die Journalistin Selina Cheng ließ sich im Juli 2024 zur Vorsitzenden der Hongkonger Journalistengewerkschaft wählen – eine Entscheidung, die sie offenbar ihren Job beim Wall Street Journal gekostet hat. Mitarbeiter sollten an einem Ort wie Hongkong nicht als Verfechter der Pressefreiheit auftreten, erklärte das renommierte Medium ihr angeblich – und kündigte kurz daraufhin das Arbeitsverhältnis auf.
Der Fall sorgt weltweit für Kritik und wird als Zeichen für die immer schlechtere Situation der Meinungsfreiheit in Hongkong gewertet. Im Interview mit Marcel Grzanna spricht Cheng über ihre Entlassung und die düstere Zukunft für die Journalisten der Stadt, die im Schatten des Nationalen Sicherheitsgesetzes auf einem immer schmaleren Grat wandern müssen.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat derweil am Sonntag zwei Dokumente mit Ergebnissen des Dritten Plenums veröffentlicht. Der Fokus liegt klar auf einer Stärkung der Marktwirtschaft. Direkt daneben steht aber immer auch eine starke Betonung von Kontrolle und Sicherheit. Wieder einmal versucht sich die Partei an der Quadratur des Kreises, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.
Dennoch lohnt sich wie immer ein Blick auf die Details, und das, was zwischen den Zeilen mitschwingt. So appelliert Xi Jinping dieses Mal direkt an die Herzen der Chinesen, die von Arbeitslosigkeit, Restriktion und schlechten wirtschaftlichen Zukunftsaussichten zusehendes desillusioniert sind. Die Qualität des sozialistischen Systems sei nach wie vor unangefochten, erklärt Xi, und die Mühen der Bürger im Alltag sein Fundament.
China brauche Reformen, heißt es in einem der Dokumente weiter. Diese sind aber vor allem wissenschaftlicher und technischer Natur. Durch die geforderte industrielle Transformation entstehen dabei aber nicht unbedingt auch neue Chancen für westliche Unternehmen. Die technologische Eigenständigkeit ist nach wie vor die oberste Direktive der Partei unter Xi. Erst danach folgt die Öffnung gegenüber der Außenwelt.
Selina Cheng, das Wall Street Journal argumentiert in Bezug auf Ihre weltweit mit Empörung registrierte Kündigung, seine Angestellten sollten an Orten wie Hongkong nicht in exponierter Position öffentlich als Fürsprecher der Pressefreiheit in Erscheinung treten. Können Sie das nachvollziehen?
Nein, das kann ich nicht. Man sagte mir, dass sich eine solche Funktion nicht mit unserer Arbeit vereinbaren ließe. Vor allem, wenn wir uns selbst mit Themen der Pressefreiheit in Hongkong befassen. Aber ich sehe da keinen Widerspruch. Alle Medien – und damit auch das Journal – profitieren von Pressefreiheit. Es ist legitim, sich dafür einzusetzen.
Sie sind seit 2021 Vorstandsmitglied der Hongkonger Journalistengewerkschaft (HKJA). Das wusste ihr Ex-Arbeitgeber, als er sie vor zwei Jahren einstellte. Wie erklären Sie die Eskalation?
Konkret kann ich das nicht sagen. Natürlich steht das Journal unter dem Einfluss der Inhaftierung von Evan Gershkovich in Russland wegen angeblicher Spionage. Man hat einfach Angst davor, dass Mitarbeiter auch anderswo in der Welt in Schwierigkeiten geraten. Aber es zeigt vor allem auch, wie sich die Situation in Hongkong entwickelt hat. Medien versuchen seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes, Risiken zu minimieren. Mein Fall ist wohl ein Lehrstück dafür, wie es Hongkong gelingt, interne Entscheidungen redaktioneller oder personeller Art von ausländischen Unternehmen zu beeinflussen.
Tatsächlich wurden viel mehr Journalisten von ihren Arbeitgebern gewarnt. Was fürchten die Medien?
Wir wissen von mehreren Fällen, in denen Reporter in Hongkong und China davor gewarnt worden sind, Verantwortung in der Gewerkschaft oder auch im Klub der Auslandskorrespondenten in Peking oder Hongkong zu übernehmen. Vielleicht hat es damit zu tun, wie Angst ganz allgemein funktioniert. Sie ist oft irrational.
China droht Medien mit dem Entzug von Akkreditierungen und sorgt damit für Unruhe in den ausländischen Chefetagen.
In Hongkong gibt es solche Akkreditierungen nicht. Journalisten benötigen ein Arbeitsvisum. Ich habe gehört, dass es in der Vergangenheit etwas länger gedauert hat mit der Visavergabe. Aber sicherlich könnte das auch mit den Covid-Maßnahmen zu tun gehabt haben. Im vergangenen Jahr wurde einem japanischen Fotografen die Einreise verweigert, und auch ein Journalismus-Professor aus den USA wurde abgewiesen.
Hongkong ist seit dem Sicherheitsgesetz im globalen Ranking der Pressefreiheit drastisch abgestürzt. Wie haben Sie diese Zeit wahrgenommen?
Kurz nach Einführung des Gesetzes vor vier Jahren war die Atmosphäre in der Medienindustrie ängstlicher.
Heute hat sich die Situation stabilisiert. Journalisten haben sich den neuen Umständen angepasst. Es gibt einige neue Medien, die sich nach der Schließung von politisch kritischen Stimmen wie Apple Daily, Stand News und anderen gegründet haben. Viele davon halten sich allerdings fern von Politik oder sensiblen Themen. Sie versuchen, relevante Geschichten aus anderen gesellschaftlichen Bereichen zu erzählen.
Wird Druck auf Sie ausgeübt?
Seit ich Vorsitzende bin, verschärfen sich die Dinge für mich. Ich kann nicht im Detail darüber sprechen. Aber wenn Namen in den Staatsmedien genannt und angegriffen werden, dann gibt es teilweise absurde Unterstellungen gegen diese Personen. Das hinterlässt natürlich Wirkung, weil auch absurdeste Unterstellungen zu unmittelbaren Problemen im Privaten wie auch im Berufsleben führen. Das erzeugt dann eine gewisse Angst.
Haben Sie Warnungen erhalten, dass Sie mit Ihrer Arbeit in der Gewerkschaft gegen das Nationale Sicherheitsgesetz verstoßen könnten?
Ja, ständig. Aber nicht von den Behörden, sondern von Leuten, die ich nicht einmal kenne, die mich aber offenbar einschüchtern wollen. Das sagt einiges aus über das Klima, das in dieser Stadt herrscht.
Die Hongkonger Behörden denunzieren die Gewerkschaft als nicht repräsentativ und bezeichnen sie als eine internationale Organisation. Das rückt sie ein Stück näher an potenzielle Straftatbestände, die das Sicherheitsgesetz als Komplott mit ausländischen Kräften ahndet.
Natürlich sind wir international. Hongkong ist eine sehr internationale Stadt. Deswegen sollten die Behörden das als Auszeichnung verstehen. Abgesehen davon ist unser Vorstand wesentlich diverser geworden mit ausländischen und lokalen Reportern. Aber Fakt ist auch, dass wir an einem Punkt sind, an dem wir unsere Statuten ändern mussten, um überhaupt noch Leute zu finden, die einen solchen Verband führen können.
Werden Sie HKJA-Vorsitzende bleiben?
Ja, wir werden unsere Arbeit fortsetzen. Wir wollen eine Anlaufstelle sein für Kollegen und Kolleginnen, die in Schwierigkeiten stecken, wo sie Energie für ihren Kampf sammeln können. Und auf formeller Ebene hoffen wir auf weitere Erfolge wie im vergangenen Jahr. Ein Gericht hatte auf unsere Initiative die Verbotsforderung von “Glory for Hong Kong” abgelehnt – die Hymne der Protestbewegung. Ein Richter hat entschieden, dass sie erlaubt bleiben soll.
Welche Zukunft prophezeien Sie dem Journalismus in Hongkong?
