der Mond ist fest in chinesischer Hand. In den vergangenen Jahren hat China gleich vier Landungen auf dem Erdtrabanten erfolgreich gemeistert. Eigentlich wollten die USA nun nachlegen – doch sie scheitern schon vor dem Abflug, wie Jörn Petring berichtet.
Auf dem Planeten Erde ist Peking derweil nicht ganz auf Erfolgskurs: Das Projektvolumen der Neuen Seidenstraße schrumpft. Außerdem zieht sich China selbst immer mehr aus der Finanzierung zurück und lässt anderen Geldgebern den Vortritt. Das zeigt eine Auswertung der Germany Trade & Invest (GTAI), die Finn Mayer-Kuckuk vorab einsehen konnte. Sie zeigt: Kleiner, aber feiner will die Belt and Road Initiative werden.
Chinas Politik gleicht einem kleinen Zoo: Dort gibt es Tiger, Löwen, Katzen – die Führung in Peking hat noch nie vor einer Analogie in die Tierwelt zurückgeschreckt, um ihren Punkt zu verbildlichen. Johnny Erling stellt Ihnen heute ein weiteres Tier vor: die Gazelle. Flink und wendig soll diese jetzt Chinas Wirtschaft zu einem Vorsprung verhelfen.
Das Projektvolumen der neuen Seidenstraße schrumpft. Zudem zieht sich China selbst immer mehr aus der Finanzierung zurück und lässt anderen Geldgebern den Vortritt. Das geht aus der aktuellen Auswertung von Daten zu Seidenstraßen-Aktivitäten hervor, die die Germany Trade & Invest (GTAI) vorgenommen hat.
Die Zahl der Projekte blieb mit 513 im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zu 529 im Vorjahreszeitraum zwar fast gleich. Doch es zeichnet sich laut GTAI ein Trend zu bescheideneren Vorhaben mit einem Auftragsvolumen unter 100 Millionen US-Dollar ab. “Die Projekte sollen nach Vorgabe Pekings nicht nur ‘smarter’ und ‘schöner’, sondern vor allem ‘kleiner’ werden”, sagt Regionalexperte Marcus Hernig von der GTAI. Im Oktober 2023 hatte Staatschef Xi Jinping einen Kurswechsel in diese Richtung bekannt gegeben.
Im Jahresverlauf 2024 verstärkte sich die Wahrnehmung noch: Der Anteil vergleichsweise kleiner Investitionen im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) nahm immer weiter zu. Vom ersten zum zweiten Quartal stieg sie von 40 auf 72.
Die Gründe für die Trendumkehr in Richtung Bescheidenheit:
Statt Tiefseehäfen baut China jetzt mehr überschaubare Einrichtungen mit unmittelbarem Nutzen für die Bevölkerung. Die GTAI nennt als Beispiele:
Als neuer Schwerpunkt zeichnen sich dabei sehr unterentwickelte Regionen in Afrika ab, in denen eine Wasserleitung oder ein Krankenhaus schon viel bewirken. In Lateinamerika ging die Zahl der Projekte dagegen zurück. Vielleicht erholt sie sich jedoch in Südamerika bald: Im Juli 2024 hat Brasilien sich entschlossen, der BRI beizutreten.
Zugleich setzte sich der schon seit zwei Jahren bestehende Trend fort, dass immer weniger Geld von Chinas Staatsbanken kommt und mehr von anderen Geldgebern wie der Weltbank oder der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank AIIB.
China hat von Anfang an angestrebt, mit der BRI den Rahmen für Infrastrukturentwicklung zu setzen, am Ende aber nicht alles selbst zahlen zu müssen. Mit der Verkleinerung der Projekte kommt die Verschiebung zu internationalen Investoren nun offenbar besser voran. Die GTAI zählt für ihre Statistik Absichtserklärungen, Neuverträge und Folgeverträge.
Als weiterer Rückschlag für die USA im Weltraum-Rennen gegen China hat die Nasa ihre Rover-Mission Viper abgesagt. Ursprünglich sollte Viper mit einem Raumfahrzeug des in Pittsburgh ansässigen Start-ups Astrobotic zur Rückseite des Mondes fliegen. Doch Anfang des Jahres scheiterte Astrobotic bei seinem ersten Landeversuch. Die nächste Mission, die dann Viper an Bord haben sollte, wurde daher auf mindestens 2025 verschoben. Obwohl die NASA bereits etwa 450 Millionen Dollar in den Rover investiert hat, entschied sie jetzt, dass sie aus Kostengründen nicht länger warten will.
“Die Fortführung von Viper würde zu höheren Kosten führen, die die Absage oder Störung anderer kommerzieller Mondmissionen zur Folge haben könnten”, erklärte die NASA in einer Pressemitteilung im Juli. Stattdessen will die NASA nun “alternative Methoden” nutzen, um die Anwesenheit von Eis am Südpol des Mondes zu überprüfen.
Für die Nasa ist dies der nächste peinliche Vorfall bei ihren Bemühungen, zum Mond zurückzukehren. Seit den Mondbuggys der Apollo-Astronauten hat die Nasa keine Fahrzeuge mehr auf der Mondoberfläche eingesetzt. Der Mond ist stattdessen bereits seit Jahren fest in chinesischer Hand. Seit 2013 hat die Volksrepublik bereits vier Landemissionen erfolgreich abgeschlossen. Alles lief dabei nach Plan:
Für Viper-Fans ist die chinesische Dominanz eine Schmach. Doch die Unterstützer des Projekts geben nicht auf. Bis zum 30. Juli haben mehr als 4.400 Menschen einen offenen Brief an den US-Kongress unterzeichnet. Darin fordern sie die Abgeordneten auf, die Entscheidung der Nasa zur Absage des Programms zu blockieren und es weiter zu finanzieren.
Am 25. Juli legte ein Senatsunterausschuss seinen Vorschlag für die Nasa-Finanzierung vor. Dieser sieht allerdings nur eine winzige Erhöhung von 30 Millionen Dollar für Zwecke der Mondforschung vor. Und es gilt als unwahrscheinlich, dass davon etwas an Viper geht. Denn sofort wurden Forderungen laut, die zusätzlichen Finanzmittel lieber in das Artemis-Programm zu stecken.
