Table.Briefing: China

Interview mit Hans-Peter Friedrich (diesmal vollständig)

Liebe Leserin, lieber Leser,

wegen einer technischen Unregelmäßigkeit war das Interview mit dem CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich zu Deutschlands China-Beziehungen im heutigen China.Table nicht vollständig lesbar. Wir entschuldigen uns dafür und schicken Ihnen hier den kompletten Text.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Interview

“China und Deutschland sind optimale Partner”

Hans-Peter Friedrich, ehemaliger Bundesinnenminister und Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, im Gespräch mit Michael Radunski und Felix Lee.

Sie kommen gerade zurück aus China. Was haben Sie dort gemacht?

Ich bin als Mitglied des Ausschusses für Klimaschutz- und Energie zu Gesprächen mit Vertretern Nationalen Volkskongresses nach China gereist. Es ging also vor allem um europäische Klimapolitik.

In so angespannten Zeiten haben Sie nicht über Außenpolitik gesprochen?

Ich bin kein Außenpolitiker und maße mir nicht an, über diese hochkomplexen außenpolitischen Themen im Ausland zu diskutieren. Ich bin Wirtschaftspolitiker, vor allem Mittelstandspolitiker, mit großer Leidenschaft. In diesem Zusammenhang ist für mich auch die Energiepolitik von großer Wichtigkeit.

Na gut. Welche Eindrücke haben Sie in China gewonnen?

Die Folgen der Null-Covid-Politik, vor allem die wirtschaftlichen, sind massiv. Uns betrifft das auch, denn die chinesischen Wachstumszahlen haben unmittelbare Auswirkungen auch auf uns. 

Und gesellschaftlich?

Die Kontrolle in China hat in den vergangenen Jahren erkennbar zugenommen. Das war tatsächlich sehr befremdlich für mich. Die Führung in Peking hat die Pandemie genutzt, alles durchzudigitalisieren, und damit alle Kontrollmöglichkeiten zu intensivieren. Was mir auch aufgefallen ist: Nach meinem Gefühl gibt es eine Verdoppelung der chinesischen Fahnen, die überall hängen. Das zeigt, in welche Richtung es in China geht. Die Spielräume werden kleiner – und zwar für alle, für Aus- wie Inländer. 

Wie sollten wir darauf reagieren?

Nicht so, wie wir es tun, nicht mit eigenen Restriktionen oder Investitionskontrollen. Faktisch findet derzeit ein Decoupling statt, egal wie die deutsche Regierung das nennen mag. Etliche Vereinbarungen wie zur Industrie 4.0. laufen aus, Staatsbürgschaften werden gedeckelt, die Messeförderung für mittelständische Unternehmen wird reduziert. Das sind große Fehler. 

Also was sollte die deutsche Regierung tun?

Ich erwarte, dass sie unsere Interessen – Zugang der deutschen Unternehmen zu den Märkten, deren Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen sowie Freiraum für wirtschaftliche Betätigungen – offensiv in Peking vertritt und sich nicht verkriecht nach dem Motto: Ihr macht dicht, dann machen wir auch dicht. 

Erkennen Sie denn bei den Chinesen ein Interesse an Gesprächen?

Ja. Die Regierung in Peking hat großes Interesse an guten Beziehungen zu Deutschland – und wir, unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen, haben daran ebenfalls Interesse. In einer solchen Situation muss man miteinander reden und verhandeln. Aus meiner Sicht sind China und Deutschland optimale Partner.

Ein autoritäres China und das demokratische Deutschland?

Ihre Frage zeigt das aktuelle Problem: Überall haben Sicherheitspolitiker das Sagen. Es geht um innere und äußere Sicherheit, um Abschottung, Misstrauen und Konflikt. Für einen Sicherheitspolitiker wäre es einfacher, wenn es China gar nicht gäbe. Aber für einen Wirtschaftspolitiker wäre es ein Problem, weil ein großer Teil unseres Wohlstandes mit China zusammenhängt. Die Stimme der Wirtschaftspolitiker hat seit vielen Jahren in der Außenwirtschaftspolitik an Gewicht verloren. Das muss sich wieder ändern. Ich schaue aus der Perspektive eines Wirtschaftspolitikers auf die Dinge, denn das ist die Grundlage unseres Wohlstands. Und ja, hier sind China und Deutschland optimale Partner. Sehen Sie denn nicht die Chance?

