Table.Briefing: China

Interview mit Sören Urbansky zur SCO + Peking warnt Brüssel vor Deal mit Autobauern

Liebe Leserin, lieber Leser,

Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin werden in den nächsten beiden Wochen voraussichtlich gleich zweimal aufeinander treffen: Zuerst beim Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) am 15. und 16. Oktober in Pakistan. Und dann beim Brics-Gipfel, der vom 22. bis 24. Oktober im russischen Kazan stattfinden wird.

Chinas Macht in der SCO wächst – und wird zunehmend zu einem Instrument, mit dem die chinesische Regierung sicherheitspolitisch in der Welt agiert, sagt Sören Urbansky, der als Professor an der Ruhr-Universität zum Verhältnis zwischen Russland und China forscht, im Interview mit Angela Köckritz. “Rhetorisch sprechen Moskau und Peking die gleiche Sprache, langfristig aber haben sie andere Ziele und irgendwann kann sich daraus ein Konflikt entwickeln”, meint Urbansky.

Unser Heads stellt heute Lea Sahay vor, die für die Süddeutsche Zeitung aus China berichtet. In ihrem neuen Buch beschreibt sie, an welchen Ecken der chinesische Traum bröckelt. Einen besonderen Fokus legt Sahay dabei auf das Gesundheitssystem. Ein medizinischer Notfall hatte sie während der Corona-Pandemie an die Grenzen des Erträglichen geführt. Fabian Peltsch hat mit ihr darüber gesprochen, warum sie trotz der negativen Erfahrungen wieder nach China zurückgekehrt ist. 

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Interview

“Die Weltordnung verändert sich vor unseren Augen”

Sören Urbansky, Professor für osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität.

Xi Jinping und Putin werden in den nächsten beiden Wochen voraussichtlich gleich zweimal aufeinander treffen. Zuerst beim Gipfel der Shanghai Cooperation Organiation (SCO) am 15. und 16. Oktober in Pakistan. Und dann beim Brics+ Gipfel, der vom 22. bis 24. Oktober im russischen Kazan stattfinden wird. Xi und Putin hoffen mit beiden Organisationen auch, die liberale internationale Ordnung zu überwinden. Welche Themen gilt es auf beiden Gipfeln zu beachten? 

Die Brics wurden unlängst um Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate erweitert. Sie repräsentieren knapp die Hälfte der Weltbevölkerung, aber nur ein Drittel der Wirtschaftsleistung – wobei es sich um Länder handelt, die tendenziell eine steigende Wirtschaftskraft haben. Damit stellt sich die Frage, ab wann sie zu einem Gegenmodell zur G7 werden könnten.  

Und die Shanghai Cooperation Organisation?

Bei der SCO lässt sich beobachten, wie China zum wichtigsten Glied der Kette wird. Die Organisation wurde immer als Club unter Gleichen dargestelltaber schon ihr Name streicht eine Sonderstellung Chinas heraus, ihr Hauptsitz ist in Peking. Sie wird zunehmend zu einem Instrument, mit dem China sicherheitspolitisch in der Welt agiert. Mit dem wachsenden Ungleichgewicht zwischen China und Russland wird China seine Politik innerhalb dieser Organisation noch stärker durchsetzen.

Die SCO wurde in Reaktion auf 9/11 gegründet, um der Gefahr zu begegnen, die von Terrorismus, Islamismus und Separatismus in Zentralasien herrührte. China gab das den Vorwand, gegen jedwede Opposition in Xinjiang vorzugehen. In den fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens gab es lange eine Arbeitsteilung zwischen Russland und China: Peking ließ Russland militärisch und geopolitisch die Oberhand, wurde dafür aber wirtschaftlich immer wichtiger.

Gilt das auch jetzt noch?

Jetzt kann man einen Wandel beobachten. China hat jetzt eine chinesische Militärbasis in Tadschikistan, dem ökonomisch schwächsten und auf Grund seiner Landgrenze zu Afghanistan geostrategisch wichtigen Land. Im Anbetracht des Ukrainekriegs gibt es Absetzbewegungen dieser Länder von Russland.  Die Tatsache, dass Putin mit der Ukraine eine einstige Sowjetrepublik überfallen hat, weckt Ängste. Einige Regierungen überlegen, inwiefern sie eine Schaukelpolitik zwischen China und Russland verfolgen sollen. 

Beide Organisationen haben Strahlkraft. BRICS hat sich erweitert, die SCO ist die größte Regionalorganisation weltweit. Doch sind ihre Mitglieder so divers, dass es schwierig sein dürfte, in vielen Fragen Konsens zu finden. In welchen Bereichen gelingt es Xi und Putin Standards zu setzen? 

Es stellt sich die Frage, vor allem seit Russlands erneutem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, inwiefern Weltordnung neu geschrieben wird. Russland und China treten offiziell für eine multipolare Weltordnung ein. De facto gibt es für China nur einen Hauptgegner, die USA, die sie überwinden wollen, daher strebt China im Grunde eine unipolare Weltordnung an.

Was bedeutet das auf lange Sicht?

Rhetorisch sprechen Moskau und Peking die gleiche Sprache, langfristig aber haben sie andere Ziele und irgendwann kann sich daraus ein Konflikt entwickeln. Sie wollen eine Alternative zu der Ordnung aufbauen, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden ist. Wo bei ihnen Einigkeit herrscht, ist, dass beide Länder Einflussphären haben, in denen das Recht des Stärkeren gilt. Für Russland sind das die ehemaligen Sowjetrepubliken. Für China insbesondere Taiwan und das südchinesische Meer. 

Das Interesse, das alle verbindet, ist also: es soll eine Alternative geben, die jeder ein wenig anders für sich formuliert. 

Genau. Und der große Unterschied zur Nachkiegsordnung ist, dass es bislang keinen großen Knall gab. Die Weltordnung verändert sich vor unseren Augen, aber schleichend. Es gibt keine klaren Verlierer und Gewinner. Für viele Länder ist es eine Suchbewegung in einer amorphen Lage.

Putin und Xi haben sich mehr als 40 Mal persönlich getroffen. Sie haben ein persönliches Verhältnis aufgebaut, teilen Werte und Erfahrungen. Gleichzeitig hat sich das Machtverhältnis eindeutig zu Xi hin verschoben. Für einen geschichtsbewussten Menschen wie Putin, der Russlands zu einstiger Größe verhelfen will und weiß, dass Russland lange der Lehrmeister Chinas war, muss das doch eine permanente Demütigung sein? 

China ist klug genug, Putin auf diplomatischer Ebene  als ebenbürtig darzustellen. Das ist für Putin unglaublich wichtig. Schließlich geht es auch um das Bild, das man von ihm als Staatslenker im Inland hat. Denn obwohl er ein Autokrat ist, steht er doch unter Legitimationsdruck. Dass ihm in China der rote Teppich ausgerollt wird, ist nochmal wichtiger geworden seit Beginn der Großinvasion 2022 und dem Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gegen ihn, wo er nur noch begrenzt reisen kann. China ist klug genug, den Schein zu wahren, auch wenn hinter verschlossenen Türen hart verhandelt wird, etwa um die Einkaufspreise für Rohstoffe.

Außerdem sind beide gerade sehr gut darin, Konflikte auszublenden. Es gibt durchaus offene Fragen, historische Ressentiments, überlappende Einflusssphären, der Zugang zur Nordostpassage ist eine Frage, die Konfliktpotential birgt. Das wird beiseite geschoben,  weil der Gewinn, der sich aus dieser Allianz speist,  momentan so viel größer ist. 

Internationale Experten bezeichnen das Verhältnis beider Länder auch als “nichterklärte Allianz”. Können Sie das erklären? 

Das Kommuniqué, das Xi und Putin im Zuge der Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele 2022 kurz vor der russischen Großinvasion in der Ukraine unterschrieben und mit dem sie ihre Freundschaft ohne Grenzen” besiegelten, erhält viele Allgemeinplätze, aber keine Beistandserklärung im Sinne eines Artikel 5 der NATO. Interessant ist auch, dass sich darin die Assymmetrie der Machtverhältnisse spiegelt. Betont wird das Ein China Prinzip, nicht aber Putins Ansprüche auf die Ukraine.

Was bedeutet das dann konkret?