Artemis ist das Mondprogramm der USA, das zum Ziel hat, wieder Astronauten auf den Mond zu bringen. Doch auch hier läuft es alles andere als nach Plan. Der erste unbemannte Testflug der neuen Rakete fand im November 2022 erst nach mehreren Verzögerungen statt.
Eigentlich sollte es in diesem Jahr einen bemannten Testflug geben, doch dieser wurde wegen technischer Probleme auf frühestens September 2025 verschoben. Das ursprünglich angestrebte Landedatum auf dem Mond im Dezember 2025 kann somit nicht eingehalten werden. Ob es 2026 klappt, wird von einigen Experten bereits bezweifelt.
Sollten sich die Pleiten der USA fortsetzen, wäre es nicht verwunderlich, wenn die Chinesen am Ende schneller Menschen auf den Mond bringen. Ihre offiziellen Pläne sehen vor, bis 2030 ein Team von Astronauten dorthin zu schicken. Das zuverlässige Rover-Programm zeigt, dass auch beim bemannten Mondprogramm nicht mit nennenswerten Verzögerungen zu rechnen ist.
Die USA können sich derweil damit trösten, dass es auch für andere Länder bei ihren Mond-Plänen nicht besser läuft. In jüngster Vergangenheit hatten mehrere Mondsonden aus Indien, Israel, Japan und Russland nicht wie geplant ihr Ziel erreicht.
Die USA haben China im ersten Halbjahr den Titel als wichtigster deutscher Handelspartner abgenommen. Der deutsche Warenaustausch mit den USA summierte sich von Januar bis Juni auf rund 127 Milliarden Euro, während Exporte und Importe mit der Volksrepublik bei knapp 122 Milliarden Euro lagen. Das geht aus Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters auf Basis von vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. 2023 war die Volksrepublik mit einem Handelsvolumen von rund 253 Milliarden Euro das achte Jahr in Folge die Nummer Eins im deutschen Außenhandel geblieben – aber nur knapp, mit wenigen Hundert Millionen Euro Vorsprung vor den USA.
“Beim gesamten Handelsvolumen, also der Summe aus Ein- und Ausfuhren, haben die USA China in der ersten Jahreshälfte nunmehr überholt”, sagte die Außenhandelsexpertin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Lola Machleid, zu Reuters. “Aufgrund der bis zuletzt resilienten US-Konjunktur haben die Exporte in die Vereinigten Staaten zugenommen.” Insgesamt wuchsen die deutschen US-Exporte in den ersten sechs Monaten des Jahres um 3,3 Prozent auf fast 81 Milliarden Euro. Das Exportgeschäft mit China schrumpfte hingegen um fast drei Prozent auf gut 48 Milliarden Euro.
Die Importe aus der Volksrepublik brachen sogar um knapp acht Prozent auf 73,5 Milliarden Euro ein. Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche in Deutschland, die Konsumzurückhaltung, aber auch der Wunsch nach stärkerer Diversifizierung der Lieferketten in der Industrie hätten dazu beigetragen, sagte Machleid. Das deutsche Handelsdefizit mit China bleibt aber trotzdem bestehen. rtr
Chinas CO₂-Emissionen sind im zweiten Quartal um ein Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Nach Angaben des China-Experten Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air ist dies der erste Quartalsrückgang seit dem Ende der Null-Covid-Politik. Diese hatte Chinas Produktionstätigkeit lange Zeit deutlich gedrosselt; seither erholt sich die Wirtschaft schrittweise, wodurch auch die Emissionen wieder angestiegen waren. Offizielle Zahlen und Wirtschaftsdaten deuteten darauf hin, dass China auch im Gesamtjahr 2024 weniger CO₂ ausstoßen werde als 2023, schreibt Myllyvirta in einem Beitrag für den Fachdienst Carbon Brief. Allerdings macht der Emissionsanstieg im ersten Quartal die Reduktion im zweiten Quartal zunichte, womit das erste Halbjahr 2024 netto einen Emissionsanstieg von rund drei Prozent verbucht.
Offiziell peilt China den Emissionsgipfel erst bis 2030 an – doch Experten hoffen auf eine frühere Wende. Myllyvirta weist in dem Beitrag auf einige Indikatoren hin. Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie etwa sei im ersten Halbjahr um 171 Terawattstunden (TWh) gestiegen, was mehr ist als die gesamte Stromerzeugung von Großbritannien im ersten Halbjahr 2023. Die Zunahme von Elektroautos auf den Straßen reduziere die Nachfrage nach Benzin. Auch seien die CO₂-Emissionen aus der Energienutzung und der Zementproduktion im zweiten Quartal um jeweils ein Prozent gesunken. Im Januar und Februar waren diese noch stark angestiegen.
Chinas Energieverbrauch steigt aufgrund der wachsenden Wirtschaft noch immer an, während sich die CO₂-Emissionen pro BIP-Einheit verbessern. Im ersten Quartal blieb die Effizienzverbesserung allerdings laut Myllyvirta hinter den Zielen Pekings zurück. Allerdings deutet sich derzeit ein Paradigmenwechsel an: China will statt der Effizienzziele erstmals eine harte Emissionsobergrenze festlegen. Der Staatsrat hat dazu Ende letzter Woche ein Arbeitsprogramm vorgelegt. ck
Die Verkäufe von New Energy Vehicles (NEVs) legten in China im Juli um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu und erreichten damit einen Rekordanteil von 50,7 Prozent der Autoverkäufe. Das zeigen neue Daten der China Passenger Car Association. Insgesamt gingen die Autoverkäufe auf dem chinesischen Markt jedoch um 3,1 Prozent zurück, womit sich der Rückgang den vierten Monat in Folge fortsetzte. Das schwache Verbrauchervertrauen wird unter anderem auf die anhaltende Krise des Immobiliensektors zurückgeführt.
Der schwächelnde Automarkt veranlasste Chinas staatliche Planungsbehörde Ende Juli zu der Ankündigung, dass die Barzuschüsse für Fahrzeugkäufe verdoppelt würden – auf bis zu 20.000 Yuan (2.785 US-Dollar) pro Kauf – und zwar rückwirkend ab April, als die Zuschüsse erstmals eingeführt wurden.
