vor wenigen Tagen sorgte die Hochschule Bielefeld für einen wahren Paukenschlag: In der chinesischen Sonderwirtschaftszone Hainan will man mit der ersten unabhängigen ausländischen Hochschule in China neue Wege gehen.
Doch Tim Gabel zeigt, dass noch vor dem eigentlichen Lehrbeginn die Euphorie schon wieder verflogen ist – zumindest bei den politischen Geldgebern. Auf Anfrage von Table.Media distanzierte sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung von Bettina Stark-Watzinger von dem Projekt: Vor dem Hintergrund der China-Strategie sehe man das Projekt der Hochschule Bielefeld kritisch. Ähnlich zerknirscht gibt sich der Deutsche Akademische Austauschdienst. Die Projektführer geben sich hingegen trotzig.
In der internationalen Wissenschaftskooperation zwischen China und Deutschland herrscht zunehmend großes Misstrauen. Besonders chinesische Nachwuchswissenschaftler mit einem Stipendium des Chinese Scholarship Council (CSC) werden seit einiger Zeit kritisch beäugt. Recherchen haben ergeben, dass sie der chinesischen Regierung die Treue schwören und ihr auch zuarbeiten müssen.
Nach Informationen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erwägen nun mehrere deutsche Universitäten, sie künftig nicht mehr zuzulassen. Tim Gabel erklärt in seiner zweiten Analyse, welche Schlupflöcher es noch gibt und wie sich die Risiken der Kooperationen besser austarieren lassen.
Am 18. Juli warteten die Verantwortlichen der Hochschule Bielefeld (HSBI) mit einem “Paukenschlag” auf: die Gründung der ersten unabhängigen ausländischen Hochschule in China, gelegen auf der Tropeninsel Hainan. Und Bielefeld rückte urplötzlich in den Fokus der Debatte über deutsch-chinesische Wissenschaftsbeziehungen.
Denn während die Uni Erlangen in diesen Tagen bestätigte, keine Stipendiaten des China Scholarship Council mehr aufzunehmen und die Bundesregierung Hochschulen drängt, ihre Konfuzius-Institute zu überdenken, soll es an der Hainan Bielefeld University of Applied Sciences (BiUH) erst so richtig losgehen. Im Wintersemester werden bis zu 140 Studierende Computer Science und Digital Technologies auf Bachelor studieren. Im Jahr 2034 will man nach Angabgen der HSBI auf einem neuen Campus bis zu 12.000 Studierende unterbringen.
Aus politischer Perspektive besonders brisant: Während Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger für ihre harten Töne gegenüber China bekannt ist und diese auch in der Chinastrategie platzierte, finanziert ihr Ministerium die Hochschulgründung über das DAAD-Programm “Transnationale Bildung” mit. Die HSBI bekommt bis 2024 rund 1,9 Millionen Euro an Steuergeldern.
Auf Anfrage von Table.Media distanzierte sich das Ministerium von Stark-Watzinger inzwischen von dem Projekt: Vor dem Hintergrund der China-Strategie sehe man das Projekt der Hochschule Bielefeld kritisch und es gehe keine Signalwirkung davon aus, sagte eine Sprecherin. Die Entscheidung für eine Förderung des Projektes habe der DAAD bereits im Jahr 2020 im damaligen Kontext getroffen. “Die Hochschule Bielefeld ist nun in der Verantwortung, die mit der Wissenschaftsfreiheit verbunden ist. Sie muss ihre Achtung sicherstellen und Risiken wie Dual Use minimieren”, fordert das Ministerium.
Auch beim DAAD will sich keine richtige Premieren-Stimmung einstellen. Man betont, dass die Hochschule Bielefeld ihr internationales Bildungsprojekt im chinesischen Hainan als “autonom agierende, nordrhein-westfälische Landeshochschule und in wissenschaftlicher Eigenständigkeit” entwickle, sagte ein DAAD-Sprecher. Das Projekt sei Ende 2020 von einer wissenschaftlichen Kommission für das Programm “Transnationale Bildung” empfohlen worden. Diese Förderempfehlung sei für den DAAD bindend.
Im Interview mit Table.Media bedauern die Präsidentin der HSBI, Ingeborg Schramm-Wölk und der Präsident der neuen BiUH, Jürgen Kretschmann, die Distanzierung auf politischer Ebene. Natürlich seien in den vergangenen Jahren Veränderungen eingetreten, in China selbst und im Verhältnis zu China. “Allerdings lässt sich aus der aktuellen Chinastrategie der Bundesregierung nach wie vor herauslesen, dass Zusammenarbeit im Hochschulbereich erwünscht ist”, sagte Schramm-Wölk.
Auch Jürgen Kretschmann sieht das Projekt in der Sonderwirtschaftszone Hainan von der neuen Chinastrategie gedeckt. In China lebe rund ein Fünftel der Weltbevölkerung, und die Volksrepublik sei die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA. Auch die Bundesregierung habe in ihrer China-Strategie betont, dass es ohne China nicht gelingen werde, die globalen, ökologischen und ökonomischen Probleme des Planeten zu lösen. “Man muss die Kooperation auf Augenhöhe und vertrauensvoll gestalten und zudem sensibel für die Kultur der anderen Seite sein”, sagte Kretschmann, der im Bereich Steinkohlenbergbau viel Erfahrung mit deutsch-chinesischen Kooperationen gesammelt hat.
