wer sich kritisch mit China beschäftigt, muss mit Gegenwind rechnen. Noch dazu, wenn sie oder er keine Erfahrung in öffentlichen Abhandlungen über die Volksrepublik vorweisen kann. Markus Frenzel erfährt das zurzeit am eigenen Leib. Mit einem Buch über das Wirken der Einheitsfront in Deutschland hat er Widerstand provoziert, der ihm China-Hass und Sensationslust vorwirft.
Fabian Peltsch hat Frenzel deshalb mit den konkreten Vorwürfen gegen ihn konfrontiert. Frenzel bezeichnet die Kritik an seiner Arbeit als “klassischen Verteidigungsreflex, um unangenehme Enthüllungen in den Dreck zu ziehen.” Während der Recherchen sei er offenbar ins Visier der chinesischen Dienste geraten. Das hätten ihm deutsche Sicherheitsbehörden bestätigt.
Jörn Petring stellt uns derweil das neue Betriebssystem von Huawei vor. Das Spannende dabei ist, dass das Unternehmen dabei ausschließlich auf eine eigene Architektur und eine firmeneigene Programmiersprache baut. Dieser Schritt verdeutlicht, wie ernst es Huawei mit der Unabhängigkeit von amerikanischer Technologie meint.
Huawei arbeitet konsequent am Aufbau eines geschlossenen Ökosystems, das ähnliche Vorteile bieten soll wie Apples iOS: Eine kontrollierte, einheitliche Umgebung, in der Huawei nicht nur die Hardware, sondern auch die Software vollständig kontrolliert.
Herr Frenzel, Ihr Buch “China Leaks” beleuchtet “Pekings geheimes Netzwerk in Deutschland”. Die Recherchen dafür basierten auf einem Dokument aus dem Dark-Net, das Vertreter der sogenannten Einheitsfront auflisten soll, die in Deutschland Einflussarbeit im Sinne Chinas betreiben. Wie konnten Sie sicher sein, dass die Liste echt ist?
Auf die Liste wurden Journalisten in mehreren Ländern aufmerksam. Ein Kollege aus Schweden hatte sie etwa aus Sicherheitskreisen in Stockholm bekommen, wo sie schon geprüft worden war. Letztlich hat ein Recherchenetzwerk aus zehn Ländern zwei Jahre lang all die Namen darauf überprüft, dabei haben wir als investigative Journalisten die Leute auf der Liste auch direkt konfrontiert. So offenbarte sich ein Netzwerk, das aus Funktionären von Freundschaftsvereinen, den Hintermännern von illegalen Polizeistationen, aber auch Mitarbeitern chinesischer Generalkonsulate und der Botschaft besteht, die sich regelmäßig austauschen. Um ein ganzes Bild zu zeichnen habe ich mich zusätzlich auf die deutsche Politik und Wirtschaft fokussiert. Zu den Unterstützern des Regimes zählen genauso Leute wie Rudolf Scharping oder der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich oder auch die AfD oder Linken-Politiker wie Sevim Dağdelen, die Stimmungsmache zugunsten Chinas betreiben.
Sie selbst sind kein Sinologe und hatten vorher kaum zu China gearbeitet. Wie sind Sie mit den Sprachbarrieren und den kulturellen Besonderheiten umgegangen?
Für die Recherchekooperation hatten wir drei ausgewiesene China-Experten dabei, die sich mit dem Machtapparat auskennen. Das ist zum einen Mareike Ohlberg vom German Marshall Fund in Berlin, Laura Harth von Safeguard Defenders mit Sitz in Madrid sowie Peter Mattis von der Jamestown Foundation in Washington, D.C. Mattis hat jahrelang für die CIA zu China gearbeitet. Daneben gab es Muttersprachler, die uns etwa mit der eindeutigen Identifizierung der Namen halfen.
Ihr Buch wurde schon kurz nach Erscheinen kontrovers diskutiert. Ihnen wurde China-Hass vorgeworfen.
Das kam für mich nicht überraschend, das ist der klassische Verteidigungsreflex, um unangenehme Enthüllungen in den Dreck zu ziehen. Für mich selbst kann ich sagen: Ich schätze die chinesische Kultur sehr. Ich habe China mehrmals bereist und war fasziniert von seiner Entwicklungsgeschwindigkeit. Das Land hat Enormes hinbekommen, auch was die Bekämpfung der Armut angeht. Ich finde es auch beeindruckend, was deutsche Unternehmen wie VW in China aufgebaut haben. Das sind tolle Erfolgsgeschichten. Aber das Regime wurde in den vergangenen Jahren immer skrupelloser. Und hier muss man sich eben überlegen, ob der wirtschaftliche Erfolg alle Mittel rechtfertigt. Viele, die von der Zusammenarbeit mit China profitieren oder gut damit fahren, verschließen bewusst die Augen vor den schlimmen Seiten. Ich habe viel Energie in dieses Buch gesteckt, weil ich unsere Demokratie und unsere freie Art zu leben tatsächlich durch dieses verbrecherische chinesische Regime bedroht sehe.
Man warf ihnen auch vor, auf der Suche nach Einflussagenten Chinesen und Chinesinnen unter Generalverdacht zu stellen.
Auch das ist ein altbekanntes Totschlagargument, um die Recherchen zu diskreditierten. Die Menschen auf der Liste, die dem chinesischen Regime in die Hände spielen, machen ja nur einen Bruchteil von den über 200.000 chinesischstämmigen Personen in Deutschland aus. Die große Masse sind doch keine U-Boote Chinas – das habe ich auch nie behauptet. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Leute auf der Liste keine Spione im klassischen Sinne sind, die offiziell zu diesem Zweck angestellt wurden. Das ist ja das Perfide am chinesischen Ansatz, dass schnell behauptet werden kann, naja, die erzählen einfach ihre Geschichte. Aber wir brauchen die ja nicht zu glauben. Aber so einfach ist es nicht. Aus gutem Grund bezeichnen die Kommunisten die Einheitsfront als ihre Zauberwaffe. Es geht darum, alles was Rang und Namen hat außerhalb der Partei auf Linie zu bringen. Und während meiner Recherchen ist mir das immer wieder aufgefallen, selbst angebliche politische Konkurrenten der KPCh sprechen nur in höchsten Tönen über die Kommunisten. Das ist, als wolle man den berühmten Wackelpeter an die Wand nageln, man hört von diesen Leuten nur Lobeshymnen auf das Regime. Für mich ist das Gleichschaltung in Reinform, die wir heute mitten in Europa beobachten können.
Welche Gefahren sehen Sie bei uns konkret?
Ein Blick nach Australien zeigt, wohin Unterwanderung führen kann. Dort hatte die chinesische Seite offenbar den Plan, direkt in die nationale Regierung hinein zu agieren. Ein Mittelsmann hatte versucht, indem er sich auch als finanzstarker Spender engagiert hat, einen wichtigen Minister quasi zu steuern. Der Plot flog auf und der Politiker zog sich zurück. Australien hat daher den Straftatbestand des ‘Einflussagententums’ eingeführt – ein zugegeben noch etwas vager Begriff, der verschiedene Formen der Einflussnahme umfasst. Wer als Einflussagent verurteilt wird, kann jetzt mehrere Jahre ins Gefängnis kommen.
Was zeichnet einen Einflussagenten demnach aus?
Ein Einflussagent ist kein klassischer Spion, der mit geheimdienstlichen Methoden Informationen beschafft. Stattdessen befeuert er gezielt Stimmungen, die im Interesse der Kommunistischen Partei Chinas liegen. Da geht es nicht um Bestechung im klassischen Sinne, was ja auch bei uns bereits verboten wäre. Es geht um Narrative, die bedient werden und so Eingang in unsere Politik finden und Konsequenzen provozieren, die nicht in unserem Interesse sind. Diese Art der Einflussnahme ist auch für Deutschland eine neue Herausforderung, und deutsche Gerichte sowie die Gesetzgebung müssen sich auf dieses Phänomen einstellen.
Kann man überhaupt von einer einheitlichen Strategie der Einheitsfront sprechen?
