Ende November 2022 nahm der Student Huang Yicheng in Shanghai an den Weißblatt-Protesten teil. Ein tragischer Brand in einem aufgrund des Lockdowns verriegelten Hochhaus in Urumqi, bei dem zehn Menschen qualvoll verbrannten, war der Auslöser für eine Welle der Solidarität. Nur wenige Tage später gingen Menschen in mehreren Städten auf die Straße, auch in Shanghai. Sie hielten weiße A4-Blätter über ihren Kopf – als Symbol für die chinesische Zensur.
Huang wurde bei den Protesten festgenommen, ihm gelang jedoch die Flucht, inzwischen lebt er in Deutschland. Entgegen der allgemeinen Auffassung wurden die Proteste nicht hauptsächlich von jungen Menschen getragen, sagt Huang im Interview mit Fabian Peltsch. Landesweit waren die Mehrheit der Demonstrierenden vielmehr Landarbeiter, die sich gegen die strikten Lockdowns auflehnten. Die Frage, ob er erneute landesweite Bewegungen wie diese in näherer Zukunft für wahrscheinlich hält, zum Beispiel wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise, verneint Huang jedoch. Die Weißblatt-Bewegung war aufgrund ihrer politischen Ideen einzigartig, sagt er.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und einen guten Start in die Woche!
Am zweiten Tag der “Weißblatt”-Proteste in Shanghai im Jahr 2022 wurden Sie festgenommen. Wie haben Sie die Ereignisse dieser Nacht erlebt?
In Shanghai dauerten die Proteste zwei Tage. Der erste fand an einem Samstag statt, doch ich war nicht dabei. In der Nacht zuvor war ich bis in die frühen Morgenstunden wach geblieben. Erst später erfuhr ich durch einen Tweet von “Lehrer Li” von den Demonstrationen in der Urumqi-Straße und sah dazugehörige Videos. Das bewegte mich dazu, am nächsten Tag meine Unterstützung zu zeigen.
Was haben Sie vor Ort beobachtet?
Am 27. November, dem zweiten Protesttag, dominierten Frauen die erste Reihe. Sie hielten weiße Blätter hoch – ein stilles, aber kraftvolles Symbol des Protests. Die Menge war groß, und internationale Medien, darunter britische und japanische Reporter, berichteten vor Ort. Die Polizei konzentrierte sich zunächst auf die Festnahme derjenigen, die die weißen Blätter hielten, da diese als Kritik an der Regierung interpretiert wurden. Ich selbst stand nicht in der ersten Reihe und hielt kein Papier in der Hand, obwohl ich zwei Blätter in meiner Tasche hatte, die ich nicht herausholte.
Wie kam es zu Ihrer Festnahme?
Als sich die Menge zurückzog, skandierten viele: “Lasst die Festgenommenen frei!” Ich stimmte lautstark ein – offenbar zu laut. Ein Polizist zeigte auf mich und sprach in sein Headset. Kurz darauf stürzten sich mehrere Beamte auf mich, warfen mich zu Boden, schlugen auf mich ein und zogen mich in ihren Bus.
In einem Interview erzählten Sie, dass ein Ausländer Ihnen zur Flucht verhalf. Wie kam es dazu?
Ich hatte Glück: Ich wurde nicht gefesselt und saß im Bus in der zweiten Reihe, direkt am Ausgang. Von dort aus sah ich, wie die Polizei Demonstrierende – vor allem Frauen – brutal schlug. Als Beamte bemerkten, dass von draußen gefilmt wurde, zogen sie hastig die Vorhänge zu.
Inmitten des Chaos konnte ich fliehen. Ich rannte über die Straße und bat einen westlich aussehenden Mann um Hilfe. Er führte mich entlang der Urumqi-Straße zur U-Bahn-Station. Dort, in Sicherheit, umarmte er mich, und wir tauschten WeChat-Kontakte aus. Weil die U-Bahnen nicht fuhren, nahm ich ein Taxi nach Hause. Später erfuhr ich, dass er seit Jahren in Shanghai lebt. Er interessierte sich für die Proteste, nahm jedoch nicht aktiv teil. Nach einem Interview, das ich im April 2023 mit Reuters führte, brach er den Kontakt ab – vermutlich, weil auch er von den Behörden verhört wurde.
Wie ging es für Sie weiter?
Ich nahm Kontakt zu einem Journalisten von Radio Free Asia und einem Dissidenten-Schriftsteller auf, der mir Schutzmaßnahmen erklärte. Nach der Aufhebung des strikten Lockdowns floh ich in eine abgelegene Region in der Provinz Yunnan. Dort lebte ich drei Monate lang isoliert von Freunden und Familie, bis sich eine Lösung abzeichnete. Schließlich erhielt ich ein Schengen-Studentenvisum und verließ China.
