De-risking ist im Umgang mit China weiterhin das oberste Gebot, auch in der Forschungskooperation zu digitalen Schlüsselthemen wie Künstlicher Intelligenz. Laut einer neuen Studie steigt der Output an gemeinsamen Publikationen zwischen europäischen und chinesischen Forschern hierbei dennoch konstant an.
Die Studie ist Teil eines EU-Projektes, das ermitteln soll, auf welchen Feldern eine Zusammenarbeit “wünschenswert, möglich oder unmöglich ist” – sprich: wo sich die goldene Mitte zwischen der Schaffung von Wissen und der Minimierung von Missbrauchsrisiken befindet, etwa wenn China die Ergebnisse für Überwachung oder militärische Zwecke nutzen könnte.
Europa sei im Gegensatz zu den USA weiter relativ offen für die Zusammenarbeit, erklärten die Autoren der Studie Christiane Kühl. Das erhöhe das Interesse chinesischer Institutionen, europäische Partner zu finden. Man müsse dabei jedoch von Fall zu Fall informierte Entscheidungen treffen, um Risiken auszuschließen.
Chinas erstes selbst entwickeltes Bohrschiff soll in der Lage sein, bis zu 11.000 Meter tiefe Löcher durch die Erdkruste bis in den oberen Erdmantel zu bohren. Es wäre ein in der Menschheitsgeschichte einmaliger Rekord, wenn es denn klappt. Möglich wären dadurch neue Erkenntnisse etwa über die Prozesse, die zu Erdbeben, Vulkanausbrüchen und der Bewegung tektonischer Platten führen.
Aber natürlich geht es dabei auch um Prestige. Wie einst beim Rennen zum Mond stehen mehrere Nationen im intensiven Wettbewerb, den Erdmantel zu erreichen, schreibt Jörn Petring – bisher jedoch ohne Erfolg. Am weitesten kamen die Sowjets in den 1970er-Jahren. Die Grenze zwischen der Erdkruste und dem darunter liegenden Erdmantel erreichten jedoch auch sie nicht.

Die Forschungszusammenarbeit zwischen der EU und China nimmt auch in Zeiten des De-Risking weiter zu. Das ergab eine aktuelle Studie zu gemeinsamen Publikationen europäischer und chinesischer Forschender zu Digitalthemen und Künstlicher Intelligenz in verschiedenen Fachdisziplinen. Seit 2011 ist der Output an Ko-Publikationen demnach konstant gestiegen. Mit 65 Prozent entfiel der mit Abstand größte Teil der Tech-Themenkooperation auf die Angewandten Wissenschaften – also Forschung, die auf praxisrelevante Lösungen ausgerichtet ist – gefolgt von den Naturwissenschaften (18 Prozent).
Die Studie ist Teil des EU-Projektes Reconnect China, das ermitteln soll, auf welchen Feldern eine Zusammenarbeit der EU mit China “wünschenswert, möglich oder unmöglich ist”. Dazu untersuchen die Forschenden Kooperationen in Wissenschaft und Technologie, Wirtschaft und Handel sowie Governance und Außenpolitik, mit einem Fokus auf die wichtigsten Disziplinen und Institutionen in China und der EU sowie Großbritannien, Norwegen und der Schweiz (EU-27/AC). Oberziel ist es, unabhängiges Wissen für einen resilienten Umgang mit der Volksrepublik zu schaffen – also eine höhere China-Kompetenz, auch in Spezialgebieten.
Die Autoren durchkämmten dazu die wissenschaftliche Zitationsdatenbank “Web of Science” der Researchfirma Clarivate – und zwar mit Keywords, die auf digitale Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen und Big Data abzielten. Die gesamte Studie dreht sich daher ausschließlich um diese Tech-Aspekte, zu denen es Kooperationen in verschiedensten Fachbereichen gab: Die Forschenden stießen für den untersuchten Zeitraum 2011 bis 2022 auf Zigtausende Ko-Publikationen, die in irgendeiner Form mit ihrem Schwerpunkt zu tun hatten.
Zwar liegen die US-Amerikaner noch immer vorn – doch publizieren die USA seit 2021 immer weniger mit China. Im Jahr 2022 übertrafen die Ko-Publikationen zwischen Europa und China laut der Studie bereits jene der USA und China. “Wir glauben, dass dieser Abwärtstrend unter anderem auch mit der größeren geopolitischen Lage und der angespannten Situation zwischen China und den USA zu tun hat”, sagt Philipp Brugner, einer der Autoren der Studie, im Gespräch mit Table.Media.

“Das Interesse Chinas ist daher, verstärkt nach Europa zu schauen, weil wir in der Forschungskooperation noch zugänglicher sind und die Rhetorik gegenüber China noch nicht so harsch ist”, sagt Brugner. “Wir müssen uns dieses Interesses sehr bewusst sein – und wenn es Anfragen gibt, sehr viel bewusster hinschauen, als wir das in den letzten Jahren getan haben.” Es geht darum, Missbrauch auszuschließen: Gerade die digitalen Anwendungen, um die es in der Studie geht, könnten leicht für Überwachung oder militärische Zwecke außerhalb des vereinbarten Forschungszwecks genutzt werden.
Brugner glaubt aber nicht, dass Europa sich bei der Forschungskooperation so deutlich von China abwenden wird, wie die USA es derzeit tun, sondern eher eine Balance wahren wird. “Wir werden künftig sehr selektiv vorgehen, glaube ich.” Die Autoren empfehlen ein größeres Bewusstsein für Risiken, mit dem Ziel informierte Entscheidungen zu treffen. Sie sprechen sich aber ausdrücklich nicht für einen Stopp der Zusammenarbeit aus.
Die Ko-Publikationen in den Angewandten Wissenschaften konzentrierten sich laut der Studie vor allem auf folgende Sub-Fachgebiete:
In den Naturwissenschaften dominierten Physik und Astronomie die Zusammenarbeit (sieben Prozent). Ein weiteres bedeutsames Feld war die Klinische Medizin (ebenfalls sieben Prozent).

Die Forschenden gingen aber auch noch der Frage nach, wer mit wem kooperiert. Sie fanden 17.000 Einrichtungen in der EU-27/AC sowie in China, die an gemeinsamen Publikationen beteiligt sind. In Europa gehören dazu vor allem Universitäten und Institute aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Die Autoren konzentrierten sich dann auf die aktivsten Institutionen.
Dabei fiel ihnen auf, dass auf chinesischer Seite die staatliche Akademie der Wissenschaften dominiert (mit über 4.600 Ko-Publikationen zwischen 2011 und 2022), gefolgt von der Pekinger Tsinghua-Universität (gut 1.900) und der Shanghaier Jiaotong-Universität (knapp 1.600).
In Europa kooperieren derweil vor allem Universitäten aus Großbritannien. 44 Prozent der Ko-Publikationen zwischen der EU-27/AC und China hatte mindestens einen Autor oder eine Autorin aus dem Vereinigten Königreich – mehr als Deutschland (15 Prozent) und Frankreich (11 Prozent) zusammen. Und unter den Top 25 an den Ko-Publikationen mit China beteiligten Universitäten finden sich in der Studie ganze sechs außerhalb Großbritanniens, darunter die Technische Universität München, die Schweizer ETH Zürich, die Delft University of Technology aus den Niederlanden, sowie drei skandinavische Unis.
“Die hohe Beteiligung Großbritanniens hat uns überrascht”, sagt Mitautor Gábor Szüdi. Das liegt seiner Ansicht nach am hohen Niveau und guten Ruf der dortigen Hochschulen und an der englischen Sprache, nicht so sehr an politischen Präferenzen. Die intensivste bilaterale Zusammenarbeit stellten die Forschenden zwischen der Universität Oxford und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften fest, mit 189 Ko-Publikationen. Eine dynamische Beziehung stellten die Forscher auch zwischen der TU München und der Shanghaier Tongji-Universität fest, mit 61 gemeinsamen Veröffentlichungen.
