Druck auf frisch verheiratete Frauen, schnell schwanger zu werden, erschwerte Scheidungen, und das Risiko eines schlechteren Zugangs zu Abtreibungen: Ein konservativer werdendes China versucht, die Frauen zurück ins Heim zu drängen. Dabei hat die weibliche Emanzipation in der Volksrepublik eine lange Tradition, wie die auf Frauenrechte spezialisierte Journalistin und Autorin Leta Hong Fincher im Interview mit Christiane Kühl erklärt.
Die chinesische Revolution sei feministischer gewesen als andere sozialistische Revolutionen. Auch deswegen stehen heute gerade ältere Frauen in höheren Positionen dem Schwenk der Partei zu einer traditionelleren Rolle im Wege. Und nicht nur sie, auch die jüngeren Frauen widersetzen sich laut Fincher dem Wandel und sagen “Nein” zu Ehe und Kindern.
Unser zweiter Text befasst sich mit der Naturkatastrophe im Nordosten Chinas. Dort wurden die Menschen in der Nacht zum Dienstag von einem schweren Erdbeben getroffen. Mehr als 100 Menschen kamen ums Leben, viele mehr sind verletzt, unzählige Gebäude beschädigt oder eingestürzt. Doch im Gegensatz zu vergangenen Katastrophen laufen Rettungs- und Hilfsmaßnahmen dieses Mal schnell an. Die Regierung habe aus früheren Fehlern gelernt, berichtet Jörn Petring.
Ihre Carolyn Braun
Analyse
“Trotz eines aggressiven antifeministischen Vorgehens ist es der Regierung nicht gelungen, den Feminismus auszurotten”
US-Autorin und -Journalistin Leta Hong Fincher schreibt über den zunehmenden Druck auf Frauen in der chinesischen Gesellschaft.
Staatschef Xi Jinping hat kürzlich auf dem nur alle fünf Jahre tagenden Plenum des chinesischen Frauenverbands zu einer neuen Gebär- und Familienkultur aufgerufen. Funktionäre fordern eine höhere Geburtenrate. Das ist ein neuer Tenor in der KP, die zumindest verbal immer das Banner der Gleichberechtigung geschwenkt hat. Was ist da los?
Das war schon lange abzusehen. Xi hat in der Vergangenheit mehrfach gesagt, dass China eine stärkere “Familienkultur” und mehr Familienwerte entwickeln müsse. Die KP gibt zwar Lippenbekenntnisse zur Gleichberechtigung ab, doch in Wirklichkeit drängt die Partei – die natürlich männerdominiert ist – seit vielen Jahren darauf, dass die Frauen ins Haus zurückkehren und ihre Pflichten als Ehefrauen und Mütter wahrnehmen.
Sie haben vor zehn Jahren ein Buch zu Frauenrechten in China geschrieben, mit dem Titel “Shengnü” (剩女), also “Übriggebliebene Frauen” (Englisch “Leftover Women”), das gerade neu aufgelegt wurde. Woher kommt dieser Begriff?
Eine Propagandakampagne hat diese Bezeichnung für Frauen in ihren späten 20ern, die immer noch unverheiratet sind, geprägt. Sie wurde ab 2007 über sämtliche Kanäle verbreitet. Damals war Hu Jintao Staats- und Parteichef.
Das bedeutet, dass nicht erst Xi die konservative Wende gestartet hat – die ja gewissermaßen im Widerspruch zur sozialistischen Ideologie steht, oder?
Das Konzept der Gleichberechtigung ist durchaus ein wesentlicher Bestandteil des Kommunismus. Besonders ausgeprägt war dies in China, schließlich sagte Mao Zedong einst den berühmten Satz: “Frauen tragen die Hälfte des Himmels”. Die chinesische Revolution war viel feministischer als andere sozialistische Revolutionen. Das hängt mit der Revolutionsgeschichte vor dem Kommunismus zusammen, um die Wende zum 20. Jahrhundert.
Inwiefern?
Diese Zeit vor und nach dem Sturz des kaiserlichen Systems war sehr feministisch geprägt. Viele chinesische Kommunisten sind aus der Bewegung des 4. Mai 1919 hervorgegangen, in der der Feminismus und die Rechte der Frauen eine große Rolle spielten. Dieser Teil der Geschichte und die Rebellion gegen Chinas konfuzianisch-patriarchalische Vergangenheit haben viele frühe Kommunisten – auch Männer – dazu gebracht, die Rechte der Frauen wirklich zu unterstützen. Solche Parallelen habe ich in anderen kommunistischen Revolutionen nicht festgestellt.
Wie äußerte sich dieses feministische Element?
In der frühen kommunistischen Ära bekamen die Frauen Arbeitsplätze zugewiesen, und sie mussten auf dem Land arbeiten. Das ist ein sehr starkes feministisches Erbe und ein Erbe der Vollbeschäftigung für Frauen. Die Sowjetunion hatte diesen Weg seinerzeit sogar kritisiert. Viele der Frauen, die in der Mao-Ära gearbeitet haben, leben heute noch, daher ist dieses Element des Feminismus in den Familiengeschichten verankert. Die Frauen waren berufstätig und einige von ihnen erreichten sogar hohe Positionen in der Regierung oder wurden bedeutende Geschäftsfrauen – sie alle repräsentieren die Geschichte des kommunistischen Chinas. Für die Partei ist es nun äußerst schwierig, dieses Element zu bekämpfen, da diese Frauen Mitglieder der kommunistischen Partei sind. Sie sind überall präsent.
Trotzdem vollzieht die Partei den Schwenk hin zu einer traditionelleren Rolle der Frauen. Liegt das vor allem an der seit Jahren sinkenden Geburtenrate? Die Partei hat parallel die Ein-Kind-Politik aufgehoben; heute gilt eine Drei-Kind-Politik.
Die sinkenden Geburten- und Heiratsraten zeigen, dass junge Frauen, vor allem solche mit Hochschulabschluss, eine ehe- und geburtenfördernde Politik ablehnen. Das ist die größte Veränderung im letzten Jahrzehnt. Und der enorme demografische Wandel ist das Ergebnis einer sich ändernden Haltung der jungen Frauen.
Wie geht die Regierung damit um?
Es ist klar, dass die Regierung mit immer aufdringlicheren Methoden versuchen wird, gebildete Han-Chinesinnen zur Heirat zu bewegen und Kinder zu bekommen. Und es ist beunruhigend, sich vorzustellen, was sie sich als Nächstes ausdenken könnten. Was mir aber viel Hoffnung gibt, ist, dass China kein totalitärer Staat ist. Es kann Frauen – noch – nicht einfach dazu zwingen, zu heiraten und Kinder zu bekommen.
Wie ist es mit der Abtreibung, die derzeit ja legal ist und früher sogar gefördert wurde?
