noch rollt eine riesige Corona-Infektionswelle durch China, aber ein Ende ist langsam in Sicht und der Frühling dürfte Aufbruchstimmung bringen. In Hongkong wurde schon ein wenig früher geöffnet. Dort ist es nun an der Zeit, sich nach der Pandemie wieder aufzurappeln. Einfach zurück zur Normalität wird aber kaum möglich sein, denn die Sonderverwaltungszone hat wirtschaftlich schwer gelitten. Um 3,2 Prozent brach die Wirtschaft in Hongkong 2022 ein, die Exporte sanken sogar um fast 29 Prozent im Vorjahresvergleich, der schlechteste Wert seit 1953.
Auch das internationale Image Hongkongs hat Schaden genommen, durch den Crackdown gegen die Demokratie-Bewegung. Wie es wieder aufwärts gehen soll, und was Singapur besser macht, analysiert unser Team in Peking.
Chinas Corona-Einreisebeschränkungen sind nun also passé. Doch wer sich bereits auf einen Teller dampfender Jiaozi beim baldigen Besuch in Peking gefreut hat, wird sich wohl noch bis Mai gedulden müssen. Visa gibt es aktuell nur für Verwandte ersten Grades und Geschäftsleute. Auch Flugverbindungen sind knapp und das treibt den Preis. Doch warum verwehrt Peking Touristen den Besuch, während die eigenen Bürger wieder in die Welt hinaus dürfen? Es könnte auch politisches Kalkül dahinter stecken, schreibt Fabian Peltsch in seiner Analyse.
Anstelle einer Reise nach China gibt es bei uns einen Blick aus China. Das Frühlingsfest bringt Familien endlich wieder zusammen und wie unter vielen Weihnachtsbäumen hierzulande sind bei solchen intensiven Familientreffen beim Feuertopf auch Konflikte vorprogrammiert. Worüber sich chinesische Eltern mit ihren erwachsenen Kindern kabbeln, und wo dieses Jahr große Einigkeit herrscht, lesen Sie in unserer Kolumne zum Ende der Woche.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.
Während chinesische Touristen nach dem Ende der strikten Zero-Covid-Maßnahmen wieder in die Welt reisen dürfen, hält China seine eigenen Grenzen für ausländische Touristen weiterhin geschlossen. “Zurzeit ist die Beantragung eines Touristen-Visums leider nicht möglich”, erklärt die offizielle China-Visa-Stelle in Berlin auf Anfrage. Bislang dürfen nur Geschäftsleute und Verwandte ersten Grades aus dem Ausland in die Volksrepublik einreisen. Auch Studierende können mit entsprechenden Einladungen chinesischer Gastuniversitäten grundsätzlich wieder ein Visum beantragen. Was Touristenvisa angeht, sei ein Zeitpunkt für die Vergabe jedoch “im Moment nicht vorauszusehen.”
“Wir schätzen, dass Touristen aus Europa ab Mai 2023 wieder nach China reisen können”, sagt Yang Ciyuan, Geschäftsführer beim deutsch-chinesischen Reiseveranstalter Sinorama mit Sitz in Düsseldorf. Einen Grund für die Verzögerung bei der Visa-Vergabe sieht er in den wenigen Flugverbindungen zwischen Europa und China, die nun erst wieder ausgeweitet werden müssen. “Es werden momentan nur ungefähr ein Zehntel so viele Flüge wie vor der Pandemiezeit angeboten, sodass auch die Flugpreise noch sehr hoch sind.”
Wolfgang Arlt, Direktor von COTRI, dem Marktführer für Studien zur chinesischen Tourismusbranche, sieht ein anderes Kalkül am Werk. “Mit der Einreise-Verzögerung für Touristen will China vermeiden, dass eine breitere Masse an Ausländern das derzeitige Chaos mitbekommt, zum Beispiel im Gesundheitssystem.” Für China ist der Tourismus immer auch ein politischer Hebel, sagt Arlt. Am vergangenen Freitag hatte Peking bekannt gegeben, dass Gruppenreisen chinesischer Touristen ab dem sechsten Februar in 20 Länder wieder zugelassen werden. Auffallend sei, dass dazu vor allem Zielländer gehören, die Peking als “Freunde Chinas” betrachtet, etwa Thailand, die Vereinigten Arabischen Emirate, Südafrika, Russland und Kuba.
“Als Südkorea 2017 ein amerikanisches Raketenabwehrsystem installierte, verbot das Pekinger Tourismusministerium kurzerhand Gruppenreisen nach Südkorea”, erzählt Arlt, der gerade zusammen mit dem Tourismus-Spezialisten Gary Bowerman das “China Outbound Tourism Handbook 2023” publiziert hat. Andererseits nehme das Interesse an Gruppenreisen immer mehr ab. “Die Zeiten sind vorbei, in denen Chinesen in Bussen vor Sehenswürdigkeiten anhalten und sonst nicht viel vom Land sehen.”
Insgesamt blieben chinesische Touristen für Deutschland und Europa aber weitaus wichtiger als umgekehrt, sagt Arlt. “Die Bedeutung deutscher Touristen ist für die chinesische Reisebranche verschwindend gering”. Dennoch gab und gibt es in Deutschland zahlreiche Reiseveranstalter, die sich auf Reisen nach China spezialisiert haben, und die nun sehnsüchtig darauf warten, dass das Land wieder seine Tore für Touristen öffnet. Nicht alle von ihnen haben die drei Jahre Pandemie überlebt. Ein bekannter Fall war der Hamburger Reiseveranstalter China Tours, der im Februar 2020 Insolvenz anmeldete und mit stark verkleinertem Team wieder von null anfangen muss.
Insbesondere Tochterfirmen chinesischer Reiseunternehmen konnten sich während der Pandemie über Wasser halten, indem sie innerhalb Chinas Reisen anboten. Alex Seigel von Dragon Trip, einem Veranstalter mit Büros in London, New York und Shanghai erklärt China.Table, dass seine Firma sich während der Pandemie etwa auf Studienreisen für internationale Schulen in China konzentriert habe. Auch Seigel glaubt an eine Öffnung für Touristen ab dem Frühsommer 2023. Wie sich die Reiselandschaft in China und die Nachfrage der Touristen dann verändert haben werde, müsse sich erst zeigen. Vor allem ländliche Gebiete seien durch den Inlandstourismus der vergangenen drei Jahre infrastrukturell besser ausgebaut als noch vor der Pandemie. Seigel geht auch davon aus, dass die Preise dann vielerorts höher sein werden.
Yang von Sinorama sieht das ähnlich: “Die Preise werden wahrscheinlich viel teurer als vor der Pandemiezeit.” Aber auch der Ukraine-Krieg und ein zunehmend negatives China-Bild könnten die Reiselust nach China deutlich dämpfen. “Die Medien verbreiten hier hauptsächlich negative Nachrichten. Das Image von China ist somit negativer als noch vier Jahre zuvor, besonders bei Leuten, die noch nie in China gewesen sind.” Dabei habe China als Reiseland wirklich viel zu bieten, sagt Yang.
Hannes Farlock blickt voller Zuversicht auf das neue Jahr. “Durch die Grenzöffnung kann Hongkong jetzt endlich wieder einen seiner zentralen Standortvorteile ausspielen”, freut sich der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Hongkong. So wie Farlock geht es in Hongkong dieser Tage vielen Wirtschaftsvertretern. Nach drei Jahren strikter Pandemie-Maßnahmen ist die chinesische Sonderverwaltungsregion auf dem Weg, endlich zur Normalität zurückzukehren.