Wie haben Sie die Zeit im Versteck erlebt?
Interessanterweise empfand ich diese Zeit als glücklich. Ich war umgeben von malerischen Dörfern und atemberaubenden Berglandschaften. Es fühlte sich an, als wäre es meine letzte Gelegenheit, China zu erleben, bevor ich ins Exil gehen würde. Rückblickend war es eine kostbare Phase, die meine Bindung zu meiner Heimat vertiefte.
Waren Sie vor den Protesten politisch aktiv?
Während meines Studiums 2018 trat ich der Studentenvereinigung für Marxismus in Peking bei. Gruppen wie diese unterstützten Arbeiterbewegungen und boten Arbeitern rechtlichen Beistand an, zum Beispiel in Shenzhen’s Fabriken. Doch die Regierung schlug diese Initiativen nieder, was zur Festnahme von 50 bis 60 Studierenden führte. Die KPCh nennt sich zwar marxistisch, doch das ist bloß Fassade.
Könnten solche Proteste wieder passieren? Gibt es genug junge Menschen, die bereit wären, ein solches Risiko einzugehen?
Ich stimme der westlichen Darstellung nicht zu, dass die Proteste hauptsächlich von jungen Menschen getragen worden seien. Zwar nahmen junge Menschen mit Idealen wie freie Meinungsäußerung und Demokratie teil, aber landesweit waren die Mehrheit der Demonstrierenden Landarbeiter, die sich gegen die strikten Lockdowns auflehnten. China erlebt jedes Jahr Tausende Proteste, aber nur wenige bekommen Aufmerksamkeit wie die “Weißblatt”-Bewegung. Diese war einzigartig, weil sie politische Botschaften wie Redefreiheit thematisierte und wegen Slogans wie “Nieder mit Xi Jinping und der KPCh!”. Ich glaube nicht, dass es so bald zu ähnlichen Protesten kommt, da die COVID-Lockdowns eine Ausnahme darstellten, als seltene politische Maßnahme, die alle gleichermaßen betraf. Künftige Unzufriedenheiten, etwa über eine schwächelnde Wirtschaft, werden Menschen unterschiedlich betreffen, landesweit einheitliche Proteste sind somit unwahrscheinlich.
Sie leben nun im Exil in Deutschland. Wie empfinden Sie Ihr neues Leben?
Ich bin in Sicherheit, aber erlebe Online-Diffamierungen und Drohungen. Das Ministerium für Staatssicherheit hat meine Familie und sogar frühere Kollegen verhört, was eine Rückkehr unmöglich macht. Das Exil bringt oft Angst und Depressionen mit sich, eine Erfahrung, die viele Geflüchtete teilen. Überraschenderweise findet die “Weißblatt”-Bewegung zwei Jahre später noch immer breite Beachtung, entgegen meiner Erwartung, dass sie in Vergessenheit gerät, so wie viele andere Bewegungen. Das anhaltende Medieninteresse zeigt die anhaltende internationale Resonanz der Bewegung.
Die chinesische Regierung hat nach eigenen Angaben Bürgern geholfen, Syrien zu verlassen. Das teilte ein Sprecher des Außenministeriums am Sonntag nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad mit. Syrien solle die Sicherheit chinesischer Institutionen und Mitarbeiter gewährleisten. Die chinesische Botschaft in Syrien werde weiterarbeiten, sagte der Außenministeriumssprecher. China hoffe, dass bald wieder Stabilität in Syrien einkehre.
Zum Sturz von Assad äußerte sich Peking zunächst nicht weiter. Noch im September 2023 hatte Assad Chinas Staatschef Xi Jinping getroffen. Der Staatsbesuch wurde scharf kritisiert, da Xi dadurch seine Unterstützung für Assad öffentlich präsentierte. Xi sprach laut Angaben der Nachrichtenagentur Xinhua von einer “stärker gewordenen” Freundschaft zwischen den zwei Ländern. China sei zudem weiterhin bereit, Syrien dabei zu unterstützen, “Einmischung von außen” abzuwehren. Nicht zuletzt hatten die zwei Staatsoberhäupter eine gemeinsame “strategische Partnerschaft” beschlossen, ohne dass dazu konkrete Inhalte bekannt wurden.
