wie kann Deutschland wieder eine eigene Solarindustrie aufbauen? An die Erfolge der 1990er- und 2000er-Jahre lässt sich nicht mehr anknüpfen. Eine Hightech-Industrie, die einmal an Asien verloren ist, lässt sich nicht kostendeckend wieder aufbauen. Kein europäischer Standort käme auf die hohen Produktions- und Absatzzahlen, wie in China üblich sind und dort günstige Preise ermöglichen.
Aber Europa ist nicht zur Abhängigkeit verdammt. Christiane Kühl zeigt in ihrer Analyse einen möglichen Weg auf, um wieder eine eigene Herstellung von Solarprodukten zu entwickeln. Und zwar nicht gegen China, sondern mit China. Die chinesischen Anbieter könnten angeleitet werden, in der EU in Gemeinschaftsunternehmen mit den rückständigeren Europäern zu produzieren, wenn sie ihren Marktzugang erhalten wollen. Fällt Ihnen etwas auf?
Amelie Richter hat derweil das neu zusammengesetzte EU-Parlament einem China-Check unterworfen. Sie bewertet die Position von führenden Abgeordneten der verschiedenen Parteien, die sich ab jetzt in den Ausschüssen hervortun können. Dazu gehören der Deutschen Bernd Lange und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Im Gesamtbild wird das Parlament also weiterhin kritische Fragen zur Chinapolitik stellen.
Schon einmal waren vor gut zehn Jahren die damals weltweit führenden deutschen Solarhersteller zusammengebrochen, als die chinesischen Firmen auf die Weltmärkte drängten – und Berlin zeitgleich auch noch die Förderung des Sektors einstellte. Seither dominiert China den Weltmarkt für Photovoltaik. Chinesische Firmen halten 90 Prozent Weltmarktanteil bei Solaranlagen; bei einigen Komponenten ist der Anteil noch höher. Einige europäische Solarfirmen denken nun darüber nach, mit ihren chinesischen Lieferanten Gemeinschaftsunternehmen in Europa aufzubauen.
“Die Idee ist es, die Kerntechnologien der Photovoltaik mit großen Produktionskapazitäten in Europa anzusiedeln”, erklärt Henning Rath, Chief Supply Chain Manager des Solarunternehmens Enpal. Man sei dazu seit etwa einem Jahr mit den Technologiepartnern in China im Gespräch. Pro Produktionsschritt – Polysilizium, Ingots, Wafer, Zellen, Module – seien bis zu vier Partner aus der EU und China an den Plänen beteiligt. Namen der betreffenden Unternehmen nannte Rath im Gespräch mit Table.Briefings nicht. Solche Joint Ventures könnten aufgrund der Teilhabe der chinesischen Firmen günstiger produzieren, so das Kalkül. Auch hätten sie damit direkten Zugriff auf die hochmoderne Solartechnologie Chinas.
Denn viele technologische Kenntnisse sind in Europa zwar in der Theorie noch vorhanden, doch werden sie angesichts der Misere im lokalen Solarsektor immer weniger eingesetzt. Seit dem unerwartet rasanten Preisverfall des Sommers 2023 aufgrund einer bestellten, aber dann nicht mehr benötigten Flut an Solarmodulen aus China mussten allein in Deutschland mehrere Hersteller schließen. Meyer Burger, einer der größten Solarhersteller Europas, hatte in Deutschland eigentlich neue Fabriken bauen wollen. Doch stattdessen machte er sein Werk für Solarmodule im sächsischen Freiberg dicht – und expandiert stattdessen in den USA. Denn dort fließen, anders als in Europa, großzügige Subventionen für die gesamte Lieferkette.
In Europa ist die Lieferkette kaum noch existent. Mit der deutschen Wacker Chemie gibt es nur beim Rohstoff Polysilizium nach einer aktuellen Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) noch ein europäisches Unternehmen unter den fünf weltweit führenden Firmen. Allerdings habe Wacker auch selbst umfassende Aktivitäten in China.
Und dort wächst die Branche trotz aller Überkapazitäten weiter und entwickelt sich auch technologisch rasant. Das zeigt eine Fülle einzelner Meldungen aus dem Sektor. So berichtete der Fachdienst Carbon Brief im Juli etwa, dass die chinesische Produktionskapazität für Siliziumwafer bis Ende 2023 953 Gigawatt (GW) erreicht hatte, was fast 98 Prozent der weltweiten Gesamtkapazität entspricht. In der chinesischen Provinz Hubei sei zudem gerade das weltweit größte Projekt zur Energiespeicherung mit Natrium-Ionen-Batterien in Betrieb genommen worden. Auch in Europa ist die Speicherung erneuerbaren Stroms ein Riesenthema.
Von den technologischen Fortschritten ihrer vielfach staatlich geförderten Partner wollen die europäischen Unternehmen nun profitieren. Geplant ist laut Rath, dass die europäischen Partner in den jeweiligen Joint Ventures die Mehrheit der Anteile halten – und dass es einen Technologietransfer aus China nach Europa gibt. “Der Technologietransfer bedeutet dabei nicht nur neue Produkt-Technologie, sondern ganz klar auch Produktionstechnologie.” Das bedeutet: Maschinen für die Produktion von Solar-Komponenten.
“Diesen Bereich haben wir in Deutschland in den letzten 20 bis 30 Jahren nicht unbedingt verlernt – aber outgesourct, weil wir mit einer gewissen Überheblichkeit gesagt haben: Wir wollen Dinge entwickeln, aber wir wollen diese dann in Niedriglohnländern produzieren lassen.” Genau das falle nun auf die EU zurück, “denn wir können entlang der Photovoltaik-Wertschöpfungskette teilweise gar nicht mehr produzieren – sondern müssen es uns jetzt mithilfe von Partnerschaften wieder nach Europa zurückholen und einkaufen.”
In der Bundesregierung zeichnet sich derzeit die Tendenz ab, in den sauren Apfel zu beißen und China als Lieferanten zu akzeptieren. Denn da, wo ein ganzer Industriezweig bereits weggebrochen ist, wird der Wiederaufbau überproportional teuer – und die Herstellung wird keinesfalls wettbewerbsfähig sein. Die hohen Produktionskapazitäten Chinas werden zugleich als Chance gesehen, ein hohes Wachstum der Solarkapazitäten aufrechtzuerhalten.
In den Gedankenspielen der Bundesregierung spielen also weiterhin die Importe aus China eine zentrale Rolle. Dazu kommt die Vorstellung, Anbieter aus China in Europa anzusiedeln, um wieder mehr Wertschöpfung ins Inland zu holen. Die Analyse von Risiken und Chancen einer Kooperation mit China im Cleantech-Bereich hat laut der ECFR-Studie gerade erst begonnen. Bei Solar sind die Risiken laut der Autoren aber vergleichsweise gering.
Die Ansiedlung chinesischer Anbieter entspricht in etwa den Plänen von Enpal und Partnern. Man sei zu dem Joint Venture-Projekt etwa seit einem Jahr mit den chinesischen Technologieführern und auch mit den europäischen Partnern im Gespräch, erzählt Rath. “Es geht darum, wer welche Rolle übernehmen könnte, wie das Projekt kapitalisiert werden kann, und wie wir es hochskalieren können. Dazu brauchen wir dreierlei: Wir brauchen die Abnehmerschaft, die einen gewissen Absatz sicherstellt. Und wir brauchen Knowhow für die Produktentwicklung und für die Produktion selbst.” Zu den Abnehmern zählt Rath Firmen wie Enpal, die fertige Solaranlagen direkt an Endverbraucher vermarkten.