Die chinesischen Forschenden suchten ihre Kooperationspartner nicht speziell in politisch geneigten Staaten wie etwa Ungarn, sagt Szüdi. “Sie wollen mit den Allerbesten kooperieren, auch in Deutschland oder den Niederlanden.” Generell ist die Kooperation auf einige wenige Länder und Institute konzentriert. In Osteuropa kooperieren etwa nur wenige Institute mit China; eine große Ausnahme ist die sehr aktive Polnische Akademie der Wissenschaften.
Letzteres entspricht einer Beobachtung, die die Autoren in den Daten gemacht haben. “Wir vermuten, dass gezielt Partnerschaften mit Universitäten eingegangen werden, deren Name vielleicht nicht insgesamt der größte ist, die aber in einer Nischendisziplin- oder Technologie führend sind”, sagt Brugner. Das könne für beide Seiten lohnend sein. Doch er warnt auch: Generell müsse man “mit dieser Art von Intelligence besser umgehen lernen, das heißt verstehen, dass manche Anfragen nicht zufällig passieren.” China beobachte den Forschungs- und Technologiesektor Europas, und klopfe dann sehr gezielt dort an, “wo eventuell noch ein fehlendes Puzzleteil für Forschung und Entwicklung zum Durchbruch eigener technologischer Reife zu holen ist.”

Mit einem neuen Spezialschiff will China erstmals die Erdkruste durchbohren und so in den Erdmantel vordringen. Das auf den Namen “Mengxiang” (Traum) getaufte Schiff – Chinas erstes selbst entwickeltes Bohrschiff – startete am vergangenen Montag zu seiner ersten Testfahrt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
Der knapp 180 Meter lange und 33 Meter breite Koloss soll 15.000 Seemeilen zurücklegen und 120 Tage lang arbeiten können, ohne in den Hafen zurückkehren zu müssen. Wirklich beeindruckend ist aber die angebliche Bohrleistung des Schiffes. Es soll in der Lage sein, bis zu 11.000 Meter tiefe Löcher zu bohren, berichtete Xinhua. Damit wäre es mit Abstand führend.
Durch eine solche Tiefen-Bohrung könnten Wissenschaftler direkte Proben aus dem Erdmantel entnehmen. Denkbar wären so etwa neue Erkenntnisse über die Prozesse, die zu Erdbeben, Vulkanausbrüchen und der Bewegung tektonischer Platten führen.
Den bisherigen Tiefseerekord stellte 2019 das japanische Schiff “Chikyu” mit einer Bohrung von 3.250 Metern auf. Das bereits in die Jahre gekommene US-Forschungsschiff “Joides Resolution” erreichte zuletzt eine Tiefe von rund 2.000 Metern. Beide Schiffe sind Teil des International Ocean Discovery Program (IODP), einem Zusammenschluss von 20 Staaten, die gemeinsam den Ozean erforschen.
Nun mischt also auch China mit der “Mengxiang” mit und hat offenbar große Ambitionen. Das Schiff könne “durch die Erdkruste bis in den oberen Erdmantel bohren”, schreibt Xinhua unter Berufung auf nicht genannte Quellen. China wäre die erste Nation, der dieses komplizierte Unterfangen gelänge.
An der Erforschung des Innenlebens unseres Planeten haben bereits Generationen von Wissenschaftlern gearbeitet. Und ähnlich wie einst beim Rennen zum Mond, gab es bereits zu Zeiten des Kalten Krieges einen intensiven Wettbewerb, um den Erdmantel zu erreichen – bisher jedoch ohne Erfolg.
Die Erdkruste ist die äußerste Schicht der Erde und bildet die feste Oberfläche, auf der wir leben. Sie beginnt an der Erdoberfläche und erstreckt sich nach unten bis zur sogenannten Mohorovičić-Diskontinuität (kurz “Moho”). Das ist die Grenze zwischen der Erdkruste und dem darunter liegenden Erdmantel.
Das große Ziel für Geologen ist das Durchdringen der Moho, deren Tiefe je nach geografischer Lage stark variiert. Während an Land oft zwischen 30 und 50 Kilometer in die Tiefe gebohrt werden müsste, um die Moho zu erreichen, sind es am Meeresboden etwa fünf bis zehn Kilometer.
Genau aus diesem Grund versuchten die USA bereits in den 60er-Jahren ihr Glück mit Ozean-Bohrungen. Das Projekt “Mohole” fand im Pazifischen Ozean statt. Trotz einiger wissenschaftlicher Erfolge wurde es aufgrund hoher Kosten und technischer Schwierigkeiten eingestellt, bevor es den Moho erreichte.
In den 1970er-Jahren startete mit dem “Kola Superdeep Borehole” ein sowjetisches Projekt, das auf der Kola-Halbinsel eine Tiefe von 12.262 Metern erreichte. Bis heute ist es das tiefste Bohrloch der Welt – das jedoch ebenfalls die Moho nicht erreichte.
Zwar wurde die internationale Forschung an der Erdkruste fortgeführt, jedoch erwiesen sich andere Methoden als effizienter, um die Eigenschaften des Erdmantels zu ergründen. So haben etwas seismologische Untersuchungen wertvolle Erkenntnisse geliefert.
Das International Ocean Discovery Program hat sein ursprüngliches Ziel jedoch nicht aufgegeben. Es wird weiter daran gearbeitet, den Erdmantel zu erreichen. Der Wettlauf zum Mittelpunkt der Erde geht nun mit den Chinesen in die nächste Runde.
Allerdings macht Peking keinen Hehl daraus, dass es neben den wissenschaftlichen natürlich auch wirtschaftliche Interessen verfolgt. So soll die “Mengxiang” helfen, Energieressourcen im Meer zu erschließen und zur “nationalen Energiesicherheit” beitragen. Mit diesem Ziel vor Augen wird nicht nur im Ozean, sondern auch an Land kräftig gebohrt.
Chinesische Ingenieure haben im vergangenen Juli mit einem neuen Tiefbohrprojekt begonnen. Sie wollen im Sichuan-Becken im Südwesten Chinas ein 10.520 Meter tiefes Loch in die Erdkruste bohren. Die Region ist ein wichtiges Gasfördergebiet und die Ingenieure erwarten dort Erdgasvorkommen. Kurz zuvor hatte China ein weiteres Bohrprojekt im Tarim-Becken im Nordwesten Chinas gestartet. Die Superbohrung soll sogar bis in eine Tiefe von 11.100 Metern gehen.
Taiwans Verteidigungsministerium hat am Mittwoch die Entdeckung von vier chinesischen Ballons jenseits der Mittellinie der Straße von Taiwan gemeldet. Drei der vier Flugobjekte hätten sich demnach dem Erdboden bis auf gut 3.650 Meter genähert. Einer Grafik des Ministeriums zufolge seien sie zunächst südwestlich der Militärbasis Ching-Chuan-Kang in der Stadt Taichung erschienen. Das Ministerium erklärte weiter, es werde die Ballons “genau beobachten” und je nach ihrer Beschaffenheit, Höhe und möglicher Gefahren “angemessene Maßnahmen” ergreifen.
Seit Ende des vergangenen Jahres sind rund um Taiwan mehrmals verdächtige Ballons aufgetaucht. Der jüngste Vorfall sorgt kurz vor der Präsidentschaftswahl in Taiwan am 13. Januar für zusätzliche Spannungen, die durchaus einen Einfluss auf die Ergebnisse nehmen könnten. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, sieht der Konfliktexperte Ou Sifu vom taiwanischen Institut für nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung die Ballons als ein Mittel der “psychologischen Kriegsführung”. China wolle mit diesem “Instrument der militärischen Einschüchterung” dazu beitragen, dass mehr Taiwaner ihre Stimme einem pro-chinesischen Vertreter geben.
Der Ausgang der Wahl in Taiwan dürfte entscheidend für das künftige Verhältnis zwischen Taipeh und Peking und somit auch für das Verhältnis zwischen den USA und China sein. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erwähnte in seiner Neujahrsansprache die Wahl nicht. Er betonte aber, dass die Vereinigung Taiwans mit China historisch unvermeidbar sei. fpe
Die Ampel-Regierung hat zwar mehrfach beteuert, die China-Kompetenz in Deutschland stärken zu wollen. Zumindest der deutsche Mittelstand geht aber leer aus. Das verrät die Antwort der Regierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Ein über Jahre vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Manager-Fortbildungsprogramm werde es nicht mehr geben, so die Regierung. Angesichts des hohen Niveaus der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und einer Präsenz von mehr als 5.000 deutschen kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Volksrepublik sei “eine weitere Förderung nicht mehr notwendig”, heißt es weiter.