Es gibt mehrere Strategien. Eine ist es, möglichst nah an ausländische Politiker ranzukommen und sogar eigene Leute in die Politik zu bringen. Eine andere ist, Chinas Geschichte im Ausland gut zu erzählen – über Kuluturvereine zum Beispiel. Auch diese Menschen sind Türöffner, denen vielleicht auch nicht bewusst ist, wie zentral ihre Arbeit für das Regime ist. Sie sagen, sie würden ja niemanden überwachen. Gleichzeitig gibt es zwischen diesen Menschen in der Regel eine enge Beziehung zur Botschaft oder zu einem der vier Generalkonsulate. Und dann gibt es natürlich noch konkretere Dinge wie die Übersee-Polizeistationen, die die chinesische Regierung zu Servicestationen kleinredet, die den Auslandschinesen lediglich bei der Orientierung im Alltag und kleinen bürokratischen Arbeiten helfen sollen. Die aber unter Regimegegner enorme Angst verbreiten. Auch bei uns in Deutschland.
Sie haben sich auch die Konfuzius-Institute genauer angeschaut: Machen die denn wirklich etwas anderes als Goethe-Institute, die für Deutschland und die deutsche Kultur werben?
Die Bundesregierung ist ja kein diktatorisches Regime. Sie gibt den Leitern der Goethe-Institute nicht vor, welche Themen sie behandeln dürfen und welche nicht. Alles, was das Miteinander von Kulturen und Ländern bestärkt, ist eine gute Sache. Auch kritisiere ich nicht, wenn jemand eine Jahrtausende alte Kultur positiv darstellt. Kritisch wird es nur, wenn man ein verbrecherisches Regime schönredet und mit ihm paktiert, ein Regime, das sich unter Xi Jinping nochmal ins Extreme entwickelt hat. Es gibt sicher Personen auf der Liste, die weniger mit dem Regime involviert sind als andere. Aber alle spielen eine Rolle in der chinesischen Propaganda- und Einflussarbeit. Sie alle tragen zur Unterwanderung Deutschlands bei, sei es, weil sie überzeugt davon sind, sei es, weil sie sich einen persönlichen Vorteil dadurch erhoffen.
Eine Frau aus Mannheim hat Ihnen eine Hexenjagd auf ihre Mutter vorgeworfen, weil sie bei einer öffentlichen Bürgerveranstaltung auf einem Foto mit Winfried Kretschmann abgebildet war. Und dass Sie sie unter dem Vorwand kontaktiert hätten, einen Beitrag über ihr TCM-Gesundheitszentrum zu drehen.
Die von ihnen erwähnte Frau hat nicht nur ein Foto mit Ministerpräsident Kretschmann gepostet, sondern auch welche mit Cem Özdemir und mit Danyal Bayaz, dem Finanzminister von Baden-Württemberg. Ich habe auch noch weitere Bilder von ihr mit anderen Grünen aus der Landtagsfraktion, aufgenommen im Landtag. Das zeigt mir: Sie hat sich mit denen ausgetauscht, sie ist verdrahtet und bemüht sich um Beziehungen, unter anderem als Vorsitzende eines Kulturzentrums in der Rhein-Neckar-Region. Gleichzeitig gibt es auch ein Foto von ihr aus China, wo sie mit Vertretern des Regimes am Tisch sitzt. Im Gespräch hat sie zugegeben, dass sie mit dem Generalkonsulat in Frankfurt kooperiert. Und es gibt wissenschaftliche Veröffentlichungen, dass TCM, also die traditionelle chinesische Medizin, vom kommunistischen Regime ganz bewusst als Türöffner in ausländische Gesellschaften genutzt wird.
Sie sagen, Sie wurden während der Arbeit zu ihrem Buch überwacht. Von wem?
Von meinem Handy sind Fotos mit Informationen über einen hochrangigen chinesischen Offizier verschwunden. Später war mein privater Laptop – und ein weiterer Rechner aus meinem persönlichen Umfeld – plötzlich auf Chinesisch umgestellt, obwohl ich das nie gemacht habe und normalerweise auch nicht damit recherchiere. In den frühen Phasen meiner Recherche fiel mir außerdem auf, dass ich in öffentlichen Verkehrsmitteln ständig von asiatisch aussehenden Menschen umgeben war. In einer U-Bahn hielt eine Frau mit Mundschutz ihr Handy über mehrere Minuten direkt auf mich gerichtet und filmte mich offenbar. Davon gibt es auch ein Video in meiner Dokumentation für RTL. Deutsche Sicherheitsbehörden haben mir bestätigt, dass ich offenbar ins Visier der chinesischen Dienste geraten bin.
Was wollten diese Menschen von Ihnen?
Ich habe das Gefühl, dass es hier vor allem um Einschüchterung ging. Die Botschaft lautete: ‘Wir wissen genau, was du machst, wir sind in deinen Geräten und Bilddateien.’ Auch deshalb müssen wir in Deutschland eine gezielte Cyberabwehr gegenüber China aufbauen, da unsere Sicherheit stark gefährdet ist.
Was entgegnen Sie Menschen, die sagen, dass die USA uns ebenfalls ausspionieren?
Auch die USA betreiben eine klare Machtpolitik. Sie bleiben dabei jedoch ein freiheitlicher Rechtsstaat. Und die massive und durchaus auch berechtigte Kritik an den USA, die oft in Deutschland geäußert wird, basiert auf Informationen, die durch hervorragende amerikanisch Investigativjournalisten ans Licht kommen. Das zeigt, dass dort – zumindest noch bislang – eine funktionierende Demokratie existiert, in der kritische Berichterstattung möglich ist.
Markus Frenzel ist Investigativreporter für RTL. Nach dem Politikstudium in Berlin, Aix-en-Provence und Paris hat er lange Jahre für die Deutsche Welle und das ARD-Magazin FAKT gearbeitet. Für seine Recherchen hat er mehrere Journalistenpreise bekommen – darunter den Marler Fernsehpreis für Menschenrechte, den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis und den Journalistenpreis des Europäischen Parlaments.
Huawei kommt nicht nur mit seinen selbst entwickelten Mikrochips voran, der Tech-Riese aus Shenzhen hat auch große Software-Pläne. Ähnlich wie Apple mit iOS arbeitet Huawei für seine Geräte an einem geschlossenen Betriebssystem. Im Oktober wurde HarmonyOS NEXT vorgestellt.
Während die bisherigen Versionen von HarmonyOS Entwicklern erlaubten, ihre Android-Apps relativ einfach zu portieren, setzt die neue Version ausschließlich auf eine eigene Architektur und die firmeneigene Programmiersprache ArkTS. Dieser Schritt verdeutlicht, wie ernst es Huawei mit der Unabhängigkeit von amerikanischer Technologie meint.
Das Unternehmen möchte ein eigenes Ökosystem aufbauen, das ähnliche Vorteile bietet wie Apples iOS: Eine kontrollierte, einheitliche Umgebung, in der Huawei nicht nur die Hardware, sondern auch die Software vollständig kontrolliert. Huawei könnte so zugleich, ähnlich wie Apple, künftig von Entwicklern eine Provision für den Verkauf ihrer Apps verlangen und somit eine neue Umsatzquelle erschließen.
Huawei führte bereits vor Jahren die erste Version von HarmonyOS ein, um auf die Handelsrestriktionen der USA zu reagieren. Bis 2019 waren alle Huawei-Smartphones stark auf Android angewiesen und nutzten Google-Dienste wie den Play Store und Maps. Doch als Huawei aufgrund der Spannungen zwischen den USA und China auf die sogenannte “Entity List” gesetzt wurde, verlor das Unternehmen den Zugang zu diesen Diensten. HarmonyOS sollte als Antwort auf diesen Druck dienen und Huawei unabhängiger machen – jedoch immer noch mit ein bisschen Hilfe von Android.
Einerseits ist es eine logische Konsequenz, dass der Konzern nun versucht, sich komplett von Android zu lösen. Allerdings gibt es auch Risiken, wie sich bereits Tage nach der Veröffentlichung von HarmonyOS NEXT zeigt. Huawei ging bei der Einführung vorsichtig vor. Der Konzern stellte es zunächst nur auf ausgewählten Geräten zur Verfügung. Diese Herangehensweise ermöglicht es, das System unter realen Bedingungen zu testen und Feedback von Nutzern zu sammeln.
