die Aufregung um die Vorstellung des chinesischen KI-Assistenten DeepSeek ist weiterhin groß. Italien hat den Download vorläufig verboten, Frankreich prüft gleichermaßen die Integrität der Anwendung. Fabian Peltsch hat deshalb mit der ehemaligen Leiterin des KI-Forschungszentrums von SAP, Feiyu Xu, und dem Mitbegründer des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, Hans Uszkoreit, gesprochen.
Die Fachleute raten im Doppel-Interview zu Pragmatismus. Man müsse ja nicht direkt auf die App von DeepSeek zugreifen. Man könne das ganze stattdessen Open Source auf dem eigenen Rechner und Privatserver anwenden, um erst einmal damit zu experimentieren. Es sei jedoch interessant zu erfahren, ob das diskutierte R1-Modell von DeepSeek das Zertifikat für politische Korrektheit in China erhalten habe. Denn in der Volksrepublik dürfen eigentlich nur Systeme veröffentlicht werden, die dieses Zertifikat besitzen.
Unser heutiger Standpunkt beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld zwischen wachsendem Protektionismus und dem Export grüner Technologien. Ins Kreuzfeuer von Ma Jun, dem Präsidenten des Pekinger Institute of Finance and Sustainability und ehemaligen Co-Vorsitzenden der G20-Arbeitsgruppe für nachhaltige Finanzwirtschaft, gerät dabei auch der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM.
Der mag zwar dazu beitragen, “Carbon Leakage” – also die Verlagerung emissionsintensiver Produktion in Länder mit laxeren Umweltvorschriften – zu verringern, doch gleichzeitig schadet er den Einkommen und der Beschäftigung in Entwicklungsländern, die CO₂-intensive Waren exportieren, argumentiert Ma. Zudem fördert er keine Kooperation, sondern könnte durch Vergeltungsmaßnahmen zu noch mehr Protektionismus führen.
Einen guten Start in die Woche wünscht Ihnen
Als ausgewiesene KI-Experten: Hat Sie der Erfolg von DeepSeek überrascht?
Hans Uszkoreit (HU): Wir wussten, dass es die Firma gibt. Aber man muss ehrlich sagen, dass DeepSeek in dieser Menge chinesischer Modellentwickler nicht besonders hervorgetreten war. Dass sie jetzt mit einem so mächtigen Modell um die Ecke gekommen sind, das mit so wenigen Mitteln so viel erreicht, das war schon eine Überraschung. Das konnte keiner vorhersagen.
Haben Sie das Modell einigermaßen durchdringen können? Es gibt ja bereits Kritiker, die an der Legitimität und Echtheit der Ergebnisse zweifeln.
HU: Jeder, der die Zahlen sieht, zweifelt erst mal, ob die Zahlen Sinn ergeben und ob man die Ergebnisse auf Basis der Technologie und der Methoden nachvollziehen kann. Und das haben wir gemacht.
Feiyu Xu (FX): Ich habe erst heute mit meinem früheren Team in China gesprochen, um die Sache zu verifizieren. Die Effizienz im Vergleich zu ChatGPT und anderen ist tatsächlich beeindruckend. Die Firma DeepSeek ist nicht nur gut im maschinellen Lernen, sondern auch im maschinellen Lehren. Das ist ein bisschen wie mit einem Kind in der Schule: Es ist nicht so wichtig, dass es möglichst viel liest, sondern dass es das Richtige liest.
HU: Das sogenannte Post-Training von DeepSeek ist sehr systematisch aufgebaut vom Einfachen zum Komplizierten, das sichert komplexe Inferenzen und kooperatives Antwortverhalten. Auch wenn bei den Zahlen hier und da etwas gemogelt worden sein sollte, ist es dennoch beachtlich, was dort an Innovation zusammengebracht und weiterentwickelt wurde – das meiste allerdings zusammengeschraubt aus Dingen, die es schon gab. Es gibt aber auch echte Neuerungen, insbesondere ein sehr effektives Kompressionsverfahren in dem Bereich des Pre-Trainings, des Lernen aus Texten, der den größten Bedarf an Rechenzeit und Speicher hat.
Heißt das, die chinesische Ingenieurskunst hat den Rest der Welt übertroffen?
HU: Nicht direkt. Der Gründer Liang Wenfeng hat nur nicht versucht, die erfahrensten Ingenieure zu bekommen, die ohnehin schwer zu kriegen sind, sondern die Leute, die gute Ideen haben, die jung und kreativ sind. Das sollten wir in Deutschland auch machen, solche Leute überhaupt erst einmal an den Universitäten ausfindig machen, was nicht so schwer sein sollte wie in China, das ja ein ungleich größeres Land ist.
FX: Wir haben in den letzten 20, 30 Jahren viele Technik-Studenten in China erlebt und begleitet. Da hat ein großer Wandel stattgefunden. Man spürt: Da ist viel Kreativität und Energie. Wer die Auslese trifft, findet viele hochintelligente, hochmotivierte Leute. Ich hoffe, dass so etwas auch in Deutschland und Europa wiederkommt, dass man mit Passion und Ambition an einer Sache arbeitet und forscht. Dann entsteht die Magie.
Gerade werden vielerorts die Gefahren diskutiert, die mit der Nutzung von DeepSeek verbunden sind, eben weil es sich um eine chinesische Anwendung handelt. Was denken Sie darüber?
HU: In den nächsten Wochen und Monaten wird das Modell sehr sehr genau getestet werden, um zu sehen, ob es da versteckte Fallen gibt. Aber im Moment sieht es erstmal gut aus, wenn man von gelegentlichen Antwortverweigerungen zu politisch sensiblen Themen absieht.
FX: Man muss ja auch seine Anfragen nicht nach China senden, um DeepSeek zu nutzen. Man kann das ganze Open Source einfach auf den eigenen Rechner oder in die private Cloud herunterladen, um zu experimentieren.
HU: IBM und Fireworks zum Beispiel bieten DeepSeek schon auf ihren Cloud-Strukturen an. Aber sicherlich muss man auch als Firma mit jeder Anwendung, die auf einer Cloud liegt, sehr vorsichtig umgehen. Interessant ist aber auch, ob das R1-Modell von DeepSeek das Zertifikat für politische Korrektheit erhalten hat. In China dürfen eigentlich nur Systeme veröffentlicht werden, die dieses Zertifikat besitzen. Baidu musste mit seinem Ernie-Modell sehr lange warten, bis es diese Zulassung gab. Und trotz politisch vorsichtigem Antwortverhalten deuten einige Ausgaben darauf hin, dass DeepSeek dieses Zertifikat möglicherweise noch nicht besitzt, oder aber zu schnell getestet wurde.
Hat Sie überrascht, dass das Modell von DeepSeek Open Source veröffentlicht wurde? In den USA ist das ja längst nicht mehr Usus.
HU: Auch in China ist das nicht üblich. Es gibt nur noch wenige, die das machen.
FX: Aber es ist auch eine sehr geschickte Strategie für so eine unbekannte Firma wie DeepSeek, mit einem unbekannten Team und einem in der KI unbekannten CEO, um schnell bekannt zu werden.
Einige Nutzer berichten, dass sie etwa zu Themen wie chinesischer Geschichte oder Philosophie viel bessere Ergebnisse auf DeepSeek erzielt hätten, als bei Anwendungen wie ChatGPT. Wird die KI-Welt nun chinesischer?
FX: Das ist nachvollziehbar. In Common Crawl, einer gemeinnützige Organisation, die große Mengen frei zugänglicher Web-Daten für KI-Modelle bereitstellt, findet sich relativ wenig chinesischer Content.
HU: Man findet guten chinesischen Content etwa auch bei Ernie 3, dem Modell von Baidu. Dort ist der westliche Content aber nicht so ausgeprägt. DeepSeek ist das erste Modell, das chinesische und westliche Kultur so stark vereint.