Hongkong hat durch die Pandemie wirtschaftlich schwer gelitten. Während Chinas Wirtschaft trotz aller Beschränkungen im vergangenen Jahr um drei Prozent zulegte, musste Hongkong laut Schätzung wohl einen Einbruch der Wirtschaft um 3,2 Prozent hinnehmen. Das liegt vor allem daran, dass Hongkongs Geschäftsmodell als “Brücke nach China” und effizienter Hub in viele Länder Südostasiens durch die Abschottungsstrategie der Regierung nicht mehr richtig funktionierte. Auch die sonst so einkaufswütigen Touristen vom chinesischen Festland fehlten.
Doch nun soll die große Aufholjagd beginnen. Bereits vor China öffnete Hongkong im vergangenen Herbst seine internationalen Grenzen. Endlich mussten Reisende aus aller Welt keine Hotel-Quarantäne mehr über sich ergehen lassen. Seit dem 8. Januar sind auch endlich wieder Reisen von Hongkong auf das chinesische Festland ohne Isolation möglich. Fast alle Grenzposten zwischen Hongkong und der chinesischen Metropole Shenzhen sind wieder offen. Auch der Schnellzug, der Reisende vom Zentrum Hongkongs in weniger als einer Viertelstunde nach Shenzhen bringt, fährt wieder.
“Die Änderungen sind in der lokalen und internationalen Wirtschaft mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Für den geschäftlichen Erfolg in China ist persönlicher Kontakt unverzichtbar”, berichtet Farlock. Bei vielen Firmen gebe es dementsprechend einen enormen Nachholbedarf, ihre Chinabüros wieder zu besuchen und die Beziehungen zu Kollegen, Kunden, Lieferanten und anderen Geschäftspartnern wiederzubeleben.
Die Grenzöffnung ist ein Anfang. Doch hier und da ruckelt es auch noch. So müssen sich Reisende derzeit noch um eine Quote bewerben. 65.000 Plätze in beide Richtungen gibt es pro Tag. Erschwert werden Reisen zwischen Hongkong und Shenzhen auch dadurch, dass man in beide Richtungen innerhalb 48 Stunden vor der Abreise einen Corona-Test machen muss. Auch bei der Vergabe von Visa seien laut Fabrock noch einige Fragen offen.
Hongkong hatte bereits im vergangenen Oktober angekündigt, mit einer massiven Kampagne internationale Besucher zurückgewinnen zu wollen. So sollen dieses Jahr 500.000 Flugtickets im Wert von umgerechnet etwa 260 Millionen Euro verschenkt werden. Neben Touristen sollen auch Geschäftsreisende, die nach Hongkong kommen, von der Kampagne profitieren.
Doch schon als die Pläne verkündet wurden, warnten Kritiker, dass größere Anstrengungen nötig seien, als ein paar Gastgeschenke für Reisende. Nach “vier bitteren Jahren mit politischen Tumulten und der Covid-Krise” brauche es schon “mehr als kostenlose Flugtickets, um zu zeigen, dass Hongkong zurück ist”, kommentierte die Zeitung South China Morning Post in einem Leitartikel. Nicht nur die Pandemie, auch der Regierungs-Crackdown gegen die Demokratie-Bewegung hat dem internationalen Image Hongkongs geschadet. Die Herausforderungen seien nun umso größer, “da unsere regionalen Rivalen ihre Türen weit geöffnet haben”, so das Blatt.
Tatsächlich hat die Konkurrenz nicht geschlafen. Städte wie Hongkongs Dauerkonkurrent Singapur, aber auch Spieler wie Bangkok oder Seoul haben in den vergangenen Jahren aktiv um Unternehmen und Expats geworben, für die Hongkong immer weniger attraktiv wirkte. Während Hongkongs Wirtschaft litt, legte Singapurs Wirtschaft im vergangenen Jahr laut Schätzungen erneut um rund 3,5 Prozent zu. Auch auf dem Immobilienmarkt, wo in Singapur zuletzt historische Rekord-Preise gezahlt wurden, macht sich der Boom bemerkbar. In Hongkong gingen die Preise 2022 dagegen im Durchschnitt um rund 14 Prozent zurück.
Zwischen Singapur und Hongkong gibt es derzeit noch einen weiteren großen Unterschied. Zwar hat Hongkong einen Großteil seiner Pandemie-Maßnahmen zurückgenommen. Noch immer gilt jedoch überall in der Stadt Maskenpflicht. Jörn Petring
30.01.2023, 18:00 Uhr (31.01.2023, 01:00 Uhr Beijing time)
SOAS University of London, Webinar: China and the Russian Invasion of Ukraine: What next? Mehr
31.01.2023, 14:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
Center for Strategic & International Studies, Webinar: Assessing the Future Trajectory of China-Japan Relations Mehr
01.02.2023, 18:00 Uhr (02.02.2023, 01:00 Uhr Beijing time)
Zentrum für Ostasienwissenschaften Universität Heidelberg, Webinar: The Restraining Belt: Physical Infrastructure as China’s Means of Territorial Control Mehr
01.02.2023, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung e.V., Webinar: Business-Gespräch China: Das Jahr des Hasen – ein Ausblick auf 2023 Mehr
03.02.2023, 08:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing time)
German Chamber of Commerce in China / Roland Berger, Panel-Diskussion: “The New China Story” Report Launch Mehr
03.02.2023, 15:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)
The Fletcher School of Law and Diplomacy at Tufts University, Masterclass: The Harmony Academy with China’s first female conductor, Maestra Zheng Xiaoying Mehr
Staats- und Parteichef Xi Jinping hat Wang Huning beauftragt, eine neue Vereinigungspolitik für Taiwan auszuarbeiten. Das berichteten taiwanische Medien am Donnerstag unter Berufung auf Parteiquellen. Der 67-jährige Jurist und Politologe ist ein enger Vertrauter Xis und Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem engsten Machtzirkel der Partei. Seit Xis Amtszeit hat Wang die Funktion eines Chefideologen inne. Vor Xi beriet er aber auch schon Jiang Zemin und Hu Jintao zu ideologischen Fragen.
Wangs Auftrag könnte das Ende von Deng Xiaopings Idee von “Ein Land, zwei Systeme” bedeuten, die Peking seit Jahrzehnten für eine friedliche Vereinigung mit Taiwan propagiert. Nach dem Scheitern der Idee in Hongkong steht Peking unter Druck, einen neuen Plan zu entwerfen, wobei Wang nun den theoretischen Unterbau liefern soll.
Nachdem die Insel immer mehr in den geopolitischen Fokus rückt, spricht vieles dafür, dass Xi Jinping in den nächsten Jahre Taten folgen lassen könnte. Anfang 2024 finden in Taiwan zudem Präsidentschaftswahlen statt. Ob mehr militärischer Druck Teil von Wangs Taiwan-Konzept sein wird, oder ob er vor allem auf Kommunikation setzt, ist nach jetzigem Kenntnisstand offen. fpe
Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) sind landesweit noch immer Dutzende Demonstranten in Haft, nachdem sie im November gegen die strikte Null-Covid-Politik und für politische Freiheiten demonstriert hatten. Einige von ihnen seien ohne Kontakt zu Angehörigen und würden an unbekannten Orten festgehalten, teilte die in den USA ansässige Menschenrechtsorganisation mit.