Tatsächlich hat die neue Hochschule für chinesische Verhältnisse besondere Freiheiten. Der rechtliche Status der Wirtschaftsentwicklungszone Yangpu/Danzhou im Norden der Insel entbindet das deutsch-chinesische Projekt davon, den chinesischen Partner 51 Prozent der Anteile zu überlassen. Die unabhängigen, wissenschaftlichen Auswahlkommission, die das Projekt begutachtete, hatte trotzdem schon 2020 “mit Blick auf die zunehmende Komplexität in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern” die Erstellung einer “Exitstrategie” zur Auflage für eine Förderung gemacht, teilte der DAAD mit. Zudem würde nur der Aufbau der Bachelorstudiengänge gefördert, nicht aber etwaige Forschungsaktivitäten.
Ingeborg Schramm-Wölk stößt sich an dem Begriff Exitstrategie. Man habe sich dazu bekannt, dass das Projekt beendet wird, wenn “Dinge passieren, die mit den Hochschulgesetzen oder dem deutschen Wirtschaftsrecht nicht vereinbar sind”. Ein großes finanzielles Risiko trage die Hochschule nicht, da keine Landesmittel für das Projekt eingesetzt worden seien. Lediglich rund 140.000 Euro aus Überschüssen selbst erwirtschafteter Mittel habe man eingesetzt, um eine GmbH, eine Wholly Foreign Owned Enterprise (WFOE) und die Hainan Bielefeld University of Applied Sciences (BiUH) in der Rechtsform einer “Privaten Non-Profit-Organisation” gründen zu können.
Rote Linien für das Projekt sind für Schramm-Wölkebenjene Punkte, “die wir in unserem Memorandum of Understanding formuliert haben”. In dieser Rahmenvereinbarung stehe, dass die BiUH eine Hochschuleinrichtung mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit ist. “Die Hochschule genießt und garantiert die akademische Freiheit. Alle akademischen Aktivitäten wie Lehre und Forschung dienen friedlichen Zwecken.”
Die Gefahr einer Abhängigkeit durch die hohen chinesischen Subventionen für Bau und Betrieb sieht die Hochschulpräsidentin nicht. Ziel des Projektes sei es, gemeinsam eine Hochschule nach deutschem Vorbild aufzubauen. “Wir stellen den Präsidenten, und es ist geplant, mehrheitlich in allen wichtigen Gremien vertreten zu sein”, sagte Schramm-Wölk. Man dürfe in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es keine Blaupause gebe und das Projekt einzigartig sei. Ohne Unterstützung von staatlicher Seite könnte das Projekt nicht umgesetzt werden. “Jedoch soll sich die BiUH langfristig selbst tragen, und als gemeinnützige Einrichtung wird das Geld, das erwirtschaftet wird, immer den Studierenden zugutekommen.”
Lesen Sie im ausführlichen Interview von Table.Media mit Ingeborg Schramm-Wölk, Präsidentin der HSBI, und Jürgen Kretschmann, dem Präsidenten der BiUH, wie die Kooperation zur Gründung der Hainan Bielefeld University of Applied Sciences zustande kam. Was sind die Ziele der Partner? Was ist die besondere Ausrichtung der BiUH?
Nach Informationen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erwägen mehrere deutsche Universitäten, chinesische Nachwuchswissenschaftler mit einem Stipendium des Chinese Scholarship Council (CSC) künftig nicht mehr zuzulassen. Dabei handelt es sich um Regierungsstipendien des chinesischen Bildungsministeriums. “Es gibt derzeit an weiteren Hochschulen konkrete Überlegungen, CSC-Stipendiaten zumindest in bestimmten Fachgebieten auszuschließen”, sagte HRK-Pressesprecher Christoph Hilgert Table.Media auf Nachfrage. Derzeit sei ein Diskussions- und Sensibilisierungsprozess im Gange, den die HRK im Rahmen ihrer Austauschformate zu Fragen der akademischen Zusammenarbeit aktiv unterstütze.
Die CSC-Stipendien stehen unter anderem deshalb in der Kritik, da sich die Stipendiaten laut den Recherchen von “Correctiv” und “University World News” (UWN) unter Androhung von Strafe verpflichten müssen, der Volksrepublik China Staatstreue und Gehorsam zu garantieren. Es wird zudem befürchtet, dass so sicherheitsrelevantes Wissen nach China gelangen könnte.
Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hatte als erste deutsche Hochschule eine Kooperation mit ausgewählten chinesischen Doktoranden beendet. Laut “Correctiv” lässt die Universitätsleitung seit Anfang Juni keine neuen Stipendiaten über das Chinese Scholarship Council (CSC) mehr zu. Das bestätigte eine Sprecherin der FAU Table.Media. Auch in weiteren europäischen Ländern haben Universitäten die Kooperation ausgesetzt.
Zu den Beweggründen befragt verwies die Universität auf Vorgaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das zum Bundeswirtschaftsministerium gehört. Die Universitätsleitung sei bei einer Prüfung durch das BAFA einmal mehr dafür sensibilisiert worden sei, “dass wir als FAU die Rahmenbedingungen schaffen müssen, um mit den Anforderungen des BAFA in Einklang zu sein”.