Der künftige US-Präsident Donald Trump forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin nach dem Assad-Sturz auf, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Trump sieht dabei auch Peking in der Pflicht: “Ich kenne Wladimir gut. Jetzt ist seine Zeit zum Handeln gekommen. China kann helfen. Die Welt wartet!” schrieb Trump am Sonntag auf seiner Plattform TruthSocial. ari
Das taiwanesische Verteidigungsministerium hat am Sonntag von einer Verdopplung chinesischer Kriegsschiffe in der Nähe der Insel berichtet. Es sprach von insgesamt 16 Schiffen. Sicherheitskreisen zufolge wird eine neue Runde von Militärmanövern erwartet.
China hatte zuletzt verärgert auf den Besuch des taiwanesischen Präsidenten, Lai Ching-te, in Hawaii und dem US-Territorium Guam reagiert. Lai war am Freitagabend von seiner einwöchigen Pazifikreise zurückgekehrt.
Das chinesische Ministerium für Staatssicherheit erklärte am Sonntag in einem Kommentar auf seinem WeChat-Konto, dass “Lais Bemühungen, mit Waffen die Unabhängigkeit anzustreben” und sich bei den Vereinigten Staaten einzuschmeicheln, zum Scheitern verurteilt seien. Die taiwanesische Regierung betreibe eine “falsche Machtdemonstration”, während die US-Regierung bei der Unterstützung Taiwans “mit Gangstern und Schakalen unter einer Decke steckt”, hieß es in dem Post.
Erst Mitte Oktober hatte China ein groß angelegtes Militärmanöver rund um Taiwan abgehalten, das Übungen zur Blockade der Insel und zur schnellen Überwältigung der taiwanischen Streitkräfte umfasste. rtr/jul
Sie sind nun schon mehr als 100 Tage alt, am Nikolaustag wurden sie endlich der Öffentlichkeit präsentiert: Die beiden Panda-Babys, die am 22. August im Berliner Zoo geboren wurden. Und auch die Namen der flauschigen Bären-Mädchen sind nun offiziell: Meng Hao 梦好 und Meng Tian 梦甜 – oder berlinerisch Leni und Lotti.
Bei dem Wohlfühl-Termin im Zoo lobten die beiden Taufpaten, Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner und Chinas Botschafter Deng Hongbo, die Pandas als besondere Verbindung zwischen Berlin und der Welt und als ein lebendiges Zeichen der engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Damit machen Leni und Lotti ihren Job als Panda-Diplomatinnen bereits jetzt sehr gut. Im Rahmen der Panda-Diplomatie verleiht China die Tiere vor allem an Länder, mit denen man gute Geschäfte und Beziehungen pflegen will.
Im vergangenen Dezember waren die Pandazwillinge Pit und Paule nach China ausgeflogen worden. Auch sie wurden im Berliner Zoo geboren. Die Eltern der Tiere, Meng Meng und Jiao Qing, waren im Jahr 2017 als Dauerleihgabe von 15 Jahren vom Berliner Zoo in Empfang genommen worden. 2019 brachten sie die beiden Jungtiere zur Welt. Die Rückgabe war vertraglich vorgesehen. jul
Unsichere Wirtschaftsaussichten und die gedämpfte Nachfrage belasten chinesische Privatunternehmen, berichtet die South China Morning Post und zitiert dabei eine Umfrage des unabhängigen Pekinger Forschungsinstituts Dacheng, das die Ergebnisse der Umfrage am Donnerstag auf seinem WeChat-Konto veröffentlicht hatte.
Demnach wurden Ende November 806 Privatunternehmen befragt, die meisten von ihnen kleine und mittlere Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor. 52,6 Prozent gaben an, dass sich der Privatsektor in einer schwierigen Lage befinde. Mehr als 63,3 Prozent erklärten, sie hätten Verluste oder Gewinneinbußen erlitten.
Nur 16 Prozent der befragten Unternehmen planten laut der Umfrage, ihre Investitionen in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen. Es wurden jedoch keine Vergleichszahlen vorgelegt, aus denen sich schließen lässt, wie sich dieser Wert verändert hat. “Die Privatunternehmen haben nach wie vor mit hohen Betriebskosten, wiederkehrenden Zahlungsrückständen und intensivem Wettbewerb in bestimmten Branchen und Sektoren zu kämpfen, um nur einige der zahlreichen Herausforderungen zu nennen”, schreiben die Autoren der Umfrage.
40,7 Prozent der Befragten forderten einen stärkeren gesetzlichen Schutz von Eigentumsrechten und der persönlichen Sicherheit von Unternehmern. Die Hälfte der Befragten forderte eine bessere Umsetzung von Steuersenkungen und Finanzierungshilfen. Ende 2021 gab es rund 45 Millionen Privatunternehmen in China. Sie sind laut Regierungsangaben für über 80 Prozent der städtischen Arbeitsplätze und mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich. jul
Donald Trump plant, David Perdue zum neuen US-Botschafter in China zu ernennen. Diese Entscheidung scheint auf den ersten Blick passend: Perdue, ein prominenter Republikaner, ist bekannt für seine Unterstützung von Trumps konfrontativer China-Politik. Doch hinter seinem Image als Hardliner verbirgt sich eine Karriere, die eng mit China und anderen asiatischen Ländern verknüpft ist.