Am wahrscheinlichsten ist es, dass sich die Hongkonger Medien zunehmend den chinesischen Staatsmedien angleichen. Es ist ja jetzt schon so, dass es informelle Direktiven seitens der Behörden gibt, wie über gewisse Sachverhalte berichtet werden sollte. Das könnte weiter zunehmen. Mainstream-Medien werden sehr zurückhaltend bleiben und nur sehr selten die Grenzen austesten. Diese Rolle wird eher von kleineren Medien übernommen, die immer mal wieder Geschichten veröffentlichen werden, denen sie ein öffentliches Interesse beimessen.
Viele Journalisten haben Hongkong verlassen. Ist das auch eine Option für Sie?
An dem Punkt bin ich nicht. Wenn ich mich physischer Bedrohung ausgesetzt sehe, mag sich das ändern. Um mir manchmal die Dinge in Perspektive zu setzen, habe ich einen Google Alert eingerichtet, der mir Nachrichten über ermordete oder entführte Journalisten aus aller Welt liefert. Wenn ich dann sehe, dass es viele Länder gibt, in den Journalisten für ihre Arbeit einfach umgebracht werden, dann bekomme ich wieder den Mut hier weiterzumachen.
Die Journalistin Selina Cheng 鄭嘉如 ist seit Juli 2024Vorsitzende der Pressegewerkschaft Hong Kong Journalists Association (HKJA). Am 17. Juli 2024 wurde sie von ihrem Arbeitgeber, dem Wall Street Journal entlassen – laut Cheng haben ihre Vorgesetzten sie zuvor unter Druck gesetzt, nicht für den Vorsitz der Gewerkschaft zu kandidieren. Chengs Entlassung sorgte weltweit für scharfe Kritik. Verfechter der Pressefreiheit werten sie als Zeichen der zunehmenden Beschneidung der Meinungsfreiheit in Hongkong.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat am Sonntag wie angekündigt zwei Dokumente mit Ergebnissen ihres dritten Plenums veröffentlicht. Es handelt sich um:
Der Fokus der Dokumente liegt ganz klar auf einer Stärkung der Marktwirtschaft und eine Betonung der Kräfte, die sich durch Freiheit und Eigeninitiative freisetzen lassen. Direkt daneben steht aber immer auch eine starke Betonung von Kontrolle und Sicherheit. Das Zentralkomitee versucht, es vielen gesellschaftlichen Gruppen recht zu machen. Erst die Ausgestaltung in der Praxis wird im Rückblick zeigen, wie das Dokument zu verstehen gewesen sein wird.
Generell lohnt es sich auf die Signale des chinesischen Systems zu achten und historisch ließe sich aus solchen Parteidokumenten viel über die vorherrschende politische Richtung in der Partei ablesen. Heute ergibt sich aber mehr denn je das Problem, dass die Signale auch innerhalb des Dokuments hochgradig widersprüchlich sind.
Da Xi Jinping die Macht im Staat als Alleinherrscher auf sich vereint hat, lohnt sich zunächst der Blick auf seine Bemerkungen. Xis Worte sind emotionaler als das Ergebnisdokument des Plenums. Er steigt mit einem Appell ein, die Herzen der Leute zu erreichen. Er spricht von der Qualität des sozialistischen Systems und den Mühen der Bürger im Alltag.
Diesen Ausgangspunkt verbindet er dann mit seiner Interpretation des Sino-Marxismus und leitet Reformvorstellungen davon her. Die Widersprüche in der Gesellschaft seien aufzulösen. Dafür müssten die Reformen alle Chinesen erreichen.
Xi erläutert dann den Prozess, in dem das Ergebnisdokument zustande gekommen ist. Demnach haben er und eine kleine Gruppe von Top-Kadern mit Arbeitsgruppen seit Dezember daran gearbeitet. Seit Mai werde innerparteilich über den ersten Entwurf diskutiert. Vielleicht will Xi damit auch die mehrmonatige Verspätung des Plenums im Vergleich zur sonst üblichen Terminierung erklären.
In der Abschlusserklärung steht der Absatz zu Reform und Öffnung gleich an erster Stelle. Reformen werden als die magische Waffe der Partei zur Erreichung ihrer Ziele genannt. Im ersten Absatz findet sich darin großes Lob für die Reformbeschlüsse des Dritten Plenums vor elf Jahren mit dem stolzen Hinweis, diese seien alle erreicht worden. Das ist eine schamlose Übertreibung: Die Umsetzung der Beschlüsse des 18. Zentralkomitees gilt vor allem in Wirtschaftskreisen als unvollständig.
Eine besondere Erwähnung findet gleich im ersten Abschnitt des Dokuments die technische Entwicklung. Angesichts einer komplexen globalen Dynamik, aber auch auf national Ebene sei eine neue Runde wissenschaftlicher und technischer Umwälzungen und der industriellen Transformation nötig. In der Ära Xi Jinping hat insbesondere das Programm technischer Aufwertung der Wirtschaft sehr gut funktioniert. Offensichtlich setzt man weiterhin auf das Bewährte.
Erneut werden die Ziele 2029 und 2035 betont, zu denen Meilensteine der Entwicklung zu einer sozialistischen Marktwirtschaft mit einem hohen Entwicklungsstand erreicht sein sollen.
Der Aufbau einer solchen sozialistischen Marktwirtschaft ist dann auch der erste Punkt in dem Abschnitt, in dem es darum geht, wie die neue Runde der Reform umzusetzen sei. Hier ist bemerkenswert, dass an erster Stelle das Versprechen steht, die Marktkräfte voll zur Geltung kommen zu lassen. Das ist ein Eingeständnis, dass die Kontrollwirtschaft und das investitionsgetriebene Entwicklungsmodell der vergangenen Jahrzehnte an ihre Grenzen gestoßen sind. Zugleich stellt das Dokument klar, dass die Partei nicht wirklich die Kontrolle abgeben will. Sie versucht sich hier in der Quadratur des Kreises.
Wer deswegen auf neue Chancen für westliche Unternehmen hofft, wird daher fast sicher enttäuscht werden. Im gleichen Satz wird auch die technologische Eigenständigkeit betont, erst danach die Öffnung gegenüber der Außenwelt. Das ist einer der zahlreichen Widersprüche, die in diesem Dokument direkt nebeneinander stehen. Man will sich öffnen, aber man will die Außenwelt nicht hereinlassen.
Gleich im zweiten Punkt der Auflistung geht es um die Volksdemokratie und im gleichen Satz auch wieder um die organische Einheit des ganzen Staates unter der Führung der Partei. Auf Platz 5 kommt die Umwelt. Erst auf Platz 6 kommt das Thema Sicherheit. Darunter sind sowohl die Überwachung im Innern als auch die militärische Stärke nach außen zu verstehen. Als letzten Reformpunkt nennt das Dokument die Regierungsfähigkeit der Partei.
Ein ganzer zweiter großer Abschnitt umschreibt, was mit der sozialistischen Marktwirtschaft gemeint ist. Die Partei müsse sowohl loslassen als auch ihre Kontrolle stärken, sagt das Dokument.
Ein prominenter Abschnitt widmet sich hier dem Verhältnis der Staatswirtschaft zur Privatwirtschaft. Die Staatsbetriebe sollen “konsolidiert und entwickelt”, die Privatunternehmen “unterstützt und angeleitet” werden. Beide Arten von Eigentümerstrukturen sollen aber gleichwertigen Zugang zu Produktionsfaktoren haben und in fairem Wettbewerb zueinander stehen.
Des Weiteren geht es um das Thema Eigentum. Das Zentralkomitee sichert zu, die Eigentumsrechte stärker zu schützen und dabei alle Arten der Eigentümerschaft gleichzubehandeln. Rechtsstaatliche Prinzipien sollen hier eine größere Rolle spielen und es soll mehr Transparenz einziehen. Hier geht es einerseits um die Anwendung des vorhandenen Kapitals, andererseits auch um die Neuordnung des Immobilienmarktes, die aufgrund der augenblicklichen Krise eines der drängendsten Probleme der KP ist.
Ein dritter langer Abschnitt liefert Details dazu, was mit qualitativ hochwertiger Wirtschaftsentwicklung gemeint ist. Hier werden prominent die neuen Produktivkräfte genannt. Also die Nutzung von Technologie, neuen Industriezweigen und neuer Produktionsweise. Das soll die Effizienz steigern. Insbesondere will der Staat in
investieren.