Was bedeutet DeepSeek für die Chipindustrie und das gerade in den USA aufgelegte, ambitionierte Stargate-Projekt?
HU: Das Timing ist äußerst interessant: Gerade in einer Phase, in der Trump das Tempo eigentlich anziehen wollte, bekommt er einen Dämpfer. Trotzdem – wenn Trump über genügend gute Berater verfügt, wird er das US-Projekt Stargate nicht stoppen.
Müssen sich Chip-Firmen wie Nvidia Sorgen machen, wie es ja auch die Aktienkurse abbilden?
HU: Die Industrie hat da etwa überreagiert. Der Erfolg des effizienteren DeepSeek bedeutet keineswegs, dass Künstliche Intelligenz nicht mehr Chip-hungrig ist – ganz im Gegenteil. Nur weil einige Modelle jetzt mit weniger Lernaufwand trainiert werden können und die Inferenzen günstiger werden, heißt das nicht, dass leistungsstarke Chips nicht mehr gebraucht werden. Vielmehr stehen wir erst am Anfang. Derzeit trainieren wir vielleicht mit 14 Trillionen Wörtern, aber wir haben noch längst nicht das volle Potenzial ausgeschöpft. Noch fehlen viele hochwertige Wissensdaten: Fachliteratur und ganze Spielfilme als Trainingsdaten oder die riesigen Bildmengen von autonomen Fahrzeugen, die ganze Städte erfassen und verstehen können im Sinne eines Welt-Modells. Die wirklich großen Datenmengen kommen erst noch. Was wir im Moment sehen, sind Vorstufen, aber natürlich sehr schöne Vorstufen.
Was bedeutet der Erfolg für den KI-Wettlauf zwischen China und den USA?
FX: Chief AI Scientist Yann LeCun von Meta sagt, dass der Wettbewerb auf wissenschaftlich-technologischer Ebene nicht primär zwischen den USA und China stattfindet, sondern vielmehr zwischen Open-Source- und nicht Open-Source-Ansätzen. Es geht also weniger um Länder als um unterschiedliche Entwicklungsphilosophien – und das sehe ich genauso. DeepSeek zeigt als chinesisches Unternehmen, dem von außen Zwänge auferlegt wurden, dass auch kleine Start-ups mit begrenztem Kapital, aber hochmotivierten und neugierigen Talenten erfolgreich sein können. Sie müssen keine großen KI-Hyperscaler mit enormem Kapital und Infrastruktur sein, die ausschließlich auf eine schnelle Kommerzialisierung setzen. Diese Entwicklung eröffnet neue Chancen – und ich halte das für eine gute Richtung und auch ermutigend für Europa.
Inwiefern?
FX: Auch wenn es derzeit so aussieht, als wären die USA oder China in großen Sprachmodellen und KI-Ökosystemen dominant, könnte ein stärkerer Fokus auf existierende Forschung und Open-Source-Ergebnisse auch für andere zu noch besseren Entwicklungen führen. Man kann immer besser sein als andere – der Zug ist also nie abgefahren. Vielleicht müssen wir einfach neue Schienen bauen und bessere Züge entwickeln. Gerade Deutschland hat in der Vergangenheit oft bewiesen, dass es dazu in der Lage ist.
HU: Wir haben nur leider bei uns keine Eliteförderung, was Forschungs- und Ausbildungsstätten angeht, sondern wir hacken unser Geld immer schön fein. Und so haben wir bundesgefördert 20 KI-Kompetenzzentren, Servicezentren und KI-Labore und jedes hat gerade so viel, dass es international anerkannte Papiere veröffentlichen kann. Aber keines kann die wirklich großen Systeme bauen. Konzentrierte man die Förderung auf ein bis drei Elitezentren, würden zu viele Bundesländer aufschreien, weil sie trotz Interessen und guten Unis nichts abbekommen haben.
Brauchen wir denn eine deutsche Strategie oder brauchen wir eine europäische?
HU: Besser wäre eine europäische. Zum Glück gibt es ja derzeit auch ein Lichtstreifen am Horizont. Am 1. Februar beginnt ein großes europäisches Projekt mit Namen OpenEuroLLM, in dem 20 ausgezeichnete Forschungszentren gemeinsam Open-Source Sprachmodelle für europäische Sprachen und Kulturen entwickeln wollen. Das wird sogar mit beachtlicher KI-Rechenkapazität versorgt werden, zum Teil durch das Barcelona Supercomputing Center. Es sind auch mehrere deutsche Partner beteiligt. Bis es dahin kam, hat aber wieder viel zu lange gedauert. Da musste erst viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
FX: DeepSeek zeigt einmal mehr, dass nicht alles vom Staat organisiert werden muss. Vielmehr sollten Entrepreneure mit einem starken Innovationsdrang eine zentrale Rolle spielen. Schließlich gibt es auch in Europa viel Talent, das man bündeln könnte.
Allerdings fehlt es Europa oft an Energie. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind hier viele neue Dinge entstanden – doch heute müssen wir fragen: Warum entstehen in Europa nicht mehr so viele neue Unternehmen mit digitalen und softwarebasierten Geschäftsmodellen? Diese Frage muss beantwortet werden, vielleicht auch aus kultureller und sozialpsychologischer Perspektive.
HU: Wenn wir diese Kerntechnologien, die unsere gesamte Lebens-und Arbeitswelt umkrempeln – und potenziell auch Schaden anrichten – können, nicht mehr selbst beherrschen, stellt sich doch eine entscheidende Frage: Wollen wir wirklich darauf vertrauen, dass die amerikanische oder chinesische Politik sie stets zum Wohle der gesamten Menschheit einsetzt? Also, ich habe da meine Zweifel.
Dr. Feiyu Xu studierte an der Tongji Universität in Shanghai und an der Universität des Saarlandes und habilitierte im Bereich Big Text Data Analytics. Sie war Mitgründerin des KI-Sartups Nyonic und bis Juni 2023 Global Head of Artificial Intelligence bei SAP, wo sie die KI-Strategie des Unternehmens leitete.
Hans Uszkoreit, ist Scientific Director am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Uszkoreit hat deutsche und internationale Forschungsverbünde initiiert. Seine Forschungsergebnisse zu Sprach- und Wissenstechnologien sind in über 250 internationalen Publikationen dokumentiert. Er wurde zum Mitglied der European Academy of Sciences gewählt und erhielt zwei Google Research Awards.
Die chinesische Regierung weist die Verantwortung für die Fentanyl-Schwemme in den USA von sich. “Fentanyl ist Amerikas Problem“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums am Sonntag. Das Ministerium reagiert damit auf die Verhängung von Zusatzzöllen in Höhe von zehn Prozent auf alle chinesischen Exporte in die USA, die am Dienstag in Kraft treten. Die Zölle hatte US-Präsident Donald Trump bereits vor Wochen angekündigt, um China zur Regulierung seiner Lieferungen von Fentanyl-Rohstoffen in die USA zu zwingen.
“Die chinesische Seite hat eine umfassende Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten im Kampf gegen Drogen durchgeführt und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt”, sagte eine chinesische Sprecherin. Peking werde die Zölle bei der Welthandelsorganisation anfechten und kündigte nicht näher spezifizierte “Gegenmaßnahmen” an.
Die USA werden auch Importe aus Mexiko und Kanada ab Dienstag pauschal mit Zöllen belegen, dort sogar mit 25 Prozent. Die Begründung ist, dass diese als Transitländer die Lieferungen der Chemikalien aus China unterstützen würden. Viele chinesische Unternehmen exportieren Vorprodukte oder Rohstoffe nach Kanada und Mexiko, die dort weiterverarbeitet werden, bevor sie in die USA gelangen. Zölle könnten die Nachfrage nach solchen Zwischenprodukten senken, da die Endprodukte teurer würden und weniger wettbewerbsfähig wären.
