Table.Briefing: China

Konjunkturprogramm + Interview mit Peter Hessler

Liebe Leserin, lieber Leser,

eins muss man der KP-Führung lassen: Sie fackelt nicht lange. Das Dritte Plenum ist gerade einmal eine Woche her – schon wird ordentlich geklotzt. Umgerechnet 400 Milliarden Euro lässt sie springen zur Ankurbelung der seit Monaten vor sich hin dümpelnden Konjunktur. Doch so gigantisch dieses Paket ist – dringend notwendige Strukturreformen packt Xi Jinping nicht an, analysiert Finn Mayer-Kuckuk. Der Löwenanteil der Gelder fließt denn auch wieder in die Staatsunternehmen.

Mit seinem Buch “River Town” machte sich Peter Hessler, ehemaliger Peking-Korrespondent des The New Yorker, 2001 einen Namen. Darin beschrieb er das Leben im ländlichen China, das noch von Armut und Mangelwirtschaft geprägt war. Fast 20 Jahre später kehrt er in die Gegend zurück und schreibt seine Beobachtungen in seinem inzwischen viertem Buch über China auf. Mit dem preisgekrönten Journalisten und Schriftsteller sprach Fabian Peltsch über die junge Generation von heute, die Hoffnung macht auf ein wieder offeneres China.

Einen sonnigen Wochenstart!

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

Nach dem Plenum: In diese Sektoren fließen plötzlich hohe Summen

Könnte stark von der Konsumförderung profitieren: der Hausgerätehersteller Midea.

Nur wenige Tage nach Veröffentlichung des Strategiepapiers zur Wirtschaftsentwicklung am Sonntag vor einer Woche stellt Chinas Regierung bereits erste Ausgabenprogramme vor. Es geht hier um Milliardenbeträge, die vor allem der Idee der “Entwicklung in hoher Qualität” zugutekommen.

Geldsegen finanziert mit Staatsschulden

Die beiden Maßnahmen setzen an sehr unterschiedlichen Enden der Wertschöpfungskette an. Im ersten Fall geht es um industrielle Großbetriebe, im zweiten Fall um die Endkunden also die einfachen Bürger. Die Gesamtsumme von gut 400 Milliarden Euro ist sehr hoch. Solche Zusatzausgaben werden nicht ohne Effekt auf das Wachstum bleiben.

Die Konsumsubventionen finanzieren sich durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen in Höhe von einer Billion Yuan, die schon auf dem nationalen Volkskongress im März angekündigt wurde. Neu ist: Jetzt zeichnet sich die Schwerpunktsetzung ab.

In der vorvergangenen Woche hat das mächtige Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas bei seinem sogenannten Dritten Plenum über die weitere Förderung der Wirtschaft beraten. Partei und Regierung sind in China weitgehend deckungsgleich. Die Parteibeschlüsse kommen dort sehr schnell 1:1 in die Umsetzung.

Anlagen für die Nationalmannschaft

Die 98 zentral verwalteten Staatsbetriebe sind ein logischer Punkt, um bei ersten Maßnahmen zur Wirtschaftssteuerung anzusetzen. Es handelt sich dabei um die Unternehmen, die direkt der Zentralregierung in Peking gehören. Sie werden von der Kommission des Staatsrats zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen gesteuert. Auf Englisch heißt diese Kommission Sasac.

Die zentralen Staatsbetriebe gelten auch als die “Nationalmannschaft” der chinesischen Wirtschaft. Dazu gehören Rüstungsbetriebe, Werften, die Atomindustrie, Energieversorger, Ölförderer und Flugzeugbauer.

Aufträge für deutsche Maschinenbauer?

Wenn diese Großbetriebe nun in einen Shoppingrausch nach neuen Maschinen und Anlagen verfallen, könnte potenziell auch die deutsche und europäische Industrie stark profitieren. Bei der Beschaffung sollen die Staatsbetriebe alle Arten von Lieferanten gleich behandeln, sagte Sasac-Chef Liu Shaowei am Freitag auf einer Pressekonferenz in Peking.

Nimmt man Liu beim Wort, sollen ausländische Anbieter die gleichen Chancen haben wie chinesische Unternehmen. Ihm zufolge hat es Priorität, Ausrüstung auf höchstem Niveau zu einem guten Preis zu beschaffen. Doch die Wirtschaftspolitik ist immer auch von innenpolitischen Zwängen geprägt. Die Arbeitslosigkeit in China ist hoch. Da ist die Versuchung groß, die einheimischen Anbieter etwas bevorzugt zu bedenken.

Chinesische Hausgeräte-Hersteller und Autobauer profitieren

Deutlich leichter zu durchschauen war am Freitag das zweite Förderprogramm, das sich an Endverbraucher richtet. Der Konsum hängt wegen Immobilienkrise und hoher Jugendarbeitslosigkeit im Keller. Das bestätigen aktuell auch noch einmal Einzelhandelsdaten aus Shanghai.

Ein Vertreter des chinesischen Handelsministeriums hat sich von der japanischen Wirtschaftszeitung Nikkei mit den Gründen für das Förderprogramm zitieren lassen: Neben dem derzeit schwachen Konsum nennt er den starken Wettbewerb innerhalb Chinas als Motivation. Das Überangebot unter anderem an Elektroautos hat bereits zu allzu günstigen Exporten geführt und einen Handelskonflikt mit der EU und anderen Volkswirtschaften losgetreten. Die Aussage zeigt hier also Problembewusstsein und den Willen, sich beim Industrieausstoß wieder stärker dem eigenen Markt zuzuwenden.

  • Autoindustrie
  • Konjunktur
  • KP Chinas
  • Wirtschaft
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Interview

Peter Hessler: “Junge Chinesen sind gar nicht so nationalistisch”

Der Journalist und Schriftsteller Peter Hessler ist für seine genauen Beobachtungen im heutigen China bekannt.

In Ihrem Debüt “Rivertown” schilderten Sie Ihr Leben als Lehrer im abgelegenen Sichuan in den 1990er-Jahren. 2019 sind Sie nach China zurückgekommen, um wieder junge Schüler zu unterrichten. Ihr neues Buch “Other Rivers”, das diesen Monat erschienen ist, ist also eine Fortsetzung. Wussten Sie damals schon, dass Sie Jahrzehnte später ein solches Nachfolgewerk schreiben würden?

Ich hatte die Idee, dass es interessant sein würde, nach etwa 20 Jahren, an diese Orte und zu diesen Menschen zurückzukehren. Im Laufe der Jahre bin ich mit meinen ehemaligen Schülern in Kontakt geblieben, habe sie besucht und in Zeitschriften wie The New Yorker über sie geschrieben. Es lag also nahe, dass ich dieses Buch in Zukunft machen würde.

Aber Sie konnten nicht an dieselbe Hochschule in der Stadt Fuling zurückkehren. Was war der Grund?

Ich war mit den Verantwortlichen in Fuling seit 2016 in Kontakt, und sie waren interessiert. Aber das politische Klima in Chongqing war nach dem Vorfall mit Bo Xilai und den beteiligten Ausländern schwierig. Ich hatte natürlich nichts damit zu tun, aber die Stadtverwaltung wollte kein Risiko eingehen. Im chinesischen System basiert vieles nicht so sehr auf klaren Befehlen, sondern auf Angst. Es herrscht eine allgemeine Nervosität. Die Leute versuchen, vorsorglich Entscheidungen zu treffen, die sie vor Schwierigkeiten bewahren. In Fuling durfte ich nicht unterrichten, aber in der benachbarten Provinz Sichuan, also ganz in der Nähe.