Darüber hinaus haben einige Städte, in denen der Autokauf eingeschränkt ist, ihre Beschränkungen gelockert. So kündigte die Hauptstadt Peking im vergangenen Monat an, ihre NEV-Lizenzquote um 20.000 Fahrzeuge zu erweitern. Dies ist die erste Lockerung der Beschränkungen seit der Einführung eines strengen Quotensystems im Jahr 2011, mit dem der Verkehr entlastet und die Luftqualität verbessert werden sollte. rtr
British Airways wird seine Route von London nach Peking ab Herbst vorerst einstellen. Die Route werde ab dem 26. Oktober pausiert, teilte die britische Fluggesellschaft der Branchen-Plattform Head for Points am Donnerstag mit. Die Veränderung wird demnach mit dem Ende des Sommerflugplans umgesetzt. Alle betroffenen Kunden würden kontaktiert und Umbuchungsoptionen oder Rückerstattungen angeboten, so die Airline. “Wir führen weiterhin täglich Flüge nach Shanghai und Hongkong durch”, teilte das Unternehmen dem Online-Magazin mit.
British Airways gab keine Erklärung für die vorübergehende Streichung ab. Die Fluggesellschaft hatte die Route bereits 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie ausgesetzt und im Juni 2023 wieder aufgenommen. BA ist nicht die einzige Fluggesellschaft, die ihre China-Verbindungen zurückfährt: Vor einem Monat kündigte Virgin Atlantic an, sich aus Shanghai zurückzuziehen – ihr einziger Flug nach Ostasien. Auch die australische Fluggesellschaft Qantas hat sich vom chinesischen Festland verabschiedet, nachdem sie angedeutet hatte, die Flüge seien nur “halb voll”.
Anders steht es um Ungarn: In Budapest landete vergangene Woche der erste Direktflug aus Shenzhen. “Mit der Eröffnung der Direktflugverbindung Shenzhen-Budapest von Hainan Airlines ist die Zahl der Direktflüge zwischen Budapest und den wichtigsten chinesischen Städten auf sieben gestiegen, und die Zahl der direkten Passagierflüge zwischen China und Ungarn hat 21 pro Woche erreicht“, sagte Gong Tao, chinesischer Botschafter in Ungarn, bei der Eröffnungszeremonie. Auf der Strecke Budapest-Shenzhen sollen zwei Flüge pro Woche angeboten werden. ari
Parteichef Xi Jinping rief die Mitglieder seines Politbüros Ende Juli, einen Tag vor Antritt ihrer zweiwöchigen Sommerpause, in Peking zusammen. Er verlangte von seinen ranghöchsten Funktionären, gleich nach ihrem Urlaub die lahmende Wirtschaft wieder aus der Talsohle zu bringen. Sie müssten dazu “moderne Hightech- und Zukunftsindustrien” fördern, einen “Mechanismus im Markt” einführen, der “rückständige und ineffiziente Produktion herausdrängt” (畅通落后低效产能退出渠道) und “nur die Fittesten überleben lässt.” (要 … 强化市场优胜劣汰机制). Das Politbüro sollte zudem “stark und wirksam Gazellen- und Einhorn-Firmen unterstützen” (要有力有效支持发展瞪羚企业、独角兽企业).
Die sonderbaren Tierlabels sind Synonyme für private Firmenneugründungen in Bereichen der Hightech- und IT-Anwendung. Sie stehen für Zehntausende schnell wachsender Start-ups (Gazellen) und für aus ihnen hervorgegangene Konzerne mit Milliardenwert (Einhörner), die ihren Börsengang planen.
Ermattet vom stereotypen Reformpalaver, das die Partei seit ihrem Dritten ZK-Plenum medial abspulen lässt, entging den meisten Beobachtern dieser jüngste Vorschlag Xis. Hongkongs “South China Morning Post” (SCMP) notierte verwundert, dass Peking nicht nur auf Gazellen und Einhörner als Reformzugpferde setzt, sondern auch das Dschungelprinzip “survival of the fittest” in seine sozialistische Marktwirtschaft einführt. Sie feixte, “Chinas Geschäftsklima klingt allmählich wie (ein Bericht) aus der afrikanischen Savanne.” Peking hoffe wohl, dass von den Gazellen und Einhörnern neue Impulse für Innovationen, hochqualitative Entwicklung und ein Mehr an Beschäftigung ausgehen, die Chinas notleidende Wirtschaft so dringend brauche.
Ausflüge in die Tierwelt ist China von den Reden seines Parteichefs gewohnt. Gleich nach Amtsantritt trat Xi eine nunmehr seit zwölf Jahren dauernde Kampagne zur Bekämpfung der Korruption los. Er gab als Schlachtrufe aus: Tiger schlagen 打老虎, (gegen hochrangige Funktionäre vorgehen), Fliegen klatschen 拍苍蝇 (kleine Beamte verfolgen) und Füchse fangen 猎狐 (mit unterschlagenem Vermögen ins Ausland Geflohene zurückholen). Nebenbei servierte Xi in seiner Kampagne gleich zahlreiche politische Gegner mit ab.
Gazelle und Einhorn tauchen begrifflich neu in seinem Repertoire auf. Seit sich das Politbüro mit den exotischen Huftieren befassen muss, beeilen sich die Staatspresse und soziale Medien, sie zu deuten. Webseiten wie Cyber-Finance 赛博财经 setzten dazu auf künstliche Intelligenz (KI). Mit Erfolg: Am 3. August erklärte sie dank ChatGPT: 摘要由作者通过智能技术生成 “Gazellen nennt man sehr schnell wachsende, innovative Start-ups. Sie sind in Metropolen wie Peking und Guangdong konzentriert und investieren vor allem in Branchen wie Informationstechnologien der neuen Generation. Aus Gazellen werden später Einhörner.” ChatGPT fügte noch an: “Politische Unterstützung ist zu ihrer Entwicklung entscheidend vonnöten.” 政策扶持对瞪羚企业发展至关重要
Nur gut, dass die KI nicht auch noch verriet, dass es Xi war, der vor wenigen Jahren Hightech-Startups, die ihm politisch zu unabhängig wurden, an die Kandare der Parteikontrolle nahm. Exemplarisch stutzte er dem erfolgreichsten, einstigen Einhorn-Unternehmen und E-Commerce-Giganten Alibaba und seinem Gründer Jack Ma politisch die Flügel.