HRW forderte die Führung in Peking auf, alle Inhaftierten sofort freizulassen und die gegen sie erhobenen Vorwürfe fallen zu lassen. Wer als junger Mensch in China wage, sich für Freiheit und Menschenrechte einzusetzen, zahle einen hohen Preis, erklärte die Organisation. In einem vor ihrer Festnahme aufgenommenen Video, das im Internet zirkuliert, bittet etwa die 36-jährige Redakteurin Cao Zhixin: “Lasst uns nicht von dieser Welt verschwinden. Lasst nicht zu, dass wir weggebracht oder willkürlich für ein Verbrechen verurteilt werden.” flee
Die US-Regierung hat den Abschiebe-Schutz für Hongkonger um zwei Jahre verlängert. Die Verlängerung des Programms mit dem Namen “Deferred Enforced Departure” (DED) bedeutet, dass Hongkonger, die andernfalls wegen Überschreitung ihres Visums abgeschoben würden, nun bis Januar 2025 in den USA bleiben können.
Das DED-Programm wäre in zwei Wochen ausgelaufen. “Mit dieser Aktion demonstrieren wir erneut die starke Unterstützung von Präsident Biden für die Menschen in Hongkong angesichts der zunehmenden Repression durch die VR China”, teilte der Nationale Sicherheitsrat einem Politico-Bericht zufolge mit. Die Regierung von Präsident Joe Biden erließ erstmals im August 2021 einen Abschiebungsaufschub. Rund 3.860 Hongkonger, die sich in den USA aufhielten, erhielten damals die Berechtigung, 18 Monate lang in den USA zu leben und zu arbeiten. Angesichts der sonst sehr strengen Visa- und Greencard-Regeln in den Vereinigten Staaten stellte das eine massive Erleichterung für die Geflüchteten aus Hongkong dar. ari
Im Nordosten Chinas herrscht aktuell eine Rekordkälte. In Peking sank das Thermometer im Stadtteil Mentougou laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Caixin auf minus 22,4 Grad Celsius, der niedrigste jemals aufgezeichnete Wert in der Hauptstadt. Mohe, eine Stadt in der Provinz Heilongjiang, meldete Temperaturen von minus 53 Grad Celsius. Damit wurde Chinas bisheriger Kälterekord von minus 52,3 Grad übertroffen, dieser war 1969 erreicht worden. Aber auch in der südwestlichen Provinz Yunnan, die für ihre milden Winter bekannt ist, sanken die Temperaturen auf null Grad.
In mehr als 20 Provinzhauptstädten wurden die niedrigsten Temperaturen in diesem Winter gemessen, Behörden gaben Kälte-, Frost- und Windwarnungen heraus. Lokale Offizielle sollten Vorkehrungen für mögliche Beeinträchtigungen der Wasser- und Energieversorgung, der Landwirtschaft und des Reiseverkehrs treffen. Zurzeit ist der Reisebetrieb in China wegen des Frühlingsfestes besonders hoch. jul
Die EU-Kommission startet ein Stipendienprogramm zu China-Themen. Das Fellowship ziele darauf ab, die strategische Zusammenarbeit mit Denkfabriken und Universitäten zu Fragen im Zusammenhang mit China zu fördern, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Die Stipendien werden im Rahmen von IDEA, der internen Beratung der Europäischen Kommission, eingerichtet. Sie richten sich an Akademiker und Forschende aus Denkfabriken und Universitäten, die im Politik-, Sozial-, Wirtschafts-, Digital- und Umwelt- sowie Klimabereich mit Bezug auf China spezialisiert sind. Die Fellowships sollen zwischen sechs und zwölf Monaten dauern, pro Runde gibt es bis zu 15 Stipendienplätze. ari
Als China am 7. Dezember die Covid-Maßnahmen abrupt aufhob, gab es Befürchtungen: Die anstehende Reisewelle und das Zusammentreffen von Familien während der chinesischen Neujahrsfeiertage könne die Pandemie erheblich verschärfen. Beim Silvesteressen am vergangenen Samstag schien jedoch fast jeder in China bereits infiziert und wieder genesen zu sein – oder verstorben.
Verwandte und Freunde tauschten ihre Erfahrungen mit der Krankheit aus und trauerten um die Toten. Doch die Angst ist verflogen. Den Leuten wurde eine große Last genommen. Auf jeden Fall haben sie das Gefühl: Die schwere Zeit ist jetzt vorbei.
Dies ist das erste Mal seit drei Jahren, dass chinesische Familien ein fast normales Neujahrsfest feiern können. Nach dem Kummer der letzten Jahre schienen Familienmitglieder und Verwandte freundlicher zueinander geworden zu sein – oder emotional distanzierter, je nachdem, wie man es sieht.
Die Feiertage, die eigentlich ein Anlass für freudige und besinnliche Treffen sein sollen, sind oft auch die Zeit für Familienkrach. Generationskonflikte, Fehden zwischen Geschwistern, Unzufriedenheit über die Verteilung des Vermögens und der familiären Verpflichtungen – all das bricht durch, wenn alle beisammen sind.
In den vergangenen zehn Jahren wurden in den sozialen Medien Beschwerden junger Menschen über nervige Verwandte lauter. Sie stammen oft von Arbeiterinnen und Arbeitern, die weit entfernt von ihrem Heimatort leben und sich darüber ärgern, zum Heiraten und Kinderkriegen gedrängt zu werden.
In diesem Jahr sind die Klagen darüber jedoch leiser geworden. “Sie drängen nicht mehr so aggressiv”, sagte eine 33-jährige Freundin von mir aus Zhejiang. Sie ist verheiratet, hat aber kein Kind. “Einige Verwandte fragen zwar immer noch danach, aber der Ton ist höflich, und man kann auch über etwas anderes reden.”
Auch die Demografie spielt eine Rolle. China hat 1979 die Ein-Kind-Politik eingeführt. Die erste Generation von Einzelkindern ist inzwischen Anfang bis Mitte vierzig. Zusammen mit der Verstädterung hat dies zu einer Verkleinerung der Familien und einer schwächeren Bindung der Großfamilie geführt. Das wiederum bedeutet eine geringere Einmischung ins Privatleben.
Während der Neujahrsfeiertage der letzten Jahre gab es am Familientisch eine weitere Quelle für Spannungen: unterschiedliche politische Ansichten, etwa über die Covid-Maßnahmen, die gelegentlich auch zu leidenschaftlichen Debatten führen konnten. In diesem Jahr ist von solchen Auseinandersetzungen kaum etwas zu hören. “In meiner Familie und in meinem Freundeskreis in Chengdu lästern inzwischen selbst diejenigen über die Null-Covid-Politik, die sie zuvor noch voll unterstützt haben”, kommentiert ein Mann namens Lacus auf Wechat.
In den Familien, die im vergangenen Monat Angehörige durch den Omikron-Ausbruch verloren haben, ist die Stimmungslage naturgemäß düsterer. Die Regierungsstellen haben dies vorausgesehen und im Vorfeld der Feiertage vorbeugende Richtlinien veröffentlicht, um zu verhindern, dass negative Kommentare vom Esstisch in die Medien überschwappen.