Ihre Bücher wurden ins Chinesische übersetzt und wurden auch dort viel gelesen. Waren die Menschen zufrieden mit der Art und Weise, wie Sie ihr Leben schilderten?

“River Town” wurde nicht sofort ins Chinesische übersetzt. Ich glaube, wenn es so gewesen wäre, hätte es negative Reaktionen gegeben, vor allem wegen der Art, wie ich die Armut beschrieb. Als das Buch 2012 auf Chinesisch erschien, hatte sich das Leben der Menschen so sehr verändert, dass sie mit Nostalgie auf diese frühere Zeit blickten. Es erinnerte sie daran, wie es war, als sie arm waren und als die Stadt schmutzig und verfallen war. Und es machte sie ein bisschen stolz, dass sie das alles durchgestanden haben. Sie waren mittendrin in diesem Kampf, die Dinge zu verbessern und durch diese neue Umgebung in China zu navigieren.

Wussten die jüngeren Studenten der Universität Sichuan eigentlich, wer Sie waren?

Ich habe dort Journalistik unterrichtet, und es war ein ziemlicher Wettbewerb, in meine Lehrveranstaltung zu kommen. Sie wussten, wer ich war. Und die meisten von ihnen hatten Dinge gelesen, die ich geschrieben hatte. Aber ich hatte auch Erstsemester in Einführungskursen für Schriftstellerei. Einige von ihnen, zumindest zu Beginn des Kurses, wussten nicht, wer ich war.

Die Studenten waren teilweise im gleichen Alter wie jene damals in Fuling. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind Ihnen aufgefallen?

Sie waren immens, vor allem, weil die Schüler aus Fuling fast alle vom Lande kamen: Mehr als 90 Prozent von ihnen stammten aus bäuerlichen Familien, die in der Regel recht arm waren. An der Universität Sichuan hingegen hatte ich in meinem ersten Semester keinen einzigen Studenten vom Lande.

In einem Interview sagten Sie, dass Ihnen die Schüler im heutigen Sichuan weniger kindlich vorkamen, dafür zynischer beziehungsweise realistischer.

Die Schüler in Fuling schienen sehr jung zu sein. Oberflächlich betrachtet wirkten sie oft wie Kinder, sehr einfach, naiv, mit großen Augen auf die Welt blickend. Aber mein Lehrerkollege Adam und ich mussten uns immer wieder daran erinnern, nicht in diese Falle zu tappen, denn in Wahrheit hatten viele von ihnen sehr schwierige Dinge durchgemacht, die wir nie erlebt oder bewältigt hatten. Sie hatten einfach nicht viele Informationen. Damals gab es keine Internetverbindung. Sie hatten nur sehr wenig Kontakt zu Menschen außerhalb ihrer Region. An der Universität Sichuan hingegen waren die Studenten viel besser mit dem System vertraut und wussten, wie es funktionierte. Sie waren ziemlich smart. Sie waren sehr praktisch veranlagt und informiert. Die meisten von ihnen nutzen VPNs, virtuelle private Netzwerke, um die Große Firewall zu umgehen.

Fühlten Sie sich in dem Klischee bestätigt, dass diese Generation von Einzelkindern verwöhnt ist?

Es war eigentlich eher das Gegenteil der Fall. Sie hatten ein sehr starkes Verantwortungsbewusstsein. Sie fühlten diesen Druck, weil sie der Mittelpunkt der ganzen Familie sind. Sie waren recht sympathisch und bescheiden. Als ich George Orwells “Farm der Tiere” im Unterricht behandelte, fragte ich die Schüler, mit welchem der Tiere sie sich identifizierten, und sie wählten oft sehr negative Figuren. Sie wählten dann das Pferd und sagten: Ich bin genau wie es. Die Leute können mir Lügen erzählen und mich ausnutzen, und ich werde es glauben. Das war irgendwie traurig, aber in gewisser Weise auch beeindruckend, denn sie hatten einfach keine Illusionen. Ich glaube, wenn man amerikanische Jugendliche fragt, sehen sie sich selbst eher als die Helden, als diejenigen, die alles richtig machen.

Sind sie weniger idealistisch und hoffnungsvoll in ihren Zukunftsaussichten als die Schüler in Fuling?

Es gibt einen gewissen Idealismus, aber er ist sehr gemäßigt. Sie sind sehr maßvoll in dem, was sie erwarten. Wenn man mit ihnen über Politik spricht, sagen einige von denen, die man besser kennengelernt hat, oft: Ja, Demokratie wäre schön, aber sie ist für China nicht geeignet. Sie wird hier nicht funktionieren. Aber wenn wir etwas haben können, das mehr Freiheit bietet als das, was wir jetzt haben, dann sollten wir das haben. Das ist die Art und Weise, wie sie über das System sprechen.

Aber sie sind auch Little Pinks begegnet, Hardcore-Patrioten …

Im Klassenzimmer gab es nicht viel davon. Oder weniger, als ich erwartet hätte. Ich habe heikle Themen mehr angesprochen als in Fuling. Der Unterricht ist eine Gelegenheit, den Schülern etwas zu geben, was sie sonst nicht bekommen. Das ist meiner Meinung nach der Sinn von ausländischen Lehrern. Es war nicht so, dass ich da reingegangen wäre und ihnen eine Vorlesung über Xinjiang gehalten hätte. Andere Themen sind in Ordnung, zum Beispiel solche, die mit den Vereinigten Staaten zu tun haben. Und es ist wichtig für sie, diese Perspektive zu bekommen. Ich konnte das auf eine Art und Weise tun, die nicht so bedrohlich oder unbeholfen war, wie ich es in Fuling, in meinen 20ern, getan hätte. Ich wusste auch, dass ich einen gewissen Status als Schriftsteller hatte und konnte mir daher wahrscheinlich mehr erlauben.

Auch Sie wurden persönlich angegriffen, und zwar anonym.

Es ist mir immer noch unklar, wer es getan hat. Ich weiß, dass es von einer Studentenzeitung kam, die ich kommentiert habe. Aber als es in den sozialen Medien und am Schwarzen Brett der Universität Sichuan erschien, wurden meine Worte zu einer fiktiven Szene verdreht, um den Anschein zu erwecken, wir hätten einen Streit im Klassenzimmer provoziert, was nie passiert ist. Der Beitrag stammte von einem ruhigen Studenten namens John. Als ich mit ihm sprach, glaube ich nicht mehr, dass er ein Little Pink ist. Er fühlte sich schlecht. Ich glaube nicht, dass er verantwortlich war. Die gebildeten jungen Chinesen sind nicht so nationalistisch, wie wir denken. Und es ist vor allem eine Online-Sache, sie schaffen sich dort Persönlichkeiten. In China haben die jungen Leute nur wenige Möglichkeiten, sich auszudrücken.

Peter Hessler ist für seine Artikel in The New Yorker und eine Buch-Trilogie über China bekannt. Für River Town” (2001), “Oracle Bones “(2006), und “Country Driving” (2010) erhielt er ein MacArthur-Stipendium. Nach einem Aufenthalt in Kairo kehrte Hessler 2019 nach China zurück, um an der Universität Sichuan in Chengdu zu lehren. Sein neues Buch “Other Rivers” über diese Zeit erschien im Juli 2024 bei Penguin Random House. Eine lange Version dieses Interviews lesen Sie hier.