Im Gesamtbild präsentiert das Dokument zwar kein so ambitioniertes Reformprogramm wie das des Dritten Plenums 2013, aber die Nutzung von Marktkräften steht weiter eindeutig im Vordergrund. Wenn man dem Grundsatz folgt, KP-Dokumente auch zu lesen und zumindest in Grundzügen ernst zu nehmen, lässt sich daraus ableiten, dass kein grundsätzlicher Umbau des Wirtschaftssystems bevorsteht.
Die erste Schlussfolgerung aus dem Dokument wäre, dass ein “Weiter so” bevorsteht mit einer Wirtschaftsweise in der Xi Jinping versucht, die Kräfte von Innovation und Eigeninitiative in seinem Sinne zu nutzen. Letztlich dürfen diese sich aber nur in einem vorgegebenen machtpolitischen Rahmen entfalten und dienen den Zielen des Staates, sprich: denen Xi Jinpings. Freiheit und Öffnung sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um den Staat stark und mächtig zu machen und die Macht der KP zu erhalten.
Beim Einsturz einer Autobahnbrücke im Nordwesten Chinas sind mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen, 31 weitere Personen werden vermisst, schreiben staatliche Medien. Die nationale Rettungsbehörde entsandte nach eigenen Angaben 859 Einsatzkräfte, 90 Fahrzeuge, 20 Boote und 21 Drohnen an den Unglücksort im Landkreis Zhashui in der Provinz Shaanxi. Als Ursache für den Einsturz der Brücke werden sturzflutartige Regenfälle vermutet.
Bereits im Mai starben nach dem Einsturz einer Autobahnstrecke in der südchinesischen Provinz Guangdong 48 Menschen. Staatschef Xi Jinping forderte die Regionalbehörden auf, Überschwemmungsrisiken besser im Blick zu behalten und Frühwarnsysteme zu verbessern. Mehrere Fahrzeuge waren infolge des Brückenkollapses am Freitagabend in einen Fluss gestürzt. Die Bergungsarbeiten hielten das ganze Wochenende an. fpe
Die EU plant Sonderzölle auf die Einfuhr von Biodiesel aus China. Die zusätzlichen Zölle sollen zwischen 12,8 Prozent und 36,4 Prozent des Warenwertes betragen, wie aus einem am Freitag veröffentlichten EU-Dokument hervorgeht. Gelten sollen die Zölle vorläufig ab Mitte August, die EU-Untersuchung wegen der Dumping-Preise ist bis Februar geplant. Dann könnten die Zölle endgültig für fünf Jahre festgelegt werden.
Europäische Hersteller hatten geklagt, dass Biodiesel in großem Umfang zu Dumping-Preisen in die EU eingeführt werde. 90 Prozent aller chinesischen Biodiesel-Ausfuhren gingen in die EU. Mehrere Firmen in Europa hatten daraufhin ihre Produktion gedrosselt oder eingestellt.
Und auch auf die Einfuhr von kalorienarmen Süßungsmitteln aus China hat die EU Antidumpingzölle eingeführt. Auf Waren des größten chinesischen Erythrit-Herstellers Sanyuan wird ab sofort ein Zusatzzollsatz in Höhe von 156,7 Prozent fällig. Für Exporte anderer Hersteller aus China gelten Sätze in Höhe von 31,9 bis zu 235,6 Prozent. Die Antidumpingzölle gelten erst einmal für die Dauer von sechs Monaten.
Beide Vorhaben reihen sich in das schärfere Vorgehen der EU gegen chinesischen Importe ein. Für erhebliche Debatten hatten die Zölle für E-Autos aus China gesorgt, die vorläufig seit Anfang Juli gelten. Im November könnten sie mit Billigung der Mitgliedsstaaten endgültig festgesetzt werden, wenn es bis dahin keine Einigung mit der chinesischen Seite gibt. rtr/flee
Im zuletzt verschärften Territorialstreit zwischen China und den Philippinen deutet sich eine leichte Entspannung an. Die philippinische Regierung teilte am Sonntag mit, sie habe sich mit China auf eine vorläufige Vereinbarung über die Versorgung ihres auf Grund gesetzten Marineschiffs auf dem atollförmigen Riff Second Thomas Shoal im Südchinesischen Meer geeinigt. Dies sei das Ergebnis “offener und konstruktiver Diskussionen” beider Seiten im Rahmen des bilateralen Konsultationsmechanismus vom Anfang des Monats.
“Beide Seiten erkennen weiter die Notwendigkeit an, die Situation im Südchinesischen Meer zu deeskalieren und Differenzen durch Dialog und Konsultation zu bewältigen”, erklärte das Außenministerium in Manila. Zudem sei man sich einig, dass das Abkommen die Positionen der jeweils anderen Seite im Südchinesischen Meer nicht beeinträchtigen werde. Konkrete Maßnahmen wurden nicht genannt. Von China lag zunächst keine Stellungnahme vor.
Das Riff Second Thomas Shoal gehört zu den Spratly-Inseln. Dabei handelt es sich um über 100 Riffe, Atolle und kleine Inseln westlich der Philippinen. Neben China und den Philippinen erheben auch andere Staaten der Region Hoheitsansprüche. Die Spratly-Inseln liegen an einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtsrouten. Zudem werden in dem fischreichen Gebiet Öl- und Gasvorkommen vermutet.
Auf dem Riff Second Thomas Shoal unterhält die philippinische Armee seit 1999 einen Außenposten in einem auf Grund gesetzten Kriegsschiff, um die Ansprüche auf die umstrittenen Gewässer um die Untiefe zu untermauern. Die Besatzung wird durch philippinische Schiffe versorgt, was die chinesische Küstenwache zu verhindern versucht. Dabei kommt es immer wieder zu Zwischenfällen.
Im vergangenen Monat warfen die Philippinen der chinesischen Küstenwache vor, absichtlich ein Versorgungsschiff gerammt zu haben, wobei ein Matrose verletzt worden sei. China sprach davon, dass das philippinische Schiff absichtlich ein Schiff der chinesischen Küstenwache gerammt habe. Der Ständige Schiedshof (PCA) hatte 2016 die Ansprüche Chinas unter anderem auf das Riff Second Thomas Shoal zurückgewiesen. rtr
Die Hong Kong Monetary Authority (HKMA, quasi die dortige Zentralbank) sowie das Financial Services and Treasury Bureau (FSTB) wollen in Hongkong so schnell wie möglich einen gemeinsamen Regulierungsrahmen für Stablecoin-Emittenten einführen. Vermögensverwalter und Fintech-Unternehmen beobachten diese Entwicklung sehr aufmerksam. Und auch andere Regierungen sollten dies tun.
Stablecoins sind eine Art von Kryptowährungen, deren Wert relativ zu einer Zielwährung festgelegt wird. “Kollateralisierte” Stablecoins werden durch einen Pool von Reservewerten gestützt, der sich aus Fiat-Währungen, anderen Kryptowährungen oder Rohstoffen zusammensetzen kann. Aber nicht alle Stablecoins sind derart wertgesichert: ungestützte Stablecoins verwenden andere Methoden – wie Algorithmen, die ihr Angebot begrenzen und so einen Marktwert schaffen.
Es gibt momentan keinen allgemein anerkannten Standard für Stablecoins, ganz zu schweigen von einem regulatorischen Rahmen. Aber der Markt ist riesig – und wächst weiterhin schnell: Seit Anfang 2020 ist der geschätzte Gesamtmarktwert der Stablecoins von 2,9 Milliarden Dollar auf etwa 130 Milliarden gestiegen. Dominiert wird der Markt von Coins, die an den US-Dollar gekoppelt sind, da dieser als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Buchungswährung weltweit immer noch dominiert – und die Märkte für Dollar-Vermögenswerte liquide und leicht zugänglich sind.
An erster Stelle der Stablecoins steht Tether mit etwa 70 Prozent Marktanteil, gefolgt vom USD Coin mit 20 Prozent. Tether hat mitgeteilt, Ende September 2023 über 86,4 Milliarden Dollar an Vermögenswerten verfügt zu haben – darunter etwa 56,6 Milliarden in US-Staatsanleihen, 5,1 Milliarden in gesicherten Krediten, 3,1 Milliarden in Edelmetallen, 1,7 Milliarden in Bitcoin und 2,3 Milliarden in anderen Geldanlagen – verglichen mit 83,2 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten. Im ersten Quartal 2023 meldete das Unternehmen einen Nettogewinn von 1,4 Milliarden Dollar.