Das Managerfortbildungsprogramm sei bereits zum 30. Juni 2023 beendet worden. Die dadurch frei gewordenen Mittel würden aber nicht für neue China-bezogene Programme verwendet, sondern für Programme mit dem Fokus auf andere Länder, heißt es in der Antwort weiter. Dadurch soll nicht zuletzt “auch ein Beitrag zur weiteren Diversifizierung der deutschen Außenwirtschaftsbeziehungen geleistet” werden.
Die Bundesregierung ließ zudem offen, ob sie Mittel für mehr China-Kompetenz etwa für junge Menschen ausweiten werde und verwies darauf, dass die Haushaltsberatungen für 2024 noch nicht beendet seien. Auch zur Möglichkeit einer gezielten Sprachförderung bestimmter Fachgruppen wollte sie sich nicht äußern.
Thomas Jarzombek, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hält die bislang erfolgten Maßnahmen für unzureichend. “In Deutschland leben aufgrund von Studien- oder Arbeitsaufenthalten vermutlich viel mehr Menschen mit ausgewiesener China-Kompetenz als der Bundesregierung bekannt ist”, kritisiert Jarzombek.
Vorhandene Potenziale müssten effektiver genutzt, mehr Anreize für China-bezogene Bildungsangebote geschaffen werden. Sein Fraktionskollege Alexander Föhr geht mit der Kritik noch weiter: Die Bundesregierung handele nicht entschieden genug. Wichtige Daten würden ihr nicht vorliegen. Woher mehr China-Kompetenz in Zukunft kommen soll, bleibe unklar.
Die Bundesregierung betonte, dass sie sich bei den diesjährigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen für eine Aufhebung der Sanktionen gegen das Forschungsinstitut Merics einsetzen werde, die China Anfang 2021 gegen Europas führendes China-Forschungsinstitut verhängt hat. Merics-Mitarbeiter dürfen seitdem nicht mehr in die Volksrepublik einreisen. flee
Chinas Militär führt seit Mittwoch routinemäßige Patrouillen mit seinen See- und Luftstreitkräften im Südchinesischen Meer durch, wie die Südeinsatzkräfte der Volksbefreiungsarmee mitteilten. Die Patrouillen sollen auch am Donnerstag weitergeführt werden. Die Truppen in der Region seien jederzeit in höchster Alarmbereitschaft und würden die nationale Souveränität, Sicherheit und Seerechte verteidigen, erklärte das chinesische Militär über Wechat. Gleichzeitig begannen auch die Philippinen und die Vereinigten Staaten ab Mittwoch eine zweitägige gemeinsame Patrouille im Südchinesischen Meer.
Im Dezember hatten die Spannungen im Südchinesischen Meer an Brisanz gewonnen. Philippinische Boote waren auf dem Weg zum sogenannten Second-Thomas-Riff auf den Spratly-Inseln von der chinesischen Küstenwache abgefangen worden. Es kam zu handfesten Auseinandersetzungen: Die chinesische Seite feuerte Wasserwerfer ab und rammte einige Boote.
Die Philippinen und die USA starteten erstmals im November gemeinsame Patrouillen. Sollte der Konflikt eskalieren, hätte das schnell globale Auswirkungen. Denn die USA sind über einen militärischen Beistandspakt mit den Philippinen verbunden. rtr/ari
Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) prüft einem Bericht zufolge Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten bei einem Biodieselprojekt in China. Deutsche Biokraftstoffhersteller hatten zuvor angekreidet, dass die von der DEHSt an einige internationale Unternehmen für fossile Brennstoffe für ihre Emissionsminderungsprojekte in China ausgestellten Upstream-Emissionsreduktionszertifikate (UER) mutmaßlich auf falschen Informationen beruhten.
Die UER-Zertifikate gibt es für eine emissionsarme Herstellung des Biokraftstoffes, zum Beispiel für die Nutzung erneuerbarer Energien. Für ein Projekt in China gebe es dazu nun eine Untersuchung, berichtete Nikkei Asia am Mittwoch. Um welches Projekt es sich handelt, habe die DEHSt bisher aber nicht bekannt gegeben, hieß es in dem Bericht.
Zu Biodiesel aus China gibt es bereits seit längerem Betrugsvorwürfe. Auch die EU-Kommission hatte Ende Dezember eine Untersuchung dazu eingeleitet. Deutsche Hersteller und Produzenten aus anderen europäischen Ländern werfen den chinesischen Herstellern Täuschung vor: Die chinesischen Firmen sollen demnach Biodiesel, der Palmöl enthält, aus anderen asiatischen Staaten kaufen, umetikettieren und nach Europa weiterverkaufen. Unter anderem in Deutschland ist Palmöl im Biodiesel nicht mehr erlaubt. Die EU-Kommission untersucht das Biodiesel-Geschäft aus China zudem auf Dumping-Preise. ari
Die Disziplinarkommission der Stadt Peking weist die Beamten der Stadt an, den Unternehmen besseren Service zu bieten. Das berichtet die South China Morning Post. Hintergrund ist die schleppende Konjunktur. Vor allem Privatfirmen klagen über mangelnde Unterstützung und investieren daher nur wenig.
Die Anweisung kommt in Form einer “Negativliste”, über die unerwünschtes Verhalten der Beamten sanktioniert werden soll. Zu den zehn verbotenen Verhaltensweisen gehören mangelndes Verständnis für die Bedürfnisse von Firmen und das Annehmen kleiner Geschenke. Besonders schlecht: Trägheit in der Genehmigung von Anträgen und bürokratische Komplikationen.
Ökonomen, die die SCMP zitiert, halten diese Maßnahmen für verfehlt. Die Regierung versuche, die schlechten Rahmenbedingungen mit neuen Verboten zu bekämpfen – bloß richten sich diese nun gegen die Verwaltung. Nicht alle Handlungen der Behörden dienten dazu, der Wirtschaft Steine in den Weg zu legen. Es sei besser, faire Verhältnisse zu schaffen und die Finanzierungslage zu verbessern. fin

Die Rating-Agentur Moody’s hat Anfang des Monats ihren Ausblick für Chinas Länderrating auf “negativ” gesenkt. Als Gründe dafür nannte sie eine sich vertiefende Krise auf dem Immobiliensektor und einen anhaltenden Konjunkturabschwung. Moody’s prognostiziert nun, dass sich Chinas jährliches Wirtschaftswachstum in 2024 und 2025 auf vier Prozent verringern und dann für den Rest des Jahrzehnts weiter auf durchschnittlich 3,8 Prozent sinken wird. Das Wachstumspotenzial werde bis 2030 auf 3,5 Prozent zurückgehen. Ein wichtiger Faktor dieses Abschwungs sei die “schwächere demografische Entwicklung”.
Die chinesische Führung erklärte, nicht überraschend, dass sie über die Herabstufung “enttäuscht” sei, und behauptete, dass “Entwicklungsresilienz und Potenzial” der Wirtschaft des Landes noch immer “enorm” seien und ein starker Motor des weltweiten Wachstums bleiben würden. Doch basiert Chinas Bewertung seines Wachstumspotenzials auf zutiefst fehlerbehafteten Prognosen.
Am 24. August 2020 rief der chinesische Präsident Xi Jinping neun Ökonomen – darunter den ehemaligen Chefökonomen der Weltbank Justin Yifu Lin – zu einem Symposium zusammen, an dem sich Chinas 14. Fünfjahresplan für wirtschaftliche und soziale Entwicklung orientieren sollte. Auf Grundlage dieser Diskussionen erklärte Xi, es sei für China “absolut möglich”, sein BIP pro Kopf im Laufe der nächsten 16 Jahre zu verdoppeln.