Allerdings fällt das Feedback durchwachsen aus. Schon kurz nach der Veröffentlichung warnte so etwa der chinesische Tech-Blogger Lu Songsong vor der Umstellung. Mindestens ein Drittel bis die Hälfte der 15.000 von Huawei zum Start versprochenen Apps sei nicht vollständig angepasst. Es gebe viele “Early Adopter-Versionen” mit eingeschränkter Funktionalität.
Zu Unruhe führten ausgerechnet Berichte über eine sehr bescheidene WeChat-Testversion. In der ersten Huawei-Umsetzung von WeChat gibt es demnach zwar grundlegende Funktionen wie den Chat und den Moments-Feed, jedoch fehlten wichtige Features wie das Kurzvideo-Format “Channels”, die Suchmaschine, Finanzdienste und die KI-Übersetzung. WeChat ist ohne Zweifel die mit Abstand wichtigste App auf chinesischen Smartphones. Hier sollte sich Huawei also besser keine Fehler erlaube.
Doch glauben viele Beobachter, dass es sich um Kinderkrankheiten handelt, die schnell überwunden werden können. Für Rückenwind sorgte zugleich eine sehr wohlwollende Berichterstattung zum neuen “heimischen” Betriebssystem in chinesischen Staatsmedien. Huawei plant bereits den nächsten Schritt. So soll HarmonyOS Next laut Berichten schon im kommenden Jahr nicht nur auf mobilen Geräten, sondern auch auf PCs eingesetzt werden. Allerdings könnte diese Umstellung später erfolgen, als zunächst gedacht.
Der chinesische Präsident Xi Jinping hat am Samstag Kooperationsbereitschaft mit der neuen US-Regierung unter Donald Trump signalisiert. Am Rande des Forums der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) in der peruanischen Hauptstadt Lima sagte er bei seinem vermutlich letzten Treffen mit dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden: “Chinas Ziel einer stabilen, gesunden und nachhaltigen Beziehung zwischen China und den USA bleibt auch nach der Wahl Trumps unverändert” und räumte “Höhen und Tiefen” zwischen den beiden Ländern ein. Sein Land sei bereit, in konfliktbehafteten Themen, wie Cyberkriminalität, Handel, Taiwan, das Südchinesische Meer und Russland zusammenzuarbeiten, sagte Xi weiter.
Das zweistündige Gespräch in Lima fand zwei Monate vor dem Machtwechsel in den USA statt. Trump hat bereits einen härteren Kurs gegen China angekündigt und Hardliner für wichtige Kabinettsposten nominiert. Biden gilt seitdem als Lame Duck. Laut einer Mitteilung der chinesischen Regierung betonte Xi Chinas “vier rote Linien”, die die USA zu respektieren haben:
Zudem warnte Xi vor einem Kalten Krieg zwischen den Ländern und wies erneut Vorwürfe chinesischer Cyberangriffe auf die USA zurück. In den vergangenen Monaten wurden Angriffe auf US-Telekommunikationsnetze bekannt, hinter denen chinesische Hacker stecken sollen. Laut dem nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan forderte Biden China außerdem dazu auf, Druck auf Nordkorea auszuüben, den Krieg in der Ukraine durch dessen Truppenpräsenz nicht auszuweiten. Beiden Regierungen zufolge äußerten sich die Staatsoberhäupter einhellig, dass Menschen und nicht künstliche Intelligenzen über den Einsatz von Atomwaffen entscheiden sollten. mcl/rtr
Ein 21-jähriger Mann hat am Samstag an einer Berufsschule in Wuxi acht Menschen mit einem Messer getötet und 17 weitere verletzt. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, sei der mutmaßliche Täter ein ehemaliger Schüler, der aus Frust um nicht bestandene Prüfungen, einen nicht erhaltenen Abschluss sowie schlechte Bezahlung in einem Praktikum gehandelt haben soll. Er sei am Tatort in der östlichen Provinz Jiangsu festgenommen worden und geständig gewesen, hieß es weiter.
In China, das sich sonst als sicheres Land rühmt, gab es zuletzt eine Reihe gewalttätiger Angriffe von Männern auf Unbekannte, teils Ausländer. Dabei handelt es sich um vermeintliche Racheakte an der Gesellschaft für persönliche Miseren. Laut der Nachrichtenagentur Reuters gab es in den vergangenen sechs Monaten acht solcher Taten:
Der Messerangriff am Samstag löste erneut Diskussionen über die Sicherheit und mentale Gesundheit im Land aus, wobei der Zensurapparat darum bemüht ist, solche Reaktionen einzudämmen. Das Online-Medium China Digital Times archivierte einige Kommentare in sozialen Medien vor ihrer Löschung. Einige Internetnutzer führten die Gewalttaten zurück auf die schlechte wirtschaftliche Situation der Täter und die des Landes. Ein Nutzer schrieb: “Die sozialen Spannungen verschärfen sich und es gibt kein Ventil für aufgestaute Unzufriedenheit.” Ein Anderer verglich die Situation mit den zahlreichen Opfern an Waffengewalt in den USA. mcl/rtr
Wenige Tage vor dem Urteilsspruch gegen die pro-demokratischen Hongkong 47 hat das Oberste Gericht der Stadt drakonische Urteile gegen mehrere verhinderte Bombenattentäter gesprochen. Der Hauptangeklagte Ng Chi-hung erhielt eine Haftstrafe von 23 Jahren und zehn Monaten. Es ist das bislang härteste Urteil, das ein Hongkonger Gericht im Zusammenhang mit den Massenprotesten im Jahr 2019 gesprochen hat. Ng sowie sechs Mitangeklagten wurde vorgeworfen, einen Bombenanschlag geplant zu haben, der gezielt Polizisten hätte töten sollen.
Das Gericht bezeichnete den Plan der Gruppe als “Kriegserklärung an die Gesellschaft”. Der Anschlag wurde jedoch durch vorzeitige Festnahmen vereitelt. Ng hatte sich im Laufe des Verfahrens schuldig bekannt, was die Richterin strafmildernd auslegte. Ein weiterer Angeklagter, Wong Chun-keung, galt als Anführer einer radikalen Gruppe namens “Drachentöter”, die 2019 aktiv war. Er muss für dreizehneinhalb Jahre hinter Gitter. Fünf weitere Personen erhielten Haftstrafen zwischen fünf Jahren und zehn Monaten und zwölf Jahren wegen verschiedener Straftaten, darunter Waffenbesitz und Beihilfe zur Herstellung von Sprengstoff.
Die Härte der Strafe habe laut Steve Li, dem Leitenden Beamten der Abteilung nationale Sicherheit der Hongkonger Polizei, “eine erhebliche abschreckende Wirkung”. Gleichzeitig verstärkt es wenige Tage vor dem Urteil im Mammutprozess gegen die pro-demokratische Opposition der Stadt die Sorge um die Verhältnismäßigkeit. Die sogenannten Hongkong 47 sind ehemalige Politiker oder Aktivisten, die sich mit politischem Engagement gegen die Entdemokratisierung der Stadt durch Pekinger Einfluss gestemmt hatten. Vielen von ihnen droht lebenslange Haft. rtr/grz
Zum dritten Mal in diesem Jahr ist ein früherer Minister aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden. Nach Li Shanfu und Wei Fenghe, die nacheinander das Ressort Verteidigung verantwortet hatten, erwischt es nun den ehemaligen Landwirtschaftsminister Tang Renjian. Gegen den 61-Jährigen wurde wegen “schwerer Verstöße gegen Disziplin und Recht” ermittelt, ein Euphemismus für Korruption. Das Verfahren war erst vor einem halben Jahr angestoßen worden. Im Mai war Tang seines Amtes enthoben worden.
Tang wird beschuldigt, Geschenke und Geld sowie Eigentum bei der Auswahl von Kadern angenommen und seine Autorität missbraucht zu haben, um die Geschäftsaktivitäten seiner Verwandten zu unterstützen. Er habe sich in gerichtliche Aktivitäten eingemischt, berichtete das staatliche Medium CCTV. “Tang Renjian hat seine Ideale und Überzeugungen verloren und seine ursprüngliche Mission aufgegeben”, hieß es.