Konkret bedeutet dieses Kommuniqué gar nichts. De facto rücken beide Länder enger zusammen. Mit jedem Schritt, mit dem sich Russland von der Weltgemeinschaft entfernt, gewinnt China im Binnenverhältnis. Erst angesichts der zunehmend internationalen Isolation nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 war Russland etwa bereit, seine besten Waffensysteme an die Volksrepublik zu verkaufen, etwa Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-35.

Russland ist nun der größte Erdöllieferant Chinas, wobei China nicht den gleichen Fehler macht wie Deutschland, es macht sich nicht einseitig abhängig. Russland ist wegen der Sanktionen des Westens abhängig von chinesischen Importen. Technologie, PKWS, LKWs, Dual Use Güter, wo China vorsichtig auslotet, wie weit es gehen kann, ohne mit Sekundärsanktionen belegt zu werden. Das gilt auch für den Bankensektor. Denn die wirtschaftliche Verflechtung Chinas mit dem Westen ist um ein Vielfaches größer als die mit Russland. 

Putins Einmarsch in der Ukraine 2022 verlangte Peking einen komplizierten Balanceakt ab, der schließlich in dem mündete, was westeuropäische Experten “prorussische Neutralität” nennen. Könnten Sie das kurz erklären? 

Mit dem Verlauf des Krieges kristallierte sich eine Haltung heraus, nach der China offiziell eine neutrale Position beibehält, Russland aber de facto beisteht. China scheut anders als Russland derzeit den offenen Bruch mit der internationalen Ordnung, auch, weil es noch immer sehr von ihr profitiert, von der WTO zum Beispiel. Es möchte sich nicht mit einem Staat gleichstellen, der sich zum Schurkenstaat gemacht hat. Gleichzeitig vertritt Russland in diesem Krieg auch die Interessen Chinas, in dem es gegen die liberale Weltordnung kämpft.

Deshalb enthält sich China bei allen entsprechenden UN-Abstimmungen. Ein Jahr nach dem Krieg legte Xi mit seinem 12-Punkte Plan einen Friedensplan vor. Er will sich als ehrlicher Makler verkaufen. De facto übernimmt sein Plan russische Positionen. 

Lassen Sie uns über die militärische Zusammenarbeit beider Länder sprechen. China und Russland unternehmen inzwischen zahlreiche gemeinsame Militärmanöver. Welches Bild ergibt sich daraus? 

China hat seit dem Vietnamkrieg 1979 keinen Krieg mehr geführt, und hat daher trotz der massiven Aufrüstung einen entscheidenden Nachteil. Russische Soldaten haben leider sehr viel Kampferfahrung, die Manöver dienen den chinesischen Soldaten, davon zu lernen.

Ein zweiter Punkt könnte sein, dass russische Soldaten durch den Krieg in der Ukraine Erfahrungen mit Ausrüstung und Strategien der NATO sammeln, die Ukrainer werden ja zunehmend nach NATO-Standards ausgebildet. Das könnte für China interessant sein. Und schließlich senden sie mit den Manövern ein Signal: Wir sind zwar kein Verteidigungsbündnis, trainieren aber zusammen, haben bestimmte Standards, Strategien, Planungsabläufe. Die Trainings differenzieren sich immer mehr aus. Erst Landmanöver, inzwischen auch regelmäßig See und Luft. 

Trotz aller politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit blieben sich die Menschen lange eher fremd. Bis 2020 gab es keine einzige Brücke über den Amur, der über 2000 Kilometer Grenzfluss zwischen Russland und China ist. 

Seit Russlands Annexion der Krim 2014 gibt es eine Umorientierung. China wird im Alltag immer präsenter in Russland, man kann nur durch Umwege noch westliche Autos kaufen, Neuwagen kommen zunehmend aus China, genauso wie Mobiltelefone. Auch die Eliten, die von westlichen Sanktionen belegt sind, reisen zunehmend nach China.

Und der Großteil der Bevölkerung?

Die allermeisten Menschen dieser Länder leben sehr weit von dieser Grenze entfernt und das jeweils andere Land liegt mental auf einem anderen Planeten. Es gibt auch noch immer alte Ressentiments, auch wenn die nicht mehr offiziell wiederholt werden. Man merkt auch im Verhältnis der Gesellschaften die Asymmetrie. In China gibt es eine Art von später Genugtuung, dass man den alten Lehrmeister überflügelt hat. 

Sören Urbansky ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und forscht zum Verhältnis von China und Russland. 

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  • Dual Use
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  • Shanghai Cooperation Organisation
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News

Konjunkturprogramm: Welche weiteren Schritte Peking plant

China hat weitere Maßnahmen zur Wiederbelebung seiner angeschlagenen Wirtschaft angekündigt. Peking plant,

  • Ausgaben von Staatsanleihen zu erhöhen, um den Immobiliensektor anzukurbeln: Lokalen Regierungen soll gestattet werden, mithilfe von Sonderanleihen brachliegende Grundstücke von in Schwierigkeiten geratenen Bauträgern zu kaufen.
  • Sonderanleihen auszugeben, um großen Banken zu helfen, ihr Kapital aufzustocken.
  • einmalig die Schuldenobergrenze für Kommunalverwaltungen aufzuheben
  • 400 Milliarden Yuan (51,7 Milliarden Euro) aus der Schuldenobergrenze den lokalen Regierungen bereitzustellen, um die lokalen Finanzressourcen zu erweitern. Außerdem sollen Mittel aus einem ungenutzten Anleihekontingent von 2,3 Billionen Yuan (297,2 Milliarden Euro) für lokale Regierungen bereitgestellt werden.
  • Subventionen für Geringverdiener und Studenten zur Verfügung zu stellen.

Das kündigte Finanzminister Lan Fo’an am Samstag in Peking an. Er nannte dabei keine konkreten Beträge für zusätzliche Konjunkturimpulse. Diese müssen noch vom chinesischen Parlament, dem Nationalen Volkskongress, abgesegnet werden. Dessen nächster ständiger Ausschuss wird in den kommenden Wochen erwartet. “Unsere antizyklische Anpassung wird weit über das hinausgehen, was ich genannt habe”, sagte Lan Reportern und fügte hinzu, dass weitere Schritte diskutiert würden. “Wenn es um die Erhöhung des Defizits und der Schulden geht, haben wir als Zentralregierung erheblichen Spielraum.”

Der Konferenz waren Bekanntmachungen anderer staatlicher Stellen vorausgegangen: So kündigte die Chinesische Volksbank an, ab dem 25. Oktober die Zinssätze auf bestehende Immobilienkredite zu senken. Die Nationale Kommission für Entwicklung und Reform stellte für 2025 100 Milliarden Yuan (14,14 Milliarden US-Dollar) aus dem Staatshaushalt bereit.

Chinas Wirtschaft hat sich seit dem Ende der Corona-Pandemie nicht wie erwartet erholt. Analysten warten auf Anzeichen dafür, dass Peking die Staatsausgaben erhöhen wird, um das Konjunkturpaket zu unterstützen. 

Die Maßnahmen des Finanzministeriums zur Reduzierung der Schulden der lokalen Regierungen und zur Stabilisierung des Immobilienmarktes seien aus makroökonomischer Sicht solide, aber der Markt suche nach mehr, sagte Raymond Yeung, Chefökonom für Greater China bei der Bank ANZ, der Financial Times. “Ich glaube, der Markt wird enttäuscht sein”, sagte Yeung. “Jeder erwartet eine Zahl, aber der Finanzminister hat uns keine gegeben.” Das Ministerium hätte einen Betrag für Ausgaben vorlegen können, der dann vom Nationalen Volkskongress bestätigt werden müsste, so Yeung.

Andy Rothman, Anlagestratege beim Matthews Asia Fund, betonte jedoch, dass die Pressekonferenzen der Wirtschaftsplaner auf einen “grundlegenden Wandel” der Wirtschaft hindeute. “Xi versteht, dass die politische Reaktion erheblich sein muss, wenn das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmer wiederhergestellt werden soll”, sagte Rothman. ari

  • Gesellschaft
  • Immobilien
  • Konjunktur

Gesetzesentwurf: China kommt Grundgesetz für Privatsektorförderung näher

In einem weiteren Versuch, die Wirtschaft zu stabilisieren, hat Peking Maßnahmen vorgelegt, die Privatunternehmen besser fördern und schützen sollen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf veröffentlichten die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und das Justizministerium am Donnerstag. Es wäre das erste chinesische Grundgesetz, das speziell auf die Förderung des Privatsektors ausgerichtet ist.