Auch wolle man “Klarheit schaffen, wann, in welcher Größe und welchem Finanzierungsrahmen wir starten können – also auch Klarheit darüber, in welcher Form wir etwa vom Bund oder von der Europäischen Union mit Geldern unterstützt werden können”, sagt Rath. Denn ganz ohne Subventionen würden die geplanten Gemeinschaftsfirmen nicht auskommen. Es gehe dabei aber nur um Investitionsförderung über einen begrenzten Zeitraum. Für die Produktion von Solarmodulen sei Förderung ohnehin nicht so wichtig, da sie weitgehend automatisiert ablaufe. “Bei Modulen sind die chinesischen Partner zudem sehr offen, auch selbst zu investieren.”
Schwieriger seien die Vorprodukte, die die Partner ebenfalls gemeinsam in Europa herstellen wollen, also die Solarzellen, Wafer oder Polysilizium. “Da sind hohe Investitionen nötig, um wieder Produktionen aufzubauen.” Auch die laufenden Kosten dieser Fabriken seien hoch. Man befinde sich zu dem Thema in Diskussionen, wie eine Unterstützung aussehen könne, so Rath.
Ob die geplanten Joint-Ventures von der Politik Förderzusagen bekommen werden, ist aber ungewiss. “Natürlich wäre Rückenwind der Bundesregierung hier schön”, sagt Rath, dem bewusst ist, dass es in der Politik Vorbehalte gegen eine Einbindung chinesischer Firmen gibt. Er betont: “Für mich sind das Leuchtturmprojekte, bei denen mir wichtig ist, dass wir sie ohne falsche Angst voranbringen.” Mitarbeit: Finn Mayer-Kuckuk
Nach der EU-Wahl Anfang Juni formiert sich das frisch gewählte Europaparlament, die wichtigen Schlüsselpositionen in den Ausschüssen werden neu besetzt. Einige davon bleiben in erfahrenen Händen – dass das EU-Parlament seine bisherige Stoßrichtung in Sachen China massiv ändern wird, ist unwahrscheinlich.
Für den mächtigen Handelsausschuss wurde vergangene Woche der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange erneut als Vorsitzender gewählt. Lange hatte in der letzten Legislaturperiode maßgeblich das EU-Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang (Anti-Coercion Instrument, kurz ACI) vorangetrieben. Das ACI wartet noch auf seinen ersten Einsatz. “Wir haben in den nächsten fünf Jahren viel vor: Im Kontext des zunehmenden globalen Wettbewerbs zwischen den USA und China müssen wir unseren eigenen Kurs festlegen”, betonte Lange nach seiner Wahl.
Mehr Unabhängigkeit von chinesischen Gütern gehört für Lange zu dieser Strategie: Für nichtwestliche Partner müsse ein attraktives Paket geschnürt werden, das Marktzugang, Investitionen über die EU-Infrastrukturinitiative Global Gateway und Möglichkeiten für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung umfasse, so der SPD-Europapolitiker. “Es macht keinen Sinn, eine Praxis fortzusetzen, bei der fast alle Rohstoffe auf der ganzen Welt verteilt, aber von oder in China raffiniert werden.” Diversifizierung und das Angebot einer echten Alternative zu ausbeuterischen Praktiken würden von entscheidender Bedeutung sein.
Lange setzt sich für einen “Fitnesstest” der wirtschaftlichen Verteidigungsinstrumente ein und nennt dabei die Regulierung für ausländische Subventionen (FSR). Geprüft werden müsse, ob diese zu den EU-Ambitionen eines grünen Wandels passt, so Lange. Die FSR war zuletzt von China stark kritisiert worden.
Neben Lange wird der Handelsausschuss von der französischen Abgeordneten Manon Aubry (Linke), dem konservativen Ungarn Iuliu Winkler (EPP), der Schwedin Karin Karlsbro (liberale Renew) und der Belgierin Kathleen van Brempt (S&D) als Vize-Vorsitzende geleitet. Auch die von China sanktionierten Abgeordneten Raphaël Glucksmann und Miriam Lexmann sind Teil des Ausschusses. Mitglied ist auch der AfD-Europapolitiker Maximilian Krah. Krahs parlamentarischer Mitarbeiter war vor der Europawahl wegen mutmaßlicher Spionage für China festgenommen worden.
Auch der Ausschuss für Außenpolitik ist mit China kritisch gegenüber tretenden Mitgliedern besetzt: Mika Aaltola aus Finnland hat Peking mehrfach eine “imperialistische und autokratische Gefahr” genannt. Der Litauer Petras Auštrevičius ist Teil der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), einer pekingkritischen Organisation aus weltweit zwei Dutzend Parlamenten. Auch der Franzose Glucksmann ist Mitlied. Als Vorsitzender wurde erneut der CDU-Europaabgeordnete David McAllister gewählt.
Die Grünen-Politikerin Anna Cavazzini wird wieder dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vorsitzen. Cavazzini war innerhalb des EU-Parlaments eine treibende Kraft hinter dem Einfuhrverbot für Produkte aus Zwangsarbeit, das vor allem Waren aus Xinjiang treffen wird, und dem EU-Lieferkettengesetz. Sie hatte sich zuletzt auch für die Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge ausgesprochen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist die neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im EU-Parlament. “Die Konflikte in unserer Nachbarschaft und die sich verändernden geopolitischen Gezeiten bedeuten, dass wir einen Wandel in der europäischen Sicherheit brauchen, damit wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können”, betonte Strack-Zimmermann zu ihrer Wahl. Das EU-Parlament hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits auch für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EU und Nato ausgesprochen. Strack-Zimmermann hatte mehrfach ein Einwirken Pekings auf Moskau gefordert.
Der Unterausschuss für Menschenrechte wird von dem französischen Grünen-Abgeordneten Mounir Satouri als neuem Vorsitzenden geleitet. Der Unterausschuss war in der Vergangenheit an mehreren Resolutionen, zu Hongkong und Xinjiang beteiligt. Satouri befasst sich bisher weniger mit der Thematik China, sein Fokus liegt auf dem Nahen Osten.
Neben den Ausschüssen sind auch die Delegationen wichtig für die Arbeit des Europaparlaments zu China. Die China-Delegation bleibt mit 38 Mitgliedern die größte. Wer den Vorsitz übernehmen wird, ist noch nicht klar. Das soll am 19. September in Straßburg entschieden werden. Für Asien wird es neben China auch Delegationen für Japan (24 Mitglieder), Indien (24 Mitglieder), Asean (27 Mitglieder), die Koreanische Halbinsel (13 Mitglieder) Zentralasien (19 Mitglieder) und Südasien (15 Mitglieder) geben.
Die Europäische Taiwan Freundschaftsgruppe, ein Zusammenschluss von EU-Abgeordneten, der aber keine offizielle Delegation ist, wird weiterhin vom CDU-Europapolitiker Michael Gahler geleitet werden.
Die Bundesregierung gibt China die Schuld für einen Cyberangriff im Jahr 2021 auf das Bundesamt für Kartografie und Geodäsie (BKG). Auf Basis von Geheimdienstinformationen sei die Cyberattacke chinesischen Akteuren zuzuordnen, sagte ein Sprecher des Bundesaußenministeriums am Mittwoch in Berlin. Erstmals seit 1989 sei deswegen der chinesische Botschafter in Deutschland einbestellt worden. Die Bundesregierung verurteile solche Angriffe auf das Schärfste.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums ergänzte, es habe eine umfassende Untersuchung des Falls gegeben. Die Chinesen seien erfolgreich aus den BKG-Systemen gedrängt worden. Die Behörde stellt Geodaten zur Verfügung. rtr
Will die Bundesregierung ihr Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 erreichen, ist Deutschland auf chinesische Hersteller angewiesen. Das zeigt eine Studie der Denkfabrik Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG). Mit seinem aktuellen Kurs werde Deutschland die Zielmarke um rund sechs Millionen Fahrzeuge verfehlen.