Natürlich stellt sich diese Frage. Wird die Regierung Schwangerschaftsabbrüche erschweren? Ich halte das für durchaus möglich. Xi Jinping ist ein Diktator; wenn er wollte, könnte er einfach sagen, lasst uns die Abtreibung verbieten und jungen Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln erschweren. Aber das wäre eine äußerst schlechte Idee, denn ich glaube, es würde nach hinten losgehen.
Was ist die Rolle der Älteren? Üben sie auch Druck auf die jungen Frauen aus? Ausgerechnet diejenigen, die zur emanzipierten Generation gehören?
Hier spielen die Macht der Kommunistischen Partei und des Staates ebenfalls eine Rolle. Nach meinen Recherchen glaube ich nicht, dass dies ein kulturelles Phänomen ist. Ich weiß, dass die ältere Generation, Eltern und andere Verwandte, die ihre jungen Töchter oder Nichten drängen, zu heiraten und Kinder zu bekommen, dies als Teil einer gemeinsamen Bemühung tun: Denn sie werden von der Regierung zunehmend dazu angehalten. Es ist eine mehrgleisige Politik.
Die Propaganda spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Ein großer Teil davon richtet sich vor allem an die älteren Generationen. Man sagt ihnen, wie wichtig es sei, dass sie junge Töchter, Nichten oder Enkelinnen zur Heirat antreiben. Der gesellschaftliche Druck ist also sehr groß. Und ich denke, dass dies ein wesentlicher Weg für die KP sein wird, sich stärker in Familienangelegenheiten einzumischen. Ich habe gelesen, dass örtliche Regierungsbeamte Frischvermählte anrufen und fragen, ob die Frau schwanger ist. Ich denke, so etwas wird künftig noch mehr werden.
Was macht das mit den jungen Frauen?
Leider glaube ich, dass sich dieser Druck auf junge Frauen auswirkt, die sonst vielleicht Nein zu Ehe und Kindern sagen würden. Der Druck ist enorm, wenn er von den eigenen Eltern ausgeht; vor allem die Mütter spielen eine sehr wichtige Rolle. Es ist eine Art “moralisches Kidnapping”, wie es mir jemand vor kurzem beschrieben hat. In einem Land wie China, das so viel Wert auf “Kindliche Pietät” legt, ist es sehr schwer, wenn die eigene Mutter einen anfleht, zu heiraten. Aber ich bin mir sicher, dass viele Millionen junger Frauen auch weiterhin “Nein” sagen werden.
Scheidung war früher erstaunlich einfach in China.
Das war in der Vergangenheit so. Aber die Regierung macht es nun Frauen äußerst schwer, sich scheiden zu lassen. Sie führte im Jahr 2021 eine Karenzzeit für Scheidungen ein. Zudem ist es seit einigen Jahren viel schwieriger, sich scheiden zu lassen, wenn der Mann der Scheidung nicht zustimmt. Das gilt selbst dann, wenn der Ehemann nachweislich seine Frau misshandelt hat. Ledige Frauen schreckt das davon ab, überhaupt zu heiraten.
Die Sozialmedien haben eine große Rolle dabei gespielt, den Feminismus zugänglicher zu machen oder auch Fälle von Belästigung anzuprangern. Seither hat die Zensur stark zugenommen. Wie sehr leidet die feministische Online-Bewegung darunter?
Trotz eines sehr aggressiven antifeministischen Vorgehens ist es der Regierung nicht gelungen, den Feminismus auszurotten. Weil er so populär ist. Das meine ich, wenn ich sage, dass China kein totalitäres System ist. Es ist sehr autoritär, und unter Xi ist es noch viel repressiver geworden. Zudem werden feministische Bewegungen und die Rechte der Frauen im Internet viel stärker zensiert als früher. Aber solche Inhalte sind heute viel stärker verbreitet.
Was bewirkt das?
Solange das Internet nicht komplett abgeschaltet ist, wird es immer Räume für feministische Diskussionen geben. Feministischen Stimmen werden oft von frauenfeindlichen, nationalistischen Stimmen übertönt. Doch die Stimmen der Frauen sind immer noch da, sie sind einfach in der Überzahl. Bekannte feministische Benutzerkonten werden immer wieder gelöscht. Aber es gibt so viele junge Frauen, die neue Konten eröffnen. Es ist ein brutales antifeministisches Vorgehen, aber es reicht nicht aus, um die feministischen Tendenzen bei den jungen Frauen zu unterbinden.
Barbie hat es trotz der subtilen feministischen Botschaft in Chinas Kinos geschafft, der Film war sehr erfolgreich in China.
Es ist schon erstaunlich, dass Barbie der Zensur entgangen ist. Die Entscheidung, dass Barbie gezeigt werden durfte, war womöglich ein Versehen. Die Zensoren haben ihn nicht verstanden. Aber viele der Frauen, die den Film gesehen haben, haben ihn verstanden.
Leta Hong Fincher ist eine US-amerikanische Autorin und Expertin für Frauenrechte in China. Sie hat lange als Journalistin in China gearbeitet und hält einen Doktortitel der Soziologie von der Pekinger Tsinghua-Universität. Die kürzlich zum 10. Jubiläum ihres ersten Buches erschienene aktualisierte Ausgabe “Leftover Women: The Resurgence of Gender Inequality in China” wurde von der China Books Review zu einem der besten Bücher des Jahres 2023 gekürt. Außerdem schrieb sie das Buch “Betraying Big Brother: The Feminist Awakening in China”. Derzeit ist Fincher wissenschaftliche Mitarbeiterin am Weatherhead East Asian Institute der Columbia University in New York.
Drei-Kind-Politik
Ein-Kind-Politik
Feminismus
Frauenrechte
Kommunistische Partei
Chinas Lektion aus früheren Katastrophen: Rettungsarbeiten nach Erdbeben gehen schnell voran
Rettungskräfte im Einsatz in der Gemeinde Dahejia in Jishishan Bao, Dongxiang.
Bei einem schweren Erdbeben im Nordwesten Chinas kamen in der Nacht zum Dienstag mindestens 126 Menschen ums Leben. Das Epizentrum des Bebens der Stärke 6,2 lag im Kreis Jishishan in der Provinz Gansu, betroffen war aber auch die Nachbarprovinz Qinghai. Mehr als 500 Menschen wurden verletzt.
Die abgelegene Gegend gilt als eine der ärmsten in China. Dennoch gingen die Rettungsarbeiten am Dienstag schnell voran. Nach den ersten Berichten über das Beben dauerte es nur wenige Stunden, bis die staatlichen Medien am Morgen Bilder von gut ausgestatteten Bergungskräften zeigen konnten, die in Trümmern nach Opfern und Überlebenden suchten. Zeltstädte wurden errichtet und Hilfsgüter wie Decken und warme Kleidung in die Region gesschickt.