Die neue Gesetzgebung soll die Beteiligung privater Unternehmen am Markt sicherstellen. In der zweitgrößten Volkswirtschaft, die in jüngster Vergangenheit immer mehr von staatlichen Unternehmen dominiert wird, beklagen private Unternehmen ein schwieriges Geschäftsumfeld. Dabei gilt der Privatsektor als wichtiger Motor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Privatsektor: Besseres Investitions- und Finanzierungsumfeld

Das Ziel des neuen Rechtsrahmens ist es, das Investitions- und Finanzierungsumfeld von Privatunternehmen zu verbessern, Innovationen zu fördern, Unternehmensethik zu fördern und den Rechtsschutz zu verbessern. Um ein besseres Finanzierungsumfeld zu schaffen, ermutigt der Regierungsentwurf zum Beispiel Banken, vernünftige Toleranzschwellen für wichtige Kredite festzulegen. Zudem sollen qualifizierte Privatunternehmen leichter an direkte Finanzierung, etwa durch die Ausgabe von Aktien und Anleihen, kommen.

Tang Dajie, ein leitender Forscher der in Peking ansässigen Denkfabrik China Enterprise Institute, kritisierte gegenüber der Hongkonger South China Morning Post, dass die Inhalte des Gesetzentwurfs nicht über bisherige Maßnahmen hinausgingen: “Es fehlen konkrete Zielvorgaben für die Verwaltungsabteilungen, wie die Vorgabe, dass 30 Prozent der Aufträge an kleine und mittlere Unternehmen vergeben werden müssen”, sagte Tang.

Die Regierung sollte die Förderung der Privatwirtschaft in die Bewertungsindikatoren für lokale Kader aufnehmen und die Strafen für grobe Online-Äußerungen gegen Privatunternehmen verschärfen, fügte er hinzu. Bis zum 8. November 2024 dauert die übliche Phase im Gesetzesprozess an, in der der Entwurf öffentlich kommentiert werden kann. mcl

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  • Wirtschaft

Zollstreit: Peking warnt EU vor separaten Preisverhandlungen mit Autobauern

China hat die Europäische Union davor gewarnt, neben den Konsultationen über Ausgleichszölle auf chinesische Elektroauto-Importe zusätzliche Preisverhandlungen mit einzelnen Autobauern zu führen. Dies würde “die Grundlage der Verhandlungen und das gegenseitige Vertrauen erschüttern”, teilte das chinesische Handelsministerium in einer Stellungnahme mit. 

Die chinesische Seite habe bei den Verhandlungen bisher “ein Höchstmaß an Aufrichtigkeit und Flexibilität bewiesen”, heißt es in der Stellungnahme weiter. Man fordere die EU auf, so bald wie möglich eine Delegation nach China zu entsenden, um die nächste Phase der Konsultationen fortzuführen.”Es gibt immer noch große Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Seiten. Bislang haben die Konsultationen keine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden“, zitierten Staatsmedien einen Sprecher des Handelsministeriums.

Zuvor hatte die EU einen Vorschlag der chinesischen Seite abgelehnt, nach dem in China produzierte Elektroautos in Europa zu einem verpflichtenden Mindestpreis von 30.000 Euro verkauft werden sollten. Mit dem Schritt hatte sich Peking erhofft, die Einführung von EU-Ausgleichszöllen abzuwenden. Industrieweite Mindestpreisverpflichtungen sind allerdings schwer mit Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar. Die EU müsste Vereinbarungen mit den einzelnen Herstellern erreichen.

Zu Beginn des Monats hatte eine Abstimmung unter den EU-Mitgliedsstaaten den Weg für Zölle auf Elektroautos aus China freigemacht. Damit kann die EU-Kommission entscheiden, Abgaben in Höhe von bis zu 35,3 Prozent einzuführen. Peking wirft Brüssel im Hinblick auf die E-Auto-Zölle Protektionismus vor. Die EU ignoriere Fakten und missachte die Regeln der WTO. dpa/ari

  • China
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DSA: Worüber Temu erneut Auskunft geben muss

Die EU-Kommission hat Temu im Rahmen des Digital Services Act ein weiteres förmliches Auskunftsersuchen (Request for Information, RFI) geschickt. Das chinesische Unternehmen soll detaillierte Informationen darüber vorlegen, wie es verhindert, dass Händler illegale Produkte auf der Plattform anbieten. Außerdem soll Temu zusätzliche Angaben machen, wie es Risiken beim Verbraucherschutz, der öffentlichen Gesundheit und dem Wohlergehen der Nutzerinnen und Nutzer reduziert.

Anlass ist der Verdacht, dass Händler über Temu – auch wiederholt – verbotene Waren anbieten und damit gegen geltende Vorschriften verstoßen. Temu muss die geforderten Informationen wie interne Richtlinien, Kontrollmechanismen und technische Vorkehrungen zur Risikominderung bis zum 21. Oktober 2024 liefern. Auf der Grundlage der Antworten entscheidet die Kommission über die nächsten Schritte, etwa die förmliche Einleitung eines Verfahrens. vis

  • Digital Services Act
  • Digitalpolitik

Wahl in Macau: Das plant der neue Chief Executive für die Kasino-Stadt

Der ehemalige oberste Richter Sam Hou-fai ist am Sonntag zum neuen Chief-Executive von Macau ernannt worden. In einer Abstimmung am Sonntag erhielt er im 400-köpfigen Wahlausschuss der Sonderverwaltungszone 394 Stimmen. Auf einer Pressekonferenz nach der Wahl betonte Sam, dass die ehemalige Kolonie seine Vorteile bei der Anbindung an portugiesischsprachige Länder nutzen sollte, um die Entwicklung der Stadt zu fördern. Er wolle sich dabei besonders für kleine Unternehmen einsetzen. Zuletzt waren die Einzelhandelsumsätze in der für ihre Kasinos bekannten Stadt um 17,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen.

Das Pekinger Büro für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten lobte die Wahl Sams. Er habe den Charakter eines Team-Players, der die Menschen zusammenbringe. In seiner Wahlrede hatte Sam zuvor erklärt, dass eine seiner großen Leitlinien die Umsetzung des chinesischen Grundsatzes “ein Land, zwei Systeme” sein werde. Sam wird aller Voraussicht nach im Dezember bei einer Zeremonie vereidigt, an der wahrscheinlich auch Chinas Präsident Xi Jinping teilnehmen wird, da Macau dann auch den 25. Jahrestag seiner Rückkehr von der portugiesischen zur chinesischen Verwaltung feiert. rtr/fpe

  • Macau
  • Xi Jinping
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Presseschau

Ostasien-Gipfel: Russland und China blockieren Erklärung FAZ
Taiwan schlägt Alarm nach Sichtung chinesischer Schiffe DW
Baerbocks Probleme im Umgang mit Peking DW
Japan’s leader is calling for Nato-like nuclear sharing with the US. Will it deter China? SCMP
Südostasien: China und Vietnam wollen Beziehungen stärken DEUTSCHLANDFUNK
Macaus “Wahl” lässt auch Hongkongs schwierige Zukunft erahnen HANDELSBLATT
Die neuen Migranten: Tausende Chinesen versuchen der Arbeitslosigkeit und Repression in der Heimat zu entkommen NZZ
U.S. pastor’s release after almost 20 years raises hopes for other Americans held in China NBC NEWS
Chinesischer E-Autohersteller: BYD erwartet Absatzsteigerung in Deutschland binnen sechs Monaten MANAGER MAGAZIN
Selbstbewusster Umgang mit China: Das kleine Tschechien macht vor, wie es geht FR
China deflation pressure mounts as investors seek more stimulus for economy FINANCIAL TIMES
China: Warten auf das Rettungspaket SÜDDEUTSCHE
Wieder ein Rohrkrepierer: Chinas Finanzminister liefert keine Zahlen zu einem möglichen Rettungspaket für die Wirtschaft NZZ
Wirtschaftspaket als Krisenreaktion: Chinas große Banken senken wohl Zinsen für Immobilienkredite SPIEGEL

Heads

Lea Sahay: Vom Ende des chinesischen Traums

Lea Sahay berichtet für die Süddeutsche Zeitung aus China.

Lea Sahay war gerade in Deutschland auf Lesereise. “Das Ende des chinesischen Traums” heißt das neue Buch der langjährigen SZ-China-Korrespondentin. Darin beschreibt sie neben den aktuellen Krisen des Landes auch ihre eigenen Erfahrungen in China, allen voran einen dramatischen medizinischen Notfall, der sich auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie in ihrer Familie ereignet.