Die Autoren kritisieren insbesondere die höheren Importzölle, die die EU auf Elektroautos aus China erheben will. Sie würden zu höheren Preisen für Kunden führen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gefährden. “Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen”, fordert Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende.
“Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber ein schneller Strukturwandel zu Elektromobilität trägt auch zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China bei”, sagte Hochfeld. Aber gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge könnten chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen.
Hochfeld plädiert zugleich für eine “rasche Ansiedlung chinesischer Unternehmen in Europa nach gemeinsamen Spielregeln”. Dies würde mehr Wertschöpfung bringen als Importe. Damit biete sich die Gelegenheit, in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen Entwicklungsrückstände aufzuholen. flee
Die US-Regierung will im August Insidern zufolge eine erneute Verschärfung des Embargos für Technologie-Exporte nach China vorstellen. Die Lieferung von Maschinen zur Chip-Herstellung aus bestimmten verbündeten Staaten sei davon aber ausgenommen, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen am Mittwoch gegenüber Reuters. Daraufhin stiegen die Aktien von Zulieferern wie ASML aus den Niederlanden oder Tokyo Elektron aus Japan um bis zu 7,4 Prozent. Für beide Firmen ist China ein wichtiger Absatzmarkt.
“Wirksame Exportkontrollen beruhen auf multilateraler Zusammenarbeit”, sagte ein US-Beamter. “Wir arbeiten kontinuierlich mit gleichgesinnten Ländern zusammen, um unsere gemeinsamen nationalen Sicherheitsziele zu erreichen.” Für insgesamt mehr als 30 Staaten werde es Ausnahmeregelungen geben.
Die USA berufen sich nach weiteren Aussagen der Insider für die Embargo-Verschärfung auf eine Bestimmung aus dem Jahr 1959, die Foreign Direct Product Rule. Sie gibt der US-Regierung das Recht, den Verkauf von Produkten zu untersagen, die mithilfe amerikanischer Technologie entwickelt wurden. Bei Verstößen können auch ausländische Firmen mit Strafen belegt werden.
In den vergangenen Jahren wurde die Bestimmung vor allem dazu genutzt, um dem umstrittenen chinesischen Konzern Huawei den Zugang zu ausländischen Computerchips zu verwehren. Bei einer geplanten Verschärfung des Embargos würden auch Produkte unter die Beschränkungen fallen, bei denen der Anteil amerikanischer Technik bei der Herstellung bislang als zu gering betrachtet wurde, fügten die Insider hinzu. Außerdem würden 120 weitere chinesische Chip-Produzenten und -Zulieferer auf die schwarze Liste gesetzt. Zunächst blieb aber unklar, um welche Firmen es sich handelt. rtr
Siemens Healthineers erwartet im nächsten Geschäftsjahr mehr Aufträge für CT- und MRT-Geräte in chinesischen Kliniken und Gesundheitseinrichtungen. Zurzeit verzögerten noch die Anti-Korruptionsmaßnahmen im Gesundheitswesen die Auftragsvergabe. “Wir erwarten, dass sich das 2025 in Nachholbedarf auswirkt”, sagte Vorstandschef Bernd Montag.
Siemens Healthineers beobachte Vorbereitungen für ein staatliches Programm, das die Investitionen in das chinesische Gesundheitssystem ankurbeln solle. Im laufenden vierten Quartal 2023/24, das bis Ende September läuft, erwarte man eine Stabilisierung des Geschäfts mit Medizintechnik-Ausrüstung in China.
Die gedämpften Wachstumsprognosen für die Imaging-Sparte wirken sich im laufenden Geschäftsjahr auch auf die Margen aus. Die operative Umsatzrendite in der Sparte werde eher am unteren Ende der Spanne von 21,0 bis 22,5 Prozent liegen, sagte Finanzchef Jochen Schmitz. Das werde teilweise durch die bessere Entwicklung in der Diagnostik-Sparte wettgemacht, deren Marge am oberen Ende der Spanne von vier bis sechs Prozent liegen werde. Der Umbau dort laufe besser als gedacht. rtr
Die chinesische Handelsgruppe Alibaba verstärkt den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) auf ihrer Business-to-Business-Plattform. Ab September wird die International Digital Commerce Group (AIDC) Werkzeuge bereitstellen, mit denen Unternehmen leichter und zielgenauer mit Lieferanten zusammenfinden können. Es soll damit möglich sein, unter zahlreichen Anbietern mögliche Geschäftspartner durch Fragestellungen in menschlicher Sprache zu finden.
Das KI-gesteuerte Beschaffungstool wird laut Angaben des Unternehmens vom Mittwoch über eine eigene mobile App und die offizielle Website zugänglich sein. Im November hatte Alibaba die KI-Plattform Aidge an den Start gebracht. Diese wird mittlerweile nach eigenen Angaben von einer halben Million Anbietern genutzt. ari
US-Präsident George H.W. Bush bemerkte einst: “Kein Land der Erde hat es geschafft, Waren und Dienstleistungen aus der ganzen Welt zu importieren und gleichzeitig fremde Ideen an der Grenze aufzuhalten.” In einem Zeitalter, als Demokratien die Spitzentechnologien beherrschten, handelte es sich bei den von Bush gemeinten Ideen um Konzepte, die mit Amerikas eigenem Modell der politischen Ökonomie vereinbar waren.
Doch nun, da China zu einem führenden Innovator im Bereich Künstlicher Intelligenz aufgestiegen ist, stellt sich die Frage, ob diese Form der wirtschaftlichen Integration Länder in die entgegengesetzte Richtung bewegen könnte. Besonders relevant präsentiert sich diese Frage für Entwicklungsländer, da viele von ihnen nicht nur institutionell instabil sind, sondern auch über Handel, Auslandshilfe, Kredite und Investitionen zunehmend mit China in Verbindung stehen.
Obwohl KI als Grundlage für eine “vierte industrielle Revolution” gepriesen wurde, birgt sie auch viele neue Herausforderungen. KI-Technologien haben zwar das Potenzial, das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren voranzutreiben, aber auch Demokratien zu untergraben, Autokraten in ihrem Streben nach sozialer Kontrolle zu unterstützen und “Überwachungskapitalisten” zu stärken, die unser Verhalten manipulieren und von Datenspuren profitieren, die wir online hinterlassen.
Da China die KI-gestützte Gesichtserkennung offensiv einsetzt, um seinen eigenen Überwachungsstaat zu stützen, haben wir uns kürzlich daran gemacht, Muster und politische Folgen des Handels mit diesen Technologien zu untersuchen. Nach dem Aufbau einer Datenbank für den weltweiten Handel mit Gesichtserkennungs-KI im Zeitraum von 2008 bis 2021 ermittelten wir 1.636 entsprechende Transaktionen aus 36 Exportländern in 136 Importländer.
Auf der Grundlage dieses Datensatzes dokumentieren wir drei Entwicklungen. Erstens verfügt China über einen komparativen Vorteil im Bereich KI für Gesichtserkennung. Das Land exportiert in beinahe doppelt so viele Länder wie die Vereinigten Staaten (83 gegenüber 57 Geschäftsverbindungen), und hat etwa 10 Prozent mehr Handelsabkommen abgeschlossen (238 gegenüber 211). Darüber hinaus präsentiert sich der komparative Vorteil bei KI-Gesichtserkennung größer als bei anderen Spitzentechnologie-Exporten wie radioaktiven Materialien, Dampfturbinen sowie Laser- und anderen Strahlverfahren.