  • Gesellschaft
  • Kultur
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News

Asean-Treffen: Darüber sprach EU-Außenchef Borrell mit Wang Yi

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat bei einem Treffen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi seine Sorge über Chinas Dual-Use-Exporte nach Russland zum Ausdruck gebracht. Die Güter würden zu Russlands militärischer Stärkung beitragen, sagte Borrell zu Wang am Randes des Asean-Regionalforums in Laos laut einer Mitteilung der EU.

Darüber, welche Rolle Pekings Vorschlag eines Friedensplanes spielen soll, gab es nach dem Treffen unterschiedliche Mitteilungen: Borrell habe China aufgefordert, “den Friedensprozess in der Ukraine zu unterstützen und war der Ansicht, dass die gemeinsame Erklärung mit Brasilien vom Mai 2024 nicht in diese Richtung geht“, hieß es im Statement der EU. Vonseiten der chinesischen Mission an die EU hieß es, Brüssel lege “großen Wert auf die Friedensinitiative Chinas und Brasiliens zur politischen Lösung der Ukraine-Krise”. Chinas Spezial-Gesandter Li Hui werde ab Sonntag nach Brasilien, Südafrika und Indonesien reisen, um dort Gespräche zur Ukraine zu führen. Dadurch solle der Globale Süden mehr eingebunden werden.

In seiner Rede vor den Asean-Ministern betonte Borrell, dass der Frieden in der Taiwanstraße erhalten werden müsse. “Wir haben ein direktes Interesse daran, Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße aufrechtzuerhalten und lehnen jeden einseitigen Versuch ab, den Status quo durch Gewalt oder Zwang zu ändern.” Borrell warnte, dass Konflikte im Südchinesischen Meer weitaus schwierigere Folgen haben würden als im Roten Meer. ari

  • ASEAN
  • EU
  • Geopolitik

Südchinesisches Meer: Darum hält der Streit zwischen Peking und Manila weiter an

Der chinesische Außenminister Wang Yi hat die Philippinen vor einer dauerhaften Stationierung von US-Mittelstreckenraketen gewarnt. “Dies würde zu Spannungen führen und ein Wettrüsten auslösen, was nicht im Interesse des philippinischen Volkes wäre”, sagte er nach Angaben der Behörde im Rahmen eines Treffens mit seinem philippinischen Kollegen Enrique Manalo.

Die USA hatten für ein gemeinsames Manöver mit den philippinischen Streitkräften zu Beginn des Jahres Raketen des Typs Typhon in die Inselrepublik verlegt. Dem philippinischen Militär zufolge wurden sie damals nicht abgefeuert. Es blieb allerdings unklar, wie lange diese Waffensysteme in der Region bleiben sollen. rtr

  • Geopolitik
  • Philippinen
  • Südchinesisches Meer

Besuch in Peking: Meloni unterzeichnet Aktionsplan

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni hat zum Auftakt ihrer China-Reise gelobt, die Zusammenarbeit mit China “neu zu beleben”. Dafür unterzeichnete sie in Peking einen Aktionsplan, berichtet die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Die italienische Regierungschefin sagte, ihre fünftägige Reise sei eine “Demonstration des Willens, eine neue Phase einzuleiten, unsere bilaterale Zusammenarbeit neu zu beleben”. Der Aktionsplan werde darauf abzielen, mit neuen Formen der Kooperation zu experimentieren, fügte sie hinzu. Meloni, die chinesische Investitionen als eine Möglichkeit sieht, Italiens schwaches Wirtschaftswachstum anzukurbeln, wird während ihres Besuchs auch Xi Jinping treffen

Meloni nahm am Wochenende zudem an einem italienisch-chinesischen Wirtschaftsforum teil, zu dem Unternehmen wie der italienische Reifenhersteller Pirelli, der Energiekonzern ENI, der Rüstungskonzern Leonardo, Weinproduzenten und mehrere italienische Luxusmodekonzerne wie Dolce & Gabbana eingeladen waren.

Es wird erwartet, dass Meloni bei ihrem Besuch die chinesischen Überkapazitäten ansprechen wird, sowie die chinesische Unterstützung für Russlands Krieg gegen die Ukraine. Bei der Reise sollen auch mehrere bilaterale Handels- und Industrieabkommen unterzeichnet werden. rtr/ari

  • EU
  • Handel
  • Italien
  • Neue Seidenstraße
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Gewinnrückgang: Trotzdem setzt Mercedes weiter auf China

Mercedes hat im zweiten Quartal vor allem auf seinem wichtigsten Auslandsmarkt China spürbar weniger Autos verkauft und deshalb einen deutlichen Gewinnrückgang verzeichnet. Die Absätze gingen in der Volksrepublik im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Prozent zurück, der Nettogewinn des gesamten Konzerns fiel um 15,9 Prozent auf 3,06 Milliarden Euro, teilte der Stuttgarter Hersteller mit.

Trotzdem bleibt China ein wichtiger Markt für Mercedes. Der Hersteller verkaufte eigenen Angaben zufolge mehr als jedes dritte Auto im Reich der Mitte. Der Anteil des China-Geschäfts am Gesamtabsatz sank von 36 auf 34,7 Prozent. Mercedes sprach von einem “verhaltenen Marktumfeld in Asien”.

Wie Volkswagen, Porsche und BMW hat auch Mercedes in China mit der zunehmend starken Konkurrenz durch chinesische Marken vor allem im Elektroautosegment zu kämpfen. rtr/flee

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  • Mercedes Benz

Presseschau

Japan und USA planen “Hauptquartier der gemeinsamen Streitkräfte” als Schutz vor China WELT
Außenministertreffen: Blinken kritisiert China wegen Hilfe für Russlands Rüstung STERN
Konfrontation mit den USA: China warnt Philippinen vor Stationierung von US-Raketen SPIEGEL
Meloni möchte Beziehung zu China neu gestalten WEB.DE
Orbans «illiberale Demokratie» in der Krise: Ungarn nimmt in China heimlich einen Milliardenkredit auf NZZ
Grenzgebiet: Handel zwischen China, Nordkorea und Russland boomt FAZ
Lawmakers from 6 countries say Beijing is pressuring them not to attend summit in Taiwan AP NEWS
Australian Senator Penny Wong announces new digital cable centre to limit China’s influence in Indo-Pacific THE GUARDIAN
Chinas Industriegewinne legten im Juni trotz schwächelnder Wirtschaft zu HANDELSBLATT
Autonomes Fahren: Wie China Robotaxis zum Erfolg verhilft ZDF
Olympische Spiele: Deutsche Dopingjäger fordern Konsequenzen aus dem Fall China SÜDDEUTSCHE
Mindestens zwölf Tote: Taifun “Gaemi” löst in China Sturzflut aus N-TV

Standpunkt

Das Dritte Plenum der KP: Ein politischer Durchbruch?

Von Carolin Kautz
Carolin Kautz forscht und lehrt zu chinesischer Politik und der Kommunistischen Partei.

Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat in der vergangenen Woche das Dritte Plenum des 20. Zentralkomitees beendet. Das Zentralkomitee ist eines der höchstrangigen Entscheidungsorgane der Partei und trifft sich zu regelmäßigen Plena. Die Erwartungen im Vorfeld des Plenums waren hoch und es wurde über mögliche Reformmaßnahmen für die chinesische Wirtschaft spekuliert. 