Lin erläuterte die dieser optimistischen Prognose zugrundeliegende Logik. Im Jahr 2019 hatte Chinas BIP pro Kopf lediglich 22,6 Prozent des US-Niveaus betragen (nach Kaufkraftparität). Deutschland hatte 1946 auf demselben Niveau gelegen, Japan 1956 und Südkorea 1985, und ihre Volkswirtschaften waren im Laufe der jeweils folgenden 16 Jahre mit einem Durchschnittstempo von 9,4 Prozent, 9,6 Prozent beziehungsweise neun Prozent gewachsen.
Selbst angesichts der Behinderung durch ein niedriges Bevölkerungswachstum und einen Handels- und Technologiekrieg mit den USA, so Lins Schlussfolgerung, wäre angesichts von Chinas jährlichem Wachstumspotenzial – acht Prozent von 2019 bis 2035 und sechs Prozent von 2036 bis 2050 – problemlos ein reales jährliches Wachstum von sechs Prozent beziehungsweise vier Prozent erreichbar. Gemäß dieser Prognose würde Chinas BIP das der USA 2030 überholen und 2049 doppelt so hoch sein. Zu diesem Zeitpunkt würde es viermal so viele Chinesen wie Amerikaner geben.
Lin hatte in der Vergangenheit noch optimistischere Vorhersagen angestellt. In 2005 prognostizierte er, dass die chinesische Volkswirtschaft 2030 anderthalbmal bis doppelt so groß sein würde wie die der USA, und dass es zu diesem Zeitpunkt fünfmal so viele Chinesen geben würde. In 2008 war er sogar noch zuversichtlicher und stellte die Prognose auf, dass Chinas Wirtschaft 2030 zweieinhalbmal so groß sein würde wie die der USA. In 2011 lautete seine Vorhersage erneut, dass Chinas Wirtschaft in 2030 doppelt so groß sein würde wie die der USA, und 2014 kehrte er zu seiner Vorhersage von 2005 zurück, dass sie anderthalbmal bis doppelt so groß sein würde.
Im Laufe der Jahre hat die chinesische Führung Lins Prognosen als eine Art Rechtfertigung ihres politischen Systems und Regierungsmodells übernommen. “Die Welt erlebt derzeit profunde Veränderungen, wie man sie seit einem Jahrhundert nicht gesehen hat”, erklärte Xi 2021, “doch die Zeit und die Situation begünstigen uns.”
In ähnlicher Weise versprach Vizeaußenminister Ma Zhaoxu im vergangenen Jahr, dass sich Chinas Diplomaten angesichts der Bemühungen, Chinas Aufstieg zu behindern, ihren “Kampfgeist” bewahren würden, um die fortgesetzte Entwicklung des Landes sicherzustellen. Während der COVID-19-Pandemie präsentierte die chinesische Führung Chinas Reaktion darauf beflissentlich als Spiegelbild seines “institutionellen Vorteils“.
Doch so attraktiv Lins Wirtschaftsprognosen für Chinas Führung sein mögen: Sie haben sich als völlig falsch erwiesen, nicht zuletzt, weil sie es versäumen, Chinas düsteren demografischen Aussichten Rechnung zu tragen. Sowohl ein höheres Medianalter als auch ein höherer Bevölkerungsanteil an Über-64-Jährigen sind mit dem Wachstum negativ korreliert, und in beiden Punkten sieht es für China viel schlechter aus als bei den drei Ländern, mit denen Lin es vergleicht.
Als Deutschlands BIP 22,6 Prozent von dem der USA entsprach, betrug sein Medianalter 34 Jahre; in Japan und Südkorea waren es lediglich 24 Jahre. Nach jenen 16 anschließenden Jahren starken Wachstums betrug das Medianalter in den drei Ländern 35, 30 bzw. 32 Jahre. Man vergleiche dies mit China, wo es 2019 bei 41 Jahren lag und 2035 die Marke von 49 Jahre erreichen wird.
In ähnlicher Weise betrug der Anteil der Über-64-Jährigen zu Beginn des 16-Jahres-Zeitraums, auf den Lin verweist, in Deutschland acht Prozent, in Japan fünf Prozent und in Südkorea vier Prozent, und am Ende dieses Zeitraums betrug er zwölf Prozent. In China lag er 2019 bei 13 Prozent, und 2035 wird er 25 Prozent betragen. In den 16 Jahren, nachdem der Anteil der Über-64-Jährigen in Deutschland (1966) und Japan (1991) 13 Prozent erreichte, lag das jährliche Durchschnittswachstum dieser Länder bei lediglich 2,9 Prozent bzw. 1,1 Prozent.
Darüber hinaus begann die Erwerbsbevölkerung (zwischen 15 und 59 Jahren) in Deutschland, Japan und Südkorea im zwölften, 38. und 31. Jahr, nachdem ihr BIP pro Kopf 22,6 Prozent von dem der USA erreicht hatte, zu schrumpfen. In China schrumpft sie seit 2012.
Stellt man sich die chinesische Volkswirtschaft als Flugzeug vor, so wäre es der Start der Politik der Reform und Öffnung 1978 gewesen, der den Treibstoff (die jungen Arbeiter) entzündete, welcher die Wirtschaft des Landes befähigte, durchzustarten und drei Jahrzehnte lang mit hoher Geschwindigkeit zu fliegen. Doch 2012 begann dieser Treibstoff zur Neige zu gehen, was dazu führte, dass das Flugzeug langsamer wurde.
Statt sich an diese neue Realität anzupassen, traten die chinesischen Behörden – dem Rat von Ökonomen wie Lin folgend – weiter aufs Gaspedal, indem sie stark in Immobilien investierten. Dies schuf eine massive Immobilienblase. Es ist offenkundig gefährlich, ohne ausreichend Treibstoff weiter mit hoher Geschwindigkeit zu fliegen. Das ist einer der Gründe, warum einige Länder eine Handelspolitik des “De-Riskings” verfolgen und ihre Lieferketten aus China weg verlagern, das derzeit der Haupthandelspartner von mehr als 140 Ländern ist.
Westliche Beobachter konzentrieren sich tendenziell darauf, die Rhetorik und Entscheidungen der chinesischen Führung zu kritisieren. Konstruktiver könnte es sein, auf die Fehler in den Prognosen zu verweisen, die die Basis der chinesischen Politik bilden. Zum Wohle des Landes müssen die im Rahmen des kommenden 3. Plenums der Kommunistischen Partei Chinas getroffenen Entscheidungen die Realität widerspiegeln – nicht weitere unrealistische Prognosen. Aus dem Englischen übersetzt von Jan Doolan.
Yi Fuxian ist leitender Wissenschaftler im Bereich Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of Wisconsin-Madison und der Verfasser des Buches Big Country with an Empty Nest (China Development Press, 2013).
Copyright: Project Syndicate, 2023.
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Stefan Hummrich ist neuer Vice President IT Robotics and Corporate Functions bei der Robotik-Firma Kuka. Hummrich war zuvor Vice President Data-Driven Automation. Kuka befindet sich seit 2016 im Mehrheitsbesitz des chinesischen Midea-Konzerns.
Tadato Kimura ist von seiner Rolle als Vizepräsident und Marketingchef bei Sony China in Shanghai nach Deutschland gewechselt, wo er nun als stellvertretender Landeschef tätig ist. Er arbeitet in Berlin.
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Öffentliche Heiratsbörsen gibt es in China schon lange. In Parks kommen dabei meist ältere Chinesen zusammen, um mithilfe von Kontaktanzeigen einen Partner für ihre Kinder oder Enkel zu finden. Diese Tradition haben junge Chinesen der Generation Z nun an sich gerissen. Statt sich selbst zu Markte tragen zu lassen, preisen sie im öffentlichen Raum die Vorzüge ihrer Katzen an. Statt Körpergröße oder Einkommen spielen hier Rasse, Fellfarbe oder süße Charaktereigenschaften eine Rolle. Gestartet wurde der Trend von einer Social-Media-App aus Shanghai. Mittlerweile hat sich aus dem Gag jedoch ein landesweit vollzogener, ironischer Protest gegen den gesellschaftlichen Druck des Heiratens entwickelt.