David Perdue wurde 1949 in Georgia geboren. 2015 zog er als reicher Geschäftsmann und Quereinsteiger in den Senat ein, wo er seinen Heimatstaat bis 2021 vertrat. Trump wollte Perdue von Anfang an gefallen: Er unterstützte nahezu alle zentralen Anliegen der ersten Trump-Administration und wurde zu einem ihrer prominentesten Fürsprecher. Dass Perdue heute, wie Trump, eine harte Linie gegenüber China vertritt, ist vor dem Hintergrund seiner beruflichen Vergangenheit allerdings überraschend.
Perdue arbeitete in den 90er-Jahren als erfolgreicher Top-Manager in Hongkong und Singapur für Unternehmen wie Sara Lee und Reebok. Er baute Produktions- und Lieferketten in Asien auf und pflegte dabei auch enge Beziehungen zu chinesischen Herstellern und Regierungsvertretern. Als Präsident von Reebok trieb er später die Verlagerung der nahezu vollständigen Produktion nach Asien, einschließlich China, voran.
Zu Beginn seiner politischen Karriere verteidigte Perdue sein Vorgehen noch aktiv. Als er kritisiert wurde, Arbeitsplätzen ins Ausland verlegt zu haben, sagte er 2014, dass er “stolz” darauf gewesen sei, kostengünstigere Arbeitskräfte zu finden. “Dies ist ein Teil des amerikanischen Geschäfts, Teil eines jeden Geschäfts”, sagte er damals.
Diesen Teil seines Lebens wollte Perdue später unter Trump jedoch nicht mehr öffentlich thematisieren. Während seines Wahlkampfs zur Wiederwahl in den Senat entfernte er 2020 laut Medienberichten Hinweise auf seine frühere Arbeit in Asien aus Werbematerialien.
Stattdessen präsentiert sich Perdue seitdem als entschiedener Kritiker Pekings. Er unterstützte Trumps Handelskrieg, verteidigte Strafzölle und warnte vor dem Diebstahl geistigen Eigentums.
Selbst ehemalige Kollegen äußerten Verwunderung über diesen Kurswechsel. Paul Fireman, Gründer von Reebok, sagte 2020 in einem Interview mit der Washington Post, Perdue habe in seiner Zeit bei dem Unternehmen nie vorgeschlagen, Produktion zurück in die USA zu verlagern, da dies wirtschaftlich unmöglich gewesen sei.
Perdue soll Nicholas Burns ablösen, der aktuell US-Botschafter in China ist. Burns verfolgt einen eher diplomatischen Ansatz. Anders als Perdue ist er Karriere-Diplomat und betont regelmäßig auch die positiven Seiten Chinas. Auf Plattformen wie X teilt er Bilder, die Harmonie und Dialog signalisieren – etwa aus chinesischen Hochgeschwindigkeitszügen. Mit solchen Gesten vermittelt er ein Bild der US-Diplomatie, das auch Raum für Kooperation lässt. Perdue könnte einen deutlichen Bruch mit diesem Ansatz markieren. Er ist zu erwarten, dass er einen härteren Ton gegenüber Peking anschlagen wird. Jörn Petring
Li Nan wird Vizepräsident der technischen Abteilung bei Porsche China. In dieser Position wird Li die lokale Beschaffung und Qualitätssicherung beaufsichtigen sowie die F&E-Initiativen von Porsche in China nach dem Motto ‘In China, For China’ koordinieren. Li war zuvor in einer leitenden Position für Mercedes-Benz tätig.
Leo Yin ist neuer Präsident der Deutschen Bank in China. Yin begann seine Bankkarriere bei der China Construction Bank und hatte über 20 Jahre lang verschiedene leitende Positionen bei internationalen Banken inne. 2015 kam er zur Deutschen Bank. Seine bisherige Position als Leiter des globalen Firmenkundengeschäfts behält er zusätzlich weiter bei.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Und da heißt es immer, die deutsche Sprache sei so präzise. Müsste die Sonnenblume nicht eigentlich auch bei uns wie im Chinesischen “Richtung-Sonne-Blume” (向 xiàng “Richtung”, 日 rì “Sonne”, 葵 kuí “großblütige Pflanze”) heißen?