Im September 2022 erkrankt ihr knapp neun Monate alter Sohn Jonathan schwer, eine äußerst seltene, meistens tödlich verlaufende Immunerkrankung, wie sich später herausstellt. Mit Fieberkrämpfen bringen sie ihn in die Notaufnahme eines internationalen Pekinger Krankenhauses. Es ist der Beginn einer Odyssee, die die Familie tief in das an allen Ecken knirschende chinesische Gesundheitssystem führt – die Extremsituation wird durch die teils grotesken Corona-Restriktionen noch verstärkt.

Über Tage hinweg ist Jonathan auf der Kinderintensivstation isoliert. Sahay kann nicht zu ihm, ist krank vor Sorge, weil sie nicht weiß, ob er noch lebt. Sie habe in den folgenden Wochen erst so richtig begriffen, unter welchen existentiellen Ängsten die Chinesen leben müssen, weil sie einem System ausgeliefert sind, das zwischen “ungebremster Digitalisierung” und “Bürokratie-Irrsinn” zu einem Monster mutiert ist.

Nachdem sich Jonathans Zustand nach fast einem Monat stabilisiert, fliegt die Familie nach Deutschland aus. Ein traumatisierender Spießrutenlauf liegt hinter ihnen. Trotzdem wollte Sahay China nicht den Rücken kehren. Ab Februar 2023 berichtet sie schon wieder aus Peking. Nicht nur, weil sie ihren Job liebt und wichtig findet, sondern auch um eine Art “Heilungsprozess” voranzutreiben. “Wir sind in einer dunklen Zeit mit Gewalt aus China herausgerissen worden. Für mich war es deshalb wichtig, dass wir zurückgehen und noch mal versuchen nachzuvollziehen und zu verarbeiten, was da alles passiert ist.” China sollte kein “unvollendetes Kapitel” für sie bleiben, sagt Sahay. “Ich habe ein zu intensives und schönes Verhältnis zu China, und finde, dass so ein Ende dem Land nicht gerecht geworden wäre.”

“Frag nicht so viel, Lea”

Lea Deuber, so ihr Geburtsname, stammt aus Renzburg in Norddeutschland. Mit 16 kam sie zum ersten Mal für einen Schüleraustausch nach China – 2007, ein Jahr vor den Olympischen Spielen. Sie wurde wie eine Art Vorhut all der zu erwartenden ausländischen Gäste behandelt, erinnert sie sich. Die Menschen probierten ihr Englisch an ihr aus, waren herzlich und zuvorkommend. So auch ihre Pekinger Gastfamilie, die erst noch eine gemeinsame Sprache mit ihr finden musste, denn die Schülerin kam ganz ohne Chinesisch-Kenntnisse ins Land. “Alle gaben sich Mühe, mir mit einem Wörterbuch auf dem Schoß, die Verhältnisse zu erklären.”

Während sie sich zu Hause in Deutschland beim technischen Hilfswerk engagierte und auch schon für eine Lokalzeitung schrieb, muss sich Sahay in China mit einem anders getakteten Alltag arrangieren. Und das heißt für sie und ihre gleichaltrige Gastschwester vor allem: lernen. Die Freizeitaktivitäten werden von Lehrerinnen oder ihrer Gastfamilie geplant. Mit ihrer Neugier sorgt Sahay dabei für Belustigung und Kopfschütteln. “Lea fragt immer nach dem Warum”, bekommt sie oft zu hören. “Es gibt kein Warum, frag nicht so viel”, lautet meist als Antwort. Trotz aller Widrigkeiten nimmt sie neben soliden Chinesischkenntnissen auch eine Art Auftrag mit in die Heimat zurück. Sie hat eine Ahnung von der Komplexität Chinas bekommen. In vorgefertigten Schubladen über das Land und die Menschen zu reden, bringt niemanden weiter.

Nach einem Studium der Asienwissenschaften in Bonn und Europawissenschaften in Berlin kommt Sahay mit 25 Jahren nach China zurück, um ihren ersten Job als Korrespondentin der Wirtschaftswoche anzutreten. Unter Xi Jinping ist aus dem stolzen Patriotismus, dem sie als Schülerin in China begegnete, ein enthemmter Nationalismus geworden. Für ausländische Journalisten schrumpfen die Freiräume. Egal ob Privatpersonen oder Behörden: Alle haben Angst, Probleme zu bekommen, wenn sie mit Journalistinnen wie ihr sprechen. Manchmal ziehen die Protagonisten ihre Zitate auch erst im Nachhinein zurück.

Sahay erinnert sich an eine Geschichte in einem Altenheim in einer Provinz unweit Pekings. “Die Betreiberin war herzlich und freute sich richtig, dass wir über sie und ihr lösungsorientiertes Konzept von Altenpflege berichteten. Kurz nach dem Interview meldeten sie sich plötzlich und sagte, wir könnten die Interviews nun doch nicht verwenden. Man konnte praktisch die Angst und das Beben in ihrer Stimme hören.” 

Das Gesundheitssystem im Fokus

Trotz der kritischen Töne in ihrem Buch, die durchaus auch mal nach Abrechnung klingen, betont Sahay, dass ihr weiterhin sehr daran gelegen sei, ein ganzheitliches und faires Bild von China zu vermitteln. Das tut sie heute neben ihrer Arbeit für die SZ zum Beispiel auch als Vorstandsvorsitzende des Recherchevereins journalists.network, der sich für die Förderung der Auslandsberichterstattung junger Journalisten einsetzt.

Denn auch was das marode Gesundheitssystem angeht, sei China heute kein Einzelfall, betont Sahay. Es gebe weltweit strukturelle Probleme. Als sie damals mit ihrem Sohn um die halbe Welt geflogen war und übernächtigt in einem Hamburger Krankenhaus ankommt, muss sie neun Stunden lang in der Notaufnahme warten. “Es war nur eine überforderte Schwester im Einsatz, die alle paar Stunden vorbeikam, und sich entschuldigte, dass der diensthabende Arzt sicher bald vorbeikommt.”

Ob sie nach der unmittelbaren Krankheit ihres Sohnes in Deutschland von Anfang an besser aufgehoben gewesen wäre, mag sie auch deshalb nicht beurteilen. “Man kann festhalten, dass Gesundheitssysteme weltweit unter Druck stehen und fast alle aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichem Ausmaß, aber grundsätzlich mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.”

Beschäftigen wird sie das Thema weiterhin. Denn der Bereich medizinischer Erkenntnisse sei bei aller Diskussion um De-risking und De-coupling ja nicht zuletzt auch ein konkreter Beweis dafür, dass es in bestimmten Bereichen weiterhin Sinn macht, mit China zu kooperieren – “zum Beispiel, wenn es um extrem seltene Immunkrankheiten wie der meines Sohnes geht. Ich wünsche jedem Elternteil der Welt, dass sie davon profitieren können, was chinesische Ärzte über diese Krankheit wissen.” Fabian Peltsch

“Das Ende des Chinesischen Traums – Leben in Xi Jinpings neuem China” von Lea Sahay ist im September bei Droemer-Verlag erschienen

  • De-Risking
  • Gesundheitssystem
  • Medien
  • Studium
  • Xi Jinping

Personalien

Sandor Riebe ist seit August Leiter der Geschäftsstelle ADAS China bei Volkswagen. Der in München und Duisburg-Essen ausgebildete Doktoringenieur arbeitet seit mehr als 17 Jahren für VW. Zwischen 2022 und 2024 war er erstmals für Saic Volkswagen in China im Einsatz. Für seine neue Stelle pendelt er zwischen Shanghai und Wolfsburg.

Xinyi Xie ist seit August Quality Sustainability Manager APAC bei Würth. Xie arbeitet seit 2021 für den deutschen Montage- und Befestigungstechnikhersteller in Shanghai. Eingestellt wurde sie damals als Government Affairs Officer, ein Posten, den sie nach wie vor innehat.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Einst sollten sie die Bevölkerung von Chongqing vor den Bombardements der Japaner beschützen. Heute werden die in die Hänge der bergigen Mega-City gehauenen Tunnelbunker auf vielfältige Weise neuen Zwecken zugeführt. Einige sind Restaurants geworden, Werkstätten, Büchereien und sogar Tanzstudios. Während der Hitzewelle diesen Sommer flüchteten sich viele Bürger auch einfach nur zur Abkühlung in die dickwandigen Bunker.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin werden in den nächsten beiden Wochen voraussichtlich gleich zweimal aufeinander treffen: Zuerst beim Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) am 15. und 16. Oktober in Pakistan. Und dann beim Brics-Gipfel, der vom 22. bis 24. Oktober im russischen Kazan stattfinden wird.