De-risking ist im Umgang mit China weiterhin das oberste Gebot, auch in der Forschungskooperation zu digitalen Schlüsselthemen wie Künstlicher Intelligenz. Laut einer neuen Studie steigt der Output an gemeinsamen Publikationen zwischen europäischen und chinesischen Forschern hierbei dennoch konstant an.
Die Studie ist Teil eines EU-Projektes, das ermitteln soll, auf welchen Feldern eine Zusammenarbeit “wünschenswert, möglich oder unmöglich ist” – sprich: wo sich die goldene Mitte zwischen der Schaffung von Wissen und der Minimierung von Missbrauchsrisiken befindet, etwa wenn China die Ergebnisse für Überwachung oder militärische Zwecke nutzen könnte.
Europa sei im Gegensatz zu den USA weiter relativ offen für die Zusammenarbeit, erklärten die Autoren der Studie Christiane Kühl. Das erhöhe das Interesse chinesischer Institutionen, europäische Partner zu finden. Man müsse dabei jedoch von Fall zu Fall informierte Entscheidungen treffen, um Risiken auszuschließen.
Chinas erstes selbst entwickeltes Bohrschiff soll in der Lage sein, bis zu 11.000 Meter tiefe Löcher durch die Erdkruste bis in den oberen Erdmantel zu bohren. Es wäre ein in der Menschheitsgeschichte einmaliger Rekord, wenn es denn klappt. Möglich wären dadurch neue Erkenntnisse etwa über die Prozesse, die zu Erdbeben, Vulkanausbrüchen und der Bewegung tektonischer Platten führen.
Aber natürlich geht es dabei auch um Prestige. Wie einst beim Rennen zum Mond stehen mehrere Nationen im intensiven Wettbewerb, den Erdmantel zu erreichen, schreibt Jörn Petring – bisher jedoch ohne Erfolg. Am weitesten kamen die Sowjets in den 1970er-Jahren. Die Grenze zwischen der Erdkruste und dem darunter liegenden Erdmantel erreichten jedoch auch sie nicht.

Die Forschungszusammenarbeit zwischen der EU und China nimmt auch in Zeiten des De-Risking weiter zu. Das ergab eine aktuelle Studie zu gemeinsamen Publikationen europäischer und chinesischer Forschender zu Digitalthemen und Künstlicher Intelligenz in verschiedenen Fachdisziplinen. Seit 2011 ist der Output an Ko-Publikationen demnach konstant gestiegen. Mit 65 Prozent entfiel der mit Abstand größte Teil der Tech-Themenkooperation auf die Angewandten Wissenschaften – also Forschung, die auf praxisrelevante Lösungen ausgerichtet ist – gefolgt von den Naturwissenschaften (18 Prozent).
Die Studie ist Teil des EU-Projektes Reconnect China, das ermitteln soll, auf welchen Feldern eine Zusammenarbeit der EU mit China “wünschenswert, möglich oder unmöglich ist”. Dazu untersuchen die Forschenden Kooperationen in Wissenschaft und Technologie, Wirtschaft und Handel sowie Governance und Außenpolitik, mit einem Fokus auf die wichtigsten Disziplinen und Institutionen in China und der EU sowie Großbritannien, Norwegen und der Schweiz (EU-27/AC). Oberziel ist es, unabhängiges Wissen für einen resilienten Umgang mit der Volksrepublik zu schaffen – also eine höhere China-Kompetenz, auch in Spezialgebieten.
Die Autoren durchkämmten dazu die wissenschaftliche Zitationsdatenbank “Web of Science” der Researchfirma Clarivate – und zwar mit Keywords, die auf digitale Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen und Big Data abzielten. Die gesamte Studie dreht sich daher ausschließlich um diese Tech-Aspekte, zu denen es Kooperationen in verschiedensten Fachbereichen gab: Die Forschenden stießen für den untersuchten Zeitraum 2011 bis 2022 auf Zigtausende Ko-Publikationen, die in irgendeiner Form mit ihrem Schwerpunkt zu tun hatten.
Zwar liegen die US-Amerikaner noch immer vorn – doch publizieren die USA seit 2021 immer weniger mit China. Im Jahr 2022 übertrafen die Ko-Publikationen zwischen Europa und China laut der Studie bereits jene der USA und China. “Wir glauben, dass dieser Abwärtstrend unter anderem auch mit der größeren geopolitischen Lage und der angespannten Situation zwischen China und den USA zu tun hat”, sagt Philipp Brugner, einer der Autoren der Studie, im Gespräch mit Table.Media.

“Das Interesse Chinas ist daher, verstärkt nach Europa zu schauen, weil wir in der Forschungskooperation noch zugänglicher sind und die Rhetorik gegenüber China noch nicht so harsch ist”, sagt Brugner. “Wir müssen uns dieses Interesses sehr bewusst sein – und wenn es Anfragen gibt, sehr viel bewusster hinschauen, als wir das in den letzten Jahren getan haben.” Es geht darum, Missbrauch auszuschließen: Gerade die digitalen Anwendungen, um die es in der Studie geht, könnten leicht für Überwachung oder militärische Zwecke außerhalb des vereinbarten Forschungszwecks genutzt werden.
Brugner glaubt aber nicht, dass Europa sich bei der Forschungskooperation so deutlich von China abwenden wird, wie die USA es derzeit tun, sondern eher eine Balance wahren wird. “Wir werden künftig sehr selektiv vorgehen, glaube ich.” Die Autoren empfehlen ein größeres Bewusstsein für Risiken, mit dem Ziel informierte Entscheidungen zu treffen. Sie sprechen sich aber ausdrücklich nicht für einen Stopp der Zusammenarbeit aus.
Die Ko-Publikationen in den Angewandten Wissenschaften konzentrierten sich laut der Studie vor allem auf folgende Sub-Fachgebiete:
In den Naturwissenschaften dominierten Physik und Astronomie die Zusammenarbeit (sieben Prozent). Ein weiteres bedeutsames Feld war die Klinische Medizin (ebenfalls sieben Prozent).

Die Forschenden gingen aber auch noch der Frage nach, wer mit wem kooperiert. Sie fanden 17.000 Einrichtungen in der EU-27/AC sowie in China, die an gemeinsamen Publikationen beteiligt sind. In Europa gehören dazu vor allem Universitäten und Institute aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Die Autoren konzentrierten sich dann auf die aktivsten Institutionen.
Dabei fiel ihnen auf, dass auf chinesischer Seite die staatliche Akademie der Wissenschaften dominiert (mit über 4.600 Ko-Publikationen zwischen 2011 und 2022), gefolgt von der Pekinger Tsinghua-Universität (gut 1.900) und der Shanghaier Jiaotong-Universität (knapp 1.600).
In Europa kooperieren derweil vor allem Universitäten aus Großbritannien. 44 Prozent der Ko-Publikationen zwischen der EU-27/AC und China hatte mindestens einen Autor oder eine Autorin aus dem Vereinigten Königreich – mehr als Deutschland (15 Prozent) und Frankreich (11 Prozent) zusammen. Und unter den Top 25 an den Ko-Publikationen mit China beteiligten Universitäten finden sich in der Studie ganze sechs außerhalb Großbritanniens, darunter die Technische Universität München, die Schweizer ETH Zürich, die Delft University of Technology aus den Niederlanden, sowie drei skandinavische Unis.
“Die hohe Beteiligung Großbritanniens hat uns überrascht”, sagt Mitautor Gábor Szüdi. Das liegt seiner Ansicht nach am hohen Niveau und guten Ruf der dortigen Hochschulen und an der englischen Sprache, nicht so sehr an politischen Präferenzen. Die intensivste bilaterale Zusammenarbeit stellten die Forschenden zwischen der Universität Oxford und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften fest, mit 189 Ko-Publikationen. Eine dynamische Beziehung stellten die Forscher auch zwischen der TU München und der Shanghaier Tongji-Universität fest, mit 61 gemeinsamen Veröffentlichungen.