Ende November 2022 nahm der Student Huang Yicheng in Shanghai an den Weißblatt-Protesten teil. Ein tragischer Brand in einem aufgrund des Lockdowns verriegelten Hochhaus in Urumqi, bei dem zehn Menschen qualvoll verbrannten, war der Auslöser für eine Welle der Solidarität. Nur wenige Tage später gingen Menschen in mehreren Städten auf die Straße, auch in Shanghai. Sie hielten weiße A4-Blätter über ihren Kopf – als Symbol für die chinesische Zensur.
Huang wurde bei den Protesten festgenommen, ihm gelang jedoch die Flucht, inzwischen lebt er in Deutschland. Entgegen der allgemeinen Auffassung wurden die Proteste nicht hauptsächlich von jungen Menschen getragen, sagt Huang im Interview mit Fabian Peltsch. Landesweit waren die Mehrheit der Demonstrierenden vielmehr Landarbeiter, die sich gegen die strikten Lockdowns auflehnten. Die Frage, ob er erneute landesweite Bewegungen wie diese in näherer Zukunft für wahrscheinlich hält, zum Beispiel wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise, verneint Huang jedoch. Die Weißblatt-Bewegung war aufgrund ihrer politischen Ideen einzigartig, sagt er.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und einen guten Start in die Woche!
Am zweiten Tag der “Weißblatt”-Proteste in Shanghai im Jahr 2022 wurden Sie festgenommen. Wie haben Sie die Ereignisse dieser Nacht erlebt?
In Shanghai dauerten die Proteste zwei Tage. Der erste fand an einem Samstag statt, doch ich war nicht dabei. In der Nacht zuvor war ich bis in die frühen Morgenstunden wach geblieben. Erst später erfuhr ich durch einen Tweet von “Lehrer Li” von den Demonstrationen in der Urumqi-Straße und sah dazugehörige Videos. Das bewegte mich dazu, am nächsten Tag meine Unterstützung zu zeigen.
Was haben Sie vor Ort beobachtet?
Am 27. November, dem zweiten Protesttag, dominierten Frauen die erste Reihe. Sie hielten weiße Blätter hoch – ein stilles, aber kraftvolles Symbol des Protests. Die Menge war groß, und internationale Medien, darunter britische und japanische Reporter, berichteten vor Ort. Die Polizei konzentrierte sich zunächst auf die Festnahme derjenigen, die die weißen Blätter hielten, da diese als Kritik an der Regierung interpretiert wurden. Ich selbst stand nicht in der ersten Reihe und hielt kein Papier in der Hand, obwohl ich zwei Blätter in meiner Tasche hatte, die ich nicht herausholte.
Wie kam es zu Ihrer Festnahme?
Als sich die Menge zurückzog, skandierten viele: “Lasst die Festgenommenen frei!” Ich stimmte lautstark ein – offenbar zu laut. Ein Polizist zeigte auf mich und sprach in sein Headset. Kurz darauf stürzten sich mehrere Beamte auf mich, warfen mich zu Boden, schlugen auf mich ein und zogen mich in ihren Bus.
In einem Interview erzählten Sie, dass ein Ausländer Ihnen zur Flucht verhalf. Wie kam es dazu?
Ich hatte Glück: Ich wurde nicht gefesselt und saß im Bus in der zweiten Reihe, direkt am Ausgang. Von dort aus sah ich, wie die Polizei Demonstrierende – vor allem Frauen – brutal schlug. Als Beamte bemerkten, dass von draußen gefilmt wurde, zogen sie hastig die Vorhänge zu.
Inmitten des Chaos konnte ich fliehen. Ich rannte über die Straße und bat einen westlich aussehenden Mann um Hilfe. Er führte mich entlang der Urumqi-Straße zur U-Bahn-Station. Dort, in Sicherheit, umarmte er mich, und wir tauschten WeChat-Kontakte aus. Weil die U-Bahnen nicht fuhren, nahm ich ein Taxi nach Hause. Später erfuhr ich, dass er seit Jahren in Shanghai lebt. Er interessierte sich für die Proteste, nahm jedoch nicht aktiv teil. Nach einem Interview, das ich im April 2023 mit Reuters führte, brach er den Kontakt ab – vermutlich, weil auch er von den Behörden verhört wurde.
Wie ging es für Sie weiter?
Ich nahm Kontakt zu einem Journalisten von Radio Free Asia und einem Dissidenten-Schriftsteller auf, der mir Schutzmaßnahmen erklärte. Nach der Aufhebung des strikten Lockdowns floh ich in eine abgelegene Region in der Provinz Yunnan. Dort lebte ich drei Monate lang isoliert von Freunden und Familie, bis sich eine Lösung abzeichnete. Schließlich erhielt ich ein Schengen-Studentenvisum und verließ China.