Welche? 

Die Kombination aus der Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und der Skalierung des chinesischen Marktes von 1,4 Milliarden Menschen. Das ist eine optimale Möglichkeit, Innovationen marktfähig zu machen.

Das erhöht doch die Gefahr eines unfreiwilligen Techniktransfers.

Nein. Blicken wir in die Zukunft am Beispiel Energiewende: In China können sie zehn Technologien nebeneinander haben. Der Markt reicht immer aus, um alle zehn irgendwie marktfähig zu machen. Mit China zusammen können wir die Energiewende schaffen. Ungefähr ein Viertel des Wissens der Welt befindet sich dort. Bei dieser Menschheitsaufgabe können wir nicht einfach auf dieses Wissen verzichten.

Dann erfinden und bauen die Chinesen alles allein. 

Die Chinesen sind in puncto autonomes Fahren und Batterie-Forschung heute Technologieführer. Das stimmt. Aber dass die Restriktionen in China zunehmen, lässt die Innovationsfähigkeit dort leiden. Wenn wir dann unsere Innovationsfähigkeit kombinieren mit der Skalierung der chinesischen Wirtschaft, dann haben wir alle Möglichkeiten. Wir sollten chinesische Wertschöpfung in Deutschland verpflichten, wie umgekehrt deutsche Unternehmen in China dort zu Wertschöpfung angehalten sind. 

Und die Menschenrechte lassen wir einfach weg?

Also zum Thema Menschenrechte: Wenn man für die Menschen wirklich was erreichen will, egal wo, egal in welchem Land, dann muss man das in Einzelfällen sehr gezielt tun. Die Vorstellung, dass wir aus Deutschland heraus die Chinesen zu irgendetwas zwingen können, halte ich für abenteuerlich. Wenn uns Fälle bekannt werden und wir den Menschen wirklich helfen wollen, müssen wir konkret an diesen Fällen arbeiten.

Schwierig bei einer Million inhaftierten Uiguren. 

Auch dazu braucht man gute Verbindungen. Da hilft kein Decoupling und Abschottung. Man muss miteinander reden können, man muss verhandeln können. Das ist das Entscheidende. 

Allerdings befindet sich Deutschland nicht im luftleeren Raum. Die USA drängen auf eine harte Haltung gegenüber China.

Die Amerikaner sind sehr hart in ihren verbalen Beschreibungen der politischen Beziehungen, aber faktisch nimmt das Geschäftsvolumen zwischen China und Amerika permanent zu. Während die Politiker sich oben für die Galerie zoffen, wird abseits der Kameras Big Business gemacht. Das muss man wissen, wenn man als europäischer Politiker Verantwortung hat für die Zukunft des eigenen Landes. Es ist Zeit, dass wir unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen definieren. 

Sie meinen, Deutschland hat sich vor den amerikanischen Karren spannen lassen? 

Ich sage, wir müssen selbst wissen, was wir wollen. Und wenn wir nicht erkennen, wie wichtig offene Märkte für die deutsche und europäische Wirtschaft sind, dann ist das ein schlimmer Fehler. Da können die Amerikaner nichts dafür. 

Also alles öffnen? Oder um eine aktuelle Debatte aufzugreifen: Cosco gleich den ganzen Hamburger Hafen verkaufen?

Eine völlig irrationale Diskussion. Erstens scheint es so zu sein, dass nicht Cosco zuerst die Idee hatte, dort einzusteigen, sondern der Hamburger Hafen auf Cosco zugegangen ist, weil sie Angst hatten, dass sie abgehängt werden im Verhältnis zu anderen europäischen Häfen. Zweitens sollte man den Hamburger Hafen als eine Infrastruktur sehen, wo alle Menschen, die Handel treiben wollen, egal aus welchen Ländern sie kommen, freie Zugangsmöglichkeiten haben. Nun geht es um 25 Prozent am Betrieb eines einzigen Terminals. Ich sehe darin kein Problem. Im Gegenteil. Wir sehen, dass die chinesischen Investitionen in Deutschland zurückgehen. Die Chinesen sehen unsere aufgeregten Diskussionen und sagen: Na gut, dann investieren wir unser Geld eben in andere europäische Länder.