Katastrophenhilfe rasch angelaufen
Sowohl Staats- und Parteichef Xi Jinping als auch Ministerpräsident Li Qiang äußerten sich sofort und riefen die Helfer auf, unermüdlich nach Überlebenden zu suchen. Auch die Wirtschaftsplaner der Pekinger Entwicklungs- und Reformkommission kündigten umgehend die Aktivierung eines Notfallplans an, um die Versorgung mit Energie, Strom und täglichen Notwendigkeiten in der betroffenen Region zu gewährleisten. Die Regierung stellte 200 Millionen Yuan (knapp 26 Millionen Euro) für die Katastrophenhilfe bereit, davon 150 Millionen Yuan für Gansu und 50 Millionen Yuan für Qinghai.
Es setzte sich also eine riesige Maschinerie in Gang, die verdeutlichte, dass China seine Lektion aus früheren Katastrophen gelernt hat. Die Erinnerungen an das große Beben von Wenchuan in Sichuan, bei dem 2008 mehr als 70.000 Menschen ums Leben kamen, sind tief im kollektiven Gedächtnis der Chinesen verankert.
Trotz des Wissens um die seismische Aktivität in der Region waren die Notfallvorbereitungen und -reaktionen damals völlig unzureichend, was zu Verzögerungen bei den Rettungseinsätzen und der Versorgung der Betroffenen führte. Viele Gebäude, insbesondere Schulen und Wohnhäuser, waren nicht erdbebensicher gebaut. Viele Gebäude einstürzten und begruben Menschen unter ihren Trümmern. Das Schmähwort von der “Tofu-Schule” machte die Runde.
Opferzahl bei Beben geht tendenziell zurück
Seitdem hat sich jedoch viel getan. Zwar kam es immer wieder zu Erdbeben-Tragödien, die Zahl der Opfer geht jedoch seit Wenchuan tendenziell zurück.
2010 gab es rund 2.700 Opfer bei einem Beben der Stärke 6,9 in der Provinz Qinghai.
2014 kamen bei einem Beben der Stärke 6,5 in der Provinz Yunnan rund 600 Menschen ums Leben.
Im September 2022 starben bei einem Beben in Sichuan über 93 Menschen.
Klar ist, dass auch dieses Beben für die Menschen vor Ort in Gansu eine große Tragödie ist. Chinesische Staatsmedien zeigten Fotos von Menschen, die nach dem Beben aus ihren Häusern in die winterliche Kälte flohen und dort in Decken gehüllt im Freien ausharrten. Besonders die eisigen Temperaturen von bis zu minus 13 Grad machten sowohl Hilfsbedürftigen als auch Rettern am Dienstag zu schaffen.
Mehr als 6.000 Häuser beschädigt
Augenzeugen berichteten der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, dass das Erdbeben Schäden an Straßen und anderer Infrastruktur verursacht habe. Auch habe es Schäden an über 6000 Häusern in Jishishan gegeben. Einige Häuser wurden komplett zerstört. In mehreren Dörfern fiel der Strom aus, und die Wasserversorgung wurde unterbrochen.
“Wir stehen immer noch unter Schock”, sagte ein Mann aus Jishishan etwa zwei Stunden nach dem Beben dem lokalen Nachrichtenportal Jimu. Er und seine Familie seien aus ihrer Wohnung im 16. Stock die Treppe hinuntergerannt und dann mit dem Auto in Sicherheit gefahren.
Auch in Lanzhou, der Provinzhauptstadt von Gansu, war das Beben laut Augenzeugen zu spüren. In sozialen Medien teilten Nutzer Videos von Studenten in Lanzhou, die in der Nacht aus ihren Zimmern eilten und sich in Sicherheit brachten. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob das Schlimmste überstanden ist oder die Zahl der Opfer doch noch weiter ansteigen wird.
Humanitäre Hilfe
Katastrophenschutz
Sinolytics.Radar
China wirbt um Vietnam
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Der erste Vietnambesuch von Staats- und Parteichef Xi Jinping seit sechs Jahren ist von großer diplomatischer Bedeutung. Während seines zweitägigen Aufenthalts unterzeichneten beide Seiten über 30 Abkommen, unter anderem zu Sicherheit, Eisenbahnen und Infrastruktur.
Xis Besuch folgt auf die jüngste Verbesserung der Beziehungen Vietnams zu den USA, sowie ein Sicherheitsabkommen mit Japan. Die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China stellt Vietnams “Bambusdiplomatie” – unabhängige Wurzeln, flexible Äste – auf die Probe.
Vietnam zählt zu den größten Gewinnern der Handelsspannungen zwischen den USA und China, weil Unternehmen Milliarden US-Dollar von China nach Vietnam umleiten. Inzwischen ist das Land ein wichtiges Glied in der globalen Lieferkette, das Zwischenprodukte aus China mit den Endverbrauchern in den USA verbindet.
Diese strategische Positionierung spiegelt sich auch in den sich entwickelnden Handelsbeziehungen zwischen den drei Nationen wider. In den letzten fünf Jahren sind die chinesischen Exporte nach Vietnam um 75 Prozent gestiegen, während Vietnams Exporte in die USA sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt haben.
Chinas wirtschaftliches Engagement führt jedoch nicht zu mehr Vertrauen und Einfluss bei der vietnamesischen Bevölkerung. Die Umfrage “2023 State of Southeast Asia” zeigt, dass sich die öffentliche Meinung in Vietnam im vergangenen Jahr weiter zu einer Ausrichtung an den USA als an China verlagert hat. Das zeigt, dass die öffentliche Meinung von den wirtschaftlichen Beziehungen abweicht.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Handelspolitik
USA
Vietnam
Xi Jinping
News
BAFA-Chef warnt vor Panikmache bei Lieferketten-Gesetz
Der Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Torsten Safarik, schließt aus, dass sich Unternehmen aus Regionen oder ganzen Ländern zurückziehen müssen, weil sie die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltsgesetzes nicht erfüllen können. “Es geht immer um Befähigung vor Rückzug und eine Bemühenspflicht der Unternehmen, keine Erfolgspflicht”, sagte Safarik gegenüber Table.Media. “Manche Unternehmen ziehen sich aus anderen Gründen aus einem Markt zurück, verweisen aber zur Begründung auf das Gesetz.”
Vergangene Woche hatten sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ähnelt dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), geht aber darüber hinaus. Statt rund 3.000 Unternehmen, die nach dem LkSG berichten müssen, werden es nach dem EU-Lieferkettengesetz um die 15.000 sein, darunter Tausende, deren Wertschöpfung mindestens zum Teil aus China stammt. Mehrere Industrieverbände hatten daraufhin Rat und Parlament aufgerufen, das Gesetz in den nun anstehenden Abstimmungen abzulehnen. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner hatte gesagt, es bedrohe die Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft.
Safarik bedauerte, dass einige Institutionen “leider medial massiv das Gesetz” kritisieren und damit “viel Unruhe” erzeugten: “Wenn wir überziehen und sich deswegen deutsche Unternehmen aus Märkten zurückziehen, sinkt bei uns der Wohlstand und Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz”, erklärte er. “Aber damit würden wir auch den Menschenrechten einen Bärendienst erweisen.” Denn dann würde das Geschäft von Unternehmen aus Ländern übernommen, in denen teils die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden. Aber das Ziel des BAFA sei es, mit den deutschen Unternehmen die Menschenrechtslage in deren globalen Lieferketten zu verbessern.