Tang war von 2017 bis 2020 Gouverneur der westlichen Provinz Gansu, bevor er zum Minister für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten ernannt wurde. Unter seiner Leitung hatte das Ministerium unter anderem die Lebensmittelsicherheit verschärft und den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen genehmigt. Im September wurde Han Jun zu seinem Nachfolger ernannt.
Präsident Xi Jinping erklärte Anfang des Jahres einen “überwältigenden Sieg” bei der Bekämpfung der Korruption in der Partei und versprach, den Druck aufrechtzuerhalten. Kritiker sagen jedoch, die Kampagne sei dazu genutzt worden, seine politischen Gegner auszuschalten und befasse sich nicht mit den Ursachen der Korruption, wie niedrigen Löhnen und der unkontrollierten Macht der Staatsbeamten. grz/rtr
Seit über einem Jahrzehnt setzt China auf eine zunehmend aggressive Hybridkriegsstrategie, um seine Macht und seinen Einfluss im strategisch wichtigen Südchinesischen Meer auszubauen. Dieser Herausforderung entgegenzutreten, wird eine der entscheidenden Aufgaben für die Regierung des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump sein.
Die Erfüllung des “chinesischen Traums” von globaler Vorherrschaft unter Präsident Xi Jinping hängt maßgeblich davon ab, die Dominanz im Südchinesischen Meer zu erlangen und die Vormachtstellung der USA in der indopazifischen Region- einem aufstrebenden globalen Wirtschafts- und geopolitischen Zentrum – zu beenden. Dabei hat China nicht gezögert, Druckmittel einzusetzen, um diese Ziele zu erreichen.
In den vergangenen Jahren wurden Boote der Philippinen oder Vietnam von chinesischen Schiffen blockiert, gerammt, oder angegriffen. Offshore-Energieprojekte unterliegen regelmäßigen Schikanen. Solche gewalttätigen Auseinandersetzungen haben die regionalen Spannungen verschärft und die Stabilität in einem wichtigen Korridor zwischen dem Pazifik und dem Indischen Ozean untergraben.
Man sollte erwarten, dass die Vereinigten Staaten Maßnahmen ergreifen, um Chinas Verhalten einzudämmen, insbesondere angesichts ihres gegenseitigen Verteidigungspaktes mit den Philippinen. Und dennoch haben drei aufeinanderfolgende Präsidenten – Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden – nicht mehr als Unterstützungsbekundungen und symbolische Maßnahmen angeboten. Im Jahr 2012 sah Obama tatenlos zu, wie China den Philippinen das umstrittene Scarborough-Riff entriss.
Es war nicht das erste Mal, dass die USA ihren Verteidigungsverpflichtungen gegenüber den Philippinen nicht nachkamen. Im Jahr 1995 baten die Philippinen die USA um Hilfe, die chinesischen Streitkräfte daran zu hindern, das Mischief-Riff zu erobern. US-Präsident Bill Clinton lehnte das Gesuch ab. Mischief-Riff ist heute ein wichtiger chinesischer Militärstützpunkt.
Je öfter China ungestraft davonkam, umso dreister wurde es. Nach der Einnahme des Scarborough-Riffs startete Xi eine hektische Landgewinnungskampagne und schüttete 1.300 Hektar neues Land im Südchinesischen Meer auf. China hat 27 militärische Außenposten auf umstrittenen Inseln errichtet, die nun militärisch ausgestattet sind. Größere Inseln verfügen über Flugzeughangars, Start- und Landebahnen sowie Tiefwasserhäfen. Indem es die geopolitische Landkarte des Südchinesischen Meeres eigenhändig neu zeichnet, sichert sich China eine einzigartige Position, um in der Region Macht zu demonstrieren.
Während China schrittweise die Sicherheit der Philippinen untergräbt, betonen die USA weiterhin ihr “eisernes” Verteidigungsengagement gegenüber ihrem Verbündeten. Ende vergangenen Jahres bekräftigte die Biden-Regierung, dass jeder gewaltsame Angriff Dritter durch den gegenseitigen Verteidigungsvertrag zwischen den USA und den Philippinen abgedeckt ist. Trotzdem bleibt China unbestraft – und unbeirrt.
Wie lässt sich diese Kluft zwischen Rhetorik und Handeln erklären? In erster Linie fürchten die USA eine Eskalation, insbesondere weil ihre Ressourcen in der Ukraine und im Nahen Osten beansprucht werden. Außerdem ziehen es die USA vor, sich nicht in Hoheitsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer einzumischen, da sie dort keine eigenen territorialen Ansprüche erheben. Sie haben nicht einmal Stellung zur Souveränität der von Japan verwalteten Senkaku-Inseln bezogen, die China ebenfalls beansprucht.
Die USA haben jedoch deutlich gemacht, dass ihr Sicherheitsabkommen mit Japan auch diese Inseln abdeckt, und vor “jedweder unilateraler Maßnahme gewarnt, die darauf abzielt, Japans Führung zu untergraben”. Dasselbe sollten sie für die Philippinen tun. Sie sollten unmissverständlich erklären, dass ihre vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Land sämtliche Versuche abdeckt, einen Wechsel der Gebiete zu erzwingen, die derzeit unter philippinischer Verwaltungskontrolle stehen.
Die USA könnten sich dabei auf das Urteil eines internationalen Schiedsgerichts von 2016 berufen, das Chinas territoriale Ansprüche im Südchinesischen Meer als “ohne rechtliche Grundlage” zurückwies. Doch Chinas offene Missachtung dieses Urteils zeigt, dass die Zukunft des Südchinesischen Meeres nicht durch internationales Recht entschieden wird – und warum die USA bereit sein müssen, eine solche Erklärung mit Taten zu untermauern.
Sollten sich die USA für ihren Verbündeten einsetzen, so können sie die neun philippinischen Marine- und Luftwaffenstützpunkte nutzen, zu denen sie in den vergangenen zehn Jahren Zugang erhalten haben. Andernfalls wird China seine Vorherrschaft über das Südchinesische Meer weiter festigen, die reichen Energie- und Fischereiressourcen der Region einkreisen und die Möglichkeit erlangen, Lieferketten zu unterbrechen.
China wird sich nicht mit dem Südchinesischen Meer zufriedengeben. Unter Xis Führung hat China ähnliche Kombinationen aus Täuschung, Einschüchterung, Zwang und Überraschung genutzt, um seine territoriale Kontrolle anderswo auszubauen – vom Ostchinesischen Meer bis zum Himalaja. Wie bei jedem Tyrannen besteht der einzige Weg, China zu stoppen, darin, ihm einen glaubwürdigen Herausforderer entgegenzustellen. Die USA müssen dieser Herausforderer sein – und sie sollten damit beginnen, die Philippinen zu verteidigen.
Brahma Chellaney ist Professor Emeritus für Strategische Studien an dem in Neu-Delhi ansässigen Center for Policy Research, Fellow an der Robert Bosch Academy in Berlin sowie Autor von Water, Peace, and War: Confronting the Global Water Crisis (Rowman & Littlefield, 2013).
Aus dem Englischen von Corey Fritsch. Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org
Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.
Wang Hao ist zum neuen Sekretär des Provinzkomitees der Kommunistischen Partei in Zhejiang ernannt worden. Wang ersetzt Yi Lianhong an der Spitze. Die Entscheidung hatte das Zentralkomitee der Partei Ende vergangenen Monats getroffen.
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Tausende Elektrofahrzeuge stehen auf dem Gelände des Chang’an Automobile Distribution Center in Chongqing zur Auslieferung bereit. Bis einschließlich Oktober betrug das Volumen an verkauften E-Autos in der Volksrepublik fast zehn Millionen Einheiten. Bis zum Jahresende dürfte die 12-Millionen-Marke geknackt werden. Chang’an gehört zu den großen staatlichen Herstellern, der maßgeblichen Anteil daran hat, dass Chongqing ein Zentrum der industriellen Fertigung in China ist. Das Unternehmen kooperiert mit Huawei und gehört zu Anteilen dem Batterieproduzenten CATL.
wer sich kritisch mit China beschäftigt, muss mit Gegenwind rechnen. Noch dazu, wenn sie oder er keine Erfahrung in öffentlichen Abhandlungen über die Volksrepublik vorweisen kann. Markus Frenzel erfährt das zurzeit am eigenen Leib. Mit einem Buch über das Wirken der Einheitsfront in Deutschland hat er Widerstand provoziert, der ihm China-Hass und Sensationslust vorwirft.