Als Ausweg haben Sie die China-Brücke gegründet?

Die China-Brücke geht zurück auf meine Gespräche 2019 mit deutschen Unternehmen in Shanghai. Viele Mittelständler sagten mir, die deutsche Politik kümmere sich zu wenig um ihre Anliegen. Deshalb wollte ich unterhalb der großen Politik, losgelöst von außenpolitischen Konflikten, eine neue Plattform für neue Gesprächskanäle schaffen. Wegen Corona wurde es schwierig. Aber ich freue mich zu sehen, dass die China-Brücke jetzt wieder Fahrt aufnimmt. 

Das Problem ist, dass China sich seither dramatisch verändert hat. 

Das stimmt, aber lassen wir das Politische mal beiseite. Die Corona-Pandemie und die gestörten Lieferketten waren ja keine politischen Entscheidungen. Aber sie haben uns gezeigt, dass wir eine Strategie der Risikostreuung brauchen. Nur: Das sollte sich nicht gegen ein einzelnes Land richten, nicht gegen China, nicht gegen Kanada, nicht gegen die USA. Jeder Mittelständler überlegt, ob er zu sehr von einem Kunden abhängig ist. Aber das hat nichts mit China und seinem System zu tun. Das ist einfach eine Frage der ökonomischen Vernunft.

Stichwort Chinas System. Sie sollen gesagt haben, China sei keine Diktatur. Was ist es denn?

Zunächst muss ich sagen: Ich finde es einfach unglaublich, dass aus einem Gespräch, das ich mit einer Journalistin hatte, einzelne Sätze ohne Absprache und aus dem Zusammenhang gerissen veröffentlicht werden. Und zu ihrer Frage: Natürlich ist China keine Demokratie. Es ist ein autoritäres System und die totalitären Züge nehmen deutlich zu.

Also keine Diktatur? 

Was heißt Diktatur? Nach unserer Definition ist es eine Diktatur. Aber man muss sehen, dass es in China auch eine Vielzahl an Rückkopplungen gibt. China ist ein Riesenreich mit vielen auch regionalen Akteuren, bei denen es durchaus unterschiedliche Ansätze und Vorstellungen gibt. Nur das habe ich versucht auszudrücken.

Andere Medien beschreiben Sie als “Pekings Mann im Bundestag”, vor dem Hintergrund, dass Peking versucht, auf einflussreiche Politiker im Ausland Einfluss zu nehmen und so die Wahrnehmung zu ihren Gunsten zu verändern. 

Ich halte das für Verleumdung. Ich kann doch nicht jeden chinesischen Menschen, der freundlich zu mir ist, unterstellen, dass er mich manipulieren will. Ich sage ganz offen, dass ich immer ein sehr positives Verhältnis zur chinesischen Kultur, zu den Menschen und dem Land gehabt habe, seit ich vor 20 Jahren zum ersten Mal in China war. Als Wirtschaftspolitiker bin ich zudem von Chinas Weg in die Marktwirtschaft fasziniert. Und ich sehe jetzt mit einiger Skepsis, dass Xi Jinping versucht, die marktwirtschaftlichen Prinzipien zurückzudrängen. Das ist nicht zum Wohl der chinesischen Wirtschaft – und schlecht für uns.

Hans-Peter Friedrich (66), war von 2011 bis 2013 Bundesinnenminister und von 2017 bis 2021 Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Seit 1998 sitzt der CSU-Politiker im Bundestag und ist zuständig für Klimaschutz und Energie. 2019 gründete er mit Vertretern aus der Wirtschaft die China-Brücke und war deren Gründungsvorsitzender. Er ist zudem Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe.