Der Zweck von Stablecoins liegt darin, eine verlässlichere Alternative zu Kryptowährungen wie Bitcoin zu schaffen, die ungesichert und sehr volatil sind. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sind kollateralisierte Stablecoins “allgemein weniger volatil als traditionelle Kryptowährungen”. Allerdings “war keiner von ihnen in der Lage, zu jeder Zeit die Parität zu ihren Basiswerten einzuhalten”.
Darüber hinaus erklärt die BIZ, es gebe “momentan keine Garantie dafür, dass Stablecoin-Emittenten die Coins der Nutzer jederzeit auf Anfrage vollständig zurückzahlen können”. Letztlich erfüllt keiner der über 200 im Umlauf befindlichen Stablecoins das “Hauptkriterium, ein sicheres Wertaufbewahrungsmittel und vertrauenswürdiges Zahlungsmittel in der Realwirtschaft zu sein”.
Aber dies könnte sich ändern. Damit der Stablecoin-Markt erfolgreich ist, müssen vier Bedingungen erfüllt werden: Erstens müssen alle Coins mit einem allgemein akzeptierten gesetzlichen Zahlungsmittel oder einer Fiat-Währung verknüpft sein. Zweitens muss für sie ein weltweit anerkannter Regulierungs- und Lizenzierungsrahmen geschaffen werden. Drittens müssen ihre Emittenten in der Lage sein, in Bereichen wie Verteilung, Marktunterstützung und Infrastruktur innovativ zu sein. Und schließlich sollten Stablecoins im dezentralisierten Finanzbereich weite Verbreitung finden.
Es gibt Gründe für die Annahme, dass Hongkong zu solchen Fortschritten beitragen könnte. Die eigene Währung des Hoheitsgebiets, der Hongkong-Dollar (HKD), ist an den US-Dollar gekoppelt, was den “Digitalen HKD” letztlich zu einem Stablecoin macht. (Im politischen Maßnahmendokument der HKMA vom September 2023 wurde der Digitale HKD genau so behandelt.) Darüber hinaus haben Hongkongs geldpolitische und regulatorische Behörden einen guten Ruf, und das dortige offene, marktorientierte und global verknüpfte institutionelle Umfeld ist für Pilotprojekte bestens geeignet.
Bei einem solchen Projekt könnte ein Stablecoin geschaffen werden, der an den Offshore-Renminbi gekoppelt ist, um ihn in der Greater Bay Area (GBA) zu verwenden – einer Wirtschaftszone aus neun Städten rings um das Perlfluss-Delta in der Guangdong-Provinz sowie Hongkong und Macau. Gemeinsam verfügt die GBA über ein BIP in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar. Ein solcher “GBA-Stablecoin” könnte die Emission, den Handel und den Zahlungsausgleich neuer digitaler Finanzprodukte in Hongkong fördern und in den Offshore-Renminbi, den Hongkong-Dollar und den US-Dollar konvertierbar sein. Finanzprodukte von außerhalb Festlandchinas könnten in GBA-Stablecoin ausgewiesen werden.
Im Rahmen dieses Programms und seiner digitalen Infrastruktur würden Finanzprodukte – wie von Lokalregierungen und Unternehmen in der GBA emittierte Offshore-Anleihen – in Hongkong gehandelt, aber die ihnen zugrunde liegenden physischen Vermögenswerte befänden sich größtenteils in Festlandchina. Diese Regelung erinnert an das H-Aktien-Programm, in dessen Rahmen Aktien wichtiger festlandchinesischer Unternehmen in Hongkong gehandelt werden. Das Ergebnis wäre letztlich ein operativer digitaler Offshore-Renminbi – eine Währung, die von dem zusätzlichen Marktvertrauen profitiert, das sich aus der Kontrolle durch die HKMA ergibt. Dies würde die Nachfrage nach Offshore-Renminbi erhöhen – und damit die Internationalisierung des Renminbi beschleunigen, ohne die Stabilität des Onshore-Renminbi aufs Spiel zu setzen.
Die HKMA hat bereits gemeinsam mit ihren Partnerinstituten in Festlandchina, Thailand und den Vereinigten Arabischen Emiraten ein sechswöchiges Pilotprojekt für eine digitale Zentralbankwährung (CBDC) durchgeführt. Dieses mBridge genannte Projekt war eins der ersten Multi-CBDC-Projekte, die für Unternehmen grenzüberschreitende Realwert-Transaktionen abgerechnet haben.
Nach dem Erfolg des Pilotprojekts arbeiten die Geldpolitiker nun daran, die mBridge-Plattform so weiterzuentwickeln, sodass sie grenzüberschreitende Handels- oder Großhandelszahlungen abwickeln kann. Dies legt nahe, dass der GBA-Stablecoin mit der richtigen digitalen Finanzinfrastruktur – die die Distributed-Blockchain-Technologie nutzt und “Smart Contracts” ermöglicht – die Offshore-Finanzierung für Chinas ehrgeiziges länderübergreifendes Neue-Seidenstraße-Projekt (BRI, Belt and Road Initiative) gewährleisten könnte. Außerdem würde er damit die internationale Handels- und Investitionstätigkeit insgesamt fördern.
Der Erfolg eines solchen Pilotprojekts hängt nicht nur von der Bereitschaft der Finanzinstitutionen ab, Stablecoins zu emittieren, sondern auch vom Bedarf der Banken, Unternehmen, Verbraucher und Investoren. Innerhalb des momentanen US-Dollar-basierten Finanzsystems könnten manche zögern, einen GBA-Stablecoin zu verwenden. Aber angesichts dessen, dass Amerika das globale Finanzwesen aggressiv nutzt, um seinen geopolitischen Einfluss zu sichern, suchen viele Marktteilnehmer – wie jene, die sich mit BRI-Projekten beschäftigen – nach verlässlichen Alternativen zum US-Dollar, zu denen auch dollargedeckte Stablecoins gehören könnten.
Letztlich wird es die Abwägung zwischen der zu erwartenden Rendite und den mit Stablecoins verbundenen Risiken sein, die bestimmt, welche Coins sich letztlich durchsetzen können. Vor uns liegt ein langer Weg von Versuch und Irrtum.
Andrew Sheng ist Distinguished Fellow am Asia Global Institute der Universität von Hongkong. Xiao Geng, Vorsitzender des Hongkong-Instituts für Internationales Finanzwesen, ist Professor und Direktor des Institute of Policy and Practice am Shenzhen Finance Institute der Chinesischen Universität von Hongkong in Shenzhen.
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Alexander Pollich wird Präsident und Geschäftsführer bei Porsche China, Hongkong und Macao. Der 57-Jährige ist seit 2018 Vorsitzender der Geschäftsführung bei Porsche Deutschland. Er hat zudem das Geschäft in Kanada und Großbritannien weiterentwickelt. Seinen neuen Posten tritt er zum 1. September an.
Marcus Oehmig ist seit Juli Project Lead Projektapplikation EA888 Evo5 bei VW China. Oehmig war zwischen 2014 und 2016 bereits für Audi zwei Jahre in China. Sein neuer Einsatzort ist Peking.
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“Steaming soon”: Mit diesem smarten Slogan warb die taiwanische Dumpling-Kette Din Tai Fung im Frühjahr für die Eröffnung ihrer ersten Filiale in New York City. Die taiwanische Restaurantkette ist berühmt für ihre gefüllten Dampfteigtaschen Xiaolongbao (kleine Drachentaschen). Diesen Monat war es endlich so weit – und die Tische sind bereits für den ganzen Juli ausgebucht. Dabei ist das Restaurant eines der größten der weltweit operierenden Kette. Der Standort bietet Platz für rund 450 Gäste, für die das Küchenteam täglich über 10.000 Teigtaschen herstellen soll. Zahlreiche Chinesen haben das Restaurant bereits besucht, wie auf Social Media zu lesen ist. In ihren Kritiken sorgte vor allem der Preis für Aufsehen. Zehn Xiao Long Bao kosten über 18 Dollar und damit um einiges mehr als in Taiwan, Hongkong oder China.
die Journalistin Selina Cheng ließ sich im Juli 2024 zur Vorsitzenden der Hongkonger Journalistengewerkschaft wählen – eine Entscheidung, die sie offenbar ihren Job beim Wall Street Journal gekostet hat. Mitarbeiter sollten an einem Ort wie Hongkong nicht als Verfechter der Pressefreiheit auftreten, erklärte das renommierte Medium ihr angeblich – und kündigte kurz daraufhin das Arbeitsverhältnis auf.