Wie haben Sie die Zeit im Versteck erlebt?
Interessanterweise empfand ich diese Zeit als glücklich. Ich war umgeben von malerischen Dörfern und atemberaubenden Berglandschaften. Es fühlte sich an, als wäre es meine letzte Gelegenheit, China zu erleben, bevor ich ins Exil gehen würde. Rückblickend war es eine kostbare Phase, die meine Bindung zu meiner Heimat vertiefte.
Waren Sie vor den Protesten politisch aktiv?
Während meines Studiums 2018 trat ich der Studentenvereinigung für Marxismus in Peking bei. Gruppen wie diese unterstützten Arbeiterbewegungen und boten Arbeitern rechtlichen Beistand an, zum Beispiel in Shenzhen’s Fabriken. Doch die Regierung schlug diese Initiativen nieder, was zur Festnahme von 50 bis 60 Studierenden führte. Die KPCh nennt sich zwar marxistisch, doch das ist bloß Fassade.
Könnten solche Proteste wieder passieren? Gibt es genug junge Menschen, die bereit wären, ein solches Risiko einzugehen?
Ich stimme der westlichen Darstellung nicht zu, dass die Proteste hauptsächlich von jungen Menschen getragen worden seien. Zwar nahmen junge Menschen mit Idealen wie freie Meinungsäußerung und Demokratie teil, aber landesweit waren die Mehrheit der Demonstrierenden Landarbeiter, die sich gegen die strikten Lockdowns auflehnten. China erlebt jedes Jahr Tausende Proteste, aber nur wenige bekommen Aufmerksamkeit wie die “Weißblatt”-Bewegung. Diese war einzigartig, weil sie politische Botschaften wie Redefreiheit thematisierte und wegen Slogans wie “Nieder mit Xi Jinping und der KPCh!”. Ich glaube nicht, dass es so bald zu ähnlichen Protesten kommt, da die COVID-Lockdowns eine Ausnahme darstellten, als seltene politische Maßnahme, die alle gleichermaßen betraf. Künftige Unzufriedenheiten, etwa über eine schwächelnde Wirtschaft, werden Menschen unterschiedlich betreffen, landesweit einheitliche Proteste sind somit unwahrscheinlich.
Sie leben nun im Exil in Deutschland. Wie empfinden Sie Ihr neues Leben?
Ich bin in Sicherheit, aber erlebe Online-Diffamierungen und Drohungen. Das Ministerium für Staatssicherheit hat meine Familie und sogar frühere Kollegen verhört, was eine Rückkehr unmöglich macht. Das Exil bringt oft Angst und Depressionen mit sich, eine Erfahrung, die viele Geflüchtete teilen. Überraschenderweise findet die “Weißblatt”-Bewegung zwei Jahre später noch immer breite Beachtung, entgegen meiner Erwartung, dass sie in Vergessenheit gerät, so wie viele andere Bewegungen. Das anhaltende Medieninteresse zeigt die anhaltende internationale Resonanz der Bewegung.
Die chinesische Regierung hat nach eigenen Angaben Bürgern geholfen, Syrien zu verlassen. Das teilte ein Sprecher des Außenministeriums am Sonntag nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad mit. Syrien solle die Sicherheit chinesischer Institutionen und Mitarbeiter gewährleisten. Die chinesische Botschaft in Syrien werde weiterarbeiten, sagte der Außenministeriumssprecher. China hoffe, dass bald wieder Stabilität in Syrien einkehre.
Zum Sturz von Assad äußerte sich Peking zunächst nicht weiter. Noch im September 2023 hatte Assad Chinas Staatschef Xi Jinping getroffen. Der Staatsbesuch wurde scharf kritisiert, da Xi dadurch seine Unterstützung für Assad öffentlich präsentierte. Xi sprach laut Angaben der Nachrichtenagentur Xinhua von einer “stärker gewordenen” Freundschaft zwischen den zwei Ländern. China sei zudem weiterhin bereit, Syrien dabei zu unterstützen, “Einmischung von außen” abzuwehren. Nicht zuletzt hatten die zwei Staatsoberhäupter eine gemeinsame “strategische Partnerschaft” beschlossen, ohne dass dazu konkrete Inhalte bekannt wurden.