Die chinesischen Forschenden suchten ihre Kooperationspartner nicht speziell in politisch geneigten Staaten wie etwa Ungarn, sagt Szüdi. “Sie wollen mit den Allerbesten kooperieren, auch in Deutschland oder den Niederlanden.” Generell ist die Kooperation auf einige wenige Länder und Institute konzentriert. In Osteuropa kooperieren etwa nur wenige Institute mit China; eine große Ausnahme ist die sehr aktive Polnische Akademie der Wissenschaften.
Letzteres entspricht einer Beobachtung, die die Autoren in den Daten gemacht haben. “Wir vermuten, dass gezielt Partnerschaften mit Universitäten eingegangen werden, deren Name vielleicht nicht insgesamt der größte ist, die aber in einer Nischendisziplin- oder Technologie führend sind”, sagt Brugner. Das könne für beide Seiten lohnend sein. Doch er warnt auch: Generell müsse man “mit dieser Art von Intelligence besser umgehen lernen, das heißt verstehen, dass manche Anfragen nicht zufällig passieren.” China beobachte den Forschungs- und Technologiesektor Europas, und klopfe dann sehr gezielt dort an, “wo eventuell noch ein fehlendes Puzzleteil für Forschung und Entwicklung zum Durchbruch eigener technologischer Reife zu holen ist.”

Mit einem neuen Spezialschiff will China erstmals die Erdkruste durchbohren und so in den Erdmantel vordringen. Das auf den Namen “Mengxiang” (Traum) getaufte Schiff – Chinas erstes selbst entwickeltes Bohrschiff – startete am vergangenen Montag zu seiner ersten Testfahrt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
Der knapp 180 Meter lange und 33 Meter breite Koloss soll 15.000 Seemeilen zurücklegen und 120 Tage lang arbeiten können, ohne in den Hafen zurückkehren zu müssen. Wirklich beeindruckend ist aber die angebliche Bohrleistung des Schiffes. Es soll in der Lage sein, bis zu 11.000 Meter tiefe Löcher zu bohren, berichtete Xinhua. Damit wäre es mit Abstand führend.
Durch eine solche Tiefen-Bohrung könnten Wissenschaftler direkte Proben aus dem Erdmantel entnehmen. Denkbar wären so etwa neue Erkenntnisse über die Prozesse, die zu Erdbeben, Vulkanausbrüchen und der Bewegung tektonischer Platten führen.
Den bisherigen Tiefseerekord stellte 2019 das japanische Schiff “Chikyu” mit einer Bohrung von 3.250 Metern auf. Das bereits in die Jahre gekommene US-Forschungsschiff “Joides Resolution” erreichte zuletzt eine Tiefe von rund 2.000 Metern. Beide Schiffe sind Teil des International Ocean Discovery Program (IODP), einem Zusammenschluss von 20 Staaten, die gemeinsam den Ozean erforschen.
Nun mischt also auch China mit der “Mengxiang” mit und hat offenbar große Ambitionen. Das Schiff könne “durch die Erdkruste bis in den oberen Erdmantel bohren”, schreibt Xinhua unter Berufung auf nicht genannte Quellen. China wäre die erste Nation, der dieses komplizierte Unterfangen gelänge.
An der Erforschung des Innenlebens unseres Planeten haben bereits Generationen von Wissenschaftlern gearbeitet. Und ähnlich wie einst beim Rennen zum Mond, gab es bereits zu Zeiten des Kalten Krieges einen intensiven Wettbewerb, um den Erdmantel zu erreichen – bisher jedoch ohne Erfolg.
Die Erdkruste ist die äußerste Schicht der Erde und bildet die feste Oberfläche, auf der wir leben. Sie beginnt an der Erdoberfläche und erstreckt sich nach unten bis zur sogenannten Mohorovičić-Diskontinuität (kurz “Moho”). Das ist die Grenze zwischen der Erdkruste und dem darunter liegenden Erdmantel.
Das große Ziel für Geologen ist das Durchdringen der Moho, deren Tiefe je nach geografischer Lage stark variiert. Während an Land oft zwischen 30 und 50 Kilometer in die Tiefe gebohrt werden müsste, um die Moho zu erreichen, sind es am Meeresboden etwa fünf bis zehn Kilometer.
Genau aus diesem Grund versuchten die USA bereits in den 60er-Jahren ihr Glück mit Ozean-Bohrungen. Das Projekt “Mohole” fand im Pazifischen Ozean statt. Trotz einiger wissenschaftlicher Erfolge wurde es aufgrund hoher Kosten und technischer Schwierigkeiten eingestellt, bevor es den Moho erreichte.
In den 1970er-Jahren startete mit dem “Kola Superdeep Borehole” ein sowjetisches Projekt, das auf der Kola-Halbinsel eine Tiefe von 12.262 Metern erreichte. Bis heute ist es das tiefste Bohrloch der Welt – das jedoch ebenfalls die Moho nicht erreichte.
Zwar wurde die internationale Forschung an der Erdkruste fortgeführt, jedoch erwiesen sich andere Methoden als effizienter, um die Eigenschaften des Erdmantels zu ergründen. So haben etwas seismologische Untersuchungen wertvolle Erkenntnisse geliefert.
Das International Ocean Discovery Program hat sein ursprüngliches Ziel jedoch nicht aufgegeben. Es wird weiter daran gearbeitet, den Erdmantel zu erreichen. Der Wettlauf zum Mittelpunkt der Erde geht nun mit den Chinesen in die nächste Runde.
Allerdings macht Peking keinen Hehl daraus, dass es neben den wissenschaftlichen natürlich auch wirtschaftliche Interessen verfolgt. So soll die “Mengxiang” helfen, Energieressourcen im Meer zu erschließen und zur “nationalen Energiesicherheit” beitragen. Mit diesem Ziel vor Augen wird nicht nur im Ozean, sondern auch an Land kräftig gebohrt.
Chinesische Ingenieure haben im vergangenen Juli mit einem neuen Tiefbohrprojekt begonnen. Sie wollen im Sichuan-Becken im Südwesten Chinas ein 10.520 Meter tiefes Loch in die Erdkruste bohren. Die Region ist ein wichtiges Gasfördergebiet und die Ingenieure erwarten dort Erdgasvorkommen. Kurz zuvor hatte China ein weiteres Bohrprojekt im Tarim-Becken im Nordwesten Chinas gestartet. Die Superbohrung soll sogar bis in eine Tiefe von 11.100 Metern gehen.
Taiwans Verteidigungsministerium hat am Mittwoch die Entdeckung von vier chinesischen Ballons jenseits der Mittellinie der Straße von Taiwan gemeldet. Drei der vier Flugobjekte hätten sich demnach dem Erdboden bis auf gut 3.650 Meter genähert. Einer Grafik des Ministeriums zufolge seien sie zunächst südwestlich der Militärbasis Ching-Chuan-Kang in der Stadt Taichung erschienen. Das Ministerium erklärte weiter, es werde die Ballons “genau beobachten” und je nach ihrer Beschaffenheit, Höhe und möglicher Gefahren “angemessene Maßnahmen” ergreifen.
Seit Ende des vergangenen Jahres sind rund um Taiwan mehrmals verdächtige Ballons aufgetaucht. Der jüngste Vorfall sorgt kurz vor der Präsidentschaftswahl in Taiwan am 13. Januar für zusätzliche Spannungen, die durchaus einen Einfluss auf die Ergebnisse nehmen könnten. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, sieht der Konfliktexperte Ou Sifu vom taiwanischen Institut für nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung die Ballons als ein Mittel der “psychologischen Kriegsführung”. China wolle mit diesem “Instrument der militärischen Einschüchterung” dazu beitragen, dass mehr Taiwaner ihre Stimme einem pro-chinesischen Vertreter geben.
Der Ausgang der Wahl in Taiwan dürfte entscheidend für das künftige Verhältnis zwischen Taipeh und Peking und somit auch für das Verhältnis zwischen den USA und China sein. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erwähnte in seiner Neujahrsansprache die Wahl nicht. Er betonte aber, dass die Vereinigung Taiwans mit China historisch unvermeidbar sei. fpe
Die Ampel-Regierung hat zwar mehrfach beteuert, die China-Kompetenz in Deutschland stärken zu wollen. Zumindest der deutsche Mittelstand geht aber leer aus. Das verrät die Antwort der Regierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Ein über Jahre vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Manager-Fortbildungsprogramm werde es nicht mehr geben, so die Regierung. Angesichts des hohen Niveaus der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und einer Präsenz von mehr als 5.000 deutschen kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Volksrepublik sei “eine weitere Förderung nicht mehr notwendig”, heißt es weiter.