  • China-Strategie
  • Geopolitik
  • Handel
  • Menschenrechte
  • Technologie
  • Wirtschaft

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wegen einer technischen Unregelmäßigkeit war das Interview mit dem CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich zu Deutschlands China-Beziehungen im heutigen China.Table nicht vollständig lesbar. Wir entschuldigen uns dafür und schicken Ihnen hier den kompletten Text.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Interview

    “China und Deutschland sind optimale Partner”

    Hans-Peter Friedrich, ehemaliger Bundesinnenminister und Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, im Gespräch mit Michael Radunski und Felix Lee.

    Sie kommen gerade zurück aus China. Was haben Sie dort gemacht?

    Ich bin als Mitglied des Ausschusses für Klimaschutz- und Energie zu Gesprächen mit Vertretern Nationalen Volkskongresses nach China gereist. Es ging also vor allem um europäische Klimapolitik.

    In so angespannten Zeiten haben Sie nicht über Außenpolitik gesprochen?

    Ich bin kein Außenpolitiker und maße mir nicht an, über diese hochkomplexen außenpolitischen Themen im Ausland zu diskutieren. Ich bin Wirtschaftspolitiker, vor allem Mittelstandspolitiker, mit großer Leidenschaft. In diesem Zusammenhang ist für mich auch die Energiepolitik von großer Wichtigkeit.

    Na gut. Welche Eindrücke haben Sie in China gewonnen?

    Die Folgen der Null-Covid-Politik, vor allem die wirtschaftlichen, sind massiv. Uns betrifft das auch, denn die chinesischen Wachstumszahlen haben unmittelbare Auswirkungen auch auf uns. 

    Und gesellschaftlich?

    Die Kontrolle in China hat in den vergangenen Jahren erkennbar zugenommen. Das war tatsächlich sehr befremdlich für mich. Die Führung in Peking hat die Pandemie genutzt, alles durchzudigitalisieren, und damit alle Kontrollmöglichkeiten zu intensivieren. Was mir auch aufgefallen ist: Nach meinem Gefühl gibt es eine Verdoppelung der chinesischen Fahnen, die überall hängen. Das zeigt, in welche Richtung es in China geht. Die Spielräume werden kleiner – und zwar für alle, für Aus- wie Inländer. 

    Wie sollten wir darauf reagieren?

    Nicht so, wie wir es tun, nicht mit eigenen Restriktionen oder Investitionskontrollen. Faktisch findet derzeit ein Decoupling statt, egal wie die deutsche Regierung das nennen mag. Etliche Vereinbarungen wie zur Industrie 4.0. laufen aus, Staatsbürgschaften werden gedeckelt, die Messeförderung für mittelständische Unternehmen wird reduziert. Das sind große Fehler. 

    Also was sollte die deutsche Regierung tun?

    Ich erwarte, dass sie unsere Interessen – Zugang der deutschen Unternehmen zu den Märkten, deren Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen sowie Freiraum für wirtschaftliche Betätigungen – offensiv in Peking vertritt und sich nicht verkriecht nach dem Motto: Ihr macht dicht, dann machen wir auch dicht. 

    Erkennen Sie denn bei den Chinesen ein Interesse an Gesprächen?

    Ja. Die Regierung in Peking hat großes Interesse an guten Beziehungen zu Deutschland – und wir, unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen, haben daran ebenfalls Interesse. In einer solchen Situation muss man miteinander reden und verhandeln. Aus meiner Sicht sind China und Deutschland optimale Partner.

    Ein autoritäres China und das demokratische Deutschland?

    Ihre Frage zeigt das aktuelle Problem: Überall haben Sicherheitspolitiker das Sagen. Es geht um innere und äußere Sicherheit, um Abschottung, Misstrauen und Konflikt. Für einen Sicherheitspolitiker wäre es einfacher, wenn es China gar nicht gäbe. Aber für einen Wirtschaftspolitiker wäre es ein Problem, weil ein großer Teil unseres Wohlstandes mit China zusammenhängt. Die Stimme der Wirtschaftspolitiker hat seit vielen Jahren in der Außenwirtschaftspolitik an Gewicht verloren. Das muss sich wieder ändern. Ich schaue aus der Perspektive eines Wirtschaftspolitikers auf die Dinge, denn das ist die Grundlage unseres Wohlstands. Und ja, hier sind China und Deutschland optimale Partner. Sehen Sie denn nicht die Chance?