Der künftige US-Präsident Donald Trump forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin nach dem Assad-Sturz auf, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Trump sieht dabei auch Peking in der Pflicht: “Ich kenne Wladimir gut. Jetzt ist seine Zeit zum Handeln gekommen. China kann helfen. Die Welt wartet!” schrieb Trump am Sonntag auf seiner Plattform TruthSocial. ari
Das taiwanesische Verteidigungsministerium hat am Sonntag von einer Verdopplung chinesischer Kriegsschiffe in der Nähe der Insel berichtet. Es sprach von insgesamt 16 Schiffen. Sicherheitskreisen zufolge wird eine neue Runde von Militärmanövern erwartet.
China hatte zuletzt verärgert auf den Besuch des taiwanesischen Präsidenten, Lai Ching-te, in Hawaii und dem US-Territorium Guam reagiert. Lai war am Freitagabend von seiner einwöchigen Pazifikreise zurückgekehrt.
Das chinesische Ministerium für Staatssicherheit erklärte am Sonntag in einem Kommentar auf seinem WeChat-Konto, dass “Lais Bemühungen, mit Waffen die Unabhängigkeit anzustreben” und sich bei den Vereinigten Staaten einzuschmeicheln, zum Scheitern verurteilt seien. Die taiwanesische Regierung betreibe eine “falsche Machtdemonstration”, während die US-Regierung bei der Unterstützung Taiwans “mit Gangstern und Schakalen unter einer Decke steckt”, hieß es in dem Post.
Erst Mitte Oktober hatte China ein groß angelegtes Militärmanöver rund um Taiwan abgehalten, das Übungen zur Blockade der Insel und zur schnellen Überwältigung der taiwanischen Streitkräfte umfasste. rtr/jul
Sie sind nun schon mehr als 100 Tage alt, am Nikolaustag wurden sie endlich der Öffentlichkeit präsentiert: Die beiden Panda-Babys, die am 22. August im Berliner Zoo geboren wurden. Und auch die Namen der flauschigen Bären-Mädchen sind nun offiziell: Meng Hao 梦好 und Meng Tian 梦甜 – oder berlinerisch Leni und Lotti.
Bei dem Wohlfühl-Termin im Zoo lobten die beiden Taufpaten, Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner und Chinas Botschafter Deng Hongbo, die Pandas als besondere Verbindung zwischen Berlin und der Welt und als ein lebendiges Zeichen der engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Damit machen Leni und Lotti ihren Job als Panda-Diplomatinnen bereits jetzt sehr gut. Im Rahmen der Panda-Diplomatie verleiht China die Tiere vor allem an Länder, mit denen man gute Geschäfte und Beziehungen pflegen will.
Im vergangenen Dezember waren die Pandazwillinge Pit und Paule nach China ausgeflogen worden. Auch sie wurden im Berliner Zoo geboren. Die Eltern der Tiere, Meng Meng und Jiao Qing, waren im Jahr 2017 als Dauerleihgabe von 15 Jahren vom Berliner Zoo in Empfang genommen worden. 2019 brachten sie die beiden Jungtiere zur Welt. Die Rückgabe war vertraglich vorgesehen. jul
Unsichere Wirtschaftsaussichten und die gedämpfte Nachfrage belasten chinesische Privatunternehmen, berichtet die South China Morning Post und zitiert dabei eine Umfrage des unabhängigen Pekinger Forschungsinstituts Dacheng, das die Ergebnisse der Umfrage am Donnerstag auf seinem WeChat-Konto veröffentlicht hatte.
Demnach wurden Ende November 806 Privatunternehmen befragt, die meisten von ihnen kleine und mittlere Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor. 52,6 Prozent gaben an, dass sich der Privatsektor in einer schwierigen Lage befinde. Mehr als 63,3 Prozent erklärten, sie hätten Verluste oder Gewinneinbußen erlitten.
Nur 16 Prozent der befragten Unternehmen planten laut der Umfrage, ihre Investitionen in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen. Es wurden jedoch keine Vergleichszahlen vorgelegt, aus denen sich schließen lässt, wie sich dieser Wert verändert hat. “Die Privatunternehmen haben nach wie vor mit hohen Betriebskosten, wiederkehrenden Zahlungsrückständen und intensivem Wettbewerb in bestimmten Branchen und Sektoren zu kämpfen, um nur einige der zahlreichen Herausforderungen zu nennen”, schreiben die Autoren der Umfrage.
40,7 Prozent der Befragten forderten einen stärkeren gesetzlichen Schutz von Eigentumsrechten und der persönlichen Sicherheit von Unternehmern. Die Hälfte der Befragten forderte eine bessere Umsetzung von Steuersenkungen und Finanzierungshilfen. Ende 2021 gab es rund 45 Millionen Privatunternehmen in China. Sie sind laut Regierungsangaben für über 80 Prozent der städtischen Arbeitsplätze und mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich. jul
Donald Trump plant, David Perdue zum neuen US-Botschafter in China zu ernennen. Diese Entscheidung scheint auf den ersten Blick passend: Perdue, ein prominenter Republikaner, ist bekannt für seine Unterstützung von Trumps konfrontativer China-Politik. Doch hinter seinem Image als Hardliner verbirgt sich eine Karriere, die eng mit China und anderen asiatischen Ländern verknüpft ist.