In der Konsequenz werden nun nur noch Stipendiaten zugelassen, die “eine Co-Finanzierung über Institutionen mit Reputation und Verankerung im demokratischen System” vorweisen können. Auch an der FAU rechnet man fest damit, dass weitere Hochschulen diese Schritte gehen werden.
Ausnahmen von dem CSC-Bann ergeben sich also, sobald eine formal vertrauenswürdige Institution mit an der Auswahl des chinesischen Stipendiaten beteiligt ist. Eine solche Co-Finanzierung für chinesische Studierende bietet etwa der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD).
Der DAAD vergibt im 2013 gestarteten Programm “Sino-German Postdoc Scholarship” gemeinsam mit dem CSC deutschlandweit rund 40 bis 50 Stipendien für chinesische Nachwuchswissenschaftler pro Jahr. Diese seien auch an der FAU von dem Ausschluss ausgenommen, bestätigte dort eine Sprecherin. Zahlen zu den reinen CSC-Stipendiaten, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, werden nicht zentral erhoben.
Der DAAD tut sich allerdings schwer mit der CSC-Kooperation. “Bei der grundsätzlich partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem CSC haben in der Vergangenheit bereits Aushandlungsprozesse stattgefunden, um den Vorstellungen des DAAD für eine Auswahl von Stipendiatinnen und Stipendiaten angemessen Geltung zu verschaffen”, sagte ein Sprecher des DAAD gegenüber Table.Media. Einer dieser “Aushandlungsprozesse” ist etwa die Absage des DAAD an die Forderung des CSC gewesen, die Auswahlsitzungen mit den chinesischen Bewerbern durchgehend auf Video aufzunehmen.
Seitdem fänden die Auswahlsitzungen für das Programm konsekutiv statt, teilte der DAAD mit: “Zunächst trifft der CSC seine Auswahl, anschließend der DAAD. Förderungen können nur ausgesprochen werden, wenn beide Voten für Kandidaten übereinstimmen.” Zentrales Entscheidungskriterium sei dabei die akademische Qualifikation. Da das Auswahlverfahren so allerdings mit großem Aufwand verbunden sei, kann sich der DAAD eine Ausweitung des Programms derzeit nicht vorstellen.
Zugleich berate der DAAD die deutschen Hochschulen aber zur Betreuung von CSC-Geförderten sowie zur Zusammenarbeit mit Hochschulen in China generell, sagte der Sprecher. Hier spielt das DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) eine wichtige Rolle. “Der DAAD baut derzeit die Beratungsmöglichkeiten im KIWi aus und erhielt dazu im April zusätzliche Mittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung”, sagte ein DAAD-Sprecher.
Man reagiere damit auf den gestiegenen Beratungsbedarf der deutschen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen in Zeiten zunehmender Unsicherheit in der internationalen Wissenschaftskooperation.
Die Beschäftigung von ausländischen Doktoranden mit Beteiligung an einem konkreten Forschungsvorhaben kann der Exportkontrolle unterfallen und gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genehmigungspflichtig sein. Das stellte das BAFA auf Anfrage von Table.Media klar. Die Aussage ist für Hochschulen und Universitäten im Zuge der Debatte über einen möglichen Ausschluss von chinesischen Stipendiaten relevant, die vom staatlichen Chinese Scholarship Counsil (CSC) vermittelt werden. Institutionen, die Doktoranden beschäftigen, könnten sich mit Blick auf das Außenwirtschaftsrecht strafbar machen, heißt es vom BAFA. Dies gilt allerdings nur für spezielle Konstellationen.
“Für die Frage, ob ein Vorhaben nicht nur genehmigungspflichtig, sondern auch genehmigungsfähig ist, spielen sowohl der Inhalt des konkreten Forschungsvorhabens als auch das Bestimmungsland sowie die Person des Empfängers eine Rolle”, teilte das BAFA mit. Im Falle von Forschungsvorhaben zu genehmigungspflichtigen Gütern oder mit möglichen Verwendungen im Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen oder konventioneller Rüstung sollten Bewerbungen einer genauen Prüfung unterzogen werden, stellte das BAFA klar.
Diese genaue Prüfung sah die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) offensichtlich nicht gegeben bei Promotionsstipendiaten, die vom CSC zur Anstellung an der FAU vermittelt und allein finanziert wurden. Seit 1. Juni gilt an der FAU deshalb der Beschluss, solche Stipendiaten künftig auszuschließen. Das Stipendienprogramm CSC vergibt Stipendien an den wissenschaftlichen Nachwuchs und untersteht dem Pekinger Bildungsministerium. Die Hochschule hatte den Schritt mit einer Prüfung des BAFA begründet.
Grundsätzlich sei das Amt nicht selbst für die Kontrolle von Ausführern und die Sanktionierung von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht zuständig, teilte ein BAFA-Sprecher mit. Dies obliege den Zoll- und Strafverfolgungsbehörden. “Sollten Anhaltspunkte für etwaige Verstöße beim BAFA oder BMWK vorliegen, werden diese allerdings unmittelbar an die zuständigen Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden weitergegeben“, teilte das BAFA mit.