Für die hohen Erwartungen gibt es mehrere Gründe. Dritte Plena waren in der Vergangenheit regelmäßig Sitzungen, während denen ökonomische Reformmaßnahmen diskutiert wurden. Die historisch hohen Erwartungen sind auf das dritte Plenum des 11. Zentralkomitees zurückzuführen, die im Jahr 1978 den Einstieg in die wirtschaftlichen Reformen in China nach dem Ende der Mao-Ära beschloss. Außerdem war dieses Plenum turnusmäßig bereits Ende des letzten Jahres erwartet worden. Und die Tatsache, dass es erst jetzt stattfand, hatte im Vorfeld für Spekulationen gesorgt. Zudem waren vor dieser Plenartagung anders als bei dem letzten großen ökonomischen Plenum im Jahr 2013 keinerlei Informationen vorab an die Öffentlichkeit gedrungen, sodass viel Raum für Spekulation bestand. 

Die Ergebnisse der abgelaufenen Plenartagung können aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Zunächst sollten wir im Blick behalten, dass es sich bei Parteitagungen wie dieser um höchstrangige Treffen handelt, die Politikinitiativen auf einer vergleichsweise abstrakten Ebene präsentieren. Wir können somit keine konkreten und detaillierten Politikvorschläge erwarten, bei denen wir bereits jetzt wissen, wie diese sich konkret auswirken werden. In vielen Bereichen werden Details erst mit der Erarbeitung spezifischer Initiativen und Gesetzestexte bekannt werden.

Die Bedürfnisse der Partei sind der Schlüssel zum Verständnis des Plenums

Darüber hinaus können wir die Ergebnisse und Prioritäten der Plenartagung aus der Perspektive der Partei selbst betrachten. Um diese besser zu verstehen, veröffentlicht die Partei zusammen mit der offiziellen Resolution auch eine Erklärung des Generalsekretärs Xi Jinping. Basierend auf dieser Erklärung können wir mehrere Themen identifizieren, die für die Partei zentral sind. 

An erster Stelle ist hier die Führungsrolle der Partei zu nennen. In Hinblick auf die zahlreichen inländischen und internationalen Herausforderungen, die die Partei identifiziert, betont sie ihren zentralen Führungsanspruch, ohne den eine Modernisierung Chinas aus ihrer Sicht nicht möglich ist. Wer Veränderungen im Verhältnis zwischen Partei und Staat oder Parteistaat und Wirtschaftsakteuren erhofft hatte, wird mit dieser Resolution enttäuscht. 

Ein zweiter damit verbundener Aspekt aus Sicht der Partei ist die Balance von Entwicklung und Sicherheit. Bereits in den vergangenen Jahren hatte sich das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und der Sicherung der Herrschaft der KPCh in Richtung des letzteren Ziels verschoben. Dieses dritte Plenum hat an diesem Verhältnis nichts geändert. Während wirtschaftliche Entwicklung und Wirtschaftswachstum nach wie vor ein wichtiges Ziel darstellen, ist die Sicherung von sowohl innerer als auch äußerer Sicherheit für die Partei ebenso zentral. Trotz einiger Reformverlautbarungen und dem Versprechen von weiterer Marktöffnung in einigen Teilbereichen sollte hier also nicht zu viel erwartet werden. 

Ein dritter zentraler Punkt aus Sicht der Partei ist die Betonung der Rolle von Innovation und “qualitativ hochwertiger Entwicklung”. Der Fokus auf ein innovationsgetriebenes Wirtschaftsmodell und den Hightech-Sektor ist nach den Ergebnissen des Nationalen Volkskongresses, des chinesischen Parlamentsäquivalents, im März dieses Jahres nicht erstaunlich. Die seitdem forcierte Entwicklung der “neuen Produktivkräfte” spiegelt sich auch in dieser Resolution des Zentralkomitees wider und macht deutlich, in welche Richtung die Kommunistische Partei die chinesische Wirtschaft über die kommenden Jahre entwickeln will. 

Neben der Perspektive der Partei können wir die Ergebnisse der dritten Plenartagung auch aus Sicht von internationalen Akteuren betrachten. In Bezug auf politische Risiken für Unternehmen können wir drei hauptsächliche Aspekte hervorheben. 

Zunächst ist die Entwicklung einer “sozialistischen Marktwirtschaft nach hohen Standards” zu nennen. Obwohl die Resolution des Plenums verspricht, dass die “Verpflichtungen gegenüber dem öffentlichen und dem nichtöffentlichen Sektor eingehalten” werden sollen, formuliert sie auch klar das Ziel, staatliches Kapitel in Sektoren und zentrale Industrien zu investieren, die die nationale Sicherheit und die chinesische Wirtschaft stärken. Trotz des Versprechens, dass ein “Gesetz zur Förderung der Privatwirtschaft” verabschiedet werden soll, sind die Details hierzu zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar. Es ist somit nicht zu erwarten, dass das chinesische Wirtschaftsmodell des Staatskapitalismus, wie es unter Xi Jinping in den letzten Jahren weiter fokussiert wurde, sich grundlegend ändern wird. 

China will sich gegen äußere Schocks wappnen

In engem Zusammenhang hierzu steht der Plan der KPCh, den Fokus auf ein innovationsgetriebenes Wirtschaftsmodell zu legen. Auch dieses soll gemäß der Plenumsresolution signifikant mit staatlichen Mitteln und in Kooperation mit staatseigenen Unternehmen vorangetrieben werden. Im Lichte der jüngsten Handelskonflikte mit der Europäischen Union um Elektrofahrzeuge steht hier also zu erwarten, dass sich derartige Konflikte in der Zukunft eher verschärfen werden. 

Abschließend ist die Betonung der Sicherung von Lieferketten durch die Resolution zu nennen. Ähnlich der Planungen westlicher Unternehmen betont auch die KPCh die Notwendigkeit, Lieferketten, vor allem im Hightech-Bereich, resilienter zu gestalten. Auch hier tut sich die Möglichkeit zukünftiger Handelskonflikte und potenzieller Marktbarrieren auf, die Unternehmen in ihrer politischen Risikoplanung berücksichtigen sollten. 

Abschließend lässt sich somit sagen, dass sich nach gegenwärtigem Stand die hohen Erwartungen an das Plenum nicht materialisiert haben. Trotz vorgeschlagener Reformmaßnahmen sieht bislang nichts nach einem grundlegenden Kurswechsel aus und das Einkalkulieren politischer Risiken in unternehmerische Entscheidungen ist wichtiger denn je. 

Dr. Carolin Kautz forscht und lehrt zu chinesischer Politik und der Kommunistischen Partei. Sie ist Gründerin des Beratungsunternehmens SinoVise, das zu geopolitischen Risiken im Chinageschäft berät und lehrt unter anderem an der University of New South Wales (Sydney). 

  • Drittes Plenum
  • KP Chinas
  • Wirtschaft

Personalie

Daniel Possener wurde im Juni zum Präsidenten des Cambridge University China Forums gewählt. Der Verein widmet sich der Förderung konstruktiver Diskussionen über China. Possener ist Lehrbeauftragter und Gründer im Bildungsbereich.     