Fabian Peltsch hat Frenzel deshalb mit den konkreten Vorwürfen gegen ihn konfrontiert. Frenzel bezeichnet die Kritik an seiner Arbeit als “klassischen Verteidigungsreflex, um unangenehme Enthüllungen in den Dreck zu ziehen.” Während der Recherchen sei er offenbar ins Visier der chinesischen Dienste geraten. Das hätten ihm deutsche Sicherheitsbehörden bestätigt.
Jörn Petring stellt uns derweil das neue Betriebssystem von Huawei vor. Das Spannende dabei ist, dass das Unternehmen dabei ausschließlich auf eine eigene Architektur und eine firmeneigene Programmiersprache baut. Dieser Schritt verdeutlicht, wie ernst es Huawei mit der Unabhängigkeit von amerikanischer Technologie meint.
Huawei arbeitet konsequent am Aufbau eines geschlossenen Ökosystems, das ähnliche Vorteile bieten soll wie Apples iOS: Eine kontrollierte, einheitliche Umgebung, in der Huawei nicht nur die Hardware, sondern auch die Software vollständig kontrolliert.
Herr Frenzel, Ihr Buch “China Leaks” beleuchtet “Pekings geheimes Netzwerk in Deutschland”. Die Recherchen dafür basierten auf einem Dokument aus dem Dark-Net, das Vertreter der sogenannten Einheitsfront auflisten soll, die in Deutschland Einflussarbeit im Sinne Chinas betreiben. Wie konnten Sie sicher sein, dass die Liste echt ist?
Auf die Liste wurden Journalisten in mehreren Ländern aufmerksam. Ein Kollege aus Schweden hatte sie etwa aus Sicherheitskreisen in Stockholm bekommen, wo sie schon geprüft worden war. Letztlich hat ein Recherchenetzwerk aus zehn Ländern zwei Jahre lang all die Namen darauf überprüft, dabei haben wir als investigative Journalisten die Leute auf der Liste auch direkt konfrontiert. So offenbarte sich ein Netzwerk, das aus Funktionären von Freundschaftsvereinen, den Hintermännern von illegalen Polizeistationen, aber auch Mitarbeitern chinesischer Generalkonsulate und der Botschaft besteht, die sich regelmäßig austauschen. Um ein ganzes Bild zu zeichnen habe ich mich zusätzlich auf die deutsche Politik und Wirtschaft fokussiert. Zu den Unterstützern des Regimes zählen genauso Leute wie Rudolf Scharping oder der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich oder auch die AfD oder Linken-Politiker wie Sevim Dağdelen, die Stimmungsmache zugunsten Chinas betreiben.
Sie selbst sind kein Sinologe und hatten vorher kaum zu China gearbeitet. Wie sind Sie mit den Sprachbarrieren und den kulturellen Besonderheiten umgegangen?
Für die Recherchekooperation hatten wir drei ausgewiesene China-Experten dabei, die sich mit dem Machtapparat auskennen. Das ist zum einen Mareike Ohlberg vom German Marshall Fund in Berlin, Laura Harth von Safeguard Defenders mit Sitz in Madrid sowie Peter Mattis von der Jamestown Foundation in Washington, D.C. Mattis hat jahrelang für die CIA zu China gearbeitet. Daneben gab es Muttersprachler, die uns etwa mit der eindeutigen Identifizierung der Namen halfen.
Ihr Buch wurde schon kurz nach Erscheinen kontrovers diskutiert. Ihnen wurde China-Hass vorgeworfen.
Das kam für mich nicht überraschend, das ist der klassische Verteidigungsreflex, um unangenehme Enthüllungen in den Dreck zu ziehen. Für mich selbst kann ich sagen: Ich schätze die chinesische Kultur sehr. Ich habe China mehrmals bereist und war fasziniert von seiner Entwicklungsgeschwindigkeit. Das Land hat Enormes hinbekommen, auch was die Bekämpfung der Armut angeht. Ich finde es auch beeindruckend, was deutsche Unternehmen wie VW in China aufgebaut haben. Das sind tolle Erfolgsgeschichten. Aber das Regime wurde in den vergangenen Jahren immer skrupelloser. Und hier muss man sich eben überlegen, ob der wirtschaftliche Erfolg alle Mittel rechtfertigt. Viele, die von der Zusammenarbeit mit China profitieren oder gut damit fahren, verschließen bewusst die Augen vor den schlimmen Seiten. Ich habe viel Energie in dieses Buch gesteckt, weil ich unsere Demokratie und unsere freie Art zu leben tatsächlich durch dieses verbrecherische chinesische Regime bedroht sehe.
Man warf ihnen auch vor, auf der Suche nach Einflussagenten Chinesen und Chinesinnen unter Generalverdacht zu stellen.
Auch das ist ein altbekanntes Totschlagargument, um die Recherchen zu diskreditierten. Die Menschen auf der Liste, die dem chinesischen Regime in die Hände spielen, machen ja nur einen Bruchteil von den über 200.000 chinesischstämmigen Personen in Deutschland aus. Die große Masse sind doch keine U-Boote Chinas – das habe ich auch nie behauptet. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Leute auf der Liste keine Spione im klassischen Sinne sind, die offiziell zu diesem Zweck angestellt wurden. Das ist ja das Perfide am chinesischen Ansatz, dass schnell behauptet werden kann, naja, die erzählen einfach ihre Geschichte. Aber wir brauchen die ja nicht zu glauben. Aber so einfach ist es nicht. Aus gutem Grund bezeichnen die Kommunisten die Einheitsfront als ihre Zauberwaffe. Es geht darum, alles was Rang und Namen hat außerhalb der Partei auf Linie zu bringen. Und während meiner Recherchen ist mir das immer wieder aufgefallen, selbst angebliche politische Konkurrenten der KPCh sprechen nur in höchsten Tönen über die Kommunisten. Das ist, als wolle man den berühmten Wackelpeter an die Wand nageln, man hört von diesen Leuten nur Lobeshymnen auf das Regime. Für mich ist das Gleichschaltung in Reinform, die wir heute mitten in Europa beobachten können.
Welche Gefahren sehen Sie bei uns konkret?
Ein Blick nach Australien zeigt, wohin Unterwanderung führen kann. Dort hatte die chinesische Seite offenbar den Plan, direkt in die nationale Regierung hinein zu agieren. Ein Mittelsmann hatte versucht, indem er sich auch als finanzstarker Spender engagiert hat, einen wichtigen Minister quasi zu steuern. Der Plot flog auf und der Politiker zog sich zurück. Australien hat daher den Straftatbestand des ‘Einflussagententums’ eingeführt – ein zugegeben noch etwas vager Begriff, der verschiedene Formen der Einflussnahme umfasst. Wer als Einflussagent verurteilt wird, kann jetzt mehrere Jahre ins Gefängnis kommen.
Was zeichnet einen Einflussagenten demnach aus?
Ein Einflussagent ist kein klassischer Spion, der mit geheimdienstlichen Methoden Informationen beschafft. Stattdessen befeuert er gezielt Stimmungen, die im Interesse der Kommunistischen Partei Chinas liegen. Da geht es nicht um Bestechung im klassischen Sinne, was ja auch bei uns bereits verboten wäre. Es geht um Narrative, die bedient werden und so Eingang in unsere Politik finden und Konsequenzen provozieren, die nicht in unserem Interesse sind. Diese Art der Einflussnahme ist auch für Deutschland eine neue Herausforderung, und deutsche Gerichte sowie die Gesetzgebung müssen sich auf dieses Phänomen einstellen.
Kann man überhaupt von einer einheitlichen Strategie der Einheitsfront sprechen?