    Chinas Macht in der SCO wächst – und wird zunehmend zu einem Instrument, mit dem die chinesische Regierung sicherheitspolitisch in der Welt agiert, sagt Sören Urbansky, der als Professor an der Ruhr-Universität zum Verhältnis zwischen Russland und China forscht, im Interview mit Angela Köckritz. “Rhetorisch sprechen Moskau und Peking die gleiche Sprache, langfristig aber haben sie andere Ziele und irgendwann kann sich daraus ein Konflikt entwickeln”, meint Urbansky.

    Unser Heads stellt heute Lea Sahay vor, die für die Süddeutsche Zeitung aus China berichtet. In ihrem neuen Buch beschreibt sie, an welchen Ecken der chinesische Traum bröckelt. Einen besonderen Fokus legt Sahay dabei auf das Gesundheitssystem. Ein medizinischer Notfall hatte sie während der Corona-Pandemie an die Grenzen des Erträglichen geführt. Fabian Peltsch hat mit ihr darüber gesprochen, warum sie trotz der negativen Erfahrungen wieder nach China zurückgekehrt ist. 

    Ihre
    Amelie Richter
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    Interview

    “Die Weltordnung verändert sich vor unseren Augen”

    Sören Urbansky, Professor für osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität.

    Xi Jinping und Putin werden in den nächsten beiden Wochen voraussichtlich gleich zweimal aufeinander treffen. Zuerst beim Gipfel der Shanghai Cooperation Organiation (SCO) am 15. und 16. Oktober in Pakistan. Und dann beim Brics+ Gipfel, der vom 22. bis 24. Oktober im russischen Kazan stattfinden wird. Xi und Putin hoffen mit beiden Organisationen auch, die liberale internationale Ordnung zu überwinden. Welche Themen gilt es auf beiden Gipfeln zu beachten? 

    Die Brics wurden unlängst um Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate erweitert. Sie repräsentieren knapp die Hälfte der Weltbevölkerung, aber nur ein Drittel der Wirtschaftsleistung – wobei es sich um Länder handelt, die tendenziell eine steigende Wirtschaftskraft haben. Damit stellt sich die Frage, ab wann sie zu einem Gegenmodell zur G7 werden könnten.  

    Und die Shanghai Cooperation Organisation?

    Bei der SCO lässt sich beobachten, wie China zum wichtigsten Glied der Kette wird. Die Organisation wurde immer als Club unter Gleichen dargestelltaber schon ihr Name streicht eine Sonderstellung Chinas heraus, ihr Hauptsitz ist in Peking. Sie wird zunehmend zu einem Instrument, mit dem China sicherheitspolitisch in der Welt agiert. Mit dem wachsenden Ungleichgewicht zwischen China und Russland wird China seine Politik innerhalb dieser Organisation noch stärker durchsetzen.

    Die SCO wurde in Reaktion auf 9/11 gegründet, um der Gefahr zu begegnen, die von Terrorismus, Islamismus und Separatismus in Zentralasien herrührte. China gab das den Vorwand, gegen jedwede Opposition in Xinjiang vorzugehen. In den fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens gab es lange eine Arbeitsteilung zwischen Russland und China: Peking ließ Russland militärisch und geopolitisch die Oberhand, wurde dafür aber wirtschaftlich immer wichtiger.

    Gilt das auch jetzt noch?

    Jetzt kann man einen Wandel beobachten. China hat jetzt eine chinesische Militärbasis in Tadschikistan, dem ökonomisch schwächsten und auf Grund seiner Landgrenze zu Afghanistan geostrategisch wichtigen Land. Im Anbetracht des Ukrainekriegs gibt es Absetzbewegungen dieser Länder von Russland.  Die Tatsache, dass Putin mit der Ukraine eine einstige Sowjetrepublik überfallen hat, weckt Ängste. Einige Regierungen überlegen, inwiefern sie eine Schaukelpolitik zwischen China und Russland verfolgen sollen. 

    Beide Organisationen haben Strahlkraft. BRICS hat sich erweitert, die SCO ist die größte Regionalorganisation weltweit. Doch sind ihre Mitglieder so divers, dass es schwierig sein dürfte, in vielen Fragen Konsens zu finden. In welchen Bereichen gelingt es Xi und Putin Standards zu setzen? 

    Es stellt sich die Frage, vor allem seit Russlands erneutem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, inwiefern Weltordnung neu geschrieben wird. Russland und China treten offiziell für eine multipolare Weltordnung ein. De facto gibt es für China nur einen Hauptgegner, die USA, die sie überwinden wollen, daher strebt China im Grunde eine unipolare Weltordnung an.

    Was bedeutet das auf lange Sicht?

    Rhetorisch sprechen Moskau und Peking die gleiche Sprache, langfristig aber haben sie andere Ziele und irgendwann kann sich daraus ein Konflikt entwickeln. Sie wollen eine Alternative zu der Ordnung aufbauen, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden ist. Wo bei ihnen Einigkeit herrscht, ist, dass beide Länder Einflussphären haben, in denen das Recht des Stärkeren gilt. Für Russland sind das die ehemaligen Sowjetrepubliken. Für China insbesondere Taiwan und das südchinesische Meer. 

    Das Interesse, das alle verbindet, ist also: es soll eine Alternative geben, die jeder ein wenig anders für sich formuliert. 

    Genau. Und der große Unterschied zur Nachkiegsordnung ist, dass es bislang keinen großen Knall gab. Die Weltordnung verändert sich vor unseren Augen, aber schleichend. Es gibt keine klaren Verlierer und Gewinner. Für viele Länder ist es eine Suchbewegung in einer amorphen Lage.

    Putin und Xi haben sich mehr als 40 Mal persönlich getroffen. Sie haben ein persönliches Verhältnis aufgebaut, teilen Werte und Erfahrungen. Gleichzeitig hat sich das Machtverhältnis eindeutig zu Xi hin verschoben. Für einen geschichtsbewussten Menschen wie Putin, der Russlands zu einstiger Größe verhelfen will und weiß, dass Russland lange der Lehrmeister Chinas war, muss das doch eine permanente Demütigung sein? 

    China ist klug genug, Putin auf diplomatischer Ebene  als ebenbürtig darzustellen. Das ist für Putin unglaublich wichtig. Schließlich geht es auch um das Bild, das man von ihm als Staatslenker im Inland hat. Denn obwohl er ein Autokrat ist, steht er doch unter Legitimationsdruck. Dass ihm in China der rote Teppich ausgerollt wird, ist nochmal wichtiger geworden seit Beginn der Großinvasion 2022 und dem Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gegen ihn, wo er nur noch begrenzt reisen kann. China ist klug genug, den Schein zu wahren, auch wenn hinter verschlossenen Türen hart verhandelt wird, etwa um die Einkaufspreise für Rohstoffe.

    Außerdem sind beide gerade sehr gut darin, Konflikte auszublenden. Es gibt durchaus offene Fragen, historische Ressentiments, überlappende Einflusssphären, der Zugang zur Nordostpassage ist eine Frage, die Konfliktpotential birgt. Das wird beiseite geschoben,  weil der Gewinn, der sich aus dieser Allianz speist,  momentan so viel größer ist. 

    Internationale Experten bezeichnen das Verhältnis beider Länder auch als “nichterklärte Allianz”. Können Sie das erklären? 

    Das Kommuniqué, das Xi und Putin im Zuge der Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele 2022 kurz vor der russischen Großinvasion in der Ukraine unterschrieben und mit dem sie ihre Freundschaft ohne Grenzen” besiegelten, erhält viele Allgemeinplätze, aber keine Beistandserklärung im Sinne eines Artikel 5 der NATO. Interessant ist auch, dass sich darin die Assymmetrie der Machtverhältnisse spiegelt. Betont wird das Ein China Prinzip, nicht aber Putins Ansprüche auf die Ukraine.

    Was bedeutet das dann konkret?