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Dessert

Die Zehnmillionenmetropole Chongqing ist wegen ihrer Kessellage und der sich im Sommer extrem stauenden Hitze auch bekannt als “Ofenstadt”. Bei Temperaturen von über 40 Grad, einer extremen Schwüle und kaum Wind haben sich die Bürger früher in Höhlen der bergigen Stadt verkrochen, um sich abzukühlen. Heute wählen sie klimatisierte U-Bahnstationen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    eins muss man der KP-Führung lassen: Sie fackelt nicht lange. Das Dritte Plenum ist gerade einmal eine Woche her – schon wird ordentlich geklotzt. Umgerechnet 400 Milliarden Euro lässt sie springen zur Ankurbelung der seit Monaten vor sich hin dümpelnden Konjunktur. Doch so gigantisch dieses Paket ist – dringend notwendige Strukturreformen packt Xi Jinping nicht an, analysiert Finn Mayer-Kuckuk. Der Löwenanteil der Gelder fließt denn auch wieder in die Staatsunternehmen.

    Mit seinem Buch “River Town” machte sich Peter Hessler, ehemaliger Peking-Korrespondent des The New Yorker, 2001 einen Namen. Darin beschrieb er das Leben im ländlichen China, das noch von Armut und Mangelwirtschaft geprägt war. Fast 20 Jahre später kehrt er in die Gegend zurück und schreibt seine Beobachtungen in seinem inzwischen viertem Buch über China auf. Mit dem preisgekrönten Journalisten und Schriftsteller sprach Fabian Peltsch über die junge Generation von heute, die Hoffnung macht auf ein wieder offeneres China.

    Einen sonnigen Wochenstart!

    Ihr
    Felix Lee
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    Nach dem Plenum: In diese Sektoren fließen plötzlich hohe Summen

    Könnte stark von der Konsumförderung profitieren: der Hausgerätehersteller Midea.

    Nur wenige Tage nach Veröffentlichung des Strategiepapiers zur Wirtschaftsentwicklung am Sonntag vor einer Woche stellt Chinas Regierung bereits erste Ausgabenprogramme vor. Es geht hier um Milliardenbeträge, die vor allem der Idee der “Entwicklung in hoher Qualität” zugutekommen.

    Geldsegen finanziert mit Staatsschulden

    Die beiden Maßnahmen setzen an sehr unterschiedlichen Enden der Wertschöpfungskette an. Im ersten Fall geht es um industrielle Großbetriebe, im zweiten Fall um die Endkunden also die einfachen Bürger. Die Gesamtsumme von gut 400 Milliarden Euro ist sehr hoch. Solche Zusatzausgaben werden nicht ohne Effekt auf das Wachstum bleiben.

    Die Konsumsubventionen finanzieren sich durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen in Höhe von einer Billion Yuan, die schon auf dem nationalen Volkskongress im März angekündigt wurde. Neu ist: Jetzt zeichnet sich die Schwerpunktsetzung ab.

    In der vorvergangenen Woche hat das mächtige Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas bei seinem sogenannten Dritten Plenum über die weitere Förderung der Wirtschaft beraten. Partei und Regierung sind in China weitgehend deckungsgleich. Die Parteibeschlüsse kommen dort sehr schnell 1:1 in die Umsetzung.

    Anlagen für die Nationalmannschaft

    Die 98 zentral verwalteten Staatsbetriebe sind ein logischer Punkt, um bei ersten Maßnahmen zur Wirtschaftssteuerung anzusetzen. Es handelt sich dabei um die Unternehmen, die direkt der Zentralregierung in Peking gehören. Sie werden von der Kommission des Staatsrats zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen gesteuert. Auf Englisch heißt diese Kommission Sasac.

    Die zentralen Staatsbetriebe gelten auch als die “Nationalmannschaft” der chinesischen Wirtschaft. Dazu gehören Rüstungsbetriebe, Werften, die Atomindustrie, Energieversorger, Ölförderer und Flugzeugbauer.

    Aufträge für deutsche Maschinenbauer?

    Wenn diese Großbetriebe nun in einen Shoppingrausch nach neuen Maschinen und Anlagen verfallen, könnte potenziell auch die deutsche und europäische Industrie stark profitieren. Bei der Beschaffung sollen die Staatsbetriebe alle Arten von Lieferanten gleich behandeln, sagte Sasac-Chef Liu Shaowei am Freitag auf einer Pressekonferenz in Peking.

    Nimmt man Liu beim Wort, sollen ausländische Anbieter die gleichen Chancen haben wie chinesische Unternehmen. Ihm zufolge hat es Priorität, Ausrüstung auf höchstem Niveau zu einem guten Preis zu beschaffen. Doch die Wirtschaftspolitik ist immer auch von innenpolitischen Zwängen geprägt. Die Arbeitslosigkeit in China ist hoch. Da ist die Versuchung groß, die einheimischen Anbieter etwas bevorzugt zu bedenken.

    Chinesische Hausgeräte-Hersteller und Autobauer profitieren

    Deutlich leichter zu durchschauen war am Freitag das zweite Förderprogramm, das sich an Endverbraucher richtet. Der Konsum hängt wegen Immobilienkrise und hoher Jugendarbeitslosigkeit im Keller. Das bestätigen aktuell auch noch einmal Einzelhandelsdaten aus Shanghai.

    Ein Vertreter des chinesischen Handelsministeriums hat sich von der japanischen Wirtschaftszeitung Nikkei mit den Gründen für das Förderprogramm zitieren lassen: Neben dem derzeit schwachen Konsum nennt er den starken Wettbewerb innerhalb Chinas als Motivation. Das Überangebot unter anderem an Elektroautos hat bereits zu allzu günstigen Exporten geführt und einen Handelskonflikt mit der EU und anderen Volkswirtschaften losgetreten. Die Aussage zeigt hier also Problembewusstsein und den Willen, sich beim Industrieausstoß wieder stärker dem eigenen Markt zuzuwenden.

    • Autoindustrie
    • Konjunktur
    • KP Chinas
    • Wirtschaft
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    Interview

    Peter Hessler: “Junge Chinesen sind gar nicht so nationalistisch”

    Der Journalist und Schriftsteller Peter Hessler ist für seine genauen Beobachtungen im heutigen China bekannt.

    In Ihrem Debüt “Rivertown” schilderten Sie Ihr Leben als Lehrer im abgelegenen Sichuan in den 1990er-Jahren. 2019 sind Sie nach China zurückgekommen, um wieder junge Schüler zu unterrichten. Ihr neues Buch “Other Rivers”, das diesen Monat erschienen ist, ist also eine Fortsetzung. Wussten Sie damals schon, dass Sie Jahrzehnte später ein solches Nachfolgewerk schreiben würden?

    Ich hatte die Idee, dass es interessant sein würde, nach etwa 20 Jahren, an diese Orte und zu diesen Menschen zurückzukehren. Im Laufe der Jahre bin ich mit meinen ehemaligen Schülern in Kontakt geblieben, habe sie besucht und in Zeitschriften wie The New Yorker über sie geschrieben. Es lag also nahe, dass ich dieses Buch in Zukunft machen würde.

    Aber Sie konnten nicht an dieselbe Hochschule in der Stadt Fuling zurückkehren. Was war der Grund?

    Ich war mit den Verantwortlichen in Fuling seit 2016 in Kontakt, und sie waren interessiert. Aber das politische Klima in Chongqing war nach dem Vorfall mit Bo Xilai und den beteiligten Ausländern schwierig. Ich hatte natürlich nichts damit zu tun, aber die Stadtverwaltung wollte kein Risiko eingehen. Im chinesischen System basiert vieles nicht so sehr auf klaren Befehlen, sondern auf Angst. Es herrscht eine allgemeine Nervosität. Die Leute versuchen, vorsorglich Entscheidungen zu treffen, die sie vor Schwierigkeiten bewahren. In Fuling durfte ich nicht unterrichten, aber in der benachbarten Provinz Sichuan, also ganz in der Nähe.