    Welche? 

    Die Kombination aus der Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und der Skalierung des chinesischen Marktes von 1,4 Milliarden Menschen. Das ist eine optimale Möglichkeit, Innovationen marktfähig zu machen.

    Das erhöht doch die Gefahr eines unfreiwilligen Techniktransfers.

    Nein. Blicken wir in die Zukunft am Beispiel Energiewende: In China können sie zehn Technologien nebeneinander haben. Der Markt reicht immer aus, um alle zehn irgendwie marktfähig zu machen. Mit China zusammen können wir die Energiewende schaffen. Ungefähr ein Viertel des Wissens der Welt befindet sich dort. Bei dieser Menschheitsaufgabe können wir nicht einfach auf dieses Wissen verzichten.

    Dann erfinden und bauen die Chinesen alles allein. 

    Die Chinesen sind in puncto autonomes Fahren und Batterie-Forschung heute Technologieführer. Das stimmt. Aber dass die Restriktionen in China zunehmen, lässt die Innovationsfähigkeit dort leiden. Wenn wir dann unsere Innovationsfähigkeit kombinieren mit der Skalierung der chinesischen Wirtschaft, dann haben wir alle Möglichkeiten. Wir sollten chinesische Wertschöpfung in Deutschland verpflichten, wie umgekehrt deutsche Unternehmen in China dort zu Wertschöpfung angehalten sind. 

    Und die Menschenrechte lassen wir einfach weg?

    Also zum Thema Menschenrechte: Wenn man für die Menschen wirklich was erreichen will, egal wo, egal in welchem Land, dann muss man das in Einzelfällen sehr gezielt tun. Die Vorstellung, dass wir aus Deutschland heraus die Chinesen zu irgendetwas zwingen können, halte ich für abenteuerlich. Wenn uns Fälle bekannt werden und wir den Menschen wirklich helfen wollen, müssen wir konkret an diesen Fällen arbeiten.

    Schwierig bei einer Million inhaftierten Uiguren. 

    Auch dazu braucht man gute Verbindungen. Da hilft kein Decoupling und Abschottung. Man muss miteinander reden können, man muss verhandeln können. Das ist das Entscheidende. 

    Allerdings befindet sich Deutschland nicht im luftleeren Raum. Die USA drängen auf eine harte Haltung gegenüber China.

    Die Amerikaner sind sehr hart in ihren verbalen Beschreibungen der politischen Beziehungen, aber faktisch nimmt das Geschäftsvolumen zwischen China und Amerika permanent zu. Während die Politiker sich oben für die Galerie zoffen, wird abseits der Kameras Big Business gemacht. Das muss man wissen, wenn man als europäischer Politiker Verantwortung hat für die Zukunft des eigenen Landes. Es ist Zeit, dass wir unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen definieren. 

    Sie meinen, Deutschland hat sich vor den amerikanischen Karren spannen lassen? 

    Ich sage, wir müssen selbst wissen, was wir wollen. Und wenn wir nicht erkennen, wie wichtig offene Märkte für die deutsche und europäische Wirtschaft sind, dann ist das ein schlimmer Fehler. Da können die Amerikaner nichts dafür. 

    Also alles öffnen? Oder um eine aktuelle Debatte aufzugreifen: Cosco gleich den ganzen Hamburger Hafen verkaufen?

    Eine völlig irrationale Diskussion. Erstens scheint es so zu sein, dass nicht Cosco zuerst die Idee hatte, dort einzusteigen, sondern der Hamburger Hafen auf Cosco zugegangen ist, weil sie Angst hatten, dass sie abgehängt werden im Verhältnis zu anderen europäischen Häfen. Zweitens sollte man den Hamburger Hafen als eine Infrastruktur sehen, wo alle Menschen, die Handel treiben wollen, egal aus welchen Ländern sie kommen, freie Zugangsmöglichkeiten haben. Nun geht es um 25 Prozent am Betrieb eines einzigen Terminals. Ich sehe darin kein Problem. Im Gegenteil. Wir sehen, dass die chinesischen Investitionen in Deutschland zurückgehen. Die Chinesen sehen unsere aufgeregten Diskussionen und sagen: Na gut, dann investieren wir unser Geld eben in andere europäische Länder.