“Jeder, der das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfüllen will, kann es erfüllen. Auch, weil wir beim BAFA mit Augenmaß vorgehen”, sagte der BAFA-Präsident. “Nur die schwarzen Schafe, die nicht wollen, dürfen uns fürchten.”cd
Bafa
Lieferketten
Lieferkettengesetz
Menschenrechte
Sorgfaltspflichtengesetz
Taiwans Regierungspartei verliert an Boden
Knapp einen Monat vor den taiwanischen Präsidentschaftswahlen ist der Vorsprung der Regierungspartei (DPP) geschrumpft. 35 Prozent der Befragten wollen nach einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Online-Nachrichtenportals My Formosa für den derzeitigen Vizepräsidenten William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei stimmen, wie Bloomberg berichtete. Damit liegt er nur noch knapp vor Hou Yu-ih von der Kuomintang (KMT) mit 31,7 Prozent. Ko Wen-je, der Kandidat der Taiwanischen Volkspartei, lag mit 18,2 Prozent an dritter Stelle.
In einer Umfrage der United Daily News – einer Zeitung, die im Allgemeinen die China-freundliche KMT unterstützt – liegen Hou und Lai gleichauf: Beide werden demnach von 31 Prozent der Befragten unterstützt, während Ko auf 21 Prozent kommt. Taiwan wählt am 13. Januar das nächste Staatsoberhaupt und ein neues Parlament. Bei der Präsidentschaftswahl gilt die einfache Mehrheit, eine Stichwahl gibt es nicht.
Während die DPP Distanz zu China hält, haben Hou als auch Ko Dialogbereitschaft mit Peking angedeutet. Peking dürfte ihnen daher deutlich den Vorzug vor William Lai geben. Die drei Kandidaten werden bis zur Wahl noch mehrfach im Fernsehen auftreten und dort unter anderem mit einer “politische Präsentation” ihre Regierungspläne darlegen. Am 30. Dezember kommt es zur einzigen TV-Debatte der drei. cyb
Präsidentschaftswahlen
Taiwan
Taiwan-Wahlen
Wahlen
Auch Cosco stoppt Fahrten durchs Rote Meer
Auch die chinesische Reederei China Cosco Shipping wird angesichts der Angriffe auf Handelsschiffe in der Region die Transporte durch das Rote Meer aussetzen. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin unter Berufung auf Cosco-Mitarbeitende. Demnach wollte das Unternehmen seine Kunden am Dienstag über die vorübergehende Einstellung des Dienstes durchs Rote Meer informieren.
Cosco ist die letzte der laut der Datenbank Alphaliner fünf weltgrößten Reedereien, die sich dafür entscheidet, die Frachtfahrten in der gefährlichen Region zu unterbrechen. Auch die MSC aus der Schweiz, Maersk aus Dänemark, CMA CGM aus Frankreich und die deutsche Hapag-Lloyd AG haben diese Transporte ausgesetzt. Die taiwanische Reederei Evergreen hat zusätzlich auch noch die Annahme israelischer Fracht vorübergehend eingestellt. Ein Hapag-Lloyd-Frachter war vor wenigen Tagen im Roten Meer nahe der jemenitischen Küste unter Beschuss geraten, vermutlich durch die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen.
Die Frachter müssen nun den langen Umweg um den afrikanischen Kontinent in Kauf nehmen, was etwa zwei Wochen länger dauert und die Kosten der Transporte hochtreiben wird. Von einer längeren Unterbrechung der Route durch den Suezkanal wären vor allem Chinas-Autoexporte betroffen, zitierte Caixin einen Analysten. Für jedes von China nach Europa ausgeführte Auto würden die Kosten um 20 Prozent steigen. ck
Handel
Logistik
Nahost
USA sehen weniger Zwischenfälle bei chinesischen Militäraktionen
Die Gefahr eines versehentlichen Zusammenstoßes der Streitkräfte Chinas und der USA ist seit dem Gipfeltreffen von Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden offenbar gesunken. China habe in den Wochen nach dem Treffen “gefährliche” Militäraktionen in der Luft und auf See eingestellt, sagte Admiral John Aquilino, Leiter des US-Kommandos für den Indopazifik, laut Bloomberg vor Journalisten in Tokio. Das lasse auf eine Entspannung der Lage schließen. Man sei zuvor etwa über Abfangmanöver besorgt gewesen, sagte Aquilino. “Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wäre das unglaublich vorteilhaft.”
Auf die Äußerungen Aquilinos angesprochen, bekräftigte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag seinerseits die bekannte Haltung Pekings zu militärischen Aktionen der USA – seiner Darstellung zufolge hatte Washington mit den Sticheleien angefangen. “Grundsätzlich lehnt China häufige Aufklärungsflüge von US-Flugzeugen über China strikt ab”, so Wang Wenbin.ck
Geopolitik
Militär
USA
Presseschau
Neue Seidenstraße eine Schuldenfalle? China hat 1,2 Billionen Euro verliehen FOCUS Chinas Wirtschaft: Wohlstandsversprechen in der Krise DEUTSCHLANDFUNK Chinas Elektroauto-Markt bleibt auf Wachstumskurs FAZ Chinesischer Autobauer: So will Nio die deutsche Konkurrenz angreifen HANDELSBLATT Chinesischer Autobauer BYD liefert Behördenfahrzeuge in Österreich DER STANDARD Autozulieferer Voltaire: “Jetzt entwickeln die Chinesen die Technik selbst und brauchen die Deutschen nicht mehr” WIWO Reich der Mittelklasse: Wie China seine Chipbranche voranbringt HEISE Chinesischer Speicher: CXMT hat angeblich Samsung-Technik gestohlen HEISE China’s finance influencers face stricter rules on Tencent’s live-streaming channels as Beijing moves to shore up confidence on economy SCMP Temu gegen Shein: Chinesischer Onlineshop verklagt Konkurrenten FAZ We cannot ignore China’s information warfare any longer THE HILL Politologe Herfrid Münkler: “China hat sich nie europäisiert” FR At least 127 people killed in China’s deadliest earthquake in years 9NEWS
Heads
Cobus van Staden – Der Mann hinter China Global South
Der Wissenschaftler Cobus van Staden ist Mitgründer des Startups China Global South Project.
Der Mann ist in zwei großen Regionen der Welt zu Hause: in Afrika genauso wie in Asien. Sein Deutsch allerdings sei eingerostet, antwortet Cobus van Staden auf die Frage, ob er Japanisch spreche. “Wenn ich versuche, Deutsch zu sprechen, kommt immer Japanisch raus.” Er hoffe daher, dass Menschen, mit denen er spreche, auf magische Weise Japanisch verstünden. Und sein Chinesisch? Er habe die Sprache gelernt, aber spreche sie nicht besonders gut. Van Stadens letzter Aufenthalt in China ist einige Jahre her; seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist er nicht dorthin zurückgekehrt. Zuvor war der Südafrikaner mehrmals nach China gereist.