Das chinesische Handelsministerium erklärte, dass Trumps Vorgehen “schwerwiegend” gegen internationale Handelsregeln verstoße. Es forderte die USA auf, “einen offenen Dialog zu führen und die Zusammenarbeit zu stärken”. Bereits ein pauschaler Zoll von zehn Prozent wäre eine große Belastung für den Handel der beiden größten Volkswirtschaften, deren Handelsvolumen sich auf rund 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr beläuft.
Trump hat zudem mit weiteren Zöllen in Höhe von 60 Prozent auf chinesische Waren gedroht, weil er der Volksrepublik unfaire Handelspraktiken wie umfangreiche Subventionen vorwirft. Kommt es dazu, ist die Wahrscheinlichkeit jedoch groß, dass sich eine gefährliche Spirale in Gang setzen wird – so wie bereits in Trumps erster Amtszeit. Trump hatte 2018 mit hohen Strafzöllen auf chinesische Importe eine Reihe von Gegenmaßnahmen provoziert. Diese Phase markierte den Beginn eines regelrechten Handelskriegs zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, der sich nun weiter verschärfen könnte.
Peking ging einer drastischen Eskalation am Sonntag zunächst aus dem Weg. Eine mögliche Klage bei der WTO könnte Peking sogar einen diplomatischen Erfolg verschaffen, indem es die Bedeutung eines regelbasierten Handelssystems betont. Eine Klage bei der WTO würde für Washington keine unmittelbaren Kosten nach sich ziehen.
Chinas massiver Handelsüberschuss – im letzten Jahr fast eine Billion Dollar – gilt jedoch als Schwachstelle der chinesischen Argumentation. Die Exporte in Schlüsselindustrien, darunter auch Autos, sind mengenmäßig schneller gewachsen als wertmäßig, was darauf hindeutet, dass Hersteller Preisnachlässe gewähren, um Auslandsverkäufe zu erzielen. Die Nachfrage im Inland ist dagegen ins Stocken geraten.
China bereitet sich seit Monaten auch auf den lang erwarteten Schritt Trumps in Sachen Zölle vor, indem es die Beziehungen zu Verbündeten vertieft, auf eine gewisse Eigenständigkeit in wichtigen Technologiebereichen drängt und Mittel zur Stützung einer anfälligen Wirtschaft bereitstellt.rtr/grz
Chinesische Social-Media-Konten mit staatlichem Hintergrund haben die Vorstellung der privatwirtschaftlich entwickelten KI-Anwendung DeepSeek wohl konzertiert begleitet. Diesen Schluss lassen Beobachtungen des Online-Analyseunternehmens Graphika zu. Die an der Aktion beteiligten Konten, darunter die von chinesischen Diplomaten, Botschaften und staatlichen Medien, förderten die Idee, dass DeepSeek die US-Dominanz im KI-Sektor infrage stellt, sagte das in New York ansässige Unternehmen.
Die Botschaften wurden auf Plattformen wie X, Facebook und Instagram sowie auf den chinesischen Diensten Toutiao und Weibo verbreitet. “Diese Aktivität zeigt, wie China in der Lage ist, schnell eine Reihe von Akteuren zu mobilisieren, die Online-Narrative säen und verstärken, die in kritischen Bereichen des geopolitischen Wettbewerbs Peking als überlegen darstellen”, sagte Jack Stubbs, Chief Intelligence Officer von Graphika, gegenüber Reuters.
“Wir haben immer wieder offene und verdeckte chinesische Akteure mit Verbindungen zum Staat unter jenen gesehen, die KI als erste nutzen, um ihre Aktivitäten im Informationsumfeld zu skalieren” so Stubbs. Graphika erkannte einen kleinen Anstieg an Diskussionen über die Fortschritte von DeepSeek im Vergleich zu OpenAIs ChatGPT unmittelbar nach der Veröffentlichung der DeepSeek-Modelle am 20. Januar, gefolgt von einem deutlich größeren Anstieg über das Wochenende. Bis Montag hatte DeepSeeks kostenloser KI-Assistent den US-Konkurrenten ChatGPT bei den Downloads in Apples App Store überholt. Der Börsenkurs des Chipherstellers Nvidia verlor fast 600 Milliarden US-Dollar an Wert.
In den USA lösten DeepSeeks Erfolge Vorwürfe aus, das Unternehmen habe sich unrechtmäßig Zugang zu Technologie von OpenAI und anderen führenden Unternehmen verschafft, obwohl diese Vorwürfe unbewiesen bleiben. Das US-Handelsministerium untersucht, ob DeepSeek US-Chips verwendet hat, die nicht nach China geliefert werden dürfen, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. rtr
Die peruanische Willkommenskultur für chinesische Infrastrukturprojekte beginnt sich auszuzahlen. Der südamerikanische Staat rechnet mit einem Wachstum seiner landwirtschaftlichen Exporte um jährlich zwei Milliarden US-Dollar. Einer von mehreren Eckpfeilern für das Wachstum sind steigende Ausfuhren von Rind- und Schweinefleisch in die Volksrepublik China. Basis dafür ist die Erweiterung eines Freihandelsabkommens beider Staaten aus dem Jahr 2009.
Die Vereinbarung für umfangreicheren Freihandel ist nur wenige Wochen alt und überschnitt sich mit der Eröffnung des Hafens Chancay an der peruanischen Pazifikküste. Zu dessen Eröffnung war Chinas Staatschef Xi Jinping im vergangenen November eigens nach Peru gereist. Chancay wird nicht nur von chinesischem Geld finanziert, der Hafen wird auch von chinesischen Interessen gesteuert. Für das chinesische Militär wird er im Bedarfsfall ein Anlaufpunkt vor dem amerikanischen Kontinent – zwar immer noch ein gutes Stück entfernt von US-amerikanischen Gewässern, aber doch in neuen Gefilden.
Peru ist zudem wichtiger Lieferant für Kupfer in alle Welt. Chinas Investitionen in peruanische Infrastruktur gelten auch als Versuch, sich eine Basis für eine langfristige Rohstoffversorgung zu schaffen. Mit dem Abschluss der ersten Bauphase des Hafens sind zunächst vier Anlegestellen in Betrieb gegangen. Der Tiefseehafen erlaubt es auch Frachtern mit 400 Metern Länge, Chancay anzusteuern. Bis zu 18.000 Standardcontainer fassen diese Frachter, die zu groß sind für die Durchfahrt des Panama-Kanals. Das Projekt war der staatlichen chinesischen Reederei Cosco eine Investition von 3,3 Milliarden Euro wert.
Cosco, das den Hafen betreiben wird, hält 60 Prozent der Anteile, die verbleibenden 40 Prozent gehören der peruanischen Bergbaufirma Volcan Compañía Minera, einer Tochterfirma des schweizerischen Glencore Konzerns. rtr/grz
Ein früherer Berater der US-Notenbank ist wegen des Verdachts der Weitergabe von Geschäftsgeheimnisse an China verhaftet worden. Das teilte das US-Innenministerium mit. Verdächtigt wird John Harold Rogers, der von 2010 bis 2021 als leitender Berater in der Abteilung für internationale Finanzen der US-Notenbank tätig war. Er soll vertrauliche Informationen an Personen weitergegeben haben, die für den chinesischen Geheimdienst und Sicherheitsapparat arbeiteten und sich als Studenten ausgaben
Ein Richter ordnete an, Rogers bis zu einer Haftanhörung am kommenden Dienstag festzuhalten, wie ein Sprecher der US-Staatsanwaltschaft mitteilte. rtr
Der Weg, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden, ist klar: Es gilt, grüne Industrien zu fördern – zur Bekämpfung des Klimawandels und für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Auch gilt es, sicherzustellen, dass Produkte der grünen Industrie weltweit gehandelt werden können. Offene Handelsstrukturen würden diese Industrien stärken, die Kosten für grüne Waren und Dienstleistungen in den meisten Ländern senken und die Einführung emissionsarmer Technologien sowie nachhaltiger Praktiken erleichtern.