    Konkret bedeutet dieses Kommuniqué gar nichts. De facto rücken beide Länder enger zusammen. Mit jedem Schritt, mit dem sich Russland von der Weltgemeinschaft entfernt, gewinnt China im Binnenverhältnis. Erst angesichts der zunehmend internationalen Isolation nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 war Russland etwa bereit, seine besten Waffensysteme an die Volksrepublik zu verkaufen, etwa Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-35.

    Russland ist nun der größte Erdöllieferant Chinas, wobei China nicht den gleichen Fehler macht wie Deutschland, es macht sich nicht einseitig abhängig. Russland ist wegen der Sanktionen des Westens abhängig von chinesischen Importen. Technologie, PKWS, LKWs, Dual Use Güter, wo China vorsichtig auslotet, wie weit es gehen kann, ohne mit Sekundärsanktionen belegt zu werden. Das gilt auch für den Bankensektor. Denn die wirtschaftliche Verflechtung Chinas mit dem Westen ist um ein Vielfaches größer als die mit Russland. 

    Putins Einmarsch in der Ukraine 2022 verlangte Peking einen komplizierten Balanceakt ab, der schließlich in dem mündete, was westeuropäische Experten “prorussische Neutralität” nennen. Könnten Sie das kurz erklären? 

    Mit dem Verlauf des Krieges kristallierte sich eine Haltung heraus, nach der China offiziell eine neutrale Position beibehält, Russland aber de facto beisteht. China scheut anders als Russland derzeit den offenen Bruch mit der internationalen Ordnung, auch, weil es noch immer sehr von ihr profitiert, von der WTO zum Beispiel. Es möchte sich nicht mit einem Staat gleichstellen, der sich zum Schurkenstaat gemacht hat. Gleichzeitig vertritt Russland in diesem Krieg auch die Interessen Chinas, in dem es gegen die liberale Weltordnung kämpft.

    Deshalb enthält sich China bei allen entsprechenden UN-Abstimmungen. Ein Jahr nach dem Krieg legte Xi mit seinem 12-Punkte Plan einen Friedensplan vor. Er will sich als ehrlicher Makler verkaufen. De facto übernimmt sein Plan russische Positionen. 

    Lassen Sie uns über die militärische Zusammenarbeit beider Länder sprechen. China und Russland unternehmen inzwischen zahlreiche gemeinsame Militärmanöver. Welches Bild ergibt sich daraus? 

    China hat seit dem Vietnamkrieg 1979 keinen Krieg mehr geführt, und hat daher trotz der massiven Aufrüstung einen entscheidenden Nachteil. Russische Soldaten haben leider sehr viel Kampferfahrung, die Manöver dienen den chinesischen Soldaten, davon zu lernen.

    Ein zweiter Punkt könnte sein, dass russische Soldaten durch den Krieg in der Ukraine Erfahrungen mit Ausrüstung und Strategien der NATO sammeln, die Ukrainer werden ja zunehmend nach NATO-Standards ausgebildet. Das könnte für China interessant sein. Und schließlich senden sie mit den Manövern ein Signal: Wir sind zwar kein Verteidigungsbündnis, trainieren aber zusammen, haben bestimmte Standards, Strategien, Planungsabläufe. Die Trainings differenzieren sich immer mehr aus. Erst Landmanöver, inzwischen auch regelmäßig See und Luft. 

    Trotz aller politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit blieben sich die Menschen lange eher fremd. Bis 2020 gab es keine einzige Brücke über den Amur, der über 2000 Kilometer Grenzfluss zwischen Russland und China ist. 

    Seit Russlands Annexion der Krim 2014 gibt es eine Umorientierung. China wird im Alltag immer präsenter in Russland, man kann nur durch Umwege noch westliche Autos kaufen, Neuwagen kommen zunehmend aus China, genauso wie Mobiltelefone. Auch die Eliten, die von westlichen Sanktionen belegt sind, reisen zunehmend nach China.

    Und der Großteil der Bevölkerung?

    Die allermeisten Menschen dieser Länder leben sehr weit von dieser Grenze entfernt und das jeweils andere Land liegt mental auf einem anderen Planeten. Es gibt auch noch immer alte Ressentiments, auch wenn die nicht mehr offiziell wiederholt werden. Man merkt auch im Verhältnis der Gesellschaften die Asymmetrie. In China gibt es eine Art von später Genugtuung, dass man den alten Lehrmeister überflügelt hat. 

    Sören Urbansky ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und forscht zum Verhältnis von China und Russland. 

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    Konjunkturprogramm: Welche weiteren Schritte Peking plant

    China hat weitere Maßnahmen zur Wiederbelebung seiner angeschlagenen Wirtschaft angekündigt. Peking plant,

    • Ausgaben von Staatsanleihen zu erhöhen, um den Immobiliensektor anzukurbeln: Lokalen Regierungen soll gestattet werden, mithilfe von Sonderanleihen brachliegende Grundstücke von in Schwierigkeiten geratenen Bauträgern zu kaufen.
    • Sonderanleihen auszugeben, um großen Banken zu helfen, ihr Kapital aufzustocken.
    • einmalig die Schuldenobergrenze für Kommunalverwaltungen aufzuheben
    • 400 Milliarden Yuan (51,7 Milliarden Euro) aus der Schuldenobergrenze den lokalen Regierungen bereitzustellen, um die lokalen Finanzressourcen zu erweitern. Außerdem sollen Mittel aus einem ungenutzten Anleihekontingent von 2,3 Billionen Yuan (297,2 Milliarden Euro) für lokale Regierungen bereitgestellt werden.
    • Subventionen für Geringverdiener und Studenten zur Verfügung zu stellen.

    Das kündigte Finanzminister Lan Fo’an am Samstag in Peking an. Er nannte dabei keine konkreten Beträge für zusätzliche Konjunkturimpulse. Diese müssen noch vom chinesischen Parlament, dem Nationalen Volkskongress, abgesegnet werden. Dessen nächster ständiger Ausschuss wird in den kommenden Wochen erwartet. “Unsere antizyklische Anpassung wird weit über das hinausgehen, was ich genannt habe”, sagte Lan Reportern und fügte hinzu, dass weitere Schritte diskutiert würden. “Wenn es um die Erhöhung des Defizits und der Schulden geht, haben wir als Zentralregierung erheblichen Spielraum.”

    Der Konferenz waren Bekanntmachungen anderer staatlicher Stellen vorausgegangen: So kündigte die Chinesische Volksbank an, ab dem 25. Oktober die Zinssätze auf bestehende Immobilienkredite zu senken. Die Nationale Kommission für Entwicklung und Reform stellte für 2025 100 Milliarden Yuan (14,14 Milliarden US-Dollar) aus dem Staatshaushalt bereit.

    Chinas Wirtschaft hat sich seit dem Ende der Corona-Pandemie nicht wie erwartet erholt. Analysten warten auf Anzeichen dafür, dass Peking die Staatsausgaben erhöhen wird, um das Konjunkturpaket zu unterstützen. 

    Die Maßnahmen des Finanzministeriums zur Reduzierung der Schulden der lokalen Regierungen und zur Stabilisierung des Immobilienmarktes seien aus makroökonomischer Sicht solide, aber der Markt suche nach mehr, sagte Raymond Yeung, Chefökonom für Greater China bei der Bank ANZ, der Financial Times. “Ich glaube, der Markt wird enttäuscht sein”, sagte Yeung. “Jeder erwartet eine Zahl, aber der Finanzminister hat uns keine gegeben.” Das Ministerium hätte einen Betrag für Ausgaben vorlegen können, der dann vom Nationalen Volkskongress bestätigt werden müsste, so Yeung.

    Andy Rothman, Anlagestratege beim Matthews Asia Fund, betonte jedoch, dass die Pressekonferenzen der Wirtschaftsplaner auf einen “grundlegenden Wandel” der Wirtschaft hindeute. “Xi versteht, dass die politische Reaktion erheblich sein muss, wenn das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmer wiederhergestellt werden soll”, sagte Rothman. ari

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    Gesetzesentwurf: China kommt Grundgesetz für Privatsektorförderung näher

    In einem weiteren Versuch, die Wirtschaft zu stabilisieren, hat Peking Maßnahmen vorgelegt, die Privatunternehmen besser fördern und schützen sollen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf veröffentlichten die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und das Justizministerium am Donnerstag. Es wäre das erste chinesische Grundgesetz, das speziell auf die Förderung des Privatsektors ausgerichtet ist.