Xi, der statt dem Marktprinzip zum Durchbruch zu verhelfen, lieber die Wirtschaft von der Partei dirigistisch von oben nach unten lenken lässt, braucht die privaten Start-ups, um China auf Hightech-Entwicklungskurs zu steuern. Das Politbüro will ab dem kommenden Halbjahr alle Unternehmen, die sich für einen Status als Gazelle oder Einhorn qualifizieren, besonders fördern lassen, schrieb das finanzpolitische Magazin Caixin. Caixin erwartet, dass Peking bald Richtlinien erlässt, wie es sie bei Börsengängen und Beschaffung von Finanzmitteln unterstützen will.
Der Begriff Gazellen-Unternehmen kommt aus den USA und geht auf David Birch, Ökonom am MIT und sein 1987 erschienenes Buch “Job Creation in America” zurück. Nach seinen Studien im Silicon Valley nannte er dortige Start-ups “kleine, schnelle und hochspringende Firmen” mit hohen Wachstumsraten und Innovationskraft, die Arbeitsplätze schaffen und an die Börse drängen. Sie seien meist im Technologie- und IT-Bereich, aber auch im Handel-, Textil- und Nahrungsmittelsektor unterwegs. 2012 ließ darauf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Gazellenunternehmen in einer ausführlichen Studie untersuchen.
Der weltweite Startup-Boom brachte schließlich die Einhörner und Gazellen als Nachzügler auch in die Volksrepublik. Eine im April auf einem Peking-Forum vorgestellte Finanzanalyse von Consultingfirmen wie KPMG, ZGC-Unicorn Alliance oder Great Wall Enterprise nannte 2024 China die nach den USA derzeit zweitgrößte Heimat für Gazellen und Einhörner. Obwohl ihr Bestand einige Zeit lang wegen der Interventionspolitik der Partei schrumpfte, preschen sie heute vor allem in Bereichen Künstliche Intelligenz und Halbleiter-Entwicklung vor. Die Studie nennt 369 chinesische Einhörner (die USA zählen 700), die mit einer durchschnittlichen Bewertung von 3,8 Milliarden US-Dollar registriert seien.
Nun lässt Xi Gazellen und Einhörner (und deren Unternehmer) wieder umarmen. Es ist eine Kehrtwendung. Erst vor zwei Wochen hatte er noch sein Zentralkomitee vor ganz anderen Viechern gewarnt, vor gefährlichen “grauen Nashörnern” 灰犀牛 (seit langem ungelöste, plötzlich explodierende Probleme) und vor “schwarzen Schwänen” 黑天鹅 (unerwartet ausbrechende Krisen). In einer Erklärung auf dem Dritten Plenum zur Vertiefung der Reformen beschwor er das ZK, immer zuerst an mögliche Risiken zu denken. “Jederzeit könnte es zu Vorfällen mit ‘Schwarzen Schwänen’ oder ‘Grauen Nashörnern’ kommen.”
Alleinregent Xi zitiert häufig Tier-Symbolnamen, selbst auf Auslandsreisen: In einer Pariser Rede zu 50 Jahren diplomatischer Beziehungen Ende März 2014 versprach er den Franzosen, die Volksrepublik nicht fürchten zu müssen: “Der Löwe China ist bereits aufgewacht. Er ist friedlich, freundlich und zivilisiert”. Er spielte auf ein Bonmot Napoleons an, der 1803 auf seinen Globus deutete und angeblich ausrief: “Hier ruht ein noch schlafender Gigant – lassen wir ihn so. Wenn er aufwacht, könnte er die Welt erschüttern.”
Beim Besuch Indiens warb er auch 2014 um Regierungschef Narendra Modi: “Der chinesische Drache und der Indische Elefant” sollten sich zusammentun, um eine “gerechtere und vernünftigere internationale Ordnung” herzustellen. Inzwischen umschmeichelt Xi in Sachen neuer Weltordnung Russlands Bären.
Vorgänger Mao verwendete Tiersymbole in seinen öffentlichen Reden oder in der politischen Alltagssprache viel sparsamer. Bis auf sein Bonmot, dass die USA ein “Papiertiger” sei und bis auf seine absurde Kampagne in den 1950er-Jahren, die vier Schädlinge auszurotten (Ratten, Wanzen, Moskitos und Spatzen), wobei Mao später die nützlichen Spatzen gegen Kakerlaken austauschen ließ.
Zahlreiche Tiere und Vögel, Drachen und andere Biester, Phönixe, Fische und Schildkröten, oder goldene Zauberaffen wie Sun Wukong bevölkern dagegen seine Gedichte. Er karikierte mit Tiervergleichen Gegner, oder beschwor mythische Kreaturen, um China zu glorifizieren. Spezielle chinesische Studien untersuchen und interpretieren, welche Tiere Mao in seinen Gedichten aufnahm und warum er das tat.
Ein solches Bedeutungswörterbuch für die von Xi auffällig oft verwendeten Tierbegriffe steht noch aus. Dafür trägt ein eigentlich als Parabel auf die Geschichte der Sowjetunion 1945 erschienener Roman, der in ganz anderer Hinsicht mit Tieren zu tun hat, zum Verständnis der erst 1949 gegründeten Volksrepublik bei, besonders seit sie von Xi regiert wird: George Orwells Fabel “Farm der Tiere”.
Lei Feng ist seit Juli Head of CIB China Market bei der Banque Internationale à Luxembourg (BIL). Lei hat 20-jährige Erfahrung im Unternehmens- und Investmentbanking und hat zahlreiche chinesisch-europäische Konsortial-, Projekt- und M&A-Finanzierungen geleitet und mitgestaltet. Bis Juli war er Corporate Banking Expert bei der China Merchants Bank, ebenfalls in Luxemburg.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Die Shanghaier Changle Lu, grob übersetzt mit “Straße des ewigen Glücks”, war mit ihrem heruntergekommenen Charme und den vielen Cafés, Bars und Modegeschäften lange eine der beliebtesten Straßen für chinesische Hipster und Expats. Doch viele der leicht windschiefen Häuser der ehemaligen French Concession wurden in den vergangenen Wochen zum Abriss freigegeben. Die Gegend soll ein neues Gesicht bekommen. Eine Entwicklung, wie man sie sonst vor allem aus Peking kennt, wo zuletzt das Ausgehviertel Sanlitun luxussaniert wurde.
der Mond ist fest in chinesischer Hand. In den vergangenen Jahren hat China gleich vier Landungen auf dem Erdtrabanten erfolgreich gemeistert. Eigentlich wollten die USA nun nachlegen – doch sie scheitern schon vor dem Abflug, wie Jörn Petring berichtet.
