
    China Accuses U.S. of Supplying Russia With Weapon Components NEWSWEEK
    Tausende Kilometer Reichweite: China testet Interkontinental-Rakete ZDF
    Manöver im Pazifik: Was hinter Chinas Raketentest steckt SPIEGEL
    Erstmals komplettes Waffensystem – Kreise: China baut Kampfdrohnen für Russland N-TV
    Wiederannäherung im Zeichen der Vorsicht: Chinas Marine zu Besuch in den USA TELEPOLIS
    China auf dem Vormarsch: Wird Deutschlands Sicherheit im Indo-Pazifik verteidigt? TAGESSPIEGEL
    Wie Taiwan um einen Platz in der UNO kämpft DIE PRESSE
    Wirtschaftswachstum: Sieben asiatische Schwellenländer ziehen 2025 an China vorbei HANDELSBLATT
    China wirft US-Modekonzern PVH Diskriminierung vor und ermittelt MERKUR
    Chinas hohe Jugendarbeitslosigkeit wird auch für Deutschland zum Problem MERKUR
    Neue Abhängigkeiten – Chinas Vormarsch in der Windenergie: Droht der Ausverkauf einer Schlüsselindustrie? INDUSTRIEMAGAZIN
    Nach Zinssenkungen der Zentralbank: Chinesischer Yuan erreicht 16-Monats-Hoch BUSINESS INSIDER
    China senkt weiteren Zins – nun wird der Zins für einjährige Refinanzierungsgelder der Banken deutlich von 2,3 auf 2% zurückgenommen BÖRSEN-ZEITUNG
    Immobilienkrise: Das Wirtschaftswunderland China steckt in der Schuldenfalle HANDELSBLATT
    Chinas Zentralbank tritt in Aktion – präsentiert umfangreichstes Wirtschaftspaket seit der Pandemie FR
    China’s Shock-and-Awe Package Misses Key Element: Fiscal Policy BLOOMBERG
    China Seeks to Resolve Structural Issues to Shore Up Employment BLOOMBERG
    China to Give Cash Handouts for the Poor in Rare Use of Aid BLOOMBERG
    Industriemesse in Shanghai: Chinas Roboterhersteller setzen aufs Ausland HANDELSBLATT
    Weniger neue Industrieroboter in Chinas Fabriken – Indien stockt auf FAZ
    Schulden wegen kostspieliger Lebensführung: Zu teuer – finnischer Zoo schickt Pandas zurück nach China SPIEGEL
    China is churning out AI research but “decoupled” from global networks, report finds SCMP

    Heads

    Yuan Yang: Großbritanniens erste in China geborene Parlamentsabgeordnete

    Yuan Yang in ihrem Wahlkreis Earley and Woodley in Südostengland.

    “Meine Freunde in Großbritannien nennen sich, ausgesperrt aus London, ‘Generation Miete’. Meine Freunde in Peking sind die ‘Generation Involution’, Teil eines Systems, das immer mehr Mühe absorbiert und immer weniger Ertrag bringt.” Wenn Yuan Yang über ihre Erfahrungen in China schreibt, so schreibt sie oft über ihre eigene Generation, genannt Jiǔlínghòu (“九零后 – die ab 1990 Geborenen”). 

    Doch während sich ihre Altersgenossen in China inmitten immer größer werdender Konkurrenz um Uni- und Arbeitsplätze und schrumpfender Freiheitsräume ihren Weg bahnten, wuchs Yuan Yang als Teil der “Generation Miete” nahe London auf. Ihre Eltern waren in China beide Unidozenten gewesen und einige Zeit zuvor auf eigene Faust als junges Paar nach England emigriert. Yuan Yang verbrachte ihre ersten Lebensjahre bei ihren Großeltern in einer kleinen Stadt in den Bergen der Provinz Sichuan, tief im Landesinneren Chinas. Dann holten ihre Eltern sie zu sich.

    Die Einwandererfamilie baute sich in Reading, knapp 70 Kilometer westlich der britischen Hauptstadt, ein neues Leben auf. Yuan Yang schaffte nach der Schule den Sprung an die Oxford University; im Master studierte sie Wirtschaft an der London School of Economics. Nach dem Studium, mit 26 Jahren, ging sie als Chinakorrespondentin der Financial Times nach Peking. Es war eine Wiederbegegnung mit dem Land ihrer Herkunft, das sie ab dem fünften Lebensjahr nur von Sommerurlauben kannte.