David Perdue wurde 1949 in Georgia geboren. 2015 zog er als reicher Geschäftsmann und Quereinsteiger in den Senat ein, wo er seinen Heimatstaat bis 2021 vertrat. Trump wollte Perdue von Anfang an gefallen: Er unterstützte nahezu alle zentralen Anliegen der ersten Trump-Administration und wurde zu einem ihrer prominentesten Fürsprecher. Dass Perdue heute, wie Trump, eine harte Linie gegenüber China vertritt, ist vor dem Hintergrund seiner beruflichen Vergangenheit allerdings überraschend.
Perdue arbeitete in den 90er-Jahren als erfolgreicher Top-Manager in Hongkong und Singapur für Unternehmen wie Sara Lee und Reebok. Er baute Produktions- und Lieferketten in Asien auf und pflegte dabei auch enge Beziehungen zu chinesischen Herstellern und Regierungsvertretern. Als Präsident von Reebok trieb er später die Verlagerung der nahezu vollständigen Produktion nach Asien, einschließlich China, voran.
Zu Beginn seiner politischen Karriere verteidigte Perdue sein Vorgehen noch aktiv. Als er kritisiert wurde, Arbeitsplätzen ins Ausland verlegt zu haben, sagte er 2014, dass er “stolz” darauf gewesen sei, kostengünstigere Arbeitskräfte zu finden. “Dies ist ein Teil des amerikanischen Geschäfts, Teil eines jeden Geschäfts”, sagte er damals.
Diesen Teil seines Lebens wollte Perdue später unter Trump jedoch nicht mehr öffentlich thematisieren. Während seines Wahlkampfs zur Wiederwahl in den Senat entfernte er 2020 laut Medienberichten Hinweise auf seine frühere Arbeit in Asien aus Werbematerialien.
Stattdessen präsentiert sich Perdue seitdem als entschiedener Kritiker Pekings. Er unterstützte Trumps Handelskrieg, verteidigte Strafzölle und warnte vor dem Diebstahl geistigen Eigentums.
Selbst ehemalige Kollegen äußerten Verwunderung über diesen Kurswechsel. Paul Fireman, Gründer von Reebok, sagte 2020 in einem Interview mit der Washington Post, Perdue habe in seiner Zeit bei dem Unternehmen nie vorgeschlagen, Produktion zurück in die USA zu verlagern, da dies wirtschaftlich unmöglich gewesen sei.
Perdue soll Nicholas Burns ablösen, der aktuell US-Botschafter in China ist. Burns verfolgt einen eher diplomatischen Ansatz. Anders als Perdue ist er Karriere-Diplomat und betont regelmäßig auch die positiven Seiten Chinas. Auf Plattformen wie X teilt er Bilder, die Harmonie und Dialog signalisieren – etwa aus chinesischen Hochgeschwindigkeitszügen. Mit solchen Gesten vermittelt er ein Bild der US-Diplomatie, das auch Raum für Kooperation lässt. Perdue könnte einen deutlichen Bruch mit diesem Ansatz markieren. Er ist zu erwarten, dass er einen härteren Ton gegenüber Peking anschlagen wird. Jörn Petring
Li Nan wird Vizepräsident der technischen Abteilung bei Porsche China. In dieser Position wird Li die lokale Beschaffung und Qualitätssicherung beaufsichtigen sowie die F&E-Initiativen von Porsche in China nach dem Motto ‘In China, For China’ koordinieren. Li war zuvor in einer leitenden Position für Mercedes-Benz tätig.
Leo Yin ist neuer Präsident der Deutschen Bank in China. Yin begann seine Bankkarriere bei der China Construction Bank und hatte über 20 Jahre lang verschiedene leitende Positionen bei internationalen Banken inne. 2015 kam er zur Deutschen Bank. Seine bisherige Position als Leiter des globalen Firmenkundengeschäfts behält er zusätzlich weiter bei.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Und da heißt es immer, die deutsche Sprache sei so präzise. Müsste die Sonnenblume nicht eigentlich auch bei uns wie im Chinesischen “Richtung-Sonne-Blume” (向 xiàng “Richtung”, 日 rì “Sonne”, 葵 kuí “großblütige Pflanze”) heißen?