Auf dem Planeten Erde ist Peking derweil nicht ganz auf Erfolgskurs: Das Projektvolumen der Neuen Seidenstraße schrumpft. Außerdem zieht sich China selbst immer mehr aus der Finanzierung zurück und lässt anderen Geldgebern den Vortritt. Das zeigt eine Auswertung der Germany Trade & Invest (GTAI), die Finn Mayer-Kuckuk vorab einsehen konnte. Sie zeigt: Kleiner, aber feiner will die Belt and Road Initiative werden.
Chinas Politik gleicht einem kleinen Zoo: Dort gibt es Tiger, Löwen, Katzen – die Führung in Peking hat noch nie vor einer Analogie in die Tierwelt zurückgeschreckt, um ihren Punkt zu verbildlichen. Johnny Erling stellt Ihnen heute ein weiteres Tier vor: die Gazelle. Flink und wendig soll diese jetzt Chinas Wirtschaft zu einem Vorsprung verhelfen.
Das Projektvolumen der neuen Seidenstraße schrumpft. Zudem zieht sich China selbst immer mehr aus der Finanzierung zurück und lässt anderen Geldgebern den Vortritt. Das geht aus der aktuellen Auswertung von Daten zu Seidenstraßen-Aktivitäten hervor, die die Germany Trade & Invest (GTAI) vorgenommen hat.
Die Zahl der Projekte blieb mit 513 im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zu 529 im Vorjahreszeitraum zwar fast gleich. Doch es zeichnet sich laut GTAI ein Trend zu bescheideneren Vorhaben mit einem Auftragsvolumen unter 100 Millionen US-Dollar ab. “Die Projekte sollen nach Vorgabe Pekings nicht nur ‘smarter’ und ‘schöner’, sondern vor allem ‘kleiner’ werden”, sagt Regionalexperte Marcus Hernig von der GTAI. Im Oktober 2023 hatte Staatschef Xi Jinping einen Kurswechsel in diese Richtung bekannt gegeben.
Im Jahresverlauf 2024 verstärkte sich die Wahrnehmung noch: Der Anteil vergleichsweise kleiner Investitionen im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) nahm immer weiter zu. Vom ersten zum zweiten Quartal stieg sie von 40 auf 72.
Die Gründe für die Trendumkehr in Richtung Bescheidenheit:
Statt Tiefseehäfen baut China jetzt mehr überschaubare Einrichtungen mit unmittelbarem Nutzen für die Bevölkerung. Die GTAI nennt als Beispiele:
Als neuer Schwerpunkt zeichnen sich dabei sehr unterentwickelte Regionen in Afrika ab, in denen eine Wasserleitung oder ein Krankenhaus schon viel bewirken. In Lateinamerika ging die Zahl der Projekte dagegen zurück. Vielleicht erholt sie sich jedoch in Südamerika bald: Im Juli 2024 hat Brasilien sich entschlossen, der BRI beizutreten.
Zugleich setzte sich der schon seit zwei Jahren bestehende Trend fort, dass immer weniger Geld von Chinas Staatsbanken kommt und mehr von anderen Geldgebern wie der Weltbank oder der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank AIIB.
China hat von Anfang an angestrebt, mit der BRI den Rahmen für Infrastrukturentwicklung zu setzen, am Ende aber nicht alles selbst zahlen zu müssen. Mit der Verkleinerung der Projekte kommt die Verschiebung zu internationalen Investoren nun offenbar besser voran. Die GTAI zählt für ihre Statistik Absichtserklärungen, Neuverträge und Folgeverträge.
Als weiterer Rückschlag für die USA im Weltraum-Rennen gegen China hat die Nasa ihre Rover-Mission Viper abgesagt. Ursprünglich sollte Viper mit einem Raumfahrzeug des in Pittsburgh ansässigen Start-ups Astrobotic zur Rückseite des Mondes fliegen. Doch Anfang des Jahres scheiterte Astrobotic bei seinem ersten Landeversuch. Die nächste Mission, die dann Viper an Bord haben sollte, wurde daher auf mindestens 2025 verschoben. Obwohl die NASA bereits etwa 450 Millionen Dollar in den Rover investiert hat, entschied sie jetzt, dass sie aus Kostengründen nicht länger warten will.
“Die Fortführung von Viper würde zu höheren Kosten führen, die die Absage oder Störung anderer kommerzieller Mondmissionen zur Folge haben könnten”, erklärte die NASA in einer Pressemitteilung im Juli. Stattdessen will die NASA nun “alternative Methoden” nutzen, um die Anwesenheit von Eis am Südpol des Mondes zu überprüfen.
Für die Nasa ist dies der nächste peinliche Vorfall bei ihren Bemühungen, zum Mond zurückzukehren. Seit den Mondbuggys der Apollo-Astronauten hat die Nasa keine Fahrzeuge mehr auf der Mondoberfläche eingesetzt. Der Mond ist stattdessen bereits seit Jahren fest in chinesischer Hand. Seit 2013 hat die Volksrepublik bereits vier Landemissionen erfolgreich abgeschlossen. Alles lief dabei nach Plan:
Für Viper-Fans ist die chinesische Dominanz eine Schmach. Doch die Unterstützer des Projekts geben nicht auf. Bis zum 30. Juli haben mehr als 4.400 Menschen einen offenen Brief an den US-Kongress unterzeichnet. Darin fordern sie die Abgeordneten auf, die Entscheidung der Nasa zur Absage des Programms zu blockieren und es weiter zu finanzieren.
Am 25. Juli legte ein Senatsunterausschuss seinen Vorschlag für die Nasa-Finanzierung vor. Dieser sieht allerdings nur eine winzige Erhöhung von 30 Millionen Dollar für Zwecke der Mondforschung vor. Und es gilt als unwahrscheinlich, dass davon etwas an Viper geht. Denn sofort wurden Forderungen laut, die zusätzlichen Finanzmittel lieber in das Artemis-Programm zu stecken.