    Als Ausweg haben Sie die China-Brücke gegründet?

    Die China-Brücke geht zurück auf meine Gespräche 2019 mit deutschen Unternehmen in Shanghai. Viele Mittelständler sagten mir, die deutsche Politik kümmere sich zu wenig um ihre Anliegen. Deshalb wollte ich unterhalb der großen Politik, losgelöst von außenpolitischen Konflikten, eine neue Plattform für neue Gesprächskanäle schaffen. Wegen Corona wurde es schwierig. Aber ich freue mich zu sehen, dass die China-Brücke jetzt wieder Fahrt aufnimmt. 

    Das Problem ist, dass China sich seither dramatisch verändert hat. 

    Das stimmt, aber lassen wir das Politische mal beiseite. Die Corona-Pandemie und die gestörten Lieferketten waren ja keine politischen Entscheidungen. Aber sie haben uns gezeigt, dass wir eine Strategie der Risikostreuung brauchen. Nur: Das sollte sich nicht gegen ein einzelnes Land richten, nicht gegen China, nicht gegen Kanada, nicht gegen die USA. Jeder Mittelständler überlegt, ob er zu sehr von einem Kunden abhängig ist. Aber das hat nichts mit China und seinem System zu tun. Das ist einfach eine Frage der ökonomischen Vernunft.

    Stichwort Chinas System. Sie sollen gesagt haben, China sei keine Diktatur. Was ist es denn?

    Zunächst muss ich sagen: Ich finde es einfach unglaublich, dass aus einem Gespräch, das ich mit einer Journalistin hatte, einzelne Sätze ohne Absprache und aus dem Zusammenhang gerissen veröffentlicht werden. Und zu ihrer Frage: Natürlich ist China keine Demokratie. Es ist ein autoritäres System und die totalitären Züge nehmen deutlich zu.

    Also keine Diktatur? 

    Was heißt Diktatur? Nach unserer Definition ist es eine Diktatur. Aber man muss sehen, dass es in China auch eine Vielzahl an Rückkopplungen gibt. China ist ein Riesenreich mit vielen auch regionalen Akteuren, bei denen es durchaus unterschiedliche Ansätze und Vorstellungen gibt. Nur das habe ich versucht auszudrücken.

    Andere Medien beschreiben Sie als “Pekings Mann im Bundestag”, vor dem Hintergrund, dass Peking versucht, auf einflussreiche Politiker im Ausland Einfluss zu nehmen und so die Wahrnehmung zu ihren Gunsten zu verändern. 

    Ich halte das für Verleumdung. Ich kann doch nicht jeden chinesischen Menschen, der freundlich zu mir ist, unterstellen, dass er mich manipulieren will. Ich sage ganz offen, dass ich immer ein sehr positives Verhältnis zur chinesischen Kultur, zu den Menschen und dem Land gehabt habe, seit ich vor 20 Jahren zum ersten Mal in China war. Als Wirtschaftspolitiker bin ich zudem von Chinas Weg in die Marktwirtschaft fasziniert. Und ich sehe jetzt mit einiger Skepsis, dass Xi Jinping versucht, die marktwirtschaftlichen Prinzipien zurückzudrängen. Das ist nicht zum Wohl der chinesischen Wirtschaft – und schlecht für uns.

    Hans-Peter Friedrich (66), war von 2011 bis 2013 Bundesinnenminister und von 2017 bis 2021 Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Seit 1998 sitzt der CSU-Politiker im Bundestag und ist zuständig für Klimaschutz und Energie. 2019 gründete er mit Vertretern aus der Wirtschaft die China-Brücke und war deren Gründungsvorsitzender. Er ist zudem Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe.

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