Obwohl Chinas komparativer Vorteil womöglich das Produkt verschiedener Faktoren ist, wissen wir, dass die chinesische Regierung die weltweite Vormachtstellung im Bereich KI zu einem ausdrücklichen entwicklungspolitischen und strategischen Ziel erklärte und dass die Branche für Gesichtserkennungs-KI von ihrer Nachfrage nach Überwachungstechnologie profitiert hat, weil sie häufig Zugang zu großen staatlichen Datensätzen erhielt.
Zweitens stellen wir fest, dass Autokratien und schwache Demokratien eher dazu neigen, KI zur Gesichtserkennung aus China zu importieren. Während die USA die Technologie überwiegend in reife Demokratien exportieren (auf diese entfallen etwa zwei Drittel ihrer Geschäftsverbindungen beziehungsweise drei Viertel ihrer Transaktionen), exportiert China etwa gleich viel in reife Demokratien und Autokratien oder schwache Demokratien.
Weist China also eine Tendenz zum Export in autokratische Länder auf oder exportiert das Land insgesamt einfach mehr Produkte in Autokratien und schwache Demokratien? Als wir Chinas Exporte im Bereich Gesichtserkennungs-KI mit den Exporten anderer Spitzentechnologien verglichen, stellten wir fest, dass die Gesichtserkennungs-KI die einzige Technologie ist, bei der China eine Tendenz in Richtung Autokratien aufweist. Ebenso bemerkenswert ist, dass wir bei der entsprechenden Untersuchung der USA keine derartige Verzerrung feststellen konnten.
Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied besteht darin, dass sich Autokratien und schwache Demokratien bei der Beschaffung von Überwachungstechnologien womöglich gezielt an China wenden. Das bringt uns zu unserer dritten Erkenntnis: Autokratien und schwache Demokratien importieren in Jahren, in denen sie innenpolitische Unruhen erleben, mit größerer Wahrscheinlichkeit Gesichtserkennungs-KI aus China.
Diese Daten machen deutlich, dass schwache Demokratien und Autokratien dazu neigen, Überwachungs-KI aus China – aber nicht aus den USA – in den Jahren zu importieren, da diese Unruhen auftreten, aber nicht präventiv oder im Nachhinein. Importe von Militärtechnologie folgen einem ähnlichen Muster. Im Gegensatz dazu konnten wir nicht feststellen, dass reife Demokratien als Antwort auf Unruhen mehr KI zur Gesichtserkennung importieren.
Eine letzte Frage betrifft die umfassenderen institutionellen Veränderungen in diesen Ländern. Aus unserer Analyse geht hervor, dass die Einfuhr chinesischer Überwachungs-KI im Zuge innerstaatlicher Unruhen tatsächlich mit weniger fairen, weniger friedlichen und insgesamt weniger glaubwürdigen Wahlen in einem Land einhergeht. Ein ähnliches Muster scheint auch für die Einfuhr von US-amerikanischer Überwachungs-KI zu gelten, wenngleich dieses Ergebnis weniger präzise einzuschätzen ist.
Gleichzeitig finden wir bei reifen Demokratien keinen Zusammenhang zwischen der Einfuhr von Überwachungs-KI und institutioneller Qualität. Daher interpretieren wir unsere Ergebnisse nicht als kausale Auswirkung von künstlicher Intelligenz auf Institutionen, sondern betrachten die Importe von künstlicher Intelligenz zur Überwachung und die Aushöhlung nationaler Institutionen in Autokratien und schwachen Demokratien als das gemeinsame Ergebnis des Strebens eines Regimes nach größerer politischer Kontrolle.
Interessanterweise finden wir auch Hinweise darauf, dass Autokratien und schwache Demokratien, die in Zeiten von Unruhen in großem Stil chinesische Überwachungs-KI importieren, sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu reifen Demokratien entwickeln als vergleichbare Länder mit weniger Importen von Überwachungs-KI. Dies lässt vermuten, dass die von Autokratien in Zeiten von Unruhen angewandten Taktiken – der Import von Überwachungs-KI, die Aushöhlung von Wahlrechtsinstitutionen und der Import von Militärtechnologie – wirksam zur Festigung nicht-demokratischer Regime beitragen können.
Unsere Forschung ergänzt Belege, wonach Handel der Demokratie nicht immer förderlich ist oder Regime liberalisiert. Vielmehr kann Chinas stärkere Verflechtung mit den Entwicklungsländern womöglich genau das Gegenteil bewirken.
Dies legt die Notwendigkeit einer strengeren Regulierung des KI-Handels nahe, die nach dem Vorbild der Regulierung anderer Güter mit negativen externen Effekten gestaltet werden könnte. Insofern, als autokratisch verzerrte KI auf Daten trainiert wird, die zum Zweck der politischen Unterdrückung gesammelt wurden, ist sie mit Gütern vergleichbar, die mit unethischen Ressourcen wie etwa Kinderarbeit hergestellt werden. Und da Überwachungs-KI mit negativen externen Effekten wie dem Verlust bürgerlicher Freiheiten und politischer Rechte einhergehen kann, ist sie der Umweltverschmutzung nicht unähnlich.
Wie alle Technologien mit doppeltem Verwendungszweck hat auch die KI zur Gesichtserkennung das Potenzial, Verbrauchern und Unternehmen Vorteile zu bringen. Die entsprechenden Regulierungsbestimmungen müssen jedoch umsichtig gestaltet werden, um zu gewährleisten, dass diese Spitzentechnologie in der ganzen Welt Verbreitung findet, ohne die Autokratisierung zu fördern.
Übersetzung: Helga Klinger-Groier
Martin Beraja ist Assistenzprofessor für Wirtschaftswissenschaften am MIT. David Y. Yang ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Direktor des Center for History and Economics an der Harvard University. Noam Yuchtman ist Professor für Politische Ökonomie und Fellow am All Souls College der University of Oxford. Andrew Kao hat an diesem Kommentar mitgearbeitet.
Copyright: Project Syndicate, 2024.
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Francesca Ghiretti ist neu als Research Leader bei dem NGO-Thinktank Rand Europe. Ghiretti war zuvor unter anderem als Analystin bei Merics tätig.
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Das chinesische Internet fiebert mit den 405 nach Paris gereisten Athleten aus der Volksrepublik. Jeden Tag wird ein neuer Held oder eine neue Heldin gekürt, etwa die Hongkonger Fechterin Vivian Kong Man-wai oder die Tischtennis-Asse Wang Chuqin and Sun Yingsha, die allesamt Gold geholt haben.
Gleichzeitig machen sich die Netizens aber auch Sorgen um die Zustände in den Unterkünften. Weil die Olympischen Spiele in Frankreich besonders klimafreundlich sein will, mangle es an angemessenem Komfort. Neun Athleten müssten sich auf einer Etage des Olympischen Dorfes ein Sofa und zwei Toiletten teilen. Betten und Stühle seien aus wiederverwertbarem Karton und dementsprechend unbequem. Auch an Klimaanlagen fehle es – trotz Hitze.