Universitäten und Hochschulen könnten sich also gegebenenfalls strafbar machen, wenn sie nicht gewährleisten können, dass Promotionsstipendiaten, die etwa an sensiblen Technologieprojekten arbeiten, ausreichend überprüft werden.
Das CSC-Stipendium sei ein strategisches Instrument Chinas, mit dessen Hilfe technologische Lücken geschlossen werden sollen, indem Wissen aus dem Ausland gewonnen werde, warnte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Zudem könnten die Stipendiaten die im deutschen Grundgesetz verankerte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit nicht vollumfänglich ausüben. Sie forderte auch andere Hochschulen auf, dem Beispiel aus Erlangen zu folgen.
Der deutsche Hochschulverband plädierte gegenüber der Mediengruppe Bayern für eine differenzierte Betrachtung. “Es ist Sache der Universität, dies zu entscheiden. Wenn konkreter Spionageverdacht in Rede steht, wird ein solcher Ausschluss wohl geboten sein. Mit der Absolutheit des Verbots habe ich allerdings Probleme”, sagte Hubert Detmer, zweiter Geschäftsführer des Hochschulverbands. Zumindest müsse in die Bewertung mit einbezogen werden, ob es sich bei dem Forschungsgegenstand um einen sensiblen oder neuralgischen Bereich handele. tg
Der chinesische Menschenrechtsanwalt Lu Siwei wurde in Laos verhaftet. Aktivisten und Familienangehörige befürchten nun, dass er nach China abgeschoben werden könnte, wo ihm eine Gefängnisstrafe droht.
Wie Associated Press berichtet, wurde Lu Siwei am Freitagmorgen von der laotischen Polizei festgenommen, als er einen Zug nach Thailand bestieg. Er war demnach auf dem Weg nach Bangkok, um einen Flug in die Vereinigten Staaten zu nehmen, wo seine Frau und seine Tochter leben.
2021 war Lu in China die Anwaltslizenz entzogen worden, nachdem er pro-demokratische Aktivisten aus Hongkong vertreten hatte. Anschließend wurde er mit einem Ausreiseverbot daran gehindert, China zu verlassen, um ein Stipendium in den Vereinigten Staaten zu absolvieren. Laut einem Aktivisten, der mit ihm zusammenarbeitet, habe Lu gültige Visa für Laos und die USA mit sich geführt. fpe
Wenn man Daniel Leese fragt, wie er zu China kam, antwortet er nüchtern: “Das war eher ein persönlicher Zufall, es hätte prinzipiell auch jedes andere Land werden können.” Mit dem persönlichen Zufall meint er die chinesischen Schriftzeichen, die gegen Ende seiner Schulzeit eine bleibende Faszination auslösten und dafür sorgten, dass er bei der Entscheidung für ein Nebenfach das Kreuz bei Sinologie setzte. Im Hauptfach studierte Leese Neuere und Neueste Geschichte in Marburg, Peking und München. An der Pekinger Elite-Uni Beida vertiefte sich sein Interesse an der Sinologie. Er erinnert sich an die anregende intellektuelle Atmosphäre, Quellenrecherchen auf Flohmärkten und Gespräche mit Zeitzeugen, die ihn in tabuisierte Bereiche chinesischer Geschichte führten.
Es sind genau diese Restriktionen im Umgang mit der Vergangenheit, die damals Leeses Ehrgeiz weckten. In den Jahren nach seinem ersten Peking-Besuch verbrachte er immer wieder mehrere Monate in China, arbeitete als Reiseleiter, erkundete die Provinzen und verbrachte viel Zeit in Peking und Hongkong. Damals war China ein Abenteuer, mittlerweile ist es zu seinem Beruf geworden. Seit 2012 ist Leese Professor für Geschichte und Politik des Modernen China an der Freiburger Universität und hat zahlreiche Bücher mit China-Schwerpunkt geschrieben, darunter “Maos langer Schatten – Chinas Umgang mit der Vergangenheit”, das 2021 für den deutschen Sachbuchpreis nominiert war.
“Es ist eine anstrengende und herausfordernde Tätigkeit, immer wieder hinter den Vorhang des Vergessens zu blicken”, sagt der Sinologe. Aber er scheut diese Aufgabe nicht, weil sie für ihn einen wesentlichen Beitrag leistet. Es geht um den Umgang mit historischer Schuld und um die Frage, wie sich Nationen mit selbstbegangenem Unrecht auseinandersetzen können. “Das ist von zentraler Bedeutung – nicht nur für China.”
Aktuell arbeitet Leese an einem Projekt über interne Kommunikationsstrukturen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas und die Frage, was die Partei über Entwicklungen im In- und Ausland in den 1950er und -60er Jahren wusste. Sein letztes Buch allerdings, das vor kurzem im C.H. Beck-Verlag erschien, richtet seinen Blick auf Chinas Gegenwart. Gemeinsam mit dem China-Experten Ming Shi hat Leese Texte führender chinesischer Intellektueller der Gegenwart ausgewählt, ins Deutsche übersetzt und eingeordnet. Mit “Chinesisches Denken der Gegenwart – Schlüsseltexte zu Politik und Gesellschaft” wollen die Autoren zum besseren Verständnis zentraler Probleme der chinesischen Politik und Gesellschaft beitragen, um eine sinnvolle Debatte über die Entwicklung des Landes anzustoßen. Svenja Napp
vor wenigen Tagen sorgte die Hochschule Bielefeld für einen wahren Paukenschlag: In der chinesischen Sonderwirtschaftszone Hainan will man mit der ersten unabhängigen ausländischen Hochschule in China neue Wege gehen.