Die chinesische Internetsicherheitsbehörde kündigte am 18. Januar den Start einer einmonatigen Kampagne für “sauberen und klaren Cyberspace” an. Ein zentraler Punkt ist die “Verhinderung der Verbreitung düsterer Stimmung … und der dunklen Seiten der Gesellschaft”. Das ist eine vage Definition. Offensichtlich gehören Todesfälle und Schmerzen durch Covid dazu.
Ein Weg, dies zu verhindern, besteht wie üblich in der Zensur von Artikeln und Beiträgen und sogar der Sperrung von Social-Media-Konten. Es gibt aber noch zahlreiche andere Informationen, deren Verbreitung die Regierung unterdrücken will.
Ebenfalls kurz vor dem Neujahrsfest wurden neun Teilnehmer der regierungsfeindlichen Proteste Ende November in Peking offiziell verhaftet. Vor den Verhaftungen veröffentlichte eine Demonstrantin, Cao Zhixing, eine Videobotschaft im Internet. Sie hatte die Gefahr offenbar geahnt.
Ihr Videoclip und die Nachricht über die Verhaftungen zirkulierten auf sozialen Medien außerhalb Chinas. Einige posteten sie auch auf chinesischen Plattformen, die Beiträge wurden aber schnell gelöscht oder ausgeblendet.
Die Wut darüber, dass diese jungen Menschen die Feiertage hinter Gittern verbringen müssen und dann höchstwahrscheinlich ins Gefängnis wandern, zeigte sich an den Diskussionen darüber, wie ihnen geholfen werden könnte.
Das Neujahrsfest nach dem Mondkalender wird in vielen Ländern Ostasiens gefeiert. Seinen Ursprung hat es wahrscheinlich in China. Es ist jedoch zu einem festen Bestandteil all dieser lokalen Kulturen geworden.
Einige dieser Länder haben kleine Änderungen vorgenommen. So wird in Vietnam das neue Jahr zwar nach dem Mondkalender gefeiert. Aber während die Vietnamesen fast die gleichen Tierkreiszeichen zur Bezeichnung der Jahre verwenden, gibt es eine Ausnahme. Chinesen feiern das Jahr des Hasen. In Vietnam ist es das Jahr der Katze.
Forschung sei die Liebe seines Lebens. Das hatte Chen Chien-jen (陳建仁) 2020 erklärt, nachdem er als Vizepräsident von Taiwan abgetreten war. Der Epidemiologe hatte nach vier Jahren im Amt nicht mehr kandidiert und war an die staatliche Forschungsakademie Academia Sinica zurückgekehrt. Wenn er aber gebraucht werde, stünde er jederzeit bereit. Diese Zeit scheint jetzt gekommen. Taiwans Präsidialamt bestätigte am Mittwoch Medienberichte, wonach der 71-Jährige am 31. Januar das Amt des Premierministers übernehmen wird.
Nach der Wahlniederlage der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) im November hatte Premier Su Tseng-chang (蘇貞昌) seinen Rücktritt erklärt und eine Umbildung des Kabinetts angeregt. Genau das ist erfolgt. Voraussichtlich am Freitagvormittag sollen die Namen der neuen Ministerinnen und Minister in einer Pressekonferenz verkündet werden. Die Personalie Chen ist allerdings schon jetzt durchgesickert.
Dass Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen für das letzte Jahr ihrer zweiten Amtszeit ihren Vertrauten Chen Chien-jen aus der Wissenschaft zurück in die Politik holt, kommt für die meisten Beobachter nicht überraschend. Chen war seit längerem als möglicher Kandidat für das Amt des Premierministers gehandelt worden. Doch Chen hatte noch vor kurzem Berichten widersprochen, er sei in der engeren Auswahl für den Job des Regierungschefs.
Innerhalb der DPP gilt Chen als Kandidat der Mitte, der es geschafft hat, bisher keinen der mächtigen Parteiflügel gegen sich aufzubringen. Für seine Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeit wird er immer wieder gelobt. Während seiner Zeit als Vizepräsident hatte er Gegner und Unterstützer der gleichgeschlechtlichen Ehe zu Gesprächen in den Präsidentenpalast eingeladen und immer wieder versucht, Brücken zu bauen. Von der Präsidentin und vielen Unterstützern wird Chen auch liebevoll Bruder Da-jen (大仁哥) genannt – in Anlehnung an einen Protagonisten einer bekannten taiwanischen Seifenoper, der als warm und fürsorglich gilt.
Chen ist zugleich Taiwans bekanntester Epidemiologe und lehrt auch an der staatlichen National Taiwan University. Seinen Doktor machte er 1982 an der weltweit renommierten amerikanischen Johns Hopkins University. Schon bei der ersten SARS-Epidemie 2003 hatte er als Gesundheitsminister eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung des Virus gespielt. Auch während der Corona-Pandemie wurde er immer wieder beratend hinzugezogen: In fast keinem anderen Land ist die Pandemie so glimpflich verlaufen wie in Taiwan. Im März 2022 verfasste er einen Gastbeitrag im Wissenschaftsmagazin Nature und schrieb, dass es außer Wissenschaft auch Vertrauen, robuste Institutionen und soziale Kohäsion brauche, um eine blühende Gesellschaft zu schaffen.
So ganz konnte sich Chen aber auch nach seiner Rückkehr in die Forschung nicht von der Politik trennen. Ende 2021 trat er plötzlich in die Demokratische Fortschrittspartei ein – auf persönliche Einladung der Präsidentin. Während der Lokalwahlen im vergangenen Jahr leitete er außerdem den Wahlkampf des DPP-Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters von Taipeh Chen Shih-chung (陳時中). Zeitweise galt er gar als möglicher Nachfolger für Präsidentin Tsai. Mit der Wahl von Vizepräsident Lai Ching-te (賴清德) zum neuen Parteivorsitzenden der DPP scheint diese Möglichkeit aber in weite Ferne gerückt zu sein.
Als gläubiger Katholik war Chen auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik mehrfach als Sondergesandter der Präsidentin in den Vatikan gereist. Zuletzt zu den Trauerfeierlichkeiten für den deutschen Papst Benedikt XVI. Der Heilige Stuhl ist das einzige Land in Europa, das noch volle diplomatische Beziehungen mit der Republik China (Taiwan) unterhält. Als Anerkennung für seine wissenschaftlichen Leistungen hatte Papst Franziskus Chen 2021 zu einem ordentlichen Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ernannt.
Die Tatsache, dass Chen kein Berufspolitiker ist, trägt zu seiner Popularität in der Bevölkerung bei. Dort wird er vor allem für seinen Beitrag zur medizinischen Forschung und Taiwans Gesundheitswesen geschätzt. In seiner Rolle als Premier wird er sich aber noch mehr als bisher in politische Grabenkämpfe begeben müssen. Es dürfte auch für ihn schwierig werden, sein Image als ruhiger Kommunikator bei den berüchtigten Fragestunden in Taiwans Legislativ Yuan aufrechterhalten. David Demes
Marc Hofmann ist seit Jahresbeginn neuer Head of BMW Technology Office in China. Er war vorher für BMW in Israel, München und Japan.