Angesichts des wachsenden Protektionismus erfordert dieser Ansatz die Schaffung eines speziellen grünen Freihandelsabkommens, das drastische Senkungen von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen für umwelt- und klimafreundliche Güter und Dienstleistungen vorsieht. Da ein einzelnes Land oder eine einzelne Wirtschaftsmacht eine weltweite Vereinbarung blockieren könnte, wäre es sinnvoll, stattdessen mehrere kleinere Abkommen durch “Koalitionen der Willigen” zu schließen.
Die Nutzung bestehender regionaler Handelsabkommen als Basis für einen grünen Handel könnte diesen Prozess erheblich beschleunigen. Ein Beispiel ist die Regionale Wirtschaftspartnerschaft (RCEP), das weltweit größte Handelsbündnis, das Länder wie Australien, China, Japan, Neuseeland, Südkorea und die zehn ASEAN-Staaten umfasst. Innerhalb dieses Rahmens ließe sich ein grünes Freihandelsabkommen schneller aushandeln und umsetzen – schließlich entfallen auf die RCEP-Staaten 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.
Der erste Schritt zur Verwirklichung dieser Idee besteht darin, allen Mitgliedern eines solchen Abkommens die wirtschaftlichen Vorteile eines grünen Freihandels klar aufzuzeigen. Eine erste Studie, durchgeführt vom Institute of Finance and Sustainability (dessen Vorsitz ich innehabe) gemeinsam mit Forschungspartnern, liefert bereits entsprechende Erkenntnisse. Unsere Untersuchung, die wir im März auf einer Konferenz in Hongkong vorstellen werden, zeigt, dass ein solches Abkommen das Wirtschaftswachstum der Mitgliedstaaten (gemessen am Bruttoinlandsprodukt, den Exporten, den Arbeitsplätzen und den Staatseinnahmen) fördern, ihre grünen Industrien stärken und eine schnellere Dekarbonisierung bewirken könnte.
Der nächste Schritt besteht darin, jene Waren und Dienstleistungen zu identifizieren, die unter das grüne Freihandelsabkommen fallen sollten. Unsere Studie legt nahe, dass diese Liste einige Dutzend Kategorien sowie mehrere hundert Produkte und Dienstleistungen umfassen könnte – darunter erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge (EVs) und ihre Komponenten, Abfallmanagement, nachhaltige Landwirtschaft, naturbasierte Lösungen und Umweltfachdienste.
Ein dritter Schwerpunkt ist die Förderung ausländischer Investitionen und Technologietransfers im grünen Sektor. Dies setzt stabile politische Rahmenbedingungen, Schutzmaßnahmen für Investoren und sichere Rechte am geistigen Eigentum innerhalb der regionalen Handelsblöcke voraus. Ein grünes Handelsabkommen, das diese Voraussetzungen schafft, könnte insbesondere ärmeren Ländern helfen, ihre grünen Industrien zu entwickeln und Arbeitsplätze in diesem Bereich zu schaffen. Innerhalb der RCEP könnten etwa chinesische, japanische oder südkoreanische Unternehmen, die Elektrofahrzeuge oder Solarmodule produzieren, ihre Technologien an Hersteller in ASEAN-Staaten lizenzieren und in den Aufbau grüner Lieferketten der Region investieren.
Darüber hinaus müssen nichttarifäre Handelshemmnisse abgebaut werden, da sie den Handel und Investitionen selbst in Regionen mit niedrigen oder gar keinen Zöllen behindern können. Eine erfolgreiche grüne Handelsinitiative muss daher zunächst eine genaue Analyse aller nichttarifären Hürden durchführen – darunter Import- und Exportquoten, Qualitätssicherung, Zollabfertigungsprozesse, Rückverfolgbarkeitsanforderungen, Handelsfinanzierung und Exportkreditversicherungen sowie grenzüberschreitende Zahlungsabwicklungen. Anschließend sollten gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um diese Hürden abzubauen – etwa durch die Harmonisierung von Qualitäts- und Rückverfolgbarkeitsstandards oder die Senkung der Handelsfinanzierungskosten mithilfe grüner Finanzinstrumente.
Dafür sind Führung und ein offener Dialog entscheidend. Im Fall der RCEP sollten größere Volkswirtschaften wie Australien, China, Indonesien, Japan und Südkorea die Initiative ergreifen und den Konsens fördern. Die Diskussionen sollten sich auf die weitreichenden Vorteile für alle Beteiligten konzentrieren. Dieser Ansatz könnte eine “gerechte Transformation” in eine klimaneutrale Wirtschaft unterstützen, indem er die Dekarbonisierung in den teilnehmenden Ländern beschleunigt, das Wachstum und die Beschäftigung im grünen Sektor vorantreibt und das gegenseitige Vertrauen stärkt – eine zentrale Voraussetzung für eine umfassendere Zusammenarbeit in den Bereichen Klima und Handel.
Das Argument für grüne Handelsabkommen wird umso stärker, wenn man es mit der Strategie der führenden Industrieländer vergleicht. Der von der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich und möglicherweise den USA favorisierte CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) mag zwar dazu beitragen, “Carbon Leakage” – also die Verlagerung emissionsintensiver Produktion in Länder mit laxeren Umweltvorschriften – zu verringern, doch gleichzeitig schadet er den Einkommen und der Beschäftigung in Entwicklungsländern, die CO₂-intensive Waren exportieren. Zudem fördert er keine Kooperation, sondern könnte durch Vergeltungsmaßnahmen zu noch mehr Protektionismus führen.
Als Anreiz setzt der CBAM auf Abschreckung, indem er Entwicklungsländer für ihre vermeintliche Untätigkeit im Klimaschutz bestraft, anstatt ihnen bei der Emissionsreduktion zu helfen. Ein grünes Freihandelsabkommen hingegen wäre ein Anreiz: Es verbindet Klimaziele mit Entwicklungszielen und belohnt teilnehmende Volkswirtschaften für Fortschritte bei der grünen Transformation. Eine echte Win-win-Lösung – genau das, was eine gerechte grüne Wende erfordert.
Ma Jun ist Präsident des Pekinger Institute of Finance and Sustainability und ehemaliger Co-Vorsitzender der G20-Arbeitsgruppe für nachhaltige Finanzwirtschaft.
Übersetzung: Julia Mertens
Copyright: Project Syndicate, 2025. www.project-syndicate.org
Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.
Chen Feng wurde zum neuen CEO von Arm China ernannt, einer Tochtergesellschaft des britischen Unternehmens Arm Holdings, das sich auf die Entwicklung von Mikroprozessor-Architekturen spezialisiert hat. Der ehemalige Manager von Rockchip Electronics Co. tritt die Nachfolge der bisherigen Co-CEOs Liu Renchen und Eric Chen an, die ihre Ämter niederlegen.
Caiwei Chen ist neue Reporterin bei der MIT Technology Review. Chen berichtet für die renommierte Tech-Publikation über Künstliche Intelligenz und andere Entwicklungen in Schlüsseltechnologien. Ihre Texte erschienen zuvor unter anderem in Wired, TechNode, Rolling Stone und der South China Morning Post.
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Snooker ist seit vielen Jahre in China etabliert. Tatsächlich gehören zahlreiche Spieler aus der Volksrepublik heute zur erweiterten Weltspitze – eine Entwicklung, die bis in die späten 2000er-Jahre nicht abzusehen war. Zum ganz großen Wurf – beispielsweise zum Gewinn eines WM-Titels – hat es für einen chinesischen Snooker-Profi noch nicht gereicht. Doch es drängt eine breite Masse an jungen, hochtalentierten Spielern in die höchstdotierten Turniere der Welt. Aktuell sind 13 Chinesen unter der Top 50, so wie Yuan Sijun (Platz 39). Beim German Masters am vergangenen Wochenende in Berlin erreichte Yuan die Runde der letzten Vier, ehe er im Halbfinale scheiterte.
die Aufregung um die Vorstellung des chinesischen KI-Assistenten DeepSeek ist weiterhin groß. Italien hat den Download vorläufig verboten, Frankreich prüft gleichermaßen die Integrität der Anwendung. Fabian Peltsch hat deshalb mit der ehemaligen Leiterin des KI-Forschungszentrums von SAP, Feiyu Xu, und dem Mitbegründer des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, Hans Uszkoreit, gesprochen.