Das alles werde sich negativ auf die Leistung der Sportler auswirken, unken die Kritiker und nennen die Spiele ironisch “selbst initiiert” 自主奥运 – wer glänzen will, müsse eben seine eigenen Möbel mitbringen, sein eigenes Essen kochen oder tragbare Klimaanlagen aus China übers Internet bestellen.
wie kann Deutschland wieder eine eigene Solarindustrie aufbauen? An die Erfolge der 1990er- und 2000er-Jahre lässt sich nicht mehr anknüpfen. Eine Hightech-Industrie, die einmal an Asien verloren ist, lässt sich nicht kostendeckend wieder aufbauen. Kein europäischer Standort käme auf die hohen Produktions- und Absatzzahlen, wie in China üblich sind und dort günstige Preise ermöglichen.
Aber Europa ist nicht zur Abhängigkeit verdammt. Christiane Kühl zeigt in ihrer Analyse einen möglichen Weg auf, um wieder eine eigene Herstellung von Solarprodukten zu entwickeln. Und zwar nicht gegen China, sondern mit China. Die chinesischen Anbieter könnten angeleitet werden, in der EU in Gemeinschaftsunternehmen mit den rückständigeren Europäern zu produzieren, wenn sie ihren Marktzugang erhalten wollen. Fällt Ihnen etwas auf?
Amelie Richter hat derweil das neu zusammengesetzte EU-Parlament einem China-Check unterworfen. Sie bewertet die Position von führenden Abgeordneten der verschiedenen Parteien, die sich ab jetzt in den Ausschüssen hervortun können. Dazu gehören der Deutschen Bernd Lange und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Im Gesamtbild wird das Parlament also weiterhin kritische Fragen zur Chinapolitik stellen.
Schon einmal waren vor gut zehn Jahren die damals weltweit führenden deutschen Solarhersteller zusammengebrochen, als die chinesischen Firmen auf die Weltmärkte drängten – und Berlin zeitgleich auch noch die Förderung des Sektors einstellte. Seither dominiert China den Weltmarkt für Photovoltaik. Chinesische Firmen halten 90 Prozent Weltmarktanteil bei Solaranlagen; bei einigen Komponenten ist der Anteil noch höher. Einige europäische Solarfirmen denken nun darüber nach, mit ihren chinesischen Lieferanten Gemeinschaftsunternehmen in Europa aufzubauen.
“Die Idee ist es, die Kerntechnologien der Photovoltaik mit großen Produktionskapazitäten in Europa anzusiedeln”, erklärt Henning Rath, Chief Supply Chain Manager des Solarunternehmens Enpal. Man sei dazu seit etwa einem Jahr mit den Technologiepartnern in China im Gespräch. Pro Produktionsschritt – Polysilizium, Ingots, Wafer, Zellen, Module – seien bis zu vier Partner aus der EU und China an den Plänen beteiligt. Namen der betreffenden Unternehmen nannte Rath im Gespräch mit Table.Briefings nicht. Solche Joint Ventures könnten aufgrund der Teilhabe der chinesischen Firmen günstiger produzieren, so das Kalkül. Auch hätten sie damit direkten Zugriff auf die hochmoderne Solartechnologie Chinas.
Denn viele technologische Kenntnisse sind in Europa zwar in der Theorie noch vorhanden, doch werden sie angesichts der Misere im lokalen Solarsektor immer weniger eingesetzt. Seit dem unerwartet rasanten Preisverfall des Sommers 2023 aufgrund einer bestellten, aber dann nicht mehr benötigten Flut an Solarmodulen aus China mussten allein in Deutschland mehrere Hersteller schließen. Meyer Burger, einer der größten Solarhersteller Europas, hatte in Deutschland eigentlich neue Fabriken bauen wollen. Doch stattdessen machte er sein Werk für Solarmodule im sächsischen Freiberg dicht – und expandiert stattdessen in den USA. Denn dort fließen, anders als in Europa, großzügige Subventionen für die gesamte Lieferkette.
In Europa ist die Lieferkette kaum noch existent. Mit der deutschen Wacker Chemie gibt es nur beim Rohstoff Polysilizium nach einer aktuellen Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) noch ein europäisches Unternehmen unter den fünf weltweit führenden Firmen. Allerdings habe Wacker auch selbst umfassende Aktivitäten in China.
Und dort wächst die Branche trotz aller Überkapazitäten weiter und entwickelt sich auch technologisch rasant. Das zeigt eine Fülle einzelner Meldungen aus dem Sektor. So berichtete der Fachdienst Carbon Brief im Juli etwa, dass die chinesische Produktionskapazität für Siliziumwafer bis Ende 2023 953 Gigawatt (GW) erreicht hatte, was fast 98 Prozent der weltweiten Gesamtkapazität entspricht. In der chinesischen Provinz Hubei sei zudem gerade das weltweit größte Projekt zur Energiespeicherung mit Natrium-Ionen-Batterien in Betrieb genommen worden. Auch in Europa ist die Speicherung erneuerbaren Stroms ein Riesenthema.
Von den technologischen Fortschritten ihrer vielfach staatlich geförderten Partner wollen die europäischen Unternehmen nun profitieren. Geplant ist laut Rath, dass die europäischen Partner in den jeweiligen Joint Ventures die Mehrheit der Anteile halten – und dass es einen Technologietransfer aus China nach Europa gibt. “Der Technologietransfer bedeutet dabei nicht nur neue Produkt-Technologie, sondern ganz klar auch Produktionstechnologie.” Das bedeutet: Maschinen für die Produktion von Solar-Komponenten.
“Diesen Bereich haben wir in Deutschland in den letzten 20 bis 30 Jahren nicht unbedingt verlernt – aber outgesourct, weil wir mit einer gewissen Überheblichkeit gesagt haben: Wir wollen Dinge entwickeln, aber wir wollen diese dann in Niedriglohnländern produzieren lassen.” Genau das falle nun auf die EU zurück, “denn wir können entlang der Photovoltaik-Wertschöpfungskette teilweise gar nicht mehr produzieren – sondern müssen es uns jetzt mithilfe von Partnerschaften wieder nach Europa zurückholen und einkaufen.”
In der Bundesregierung zeichnet sich derzeit die Tendenz ab, in den sauren Apfel zu beißen und China als Lieferanten zu akzeptieren. Denn da, wo ein ganzer Industriezweig bereits weggebrochen ist, wird der Wiederaufbau überproportional teuer – und die Herstellung wird keinesfalls wettbewerbsfähig sein. Die hohen Produktionskapazitäten Chinas werden zugleich als Chance gesehen, ein hohes Wachstum der Solarkapazitäten aufrechtzuerhalten.
In den Gedankenspielen der Bundesregierung spielen also weiterhin die Importe aus China eine zentrale Rolle. Dazu kommt die Vorstellung, Anbieter aus China in Europa anzusiedeln, um wieder mehr Wertschöpfung ins Inland zu holen. Die Analyse von Risiken und Chancen einer Kooperation mit China im Cleantech-Bereich hat laut der ECFR-Studie gerade erst begonnen. Bei Solar sind die Risiken laut der Autoren aber vergleichsweise gering.
Die Ansiedlung chinesischer Anbieter entspricht in etwa den Plänen von Enpal und Partnern. Man sei zu dem Joint Venture-Projekt etwa seit einem Jahr mit den chinesischen Technologieführern und auch mit den europäischen Partnern im Gespräch, erzählt Rath. “Es geht darum, wer welche Rolle übernehmen könnte, wie das Projekt kapitalisiert werden kann, und wie wir es hochskalieren können. Dazu brauchen wir dreierlei: Wir brauchen die Abnehmerschaft, die einen gewissen Absatz sicherstellt. Und wir brauchen Knowhow für die Produktentwicklung und für die Produktion selbst.” Zu den Abnehmern zählt Rath Firmen wie Enpal, die fertige Solaranlagen direkt an Endverbraucher vermarkten.