Doch Tim Gabel zeigt, dass noch vor dem eigentlichen Lehrbeginn die Euphorie schon wieder verflogen ist – zumindest bei den politischen Geldgebern. Auf Anfrage von Table.Media distanzierte sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung von Bettina Stark-Watzinger von dem Projekt: Vor dem Hintergrund der China-Strategie sehe man das Projekt der Hochschule Bielefeld kritisch. Ähnlich zerknirscht gibt sich der Deutsche Akademische Austauschdienst. Die Projektführer geben sich hingegen trotzig.
In der internationalen Wissenschaftskooperation zwischen China und Deutschland herrscht zunehmend großes Misstrauen. Besonders chinesische Nachwuchswissenschaftler mit einem Stipendium des Chinese Scholarship Council (CSC) werden seit einiger Zeit kritisch beäugt. Recherchen haben ergeben, dass sie der chinesischen Regierung die Treue schwören und ihr auch zuarbeiten müssen.
Nach Informationen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erwägen nun mehrere deutsche Universitäten, sie künftig nicht mehr zuzulassen. Tim Gabel erklärt in seiner zweiten Analyse, welche Schlupflöcher es noch gibt und wie sich die Risiken der Kooperationen besser austarieren lassen.
Am 18. Juli warteten die Verantwortlichen der Hochschule Bielefeld (HSBI) mit einem “Paukenschlag” auf: die Gründung der ersten unabhängigen ausländischen Hochschule in China, gelegen auf der Tropeninsel Hainan. Und Bielefeld rückte urplötzlich in den Fokus der Debatte über deutsch-chinesische Wissenschaftsbeziehungen.
Denn während die Uni Erlangen in diesen Tagen bestätigte, keine Stipendiaten des China Scholarship Council mehr aufzunehmen und die Bundesregierung Hochschulen drängt, ihre Konfuzius-Institute zu überdenken, soll es an der Hainan Bielefeld University of Applied Sciences (BiUH) erst so richtig losgehen. Im Wintersemester werden bis zu 140 Studierende Computer Science und Digital Technologies auf Bachelor studieren. Im Jahr 2034 will man nach Angabgen der HSBI auf einem neuen Campus bis zu 12.000 Studierende unterbringen.
Aus politischer Perspektive besonders brisant: Während Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger für ihre harten Töne gegenüber China bekannt ist und diese auch in der Chinastrategie platzierte, finanziert ihr Ministerium die Hochschulgründung über das DAAD-Programm “Transnationale Bildung” mit. Die HSBI bekommt bis 2024 rund 1,9 Millionen Euro an Steuergeldern.
Auf Anfrage von Table.Media distanzierte sich das Ministerium von Stark-Watzinger inzwischen von dem Projekt: Vor dem Hintergrund der China-Strategie sehe man das Projekt der Hochschule Bielefeld kritisch und es gehe keine Signalwirkung davon aus, sagte eine Sprecherin. Die Entscheidung für eine Förderung des Projektes habe der DAAD bereits im Jahr 2020 im damaligen Kontext getroffen. “Die Hochschule Bielefeld ist nun in der Verantwortung, die mit der Wissenschaftsfreiheit verbunden ist. Sie muss ihre Achtung sicherstellen und Risiken wie Dual Use minimieren”, fordert das Ministerium.
Auch beim DAAD will sich keine richtige Premieren-Stimmung einstellen. Man betont, dass die Hochschule Bielefeld ihr internationales Bildungsprojekt im chinesischen Hainan als “autonom agierende, nordrhein-westfälische Landeshochschule und in wissenschaftlicher Eigenständigkeit” entwickle, sagte ein DAAD-Sprecher. Das Projekt sei Ende 2020 von einer wissenschaftlichen Kommission für das Programm “Transnationale Bildung” empfohlen worden. Diese Förderempfehlung sei für den DAAD bindend.
Im Interview mit Table.Media bedauern die Präsidentin der HSBI, Ingeborg Schramm-Wölk und der Präsident der neuen BiUH, Jürgen Kretschmann, die Distanzierung auf politischer Ebene. Natürlich seien in den vergangenen Jahren Veränderungen eingetreten, in China selbst und im Verhältnis zu China. “Allerdings lässt sich aus der aktuellen Chinastrategie der Bundesregierung nach wie vor herauslesen, dass Zusammenarbeit im Hochschulbereich erwünscht ist”, sagte Schramm-Wölk.
Auch Jürgen Kretschmann sieht das Projekt in der Sonderwirtschaftszone Hainan von der neuen Chinastrategie gedeckt. In China lebe rund ein Fünftel der Weltbevölkerung, und die Volksrepublik sei die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA. Auch die Bundesregierung habe in ihrer China-Strategie betont, dass es ohne China nicht gelingen werde, die globalen, ökologischen und ökonomischen Probleme des Planeten zu lösen. “Man muss die Kooperation auf Augenhöhe und vertrauensvoll gestalten und zudem sensibel für die Kultur der anderen Seite sein”, sagte Kretschmann, der im Bereich Steinkohlenbergbau viel Erfahrung mit deutsch-chinesischen Kooperationen gesammelt hat.