Der Fall sorgt weltweit für Kritik und wird als Zeichen für die immer schlechtere Situation der Meinungsfreiheit in Hongkong gewertet. Im Interview mit Marcel Grzanna spricht Cheng über ihre Entlassung und die düstere Zukunft für die Journalisten der Stadt, die im Schatten des Nationalen Sicherheitsgesetzes auf einem immer schmaleren Grat wandern müssen.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat derweil am Sonntag zwei Dokumente mit Ergebnissen des Dritten Plenums veröffentlicht. Der Fokus liegt klar auf einer Stärkung der Marktwirtschaft. Direkt daneben steht aber immer auch eine starke Betonung von Kontrolle und Sicherheit. Wieder einmal versucht sich die Partei an der Quadratur des Kreises, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.
Dennoch lohnt sich wie immer ein Blick auf die Details, und das, was zwischen den Zeilen mitschwingt. So appelliert Xi Jinping dieses Mal direkt an die Herzen der Chinesen, die von Arbeitslosigkeit, Restriktion und schlechten wirtschaftlichen Zukunftsaussichten zusehendes desillusioniert sind. Die Qualität des sozialistischen Systems sei nach wie vor unangefochten, erklärt Xi, und die Mühen der Bürger im Alltag sein Fundament.
China brauche Reformen, heißt es in einem der Dokumente weiter. Diese sind aber vor allem wissenschaftlicher und technischer Natur. Durch die geforderte industrielle Transformation entstehen dabei aber nicht unbedingt auch neue Chancen für westliche Unternehmen. Die technologische Eigenständigkeit ist nach wie vor die oberste Direktive der Partei unter Xi. Erst danach folgt die Öffnung gegenüber der Außenwelt.
Selina Cheng, das Wall Street Journal argumentiert in Bezug auf Ihre weltweit mit Empörung registrierte Kündigung, seine Angestellten sollten an Orten wie Hongkong nicht in exponierter Position öffentlich als Fürsprecher der Pressefreiheit in Erscheinung treten. Können Sie das nachvollziehen?
Nein, das kann ich nicht. Man sagte mir, dass sich eine solche Funktion nicht mit unserer Arbeit vereinbaren ließe. Vor allem, wenn wir uns selbst mit Themen der Pressefreiheit in Hongkong befassen. Aber ich sehe da keinen Widerspruch. Alle Medien – und damit auch das Journal – profitieren von Pressefreiheit. Es ist legitim, sich dafür einzusetzen.
Sie sind seit 2021 Vorstandsmitglied der Hongkonger Journalistengewerkschaft (HKJA). Das wusste ihr Ex-Arbeitgeber, als er sie vor zwei Jahren einstellte. Wie erklären Sie die Eskalation?
Konkret kann ich das nicht sagen. Natürlich steht das Journal unter dem Einfluss der Inhaftierung von Evan Gershkovich in Russland wegen angeblicher Spionage. Man hat einfach Angst davor, dass Mitarbeiter auch anderswo in der Welt in Schwierigkeiten geraten. Aber es zeigt vor allem auch, wie sich die Situation in Hongkong entwickelt hat. Medien versuchen seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes, Risiken zu minimieren. Mein Fall ist wohl ein Lehrstück dafür, wie es Hongkong gelingt, interne Entscheidungen redaktioneller oder personeller Art von ausländischen Unternehmen zu beeinflussen.
Tatsächlich wurden viel mehr Journalisten von ihren Arbeitgebern gewarnt. Was fürchten die Medien?
Wir wissen von mehreren Fällen, in denen Reporter in Hongkong und China davor gewarnt worden sind, Verantwortung in der Gewerkschaft oder auch im Klub der Auslandskorrespondenten in Peking oder Hongkong zu übernehmen. Vielleicht hat es damit zu tun, wie Angst ganz allgemein funktioniert. Sie ist oft irrational.
China droht Medien mit dem Entzug von Akkreditierungen und sorgt damit für Unruhe in den ausländischen Chefetagen.
In Hongkong gibt es solche Akkreditierungen nicht. Journalisten benötigen ein Arbeitsvisum. Ich habe gehört, dass es in der Vergangenheit etwas länger gedauert hat mit der Visavergabe. Aber sicherlich könnte das auch mit den Covid-Maßnahmen zu tun gehabt haben. Im vergangenen Jahr wurde einem japanischen Fotografen die Einreise verweigert, und auch ein Journalismus-Professor aus den USA wurde abgewiesen.
Hongkong ist seit dem Sicherheitsgesetz im globalen Ranking der Pressefreiheit drastisch abgestürzt. Wie haben Sie diese Zeit wahrgenommen?
Kurz nach Einführung des Gesetzes vor vier Jahren war die Atmosphäre in der Medienindustrie ängstlicher.
Heute hat sich die Situation stabilisiert. Journalisten haben sich den neuen Umständen angepasst. Es gibt einige neue Medien, die sich nach der Schließung von politisch kritischen Stimmen wie Apple Daily, Stand News und anderen gegründet haben. Viele davon halten sich allerdings fern von Politik oder sensiblen Themen. Sie versuchen, relevante Geschichten aus anderen gesellschaftlichen Bereichen zu erzählen.
Wird Druck auf Sie ausgeübt?
Seit ich Vorsitzende bin, verschärfen sich die Dinge für mich. Ich kann nicht im Detail darüber sprechen. Aber wenn Namen in den Staatsmedien genannt und angegriffen werden, dann gibt es teilweise absurde Unterstellungen gegen diese Personen. Das hinterlässt natürlich Wirkung, weil auch absurdeste Unterstellungen zu unmittelbaren Problemen im Privaten wie auch im Berufsleben führen. Das erzeugt dann eine gewisse Angst.
Haben Sie Warnungen erhalten, dass Sie mit Ihrer Arbeit in der Gewerkschaft gegen das Nationale Sicherheitsgesetz verstoßen könnten?
Ja, ständig. Aber nicht von den Behörden, sondern von Leuten, die ich nicht einmal kenne, die mich aber offenbar einschüchtern wollen. Das sagt einiges aus über das Klima, das in dieser Stadt herrscht.
Die Hongkonger Behörden denunzieren die Gewerkschaft als nicht repräsentativ und bezeichnen sie als eine internationale Organisation. Das rückt sie ein Stück näher an potenzielle Straftatbestände, die das Sicherheitsgesetz als Komplott mit ausländischen Kräften ahndet.
Natürlich sind wir international. Hongkong ist eine sehr internationale Stadt. Deswegen sollten die Behörden das als Auszeichnung verstehen. Abgesehen davon ist unser Vorstand wesentlich diverser geworden mit ausländischen und lokalen Reportern. Aber Fakt ist auch, dass wir an einem Punkt sind, an dem wir unsere Statuten ändern mussten, um überhaupt noch Leute zu finden, die einen solchen Verband führen können.
Werden Sie HKJA-Vorsitzende bleiben?
Ja, wir werden unsere Arbeit fortsetzen. Wir wollen eine Anlaufstelle sein für Kollegen und Kolleginnen, die in Schwierigkeiten stecken, wo sie Energie für ihren Kampf sammeln können. Und auf formeller Ebene hoffen wir auf weitere Erfolge wie im vergangenen Jahr. Ein Gericht hatte auf unsere Initiative die Verbotsforderung von “Glory for Hong Kong” abgelehnt – die Hymne der Protestbewegung. Ein Richter hat entschieden, dass sie erlaubt bleiben soll.
Welche Zukunft prophezeien Sie dem Journalismus in Hongkong?