Auch wolle man “Klarheit schaffen, wann, in welcher Größe und welchem Finanzierungsrahmen wir starten können – also auch Klarheit darüber, in welcher Form wir etwa vom Bund oder von der Europäischen Union mit Geldern unterstützt werden können”, sagt Rath. Denn ganz ohne Subventionen würden die geplanten Gemeinschaftsfirmen nicht auskommen. Es gehe dabei aber nur um Investitionsförderung über einen begrenzten Zeitraum. Für die Produktion von Solarmodulen sei Förderung ohnehin nicht so wichtig, da sie weitgehend automatisiert ablaufe. “Bei Modulen sind die chinesischen Partner zudem sehr offen, auch selbst zu investieren.”
Schwieriger seien die Vorprodukte, die die Partner ebenfalls gemeinsam in Europa herstellen wollen, also die Solarzellen, Wafer oder Polysilizium. “Da sind hohe Investitionen nötig, um wieder Produktionen aufzubauen.” Auch die laufenden Kosten dieser Fabriken seien hoch. Man befinde sich zu dem Thema in Diskussionen, wie eine Unterstützung aussehen könne, so Rath.
Ob die geplanten Joint-Ventures von der Politik Förderzusagen bekommen werden, ist aber ungewiss. “Natürlich wäre Rückenwind der Bundesregierung hier schön”, sagt Rath, dem bewusst ist, dass es in der Politik Vorbehalte gegen eine Einbindung chinesischer Firmen gibt. Er betont: “Für mich sind das Leuchtturmprojekte, bei denen mir wichtig ist, dass wir sie ohne falsche Angst voranbringen.” Mitarbeit: Finn Mayer-Kuckuk
Nach der EU-Wahl Anfang Juni formiert sich das frisch gewählte Europaparlament, die wichtigen Schlüsselpositionen in den Ausschüssen werden neu besetzt. Einige davon bleiben in erfahrenen Händen – dass das EU-Parlament seine bisherige Stoßrichtung in Sachen China massiv ändern wird, ist unwahrscheinlich.
Für den mächtigen Handelsausschuss wurde vergangene Woche der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange erneut als Vorsitzender gewählt. Lange hatte in der letzten Legislaturperiode maßgeblich das EU-Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang (Anti-Coercion Instrument, kurz ACI) vorangetrieben. Das ACI wartet noch auf seinen ersten Einsatz. “Wir haben in den nächsten fünf Jahren viel vor: Im Kontext des zunehmenden globalen Wettbewerbs zwischen den USA und China müssen wir unseren eigenen Kurs festlegen”, betonte Lange nach seiner Wahl.
Mehr Unabhängigkeit von chinesischen Gütern gehört für Lange zu dieser Strategie: Für nichtwestliche Partner müsse ein attraktives Paket geschnürt werden, das Marktzugang, Investitionen über die EU-Infrastrukturinitiative Global Gateway und Möglichkeiten für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung umfasse, so der SPD-Europapolitiker. “Es macht keinen Sinn, eine Praxis fortzusetzen, bei der fast alle Rohstoffe auf der ganzen Welt verteilt, aber von oder in China raffiniert werden.” Diversifizierung und das Angebot einer echten Alternative zu ausbeuterischen Praktiken würden von entscheidender Bedeutung sein.
Lange setzt sich für einen “Fitnesstest” der wirtschaftlichen Verteidigungsinstrumente ein und nennt dabei die Regulierung für ausländische Subventionen (FSR). Geprüft werden müsse, ob diese zu den EU-Ambitionen eines grünen Wandels passt, so Lange. Die FSR war zuletzt von China stark kritisiert worden.
Neben Lange wird der Handelsausschuss von der französischen Abgeordneten Manon Aubry (Linke), dem konservativen Ungarn Iuliu Winkler (EPP), der Schwedin Karin Karlsbro (liberale Renew) und der Belgierin Kathleen van Brempt (S&D) als Vize-Vorsitzende geleitet. Auch die von China sanktionierten Abgeordneten Raphaël Glucksmann und Miriam Lexmann sind Teil des Ausschusses. Mitglied ist auch der AfD-Europapolitiker Maximilian Krah. Krahs parlamentarischer Mitarbeiter war vor der Europawahl wegen mutmaßlicher Spionage für China festgenommen worden.
Auch der Ausschuss für Außenpolitik ist mit China kritisch gegenüber tretenden Mitgliedern besetzt: Mika Aaltola aus Finnland hat Peking mehrfach eine “imperialistische und autokratische Gefahr” genannt. Der Litauer Petras Auštrevičius ist Teil der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), einer pekingkritischen Organisation aus weltweit zwei Dutzend Parlamenten. Auch der Franzose Glucksmann ist Mitlied. Als Vorsitzender wurde erneut der CDU-Europaabgeordnete David McAllister gewählt.
Die Grünen-Politikerin Anna Cavazzini wird wieder dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vorsitzen. Cavazzini war innerhalb des EU-Parlaments eine treibende Kraft hinter dem Einfuhrverbot für Produkte aus Zwangsarbeit, das vor allem Waren aus Xinjiang treffen wird, und dem EU-Lieferkettengesetz. Sie hatte sich zuletzt auch für die Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge ausgesprochen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist die neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im EU-Parlament. “Die Konflikte in unserer Nachbarschaft und die sich verändernden geopolitischen Gezeiten bedeuten, dass wir einen Wandel in der europäischen Sicherheit brauchen, damit wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können”, betonte Strack-Zimmermann zu ihrer Wahl. Das EU-Parlament hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits auch für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EU und Nato ausgesprochen. Strack-Zimmermann hatte mehrfach ein Einwirken Pekings auf Moskau gefordert.
Der Unterausschuss für Menschenrechte wird von dem französischen Grünen-Abgeordneten Mounir Satouri als neuem Vorsitzenden geleitet. Der Unterausschuss war in der Vergangenheit an mehreren Resolutionen, zu Hongkong und Xinjiang beteiligt. Satouri befasst sich bisher weniger mit der Thematik China, sein Fokus liegt auf dem Nahen Osten.
Neben den Ausschüssen sind auch die Delegationen wichtig für die Arbeit des Europaparlaments zu China. Die China-Delegation bleibt mit 38 Mitgliedern die größte. Wer den Vorsitz übernehmen wird, ist noch nicht klar. Das soll am 19. September in Straßburg entschieden werden. Für Asien wird es neben China auch Delegationen für Japan (24 Mitglieder), Indien (24 Mitglieder), Asean (27 Mitglieder), die Koreanische Halbinsel (13 Mitglieder) Zentralasien (19 Mitglieder) und Südasien (15 Mitglieder) geben.
Die Europäische Taiwan Freundschaftsgruppe, ein Zusammenschluss von EU-Abgeordneten, der aber keine offizielle Delegation ist, wird weiterhin vom CDU-Europapolitiker Michael Gahler geleitet werden.
Die Bundesregierung gibt China die Schuld für einen Cyberangriff im Jahr 2021 auf das Bundesamt für Kartografie und Geodäsie (BKG). Auf Basis von Geheimdienstinformationen sei die Cyberattacke chinesischen Akteuren zuzuordnen, sagte ein Sprecher des Bundesaußenministeriums am Mittwoch in Berlin. Erstmals seit 1989 sei deswegen der chinesische Botschafter in Deutschland einbestellt worden. Die Bundesregierung verurteile solche Angriffe auf das Schärfste.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums ergänzte, es habe eine umfassende Untersuchung des Falls gegeben. Die Chinesen seien erfolgreich aus den BKG-Systemen gedrängt worden. Die Behörde stellt Geodaten zur Verfügung. rtr
Will die Bundesregierung ihr Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 erreichen, ist Deutschland auf chinesische Hersteller angewiesen. Das zeigt eine Studie der Denkfabrik Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG). Mit seinem aktuellen Kurs werde Deutschland die Zielmarke um rund sechs Millionen Fahrzeuge verfehlen.