Tatsächlich hat die neue Hochschule für chinesische Verhältnisse besondere Freiheiten. Der rechtliche Status der Wirtschaftsentwicklungszone Yangpu/Danzhou im Norden der Insel entbindet das deutsch-chinesische Projekt davon, den chinesischen Partner 51 Prozent der Anteile zu überlassen. Die unabhängigen, wissenschaftlichen Auswahlkommission, die das Projekt begutachtete, hatte trotzdem schon 2020 “mit Blick auf die zunehmende Komplexität in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern” die Erstellung einer “Exitstrategie” zur Auflage für eine Förderung gemacht, teilte der DAAD mit. Zudem würde nur der Aufbau der Bachelorstudiengänge gefördert, nicht aber etwaige Forschungsaktivitäten.
Ingeborg Schramm-Wölk stößt sich an dem Begriff Exitstrategie. Man habe sich dazu bekannt, dass das Projekt beendet wird, wenn “Dinge passieren, die mit den Hochschulgesetzen oder dem deutschen Wirtschaftsrecht nicht vereinbar sind”. Ein großes finanzielles Risiko trage die Hochschule nicht, da keine Landesmittel für das Projekt eingesetzt worden seien. Lediglich rund 140.000 Euro aus Überschüssen selbst erwirtschafteter Mittel habe man eingesetzt, um eine GmbH, eine Wholly Foreign Owned Enterprise (WFOE) und die Hainan Bielefeld University of Applied Sciences (BiUH) in der Rechtsform einer “Privaten Non-Profit-Organisation” gründen zu können.
Rote Linien für das Projekt sind für Schramm-Wölkebenjene Punkte, “die wir in unserem Memorandum of Understanding formuliert haben”. In dieser Rahmenvereinbarung stehe, dass die BiUH eine Hochschuleinrichtung mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit ist. “Die Hochschule genießt und garantiert die akademische Freiheit. Alle akademischen Aktivitäten wie Lehre und Forschung dienen friedlichen Zwecken.”
Die Gefahr einer Abhängigkeit durch die hohen chinesischen Subventionen für Bau und Betrieb sieht die Hochschulpräsidentin nicht. Ziel des Projektes sei es, gemeinsam eine Hochschule nach deutschem Vorbild aufzubauen. “Wir stellen den Präsidenten, und es ist geplant, mehrheitlich in allen wichtigen Gremien vertreten zu sein”, sagte Schramm-Wölk. Man dürfe in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es keine Blaupause gebe und das Projekt einzigartig sei. Ohne Unterstützung von staatlicher Seite könnte das Projekt nicht umgesetzt werden. “Jedoch soll sich die BiUH langfristig selbst tragen, und als gemeinnützige Einrichtung wird das Geld, das erwirtschaftet wird, immer den Studierenden zugutekommen.”
Lesen Sie im ausführlichen Interview von Table.Media mit Ingeborg Schramm-Wölk, Präsidentin der HSBI, und Jürgen Kretschmann, dem Präsidenten der BiUH, wie die Kooperation zur Gründung der Hainan Bielefeld University of Applied Sciences zustande kam. Was sind die Ziele der Partner? Was ist die besondere Ausrichtung der BiUH?
Nach Informationen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erwägen mehrere deutsche Universitäten, chinesische Nachwuchswissenschaftler mit einem Stipendium des Chinese Scholarship Council (CSC) künftig nicht mehr zuzulassen. Dabei handelt es sich um Regierungsstipendien des chinesischen Bildungsministeriums. “Es gibt derzeit an weiteren Hochschulen konkrete Überlegungen, CSC-Stipendiaten zumindest in bestimmten Fachgebieten auszuschließen”, sagte HRK-Pressesprecher Christoph Hilgert Table.Media auf Nachfrage. Derzeit sei ein Diskussions- und Sensibilisierungsprozess im Gange, den die HRK im Rahmen ihrer Austauschformate zu Fragen der akademischen Zusammenarbeit aktiv unterstütze.
Die CSC-Stipendien stehen unter anderem deshalb in der Kritik, da sich die Stipendiaten laut den Recherchen von “Correctiv” und “University World News” (UWN) unter Androhung von Strafe verpflichten müssen, der Volksrepublik China Staatstreue und Gehorsam zu garantieren. Es wird zudem befürchtet, dass so sicherheitsrelevantes Wissen nach China gelangen könnte.
Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hatte als erste deutsche Hochschule eine Kooperation mit ausgewählten chinesischen Doktoranden beendet. Laut “Correctiv” lässt die Universitätsleitung seit Anfang Juni keine neuen Stipendiaten über das Chinese Scholarship Council (CSC) mehr zu. Das bestätigte eine Sprecherin der FAU Table.Media. Auch in weiteren europäischen Ländern haben Universitäten die Kooperation ausgesetzt.
Zu den Beweggründen befragt verwies die Universität auf Vorgaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das zum Bundeswirtschaftsministerium gehört. Die Universitätsleitung sei bei einer Prüfung durch das BAFA einmal mehr dafür sensibilisiert worden sei, “dass wir als FAU die Rahmenbedingungen schaffen müssen, um mit den Anforderungen des BAFA in Einklang zu sein”.