    Ihre Bücher wurden ins Chinesische übersetzt und wurden auch dort viel gelesen. Waren die Menschen zufrieden mit der Art und Weise, wie Sie ihr Leben schilderten?

    “River Town” wurde nicht sofort ins Chinesische übersetzt. Ich glaube, wenn es so gewesen wäre, hätte es negative Reaktionen gegeben, vor allem wegen der Art, wie ich die Armut beschrieb. Als das Buch 2012 auf Chinesisch erschien, hatte sich das Leben der Menschen so sehr verändert, dass sie mit Nostalgie auf diese frühere Zeit blickten. Es erinnerte sie daran, wie es war, als sie arm waren und als die Stadt schmutzig und verfallen war. Und es machte sie ein bisschen stolz, dass sie das alles durchgestanden haben. Sie waren mittendrin in diesem Kampf, die Dinge zu verbessern und durch diese neue Umgebung in China zu navigieren.

    Wussten die jüngeren Studenten der Universität Sichuan eigentlich, wer Sie waren?

    Ich habe dort Journalistik unterrichtet, und es war ein ziemlicher Wettbewerb, in meine Lehrveranstaltung zu kommen. Sie wussten, wer ich war. Und die meisten von ihnen hatten Dinge gelesen, die ich geschrieben hatte. Aber ich hatte auch Erstsemester in Einführungskursen für Schriftstellerei. Einige von ihnen, zumindest zu Beginn des Kurses, wussten nicht, wer ich war.

    Die Studenten waren teilweise im gleichen Alter wie jene damals in Fuling. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind Ihnen aufgefallen?

    Sie waren immens, vor allem, weil die Schüler aus Fuling fast alle vom Lande kamen: Mehr als 90 Prozent von ihnen stammten aus bäuerlichen Familien, die in der Regel recht arm waren. An der Universität Sichuan hingegen hatte ich in meinem ersten Semester keinen einzigen Studenten vom Lande.

    In einem Interview sagten Sie, dass Ihnen die Schüler im heutigen Sichuan weniger kindlich vorkamen, dafür zynischer beziehungsweise realistischer.

    Die Schüler in Fuling schienen sehr jung zu sein. Oberflächlich betrachtet wirkten sie oft wie Kinder, sehr einfach, naiv, mit großen Augen auf die Welt blickend. Aber mein Lehrerkollege Adam und ich mussten uns immer wieder daran erinnern, nicht in diese Falle zu tappen, denn in Wahrheit hatten viele von ihnen sehr schwierige Dinge durchgemacht, die wir nie erlebt oder bewältigt hatten. Sie hatten einfach nicht viele Informationen. Damals gab es keine Internetverbindung. Sie hatten nur sehr wenig Kontakt zu Menschen außerhalb ihrer Region. An der Universität Sichuan hingegen waren die Studenten viel besser mit dem System vertraut und wussten, wie es funktionierte. Sie waren ziemlich smart. Sie waren sehr praktisch veranlagt und informiert. Die meisten von ihnen nutzen VPNs, virtuelle private Netzwerke, um die Große Firewall zu umgehen.

    Fühlten Sie sich in dem Klischee bestätigt, dass diese Generation von Einzelkindern verwöhnt ist?

    Es war eigentlich eher das Gegenteil der Fall. Sie hatten ein sehr starkes Verantwortungsbewusstsein. Sie fühlten diesen Druck, weil sie der Mittelpunkt der ganzen Familie sind. Sie waren recht sympathisch und bescheiden. Als ich George Orwells “Farm der Tiere” im Unterricht behandelte, fragte ich die Schüler, mit welchem der Tiere sie sich identifizierten, und sie wählten oft sehr negative Figuren. Sie wählten dann das Pferd und sagten: Ich bin genau wie es. Die Leute können mir Lügen erzählen und mich ausnutzen, und ich werde es glauben. Das war irgendwie traurig, aber in gewisser Weise auch beeindruckend, denn sie hatten einfach keine Illusionen. Ich glaube, wenn man amerikanische Jugendliche fragt, sehen sie sich selbst eher als die Helden, als diejenigen, die alles richtig machen.

    Sind sie weniger idealistisch und hoffnungsvoll in ihren Zukunftsaussichten als die Schüler in Fuling?

    Es gibt einen gewissen Idealismus, aber er ist sehr gemäßigt. Sie sind sehr maßvoll in dem, was sie erwarten. Wenn man mit ihnen über Politik spricht, sagen einige von denen, die man besser kennengelernt hat, oft: Ja, Demokratie wäre schön, aber sie ist für China nicht geeignet. Sie wird hier nicht funktionieren. Aber wenn wir etwas haben können, das mehr Freiheit bietet als das, was wir jetzt haben, dann sollten wir das haben. Das ist die Art und Weise, wie sie über das System sprechen.

    Aber sie sind auch Little Pinks begegnet, Hardcore-Patrioten …

    Im Klassenzimmer gab es nicht viel davon. Oder weniger, als ich erwartet hätte. Ich habe heikle Themen mehr angesprochen als in Fuling. Der Unterricht ist eine Gelegenheit, den Schülern etwas zu geben, was sie sonst nicht bekommen. Das ist meiner Meinung nach der Sinn von ausländischen Lehrern. Es war nicht so, dass ich da reingegangen wäre und ihnen eine Vorlesung über Xinjiang gehalten hätte. Andere Themen sind in Ordnung, zum Beispiel solche, die mit den Vereinigten Staaten zu tun haben. Und es ist wichtig für sie, diese Perspektive zu bekommen. Ich konnte das auf eine Art und Weise tun, die nicht so bedrohlich oder unbeholfen war, wie ich es in Fuling, in meinen 20ern, getan hätte. Ich wusste auch, dass ich einen gewissen Status als Schriftsteller hatte und konnte mir daher wahrscheinlich mehr erlauben.

    Auch Sie wurden persönlich angegriffen, und zwar anonym.

    Es ist mir immer noch unklar, wer es getan hat. Ich weiß, dass es von einer Studentenzeitung kam, die ich kommentiert habe. Aber als es in den sozialen Medien und am Schwarzen Brett der Universität Sichuan erschien, wurden meine Worte zu einer fiktiven Szene verdreht, um den Anschein zu erwecken, wir hätten einen Streit im Klassenzimmer provoziert, was nie passiert ist. Der Beitrag stammte von einem ruhigen Studenten namens John. Als ich mit ihm sprach, glaube ich nicht mehr, dass er ein Little Pink ist. Er fühlte sich schlecht. Ich glaube nicht, dass er verantwortlich war. Die gebildeten jungen Chinesen sind nicht so nationalistisch, wie wir denken. Und es ist vor allem eine Online-Sache, sie schaffen sich dort Persönlichkeiten. In China haben die jungen Leute nur wenige Möglichkeiten, sich auszudrücken.

    Peter Hessler ist für seine Artikel in The New Yorker und eine Buch-Trilogie über China bekannt. Für River Town” (2001), “Oracle Bones “(2006), und “Country Driving” (2010) erhielt er ein MacArthur-Stipendium. Nach einem Aufenthalt in Kairo kehrte Hessler 2019 nach China zurück, um an der Universität Sichuan in Chengdu zu lehren. Sein neues Buch “Other Rivers” über diese Zeit erschien im Juli 2024 bei Penguin Random House. Eine lange Version dieses Interviews lesen Sie hier.