Es gibt mehrere Strategien. Eine ist es, möglichst nah an ausländische Politiker ranzukommen und sogar eigene Leute in die Politik zu bringen. Eine andere ist, Chinas Geschichte im Ausland gut zu erzählen – über Kuluturvereine zum Beispiel. Auch diese Menschen sind Türöffner, denen vielleicht auch nicht bewusst ist, wie zentral ihre Arbeit für das Regime ist. Sie sagen, sie würden ja niemanden überwachen. Gleichzeitig gibt es zwischen diesen Menschen in der Regel eine enge Beziehung zur Botschaft oder zu einem der vier Generalkonsulate. Und dann gibt es natürlich noch konkretere Dinge wie die Übersee-Polizeistationen, die die chinesische Regierung zu Servicestationen kleinredet, die den Auslandschinesen lediglich bei der Orientierung im Alltag und kleinen bürokratischen Arbeiten helfen sollen. Die aber unter Regimegegner enorme Angst verbreiten. Auch bei uns in Deutschland.
Sie haben sich auch die Konfuzius-Institute genauer angeschaut: Machen die denn wirklich etwas anderes als Goethe-Institute, die für Deutschland und die deutsche Kultur werben?
Die Bundesregierung ist ja kein diktatorisches Regime. Sie gibt den Leitern der Goethe-Institute nicht vor, welche Themen sie behandeln dürfen und welche nicht. Alles, was das Miteinander von Kulturen und Ländern bestärkt, ist eine gute Sache. Auch kritisiere ich nicht, wenn jemand eine Jahrtausende alte Kultur positiv darstellt. Kritisch wird es nur, wenn man ein verbrecherisches Regime schönredet und mit ihm paktiert, ein Regime, das sich unter Xi Jinping nochmal ins Extreme entwickelt hat. Es gibt sicher Personen auf der Liste, die weniger mit dem Regime involviert sind als andere. Aber alle spielen eine Rolle in der chinesischen Propaganda- und Einflussarbeit. Sie alle tragen zur Unterwanderung Deutschlands bei, sei es, weil sie überzeugt davon sind, sei es, weil sie sich einen persönlichen Vorteil dadurch erhoffen.
Eine Frau aus Mannheim hat Ihnen eine Hexenjagd auf ihre Mutter vorgeworfen, weil sie bei einer öffentlichen Bürgerveranstaltung auf einem Foto mit Winfried Kretschmann abgebildet war. Und dass Sie sie unter dem Vorwand kontaktiert hätten, einen Beitrag über ihr TCM-Gesundheitszentrum zu drehen.
Die von ihnen erwähnte Frau hat nicht nur ein Foto mit Ministerpräsident Kretschmann gepostet, sondern auch welche mit Cem Özdemir und mit Danyal Bayaz, dem Finanzminister von Baden-Württemberg. Ich habe auch noch weitere Bilder von ihr mit anderen Grünen aus der Landtagsfraktion, aufgenommen im Landtag. Das zeigt mir: Sie hat sich mit denen ausgetauscht, sie ist verdrahtet und bemüht sich um Beziehungen, unter anderem als Vorsitzende eines Kulturzentrums in der Rhein-Neckar-Region. Gleichzeitig gibt es auch ein Foto von ihr aus China, wo sie mit Vertretern des Regimes am Tisch sitzt. Im Gespräch hat sie zugegeben, dass sie mit dem Generalkonsulat in Frankfurt kooperiert. Und es gibt wissenschaftliche Veröffentlichungen, dass TCM, also die traditionelle chinesische Medizin, vom kommunistischen Regime ganz bewusst als Türöffner in ausländische Gesellschaften genutzt wird.
Sie sagen, Sie wurden während der Arbeit zu ihrem Buch überwacht. Von wem?
Von meinem Handy sind Fotos mit Informationen über einen hochrangigen chinesischen Offizier verschwunden. Später war mein privater Laptop – und ein weiterer Rechner aus meinem persönlichen Umfeld – plötzlich auf Chinesisch umgestellt, obwohl ich das nie gemacht habe und normalerweise auch nicht damit recherchiere. In den frühen Phasen meiner Recherche fiel mir außerdem auf, dass ich in öffentlichen Verkehrsmitteln ständig von asiatisch aussehenden Menschen umgeben war. In einer U-Bahn hielt eine Frau mit Mundschutz ihr Handy über mehrere Minuten direkt auf mich gerichtet und filmte mich offenbar. Davon gibt es auch ein Video in meiner Dokumentation für RTL. Deutsche Sicherheitsbehörden haben mir bestätigt, dass ich offenbar ins Visier der chinesischen Dienste geraten bin.
Was wollten diese Menschen von Ihnen?
Ich habe das Gefühl, dass es hier vor allem um Einschüchterung ging. Die Botschaft lautete: ‘Wir wissen genau, was du machst, wir sind in deinen Geräten und Bilddateien.’ Auch deshalb müssen wir in Deutschland eine gezielte Cyberabwehr gegenüber China aufbauen, da unsere Sicherheit stark gefährdet ist.
Was entgegnen Sie Menschen, die sagen, dass die USA uns ebenfalls ausspionieren?
Auch die USA betreiben eine klare Machtpolitik. Sie bleiben dabei jedoch ein freiheitlicher Rechtsstaat. Und die massive und durchaus auch berechtigte Kritik an den USA, die oft in Deutschland geäußert wird, basiert auf Informationen, die durch hervorragende amerikanisch Investigativjournalisten ans Licht kommen. Das zeigt, dass dort – zumindest noch bislang – eine funktionierende Demokratie existiert, in der kritische Berichterstattung möglich ist.
Markus Frenzel ist Investigativreporter für RTL. Nach dem Politikstudium in Berlin, Aix-en-Provence und Paris hat er lange Jahre für die Deutsche Welle und das ARD-Magazin FAKT gearbeitet. Für seine Recherchen hat er mehrere Journalistenpreise bekommen – darunter den Marler Fernsehpreis für Menschenrechte, den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis und den Journalistenpreis des Europäischen Parlaments.
Huawei kommt nicht nur mit seinen selbst entwickelten Mikrochips voran, der Tech-Riese aus Shenzhen hat auch große Software-Pläne. Ähnlich wie Apple mit iOS arbeitet Huawei für seine Geräte an einem geschlossenen Betriebssystem. Im Oktober wurde HarmonyOS NEXT vorgestellt.
Während die bisherigen Versionen von HarmonyOS Entwicklern erlaubten, ihre Android-Apps relativ einfach zu portieren, setzt die neue Version ausschließlich auf eine eigene Architektur und die firmeneigene Programmiersprache ArkTS. Dieser Schritt verdeutlicht, wie ernst es Huawei mit der Unabhängigkeit von amerikanischer Technologie meint.
Das Unternehmen möchte ein eigenes Ökosystem aufbauen, das ähnliche Vorteile bietet wie Apples iOS: Eine kontrollierte, einheitliche Umgebung, in der Huawei nicht nur die Hardware, sondern auch die Software vollständig kontrolliert. Huawei könnte so zugleich, ähnlich wie Apple, künftig von Entwicklern eine Provision für den Verkauf ihrer Apps verlangen und somit eine neue Umsatzquelle erschließen.
Huawei führte bereits vor Jahren die erste Version von HarmonyOS ein, um auf die Handelsrestriktionen der USA zu reagieren. Bis 2019 waren alle Huawei-Smartphones stark auf Android angewiesen und nutzten Google-Dienste wie den Play Store und Maps. Doch als Huawei aufgrund der Spannungen zwischen den USA und China auf die sogenannte “Entity List” gesetzt wurde, verlor das Unternehmen den Zugang zu diesen Diensten. HarmonyOS sollte als Antwort auf diesen Druck dienen und Huawei unabhängiger machen – jedoch immer noch mit ein bisschen Hilfe von Android.
Einerseits ist es eine logische Konsequenz, dass der Konzern nun versucht, sich komplett von Android zu lösen. Allerdings gibt es auch Risiken, wie sich bereits Tage nach der Veröffentlichung von HarmonyOS NEXT zeigt. Huawei ging bei der Einführung vorsichtig vor. Der Konzern stellte es zunächst nur auf ausgewählten Geräten zur Verfügung. Diese Herangehensweise ermöglicht es, das System unter realen Bedingungen zu testen und Feedback von Nutzern zu sammeln.