In der Konsequenz werden nun nur noch Stipendiaten zugelassen, die “eine Co-Finanzierung über Institutionen mit Reputation und Verankerung im demokratischen System” vorweisen können. Auch an der FAU rechnet man fest damit, dass weitere Hochschulen diese Schritte gehen werden.
Ausnahmen von dem CSC-Bann ergeben sich also, sobald eine formal vertrauenswürdige Institution mit an der Auswahl des chinesischen Stipendiaten beteiligt ist. Eine solche Co-Finanzierung für chinesische Studierende bietet etwa der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD).
Der DAAD vergibt im 2013 gestarteten Programm “Sino-German Postdoc Scholarship” gemeinsam mit dem CSC deutschlandweit rund 40 bis 50 Stipendien für chinesische Nachwuchswissenschaftler pro Jahr. Diese seien auch an der FAU von dem Ausschluss ausgenommen, bestätigte dort eine Sprecherin. Zahlen zu den reinen CSC-Stipendiaten, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, werden nicht zentral erhoben.
Der DAAD tut sich allerdings schwer mit der CSC-Kooperation. “Bei der grundsätzlich partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem CSC haben in der Vergangenheit bereits Aushandlungsprozesse stattgefunden, um den Vorstellungen des DAAD für eine Auswahl von Stipendiatinnen und Stipendiaten angemessen Geltung zu verschaffen”, sagte ein Sprecher des DAAD gegenüber Table.Media. Einer dieser “Aushandlungsprozesse” ist etwa die Absage des DAAD an die Forderung des CSC gewesen, die Auswahlsitzungen mit den chinesischen Bewerbern durchgehend auf Video aufzunehmen.
Seitdem fänden die Auswahlsitzungen für das Programm konsekutiv statt, teilte der DAAD mit: “Zunächst trifft der CSC seine Auswahl, anschließend der DAAD. Förderungen können nur ausgesprochen werden, wenn beide Voten für Kandidaten übereinstimmen.” Zentrales Entscheidungskriterium sei dabei die akademische Qualifikation. Da das Auswahlverfahren so allerdings mit großem Aufwand verbunden sei, kann sich der DAAD eine Ausweitung des Programms derzeit nicht vorstellen.
Zugleich berate der DAAD die deutschen Hochschulen aber zur Betreuung von CSC-Geförderten sowie zur Zusammenarbeit mit Hochschulen in China generell, sagte der Sprecher. Hier spielt das DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) eine wichtige Rolle. “Der DAAD baut derzeit die Beratungsmöglichkeiten im KIWi aus und erhielt dazu im April zusätzliche Mittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung”, sagte ein DAAD-Sprecher.
Man reagiere damit auf den gestiegenen Beratungsbedarf der deutschen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen in Zeiten zunehmender Unsicherheit in der internationalen Wissenschaftskooperation.
Die Beschäftigung von ausländischen Doktoranden mit Beteiligung an einem konkreten Forschungsvorhaben kann der Exportkontrolle unterfallen und gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genehmigungspflichtig sein. Das stellte das BAFA auf Anfrage von Table.Media klar. Die Aussage ist für Hochschulen und Universitäten im Zuge der Debatte über einen möglichen Ausschluss von chinesischen Stipendiaten relevant, die vom staatlichen Chinese Scholarship Counsil (CSC) vermittelt werden. Institutionen, die Doktoranden beschäftigen, könnten sich mit Blick auf das Außenwirtschaftsrecht strafbar machen, heißt es vom BAFA. Dies gilt allerdings nur für spezielle Konstellationen.
“Für die Frage, ob ein Vorhaben nicht nur genehmigungspflichtig, sondern auch genehmigungsfähig ist, spielen sowohl der Inhalt des konkreten Forschungsvorhabens als auch das Bestimmungsland sowie die Person des Empfängers eine Rolle”, teilte das BAFA mit. Im Falle von Forschungsvorhaben zu genehmigungspflichtigen Gütern oder mit möglichen Verwendungen im Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen oder konventioneller Rüstung sollten Bewerbungen einer genauen Prüfung unterzogen werden, stellte das BAFA klar.
Diese genaue Prüfung sah die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) offensichtlich nicht gegeben bei Promotionsstipendiaten, die vom CSC zur Anstellung an der FAU vermittelt und allein finanziert wurden. Seit 1. Juni gilt an der FAU deshalb der Beschluss, solche Stipendiaten künftig auszuschließen. Das Stipendienprogramm CSC vergibt Stipendien an den wissenschaftlichen Nachwuchs und untersteht dem Pekinger Bildungsministerium. Die Hochschule hatte den Schritt mit einer Prüfung des BAFA begründet.
Grundsätzlich sei das Amt nicht selbst für die Kontrolle von Ausführern und die Sanktionierung von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht zuständig, teilte ein BAFA-Sprecher mit. Dies obliege den Zoll- und Strafverfolgungsbehörden. “Sollten Anhaltspunkte für etwaige Verstöße beim BAFA oder BMWK vorliegen, werden diese allerdings unmittelbar an die zuständigen Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden weitergegeben“, teilte das BAFA mit.