    Kürzlich erschienenes Buch “Private Revolutions

    In Peking schrieb sie vor allem zu wirtschaftlichen Themen, doch zugleich bewegte sie das Schicksal ihrer eigenen Generation. Während ihrer sechs Jahre in China dokumentierte sie insbesondere die Lebenswege junger Frauen. Einige dieser Geschichten erzählt sie in ihrem Buch “Private Revolutions”, das diesen März erschienen ist. Die darin porträtierten vier Frauen kämpften und kämpfen auf unterschiedliche Arten gegen traditionelle Rollenbilder an; ihre Wege führen die meisten von ihnen vom Land in die großen Städte. Eine von ihnen, Sam, eine Aktivistin für Arbeiterrechte, verschwand 2018 während einer Welle von Repressionen der Regierung.

    Als ihr Buch herauskam, war Yuan Yang bereits zurück in Großbritannien – und vor allem mit Wahlkampf beschäftigt. Für die Labourpartei kandidierte sie bei den Parlamentswahlen im Juli im neu geschaffenen Wahlkreis Earley and Woodley bei Reading. Beim deutlichen Wahlsieg der Labour Partei setzte sie sich gegen den Kandidaten der Konservativen durch. Nun ist sie die erste in China geborene Parlamentsabgeordnete Großbritanniens – und eine der einzigen in ganz Europa. Im Bundestag gibt es keine Abgeordneten mit chinesischer Migrationsgeschichte.

    Lokaler Fokus als Abgeordnete

    Yuan Yang wurde nach eigener Schilderung durch die Finanzkrise politisiert. Während des Studiums gründete sie die Organisation Rethinking Economics, setzte sich so für eine größere Pluralität in den recht dogmatischen Wirtschaftswissenschaften ein. Noch vor ihrer Zeit in China trat sie in die Labourpartei ein.

    Als Angeordnete verspricht sie, ihren Lebensmittelpunkt in ihrem Wahlkreis zu behalten, hält Bürgersprechstunden ab und verwendet einen großen Teil ihrer Energie darauf, für einen Krankenhausneubau zu kämpfen. Eine Interviewanfrage lehnte sie ab: zu viele Fragen zur britischen Handels- und Außenpolitik gegenüber China, das sei nicht der Schwerpunkt ihrer Arbeit.

    Unsere Vielfalt macht uns stärker”

    Doch ihre Lebensgeschichte prägt ihre Arbeit auf anderen Wegen. Eines ihrer Herzensthemen ist die Arbeit mit migrantischen Communitys und gegen Rassismus. Auch für die Belange von Migranten aus Hongkong, die nach der Niederschlagung der Proteste 2019 nach Großbritannien kamen, setzt sie sich ein. 

    Sie spricht über die Demokratie in Großbritannien nicht als Selbstverständlichkeit, sondern als Errungenschaft, die es zu verteidigen und zu erneuern gilt. “Ich wäre glücklich, nur ein wenig von dem Mut der Menschen zu haben, die ich als Journalistin interviewt habe”, bemerkte sie bei ihrer ersten Rede im britischen Parlament, untermalt mit dezenten Spitzen britischen Humors. Und über ihre neue Heimat Earley and Woodley sagte Yuan Yang: “Wir sind stolz auf unsere Vielfalt, unsere Vielfalt macht uns stärker.” Man möchte sich wünschen, solche Sätze in Zukunft auch von Bundestagsabgeordneten mit chinesischer Migrationsgeschichte hören zu können. Leonardo Pape

    • Großbritannien
    • Studium

    Personalien

    Molly Liu wird Leiterin des China-Geschäfts von Starbucks. Sie war bereits seit vergangenem Jahr als Co-CEO für die Region tätig. Starbucks hat mit einer schwachen Nachfrage in seinen beiden größten Märkten, den USA und China, zu kämpfen. Liu soll das Geschäft stabilisieren, das von preisgünstigeren lokalen Konkurrenten bedroht wird.

    Zdeněk Rod wird neuer Research Fellow am Central European Institute of Asian Studies (CEIAS). Rods Expertise liegt in den Bereichen Sicherheitsstudien, Konfliktlösung, hybride Bedrohungen und strategische Kommunikation. Zuletzt beschäftigte er sich unter anderem mit Chinas und Russlands Rolle in der Arktis.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Klettern ist in China die Trend-Sportart der Saison. Ihre Popularität hängt auch mit dem Erfolg des chinesischen Athleten Wu Peng zusammen, der bei den Olympischen Spielen in Paris eine Silbermedaille im Speedklettern gewann. Auf Social-Media zeigen sich Anfänger und Fortgeschrittene nun in dramatischen Kletterposen, gerne auch in körperbetonten Outfits. Einige Sportstudenten haben darin bereits die Marktlücke erkannt und bieten ihre Dienste als Hiking- und Kletterpartner an, die einen im Ernstfall auch mal die letzten Meter bis nach oben tragen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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