Van Stadens Interesse an der Volksrepublik erwachte, als er von 2001 bis 2008 an der japanischen Universität Nagoya in Philosophie und Medienwissenschaft promovierte. Inmitten der internationalen Community in Nagoya hatte er damals immer häufiger Kontakt zu Menschen aus China. Vor seinem Aufenthalt in Japan hatte van Staden Medienwissenschaften studiert und als Produzent von Dokumentarfilmen gearbeitet.
Doch dann wurden Asien und Afrika van Stadens wichtigster Fokus. Als Postdoc an der südafrikanischen Universität Stellenbosch und am Sarchi-Lehrstuhl für afrikanische Diplomatie und Außenpolitik an der Universität Johannesburg arbeitete er an einem Vergleich der chinesischen und japanischen öffentlichen Diplomatie in Afrika. 2013 wechselte er an die Abteilung für Medienwissenschaften der Universität Witwatersrand, wo er immer noch lehrt.
Seine akademische Forschung konzentrierte sich nach eigenen Angaben auf die Medienberichterstattung über die Beziehungen Chinas und Japans mit Afrika sowie auf die Nutzung der Medien als Mittel der öffentlichen Diplomatie im globalen Süden. Derzeit ist er zudem Research Affiliate am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA).
China Global South Projekt
Im Jahr 2010 gründete Cobus van Staden gemeinsam mit dem Journalisten Eric Olander das China Global South Project, das sich als “unabhängige Multimedia-Organisation” begreift, die über das chinesische Engagement im globalen Süden, besonders in afrikanischen Staaten, informiert. Bis August 2019 war es für beide ein Liebhaberprojekt, das sie nach Feierabend und an den Wochenenden bestückten, wie es auf der Website heißt. Heute gibt es ein Vollzeit-Team mit Redakteuren und Analysten in fünf Ländern Afrikas und Asiens, die jeden Tag Nachrichten und Analysen produzieren. Van Staden ist jetzt offiziell Geschäftsführender Redakteur.
In Form von Podcasts und Newslettern informiert das China Global South Project über chinesische Aktivitäten und bemüht sich dabei, möglichst unparteiisch Bericht zu erstatten. Es finanziert sich durch Abonnements. “Chinesische Medien berichten alles positiv, während westliche Medien das Ganze wiederum als ein riesiges Komplott darstellen”, sagt van Staden. Sein Projekt hingegen will eine möglichst konkrete, nuancierte und forschungsbasierte Berichterstattung über die Beziehungen zwischen China und dem globalen Süden liefern. Das Publikum sei eine enge Nische, bestehend aus Diplomaten, Akademikern und Studierenden weltweit.
“Ich habe gesehen, dass westliche Erzählungen über China und Afrika nicht wirklich auf wahren Untersuchungen basieren”, sagt van Staden. So werde häufig berichtet, dass China absichtlich wirtschaftlich schwache Länder mit Schulden belaste, um ein Druckmittel zu haben. “Es ist ein Schlamassel. Führende Forscher haben diese Vorwürfe widerlegt”, sagt er. Die Schulden Afrikas liegen vielmehr bei privaten Kreditgebern Europas, mit höheren Zinssätzen als jene der chinesischen Regierungskredite. “China wird also in diesem Diskurs instrumentalisiert.”
Das bedeute aber nicht, dass es keine Probleme mit der chinesischen Regierung gebe. Das Problem sei lediglich, dass die wahre Problematik nicht in den Fokus rücke, weil sich Medien zu sehr auf die immer gleichen Narrative fokussieren. Van Stadens Motivation für sein Projekt besteht darin, solche Erzählungen wieder geradezurücken, damit sich die Welt wieder mit wahren Schwierigkeiten auseinandersetzen kann, die afrikanische Staaten betreffen. Shoko Bethke
Afrika
Medien
Schulden
Start-ups
Translation missing.
Personalie
Bonnie Chan wird ab Mai 2024 neue Geschäftsführerin der Hong Kong Exchanges & Clearing. Sie ist damit die erste Frau an der Spitze der Hongkonger Börse. Derzeit ist sie Chief Operating Officer. Der amtierende Börsenchef Nicolas Aguzin hatte angekündigt, keine weitere Amtszeit anzustreben.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Dessert
Futtern für den Aufschwung: Das wird von diesen durch Hongkongs Temple Street schlendernden Festland-Besuchern erwartet. Die Essensstände, die hier zeitweilig stehen, sind Teil der sogenannten Evening Economy – gefördert von der Regierung in der Hoffnung, die Wirtschaft nach der Pandemie wieder anzukurbeln und die Einnahmen aus dem Tourismus zu steigern.
Druck auf frisch verheiratete Frauen, schnell schwanger zu werden, erschwerte Scheidungen, und das Risiko eines schlechteren Zugangs zu Abtreibungen: Ein konservativer werdendes China versucht, die Frauen zurück ins Heim zu drängen. Dabei hat die weibliche Emanzipation in der Volksrepublik eine lange Tradition, wie die auf Frauenrechte spezialisierte Journalistin und Autorin Leta Hong Fincher im Interview mit Christiane Kühl erklärt.
Die chinesische Revolution sei feministischer gewesen als andere sozialistische Revolutionen. Auch deswegen stehen heute gerade ältere Frauen in höheren Positionen dem Schwenk der Partei zu einer traditionelleren Rolle im Wege. Und nicht nur sie, auch die jüngeren Frauen widersetzen sich laut Fincher dem Wandel und sagen “Nein” zu Ehe und Kindern.
Unser zweiter Text befasst sich mit der Naturkatastrophe im Nordosten Chinas. Dort wurden die Menschen in der Nacht zum Dienstag von einem schweren Erdbeben getroffen. Mehr als 100 Menschen kamen ums Leben, viele mehr sind verletzt, unzählige Gebäude beschädigt oder eingestürzt. Doch im Gegensatz zu vergangenen Katastrophen laufen Rettungs- und Hilfsmaßnahmen dieses Mal schnell an. Die Regierung habe aus früheren Fehlern gelernt, berichtet Jörn Petring.
Ihre Carolyn Braun
Analyse
“Trotz eines aggressiven antifeministischen Vorgehens ist es der Regierung nicht gelungen, den Feminismus auszurotten”
US-Autorin und -Journalistin Leta Hong Fincher schreibt über den zunehmenden Druck auf Frauen in der chinesischen Gesellschaft.
Staatschef Xi Jinping hat kürzlich auf dem nur alle fünf Jahre tagenden Plenum des chinesischen Frauenverbands zu einer neuen Gebär- und Familienkultur aufgerufen. Funktionäre fordern eine höhere Geburtenrate. Das ist ein neuer Tenor in der KP, die zumindest verbal immer das Banner der Gleichberechtigung geschwenkt hat. Was ist da los?