Am wahrscheinlichsten ist es, dass sich die Hongkonger Medien zunehmend den chinesischen Staatsmedien angleichen. Es ist ja jetzt schon so, dass es informelle Direktiven seitens der Behörden gibt, wie über gewisse Sachverhalte berichtet werden sollte. Das könnte weiter zunehmen. Mainstream-Medien werden sehr zurückhaltend bleiben und nur sehr selten die Grenzen austesten. Diese Rolle wird eher von kleineren Medien übernommen, die immer mal wieder Geschichten veröffentlichen werden, denen sie ein öffentliches Interesse beimessen.
Viele Journalisten haben Hongkong verlassen. Ist das auch eine Option für Sie?
An dem Punkt bin ich nicht. Wenn ich mich physischer Bedrohung ausgesetzt sehe, mag sich das ändern. Um mir manchmal die Dinge in Perspektive zu setzen, habe ich einen Google Alert eingerichtet, der mir Nachrichten über ermordete oder entführte Journalisten aus aller Welt liefert. Wenn ich dann sehe, dass es viele Länder gibt, in den Journalisten für ihre Arbeit einfach umgebracht werden, dann bekomme ich wieder den Mut hier weiterzumachen.
Die Journalistin Selina Cheng 鄭嘉如 ist seit Juli 2024Vorsitzende der Pressegewerkschaft Hong Kong Journalists Association (HKJA). Am 17. Juli 2024 wurde sie von ihrem Arbeitgeber, dem Wall Street Journal entlassen – laut Cheng haben ihre Vorgesetzten sie zuvor unter Druck gesetzt, nicht für den Vorsitz der Gewerkschaft zu kandidieren. Chengs Entlassung sorgte weltweit für scharfe Kritik. Verfechter der Pressefreiheit werten sie als Zeichen der zunehmenden Beschneidung der Meinungsfreiheit in Hongkong.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat am Sonntag wie angekündigt zwei Dokumente mit Ergebnissen ihres dritten Plenums veröffentlicht. Es handelt sich um:
Der Fokus der Dokumente liegt ganz klar auf einer Stärkung der Marktwirtschaft und eine Betonung der Kräfte, die sich durch Freiheit und Eigeninitiative freisetzen lassen. Direkt daneben steht aber immer auch eine starke Betonung von Kontrolle und Sicherheit. Das Zentralkomitee versucht, es vielen gesellschaftlichen Gruppen recht zu machen. Erst die Ausgestaltung in der Praxis wird im Rückblick zeigen, wie das Dokument zu verstehen gewesen sein wird.
Generell lohnt es sich auf die Signale des chinesischen Systems zu achten und historisch ließe sich aus solchen Parteidokumenten viel über die vorherrschende politische Richtung in der Partei ablesen. Heute ergibt sich aber mehr denn je das Problem, dass die Signale auch innerhalb des Dokuments hochgradig widersprüchlich sind.
Da Xi Jinping die Macht im Staat als Alleinherrscher auf sich vereint hat, lohnt sich zunächst der Blick auf seine Bemerkungen. Xis Worte sind emotionaler als das Ergebnisdokument des Plenums. Er steigt mit einem Appell ein, die Herzen der Leute zu erreichen. Er spricht von der Qualität des sozialistischen Systems und den Mühen der Bürger im Alltag.
Diesen Ausgangspunkt verbindet er dann mit seiner Interpretation des Sino-Marxismus und leitet Reformvorstellungen davon her. Die Widersprüche in der Gesellschaft seien aufzulösen. Dafür müssten die Reformen alle Chinesen erreichen.
Xi erläutert dann den Prozess, in dem das Ergebnisdokument zustande gekommen ist. Demnach haben er und eine kleine Gruppe von Top-Kadern mit Arbeitsgruppen seit Dezember daran gearbeitet. Seit Mai werde innerparteilich über den ersten Entwurf diskutiert. Vielleicht will Xi damit auch die mehrmonatige Verspätung des Plenums im Vergleich zur sonst üblichen Terminierung erklären.
In der Abschlusserklärung steht der Absatz zu Reform und Öffnung gleich an erster Stelle. Reformen werden als die magische Waffe der Partei zur Erreichung ihrer Ziele genannt. Im ersten Absatz findet sich darin großes Lob für die Reformbeschlüsse des Dritten Plenums vor elf Jahren mit dem stolzen Hinweis, diese seien alle erreicht worden. Das ist eine schamlose Übertreibung: Die Umsetzung der Beschlüsse des 18. Zentralkomitees gilt vor allem in Wirtschaftskreisen als unvollständig.
Eine besondere Erwähnung findet gleich im ersten Abschnitt des Dokuments die technische Entwicklung. Angesichts einer komplexen globalen Dynamik, aber auch auf national Ebene sei eine neue Runde wissenschaftlicher und technischer Umwälzungen und der industriellen Transformation nötig. In der Ära Xi Jinping hat insbesondere das Programm technischer Aufwertung der Wirtschaft sehr gut funktioniert. Offensichtlich setzt man weiterhin auf das Bewährte.
Erneut werden die Ziele 2029 und 2035 betont, zu denen Meilensteine der Entwicklung zu einer sozialistischen Marktwirtschaft mit einem hohen Entwicklungsstand erreicht sein sollen.
Der Aufbau einer solchen sozialistischen Marktwirtschaft ist dann auch der erste Punkt in dem Abschnitt, in dem es darum geht, wie die neue Runde der Reform umzusetzen sei. Hier ist bemerkenswert, dass an erster Stelle das Versprechen steht, die Marktkräfte voll zur Geltung kommen zu lassen. Das ist ein Eingeständnis, dass die Kontrollwirtschaft und das investitionsgetriebene Entwicklungsmodell der vergangenen Jahrzehnte an ihre Grenzen gestoßen sind. Zugleich stellt das Dokument klar, dass die Partei nicht wirklich die Kontrolle abgeben will. Sie versucht sich hier in der Quadratur des Kreises.
Wer deswegen auf neue Chancen für westliche Unternehmen hofft, wird daher fast sicher enttäuscht werden. Im gleichen Satz wird auch die technologische Eigenständigkeit betont, erst danach die Öffnung gegenüber der Außenwelt. Das ist einer der zahlreichen Widersprüche, die in diesem Dokument direkt nebeneinander stehen. Man will sich öffnen, aber man will die Außenwelt nicht hereinlassen.
Gleich im zweiten Punkt der Auflistung geht es um die Volksdemokratie und im gleichen Satz auch wieder um die organische Einheit des ganzen Staates unter der Führung der Partei. Auf Platz 5 kommt die Umwelt. Erst auf Platz 6 kommt das Thema Sicherheit. Darunter sind sowohl die Überwachung im Innern als auch die militärische Stärke nach außen zu verstehen. Als letzten Reformpunkt nennt das Dokument die Regierungsfähigkeit der Partei.
Ein ganzer zweiter großer Abschnitt umschreibt, was mit der sozialistischen Marktwirtschaft gemeint ist. Die Partei müsse sowohl loslassen als auch ihre Kontrolle stärken, sagt das Dokument.
Ein prominenter Abschnitt widmet sich hier dem Verhältnis der Staatswirtschaft zur Privatwirtschaft. Die Staatsbetriebe sollen “konsolidiert und entwickelt”, die Privatunternehmen “unterstützt und angeleitet” werden. Beide Arten von Eigentümerstrukturen sollen aber gleichwertigen Zugang zu Produktionsfaktoren haben und in fairem Wettbewerb zueinander stehen.
Des Weiteren geht es um das Thema Eigentum. Das Zentralkomitee sichert zu, die Eigentumsrechte stärker zu schützen und dabei alle Arten der Eigentümerschaft gleichzubehandeln. Rechtsstaatliche Prinzipien sollen hier eine größere Rolle spielen und es soll mehr Transparenz einziehen. Hier geht es einerseits um die Anwendung des vorhandenen Kapitals, andererseits auch um die Neuordnung des Immobilienmarktes, die aufgrund der augenblicklichen Krise eines der drängendsten Probleme der KP ist.
Ein dritter langer Abschnitt liefert Details dazu, was mit qualitativ hochwertiger Wirtschaftsentwicklung gemeint ist. Hier werden prominent die neuen Produktivkräfte genannt. Also die Nutzung von Technologie, neuen Industriezweigen und neuer Produktionsweise. Das soll die Effizienz steigern. Insbesondere will der Staat in
investieren.