    Die neue Gesetzgebung soll die Beteiligung privater Unternehmen am Markt sicherstellen. In der zweitgrößten Volkswirtschaft, die in jüngster Vergangenheit immer mehr von staatlichen Unternehmen dominiert wird, beklagen private Unternehmen ein schwieriges Geschäftsumfeld. Dabei gilt der Privatsektor als wichtiger Motor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

    Privatsektor: Besseres Investitions- und Finanzierungsumfeld

    Das Ziel des neuen Rechtsrahmens ist es, das Investitions- und Finanzierungsumfeld von Privatunternehmen zu verbessern, Innovationen zu fördern, Unternehmensethik zu fördern und den Rechtsschutz zu verbessern. Um ein besseres Finanzierungsumfeld zu schaffen, ermutigt der Regierungsentwurf zum Beispiel Banken, vernünftige Toleranzschwellen für wichtige Kredite festzulegen. Zudem sollen qualifizierte Privatunternehmen leichter an direkte Finanzierung, etwa durch die Ausgabe von Aktien und Anleihen, kommen.

    Tang Dajie, ein leitender Forscher der in Peking ansässigen Denkfabrik China Enterprise Institute, kritisierte gegenüber der Hongkonger South China Morning Post, dass die Inhalte des Gesetzentwurfs nicht über bisherige Maßnahmen hinausgingen: “Es fehlen konkrete Zielvorgaben für die Verwaltungsabteilungen, wie die Vorgabe, dass 30 Prozent der Aufträge an kleine und mittlere Unternehmen vergeben werden müssen”, sagte Tang.

    Die Regierung sollte die Förderung der Privatwirtschaft in die Bewertungsindikatoren für lokale Kader aufnehmen und die Strafen für grobe Online-Äußerungen gegen Privatunternehmen verschärfen, fügte er hinzu. Bis zum 8. November 2024 dauert die übliche Phase im Gesetzesprozess an, in der der Entwurf öffentlich kommentiert werden kann. mcl

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    Zollstreit: Peking warnt EU vor separaten Preisverhandlungen mit Autobauern

    China hat die Europäische Union davor gewarnt, neben den Konsultationen über Ausgleichszölle auf chinesische Elektroauto-Importe zusätzliche Preisverhandlungen mit einzelnen Autobauern zu führen. Dies würde “die Grundlage der Verhandlungen und das gegenseitige Vertrauen erschüttern”, teilte das chinesische Handelsministerium in einer Stellungnahme mit. 

    Die chinesische Seite habe bei den Verhandlungen bisher “ein Höchstmaß an Aufrichtigkeit und Flexibilität bewiesen”, heißt es in der Stellungnahme weiter. Man fordere die EU auf, so bald wie möglich eine Delegation nach China zu entsenden, um die nächste Phase der Konsultationen fortzuführen.”Es gibt immer noch große Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Seiten. Bislang haben die Konsultationen keine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden“, zitierten Staatsmedien einen Sprecher des Handelsministeriums.

    Zuvor hatte die EU einen Vorschlag der chinesischen Seite abgelehnt, nach dem in China produzierte Elektroautos in Europa zu einem verpflichtenden Mindestpreis von 30.000 Euro verkauft werden sollten. Mit dem Schritt hatte sich Peking erhofft, die Einführung von EU-Ausgleichszöllen abzuwenden. Industrieweite Mindestpreisverpflichtungen sind allerdings schwer mit Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar. Die EU müsste Vereinbarungen mit den einzelnen Herstellern erreichen.

    Zu Beginn des Monats hatte eine Abstimmung unter den EU-Mitgliedsstaaten den Weg für Zölle auf Elektroautos aus China freigemacht. Damit kann die EU-Kommission entscheiden, Abgaben in Höhe von bis zu 35,3 Prozent einzuführen. Peking wirft Brüssel im Hinblick auf die E-Auto-Zölle Protektionismus vor. Die EU ignoriere Fakten und missachte die Regeln der WTO. dpa/ari

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    DSA: Worüber Temu erneut Auskunft geben muss

    Die EU-Kommission hat Temu im Rahmen des Digital Services Act ein weiteres förmliches Auskunftsersuchen (Request for Information, RFI) geschickt. Das chinesische Unternehmen soll detaillierte Informationen darüber vorlegen, wie es verhindert, dass Händler illegale Produkte auf der Plattform anbieten. Außerdem soll Temu zusätzliche Angaben machen, wie es Risiken beim Verbraucherschutz, der öffentlichen Gesundheit und dem Wohlergehen der Nutzerinnen und Nutzer reduziert.

    Anlass ist der Verdacht, dass Händler über Temu – auch wiederholt – verbotene Waren anbieten und damit gegen geltende Vorschriften verstoßen. Temu muss die geforderten Informationen wie interne Richtlinien, Kontrollmechanismen und technische Vorkehrungen zur Risikominderung bis zum 21. Oktober 2024 liefern. Auf der Grundlage der Antworten entscheidet die Kommission über die nächsten Schritte, etwa die förmliche Einleitung eines Verfahrens. vis

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    Wahl in Macau: Das plant der neue Chief Executive für die Kasino-Stadt

    Der ehemalige oberste Richter Sam Hou-fai ist am Sonntag zum neuen Chief-Executive von Macau ernannt worden. In einer Abstimmung am Sonntag erhielt er im 400-köpfigen Wahlausschuss der Sonderverwaltungszone 394 Stimmen. Auf einer Pressekonferenz nach der Wahl betonte Sam, dass die ehemalige Kolonie seine Vorteile bei der Anbindung an portugiesischsprachige Länder nutzen sollte, um die Entwicklung der Stadt zu fördern. Er wolle sich dabei besonders für kleine Unternehmen einsetzen. Zuletzt waren die Einzelhandelsumsätze in der für ihre Kasinos bekannten Stadt um 17,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen.

    Das Pekinger Büro für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten lobte die Wahl Sams. Er habe den Charakter eines Team-Players, der die Menschen zusammenbringe. In seiner Wahlrede hatte Sam zuvor erklärt, dass eine seiner großen Leitlinien die Umsetzung des chinesischen Grundsatzes “ein Land, zwei Systeme” sein werde. Sam wird aller Voraussicht nach im Dezember bei einer Zeremonie vereidigt, an der wahrscheinlich auch Chinas Präsident Xi Jinping teilnehmen wird, da Macau dann auch den 25. Jahrestag seiner Rückkehr von der portugiesischen zur chinesischen Verwaltung feiert. rtr/fpe

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    Presseschau

    Ostasien-Gipfel: Russland und China blockieren Erklärung FAZ
    Taiwan schlägt Alarm nach Sichtung chinesischer Schiffe DW
    Baerbocks Probleme im Umgang mit Peking DW
    Japan’s leader is calling for Nato-like nuclear sharing with the US. Will it deter China? SCMP
    Südostasien: China und Vietnam wollen Beziehungen stärken DEUTSCHLANDFUNK
    Macaus “Wahl” lässt auch Hongkongs schwierige Zukunft erahnen HANDELSBLATT
    Die neuen Migranten: Tausende Chinesen versuchen der Arbeitslosigkeit und Repression in der Heimat zu entkommen NZZ
    U.S. pastor’s release after almost 20 years raises hopes for other Americans held in China NBC NEWS
    Chinesischer E-Autohersteller: BYD erwartet Absatzsteigerung in Deutschland binnen sechs Monaten MANAGER MAGAZIN
    Selbstbewusster Umgang mit China: Das kleine Tschechien macht vor, wie es geht FR
    China deflation pressure mounts as investors seek more stimulus for economy FINANCIAL TIMES
    China: Warten auf das Rettungspaket SÜDDEUTSCHE
    Wieder ein Rohrkrepierer: Chinas Finanzminister liefert keine Zahlen zu einem möglichen Rettungspaket für die Wirtschaft NZZ
    Wirtschaftspaket als Krisenreaktion: Chinas große Banken senken wohl Zinsen für Immobilienkredite SPIEGEL

    Heads

    Lea Sahay: Vom Ende des chinesischen Traums

    Lea Sahay berichtet für die Süddeutsche Zeitung aus China.

    Lea Sahay war gerade in Deutschland auf Lesereise. “Das Ende des chinesischen Traums” heißt das neue Buch der langjährigen SZ-China-Korrespondentin. Darin beschreibt sie neben den aktuellen Krisen des Landes auch ihre eigenen Erfahrungen in China, allen voran einen dramatischen medizinischen Notfall, der sich auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie in ihrer Familie ereignet.