Das war schon lange abzusehen. Xi hat in der Vergangenheit mehrfach gesagt, dass China eine stärkere “Familienkultur” und mehr Familienwerte entwickeln müsse. Die KP gibt zwar Lippenbekenntnisse zur Gleichberechtigung ab, doch in Wirklichkeit drängt die Partei – die natürlich männerdominiert ist – seit vielen Jahren darauf, dass die Frauen ins Haus zurückkehren und ihre Pflichten als Ehefrauen und Mütter wahrnehmen.
Sie haben vor zehn Jahren ein Buch zu Frauenrechten in China geschrieben, mit dem Titel “Shengnü” (剩女), also “Übriggebliebene Frauen” (Englisch “Leftover Women”), das gerade neu aufgelegt wurde. Woher kommt dieser Begriff?
Eine Propagandakampagne hat diese Bezeichnung für Frauen in ihren späten 20ern, die immer noch unverheiratet sind, geprägt. Sie wurde ab 2007 über sämtliche Kanäle verbreitet. Damals war Hu Jintao Staats- und Parteichef.
Das bedeutet, dass nicht erst Xi die konservative Wende gestartet hat – die ja gewissermaßen im Widerspruch zur sozialistischen Ideologie steht, oder?
Das Konzept der Gleichberechtigung ist durchaus ein wesentlicher Bestandteil des Kommunismus. Besonders ausgeprägt war dies in China, schließlich sagte Mao Zedong einst den berühmten Satz: “Frauen tragen die Hälfte des Himmels”. Die chinesische Revolution war viel feministischer als andere sozialistische Revolutionen. Das hängt mit der Revolutionsgeschichte vor dem Kommunismus zusammen, um die Wende zum 20. Jahrhundert.
Inwiefern?
Diese Zeit vor und nach dem Sturz des kaiserlichen Systems war sehr feministisch geprägt. Viele chinesische Kommunisten sind aus der Bewegung des 4. Mai 1919 hervorgegangen, in der der Feminismus und die Rechte der Frauen eine große Rolle spielten. Dieser Teil der Geschichte und die Rebellion gegen Chinas konfuzianisch-patriarchalische Vergangenheit haben viele frühe Kommunisten – auch Männer – dazu gebracht, die Rechte der Frauen wirklich zu unterstützen. Solche Parallelen habe ich in anderen kommunistischen Revolutionen nicht festgestellt.
Wie äußerte sich dieses feministische Element?
In der frühen kommunistischen Ära bekamen die Frauen Arbeitsplätze zugewiesen, und sie mussten auf dem Land arbeiten. Das ist ein sehr starkes feministisches Erbe und ein Erbe der Vollbeschäftigung für Frauen. Die Sowjetunion hatte diesen Weg seinerzeit sogar kritisiert. Viele der Frauen, die in der Mao-Ära gearbeitet haben, leben heute noch, daher ist dieses Element des Feminismus in den Familiengeschichten verankert. Die Frauen waren berufstätig und einige von ihnen erreichten sogar hohe Positionen in der Regierung oder wurden bedeutende Geschäftsfrauen – sie alle repräsentieren die Geschichte des kommunistischen Chinas. Für die Partei ist es nun äußerst schwierig, dieses Element zu bekämpfen, da diese Frauen Mitglieder der kommunistischen Partei sind. Sie sind überall präsent.
Trotzdem vollzieht die Partei den Schwenk hin zu einer traditionelleren Rolle der Frauen. Liegt das vor allem an der seit Jahren sinkenden Geburtenrate? Die Partei hat parallel die Ein-Kind-Politik aufgehoben; heute gilt eine Drei-Kind-Politik.
Die sinkenden Geburten- und Heiratsraten zeigen, dass junge Frauen, vor allem solche mit Hochschulabschluss, eine ehe- und geburtenfördernde Politik ablehnen. Das ist die größte Veränderung im letzten Jahrzehnt. Und der enorme demografische Wandel ist das Ergebnis einer sich ändernden Haltung der jungen Frauen.
Wie geht die Regierung damit um?
Es ist klar, dass die Regierung mit immer aufdringlicheren Methoden versuchen wird, gebildete Han-Chinesinnen zur Heirat zu bewegen und Kinder zu bekommen. Und es ist beunruhigend, sich vorzustellen, was sie sich als Nächstes ausdenken könnten. Was mir aber viel Hoffnung gibt, ist, dass China kein totalitärer Staat ist. Es kann Frauen – noch – nicht einfach dazu zwingen, zu heiraten und Kinder zu bekommen.
Wie ist es mit der Abtreibung, die derzeit ja legal ist und früher sogar gefördert wurde?
Natürlich stellt sich diese Frage. Wird die Regierung Schwangerschaftsabbrüche erschweren? Ich halte das für durchaus möglich. Xi Jinping ist ein Diktator; wenn er wollte, könnte er einfach sagen, lasst uns die Abtreibung verbieten und jungen Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln erschweren. Aber das wäre eine äußerst schlechte Idee, denn ich glaube, es würde nach hinten losgehen.
Was ist die Rolle der Älteren? Üben sie auch Druck auf die jungen Frauen aus? Ausgerechnet diejenigen, die zur emanzipierten Generation gehören?
Hier spielen die Macht der Kommunistischen Partei und des Staates ebenfalls eine Rolle. Nach meinen Recherchen glaube ich nicht, dass dies ein kulturelles Phänomen ist. Ich weiß, dass die ältere Generation, Eltern und andere Verwandte, die ihre jungen Töchter oder Nichten drängen, zu heiraten und Kinder zu bekommen, dies als Teil einer gemeinsamen Bemühung tun: Denn sie werden von der Regierung zunehmend dazu angehalten. Es ist eine mehrgleisige Politik.
Die Propaganda spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Ein großer Teil davon richtet sich vor allem an die älteren Generationen. Man sagt ihnen, wie wichtig es sei, dass sie junge Töchter, Nichten oder Enkelinnen zur Heirat antreiben. Der gesellschaftliche Druck ist also sehr groß. Und ich denke, dass dies ein wesentlicher Weg für die KP sein wird, sich stärker in Familienangelegenheiten einzumischen. Ich habe gelesen, dass örtliche Regierungsbeamte Frischvermählte anrufen und fragen, ob die Frau schwanger ist. Ich denke, so etwas wird künftig noch mehr werden.
Was macht das mit den jungen Frauen?
Leider glaube ich, dass sich dieser Druck auf junge Frauen auswirkt, die sonst vielleicht Nein zu Ehe und Kindern sagen würden. Der Druck ist enorm, wenn er von den eigenen Eltern ausgeht; vor allem die Mütter spielen eine sehr wichtige Rolle. Es ist eine Art “moralisches Kidnapping”, wie es mir jemand vor kurzem beschrieben hat. In einem Land wie China, das so viel Wert auf “Kindliche Pietät” legt, ist es sehr schwer, wenn die eigene Mutter einen anfleht, zu heiraten. Aber ich bin mir sicher, dass viele Millionen junger Frauen auch weiterhin “Nein” sagen werden.