Das Managerfortbildungsprogramm sei bereits zum 30. Juni 2023 beendet worden. Die dadurch frei gewordenen Mittel würden aber nicht für neue China-bezogene Programme verwendet, sondern für Programme mit dem Fokus auf andere Länder, heißt es in der Antwort weiter. Dadurch soll nicht zuletzt “auch ein Beitrag zur weiteren Diversifizierung der deutschen Außenwirtschaftsbeziehungen geleistet” werden.
Die Bundesregierung ließ zudem offen, ob sie Mittel für mehr China-Kompetenz etwa für junge Menschen ausweiten werde und verwies darauf, dass die Haushaltsberatungen für 2024 noch nicht beendet seien. Auch zur Möglichkeit einer gezielten Sprachförderung bestimmter Fachgruppen wollte sie sich nicht äußern.
Thomas Jarzombek, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hält die bislang erfolgten Maßnahmen für unzureichend. “In Deutschland leben aufgrund von Studien- oder Arbeitsaufenthalten vermutlich viel mehr Menschen mit ausgewiesener China-Kompetenz als der Bundesregierung bekannt ist”, kritisiert Jarzombek.
Vorhandene Potenziale müssten effektiver genutzt, mehr Anreize für China-bezogene Bildungsangebote geschaffen werden. Sein Fraktionskollege Alexander Föhr geht mit der Kritik noch weiter: Die Bundesregierung handele nicht entschieden genug. Wichtige Daten würden ihr nicht vorliegen. Woher mehr China-Kompetenz in Zukunft kommen soll, bleibe unklar.
Die Bundesregierung betonte, dass sie sich bei den diesjährigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen für eine Aufhebung der Sanktionen gegen das Forschungsinstitut Merics einsetzen werde, die China Anfang 2021 gegen Europas führendes China-Forschungsinstitut verhängt hat. Merics-Mitarbeiter dürfen seitdem nicht mehr in die Volksrepublik einreisen. flee
Chinas Militär führt seit Mittwoch routinemäßige Patrouillen mit seinen See- und Luftstreitkräften im Südchinesischen Meer durch, wie die Südeinsatzkräfte der Volksbefreiungsarmee mitteilten. Die Patrouillen sollen auch am Donnerstag weitergeführt werden. Die Truppen in der Region seien jederzeit in höchster Alarmbereitschaft und würden die nationale Souveränität, Sicherheit und Seerechte verteidigen, erklärte das chinesische Militär über Wechat. Gleichzeitig begannen auch die Philippinen und die Vereinigten Staaten ab Mittwoch eine zweitägige gemeinsame Patrouille im Südchinesischen Meer.
Im Dezember hatten die Spannungen im Südchinesischen Meer an Brisanz gewonnen. Philippinische Boote waren auf dem Weg zum sogenannten Second-Thomas-Riff auf den Spratly-Inseln von der chinesischen Küstenwache abgefangen worden. Es kam zu handfesten Auseinandersetzungen: Die chinesische Seite feuerte Wasserwerfer ab und rammte einige Boote.
Die Philippinen und die USA starteten erstmals im November gemeinsame Patrouillen. Sollte der Konflikt eskalieren, hätte das schnell globale Auswirkungen. Denn die USA sind über einen militärischen Beistandspakt mit den Philippinen verbunden. rtr/ari
Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) prüft einem Bericht zufolge Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten bei einem Biodieselprojekt in China. Deutsche Biokraftstoffhersteller hatten zuvor angekreidet, dass die von der DEHSt an einige internationale Unternehmen für fossile Brennstoffe für ihre Emissionsminderungsprojekte in China ausgestellten Upstream-Emissionsreduktionszertifikate (UER) mutmaßlich auf falschen Informationen beruhten.
Die UER-Zertifikate gibt es für eine emissionsarme Herstellung des Biokraftstoffes, zum Beispiel für die Nutzung erneuerbarer Energien. Für ein Projekt in China gebe es dazu nun eine Untersuchung, berichtete Nikkei Asia am Mittwoch. Um welches Projekt es sich handelt, habe die DEHSt bisher aber nicht bekannt gegeben, hieß es in dem Bericht.
Zu Biodiesel aus China gibt es bereits seit längerem Betrugsvorwürfe. Auch die EU-Kommission hatte Ende Dezember eine Untersuchung dazu eingeleitet. Deutsche Hersteller und Produzenten aus anderen europäischen Ländern werfen den chinesischen Herstellern Täuschung vor: Die chinesischen Firmen sollen demnach Biodiesel, der Palmöl enthält, aus anderen asiatischen Staaten kaufen, umetikettieren und nach Europa weiterverkaufen. Unter anderem in Deutschland ist Palmöl im Biodiesel nicht mehr erlaubt. Die EU-Kommission untersucht das Biodiesel-Geschäft aus China zudem auf Dumping-Preise. ari
Die Disziplinarkommission der Stadt Peking weist die Beamten der Stadt an, den Unternehmen besseren Service zu bieten. Das berichtet die South China Morning Post. Hintergrund ist die schleppende Konjunktur. Vor allem Privatfirmen klagen über mangelnde Unterstützung und investieren daher nur wenig.
Die Anweisung kommt in Form einer “Negativliste”, über die unerwünschtes Verhalten der Beamten sanktioniert werden soll. Zu den zehn verbotenen Verhaltensweisen gehören mangelndes Verständnis für die Bedürfnisse von Firmen und das Annehmen kleiner Geschenke. Besonders schlecht: Trägheit in der Genehmigung von Anträgen und bürokratische Komplikationen.
Ökonomen, die die SCMP zitiert, halten diese Maßnahmen für verfehlt. Die Regierung versuche, die schlechten Rahmenbedingungen mit neuen Verboten zu bekämpfen – bloß richten sich diese nun gegen die Verwaltung. Nicht alle Handlungen der Behörden dienten dazu, der Wirtschaft Steine in den Weg zu legen. Es sei besser, faire Verhältnisse zu schaffen und die Finanzierungslage zu verbessern. fin

Die Rating-Agentur Moody’s hat Anfang des Monats ihren Ausblick für Chinas Länderrating auf “negativ” gesenkt. Als Gründe dafür nannte sie eine sich vertiefende Krise auf dem Immobiliensektor und einen anhaltenden Konjunkturabschwung. Moody’s prognostiziert nun, dass sich Chinas jährliches Wirtschaftswachstum in 2024 und 2025 auf vier Prozent verringern und dann für den Rest des Jahrzehnts weiter auf durchschnittlich 3,8 Prozent sinken wird. Das Wachstumspotenzial werde bis 2030 auf 3,5 Prozent zurückgehen. Ein wichtiger Faktor dieses Abschwungs sei die “schwächere demografische Entwicklung”.
Die chinesische Führung erklärte, nicht überraschend, dass sie über die Herabstufung “enttäuscht” sei, und behauptete, dass “Entwicklungsresilienz und Potenzial” der Wirtschaft des Landes noch immer “enorm” seien und ein starker Motor des weltweiten Wachstums bleiben würden. Doch basiert Chinas Bewertung seines Wachstumspotenzials auf zutiefst fehlerbehafteten Prognosen.
Am 24. August 2020 rief der chinesische Präsident Xi Jinping neun Ökonomen – darunter den ehemaligen Chefökonomen der Weltbank Justin Yifu Lin – zu einem Symposium zusammen, an dem sich Chinas 14. Fünfjahresplan für wirtschaftliche und soziale Entwicklung orientieren sollte. Auf Grundlage dieser Diskussionen erklärte Xi, es sei für China “absolut möglich”, sein BIP pro Kopf im Laufe der nächsten 16 Jahre zu verdoppeln.