Die Fachleute raten im Doppel-Interview zu Pragmatismus. Man müsse ja nicht direkt auf die App von DeepSeek zugreifen. Man könne das ganze stattdessen Open Source auf dem eigenen Rechner und Privatserver anwenden, um erst einmal damit zu experimentieren. Es sei jedoch interessant zu erfahren, ob das diskutierte R1-Modell von DeepSeek das Zertifikat für politische Korrektheit in China erhalten habe. Denn in der Volksrepublik dürfen eigentlich nur Systeme veröffentlicht werden, die dieses Zertifikat besitzen.
Unser heutiger Standpunkt beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld zwischen wachsendem Protektionismus und dem Export grüner Technologien. Ins Kreuzfeuer von Ma Jun, dem Präsidenten des Pekinger Institute of Finance and Sustainability und ehemaligen Co-Vorsitzenden der G20-Arbeitsgruppe für nachhaltige Finanzwirtschaft, gerät dabei auch der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM.
Der mag zwar dazu beitragen, “Carbon Leakage” – also die Verlagerung emissionsintensiver Produktion in Länder mit laxeren Umweltvorschriften – zu verringern, doch gleichzeitig schadet er den Einkommen und der Beschäftigung in Entwicklungsländern, die CO₂-intensive Waren exportieren, argumentiert Ma. Zudem fördert er keine Kooperation, sondern könnte durch Vergeltungsmaßnahmen zu noch mehr Protektionismus führen.
Einen guten Start in die Woche wünscht Ihnen
Als ausgewiesene KI-Experten: Hat Sie der Erfolg von DeepSeek überrascht?
Hans Uszkoreit (HU): Wir wussten, dass es die Firma gibt. Aber man muss ehrlich sagen, dass DeepSeek in dieser Menge chinesischer Modellentwickler nicht besonders hervorgetreten war. Dass sie jetzt mit einem so mächtigen Modell um die Ecke gekommen sind, das mit so wenigen Mitteln so viel erreicht, das war schon eine Überraschung. Das konnte keiner vorhersagen.
Haben Sie das Modell einigermaßen durchdringen können? Es gibt ja bereits Kritiker, die an der Legitimität und Echtheit der Ergebnisse zweifeln.
HU: Jeder, der die Zahlen sieht, zweifelt erst mal, ob die Zahlen Sinn ergeben und ob man die Ergebnisse auf Basis der Technologie und der Methoden nachvollziehen kann. Und das haben wir gemacht.
Feiyu Xu (FX): Ich habe erst heute mit meinem früheren Team in China gesprochen, um die Sache zu verifizieren. Die Effizienz im Vergleich zu ChatGPT und anderen ist tatsächlich beeindruckend. Die Firma DeepSeek ist nicht nur gut im maschinellen Lernen, sondern auch im maschinellen Lehren. Das ist ein bisschen wie mit einem Kind in der Schule: Es ist nicht so wichtig, dass es möglichst viel liest, sondern dass es das Richtige liest.
HU: Das sogenannte Post-Training von DeepSeek ist sehr systematisch aufgebaut vom Einfachen zum Komplizierten, das sichert komplexe Inferenzen und kooperatives Antwortverhalten. Auch wenn bei den Zahlen hier und da etwas gemogelt worden sein sollte, ist es dennoch beachtlich, was dort an Innovation zusammengebracht und weiterentwickelt wurde – das meiste allerdings zusammengeschraubt aus Dingen, die es schon gab. Es gibt aber auch echte Neuerungen, insbesondere ein sehr effektives Kompressionsverfahren in dem Bereich des Pre-Trainings, des Lernen aus Texten, der den größten Bedarf an Rechenzeit und Speicher hat.
Heißt das, die chinesische Ingenieurskunst hat den Rest der Welt übertroffen?
HU: Nicht direkt. Der Gründer Liang Wenfeng hat nur nicht versucht, die erfahrensten Ingenieure zu bekommen, die ohnehin schwer zu kriegen sind, sondern die Leute, die gute Ideen haben, die jung und kreativ sind. Das sollten wir in Deutschland auch machen, solche Leute überhaupt erst einmal an den Universitäten ausfindig machen, was nicht so schwer sein sollte wie in China, das ja ein ungleich größeres Land ist.
FX: Wir haben in den letzten 20, 30 Jahren viele Technik-Studenten in China erlebt und begleitet. Da hat ein großer Wandel stattgefunden. Man spürt: Da ist viel Kreativität und Energie. Wer die Auslese trifft, findet viele hochintelligente, hochmotivierte Leute. Ich hoffe, dass so etwas auch in Deutschland und Europa wiederkommt, dass man mit Passion und Ambition an einer Sache arbeitet und forscht. Dann entsteht die Magie.
Gerade werden vielerorts die Gefahren diskutiert, die mit der Nutzung von DeepSeek verbunden sind, eben weil es sich um eine chinesische Anwendung handelt. Was denken Sie darüber?
HU: In den nächsten Wochen und Monaten wird das Modell sehr sehr genau getestet werden, um zu sehen, ob es da versteckte Fallen gibt. Aber im Moment sieht es erstmal gut aus, wenn man von gelegentlichen Antwortverweigerungen zu politisch sensiblen Themen absieht.
FX: Man muss ja auch seine Anfragen nicht nach China senden, um DeepSeek zu nutzen. Man kann das ganze Open Source einfach auf den eigenen Rechner oder in die private Cloud herunterladen, um zu experimentieren.
HU: IBM und Fireworks zum Beispiel bieten DeepSeek schon auf ihren Cloud-Strukturen an. Aber sicherlich muss man auch als Firma mit jeder Anwendung, die auf einer Cloud liegt, sehr vorsichtig umgehen. Interessant ist aber auch, ob das R1-Modell von DeepSeek das Zertifikat für politische Korrektheit erhalten hat. In China dürfen eigentlich nur Systeme veröffentlicht werden, die dieses Zertifikat besitzen. Baidu musste mit seinem Ernie-Modell sehr lange warten, bis es diese Zulassung gab. Und trotz politisch vorsichtigem Antwortverhalten deuten einige Ausgaben darauf hin, dass DeepSeek dieses Zertifikat möglicherweise noch nicht besitzt, oder aber zu schnell getestet wurde.
Hat Sie überrascht, dass das Modell von DeepSeek Open Source veröffentlicht wurde? In den USA ist das ja längst nicht mehr Usus.
HU: Auch in China ist das nicht üblich. Es gibt nur noch wenige, die das machen.
FX: Aber es ist auch eine sehr geschickte Strategie für so eine unbekannte Firma wie DeepSeek, mit einem unbekannten Team und einem in der KI unbekannten CEO, um schnell bekannt zu werden.
Einige Nutzer berichten, dass sie etwa zu Themen wie chinesischer Geschichte oder Philosophie viel bessere Ergebnisse auf DeepSeek erzielt hätten, als bei Anwendungen wie ChatGPT. Wird die KI-Welt nun chinesischer?
FX: Das ist nachvollziehbar. In Common Crawl, einer gemeinnützige Organisation, die große Mengen frei zugänglicher Web-Daten für KI-Modelle bereitstellt, findet sich relativ wenig chinesischer Content.
HU: Man findet guten chinesischen Content etwa auch bei Ernie 3, dem Modell von Baidu. Dort ist der westliche Content aber nicht so ausgeprägt. DeepSeek ist das erste Modell, das chinesische und westliche Kultur so stark vereint.