Universitäten und Hochschulen könnten sich also gegebenenfalls strafbar machen, wenn sie nicht gewährleisten können, dass Promotionsstipendiaten, die etwa an sensiblen Technologieprojekten arbeiten, ausreichend überprüft werden.
Das CSC-Stipendium sei ein strategisches Instrument Chinas, mit dessen Hilfe technologische Lücken geschlossen werden sollen, indem Wissen aus dem Ausland gewonnen werde, warnte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Zudem könnten die Stipendiaten die im deutschen Grundgesetz verankerte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit nicht vollumfänglich ausüben. Sie forderte auch andere Hochschulen auf, dem Beispiel aus Erlangen zu folgen.
Der deutsche Hochschulverband plädierte gegenüber der Mediengruppe Bayern für eine differenzierte Betrachtung. “Es ist Sache der Universität, dies zu entscheiden. Wenn konkreter Spionageverdacht in Rede steht, wird ein solcher Ausschluss wohl geboten sein. Mit der Absolutheit des Verbots habe ich allerdings Probleme”, sagte Hubert Detmer, zweiter Geschäftsführer des Hochschulverbands. Zumindest müsse in die Bewertung mit einbezogen werden, ob es sich bei dem Forschungsgegenstand um einen sensiblen oder neuralgischen Bereich handele. tg
Der chinesische Menschenrechtsanwalt Lu Siwei wurde in Laos verhaftet. Aktivisten und Familienangehörige befürchten nun, dass er nach China abgeschoben werden könnte, wo ihm eine Gefängnisstrafe droht.
Wie Associated Press berichtet, wurde Lu Siwei am Freitagmorgen von der laotischen Polizei festgenommen, als er einen Zug nach Thailand bestieg. Er war demnach auf dem Weg nach Bangkok, um einen Flug in die Vereinigten Staaten zu nehmen, wo seine Frau und seine Tochter leben.
2021 war Lu in China die Anwaltslizenz entzogen worden, nachdem er pro-demokratische Aktivisten aus Hongkong vertreten hatte. Anschließend wurde er mit einem Ausreiseverbot daran gehindert, China zu verlassen, um ein Stipendium in den Vereinigten Staaten zu absolvieren. Laut einem Aktivisten, der mit ihm zusammenarbeitet, habe Lu gültige Visa für Laos und die USA mit sich geführt. fpe
Wenn man Daniel Leese fragt, wie er zu China kam, antwortet er nüchtern: “Das war eher ein persönlicher Zufall, es hätte prinzipiell auch jedes andere Land werden können.” Mit dem persönlichen Zufall meint er die chinesischen Schriftzeichen, die gegen Ende seiner Schulzeit eine bleibende Faszination auslösten und dafür sorgten, dass er bei der Entscheidung für ein Nebenfach das Kreuz bei Sinologie setzte. Im Hauptfach studierte Leese Neuere und Neueste Geschichte in Marburg, Peking und München. An der Pekinger Elite-Uni Beida vertiefte sich sein Interesse an der Sinologie. Er erinnert sich an die anregende intellektuelle Atmosphäre, Quellenrecherchen auf Flohmärkten und Gespräche mit Zeitzeugen, die ihn in tabuisierte Bereiche chinesischer Geschichte führten.
Es sind genau diese Restriktionen im Umgang mit der Vergangenheit, die damals Leeses Ehrgeiz weckten. In den Jahren nach seinem ersten Peking-Besuch verbrachte er immer wieder mehrere Monate in China, arbeitete als Reiseleiter, erkundete die Provinzen und verbrachte viel Zeit in Peking und Hongkong. Damals war China ein Abenteuer, mittlerweile ist es zu seinem Beruf geworden. Seit 2012 ist Leese Professor für Geschichte und Politik des Modernen China an der Freiburger Universität und hat zahlreiche Bücher mit China-Schwerpunkt geschrieben, darunter “Maos langer Schatten – Chinas Umgang mit der Vergangenheit”, das 2021 für den deutschen Sachbuchpreis nominiert war.
“Es ist eine anstrengende und herausfordernde Tätigkeit, immer wieder hinter den Vorhang des Vergessens zu blicken”, sagt der Sinologe. Aber er scheut diese Aufgabe nicht, weil sie für ihn einen wesentlichen Beitrag leistet. Es geht um den Umgang mit historischer Schuld und um die Frage, wie sich Nationen mit selbstbegangenem Unrecht auseinandersetzen können. “Das ist von zentraler Bedeutung – nicht nur für China.”
Aktuell arbeitet Leese an einem Projekt über interne Kommunikationsstrukturen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas und die Frage, was die Partei über Entwicklungen im In- und Ausland in den 1950er und -60er Jahren wusste. Sein letztes Buch allerdings, das vor kurzem im C.H. Beck-Verlag erschien, richtet seinen Blick auf Chinas Gegenwart. Gemeinsam mit dem China-Experten Ming Shi hat Leese Texte führender chinesischer Intellektueller der Gegenwart ausgewählt, ins Deutsche übersetzt und eingeordnet. Mit “Chinesisches Denken der Gegenwart – Schlüsseltexte zu Politik und Gesellschaft” wollen die Autoren zum besseren Verständnis zentraler Probleme der chinesischen Politik und Gesellschaft beitragen, um eine sinnvolle Debatte über die Entwicklung des Landes anzustoßen. Svenja Napp