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Gefeiert werden die ersten Tage des neuen Jahres alle. Doch an keinem Tag geht es so laut und feurig zu wie am fünften. Denn da wird der Gott des Wohlstands gefeiert. Er verspricht Reichtum – wenn ihm entsprechend gehuldigt wird. Und das bedeutet, wie hier im Guiyuan Tempel in Wuhan: nach Kräften böllern und zündeln.
noch rollt eine riesige Corona-Infektionswelle durch China, aber ein Ende ist langsam in Sicht und der Frühling dürfte Aufbruchstimmung bringen. In Hongkong wurde schon ein wenig früher geöffnet. Dort ist es nun an der Zeit, sich nach der Pandemie wieder aufzurappeln. Einfach zurück zur Normalität wird aber kaum möglich sein, denn die Sonderverwaltungszone hat wirtschaftlich schwer gelitten. Um 3,2 Prozent brach die Wirtschaft in Hongkong 2022 ein, die Exporte sanken sogar um fast 29 Prozent im Vorjahresvergleich, der schlechteste Wert seit 1953.
Auch das internationale Image Hongkongs hat Schaden genommen, durch den Crackdown gegen die Demokratie-Bewegung. Wie es wieder aufwärts gehen soll, und was Singapur besser macht, analysiert unser Team in Peking.
Chinas Corona-Einreisebeschränkungen sind nun also passé. Doch wer sich bereits auf einen Teller dampfender Jiaozi beim baldigen Besuch in Peking gefreut hat, wird sich wohl noch bis Mai gedulden müssen. Visa gibt es aktuell nur für Verwandte ersten Grades und Geschäftsleute. Auch Flugverbindungen sind knapp und das treibt den Preis. Doch warum verwehrt Peking Touristen den Besuch, während die eigenen Bürger wieder in die Welt hinaus dürfen? Es könnte auch politisches Kalkül dahinter stecken, schreibt Fabian Peltsch in seiner Analyse.
Anstelle einer Reise nach China gibt es bei uns einen Blick aus China. Das Frühlingsfest bringt Familien endlich wieder zusammen und wie unter vielen Weihnachtsbäumen hierzulande sind bei solchen intensiven Familientreffen beim Feuertopf auch Konflikte vorprogrammiert. Worüber sich chinesische Eltern mit ihren erwachsenen Kindern kabbeln, und wo dieses Jahr große Einigkeit herrscht, lesen Sie in unserer Kolumne zum Ende der Woche.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.
Während chinesische Touristen nach dem Ende der strikten Zero-Covid-Maßnahmen wieder in die Welt reisen dürfen, hält China seine eigenen Grenzen für ausländische Touristen weiterhin geschlossen. “Zurzeit ist die Beantragung eines Touristen-Visums leider nicht möglich”, erklärt die offizielle China-Visa-Stelle in Berlin auf Anfrage. Bislang dürfen nur Geschäftsleute und Verwandte ersten Grades aus dem Ausland in die Volksrepublik einreisen. Auch Studierende können mit entsprechenden Einladungen chinesischer Gastuniversitäten grundsätzlich wieder ein Visum beantragen. Was Touristenvisa angeht, sei ein Zeitpunkt für die Vergabe jedoch “im Moment nicht vorauszusehen.”
“Wir schätzen, dass Touristen aus Europa ab Mai 2023 wieder nach China reisen können”, sagt Yang Ciyuan, Geschäftsführer beim deutsch-chinesischen Reiseveranstalter Sinorama mit Sitz in Düsseldorf. Einen Grund für die Verzögerung bei der Visa-Vergabe sieht er in den wenigen Flugverbindungen zwischen Europa und China, die nun erst wieder ausgeweitet werden müssen. “Es werden momentan nur ungefähr ein Zehntel so viele Flüge wie vor der Pandemiezeit angeboten, sodass auch die Flugpreise noch sehr hoch sind.”
Wolfgang Arlt, Direktor von COTRI, dem Marktführer für Studien zur chinesischen Tourismusbranche, sieht ein anderes Kalkül am Werk. “Mit der Einreise-Verzögerung für Touristen will China vermeiden, dass eine breitere Masse an Ausländern das derzeitige Chaos mitbekommt, zum Beispiel im Gesundheitssystem.” Für China ist der Tourismus immer auch ein politischer Hebel, sagt Arlt. Am vergangenen Freitag hatte Peking bekannt gegeben, dass Gruppenreisen chinesischer Touristen ab dem sechsten Februar in 20 Länder wieder zugelassen werden. Auffallend sei, dass dazu vor allem Zielländer gehören, die Peking als “Freunde Chinas” betrachtet, etwa Thailand, die Vereinigten Arabischen Emirate, Südafrika, Russland und Kuba.
“Als Südkorea 2017 ein amerikanisches Raketenabwehrsystem installierte, verbot das Pekinger Tourismusministerium kurzerhand Gruppenreisen nach Südkorea”, erzählt Arlt, der gerade zusammen mit dem Tourismus-Spezialisten Gary Bowerman das “China Outbound Tourism Handbook 2023” publiziert hat. Andererseits nehme das Interesse an Gruppenreisen immer mehr ab. “Die Zeiten sind vorbei, in denen Chinesen in Bussen vor Sehenswürdigkeiten anhalten und sonst nicht viel vom Land sehen.”
Insgesamt blieben chinesische Touristen für Deutschland und Europa aber weitaus wichtiger als umgekehrt, sagt Arlt. “Die Bedeutung deutscher Touristen ist für die chinesische Reisebranche verschwindend gering”. Dennoch gab und gibt es in Deutschland zahlreiche Reiseveranstalter, die sich auf Reisen nach China spezialisiert haben, und die nun sehnsüchtig darauf warten, dass das Land wieder seine Tore für Touristen öffnet. Nicht alle von ihnen haben die drei Jahre Pandemie überlebt. Ein bekannter Fall war der Hamburger Reiseveranstalter China Tours, der im Februar 2020 Insolvenz anmeldete und mit stark verkleinertem Team wieder von null anfangen muss.
Insbesondere Tochterfirmen chinesischer Reiseunternehmen konnten sich während der Pandemie über Wasser halten, indem sie innerhalb Chinas Reisen anboten. Alex Seigel von Dragon Trip, einem Veranstalter mit Büros in London, New York und Shanghai erklärt China.Table, dass seine Firma sich während der Pandemie etwa auf Studienreisen für internationale Schulen in China konzentriert habe. Auch Seigel glaubt an eine Öffnung für Touristen ab dem Frühsommer 2023. Wie sich die Reiselandschaft in China und die Nachfrage der Touristen dann verändert haben werde, müsse sich erst zeigen. Vor allem ländliche Gebiete seien durch den Inlandstourismus der vergangenen drei Jahre infrastrukturell besser ausgebaut als noch vor der Pandemie. Seigel geht auch davon aus, dass die Preise dann vielerorts höher sein werden.
Yang von Sinorama sieht das ähnlich: “Die Preise werden wahrscheinlich viel teurer als vor der Pandemiezeit.” Aber auch der Ukraine-Krieg und ein zunehmend negatives China-Bild könnten die Reiselust nach China deutlich dämpfen. “Die Medien verbreiten hier hauptsächlich negative Nachrichten. Das Image von China ist somit negativer als noch vier Jahre zuvor, besonders bei Leuten, die noch nie in China gewesen sind.” Dabei habe China als Reiseland wirklich viel zu bieten, sagt Yang.
Hannes Farlock blickt voller Zuversicht auf das neue Jahr. “Durch die Grenzöffnung kann Hongkong jetzt endlich wieder einen seiner zentralen Standortvorteile ausspielen”, freut sich der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Hongkong. So wie Farlock geht es in Hongkong dieser Tage vielen Wirtschaftsvertretern. Nach drei Jahren strikter Pandemie-Maßnahmen ist die chinesische Sonderverwaltungsregion auf dem Weg, endlich zur Normalität zurückzukehren.