Was bedeutet DeepSeek für die Chipindustrie und das gerade in den USA aufgelegte, ambitionierte Stargate-Projekt?
HU: Das Timing ist äußerst interessant: Gerade in einer Phase, in der Trump das Tempo eigentlich anziehen wollte, bekommt er einen Dämpfer. Trotzdem – wenn Trump über genügend gute Berater verfügt, wird er das US-Projekt Stargate nicht stoppen.
Müssen sich Chip-Firmen wie Nvidia Sorgen machen, wie es ja auch die Aktienkurse abbilden?
HU: Die Industrie hat da etwa überreagiert. Der Erfolg des effizienteren DeepSeek bedeutet keineswegs, dass Künstliche Intelligenz nicht mehr Chip-hungrig ist – ganz im Gegenteil. Nur weil einige Modelle jetzt mit weniger Lernaufwand trainiert werden können und die Inferenzen günstiger werden, heißt das nicht, dass leistungsstarke Chips nicht mehr gebraucht werden. Vielmehr stehen wir erst am Anfang. Derzeit trainieren wir vielleicht mit 14 Trillionen Wörtern, aber wir haben noch längst nicht das volle Potenzial ausgeschöpft. Noch fehlen viele hochwertige Wissensdaten: Fachliteratur und ganze Spielfilme als Trainingsdaten oder die riesigen Bildmengen von autonomen Fahrzeugen, die ganze Städte erfassen und verstehen können im Sinne eines Welt-Modells. Die wirklich großen Datenmengen kommen erst noch. Was wir im Moment sehen, sind Vorstufen, aber natürlich sehr schöne Vorstufen.
Was bedeutet der Erfolg für den KI-Wettlauf zwischen China und den USA?
FX: Chief AI Scientist Yann LeCun von Meta sagt, dass der Wettbewerb auf wissenschaftlich-technologischer Ebene nicht primär zwischen den USA und China stattfindet, sondern vielmehr zwischen Open-Source- und nicht Open-Source-Ansätzen. Es geht also weniger um Länder als um unterschiedliche Entwicklungsphilosophien – und das sehe ich genauso. DeepSeek zeigt als chinesisches Unternehmen, dem von außen Zwänge auferlegt wurden, dass auch kleine Start-ups mit begrenztem Kapital, aber hochmotivierten und neugierigen Talenten erfolgreich sein können. Sie müssen keine großen KI-Hyperscaler mit enormem Kapital und Infrastruktur sein, die ausschließlich auf eine schnelle Kommerzialisierung setzen. Diese Entwicklung eröffnet neue Chancen – und ich halte das für eine gute Richtung und auch ermutigend für Europa.
Inwiefern?
FX: Auch wenn es derzeit so aussieht, als wären die USA oder China in großen Sprachmodellen und KI-Ökosystemen dominant, könnte ein stärkerer Fokus auf existierende Forschung und Open-Source-Ergebnisse auch für andere zu noch besseren Entwicklungen führen. Man kann immer besser sein als andere – der Zug ist also nie abgefahren. Vielleicht müssen wir einfach neue Schienen bauen und bessere Züge entwickeln. Gerade Deutschland hat in der Vergangenheit oft bewiesen, dass es dazu in der Lage ist.
HU: Wir haben nur leider bei uns keine Eliteförderung, was Forschungs- und Ausbildungsstätten angeht, sondern wir hacken unser Geld immer schön fein. Und so haben wir bundesgefördert 20 KI-Kompetenzzentren, Servicezentren und KI-Labore und jedes hat gerade so viel, dass es international anerkannte Papiere veröffentlichen kann. Aber keines kann die wirklich großen Systeme bauen. Konzentrierte man die Förderung auf ein bis drei Elitezentren, würden zu viele Bundesländer aufschreien, weil sie trotz Interessen und guten Unis nichts abbekommen haben.
Brauchen wir denn eine deutsche Strategie oder brauchen wir eine europäische?
HU: Besser wäre eine europäische. Zum Glück gibt es ja derzeit auch ein Lichtstreifen am Horizont. Am 1. Februar beginnt ein großes europäisches Projekt mit Namen OpenEuroLLM, in dem 20 ausgezeichnete Forschungszentren gemeinsam Open-Source Sprachmodelle für europäische Sprachen und Kulturen entwickeln wollen. Das wird sogar mit beachtlicher KI-Rechenkapazität versorgt werden, zum Teil durch das Barcelona Supercomputing Center. Es sind auch mehrere deutsche Partner beteiligt. Bis es dahin kam, hat aber wieder viel zu lange gedauert. Da musste erst viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
FX: DeepSeek zeigt einmal mehr, dass nicht alles vom Staat organisiert werden muss. Vielmehr sollten Entrepreneure mit einem starken Innovationsdrang eine zentrale Rolle spielen. Schließlich gibt es auch in Europa viel Talent, das man bündeln könnte.
Allerdings fehlt es Europa oft an Energie. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind hier viele neue Dinge entstanden – doch heute müssen wir fragen: Warum entstehen in Europa nicht mehr so viele neue Unternehmen mit digitalen und softwarebasierten Geschäftsmodellen? Diese Frage muss beantwortet werden, vielleicht auch aus kultureller und sozialpsychologischer Perspektive.
HU: Wenn wir diese Kerntechnologien, die unsere gesamte Lebens-und Arbeitswelt umkrempeln – und potenziell auch Schaden anrichten – können, nicht mehr selbst beherrschen, stellt sich doch eine entscheidende Frage: Wollen wir wirklich darauf vertrauen, dass die amerikanische oder chinesische Politik sie stets zum Wohle der gesamten Menschheit einsetzt? Also, ich habe da meine Zweifel.
Dr. Feiyu Xu studierte an der Tongji Universität in Shanghai und an der Universität des Saarlandes und habilitierte im Bereich Big Text Data Analytics. Sie war Mitgründerin des KI-Sartups Nyonic und bis Juni 2023 Global Head of Artificial Intelligence bei SAP, wo sie die KI-Strategie des Unternehmens leitete.
Hans Uszkoreit, ist Scientific Director am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Uszkoreit hat deutsche und internationale Forschungsverbünde initiiert. Seine Forschungsergebnisse zu Sprach- und Wissenstechnologien sind in über 250 internationalen Publikationen dokumentiert. Er wurde zum Mitglied der European Academy of Sciences gewählt und erhielt zwei Google Research Awards.
Die chinesische Regierung weist die Verantwortung für die Fentanyl-Schwemme in den USA von sich. “Fentanyl ist Amerikas Problem“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums am Sonntag. Das Ministerium reagiert damit auf die Verhängung von Zusatzzöllen in Höhe von zehn Prozent auf alle chinesischen Exporte in die USA, die am Dienstag in Kraft treten. Die Zölle hatte US-Präsident Donald Trump bereits vor Wochen angekündigt, um China zur Regulierung seiner Lieferungen von Fentanyl-Rohstoffen in die USA zu zwingen.
“Die chinesische Seite hat eine umfassende Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten im Kampf gegen Drogen durchgeführt und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt”, sagte eine chinesische Sprecherin. Peking werde die Zölle bei der Welthandelsorganisation anfechten und kündigte nicht näher spezifizierte “Gegenmaßnahmen” an.
Die USA werden auch Importe aus Mexiko und Kanada ab Dienstag pauschal mit Zöllen belegen, dort sogar mit 25 Prozent. Die Begründung ist, dass diese als Transitländer die Lieferungen der Chemikalien aus China unterstützen würden. Viele chinesische Unternehmen exportieren Vorprodukte oder Rohstoffe nach Kanada und Mexiko, die dort weiterverarbeitet werden, bevor sie in die USA gelangen. Zölle könnten die Nachfrage nach solchen Zwischenprodukten senken, da die Endprodukte teurer würden und weniger wettbewerbsfähig wären.