Die Autoren kritisieren insbesondere die höheren Importzölle, die die EU auf Elektroautos aus China erheben will. Sie würden zu höheren Preisen für Kunden führen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gefährden. “Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen”, fordert Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende.
“Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber ein schneller Strukturwandel zu Elektromobilität trägt auch zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China bei”, sagte Hochfeld. Aber gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge könnten chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen.
Hochfeld plädiert zugleich für eine “rasche Ansiedlung chinesischer Unternehmen in Europa nach gemeinsamen Spielregeln”. Dies würde mehr Wertschöpfung bringen als Importe. Damit biete sich die Gelegenheit, in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen Entwicklungsrückstände aufzuholen. flee
Die US-Regierung will im August Insidern zufolge eine erneute Verschärfung des Embargos für Technologie-Exporte nach China vorstellen. Die Lieferung von Maschinen zur Chip-Herstellung aus bestimmten verbündeten Staaten sei davon aber ausgenommen, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen am Mittwoch gegenüber Reuters. Daraufhin stiegen die Aktien von Zulieferern wie ASML aus den Niederlanden oder Tokyo Elektron aus Japan um bis zu 7,4 Prozent. Für beide Firmen ist China ein wichtiger Absatzmarkt.
“Wirksame Exportkontrollen beruhen auf multilateraler Zusammenarbeit”, sagte ein US-Beamter. “Wir arbeiten kontinuierlich mit gleichgesinnten Ländern zusammen, um unsere gemeinsamen nationalen Sicherheitsziele zu erreichen.” Für insgesamt mehr als 30 Staaten werde es Ausnahmeregelungen geben.
Die USA berufen sich nach weiteren Aussagen der Insider für die Embargo-Verschärfung auf eine Bestimmung aus dem Jahr 1959, die Foreign Direct Product Rule. Sie gibt der US-Regierung das Recht, den Verkauf von Produkten zu untersagen, die mithilfe amerikanischer Technologie entwickelt wurden. Bei Verstößen können auch ausländische Firmen mit Strafen belegt werden.
In den vergangenen Jahren wurde die Bestimmung vor allem dazu genutzt, um dem umstrittenen chinesischen Konzern Huawei den Zugang zu ausländischen Computerchips zu verwehren. Bei einer geplanten Verschärfung des Embargos würden auch Produkte unter die Beschränkungen fallen, bei denen der Anteil amerikanischer Technik bei der Herstellung bislang als zu gering betrachtet wurde, fügten die Insider hinzu. Außerdem würden 120 weitere chinesische Chip-Produzenten und -Zulieferer auf die schwarze Liste gesetzt. Zunächst blieb aber unklar, um welche Firmen es sich handelt. rtr
Siemens Healthineers erwartet im nächsten Geschäftsjahr mehr Aufträge für CT- und MRT-Geräte in chinesischen Kliniken und Gesundheitseinrichtungen. Zurzeit verzögerten noch die Anti-Korruptionsmaßnahmen im Gesundheitswesen die Auftragsvergabe. “Wir erwarten, dass sich das 2025 in Nachholbedarf auswirkt”, sagte Vorstandschef Bernd Montag.
Siemens Healthineers beobachte Vorbereitungen für ein staatliches Programm, das die Investitionen in das chinesische Gesundheitssystem ankurbeln solle. Im laufenden vierten Quartal 2023/24, das bis Ende September läuft, erwarte man eine Stabilisierung des Geschäfts mit Medizintechnik-Ausrüstung in China.
Die gedämpften Wachstumsprognosen für die Imaging-Sparte wirken sich im laufenden Geschäftsjahr auch auf die Margen aus. Die operative Umsatzrendite in der Sparte werde eher am unteren Ende der Spanne von 21,0 bis 22,5 Prozent liegen, sagte Finanzchef Jochen Schmitz. Das werde teilweise durch die bessere Entwicklung in der Diagnostik-Sparte wettgemacht, deren Marge am oberen Ende der Spanne von vier bis sechs Prozent liegen werde. Der Umbau dort laufe besser als gedacht. rtr
Die chinesische Handelsgruppe Alibaba verstärkt den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) auf ihrer Business-to-Business-Plattform. Ab September wird die International Digital Commerce Group (AIDC) Werkzeuge bereitstellen, mit denen Unternehmen leichter und zielgenauer mit Lieferanten zusammenfinden können. Es soll damit möglich sein, unter zahlreichen Anbietern mögliche Geschäftspartner durch Fragestellungen in menschlicher Sprache zu finden.
Das KI-gesteuerte Beschaffungstool wird laut Angaben des Unternehmens vom Mittwoch über eine eigene mobile App und die offizielle Website zugänglich sein. Im November hatte Alibaba die KI-Plattform Aidge an den Start gebracht. Diese wird mittlerweile nach eigenen Angaben von einer halben Million Anbietern genutzt. ari
US-Präsident George H.W. Bush bemerkte einst: “Kein Land der Erde hat es geschafft, Waren und Dienstleistungen aus der ganzen Welt zu importieren und gleichzeitig fremde Ideen an der Grenze aufzuhalten.” In einem Zeitalter, als Demokratien die Spitzentechnologien beherrschten, handelte es sich bei den von Bush gemeinten Ideen um Konzepte, die mit Amerikas eigenem Modell der politischen Ökonomie vereinbar waren.
Doch nun, da China zu einem führenden Innovator im Bereich Künstlicher Intelligenz aufgestiegen ist, stellt sich die Frage, ob diese Form der wirtschaftlichen Integration Länder in die entgegengesetzte Richtung bewegen könnte. Besonders relevant präsentiert sich diese Frage für Entwicklungsländer, da viele von ihnen nicht nur institutionell instabil sind, sondern auch über Handel, Auslandshilfe, Kredite und Investitionen zunehmend mit China in Verbindung stehen.
Obwohl KI als Grundlage für eine “vierte industrielle Revolution” gepriesen wurde, birgt sie auch viele neue Herausforderungen. KI-Technologien haben zwar das Potenzial, das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren voranzutreiben, aber auch Demokratien zu untergraben, Autokraten in ihrem Streben nach sozialer Kontrolle zu unterstützen und “Überwachungskapitalisten” zu stärken, die unser Verhalten manipulieren und von Datenspuren profitieren, die wir online hinterlassen.
Da China die KI-gestützte Gesichtserkennung offensiv einsetzt, um seinen eigenen Überwachungsstaat zu stützen, haben wir uns kürzlich daran gemacht, Muster und politische Folgen des Handels mit diesen Technologien zu untersuchen. Nach dem Aufbau einer Datenbank für den weltweiten Handel mit Gesichtserkennungs-KI im Zeitraum von 2008 bis 2021 ermittelten wir 1.636 entsprechende Transaktionen aus 36 Exportländern in 136 Importländer.
Auf der Grundlage dieses Datensatzes dokumentieren wir drei Entwicklungen. Erstens verfügt China über einen komparativen Vorteil im Bereich KI für Gesichtserkennung. Das Land exportiert in beinahe doppelt so viele Länder wie die Vereinigten Staaten (83 gegenüber 57 Geschäftsverbindungen), und hat etwa 10 Prozent mehr Handelsabkommen abgeschlossen (238 gegenüber 211). Darüber hinaus präsentiert sich der komparative Vorteil bei KI-Gesichtserkennung größer als bei anderen Spitzentechnologie-Exporten wie radioaktiven Materialien, Dampfturbinen sowie Laser- und anderen Strahlverfahren.