Artemis ist das Mondprogramm der USA, das zum Ziel hat, wieder Astronauten auf den Mond zu bringen. Doch auch hier läuft es alles andere als nach Plan. Der erste unbemannte Testflug der neuen Rakete fand im November 2022 erst nach mehreren Verzögerungen statt.
Eigentlich sollte es in diesem Jahr einen bemannten Testflug geben, doch dieser wurde wegen technischer Probleme auf frühestens September 2025 verschoben. Das ursprünglich angestrebte Landedatum auf dem Mond im Dezember 2025 kann somit nicht eingehalten werden. Ob es 2026 klappt, wird von einigen Experten bereits bezweifelt.
Sollten sich die Pleiten der USA fortsetzen, wäre es nicht verwunderlich, wenn die Chinesen am Ende schneller Menschen auf den Mond bringen. Ihre offiziellen Pläne sehen vor, bis 2030 ein Team von Astronauten dorthin zu schicken. Das zuverlässige Rover-Programm zeigt, dass auch beim bemannten Mondprogramm nicht mit nennenswerten Verzögerungen zu rechnen ist.
Die USA können sich derweil damit trösten, dass es auch für andere Länder bei ihren Mond-Plänen nicht besser läuft. In jüngster Vergangenheit hatten mehrere Mondsonden aus Indien, Israel, Japan und Russland nicht wie geplant ihr Ziel erreicht.
Die USA haben China im ersten Halbjahr den Titel als wichtigster deutscher Handelspartner abgenommen. Der deutsche Warenaustausch mit den USA summierte sich von Januar bis Juni auf rund 127 Milliarden Euro, während Exporte und Importe mit der Volksrepublik bei knapp 122 Milliarden Euro lagen. Das geht aus Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters auf Basis von vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. 2023 war die Volksrepublik mit einem Handelsvolumen von rund 253 Milliarden Euro das achte Jahr in Folge die Nummer Eins im deutschen Außenhandel geblieben – aber nur knapp, mit wenigen Hundert Millionen Euro Vorsprung vor den USA.
“Beim gesamten Handelsvolumen, also der Summe aus Ein- und Ausfuhren, haben die USA China in der ersten Jahreshälfte nunmehr überholt”, sagte die Außenhandelsexpertin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Lola Machleid, zu Reuters. “Aufgrund der bis zuletzt resilienten US-Konjunktur haben die Exporte in die Vereinigten Staaten zugenommen.” Insgesamt wuchsen die deutschen US-Exporte in den ersten sechs Monaten des Jahres um 3,3 Prozent auf fast 81 Milliarden Euro. Das Exportgeschäft mit China schrumpfte hingegen um fast drei Prozent auf gut 48 Milliarden Euro.
Die Importe aus der Volksrepublik brachen sogar um knapp acht Prozent auf 73,5 Milliarden Euro ein. Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche in Deutschland, die Konsumzurückhaltung, aber auch der Wunsch nach stärkerer Diversifizierung der Lieferketten in der Industrie hätten dazu beigetragen, sagte Machleid. Das deutsche Handelsdefizit mit China bleibt aber trotzdem bestehen. rtr
Chinas CO₂-Emissionen sind im zweiten Quartal um ein Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Nach Angaben des China-Experten Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air ist dies der erste Quartalsrückgang seit dem Ende der Null-Covid-Politik. Diese hatte Chinas Produktionstätigkeit lange Zeit deutlich gedrosselt; seither erholt sich die Wirtschaft schrittweise, wodurch auch die Emissionen wieder angestiegen waren. Offizielle Zahlen und Wirtschaftsdaten deuteten darauf hin, dass China auch im Gesamtjahr 2024 weniger CO₂ ausstoßen werde als 2023, schreibt Myllyvirta in einem Beitrag für den Fachdienst Carbon Brief. Allerdings macht der Emissionsanstieg im ersten Quartal die Reduktion im zweiten Quartal zunichte, womit das erste Halbjahr 2024 netto einen Emissionsanstieg von rund drei Prozent verbucht.
Offiziell peilt China den Emissionsgipfel erst bis 2030 an – doch Experten hoffen auf eine frühere Wende. Myllyvirta weist in dem Beitrag auf einige Indikatoren hin. Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie etwa sei im ersten Halbjahr um 171 Terawattstunden (TWh) gestiegen, was mehr ist als die gesamte Stromerzeugung von Großbritannien im ersten Halbjahr 2023. Die Zunahme von Elektroautos auf den Straßen reduziere die Nachfrage nach Benzin. Auch seien die CO₂-Emissionen aus der Energienutzung und der Zementproduktion im zweiten Quartal um jeweils ein Prozent gesunken. Im Januar und Februar waren diese noch stark angestiegen.
Chinas Energieverbrauch steigt aufgrund der wachsenden Wirtschaft noch immer an, während sich die CO₂-Emissionen pro BIP-Einheit verbessern. Im ersten Quartal blieb die Effizienzverbesserung allerdings laut Myllyvirta hinter den Zielen Pekings zurück. Allerdings deutet sich derzeit ein Paradigmenwechsel an: China will statt der Effizienzziele erstmals eine harte Emissionsobergrenze festlegen. Der Staatsrat hat dazu Ende letzter Woche ein Arbeitsprogramm vorgelegt. ck
Die Verkäufe von New Energy Vehicles (NEVs) legten in China im Juli um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu und erreichten damit einen Rekordanteil von 50,7 Prozent der Autoverkäufe. Das zeigen neue Daten der China Passenger Car Association. Insgesamt gingen die Autoverkäufe auf dem chinesischen Markt jedoch um 3,1 Prozent zurück, womit sich der Rückgang den vierten Monat in Folge fortsetzte. Das schwache Verbrauchervertrauen wird unter anderem auf die anhaltende Krise des Immobiliensektors zurückgeführt.
Der schwächelnde Automarkt veranlasste Chinas staatliche Planungsbehörde Ende Juli zu der Ankündigung, dass die Barzuschüsse für Fahrzeugkäufe verdoppelt würden – auf bis zu 20.000 Yuan (2.785 US-Dollar) pro Kauf – und zwar rückwirkend ab April, als die Zuschüsse erstmals eingeführt wurden.