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    Asean-Treffen: Darüber sprach EU-Außenchef Borrell mit Wang Yi

    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat bei einem Treffen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi seine Sorge über Chinas Dual-Use-Exporte nach Russland zum Ausdruck gebracht. Die Güter würden zu Russlands militärischer Stärkung beitragen, sagte Borrell zu Wang am Randes des Asean-Regionalforums in Laos laut einer Mitteilung der EU.

    Darüber, welche Rolle Pekings Vorschlag eines Friedensplanes spielen soll, gab es nach dem Treffen unterschiedliche Mitteilungen: Borrell habe China aufgefordert, “den Friedensprozess in der Ukraine zu unterstützen und war der Ansicht, dass die gemeinsame Erklärung mit Brasilien vom Mai 2024 nicht in diese Richtung geht“, hieß es im Statement der EU. Vonseiten der chinesischen Mission an die EU hieß es, Brüssel lege “großen Wert auf die Friedensinitiative Chinas und Brasiliens zur politischen Lösung der Ukraine-Krise”. Chinas Spezial-Gesandter Li Hui werde ab Sonntag nach Brasilien, Südafrika und Indonesien reisen, um dort Gespräche zur Ukraine zu führen. Dadurch solle der Globale Süden mehr eingebunden werden.

    In seiner Rede vor den Asean-Ministern betonte Borrell, dass der Frieden in der Taiwanstraße erhalten werden müsse. “Wir haben ein direktes Interesse daran, Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße aufrechtzuerhalten und lehnen jeden einseitigen Versuch ab, den Status quo durch Gewalt oder Zwang zu ändern.” Borrell warnte, dass Konflikte im Südchinesischen Meer weitaus schwierigere Folgen haben würden als im Roten Meer. ari

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    • EU
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    Südchinesisches Meer: Darum hält der Streit zwischen Peking und Manila weiter an

    Der chinesische Außenminister Wang Yi hat die Philippinen vor einer dauerhaften Stationierung von US-Mittelstreckenraketen gewarnt. “Dies würde zu Spannungen führen und ein Wettrüsten auslösen, was nicht im Interesse des philippinischen Volkes wäre”, sagte er nach Angaben der Behörde im Rahmen eines Treffens mit seinem philippinischen Kollegen Enrique Manalo.

    Die USA hatten für ein gemeinsames Manöver mit den philippinischen Streitkräften zu Beginn des Jahres Raketen des Typs Typhon in die Inselrepublik verlegt. Dem philippinischen Militär zufolge wurden sie damals nicht abgefeuert. Es blieb allerdings unklar, wie lange diese Waffensysteme in der Region bleiben sollen. rtr

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    • Philippinen
    • Südchinesisches Meer

    Besuch in Peking: Meloni unterzeichnet Aktionsplan

    Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni hat zum Auftakt ihrer China-Reise gelobt, die Zusammenarbeit mit China “neu zu beleben”. Dafür unterzeichnete sie in Peking einen Aktionsplan, berichtet die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Die italienische Regierungschefin sagte, ihre fünftägige Reise sei eine “Demonstration des Willens, eine neue Phase einzuleiten, unsere bilaterale Zusammenarbeit neu zu beleben”. Der Aktionsplan werde darauf abzielen, mit neuen Formen der Kooperation zu experimentieren, fügte sie hinzu. Meloni, die chinesische Investitionen als eine Möglichkeit sieht, Italiens schwaches Wirtschaftswachstum anzukurbeln, wird während ihres Besuchs auch Xi Jinping treffen

    Meloni nahm am Wochenende zudem an einem italienisch-chinesischen Wirtschaftsforum teil, zu dem Unternehmen wie der italienische Reifenhersteller Pirelli, der Energiekonzern ENI, der Rüstungskonzern Leonardo, Weinproduzenten und mehrere italienische Luxusmodekonzerne wie Dolce & Gabbana eingeladen waren.

    Es wird erwartet, dass Meloni bei ihrem Besuch die chinesischen Überkapazitäten ansprechen wird, sowie die chinesische Unterstützung für Russlands Krieg gegen die Ukraine. Bei der Reise sollen auch mehrere bilaterale Handels- und Industrieabkommen unterzeichnet werden. rtr/ari

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    Gewinnrückgang: Trotzdem setzt Mercedes weiter auf China

    Mercedes hat im zweiten Quartal vor allem auf seinem wichtigsten Auslandsmarkt China spürbar weniger Autos verkauft und deshalb einen deutlichen Gewinnrückgang verzeichnet. Die Absätze gingen in der Volksrepublik im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Prozent zurück, der Nettogewinn des gesamten Konzerns fiel um 15,9 Prozent auf 3,06 Milliarden Euro, teilte der Stuttgarter Hersteller mit.

    Trotzdem bleibt China ein wichtiger Markt für Mercedes. Der Hersteller verkaufte eigenen Angaben zufolge mehr als jedes dritte Auto im Reich der Mitte. Der Anteil des China-Geschäfts am Gesamtabsatz sank von 36 auf 34,7 Prozent. Mercedes sprach von einem “verhaltenen Marktumfeld in Asien”.

    Wie Volkswagen, Porsche und BMW hat auch Mercedes in China mit der zunehmend starken Konkurrenz durch chinesische Marken vor allem im Elektroautosegment zu kämpfen. rtr/flee

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    Presseschau

    Japan und USA planen “Hauptquartier der gemeinsamen Streitkräfte” als Schutz vor China WELT
    Außenministertreffen: Blinken kritisiert China wegen Hilfe für Russlands Rüstung STERN
    Konfrontation mit den USA: China warnt Philippinen vor Stationierung von US-Raketen SPIEGEL
    Meloni möchte Beziehung zu China neu gestalten WEB.DE
    Orbans «illiberale Demokratie» in der Krise: Ungarn nimmt in China heimlich einen Milliardenkredit auf NZZ
    Grenzgebiet: Handel zwischen China, Nordkorea und Russland boomt FAZ
    Lawmakers from 6 countries say Beijing is pressuring them not to attend summit in Taiwan AP NEWS
    Australian Senator Penny Wong announces new digital cable centre to limit China’s influence in Indo-Pacific THE GUARDIAN
    Chinas Industriegewinne legten im Juni trotz schwächelnder Wirtschaft zu HANDELSBLATT
    Autonomes Fahren: Wie China Robotaxis zum Erfolg verhilft ZDF
    Olympische Spiele: Deutsche Dopingjäger fordern Konsequenzen aus dem Fall China SÜDDEUTSCHE
    Mindestens zwölf Tote: Taifun “Gaemi” löst in China Sturzflut aus N-TV

    Standpunkt

    Das Dritte Plenum der KP: Ein politischer Durchbruch?

    Von Carolin Kautz
    Carolin Kautz forscht und lehrt zu chinesischer Politik und der Kommunistischen Partei.

    Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat in der vergangenen Woche das Dritte Plenum des 20. Zentralkomitees beendet. Das Zentralkomitee ist eines der höchstrangigen Entscheidungsorgane der Partei und trifft sich zu regelmäßigen Plena. Die Erwartungen im Vorfeld des Plenums waren hoch und es wurde über mögliche Reformmaßnahmen für die chinesische Wirtschaft spekuliert. 