    Im September 2022 erkrankt ihr knapp neun Monate alter Sohn Jonathan schwer, eine äußerst seltene, meistens tödlich verlaufende Immunerkrankung, wie sich später herausstellt. Mit Fieberkrämpfen bringen sie ihn in die Notaufnahme eines internationalen Pekinger Krankenhauses. Es ist der Beginn einer Odyssee, die die Familie tief in das an allen Ecken knirschende chinesische Gesundheitssystem führt – die Extremsituation wird durch die teils grotesken Corona-Restriktionen noch verstärkt.

    Über Tage hinweg ist Jonathan auf der Kinderintensivstation isoliert. Sahay kann nicht zu ihm, ist krank vor Sorge, weil sie nicht weiß, ob er noch lebt. Sie habe in den folgenden Wochen erst so richtig begriffen, unter welchen existentiellen Ängsten die Chinesen leben müssen, weil sie einem System ausgeliefert sind, das zwischen “ungebremster Digitalisierung” und “Bürokratie-Irrsinn” zu einem Monster mutiert ist.

    Nachdem sich Jonathans Zustand nach fast einem Monat stabilisiert, fliegt die Familie nach Deutschland aus. Ein traumatisierender Spießrutenlauf liegt hinter ihnen. Trotzdem wollte Sahay China nicht den Rücken kehren. Ab Februar 2023 berichtet sie schon wieder aus Peking. Nicht nur, weil sie ihren Job liebt und wichtig findet, sondern auch um eine Art “Heilungsprozess” voranzutreiben. “Wir sind in einer dunklen Zeit mit Gewalt aus China herausgerissen worden. Für mich war es deshalb wichtig, dass wir zurückgehen und noch mal versuchen nachzuvollziehen und zu verarbeiten, was da alles passiert ist.” China sollte kein “unvollendetes Kapitel” für sie bleiben, sagt Sahay. “Ich habe ein zu intensives und schönes Verhältnis zu China, und finde, dass so ein Ende dem Land nicht gerecht geworden wäre.”

    “Frag nicht so viel, Lea”

    Lea Deuber, so ihr Geburtsname, stammt aus Renzburg in Norddeutschland. Mit 16 kam sie zum ersten Mal für einen Schüleraustausch nach China – 2007, ein Jahr vor den Olympischen Spielen. Sie wurde wie eine Art Vorhut all der zu erwartenden ausländischen Gäste behandelt, erinnert sie sich. Die Menschen probierten ihr Englisch an ihr aus, waren herzlich und zuvorkommend. So auch ihre Pekinger Gastfamilie, die erst noch eine gemeinsame Sprache mit ihr finden musste, denn die Schülerin kam ganz ohne Chinesisch-Kenntnisse ins Land. “Alle gaben sich Mühe, mir mit einem Wörterbuch auf dem Schoß, die Verhältnisse zu erklären.”

    Während sie sich zu Hause in Deutschland beim technischen Hilfswerk engagierte und auch schon für eine Lokalzeitung schrieb, muss sich Sahay in China mit einem anders getakteten Alltag arrangieren. Und das heißt für sie und ihre gleichaltrige Gastschwester vor allem: lernen. Die Freizeitaktivitäten werden von Lehrerinnen oder ihrer Gastfamilie geplant. Mit ihrer Neugier sorgt Sahay dabei für Belustigung und Kopfschütteln. “Lea fragt immer nach dem Warum”, bekommt sie oft zu hören. “Es gibt kein Warum, frag nicht so viel”, lautet meist als Antwort. Trotz aller Widrigkeiten nimmt sie neben soliden Chinesischkenntnissen auch eine Art Auftrag mit in die Heimat zurück. Sie hat eine Ahnung von der Komplexität Chinas bekommen. In vorgefertigten Schubladen über das Land und die Menschen zu reden, bringt niemanden weiter.

    Nach einem Studium der Asienwissenschaften in Bonn und Europawissenschaften in Berlin kommt Sahay mit 25 Jahren nach China zurück, um ihren ersten Job als Korrespondentin der Wirtschaftswoche anzutreten. Unter Xi Jinping ist aus dem stolzen Patriotismus, dem sie als Schülerin in China begegnete, ein enthemmter Nationalismus geworden. Für ausländische Journalisten schrumpfen die Freiräume. Egal ob Privatpersonen oder Behörden: Alle haben Angst, Probleme zu bekommen, wenn sie mit Journalistinnen wie ihr sprechen. Manchmal ziehen die Protagonisten ihre Zitate auch erst im Nachhinein zurück.

    Sahay erinnert sich an eine Geschichte in einem Altenheim in einer Provinz unweit Pekings. “Die Betreiberin war herzlich und freute sich richtig, dass wir über sie und ihr lösungsorientiertes Konzept von Altenpflege berichteten. Kurz nach dem Interview meldeten sie sich plötzlich und sagte, wir könnten die Interviews nun doch nicht verwenden. Man konnte praktisch die Angst und das Beben in ihrer Stimme hören.” 

    Das Gesundheitssystem im Fokus

    Trotz der kritischen Töne in ihrem Buch, die durchaus auch mal nach Abrechnung klingen, betont Sahay, dass ihr weiterhin sehr daran gelegen sei, ein ganzheitliches und faires Bild von China zu vermitteln. Das tut sie heute neben ihrer Arbeit für die SZ zum Beispiel auch als Vorstandsvorsitzende des Recherchevereins journalists.network, der sich für die Förderung der Auslandsberichterstattung junger Journalisten einsetzt.

    Denn auch was das marode Gesundheitssystem angeht, sei China heute kein Einzelfall, betont Sahay. Es gebe weltweit strukturelle Probleme. Als sie damals mit ihrem Sohn um die halbe Welt geflogen war und übernächtigt in einem Hamburger Krankenhaus ankommt, muss sie neun Stunden lang in der Notaufnahme warten. “Es war nur eine überforderte Schwester im Einsatz, die alle paar Stunden vorbeikam, und sich entschuldigte, dass der diensthabende Arzt sicher bald vorbeikommt.”

    Ob sie nach der unmittelbaren Krankheit ihres Sohnes in Deutschland von Anfang an besser aufgehoben gewesen wäre, mag sie auch deshalb nicht beurteilen. “Man kann festhalten, dass Gesundheitssysteme weltweit unter Druck stehen und fast alle aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichem Ausmaß, aber grundsätzlich mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.”

    Beschäftigen wird sie das Thema weiterhin. Denn der Bereich medizinischer Erkenntnisse sei bei aller Diskussion um De-risking und De-coupling ja nicht zuletzt auch ein konkreter Beweis dafür, dass es in bestimmten Bereichen weiterhin Sinn macht, mit China zu kooperieren – “zum Beispiel, wenn es um extrem seltene Immunkrankheiten wie der meines Sohnes geht. Ich wünsche jedem Elternteil der Welt, dass sie davon profitieren können, was chinesische Ärzte über diese Krankheit wissen.” Fabian Peltsch

    “Das Ende des Chinesischen Traums – Leben in Xi Jinpings neuem China” von Lea Sahay ist im September bei Droemer-Verlag erschienen

    • De-Risking
    • Gesundheitssystem
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    Personalien

    Sandor Riebe ist seit August Leiter der Geschäftsstelle ADAS China bei Volkswagen. Der in München und Duisburg-Essen ausgebildete Doktoringenieur arbeitet seit mehr als 17 Jahren für VW. Zwischen 2022 und 2024 war er erstmals für Saic Volkswagen in China im Einsatz. Für seine neue Stelle pendelt er zwischen Shanghai und Wolfsburg.

    Xinyi Xie ist seit August Quality Sustainability Manager APAC bei Würth. Xie arbeitet seit 2021 für den deutschen Montage- und Befestigungstechnikhersteller in Shanghai. Eingestellt wurde sie damals als Government Affairs Officer, ein Posten, den sie nach wie vor innehat.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Einst sollten sie die Bevölkerung von Chongqing vor den Bombardements der Japaner beschützen. Heute werden die in die Hänge der bergigen Mega-City gehauenen Tunnelbunker auf vielfältige Weise neuen Zwecken zugeführt. Einige sind Restaurants geworden, Werkstätten, Büchereien und sogar Tanzstudios. Während der Hitzewelle diesen Sommer flüchteten sich viele Bürger auch einfach nur zur Abkühlung in die dickwandigen Bunker.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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