Das chinesische Handelsministerium erklärte, dass Trumps Vorgehen “schwerwiegend” gegen internationale Handelsregeln verstoße. Es forderte die USA auf, “einen offenen Dialog zu führen und die Zusammenarbeit zu stärken”. Bereits ein pauschaler Zoll von zehn Prozent wäre eine große Belastung für den Handel der beiden größten Volkswirtschaften, deren Handelsvolumen sich auf rund 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr beläuft.
Trump hat zudem mit weiteren Zöllen in Höhe von 60 Prozent auf chinesische Waren gedroht, weil er der Volksrepublik unfaire Handelspraktiken wie umfangreiche Subventionen vorwirft. Kommt es dazu, ist die Wahrscheinlichkeit jedoch groß, dass sich eine gefährliche Spirale in Gang setzen wird – so wie bereits in Trumps erster Amtszeit. Trump hatte 2018 mit hohen Strafzöllen auf chinesische Importe eine Reihe von Gegenmaßnahmen provoziert. Diese Phase markierte den Beginn eines regelrechten Handelskriegs zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, der sich nun weiter verschärfen könnte.
Peking ging einer drastischen Eskalation am Sonntag zunächst aus dem Weg. Eine mögliche Klage bei der WTO könnte Peking sogar einen diplomatischen Erfolg verschaffen, indem es die Bedeutung eines regelbasierten Handelssystems betont. Eine Klage bei der WTO würde für Washington keine unmittelbaren Kosten nach sich ziehen.
Chinas massiver Handelsüberschuss – im letzten Jahr fast eine Billion Dollar – gilt jedoch als Schwachstelle der chinesischen Argumentation. Die Exporte in Schlüsselindustrien, darunter auch Autos, sind mengenmäßig schneller gewachsen als wertmäßig, was darauf hindeutet, dass Hersteller Preisnachlässe gewähren, um Auslandsverkäufe zu erzielen. Die Nachfrage im Inland ist dagegen ins Stocken geraten.
China bereitet sich seit Monaten auch auf den lang erwarteten Schritt Trumps in Sachen Zölle vor, indem es die Beziehungen zu Verbündeten vertieft, auf eine gewisse Eigenständigkeit in wichtigen Technologiebereichen drängt und Mittel zur Stützung einer anfälligen Wirtschaft bereitstellt.rtr/grz
Chinesische Social-Media-Konten mit staatlichem Hintergrund haben die Vorstellung der privatwirtschaftlich entwickelten KI-Anwendung DeepSeek wohl konzertiert begleitet. Diesen Schluss lassen Beobachtungen des Online-Analyseunternehmens Graphika zu. Die an der Aktion beteiligten Konten, darunter die von chinesischen Diplomaten, Botschaften und staatlichen Medien, förderten die Idee, dass DeepSeek die US-Dominanz im KI-Sektor infrage stellt, sagte das in New York ansässige Unternehmen.
Die Botschaften wurden auf Plattformen wie X, Facebook und Instagram sowie auf den chinesischen Diensten Toutiao und Weibo verbreitet. “Diese Aktivität zeigt, wie China in der Lage ist, schnell eine Reihe von Akteuren zu mobilisieren, die Online-Narrative säen und verstärken, die in kritischen Bereichen des geopolitischen Wettbewerbs Peking als überlegen darstellen”, sagte Jack Stubbs, Chief Intelligence Officer von Graphika, gegenüber Reuters.
“Wir haben immer wieder offene und verdeckte chinesische Akteure mit Verbindungen zum Staat unter jenen gesehen, die KI als erste nutzen, um ihre Aktivitäten im Informationsumfeld zu skalieren” so Stubbs. Graphika erkannte einen kleinen Anstieg an Diskussionen über die Fortschritte von DeepSeek im Vergleich zu OpenAIs ChatGPT unmittelbar nach der Veröffentlichung der DeepSeek-Modelle am 20. Januar, gefolgt von einem deutlich größeren Anstieg über das Wochenende. Bis Montag hatte DeepSeeks kostenloser KI-Assistent den US-Konkurrenten ChatGPT bei den Downloads in Apples App Store überholt. Der Börsenkurs des Chipherstellers Nvidia verlor fast 600 Milliarden US-Dollar an Wert.
In den USA lösten DeepSeeks Erfolge Vorwürfe aus, das Unternehmen habe sich unrechtmäßig Zugang zu Technologie von OpenAI und anderen führenden Unternehmen verschafft, obwohl diese Vorwürfe unbewiesen bleiben. Das US-Handelsministerium untersucht, ob DeepSeek US-Chips verwendet hat, die nicht nach China geliefert werden dürfen, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. rtr
Die peruanische Willkommenskultur für chinesische Infrastrukturprojekte beginnt sich auszuzahlen. Der südamerikanische Staat rechnet mit einem Wachstum seiner landwirtschaftlichen Exporte um jährlich zwei Milliarden US-Dollar. Einer von mehreren Eckpfeilern für das Wachstum sind steigende Ausfuhren von Rind- und Schweinefleisch in die Volksrepublik China. Basis dafür ist die Erweiterung eines Freihandelsabkommens beider Staaten aus dem Jahr 2009.
Die Vereinbarung für umfangreicheren Freihandel ist nur wenige Wochen alt und überschnitt sich mit der Eröffnung des Hafens Chancay an der peruanischen Pazifikküste. Zu dessen Eröffnung war Chinas Staatschef Xi Jinping im vergangenen November eigens nach Peru gereist. Chancay wird nicht nur von chinesischem Geld finanziert, der Hafen wird auch von chinesischen Interessen gesteuert. Für das chinesische Militär wird er im Bedarfsfall ein Anlaufpunkt vor dem amerikanischen Kontinent – zwar immer noch ein gutes Stück entfernt von US-amerikanischen Gewässern, aber doch in neuen Gefilden.
Peru ist zudem wichtiger Lieferant für Kupfer in alle Welt. Chinas Investitionen in peruanische Infrastruktur gelten auch als Versuch, sich eine Basis für eine langfristige Rohstoffversorgung zu schaffen. Mit dem Abschluss der ersten Bauphase des Hafens sind zunächst vier Anlegestellen in Betrieb gegangen. Der Tiefseehafen erlaubt es auch Frachtern mit 400 Metern Länge, Chancay anzusteuern. Bis zu 18.000 Standardcontainer fassen diese Frachter, die zu groß sind für die Durchfahrt des Panama-Kanals. Das Projekt war der staatlichen chinesischen Reederei Cosco eine Investition von 3,3 Milliarden Euro wert.
Cosco, das den Hafen betreiben wird, hält 60 Prozent der Anteile, die verbleibenden 40 Prozent gehören der peruanischen Bergbaufirma Volcan Compañía Minera, einer Tochterfirma des schweizerischen Glencore Konzerns. rtr/grz
Ein früherer Berater der US-Notenbank ist wegen des Verdachts der Weitergabe von Geschäftsgeheimnisse an China verhaftet worden. Das teilte das US-Innenministerium mit. Verdächtigt wird John Harold Rogers, der von 2010 bis 2021 als leitender Berater in der Abteilung für internationale Finanzen der US-Notenbank tätig war. Er soll vertrauliche Informationen an Personen weitergegeben haben, die für den chinesischen Geheimdienst und Sicherheitsapparat arbeiteten und sich als Studenten ausgaben
Ein Richter ordnete an, Rogers bis zu einer Haftanhörung am kommenden Dienstag festzuhalten, wie ein Sprecher der US-Staatsanwaltschaft mitteilte. rtr
Der Weg, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden, ist klar: Es gilt, grüne Industrien zu fördern – zur Bekämpfung des Klimawandels und für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Auch gilt es, sicherzustellen, dass Produkte der grünen Industrie weltweit gehandelt werden können. Offene Handelsstrukturen würden diese Industrien stärken, die Kosten für grüne Waren und Dienstleistungen in den meisten Ländern senken und die Einführung emissionsarmer Technologien sowie nachhaltiger Praktiken erleichtern.