Scheidung war früher erstaunlich einfach in China.
Das war in der Vergangenheit so. Aber die Regierung macht es nun Frauen äußerst schwer, sich scheiden zu lassen. Sie führte im Jahr 2021 eine Karenzzeit für Scheidungen ein. Zudem ist es seit einigen Jahren viel schwieriger, sich scheiden zu lassen, wenn der Mann der Scheidung nicht zustimmt. Das gilt selbst dann, wenn der Ehemann nachweislich seine Frau misshandelt hat. Ledige Frauen schreckt das davon ab, überhaupt zu heiraten.
Die Sozialmedien haben eine große Rolle dabei gespielt, den Feminismus zugänglicher zu machen oder auch Fälle von Belästigung anzuprangern. Seither hat die Zensur stark zugenommen. Wie sehr leidet die feministische Online-Bewegung darunter?
Trotz eines sehr aggressiven antifeministischen Vorgehens ist es der Regierung nicht gelungen, den Feminismus auszurotten. Weil er so populär ist. Das meine ich, wenn ich sage, dass China kein totalitäres System ist. Es ist sehr autoritär, und unter Xi ist es noch viel repressiver geworden. Zudem werden feministische Bewegungen und die Rechte der Frauen im Internet viel stärker zensiert als früher. Aber solche Inhalte sind heute viel stärker verbreitet.
Was bewirkt das?
Solange das Internet nicht komplett abgeschaltet ist, wird es immer Räume für feministische Diskussionen geben. Feministischen Stimmen werden oft von frauenfeindlichen, nationalistischen Stimmen übertönt. Doch die Stimmen der Frauen sind immer noch da, sie sind einfach in der Überzahl. Bekannte feministische Benutzerkonten werden immer wieder gelöscht. Aber es gibt so viele junge Frauen, die neue Konten eröffnen. Es ist ein brutales antifeministisches Vorgehen, aber es reicht nicht aus, um die feministischen Tendenzen bei den jungen Frauen zu unterbinden.
Barbie hat es trotz der subtilen feministischen Botschaft in Chinas Kinos geschafft, der Film war sehr erfolgreich in China.
Es ist schon erstaunlich, dass Barbie der Zensur entgangen ist. Die Entscheidung, dass Barbie gezeigt werden durfte, war womöglich ein Versehen. Die Zensoren haben ihn nicht verstanden. Aber viele der Frauen, die den Film gesehen haben, haben ihn verstanden.
Leta Hong Fincher ist eine US-amerikanische Autorin und Expertin für Frauenrechte in China. Sie hat lange als Journalistin in China gearbeitet und hält einen Doktortitel der Soziologie von der Pekinger Tsinghua-Universität. Die kürzlich zum 10. Jubiläum ihres ersten Buches erschienene aktualisierte Ausgabe “Leftover Women: The Resurgence of Gender Inequality in China” wurde von der China Books Review zu einem der besten Bücher des Jahres 2023 gekürt. Außerdem schrieb sie das Buch “Betraying Big Brother: The Feminist Awakening in China”. Derzeit ist Fincher wissenschaftliche Mitarbeiterin am Weatherhead East Asian Institute der Columbia University in New York.
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Chinas Lektion aus früheren Katastrophen: Rettungsarbeiten nach Erdbeben gehen schnell voran
Rettungskräfte im Einsatz in der Gemeinde Dahejia in Jishishan Bao, Dongxiang.
Bei einem schweren Erdbeben im Nordwesten Chinas kamen in der Nacht zum Dienstag mindestens 126 Menschen ums Leben. Das Epizentrum des Bebens der Stärke 6,2 lag im Kreis Jishishan in der Provinz Gansu, betroffen war aber auch die Nachbarprovinz Qinghai. Mehr als 500 Menschen wurden verletzt.
Die abgelegene Gegend gilt als eine der ärmsten in China. Dennoch gingen die Rettungsarbeiten am Dienstag schnell voran. Nach den ersten Berichten über das Beben dauerte es nur wenige Stunden, bis die staatlichen Medien am Morgen Bilder von gut ausgestatteten Bergungskräften zeigen konnten, die in Trümmern nach Opfern und Überlebenden suchten. Zeltstädte wurden errichtet und Hilfsgüter wie Decken und warme Kleidung in die Region gesschickt.
Katastrophenhilfe rasch angelaufen
Sowohl Staats- und Parteichef Xi Jinping als auch Ministerpräsident Li Qiang äußerten sich sofort und riefen die Helfer auf, unermüdlich nach Überlebenden zu suchen. Auch die Wirtschaftsplaner der Pekinger Entwicklungs- und Reformkommission kündigten umgehend die Aktivierung eines Notfallplans an, um die Versorgung mit Energie, Strom und täglichen Notwendigkeiten in der betroffenen Region zu gewährleisten. Die Regierung stellte 200 Millionen Yuan (knapp 26 Millionen Euro) für die Katastrophenhilfe bereit, davon 150 Millionen Yuan für Gansu und 50 Millionen Yuan für Qinghai.
Es setzte sich also eine riesige Maschinerie in Gang, die verdeutlichte, dass China seine Lektion aus früheren Katastrophen gelernt hat. Die Erinnerungen an das große Beben von Wenchuan in Sichuan, bei dem 2008 mehr als 70.000 Menschen ums Leben kamen, sind tief im kollektiven Gedächtnis der Chinesen verankert.
Trotz des Wissens um die seismische Aktivität in der Region waren die Notfallvorbereitungen und -reaktionen damals völlig unzureichend, was zu Verzögerungen bei den Rettungseinsätzen und der Versorgung der Betroffenen führte. Viele Gebäude, insbesondere Schulen und Wohnhäuser, waren nicht erdbebensicher gebaut. Viele Gebäude einstürzten und begruben Menschen unter ihren Trümmern. Das Schmähwort von der “Tofu-Schule” machte die Runde.
Opferzahl bei Beben geht tendenziell zurück
Seitdem hat sich jedoch viel getan. Zwar kam es immer wieder zu Erdbeben-Tragödien, die Zahl der Opfer geht jedoch seit Wenchuan tendenziell zurück.
2010 gab es rund 2.700 Opfer bei einem Beben der Stärke 6,9 in der Provinz Qinghai.
2014 kamen bei einem Beben der Stärke 6,5 in der Provinz Yunnan rund 600 Menschen ums Leben.
Im September 2022 starben bei einem Beben in Sichuan über 93 Menschen.
Klar ist, dass auch dieses Beben für die Menschen vor Ort in Gansu eine große Tragödie ist. Chinesische Staatsmedien zeigten Fotos von Menschen, die nach dem Beben aus ihren Häusern in die winterliche Kälte flohen und dort in Decken gehüllt im Freien ausharrten. Besonders die eisigen Temperaturen von bis zu minus 13 Grad machten sowohl Hilfsbedürftigen als auch Rettern am Dienstag zu schaffen.