    Für die hohen Erwartungen gibt es mehrere Gründe. Dritte Plena waren in der Vergangenheit regelmäßig Sitzungen, während denen ökonomische Reformmaßnahmen diskutiert wurden. Die historisch hohen Erwartungen sind auf das dritte Plenum des 11. Zentralkomitees zurückzuführen, die im Jahr 1978 den Einstieg in die wirtschaftlichen Reformen in China nach dem Ende der Mao-Ära beschloss. Außerdem war dieses Plenum turnusmäßig bereits Ende des letzten Jahres erwartet worden. Und die Tatsache, dass es erst jetzt stattfand, hatte im Vorfeld für Spekulationen gesorgt. Zudem waren vor dieser Plenartagung anders als bei dem letzten großen ökonomischen Plenum im Jahr 2013 keinerlei Informationen vorab an die Öffentlichkeit gedrungen, sodass viel Raum für Spekulation bestand. 

    Die Ergebnisse der abgelaufenen Plenartagung können aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Zunächst sollten wir im Blick behalten, dass es sich bei Parteitagungen wie dieser um höchstrangige Treffen handelt, die Politikinitiativen auf einer vergleichsweise abstrakten Ebene präsentieren. Wir können somit keine konkreten und detaillierten Politikvorschläge erwarten, bei denen wir bereits jetzt wissen, wie diese sich konkret auswirken werden. In vielen Bereichen werden Details erst mit der Erarbeitung spezifischer Initiativen und Gesetzestexte bekannt werden.

    Die Bedürfnisse der Partei sind der Schlüssel zum Verständnis des Plenums

    Darüber hinaus können wir die Ergebnisse und Prioritäten der Plenartagung aus der Perspektive der Partei selbst betrachten. Um diese besser zu verstehen, veröffentlicht die Partei zusammen mit der offiziellen Resolution auch eine Erklärung des Generalsekretärs Xi Jinping. Basierend auf dieser Erklärung können wir mehrere Themen identifizieren, die für die Partei zentral sind. 

    An erster Stelle ist hier die Führungsrolle der Partei zu nennen. In Hinblick auf die zahlreichen inländischen und internationalen Herausforderungen, die die Partei identifiziert, betont sie ihren zentralen Führungsanspruch, ohne den eine Modernisierung Chinas aus ihrer Sicht nicht möglich ist. Wer Veränderungen im Verhältnis zwischen Partei und Staat oder Parteistaat und Wirtschaftsakteuren erhofft hatte, wird mit dieser Resolution enttäuscht. 

    Ein zweiter damit verbundener Aspekt aus Sicht der Partei ist die Balance von Entwicklung und Sicherheit. Bereits in den vergangenen Jahren hatte sich das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und der Sicherung der Herrschaft der KPCh in Richtung des letzteren Ziels verschoben. Dieses dritte Plenum hat an diesem Verhältnis nichts geändert. Während wirtschaftliche Entwicklung und Wirtschaftswachstum nach wie vor ein wichtiges Ziel darstellen, ist die Sicherung von sowohl innerer als auch äußerer Sicherheit für die Partei ebenso zentral. Trotz einiger Reformverlautbarungen und dem Versprechen von weiterer Marktöffnung in einigen Teilbereichen sollte hier also nicht zu viel erwartet werden. 

    Ein dritter zentraler Punkt aus Sicht der Partei ist die Betonung der Rolle von Innovation und “qualitativ hochwertiger Entwicklung”. Der Fokus auf ein innovationsgetriebenes Wirtschaftsmodell und den Hightech-Sektor ist nach den Ergebnissen des Nationalen Volkskongresses, des chinesischen Parlamentsäquivalents, im März dieses Jahres nicht erstaunlich. Die seitdem forcierte Entwicklung der “neuen Produktivkräfte” spiegelt sich auch in dieser Resolution des Zentralkomitees wider und macht deutlich, in welche Richtung die Kommunistische Partei die chinesische Wirtschaft über die kommenden Jahre entwickeln will. 

    Neben der Perspektive der Partei können wir die Ergebnisse der dritten Plenartagung auch aus Sicht von internationalen Akteuren betrachten. In Bezug auf politische Risiken für Unternehmen können wir drei hauptsächliche Aspekte hervorheben. 

    Zunächst ist die Entwicklung einer “sozialistischen Marktwirtschaft nach hohen Standards” zu nennen. Obwohl die Resolution des Plenums verspricht, dass die “Verpflichtungen gegenüber dem öffentlichen und dem nichtöffentlichen Sektor eingehalten” werden sollen, formuliert sie auch klar das Ziel, staatliches Kapitel in Sektoren und zentrale Industrien zu investieren, die die nationale Sicherheit und die chinesische Wirtschaft stärken. Trotz des Versprechens, dass ein “Gesetz zur Förderung der Privatwirtschaft” verabschiedet werden soll, sind die Details hierzu zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar. Es ist somit nicht zu erwarten, dass das chinesische Wirtschaftsmodell des Staatskapitalismus, wie es unter Xi Jinping in den letzten Jahren weiter fokussiert wurde, sich grundlegend ändern wird. 

    China will sich gegen äußere Schocks wappnen

    In engem Zusammenhang hierzu steht der Plan der KPCh, den Fokus auf ein innovationsgetriebenes Wirtschaftsmodell zu legen. Auch dieses soll gemäß der Plenumsresolution signifikant mit staatlichen Mitteln und in Kooperation mit staatseigenen Unternehmen vorangetrieben werden. Im Lichte der jüngsten Handelskonflikte mit der Europäischen Union um Elektrofahrzeuge steht hier also zu erwarten, dass sich derartige Konflikte in der Zukunft eher verschärfen werden. 

    Abschließend ist die Betonung der Sicherung von Lieferketten durch die Resolution zu nennen. Ähnlich der Planungen westlicher Unternehmen betont auch die KPCh die Notwendigkeit, Lieferketten, vor allem im Hightech-Bereich, resilienter zu gestalten. Auch hier tut sich die Möglichkeit zukünftiger Handelskonflikte und potenzieller Marktbarrieren auf, die Unternehmen in ihrer politischen Risikoplanung berücksichtigen sollten. 

    Abschließend lässt sich somit sagen, dass sich nach gegenwärtigem Stand die hohen Erwartungen an das Plenum nicht materialisiert haben. Trotz vorgeschlagener Reformmaßnahmen sieht bislang nichts nach einem grundlegenden Kurswechsel aus und das Einkalkulieren politischer Risiken in unternehmerische Entscheidungen ist wichtiger denn je. 

    Dr. Carolin Kautz forscht und lehrt zu chinesischer Politik und der Kommunistischen Partei. Sie ist Gründerin des Beratungsunternehmens SinoVise, das zu geopolitischen Risiken im Chinageschäft berät und lehrt unter anderem an der University of New South Wales (Sydney). 

    • Drittes Plenum
    • KP Chinas
    • Wirtschaft

    Personalie

    Daniel Possener wurde im Juni zum Präsidenten des Cambridge University China Forums gewählt. Der Verein widmet sich der Förderung konstruktiver Diskussionen über China. Possener ist Lehrbeauftragter und Gründer im Bildungsbereich.     

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Die Zehnmillionenmetropole Chongqing ist wegen ihrer Kessellage und der sich im Sommer extrem stauenden Hitze auch bekannt als “Ofenstadt”. Bei Temperaturen von über 40 Grad, einer extremen Schwüle und kaum Wind haben sich die Bürger früher in Höhlen der bergigen Stadt verkrochen, um sich abzukühlen. Heute wählen sie klimatisierte U-Bahnstationen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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