Hongkong hat durch die Pandemie wirtschaftlich schwer gelitten. Während Chinas Wirtschaft trotz aller Beschränkungen im vergangenen Jahr um drei Prozent zulegte, musste Hongkong laut Schätzung wohl einen Einbruch der Wirtschaft um 3,2 Prozent hinnehmen. Das liegt vor allem daran, dass Hongkongs Geschäftsmodell als “Brücke nach China” und effizienter Hub in viele Länder Südostasiens durch die Abschottungsstrategie der Regierung nicht mehr richtig funktionierte. Auch die sonst so einkaufswütigen Touristen vom chinesischen Festland fehlten.
Doch nun soll die große Aufholjagd beginnen. Bereits vor China öffnete Hongkong im vergangenen Herbst seine internationalen Grenzen. Endlich mussten Reisende aus aller Welt keine Hotel-Quarantäne mehr über sich ergehen lassen. Seit dem 8. Januar sind auch endlich wieder Reisen von Hongkong auf das chinesische Festland ohne Isolation möglich. Fast alle Grenzposten zwischen Hongkong und der chinesischen Metropole Shenzhen sind wieder offen. Auch der Schnellzug, der Reisende vom Zentrum Hongkongs in weniger als einer Viertelstunde nach Shenzhen bringt, fährt wieder.
“Die Änderungen sind in der lokalen und internationalen Wirtschaft mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Für den geschäftlichen Erfolg in China ist persönlicher Kontakt unverzichtbar”, berichtet Farlock. Bei vielen Firmen gebe es dementsprechend einen enormen Nachholbedarf, ihre Chinabüros wieder zu besuchen und die Beziehungen zu Kollegen, Kunden, Lieferanten und anderen Geschäftspartnern wiederzubeleben.
Die Grenzöffnung ist ein Anfang. Doch hier und da ruckelt es auch noch. So müssen sich Reisende derzeit noch um eine Quote bewerben. 65.000 Plätze in beide Richtungen gibt es pro Tag. Erschwert werden Reisen zwischen Hongkong und Shenzhen auch dadurch, dass man in beide Richtungen innerhalb 48 Stunden vor der Abreise einen Corona-Test machen muss. Auch bei der Vergabe von Visa seien laut Fabrock noch einige Fragen offen.
Hongkong hatte bereits im vergangenen Oktober angekündigt, mit einer massiven Kampagne internationale Besucher zurückgewinnen zu wollen. So sollen dieses Jahr 500.000 Flugtickets im Wert von umgerechnet etwa 260 Millionen Euro verschenkt werden. Neben Touristen sollen auch Geschäftsreisende, die nach Hongkong kommen, von der Kampagne profitieren.
Doch schon als die Pläne verkündet wurden, warnten Kritiker, dass größere Anstrengungen nötig seien, als ein paar Gastgeschenke für Reisende. Nach “vier bitteren Jahren mit politischen Tumulten und der Covid-Krise” brauche es schon “mehr als kostenlose Flugtickets, um zu zeigen, dass Hongkong zurück ist”, kommentierte die Zeitung South China Morning Post in einem Leitartikel. Nicht nur die Pandemie, auch der Regierungs-Crackdown gegen die Demokratie-Bewegung hat dem internationalen Image Hongkongs geschadet. Die Herausforderungen seien nun umso größer, “da unsere regionalen Rivalen ihre Türen weit geöffnet haben”, so das Blatt.
Tatsächlich hat die Konkurrenz nicht geschlafen. Städte wie Hongkongs Dauerkonkurrent Singapur, aber auch Spieler wie Bangkok oder Seoul haben in den vergangenen Jahren aktiv um Unternehmen und Expats geworben, für die Hongkong immer weniger attraktiv wirkte. Während Hongkongs Wirtschaft litt, legte Singapurs Wirtschaft im vergangenen Jahr laut Schätzungen erneut um rund 3,5 Prozent zu. Auch auf dem Immobilienmarkt, wo in Singapur zuletzt historische Rekord-Preise gezahlt wurden, macht sich der Boom bemerkbar. In Hongkong gingen die Preise 2022 dagegen im Durchschnitt um rund 14 Prozent zurück.
Zwischen Singapur und Hongkong gibt es derzeit noch einen weiteren großen Unterschied. Zwar hat Hongkong einen Großteil seiner Pandemie-Maßnahmen zurückgenommen. Noch immer gilt jedoch überall in der Stadt Maskenpflicht. Jörn Petring
30.01.2023, 18:00 Uhr (31.01.2023, 01:00 Uhr Beijing time)
SOAS University of London, Webinar: China and the Russian Invasion of Ukraine: What next? Mehr
31.01.2023, 14:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
Center for Strategic & International Studies, Webinar: Assessing the Future Trajectory of China-Japan Relations Mehr
01.02.2023, 18:00 Uhr (02.02.2023, 01:00 Uhr Beijing time)
Zentrum für Ostasienwissenschaften Universität Heidelberg, Webinar: The Restraining Belt: Physical Infrastructure as China’s Means of Territorial Control Mehr
01.02.2023, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung e.V., Webinar: Business-Gespräch China: Das Jahr des Hasen – ein Ausblick auf 2023 Mehr
03.02.2023, 08:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing time)
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03.02.2023, 15:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)
The Fletcher School of Law and Diplomacy at Tufts University, Masterclass: The Harmony Academy with China’s first female conductor, Maestra Zheng Xiaoying Mehr
Staats- und Parteichef Xi Jinping hat Wang Huning beauftragt, eine neue Vereinigungspolitik für Taiwan auszuarbeiten. Das berichteten taiwanische Medien am Donnerstag unter Berufung auf Parteiquellen. Der 67-jährige Jurist und Politologe ist ein enger Vertrauter Xis und Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem engsten Machtzirkel der Partei. Seit Xis Amtszeit hat Wang die Funktion eines Chefideologen inne. Vor Xi beriet er aber auch schon Jiang Zemin und Hu Jintao zu ideologischen Fragen.
Wangs Auftrag könnte das Ende von Deng Xiaopings Idee von “Ein Land, zwei Systeme” bedeuten, die Peking seit Jahrzehnten für eine friedliche Vereinigung mit Taiwan propagiert. Nach dem Scheitern der Idee in Hongkong steht Peking unter Druck, einen neuen Plan zu entwerfen, wobei Wang nun den theoretischen Unterbau liefern soll.
Nachdem die Insel immer mehr in den geopolitischen Fokus rückt, spricht vieles dafür, dass Xi Jinping in den nächsten Jahre Taten folgen lassen könnte. Anfang 2024 finden in Taiwan zudem Präsidentschaftswahlen statt. Ob mehr militärischer Druck Teil von Wangs Taiwan-Konzept sein wird, oder ob er vor allem auf Kommunikation setzt, ist nach jetzigem Kenntnisstand offen. fpe
Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) sind landesweit noch immer Dutzende Demonstranten in Haft, nachdem sie im November gegen die strikte Null-Covid-Politik und für politische Freiheiten demonstriert hatten. Einige von ihnen seien ohne Kontakt zu Angehörigen und würden an unbekannten Orten festgehalten, teilte die in den USA ansässige Menschenrechtsorganisation mit.