Obwohl Chinas komparativer Vorteil womöglich das Produkt verschiedener Faktoren ist, wissen wir, dass die chinesische Regierung die weltweite Vormachtstellung im Bereich KI zu einem ausdrücklichen entwicklungspolitischen und strategischen Ziel erklärte und dass die Branche für Gesichtserkennungs-KI von ihrer Nachfrage nach Überwachungstechnologie profitiert hat, weil sie häufig Zugang zu großen staatlichen Datensätzen erhielt.
Zweitens stellen wir fest, dass Autokratien und schwache Demokratien eher dazu neigen, KI zur Gesichtserkennung aus China zu importieren. Während die USA die Technologie überwiegend in reife Demokratien exportieren (auf diese entfallen etwa zwei Drittel ihrer Geschäftsverbindungen beziehungsweise drei Viertel ihrer Transaktionen), exportiert China etwa gleich viel in reife Demokratien und Autokratien oder schwache Demokratien.
Weist China also eine Tendenz zum Export in autokratische Länder auf oder exportiert das Land insgesamt einfach mehr Produkte in Autokratien und schwache Demokratien? Als wir Chinas Exporte im Bereich Gesichtserkennungs-KI mit den Exporten anderer Spitzentechnologien verglichen, stellten wir fest, dass die Gesichtserkennungs-KI die einzige Technologie ist, bei der China eine Tendenz in Richtung Autokratien aufweist. Ebenso bemerkenswert ist, dass wir bei der entsprechenden Untersuchung der USA keine derartige Verzerrung feststellen konnten.
Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied besteht darin, dass sich Autokratien und schwache Demokratien bei der Beschaffung von Überwachungstechnologien womöglich gezielt an China wenden. Das bringt uns zu unserer dritten Erkenntnis: Autokratien und schwache Demokratien importieren in Jahren, in denen sie innenpolitische Unruhen erleben, mit größerer Wahrscheinlichkeit Gesichtserkennungs-KI aus China.
Diese Daten machen deutlich, dass schwache Demokratien und Autokratien dazu neigen, Überwachungs-KI aus China – aber nicht aus den USA – in den Jahren zu importieren, da diese Unruhen auftreten, aber nicht präventiv oder im Nachhinein. Importe von Militärtechnologie folgen einem ähnlichen Muster. Im Gegensatz dazu konnten wir nicht feststellen, dass reife Demokratien als Antwort auf Unruhen mehr KI zur Gesichtserkennung importieren.
Eine letzte Frage betrifft die umfassenderen institutionellen Veränderungen in diesen Ländern. Aus unserer Analyse geht hervor, dass die Einfuhr chinesischer Überwachungs-KI im Zuge innerstaatlicher Unruhen tatsächlich mit weniger fairen, weniger friedlichen und insgesamt weniger glaubwürdigen Wahlen in einem Land einhergeht. Ein ähnliches Muster scheint auch für die Einfuhr von US-amerikanischer Überwachungs-KI zu gelten, wenngleich dieses Ergebnis weniger präzise einzuschätzen ist.
Gleichzeitig finden wir bei reifen Demokratien keinen Zusammenhang zwischen der Einfuhr von Überwachungs-KI und institutioneller Qualität. Daher interpretieren wir unsere Ergebnisse nicht als kausale Auswirkung von künstlicher Intelligenz auf Institutionen, sondern betrachten die Importe von künstlicher Intelligenz zur Überwachung und die Aushöhlung nationaler Institutionen in Autokratien und schwachen Demokratien als das gemeinsame Ergebnis des Strebens eines Regimes nach größerer politischer Kontrolle.
Interessanterweise finden wir auch Hinweise darauf, dass Autokratien und schwache Demokratien, die in Zeiten von Unruhen in großem Stil chinesische Überwachungs-KI importieren, sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu reifen Demokratien entwickeln als vergleichbare Länder mit weniger Importen von Überwachungs-KI. Dies lässt vermuten, dass die von Autokratien in Zeiten von Unruhen angewandten Taktiken – der Import von Überwachungs-KI, die Aushöhlung von Wahlrechtsinstitutionen und der Import von Militärtechnologie – wirksam zur Festigung nicht-demokratischer Regime beitragen können.
Unsere Forschung ergänzt Belege, wonach Handel der Demokratie nicht immer förderlich ist oder Regime liberalisiert. Vielmehr kann Chinas stärkere Verflechtung mit den Entwicklungsländern womöglich genau das Gegenteil bewirken.
Dies legt die Notwendigkeit einer strengeren Regulierung des KI-Handels nahe, die nach dem Vorbild der Regulierung anderer Güter mit negativen externen Effekten gestaltet werden könnte. Insofern, als autokratisch verzerrte KI auf Daten trainiert wird, die zum Zweck der politischen Unterdrückung gesammelt wurden, ist sie mit Gütern vergleichbar, die mit unethischen Ressourcen wie etwa Kinderarbeit hergestellt werden. Und da Überwachungs-KI mit negativen externen Effekten wie dem Verlust bürgerlicher Freiheiten und politischer Rechte einhergehen kann, ist sie der Umweltverschmutzung nicht unähnlich.
Wie alle Technologien mit doppeltem Verwendungszweck hat auch die KI zur Gesichtserkennung das Potenzial, Verbrauchern und Unternehmen Vorteile zu bringen. Die entsprechenden Regulierungsbestimmungen müssen jedoch umsichtig gestaltet werden, um zu gewährleisten, dass diese Spitzentechnologie in der ganzen Welt Verbreitung findet, ohne die Autokratisierung zu fördern.
Übersetzung: Helga Klinger-Groier
Martin Beraja ist Assistenzprofessor für Wirtschaftswissenschaften am MIT. David Y. Yang ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Direktor des Center for History and Economics an der Harvard University. Noam Yuchtman ist Professor für Politische Ökonomie und Fellow am All Souls College der University of Oxford. Andrew Kao hat an diesem Kommentar mitgearbeitet.
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Francesca Ghiretti ist neu als Research Leader bei dem NGO-Thinktank Rand Europe. Ghiretti war zuvor unter anderem als Analystin bei Merics tätig.
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Das chinesische Internet fiebert mit den 405 nach Paris gereisten Athleten aus der Volksrepublik. Jeden Tag wird ein neuer Held oder eine neue Heldin gekürt, etwa die Hongkonger Fechterin Vivian Kong Man-wai oder die Tischtennis-Asse Wang Chuqin and Sun Yingsha, die allesamt Gold geholt haben.
Gleichzeitig machen sich die Netizens aber auch Sorgen um die Zustände in den Unterkünften. Weil die Olympischen Spiele in Frankreich besonders klimafreundlich sein will, mangle es an angemessenem Komfort. Neun Athleten müssten sich auf einer Etage des Olympischen Dorfes ein Sofa und zwei Toiletten teilen. Betten und Stühle seien aus wiederverwertbarem Karton und dementsprechend unbequem. Auch an Klimaanlagen fehle es – trotz Hitze.
Das alles werde sich negativ auf die Leistung der Sportler auswirken, unken die Kritiker und nennen die Spiele ironisch “selbst initiiert” 自主奥运 – wer glänzen will, müsse eben seine eigenen Möbel mitbringen, sein eigenes Essen kochen oder tragbare Klimaanlagen aus China übers Internet bestellen.