Allerdings fällt das Feedback durchwachsen aus. Schon kurz nach der Veröffentlichung warnte so etwa der chinesische Tech-Blogger Lu Songsong vor der Umstellung. Mindestens ein Drittel bis die Hälfte der 15.000 von Huawei zum Start versprochenen Apps sei nicht vollständig angepasst. Es gebe viele “Early Adopter-Versionen” mit eingeschränkter Funktionalität.
Zu Unruhe führten ausgerechnet Berichte über eine sehr bescheidene WeChat-Testversion. In der ersten Huawei-Umsetzung von WeChat gibt es demnach zwar grundlegende Funktionen wie den Chat und den Moments-Feed, jedoch fehlten wichtige Features wie das Kurzvideo-Format “Channels”, die Suchmaschine, Finanzdienste und die KI-Übersetzung. WeChat ist ohne Zweifel die mit Abstand wichtigste App auf chinesischen Smartphones. Hier sollte sich Huawei also besser keine Fehler erlaube.
Doch glauben viele Beobachter, dass es sich um Kinderkrankheiten handelt, die schnell überwunden werden können. Für Rückenwind sorgte zugleich eine sehr wohlwollende Berichterstattung zum neuen “heimischen” Betriebssystem in chinesischen Staatsmedien. Huawei plant bereits den nächsten Schritt. So soll HarmonyOS Next laut Berichten schon im kommenden Jahr nicht nur auf mobilen Geräten, sondern auch auf PCs eingesetzt werden. Allerdings könnte diese Umstellung später erfolgen, als zunächst gedacht.
Der chinesische Präsident Xi Jinping hat am Samstag Kooperationsbereitschaft mit der neuen US-Regierung unter Donald Trump signalisiert. Am Rande des Forums der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) in der peruanischen Hauptstadt Lima sagte er bei seinem vermutlich letzten Treffen mit dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden: “Chinas Ziel einer stabilen, gesunden und nachhaltigen Beziehung zwischen China und den USA bleibt auch nach der Wahl Trumps unverändert” und räumte “Höhen und Tiefen” zwischen den beiden Ländern ein. Sein Land sei bereit, in konfliktbehafteten Themen, wie Cyberkriminalität, Handel, Taiwan, das Südchinesische Meer und Russland zusammenzuarbeiten, sagte Xi weiter.
Das zweistündige Gespräch in Lima fand zwei Monate vor dem Machtwechsel in den USA statt. Trump hat bereits einen härteren Kurs gegen China angekündigt und Hardliner für wichtige Kabinettsposten nominiert. Biden gilt seitdem als Lame Duck. Laut einer Mitteilung der chinesischen Regierung betonte Xi Chinas “vier rote Linien”, die die USA zu respektieren haben:
Zudem warnte Xi vor einem Kalten Krieg zwischen den Ländern und wies erneut Vorwürfe chinesischer Cyberangriffe auf die USA zurück. In den vergangenen Monaten wurden Angriffe auf US-Telekommunikationsnetze bekannt, hinter denen chinesische Hacker stecken sollen. Laut dem nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan forderte Biden China außerdem dazu auf, Druck auf Nordkorea auszuüben, den Krieg in der Ukraine durch dessen Truppenpräsenz nicht auszuweiten. Beiden Regierungen zufolge äußerten sich die Staatsoberhäupter einhellig, dass Menschen und nicht künstliche Intelligenzen über den Einsatz von Atomwaffen entscheiden sollten. mcl/rtr
Ein 21-jähriger Mann hat am Samstag an einer Berufsschule in Wuxi acht Menschen mit einem Messer getötet und 17 weitere verletzt. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, sei der mutmaßliche Täter ein ehemaliger Schüler, der aus Frust um nicht bestandene Prüfungen, einen nicht erhaltenen Abschluss sowie schlechte Bezahlung in einem Praktikum gehandelt haben soll. Er sei am Tatort in der östlichen Provinz Jiangsu festgenommen worden und geständig gewesen, hieß es weiter.
In China, das sich sonst als sicheres Land rühmt, gab es zuletzt eine Reihe gewalttätiger Angriffe von Männern auf Unbekannte, teils Ausländer. Dabei handelt es sich um vermeintliche Racheakte an der Gesellschaft für persönliche Miseren. Laut der Nachrichtenagentur Reuters gab es in den vergangenen sechs Monaten acht solcher Taten:
Der Messerangriff am Samstag löste erneut Diskussionen über die Sicherheit und mentale Gesundheit im Land aus, wobei der Zensurapparat darum bemüht ist, solche Reaktionen einzudämmen. Das Online-Medium China Digital Times archivierte einige Kommentare in sozialen Medien vor ihrer Löschung. Einige Internetnutzer führten die Gewalttaten zurück auf die schlechte wirtschaftliche Situation der Täter und die des Landes. Ein Nutzer schrieb: “Die sozialen Spannungen verschärfen sich und es gibt kein Ventil für aufgestaute Unzufriedenheit.” Ein Anderer verglich die Situation mit den zahlreichen Opfern an Waffengewalt in den USA. mcl/rtr
Wenige Tage vor dem Urteilsspruch gegen die pro-demokratischen Hongkong 47 hat das Oberste Gericht der Stadt drakonische Urteile gegen mehrere verhinderte Bombenattentäter gesprochen. Der Hauptangeklagte Ng Chi-hung erhielt eine Haftstrafe von 23 Jahren und zehn Monaten. Es ist das bislang härteste Urteil, das ein Hongkonger Gericht im Zusammenhang mit den Massenprotesten im Jahr 2019 gesprochen hat. Ng sowie sechs Mitangeklagten wurde vorgeworfen, einen Bombenanschlag geplant zu haben, der gezielt Polizisten hätte töten sollen.
Das Gericht bezeichnete den Plan der Gruppe als “Kriegserklärung an die Gesellschaft”. Der Anschlag wurde jedoch durch vorzeitige Festnahmen vereitelt. Ng hatte sich im Laufe des Verfahrens schuldig bekannt, was die Richterin strafmildernd auslegte. Ein weiterer Angeklagter, Wong Chun-keung, galt als Anführer einer radikalen Gruppe namens “Drachentöter”, die 2019 aktiv war. Er muss für dreizehneinhalb Jahre hinter Gitter. Fünf weitere Personen erhielten Haftstrafen zwischen fünf Jahren und zehn Monaten und zwölf Jahren wegen verschiedener Straftaten, darunter Waffenbesitz und Beihilfe zur Herstellung von Sprengstoff.
Die Härte der Strafe habe laut Steve Li, dem Leitenden Beamten der Abteilung nationale Sicherheit der Hongkonger Polizei, “eine erhebliche abschreckende Wirkung”. Gleichzeitig verstärkt es wenige Tage vor dem Urteil im Mammutprozess gegen die pro-demokratische Opposition der Stadt die Sorge um die Verhältnismäßigkeit. Die sogenannten Hongkong 47 sind ehemalige Politiker oder Aktivisten, die sich mit politischem Engagement gegen die Entdemokratisierung der Stadt durch Pekinger Einfluss gestemmt hatten. Vielen von ihnen droht lebenslange Haft. rtr/grz
Zum dritten Mal in diesem Jahr ist ein früherer Minister aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden. Nach Li Shanfu und Wei Fenghe, die nacheinander das Ressort Verteidigung verantwortet hatten, erwischt es nun den ehemaligen Landwirtschaftsminister Tang Renjian. Gegen den 61-Jährigen wurde wegen “schwerer Verstöße gegen Disziplin und Recht” ermittelt, ein Euphemismus für Korruption. Das Verfahren war erst vor einem halben Jahr angestoßen worden. Im Mai war Tang seines Amtes enthoben worden.
Tang wird beschuldigt, Geschenke und Geld sowie Eigentum bei der Auswahl von Kadern angenommen und seine Autorität missbraucht zu haben, um die Geschäftsaktivitäten seiner Verwandten zu unterstützen. Er habe sich in gerichtliche Aktivitäten eingemischt, berichtete das staatliche Medium CCTV. “Tang Renjian hat seine Ideale und Überzeugungen verloren und seine ursprüngliche Mission aufgegeben”, hieß es.