Angesichts des wachsenden Protektionismus erfordert dieser Ansatz die Schaffung eines speziellen grünen Freihandelsabkommens, das drastische Senkungen von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen für umwelt- und klimafreundliche Güter und Dienstleistungen vorsieht. Da ein einzelnes Land oder eine einzelne Wirtschaftsmacht eine weltweite Vereinbarung blockieren könnte, wäre es sinnvoll, stattdessen mehrere kleinere Abkommen durch “Koalitionen der Willigen” zu schließen.
Die Nutzung bestehender regionaler Handelsabkommen als Basis für einen grünen Handel könnte diesen Prozess erheblich beschleunigen. Ein Beispiel ist die Regionale Wirtschaftspartnerschaft (RCEP), das weltweit größte Handelsbündnis, das Länder wie Australien, China, Japan, Neuseeland, Südkorea und die zehn ASEAN-Staaten umfasst. Innerhalb dieses Rahmens ließe sich ein grünes Freihandelsabkommen schneller aushandeln und umsetzen – schließlich entfallen auf die RCEP-Staaten 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.
Der erste Schritt zur Verwirklichung dieser Idee besteht darin, allen Mitgliedern eines solchen Abkommens die wirtschaftlichen Vorteile eines grünen Freihandels klar aufzuzeigen. Eine erste Studie, durchgeführt vom Institute of Finance and Sustainability (dessen Vorsitz ich innehabe) gemeinsam mit Forschungspartnern, liefert bereits entsprechende Erkenntnisse. Unsere Untersuchung, die wir im März auf einer Konferenz in Hongkong vorstellen werden, zeigt, dass ein solches Abkommen das Wirtschaftswachstum der Mitgliedstaaten (gemessen am Bruttoinlandsprodukt, den Exporten, den Arbeitsplätzen und den Staatseinnahmen) fördern, ihre grünen Industrien stärken und eine schnellere Dekarbonisierung bewirken könnte.
Der nächste Schritt besteht darin, jene Waren und Dienstleistungen zu identifizieren, die unter das grüne Freihandelsabkommen fallen sollten. Unsere Studie legt nahe, dass diese Liste einige Dutzend Kategorien sowie mehrere hundert Produkte und Dienstleistungen umfassen könnte – darunter erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge (EVs) und ihre Komponenten, Abfallmanagement, nachhaltige Landwirtschaft, naturbasierte Lösungen und Umweltfachdienste.
Ein dritter Schwerpunkt ist die Förderung ausländischer Investitionen und Technologietransfers im grünen Sektor. Dies setzt stabile politische Rahmenbedingungen, Schutzmaßnahmen für Investoren und sichere Rechte am geistigen Eigentum innerhalb der regionalen Handelsblöcke voraus. Ein grünes Handelsabkommen, das diese Voraussetzungen schafft, könnte insbesondere ärmeren Ländern helfen, ihre grünen Industrien zu entwickeln und Arbeitsplätze in diesem Bereich zu schaffen. Innerhalb der RCEP könnten etwa chinesische, japanische oder südkoreanische Unternehmen, die Elektrofahrzeuge oder Solarmodule produzieren, ihre Technologien an Hersteller in ASEAN-Staaten lizenzieren und in den Aufbau grüner Lieferketten der Region investieren.
Darüber hinaus müssen nichttarifäre Handelshemmnisse abgebaut werden, da sie den Handel und Investitionen selbst in Regionen mit niedrigen oder gar keinen Zöllen behindern können. Eine erfolgreiche grüne Handelsinitiative muss daher zunächst eine genaue Analyse aller nichttarifären Hürden durchführen – darunter Import- und Exportquoten, Qualitätssicherung, Zollabfertigungsprozesse, Rückverfolgbarkeitsanforderungen, Handelsfinanzierung und Exportkreditversicherungen sowie grenzüberschreitende Zahlungsabwicklungen. Anschließend sollten gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um diese Hürden abzubauen – etwa durch die Harmonisierung von Qualitäts- und Rückverfolgbarkeitsstandards oder die Senkung der Handelsfinanzierungskosten mithilfe grüner Finanzinstrumente.
Dafür sind Führung und ein offener Dialog entscheidend. Im Fall der RCEP sollten größere Volkswirtschaften wie Australien, China, Indonesien, Japan und Südkorea die Initiative ergreifen und den Konsens fördern. Die Diskussionen sollten sich auf die weitreichenden Vorteile für alle Beteiligten konzentrieren. Dieser Ansatz könnte eine “gerechte Transformation” in eine klimaneutrale Wirtschaft unterstützen, indem er die Dekarbonisierung in den teilnehmenden Ländern beschleunigt, das Wachstum und die Beschäftigung im grünen Sektor vorantreibt und das gegenseitige Vertrauen stärkt – eine zentrale Voraussetzung für eine umfassendere Zusammenarbeit in den Bereichen Klima und Handel.
Das Argument für grüne Handelsabkommen wird umso stärker, wenn man es mit der Strategie der führenden Industrieländer vergleicht. Der von der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich und möglicherweise den USA favorisierte CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) mag zwar dazu beitragen, “Carbon Leakage” – also die Verlagerung emissionsintensiver Produktion in Länder mit laxeren Umweltvorschriften – zu verringern, doch gleichzeitig schadet er den Einkommen und der Beschäftigung in Entwicklungsländern, die CO₂-intensive Waren exportieren. Zudem fördert er keine Kooperation, sondern könnte durch Vergeltungsmaßnahmen zu noch mehr Protektionismus führen.
Als Anreiz setzt der CBAM auf Abschreckung, indem er Entwicklungsländer für ihre vermeintliche Untätigkeit im Klimaschutz bestraft, anstatt ihnen bei der Emissionsreduktion zu helfen. Ein grünes Freihandelsabkommen hingegen wäre ein Anreiz: Es verbindet Klimaziele mit Entwicklungszielen und belohnt teilnehmende Volkswirtschaften für Fortschritte bei der grünen Transformation. Eine echte Win-win-Lösung – genau das, was eine gerechte grüne Wende erfordert.
Ma Jun ist Präsident des Pekinger Institute of Finance and Sustainability und ehemaliger Co-Vorsitzender der G20-Arbeitsgruppe für nachhaltige Finanzwirtschaft.
Übersetzung: Julia Mertens
Copyright: Project Syndicate, 2025. www.project-syndicate.org
Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.
Chen Feng wurde zum neuen CEO von Arm China ernannt, einer Tochtergesellschaft des britischen Unternehmens Arm Holdings, das sich auf die Entwicklung von Mikroprozessor-Architekturen spezialisiert hat. Der ehemalige Manager von Rockchip Electronics Co. tritt die Nachfolge der bisherigen Co-CEOs Liu Renchen und Eric Chen an, die ihre Ämter niederlegen.
Caiwei Chen ist neue Reporterin bei der MIT Technology Review. Chen berichtet für die renommierte Tech-Publikation über Künstliche Intelligenz und andere Entwicklungen in Schlüsseltechnologien. Ihre Texte erschienen zuvor unter anderem in Wired, TechNode, Rolling Stone und der South China Morning Post.
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Snooker ist seit vielen Jahre in China etabliert. Tatsächlich gehören zahlreiche Spieler aus der Volksrepublik heute zur erweiterten Weltspitze – eine Entwicklung, die bis in die späten 2000er-Jahre nicht abzusehen war. Zum ganz großen Wurf – beispielsweise zum Gewinn eines WM-Titels – hat es für einen chinesischen Snooker-Profi noch nicht gereicht. Doch es drängt eine breite Masse an jungen, hochtalentierten Spielern in die höchstdotierten Turniere der Welt. Aktuell sind 13 Chinesen unter der Top 50, so wie Yuan Sijun (Platz 39). Beim German Masters am vergangenen Wochenende in Berlin erreichte Yuan die Runde der letzten Vier, ehe er im Halbfinale scheiterte.