Lin erläuterte die dieser optimistischen Prognose zugrundeliegende Logik. Im Jahr 2019 hatte Chinas BIP pro Kopf lediglich 22,6 Prozent des US-Niveaus betragen (nach Kaufkraftparität). Deutschland hatte 1946 auf demselben Niveau gelegen, Japan 1956 und Südkorea 1985, und ihre Volkswirtschaften waren im Laufe der jeweils folgenden 16 Jahre mit einem Durchschnittstempo von 9,4 Prozent, 9,6 Prozent beziehungsweise neun Prozent gewachsen.
Selbst angesichts der Behinderung durch ein niedriges Bevölkerungswachstum und einen Handels- und Technologiekrieg mit den USA, so Lins Schlussfolgerung, wäre angesichts von Chinas jährlichem Wachstumspotenzial – acht Prozent von 2019 bis 2035 und sechs Prozent von 2036 bis 2050 – problemlos ein reales jährliches Wachstum von sechs Prozent beziehungsweise vier Prozent erreichbar. Gemäß dieser Prognose würde Chinas BIP das der USA 2030 überholen und 2049 doppelt so hoch sein. Zu diesem Zeitpunkt würde es viermal so viele Chinesen wie Amerikaner geben.
Lin hatte in der Vergangenheit noch optimistischere Vorhersagen angestellt. In 2005 prognostizierte er, dass die chinesische Volkswirtschaft 2030 anderthalbmal bis doppelt so groß sein würde wie die der USA, und dass es zu diesem Zeitpunkt fünfmal so viele Chinesen geben würde. In 2008 war er sogar noch zuversichtlicher und stellte die Prognose auf, dass Chinas Wirtschaft 2030 zweieinhalbmal so groß sein würde wie die der USA. In 2011 lautete seine Vorhersage erneut, dass Chinas Wirtschaft in 2030 doppelt so groß sein würde wie die der USA, und 2014 kehrte er zu seiner Vorhersage von 2005 zurück, dass sie anderthalbmal bis doppelt so groß sein würde.
Im Laufe der Jahre hat die chinesische Führung Lins Prognosen als eine Art Rechtfertigung ihres politischen Systems und Regierungsmodells übernommen. “Die Welt erlebt derzeit profunde Veränderungen, wie man sie seit einem Jahrhundert nicht gesehen hat”, erklärte Xi 2021, “doch die Zeit und die Situation begünstigen uns.”
In ähnlicher Weise versprach Vizeaußenminister Ma Zhaoxu im vergangenen Jahr, dass sich Chinas Diplomaten angesichts der Bemühungen, Chinas Aufstieg zu behindern, ihren “Kampfgeist” bewahren würden, um die fortgesetzte Entwicklung des Landes sicherzustellen. Während der COVID-19-Pandemie präsentierte die chinesische Führung Chinas Reaktion darauf beflissentlich als Spiegelbild seines “institutionellen Vorteils“.
Doch so attraktiv Lins Wirtschaftsprognosen für Chinas Führung sein mögen: Sie haben sich als völlig falsch erwiesen, nicht zuletzt, weil sie es versäumen, Chinas düsteren demografischen Aussichten Rechnung zu tragen. Sowohl ein höheres Medianalter als auch ein höherer Bevölkerungsanteil an Über-64-Jährigen sind mit dem Wachstum negativ korreliert, und in beiden Punkten sieht es für China viel schlechter aus als bei den drei Ländern, mit denen Lin es vergleicht.
Als Deutschlands BIP 22,6 Prozent von dem der USA entsprach, betrug sein Medianalter 34 Jahre; in Japan und Südkorea waren es lediglich 24 Jahre. Nach jenen 16 anschließenden Jahren starken Wachstums betrug das Medianalter in den drei Ländern 35, 30 bzw. 32 Jahre. Man vergleiche dies mit China, wo es 2019 bei 41 Jahren lag und 2035 die Marke von 49 Jahre erreichen wird.
In ähnlicher Weise betrug der Anteil der Über-64-Jährigen zu Beginn des 16-Jahres-Zeitraums, auf den Lin verweist, in Deutschland acht Prozent, in Japan fünf Prozent und in Südkorea vier Prozent, und am Ende dieses Zeitraums betrug er zwölf Prozent. In China lag er 2019 bei 13 Prozent, und 2035 wird er 25 Prozent betragen. In den 16 Jahren, nachdem der Anteil der Über-64-Jährigen in Deutschland (1966) und Japan (1991) 13 Prozent erreichte, lag das jährliche Durchschnittswachstum dieser Länder bei lediglich 2,9 Prozent bzw. 1,1 Prozent.
Darüber hinaus begann die Erwerbsbevölkerung (zwischen 15 und 59 Jahren) in Deutschland, Japan und Südkorea im zwölften, 38. und 31. Jahr, nachdem ihr BIP pro Kopf 22,6 Prozent von dem der USA erreicht hatte, zu schrumpfen. In China schrumpft sie seit 2012.
Stellt man sich die chinesische Volkswirtschaft als Flugzeug vor, so wäre es der Start der Politik der Reform und Öffnung 1978 gewesen, der den Treibstoff (die jungen Arbeiter) entzündete, welcher die Wirtschaft des Landes befähigte, durchzustarten und drei Jahrzehnte lang mit hoher Geschwindigkeit zu fliegen. Doch 2012 begann dieser Treibstoff zur Neige zu gehen, was dazu führte, dass das Flugzeug langsamer wurde.
Statt sich an diese neue Realität anzupassen, traten die chinesischen Behörden – dem Rat von Ökonomen wie Lin folgend – weiter aufs Gaspedal, indem sie stark in Immobilien investierten. Dies schuf eine massive Immobilienblase. Es ist offenkundig gefährlich, ohne ausreichend Treibstoff weiter mit hoher Geschwindigkeit zu fliegen. Das ist einer der Gründe, warum einige Länder eine Handelspolitik des “De-Riskings” verfolgen und ihre Lieferketten aus China weg verlagern, das derzeit der Haupthandelspartner von mehr als 140 Ländern ist.
Westliche Beobachter konzentrieren sich tendenziell darauf, die Rhetorik und Entscheidungen der chinesischen Führung zu kritisieren. Konstruktiver könnte es sein, auf die Fehler in den Prognosen zu verweisen, die die Basis der chinesischen Politik bilden. Zum Wohle des Landes müssen die im Rahmen des kommenden 3. Plenums der Kommunistischen Partei Chinas getroffenen Entscheidungen die Realität widerspiegeln – nicht weitere unrealistische Prognosen. Aus dem Englischen übersetzt von Jan Doolan.
Yi Fuxian ist leitender Wissenschaftler im Bereich Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of Wisconsin-Madison und der Verfasser des Buches Big Country with an Empty Nest (China Development Press, 2013).
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Stefan Hummrich ist neuer Vice President IT Robotics and Corporate Functions bei der Robotik-Firma Kuka. Hummrich war zuvor Vice President Data-Driven Automation. Kuka befindet sich seit 2016 im Mehrheitsbesitz des chinesischen Midea-Konzerns.
Tadato Kimura ist von seiner Rolle als Vizepräsident und Marketingchef bei Sony China in Shanghai nach Deutschland gewechselt, wo er nun als stellvertretender Landeschef tätig ist. Er arbeitet in Berlin.
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Öffentliche Heiratsbörsen gibt es in China schon lange. In Parks kommen dabei meist ältere Chinesen zusammen, um mithilfe von Kontaktanzeigen einen Partner für ihre Kinder oder Enkel zu finden. Diese Tradition haben junge Chinesen der Generation Z nun an sich gerissen. Statt sich selbst zu Markte tragen zu lassen, preisen sie im öffentlichen Raum die Vorzüge ihrer Katzen an. Statt Körpergröße oder Einkommen spielen hier Rasse, Fellfarbe oder süße Charaktereigenschaften eine Rolle. Gestartet wurde der Trend von einer Social-Media-App aus Shanghai. Mittlerweile hat sich aus dem Gag jedoch ein landesweit vollzogener, ironischer Protest gegen den gesellschaftlichen Druck des Heiratens entwickelt.