Tang war von 2017 bis 2020 Gouverneur der westlichen Provinz Gansu, bevor er zum Minister für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten ernannt wurde. Unter seiner Leitung hatte das Ministerium unter anderem die Lebensmittelsicherheit verschärft und den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen genehmigt. Im September wurde Han Jun zu seinem Nachfolger ernannt.
Präsident Xi Jinping erklärte Anfang des Jahres einen “überwältigenden Sieg” bei der Bekämpfung der Korruption in der Partei und versprach, den Druck aufrechtzuerhalten. Kritiker sagen jedoch, die Kampagne sei dazu genutzt worden, seine politischen Gegner auszuschalten und befasse sich nicht mit den Ursachen der Korruption, wie niedrigen Löhnen und der unkontrollierten Macht der Staatsbeamten. grz/rtr
Seit über einem Jahrzehnt setzt China auf eine zunehmend aggressive Hybridkriegsstrategie, um seine Macht und seinen Einfluss im strategisch wichtigen Südchinesischen Meer auszubauen. Dieser Herausforderung entgegenzutreten, wird eine der entscheidenden Aufgaben für die Regierung des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump sein.
Die Erfüllung des “chinesischen Traums” von globaler Vorherrschaft unter Präsident Xi Jinping hängt maßgeblich davon ab, die Dominanz im Südchinesischen Meer zu erlangen und die Vormachtstellung der USA in der indopazifischen Region- einem aufstrebenden globalen Wirtschafts- und geopolitischen Zentrum – zu beenden. Dabei hat China nicht gezögert, Druckmittel einzusetzen, um diese Ziele zu erreichen.
In den vergangenen Jahren wurden Boote der Philippinen oder Vietnam von chinesischen Schiffen blockiert, gerammt, oder angegriffen. Offshore-Energieprojekte unterliegen regelmäßigen Schikanen. Solche gewalttätigen Auseinandersetzungen haben die regionalen Spannungen verschärft und die Stabilität in einem wichtigen Korridor zwischen dem Pazifik und dem Indischen Ozean untergraben.
Man sollte erwarten, dass die Vereinigten Staaten Maßnahmen ergreifen, um Chinas Verhalten einzudämmen, insbesondere angesichts ihres gegenseitigen Verteidigungspaktes mit den Philippinen. Und dennoch haben drei aufeinanderfolgende Präsidenten – Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden – nicht mehr als Unterstützungsbekundungen und symbolische Maßnahmen angeboten. Im Jahr 2012 sah Obama tatenlos zu, wie China den Philippinen das umstrittene Scarborough-Riff entriss.
Es war nicht das erste Mal, dass die USA ihren Verteidigungsverpflichtungen gegenüber den Philippinen nicht nachkamen. Im Jahr 1995 baten die Philippinen die USA um Hilfe, die chinesischen Streitkräfte daran zu hindern, das Mischief-Riff zu erobern. US-Präsident Bill Clinton lehnte das Gesuch ab. Mischief-Riff ist heute ein wichtiger chinesischer Militärstützpunkt.
Je öfter China ungestraft davonkam, umso dreister wurde es. Nach der Einnahme des Scarborough-Riffs startete Xi eine hektische Landgewinnungskampagne und schüttete 1.300 Hektar neues Land im Südchinesischen Meer auf. China hat 27 militärische Außenposten auf umstrittenen Inseln errichtet, die nun militärisch ausgestattet sind. Größere Inseln verfügen über Flugzeughangars, Start- und Landebahnen sowie Tiefwasserhäfen. Indem es die geopolitische Landkarte des Südchinesischen Meeres eigenhändig neu zeichnet, sichert sich China eine einzigartige Position, um in der Region Macht zu demonstrieren.
Während China schrittweise die Sicherheit der Philippinen untergräbt, betonen die USA weiterhin ihr “eisernes” Verteidigungsengagement gegenüber ihrem Verbündeten. Ende vergangenen Jahres bekräftigte die Biden-Regierung, dass jeder gewaltsame Angriff Dritter durch den gegenseitigen Verteidigungsvertrag zwischen den USA und den Philippinen abgedeckt ist. Trotzdem bleibt China unbestraft – und unbeirrt.
Wie lässt sich diese Kluft zwischen Rhetorik und Handeln erklären? In erster Linie fürchten die USA eine Eskalation, insbesondere weil ihre Ressourcen in der Ukraine und im Nahen Osten beansprucht werden. Außerdem ziehen es die USA vor, sich nicht in Hoheitsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer einzumischen, da sie dort keine eigenen territorialen Ansprüche erheben. Sie haben nicht einmal Stellung zur Souveränität der von Japan verwalteten Senkaku-Inseln bezogen, die China ebenfalls beansprucht.
Die USA haben jedoch deutlich gemacht, dass ihr Sicherheitsabkommen mit Japan auch diese Inseln abdeckt, und vor “jedweder unilateraler Maßnahme gewarnt, die darauf abzielt, Japans Führung zu untergraben”. Dasselbe sollten sie für die Philippinen tun. Sie sollten unmissverständlich erklären, dass ihre vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Land sämtliche Versuche abdeckt, einen Wechsel der Gebiete zu erzwingen, die derzeit unter philippinischer Verwaltungskontrolle stehen.
Die USA könnten sich dabei auf das Urteil eines internationalen Schiedsgerichts von 2016 berufen, das Chinas territoriale Ansprüche im Südchinesischen Meer als “ohne rechtliche Grundlage” zurückwies. Doch Chinas offene Missachtung dieses Urteils zeigt, dass die Zukunft des Südchinesischen Meeres nicht durch internationales Recht entschieden wird – und warum die USA bereit sein müssen, eine solche Erklärung mit Taten zu untermauern.
Sollten sich die USA für ihren Verbündeten einsetzen, so können sie die neun philippinischen Marine- und Luftwaffenstützpunkte nutzen, zu denen sie in den vergangenen zehn Jahren Zugang erhalten haben. Andernfalls wird China seine Vorherrschaft über das Südchinesische Meer weiter festigen, die reichen Energie- und Fischereiressourcen der Region einkreisen und die Möglichkeit erlangen, Lieferketten zu unterbrechen.
China wird sich nicht mit dem Südchinesischen Meer zufriedengeben. Unter Xis Führung hat China ähnliche Kombinationen aus Täuschung, Einschüchterung, Zwang und Überraschung genutzt, um seine territoriale Kontrolle anderswo auszubauen – vom Ostchinesischen Meer bis zum Himalaja. Wie bei jedem Tyrannen besteht der einzige Weg, China zu stoppen, darin, ihm einen glaubwürdigen Herausforderer entgegenzustellen. Die USA müssen dieser Herausforderer sein – und sie sollten damit beginnen, die Philippinen zu verteidigen.
Brahma Chellaney ist Professor Emeritus für Strategische Studien an dem in Neu-Delhi ansässigen Center for Policy Research, Fellow an der Robert Bosch Academy in Berlin sowie Autor von Water, Peace, and War: Confronting the Global Water Crisis (Rowman & Littlefield, 2013).
Aus dem Englischen von Corey Fritsch. Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org
Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.
Wang Hao ist zum neuen Sekretär des Provinzkomitees der Kommunistischen Partei in Zhejiang ernannt worden. Wang ersetzt Yi Lianhong an der Spitze. Die Entscheidung hatte das Zentralkomitee der Partei Ende vergangenen Monats getroffen.
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Tausende Elektrofahrzeuge stehen auf dem Gelände des Chang’an Automobile Distribution Center in Chongqing zur Auslieferung bereit. Bis einschließlich Oktober betrug das Volumen an verkauften E-Autos in der Volksrepublik fast zehn Millionen Einheiten. Bis zum Jahresende dürfte die 12-Millionen-Marke geknackt werden. Chang’an gehört zu den großen staatlichen Herstellern, der maßgeblichen Anteil daran hat, dass Chongqing ein Zentrum der industriellen Fertigung in China ist. Das Unternehmen kooperiert mit Huawei und gehört zu Anteilen dem Batterieproduzenten CATL.