HRW forderte die Führung in Peking auf, alle Inhaftierten sofort freizulassen und die gegen sie erhobenen Vorwürfe fallen zu lassen. Wer als junger Mensch in China wage, sich für Freiheit und Menschenrechte einzusetzen, zahle einen hohen Preis, erklärte die Organisation. In einem vor ihrer Festnahme aufgenommenen Video, das im Internet zirkuliert, bittet etwa die 36-jährige Redakteurin Cao Zhixin: “Lasst uns nicht von dieser Welt verschwinden. Lasst nicht zu, dass wir weggebracht oder willkürlich für ein Verbrechen verurteilt werden.” flee
Die US-Regierung hat den Abschiebe-Schutz für Hongkonger um zwei Jahre verlängert. Die Verlängerung des Programms mit dem Namen “Deferred Enforced Departure” (DED) bedeutet, dass Hongkonger, die andernfalls wegen Überschreitung ihres Visums abgeschoben würden, nun bis Januar 2025 in den USA bleiben können.
Das DED-Programm wäre in zwei Wochen ausgelaufen. “Mit dieser Aktion demonstrieren wir erneut die starke Unterstützung von Präsident Biden für die Menschen in Hongkong angesichts der zunehmenden Repression durch die VR China”, teilte der Nationale Sicherheitsrat einem Politico-Bericht zufolge mit. Die Regierung von Präsident Joe Biden erließ erstmals im August 2021 einen Abschiebungsaufschub. Rund 3.860 Hongkonger, die sich in den USA aufhielten, erhielten damals die Berechtigung, 18 Monate lang in den USA zu leben und zu arbeiten. Angesichts der sonst sehr strengen Visa- und Greencard-Regeln in den Vereinigten Staaten stellte das eine massive Erleichterung für die Geflüchteten aus Hongkong dar. ari
Im Nordosten Chinas herrscht aktuell eine Rekordkälte. In Peking sank das Thermometer im Stadtteil Mentougou laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Caixin auf minus 22,4 Grad Celsius, der niedrigste jemals aufgezeichnete Wert in der Hauptstadt. Mohe, eine Stadt in der Provinz Heilongjiang, meldete Temperaturen von minus 53 Grad Celsius. Damit wurde Chinas bisheriger Kälterekord von minus 52,3 Grad übertroffen, dieser war 1969 erreicht worden. Aber auch in der südwestlichen Provinz Yunnan, die für ihre milden Winter bekannt ist, sanken die Temperaturen auf null Grad.
In mehr als 20 Provinzhauptstädten wurden die niedrigsten Temperaturen in diesem Winter gemessen, Behörden gaben Kälte-, Frost- und Windwarnungen heraus. Lokale Offizielle sollten Vorkehrungen für mögliche Beeinträchtigungen der Wasser- und Energieversorgung, der Landwirtschaft und des Reiseverkehrs treffen. Zurzeit ist der Reisebetrieb in China wegen des Frühlingsfestes besonders hoch. jul
Die EU-Kommission startet ein Stipendienprogramm zu China-Themen. Das Fellowship ziele darauf ab, die strategische Zusammenarbeit mit Denkfabriken und Universitäten zu Fragen im Zusammenhang mit China zu fördern, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Die Stipendien werden im Rahmen von IDEA, der internen Beratung der Europäischen Kommission, eingerichtet. Sie richten sich an Akademiker und Forschende aus Denkfabriken und Universitäten, die im Politik-, Sozial-, Wirtschafts-, Digital- und Umwelt- sowie Klimabereich mit Bezug auf China spezialisiert sind. Die Fellowships sollen zwischen sechs und zwölf Monaten dauern, pro Runde gibt es bis zu 15 Stipendienplätze. ari
Als China am 7. Dezember die Covid-Maßnahmen abrupt aufhob, gab es Befürchtungen: Die anstehende Reisewelle und das Zusammentreffen von Familien während der chinesischen Neujahrsfeiertage könne die Pandemie erheblich verschärfen. Beim Silvesteressen am vergangenen Samstag schien jedoch fast jeder in China bereits infiziert und wieder genesen zu sein – oder verstorben.
Verwandte und Freunde tauschten ihre Erfahrungen mit der Krankheit aus und trauerten um die Toten. Doch die Angst ist verflogen. Den Leuten wurde eine große Last genommen. Auf jeden Fall haben sie das Gefühl: Die schwere Zeit ist jetzt vorbei.
Dies ist das erste Mal seit drei Jahren, dass chinesische Familien ein fast normales Neujahrsfest feiern können. Nach dem Kummer der letzten Jahre schienen Familienmitglieder und Verwandte freundlicher zueinander geworden zu sein – oder emotional distanzierter, je nachdem, wie man es sieht.
Die Feiertage, die eigentlich ein Anlass für freudige und besinnliche Treffen sein sollen, sind oft auch die Zeit für Familienkrach. Generationskonflikte, Fehden zwischen Geschwistern, Unzufriedenheit über die Verteilung des Vermögens und der familiären Verpflichtungen – all das bricht durch, wenn alle beisammen sind.
In den vergangenen zehn Jahren wurden in den sozialen Medien Beschwerden junger Menschen über nervige Verwandte lauter. Sie stammen oft von Arbeiterinnen und Arbeitern, die weit entfernt von ihrem Heimatort leben und sich darüber ärgern, zum Heiraten und Kinderkriegen gedrängt zu werden.
In diesem Jahr sind die Klagen darüber jedoch leiser geworden. “Sie drängen nicht mehr so aggressiv”, sagte eine 33-jährige Freundin von mir aus Zhejiang. Sie ist verheiratet, hat aber kein Kind. “Einige Verwandte fragen zwar immer noch danach, aber der Ton ist höflich, und man kann auch über etwas anderes reden.”
Auch die Demografie spielt eine Rolle. China hat 1979 die Ein-Kind-Politik eingeführt. Die erste Generation von Einzelkindern ist inzwischen Anfang bis Mitte vierzig. Zusammen mit der Verstädterung hat dies zu einer Verkleinerung der Familien und einer schwächeren Bindung der Großfamilie geführt. Das wiederum bedeutet eine geringere Einmischung ins Privatleben.
Während der Neujahrsfeiertage der letzten Jahre gab es am Familientisch eine weitere Quelle für Spannungen: unterschiedliche politische Ansichten, etwa über die Covid-Maßnahmen, die gelegentlich auch zu leidenschaftlichen Debatten führen konnten. In diesem Jahr ist von solchen Auseinandersetzungen kaum etwas zu hören. “In meiner Familie und in meinem Freundeskreis in Chengdu lästern inzwischen selbst diejenigen über die Null-Covid-Politik, die sie zuvor noch voll unterstützt haben”, kommentiert ein Mann namens Lacus auf Wechat.
In den Familien, die im vergangenen Monat Angehörige durch den Omikron-Ausbruch verloren haben, ist die Stimmungslage naturgemäß düsterer. Die Regierungsstellen haben dies vorausgesehen und im Vorfeld der Feiertage vorbeugende Richtlinien veröffentlicht, um zu verhindern, dass negative Kommentare vom Esstisch in die Medien überschwappen.