Darüber hinaus haben einige Städte, in denen der Autokauf eingeschränkt ist, ihre Beschränkungen gelockert. So kündigte die Hauptstadt Peking im vergangenen Monat an, ihre NEV-Lizenzquote um 20.000 Fahrzeuge zu erweitern. Dies ist die erste Lockerung der Beschränkungen seit der Einführung eines strengen Quotensystems im Jahr 2011, mit dem der Verkehr entlastet und die Luftqualität verbessert werden sollte. rtr
British Airways wird seine Route von London nach Peking ab Herbst vorerst einstellen. Die Route werde ab dem 26. Oktober pausiert, teilte die britische Fluggesellschaft der Branchen-Plattform Head for Points am Donnerstag mit. Die Veränderung wird demnach mit dem Ende des Sommerflugplans umgesetzt. Alle betroffenen Kunden würden kontaktiert und Umbuchungsoptionen oder Rückerstattungen angeboten, so die Airline. “Wir führen weiterhin täglich Flüge nach Shanghai und Hongkong durch”, teilte das Unternehmen dem Online-Magazin mit.
British Airways gab keine Erklärung für die vorübergehende Streichung ab. Die Fluggesellschaft hatte die Route bereits 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie ausgesetzt und im Juni 2023 wieder aufgenommen. BA ist nicht die einzige Fluggesellschaft, die ihre China-Verbindungen zurückfährt: Vor einem Monat kündigte Virgin Atlantic an, sich aus Shanghai zurückzuziehen – ihr einziger Flug nach Ostasien. Auch die australische Fluggesellschaft Qantas hat sich vom chinesischen Festland verabschiedet, nachdem sie angedeutet hatte, die Flüge seien nur “halb voll”.
Anders steht es um Ungarn: In Budapest landete vergangene Woche der erste Direktflug aus Shenzhen. “Mit der Eröffnung der Direktflugverbindung Shenzhen-Budapest von Hainan Airlines ist die Zahl der Direktflüge zwischen Budapest und den wichtigsten chinesischen Städten auf sieben gestiegen, und die Zahl der direkten Passagierflüge zwischen China und Ungarn hat 21 pro Woche erreicht“, sagte Gong Tao, chinesischer Botschafter in Ungarn, bei der Eröffnungszeremonie. Auf der Strecke Budapest-Shenzhen sollen zwei Flüge pro Woche angeboten werden. ari
Parteichef Xi Jinping rief die Mitglieder seines Politbüros Ende Juli, einen Tag vor Antritt ihrer zweiwöchigen Sommerpause, in Peking zusammen. Er verlangte von seinen ranghöchsten Funktionären, gleich nach ihrem Urlaub die lahmende Wirtschaft wieder aus der Talsohle zu bringen. Sie müssten dazu “moderne Hightech- und Zukunftsindustrien” fördern, einen “Mechanismus im Markt” einführen, der “rückständige und ineffiziente Produktion herausdrängt” (畅通落后低效产能退出渠道) und “nur die Fittesten überleben lässt.” (要 … 强化市场优胜劣汰机制). Das Politbüro sollte zudem “stark und wirksam Gazellen- und Einhorn-Firmen unterstützen” (要有力有效支持发展瞪羚企业、独角兽企业).
Die sonderbaren Tierlabels sind Synonyme für private Firmenneugründungen in Bereichen der Hightech- und IT-Anwendung. Sie stehen für Zehntausende schnell wachsender Start-ups (Gazellen) und für aus ihnen hervorgegangene Konzerne mit Milliardenwert (Einhörner), die ihren Börsengang planen.
Ermattet vom stereotypen Reformpalaver, das die Partei seit ihrem Dritten ZK-Plenum medial abspulen lässt, entging den meisten Beobachtern dieser jüngste Vorschlag Xis. Hongkongs “South China Morning Post” (SCMP) notierte verwundert, dass Peking nicht nur auf Gazellen und Einhörner als Reformzugpferde setzt, sondern auch das Dschungelprinzip “survival of the fittest” in seine sozialistische Marktwirtschaft einführt. Sie feixte, “Chinas Geschäftsklima klingt allmählich wie (ein Bericht) aus der afrikanischen Savanne.” Peking hoffe wohl, dass von den Gazellen und Einhörnern neue Impulse für Innovationen, hochqualitative Entwicklung und ein Mehr an Beschäftigung ausgehen, die Chinas notleidende Wirtschaft so dringend brauche.
Ausflüge in die Tierwelt ist China von den Reden seines Parteichefs gewohnt. Gleich nach Amtsantritt trat Xi eine nunmehr seit zwölf Jahren dauernde Kampagne zur Bekämpfung der Korruption los. Er gab als Schlachtrufe aus: Tiger schlagen 打老虎, (gegen hochrangige Funktionäre vorgehen), Fliegen klatschen 拍苍蝇 (kleine Beamte verfolgen) und Füchse fangen 猎狐 (mit unterschlagenem Vermögen ins Ausland Geflohene zurückholen). Nebenbei servierte Xi in seiner Kampagne gleich zahlreiche politische Gegner mit ab.
Gazelle und Einhorn tauchen begrifflich neu in seinem Repertoire auf. Seit sich das Politbüro mit den exotischen Huftieren befassen muss, beeilen sich die Staatspresse und soziale Medien, sie zu deuten. Webseiten wie Cyber-Finance 赛博财经 setzten dazu auf künstliche Intelligenz (KI). Mit Erfolg: Am 3. August erklärte sie dank ChatGPT: 摘要由作者通过智能技术生成 “Gazellen nennt man sehr schnell wachsende, innovative Start-ups. Sie sind in Metropolen wie Peking und Guangdong konzentriert und investieren vor allem in Branchen wie Informationstechnologien der neuen Generation. Aus Gazellen werden später Einhörner.” ChatGPT fügte noch an: “Politische Unterstützung ist zu ihrer Entwicklung entscheidend vonnöten.” 政策扶持对瞪羚企业发展至关重要
Nur gut, dass die KI nicht auch noch verriet, dass es Xi war, der vor wenigen Jahren Hightech-Startups, die ihm politisch zu unabhängig wurden, an die Kandare der Parteikontrolle nahm. Exemplarisch stutzte er dem erfolgreichsten, einstigen Einhorn-Unternehmen und E-Commerce-Giganten Alibaba und seinem Gründer Jack Ma politisch die Flügel.