Im Gesamtbild präsentiert das Dokument zwar kein so ambitioniertes Reformprogramm wie das des Dritten Plenums 2013, aber die Nutzung von Marktkräften steht weiter eindeutig im Vordergrund. Wenn man dem Grundsatz folgt, KP-Dokumente auch zu lesen und zumindest in Grundzügen ernst zu nehmen, lässt sich daraus ableiten, dass kein grundsätzlicher Umbau des Wirtschaftssystems bevorsteht.
Die erste Schlussfolgerung aus dem Dokument wäre, dass ein “Weiter so” bevorsteht mit einer Wirtschaftsweise in der Xi Jinping versucht, die Kräfte von Innovation und Eigeninitiative in seinem Sinne zu nutzen. Letztlich dürfen diese sich aber nur in einem vorgegebenen machtpolitischen Rahmen entfalten und dienen den Zielen des Staates, sprich: denen Xi Jinpings. Freiheit und Öffnung sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um den Staat stark und mächtig zu machen und die Macht der KP zu erhalten.
Beim Einsturz einer Autobahnbrücke im Nordwesten Chinas sind mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen, 31 weitere Personen werden vermisst, schreiben staatliche Medien. Die nationale Rettungsbehörde entsandte nach eigenen Angaben 859 Einsatzkräfte, 90 Fahrzeuge, 20 Boote und 21 Drohnen an den Unglücksort im Landkreis Zhashui in der Provinz Shaanxi. Als Ursache für den Einsturz der Brücke werden sturzflutartige Regenfälle vermutet.
Bereits im Mai starben nach dem Einsturz einer Autobahnstrecke in der südchinesischen Provinz Guangdong 48 Menschen. Staatschef Xi Jinping forderte die Regionalbehörden auf, Überschwemmungsrisiken besser im Blick zu behalten und Frühwarnsysteme zu verbessern. Mehrere Fahrzeuge waren infolge des Brückenkollapses am Freitagabend in einen Fluss gestürzt. Die Bergungsarbeiten hielten das ganze Wochenende an. fpe
Die EU plant Sonderzölle auf die Einfuhr von Biodiesel aus China. Die zusätzlichen Zölle sollen zwischen 12,8 Prozent und 36,4 Prozent des Warenwertes betragen, wie aus einem am Freitag veröffentlichten EU-Dokument hervorgeht. Gelten sollen die Zölle vorläufig ab Mitte August, die EU-Untersuchung wegen der Dumping-Preise ist bis Februar geplant. Dann könnten die Zölle endgültig für fünf Jahre festgelegt werden.
Europäische Hersteller hatten geklagt, dass Biodiesel in großem Umfang zu Dumping-Preisen in die EU eingeführt werde. 90 Prozent aller chinesischen Biodiesel-Ausfuhren gingen in die EU. Mehrere Firmen in Europa hatten daraufhin ihre Produktion gedrosselt oder eingestellt.
Und auch auf die Einfuhr von kalorienarmen Süßungsmitteln aus China hat die EU Antidumpingzölle eingeführt. Auf Waren des größten chinesischen Erythrit-Herstellers Sanyuan wird ab sofort ein Zusatzzollsatz in Höhe von 156,7 Prozent fällig. Für Exporte anderer Hersteller aus China gelten Sätze in Höhe von 31,9 bis zu 235,6 Prozent. Die Antidumpingzölle gelten erst einmal für die Dauer von sechs Monaten.
Beide Vorhaben reihen sich in das schärfere Vorgehen der EU gegen chinesischen Importe ein. Für erhebliche Debatten hatten die Zölle für E-Autos aus China gesorgt, die vorläufig seit Anfang Juli gelten. Im November könnten sie mit Billigung der Mitgliedsstaaten endgültig festgesetzt werden, wenn es bis dahin keine Einigung mit der chinesischen Seite gibt. rtr/flee
Im zuletzt verschärften Territorialstreit zwischen China und den Philippinen deutet sich eine leichte Entspannung an. Die philippinische Regierung teilte am Sonntag mit, sie habe sich mit China auf eine vorläufige Vereinbarung über die Versorgung ihres auf Grund gesetzten Marineschiffs auf dem atollförmigen Riff Second Thomas Shoal im Südchinesischen Meer geeinigt. Dies sei das Ergebnis “offener und konstruktiver Diskussionen” beider Seiten im Rahmen des bilateralen Konsultationsmechanismus vom Anfang des Monats.
“Beide Seiten erkennen weiter die Notwendigkeit an, die Situation im Südchinesischen Meer zu deeskalieren und Differenzen durch Dialog und Konsultation zu bewältigen”, erklärte das Außenministerium in Manila. Zudem sei man sich einig, dass das Abkommen die Positionen der jeweils anderen Seite im Südchinesischen Meer nicht beeinträchtigen werde. Konkrete Maßnahmen wurden nicht genannt. Von China lag zunächst keine Stellungnahme vor.
Das Riff Second Thomas Shoal gehört zu den Spratly-Inseln. Dabei handelt es sich um über 100 Riffe, Atolle und kleine Inseln westlich der Philippinen. Neben China und den Philippinen erheben auch andere Staaten der Region Hoheitsansprüche. Die Spratly-Inseln liegen an einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtsrouten. Zudem werden in dem fischreichen Gebiet Öl- und Gasvorkommen vermutet.
Auf dem Riff Second Thomas Shoal unterhält die philippinische Armee seit 1999 einen Außenposten in einem auf Grund gesetzten Kriegsschiff, um die Ansprüche auf die umstrittenen Gewässer um die Untiefe zu untermauern. Die Besatzung wird durch philippinische Schiffe versorgt, was die chinesische Küstenwache zu verhindern versucht. Dabei kommt es immer wieder zu Zwischenfällen.
Im vergangenen Monat warfen die Philippinen der chinesischen Küstenwache vor, absichtlich ein Versorgungsschiff gerammt zu haben, wobei ein Matrose verletzt worden sei. China sprach davon, dass das philippinische Schiff absichtlich ein Schiff der chinesischen Küstenwache gerammt habe. Der Ständige Schiedshof (PCA) hatte 2016 die Ansprüche Chinas unter anderem auf das Riff Second Thomas Shoal zurückgewiesen. rtr
Die Hong Kong Monetary Authority (HKMA, quasi die dortige Zentralbank) sowie das Financial Services and Treasury Bureau (FSTB) wollen in Hongkong so schnell wie möglich einen gemeinsamen Regulierungsrahmen für Stablecoin-Emittenten einführen. Vermögensverwalter und Fintech-Unternehmen beobachten diese Entwicklung sehr aufmerksam. Und auch andere Regierungen sollten dies tun.
Stablecoins sind eine Art von Kryptowährungen, deren Wert relativ zu einer Zielwährung festgelegt wird. “Kollateralisierte” Stablecoins werden durch einen Pool von Reservewerten gestützt, der sich aus Fiat-Währungen, anderen Kryptowährungen oder Rohstoffen zusammensetzen kann. Aber nicht alle Stablecoins sind derart wertgesichert: ungestützte Stablecoins verwenden andere Methoden – wie Algorithmen, die ihr Angebot begrenzen und so einen Marktwert schaffen.
Es gibt momentan keinen allgemein anerkannten Standard für Stablecoins, ganz zu schweigen von einem regulatorischen Rahmen. Aber der Markt ist riesig – und wächst weiterhin schnell: Seit Anfang 2020 ist der geschätzte Gesamtmarktwert der Stablecoins von 2,9 Milliarden Dollar auf etwa 130 Milliarden gestiegen. Dominiert wird der Markt von Coins, die an den US-Dollar gekoppelt sind, da dieser als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Buchungswährung weltweit immer noch dominiert – und die Märkte für Dollar-Vermögenswerte liquide und leicht zugänglich sind.
An erster Stelle der Stablecoins steht Tether mit etwa 70 Prozent Marktanteil, gefolgt vom USD Coin mit 20 Prozent. Tether hat mitgeteilt, Ende September 2023 über 86,4 Milliarden Dollar an Vermögenswerten verfügt zu haben – darunter etwa 56,6 Milliarden in US-Staatsanleihen, 5,1 Milliarden in gesicherten Krediten, 3,1 Milliarden in Edelmetallen, 1,7 Milliarden in Bitcoin und 2,3 Milliarden in anderen Geldanlagen – verglichen mit 83,2 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten. Im ersten Quartal 2023 meldete das Unternehmen einen Nettogewinn von 1,4 Milliarden Dollar.