Die chinesische Internetsicherheitsbehörde kündigte am 18. Januar den Start einer einmonatigen Kampagne für “sauberen und klaren Cyberspace” an. Ein zentraler Punkt ist die “Verhinderung der Verbreitung düsterer Stimmung … und der dunklen Seiten der Gesellschaft”. Das ist eine vage Definition. Offensichtlich gehören Todesfälle und Schmerzen durch Covid dazu.
Ein Weg, dies zu verhindern, besteht wie üblich in der Zensur von Artikeln und Beiträgen und sogar der Sperrung von Social-Media-Konten. Es gibt aber noch zahlreiche andere Informationen, deren Verbreitung die Regierung unterdrücken will.
Ebenfalls kurz vor dem Neujahrsfest wurden neun Teilnehmer der regierungsfeindlichen Proteste Ende November in Peking offiziell verhaftet. Vor den Verhaftungen veröffentlichte eine Demonstrantin, Cao Zhixing, eine Videobotschaft im Internet. Sie hatte die Gefahr offenbar geahnt.
Ihr Videoclip und die Nachricht über die Verhaftungen zirkulierten auf sozialen Medien außerhalb Chinas. Einige posteten sie auch auf chinesischen Plattformen, die Beiträge wurden aber schnell gelöscht oder ausgeblendet.
Die Wut darüber, dass diese jungen Menschen die Feiertage hinter Gittern verbringen müssen und dann höchstwahrscheinlich ins Gefängnis wandern, zeigte sich an den Diskussionen darüber, wie ihnen geholfen werden könnte.
Das Neujahrsfest nach dem Mondkalender wird in vielen Ländern Ostasiens gefeiert. Seinen Ursprung hat es wahrscheinlich in China. Es ist jedoch zu einem festen Bestandteil all dieser lokalen Kulturen geworden.
Einige dieser Länder haben kleine Änderungen vorgenommen. So wird in Vietnam das neue Jahr zwar nach dem Mondkalender gefeiert. Aber während die Vietnamesen fast die gleichen Tierkreiszeichen zur Bezeichnung der Jahre verwenden, gibt es eine Ausnahme. Chinesen feiern das Jahr des Hasen. In Vietnam ist es das Jahr der Katze.
Forschung sei die Liebe seines Lebens. Das hatte Chen Chien-jen (陳建仁) 2020 erklärt, nachdem er als Vizepräsident von Taiwan abgetreten war. Der Epidemiologe hatte nach vier Jahren im Amt nicht mehr kandidiert und war an die staatliche Forschungsakademie Academia Sinica zurückgekehrt. Wenn er aber gebraucht werde, stünde er jederzeit bereit. Diese Zeit scheint jetzt gekommen. Taiwans Präsidialamt bestätigte am Mittwoch Medienberichte, wonach der 71-Jährige am 31. Januar das Amt des Premierministers übernehmen wird.
Nach der Wahlniederlage der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) im November hatte Premier Su Tseng-chang (蘇貞昌) seinen Rücktritt erklärt und eine Umbildung des Kabinetts angeregt. Genau das ist erfolgt. Voraussichtlich am Freitagvormittag sollen die Namen der neuen Ministerinnen und Minister in einer Pressekonferenz verkündet werden. Die Personalie Chen ist allerdings schon jetzt durchgesickert.
Dass Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen für das letzte Jahr ihrer zweiten Amtszeit ihren Vertrauten Chen Chien-jen aus der Wissenschaft zurück in die Politik holt, kommt für die meisten Beobachter nicht überraschend. Chen war seit längerem als möglicher Kandidat für das Amt des Premierministers gehandelt worden. Doch Chen hatte noch vor kurzem Berichten widersprochen, er sei in der engeren Auswahl für den Job des Regierungschefs.
Innerhalb der DPP gilt Chen als Kandidat der Mitte, der es geschafft hat, bisher keinen der mächtigen Parteiflügel gegen sich aufzubringen. Für seine Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeit wird er immer wieder gelobt. Während seiner Zeit als Vizepräsident hatte er Gegner und Unterstützer der gleichgeschlechtlichen Ehe zu Gesprächen in den Präsidentenpalast eingeladen und immer wieder versucht, Brücken zu bauen. Von der Präsidentin und vielen Unterstützern wird Chen auch liebevoll Bruder Da-jen (大仁哥) genannt – in Anlehnung an einen Protagonisten einer bekannten taiwanischen Seifenoper, der als warm und fürsorglich gilt.
Chen ist zugleich Taiwans bekanntester Epidemiologe und lehrt auch an der staatlichen National Taiwan University. Seinen Doktor machte er 1982 an der weltweit renommierten amerikanischen Johns Hopkins University. Schon bei der ersten SARS-Epidemie 2003 hatte er als Gesundheitsminister eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung des Virus gespielt. Auch während der Corona-Pandemie wurde er immer wieder beratend hinzugezogen: In fast keinem anderen Land ist die Pandemie so glimpflich verlaufen wie in Taiwan. Im März 2022 verfasste er einen Gastbeitrag im Wissenschaftsmagazin Nature und schrieb, dass es außer Wissenschaft auch Vertrauen, robuste Institutionen und soziale Kohäsion brauche, um eine blühende Gesellschaft zu schaffen.
So ganz konnte sich Chen aber auch nach seiner Rückkehr in die Forschung nicht von der Politik trennen. Ende 2021 trat er plötzlich in die Demokratische Fortschrittspartei ein – auf persönliche Einladung der Präsidentin. Während der Lokalwahlen im vergangenen Jahr leitete er außerdem den Wahlkampf des DPP-Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters von Taipeh Chen Shih-chung (陳時中). Zeitweise galt er gar als möglicher Nachfolger für Präsidentin Tsai. Mit der Wahl von Vizepräsident Lai Ching-te (賴清德) zum neuen Parteivorsitzenden der DPP scheint diese Möglichkeit aber in weite Ferne gerückt zu sein.
Als gläubiger Katholik war Chen auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik mehrfach als Sondergesandter der Präsidentin in den Vatikan gereist. Zuletzt zu den Trauerfeierlichkeiten für den deutschen Papst Benedikt XVI. Der Heilige Stuhl ist das einzige Land in Europa, das noch volle diplomatische Beziehungen mit der Republik China (Taiwan) unterhält. Als Anerkennung für seine wissenschaftlichen Leistungen hatte Papst Franziskus Chen 2021 zu einem ordentlichen Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ernannt.
Die Tatsache, dass Chen kein Berufspolitiker ist, trägt zu seiner Popularität in der Bevölkerung bei. Dort wird er vor allem für seinen Beitrag zur medizinischen Forschung und Taiwans Gesundheitswesen geschätzt. In seiner Rolle als Premier wird er sich aber noch mehr als bisher in politische Grabenkämpfe begeben müssen. Es dürfte auch für ihn schwierig werden, sein Image als ruhiger Kommunikator bei den berüchtigten Fragestunden in Taiwans Legislativ Yuan aufrechterhalten. David Demes
Marc Hofmann ist seit Jahresbeginn neuer Head of BMW Technology Office in China. Er war vorher für BMW in Israel, München und Japan.
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Gefeiert werden die ersten Tage des neuen Jahres alle. Doch an keinem Tag geht es so laut und feurig zu wie am fünften. Denn da wird der Gott des Wohlstands gefeiert. Er verspricht Reichtum – wenn ihm entsprechend gehuldigt wird. Und das bedeutet, wie hier im Guiyuan Tempel in Wuhan: nach Kräften böllern und zündeln.