Xi, der statt dem Marktprinzip zum Durchbruch zu verhelfen, lieber die Wirtschaft von der Partei dirigistisch von oben nach unten lenken lässt, braucht die privaten Start-ups, um China auf Hightech-Entwicklungskurs zu steuern. Das Politbüro will ab dem kommenden Halbjahr alle Unternehmen, die sich für einen Status als Gazelle oder Einhorn qualifizieren, besonders fördern lassen, schrieb das finanzpolitische Magazin Caixin. Caixin erwartet, dass Peking bald Richtlinien erlässt, wie es sie bei Börsengängen und Beschaffung von Finanzmitteln unterstützen will.
Der Begriff Gazellen-Unternehmen kommt aus den USA und geht auf David Birch, Ökonom am MIT und sein 1987 erschienenes Buch “Job Creation in America” zurück. Nach seinen Studien im Silicon Valley nannte er dortige Start-ups “kleine, schnelle und hochspringende Firmen” mit hohen Wachstumsraten und Innovationskraft, die Arbeitsplätze schaffen und an die Börse drängen. Sie seien meist im Technologie- und IT-Bereich, aber auch im Handel-, Textil- und Nahrungsmittelsektor unterwegs. 2012 ließ darauf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Gazellenunternehmen in einer ausführlichen Studie untersuchen.
Der weltweite Startup-Boom brachte schließlich die Einhörner und Gazellen als Nachzügler auch in die Volksrepublik. Eine im April auf einem Peking-Forum vorgestellte Finanzanalyse von Consultingfirmen wie KPMG, ZGC-Unicorn Alliance oder Great Wall Enterprise nannte 2024 China die nach den USA derzeit zweitgrößte Heimat für Gazellen und Einhörner. Obwohl ihr Bestand einige Zeit lang wegen der Interventionspolitik der Partei schrumpfte, preschen sie heute vor allem in Bereichen Künstliche Intelligenz und Halbleiter-Entwicklung vor. Die Studie nennt 369 chinesische Einhörner (die USA zählen 700), die mit einer durchschnittlichen Bewertung von 3,8 Milliarden US-Dollar registriert seien.
Nun lässt Xi Gazellen und Einhörner (und deren Unternehmer) wieder umarmen. Es ist eine Kehrtwendung. Erst vor zwei Wochen hatte er noch sein Zentralkomitee vor ganz anderen Viechern gewarnt, vor gefährlichen “grauen Nashörnern” 灰犀牛 (seit langem ungelöste, plötzlich explodierende Probleme) und vor “schwarzen Schwänen” 黑天鹅 (unerwartet ausbrechende Krisen). In einer Erklärung auf dem Dritten Plenum zur Vertiefung der Reformen beschwor er das ZK, immer zuerst an mögliche Risiken zu denken. “Jederzeit könnte es zu Vorfällen mit ‘Schwarzen Schwänen’ oder ‘Grauen Nashörnern’ kommen.”
Alleinregent Xi zitiert häufig Tier-Symbolnamen, selbst auf Auslandsreisen: In einer Pariser Rede zu 50 Jahren diplomatischer Beziehungen Ende März 2014 versprach er den Franzosen, die Volksrepublik nicht fürchten zu müssen: “Der Löwe China ist bereits aufgewacht. Er ist friedlich, freundlich und zivilisiert”. Er spielte auf ein Bonmot Napoleons an, der 1803 auf seinen Globus deutete und angeblich ausrief: “Hier ruht ein noch schlafender Gigant – lassen wir ihn so. Wenn er aufwacht, könnte er die Welt erschüttern.”
Beim Besuch Indiens warb er auch 2014 um Regierungschef Narendra Modi: “Der chinesische Drache und der Indische Elefant” sollten sich zusammentun, um eine “gerechtere und vernünftigere internationale Ordnung” herzustellen. Inzwischen umschmeichelt Xi in Sachen neuer Weltordnung Russlands Bären.
Vorgänger Mao verwendete Tiersymbole in seinen öffentlichen Reden oder in der politischen Alltagssprache viel sparsamer. Bis auf sein Bonmot, dass die USA ein “Papiertiger” sei und bis auf seine absurde Kampagne in den 1950er-Jahren, die vier Schädlinge auszurotten (Ratten, Wanzen, Moskitos und Spatzen), wobei Mao später die nützlichen Spatzen gegen Kakerlaken austauschen ließ.
Zahlreiche Tiere und Vögel, Drachen und andere Biester, Phönixe, Fische und Schildkröten, oder goldene Zauberaffen wie Sun Wukong bevölkern dagegen seine Gedichte. Er karikierte mit Tiervergleichen Gegner, oder beschwor mythische Kreaturen, um China zu glorifizieren. Spezielle chinesische Studien untersuchen und interpretieren, welche Tiere Mao in seinen Gedichten aufnahm und warum er das tat.
Ein solches Bedeutungswörterbuch für die von Xi auffällig oft verwendeten Tierbegriffe steht noch aus. Dafür trägt ein eigentlich als Parabel auf die Geschichte der Sowjetunion 1945 erschienener Roman, der in ganz anderer Hinsicht mit Tieren zu tun hat, zum Verständnis der erst 1949 gegründeten Volksrepublik bei, besonders seit sie von Xi regiert wird: George Orwells Fabel “Farm der Tiere”.
Lei Feng ist seit Juli Head of CIB China Market bei der Banque Internationale à Luxembourg (BIL). Lei hat 20-jährige Erfahrung im Unternehmens- und Investmentbanking und hat zahlreiche chinesisch-europäische Konsortial-, Projekt- und M&A-Finanzierungen geleitet und mitgestaltet. Bis Juli war er Corporate Banking Expert bei der China Merchants Bank, ebenfalls in Luxemburg.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Die Shanghaier Changle Lu, grob übersetzt mit “Straße des ewigen Glücks”, war mit ihrem heruntergekommenen Charme und den vielen Cafés, Bars und Modegeschäften lange eine der beliebtesten Straßen für chinesische Hipster und Expats. Doch viele der leicht windschiefen Häuser der ehemaligen French Concession wurden in den vergangenen Wochen zum Abriss freigegeben. Die Gegend soll ein neues Gesicht bekommen. Eine Entwicklung, wie man sie sonst vor allem aus Peking kennt, wo zuletzt das Ausgehviertel Sanlitun luxussaniert wurde.