Der Zweck von Stablecoins liegt darin, eine verlässlichere Alternative zu Kryptowährungen wie Bitcoin zu schaffen, die ungesichert und sehr volatil sind. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sind kollateralisierte Stablecoins “allgemein weniger volatil als traditionelle Kryptowährungen”. Allerdings “war keiner von ihnen in der Lage, zu jeder Zeit die Parität zu ihren Basiswerten einzuhalten”.
Darüber hinaus erklärt die BIZ, es gebe “momentan keine Garantie dafür, dass Stablecoin-Emittenten die Coins der Nutzer jederzeit auf Anfrage vollständig zurückzahlen können”. Letztlich erfüllt keiner der über 200 im Umlauf befindlichen Stablecoins das “Hauptkriterium, ein sicheres Wertaufbewahrungsmittel und vertrauenswürdiges Zahlungsmittel in der Realwirtschaft zu sein”.
Aber dies könnte sich ändern. Damit der Stablecoin-Markt erfolgreich ist, müssen vier Bedingungen erfüllt werden: Erstens müssen alle Coins mit einem allgemein akzeptierten gesetzlichen Zahlungsmittel oder einer Fiat-Währung verknüpft sein. Zweitens muss für sie ein weltweit anerkannter Regulierungs- und Lizenzierungsrahmen geschaffen werden. Drittens müssen ihre Emittenten in der Lage sein, in Bereichen wie Verteilung, Marktunterstützung und Infrastruktur innovativ zu sein. Und schließlich sollten Stablecoins im dezentralisierten Finanzbereich weite Verbreitung finden.
Es gibt Gründe für die Annahme, dass Hongkong zu solchen Fortschritten beitragen könnte. Die eigene Währung des Hoheitsgebiets, der Hongkong-Dollar (HKD), ist an den US-Dollar gekoppelt, was den “Digitalen HKD” letztlich zu einem Stablecoin macht. (Im politischen Maßnahmendokument der HKMA vom September 2023 wurde der Digitale HKD genau so behandelt.) Darüber hinaus haben Hongkongs geldpolitische und regulatorische Behörden einen guten Ruf, und das dortige offene, marktorientierte und global verknüpfte institutionelle Umfeld ist für Pilotprojekte bestens geeignet.
Bei einem solchen Projekt könnte ein Stablecoin geschaffen werden, der an den Offshore-Renminbi gekoppelt ist, um ihn in der Greater Bay Area (GBA) zu verwenden – einer Wirtschaftszone aus neun Städten rings um das Perlfluss-Delta in der Guangdong-Provinz sowie Hongkong und Macau. Gemeinsam verfügt die GBA über ein BIP in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar. Ein solcher “GBA-Stablecoin” könnte die Emission, den Handel und den Zahlungsausgleich neuer digitaler Finanzprodukte in Hongkong fördern und in den Offshore-Renminbi, den Hongkong-Dollar und den US-Dollar konvertierbar sein. Finanzprodukte von außerhalb Festlandchinas könnten in GBA-Stablecoin ausgewiesen werden.
Im Rahmen dieses Programms und seiner digitalen Infrastruktur würden Finanzprodukte – wie von Lokalregierungen und Unternehmen in der GBA emittierte Offshore-Anleihen – in Hongkong gehandelt, aber die ihnen zugrunde liegenden physischen Vermögenswerte befänden sich größtenteils in Festlandchina. Diese Regelung erinnert an das H-Aktien-Programm, in dessen Rahmen Aktien wichtiger festlandchinesischer Unternehmen in Hongkong gehandelt werden. Das Ergebnis wäre letztlich ein operativer digitaler Offshore-Renminbi – eine Währung, die von dem zusätzlichen Marktvertrauen profitiert, das sich aus der Kontrolle durch die HKMA ergibt. Dies würde die Nachfrage nach Offshore-Renminbi erhöhen – und damit die Internationalisierung des Renminbi beschleunigen, ohne die Stabilität des Onshore-Renminbi aufs Spiel zu setzen.
Die HKMA hat bereits gemeinsam mit ihren Partnerinstituten in Festlandchina, Thailand und den Vereinigten Arabischen Emiraten ein sechswöchiges Pilotprojekt für eine digitale Zentralbankwährung (CBDC) durchgeführt. Dieses mBridge genannte Projekt war eins der ersten Multi-CBDC-Projekte, die für Unternehmen grenzüberschreitende Realwert-Transaktionen abgerechnet haben.
Nach dem Erfolg des Pilotprojekts arbeiten die Geldpolitiker nun daran, die mBridge-Plattform so weiterzuentwickeln, sodass sie grenzüberschreitende Handels- oder Großhandelszahlungen abwickeln kann. Dies legt nahe, dass der GBA-Stablecoin mit der richtigen digitalen Finanzinfrastruktur – die die Distributed-Blockchain-Technologie nutzt und “Smart Contracts” ermöglicht – die Offshore-Finanzierung für Chinas ehrgeiziges länderübergreifendes Neue-Seidenstraße-Projekt (BRI, Belt and Road Initiative) gewährleisten könnte. Außerdem würde er damit die internationale Handels- und Investitionstätigkeit insgesamt fördern.
Der Erfolg eines solchen Pilotprojekts hängt nicht nur von der Bereitschaft der Finanzinstitutionen ab, Stablecoins zu emittieren, sondern auch vom Bedarf der Banken, Unternehmen, Verbraucher und Investoren. Innerhalb des momentanen US-Dollar-basierten Finanzsystems könnten manche zögern, einen GBA-Stablecoin zu verwenden. Aber angesichts dessen, dass Amerika das globale Finanzwesen aggressiv nutzt, um seinen geopolitischen Einfluss zu sichern, suchen viele Marktteilnehmer – wie jene, die sich mit BRI-Projekten beschäftigen – nach verlässlichen Alternativen zum US-Dollar, zu denen auch dollargedeckte Stablecoins gehören könnten.
Letztlich wird es die Abwägung zwischen der zu erwartenden Rendite und den mit Stablecoins verbundenen Risiken sein, die bestimmt, welche Coins sich letztlich durchsetzen können. Vor uns liegt ein langer Weg von Versuch und Irrtum.
Andrew Sheng ist Distinguished Fellow am Asia Global Institute der Universität von Hongkong. Xiao Geng, Vorsitzender des Hongkong-Instituts für Internationales Finanzwesen, ist Professor und Direktor des Institute of Policy and Practice am Shenzhen Finance Institute der Chinesischen Universität von Hongkong in Shenzhen.
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Alexander Pollich wird Präsident und Geschäftsführer bei Porsche China, Hongkong und Macao. Der 57-Jährige ist seit 2018 Vorsitzender der Geschäftsführung bei Porsche Deutschland. Er hat zudem das Geschäft in Kanada und Großbritannien weiterentwickelt. Seinen neuen Posten tritt er zum 1. September an.
Marcus Oehmig ist seit Juli Project Lead Projektapplikation EA888 Evo5 bei VW China. Oehmig war zwischen 2014 und 2016 bereits für Audi zwei Jahre in China. Sein neuer Einsatzort ist Peking.
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“Steaming soon”: Mit diesem smarten Slogan warb die taiwanische Dumpling-Kette Din Tai Fung im Frühjahr für die Eröffnung ihrer ersten Filiale in New York City. Die taiwanische Restaurantkette ist berühmt für ihre gefüllten Dampfteigtaschen Xiaolongbao (kleine Drachentaschen). Diesen Monat war es endlich so weit – und die Tische sind bereits für den ganzen Juli ausgebucht. Dabei ist das Restaurant eines der größten der weltweit operierenden Kette. Der Standort bietet Platz für rund 450 Gäste, für die das Küchenteam täglich über 10.000 Teigtaschen herstellen soll. Zahlreiche Chinesen haben das Restaurant bereits besucht, wie auf Social Media zu lesen ist. In ihren Kritiken sorgte vor allem der Preis für Aufsehen. Zehn Xiao Long Bao kosten über 18 Dollar und damit um einiges mehr als in Taiwan, Hongkong oder China.