Mehr als 6.000 Häuser beschädigt
Augenzeugen berichteten der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, dass das Erdbeben Schäden an Straßen und anderer Infrastruktur verursacht habe. Auch habe es Schäden an über 6000 Häusern in Jishishan gegeben. Einige Häuser wurden komplett zerstört. In mehreren Dörfern fiel der Strom aus, und die Wasserversorgung wurde unterbrochen.
“Wir stehen immer noch unter Schock”, sagte ein Mann aus Jishishan etwa zwei Stunden nach dem Beben dem lokalen Nachrichtenportal Jimu. Er und seine Familie seien aus ihrer Wohnung im 16. Stock die Treppe hinuntergerannt und dann mit dem Auto in Sicherheit gefahren.
Auch in Lanzhou, der Provinzhauptstadt von Gansu, war das Beben laut Augenzeugen zu spüren. In sozialen Medien teilten Nutzer Videos von Studenten in Lanzhou, die in der Nacht aus ihren Zimmern eilten und sich in Sicherheit brachten. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob das Schlimmste überstanden ist oder die Zahl der Opfer doch noch weiter ansteigen wird.
Humanitäre Hilfe
Katastrophenschutz
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China wirbt um Vietnam
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Der erste Vietnambesuch von Staats- und Parteichef Xi Jinping seit sechs Jahren ist von großer diplomatischer Bedeutung. Während seines zweitägigen Aufenthalts unterzeichneten beide Seiten über 30 Abkommen, unter anderem zu Sicherheit, Eisenbahnen und Infrastruktur.
Xis Besuch folgt auf die jüngste Verbesserung der Beziehungen Vietnams zu den USA, sowie ein Sicherheitsabkommen mit Japan. Die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China stellt Vietnams “Bambusdiplomatie” – unabhängige Wurzeln, flexible Äste – auf die Probe.
Vietnam zählt zu den größten Gewinnern der Handelsspannungen zwischen den USA und China, weil Unternehmen Milliarden US-Dollar von China nach Vietnam umleiten. Inzwischen ist das Land ein wichtiges Glied in der globalen Lieferkette, das Zwischenprodukte aus China mit den Endverbrauchern in den USA verbindet.
Diese strategische Positionierung spiegelt sich auch in den sich entwickelnden Handelsbeziehungen zwischen den drei Nationen wider. In den letzten fünf Jahren sind die chinesischen Exporte nach Vietnam um 75 Prozent gestiegen, während Vietnams Exporte in die USA sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt haben.
Chinas wirtschaftliches Engagement führt jedoch nicht zu mehr Vertrauen und Einfluss bei der vietnamesischen Bevölkerung. Die Umfrage “2023 State of Southeast Asia” zeigt, dass sich die öffentliche Meinung in Vietnam im vergangenen Jahr weiter zu einer Ausrichtung an den USA als an China verlagert hat. Das zeigt, dass die öffentliche Meinung von den wirtschaftlichen Beziehungen abweicht.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
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BAFA-Chef warnt vor Panikmache bei Lieferketten-Gesetz
Der Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Torsten Safarik, schließt aus, dass sich Unternehmen aus Regionen oder ganzen Ländern zurückziehen müssen, weil sie die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltsgesetzes nicht erfüllen können. “Es geht immer um Befähigung vor Rückzug und eine Bemühenspflicht der Unternehmen, keine Erfolgspflicht”, sagte Safarik gegenüber Table.Media. “Manche Unternehmen ziehen sich aus anderen Gründen aus einem Markt zurück, verweisen aber zur Begründung auf das Gesetz.”
Vergangene Woche hatten sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ähnelt dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), geht aber darüber hinaus. Statt rund 3.000 Unternehmen, die nach dem LkSG berichten müssen, werden es nach dem EU-Lieferkettengesetz um die 15.000 sein, darunter Tausende, deren Wertschöpfung mindestens zum Teil aus China stammt. Mehrere Industrieverbände hatten daraufhin Rat und Parlament aufgerufen, das Gesetz in den nun anstehenden Abstimmungen abzulehnen. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner hatte gesagt, es bedrohe die Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft.
Safarik bedauerte, dass einige Institutionen “leider medial massiv das Gesetz” kritisieren und damit “viel Unruhe” erzeugten: “Wenn wir überziehen und sich deswegen deutsche Unternehmen aus Märkten zurückziehen, sinkt bei uns der Wohlstand und Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz”, erklärte er. “Aber damit würden wir auch den Menschenrechten einen Bärendienst erweisen.” Denn dann würde das Geschäft von Unternehmen aus Ländern übernommen, in denen teils die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden. Aber das Ziel des BAFA sei es, mit den deutschen Unternehmen die Menschenrechtslage in deren globalen Lieferketten zu verbessern.
“Jeder, der das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfüllen will, kann es erfüllen. Auch, weil wir beim BAFA mit Augenmaß vorgehen”, sagte der BAFA-Präsident. “Nur die schwarzen Schafe, die nicht wollen, dürfen uns fürchten.”cd
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Menschenrechte
Sorgfaltspflichtengesetz
Taiwans Regierungspartei verliert an Boden
Knapp einen Monat vor den taiwanischen Präsidentschaftswahlen ist der Vorsprung der Regierungspartei (DPP) geschrumpft. 35 Prozent der Befragten wollen nach einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Online-Nachrichtenportals My Formosa für den derzeitigen Vizepräsidenten William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei stimmen, wie Bloomberg berichtete. Damit liegt er nur noch knapp vor Hou Yu-ih von der Kuomintang (KMT) mit 31,7 Prozent. Ko Wen-je, der Kandidat der Taiwanischen Volkspartei, lag mit 18,2 Prozent an dritter Stelle.
In einer Umfrage der United Daily News – einer Zeitung, die im Allgemeinen die China-freundliche KMT unterstützt – liegen Hou und Lai gleichauf: Beide werden demnach von 31 Prozent der Befragten unterstützt, während Ko auf 21 Prozent kommt. Taiwan wählt am 13. Januar das nächste Staatsoberhaupt und ein neues Parlament. Bei der Präsidentschaftswahl gilt die einfache Mehrheit, eine Stichwahl gibt es nicht.
Während die DPP Distanz zu China hält, haben Hou als auch Ko Dialogbereitschaft mit Peking angedeutet. Peking dürfte ihnen daher deutlich den Vorzug vor William Lai geben. Die drei Kandidaten werden bis zur Wahl noch mehrfach im Fernsehen auftreten und dort unter anderem mit einer “politische Präsentation” ihre Regierungspläne darlegen. Am 30. Dezember kommt es zur einzigen TV-Debatte der drei. cyb
Präsidentschaftswahlen
Taiwan
Taiwan-Wahlen
Wahlen
Auch Cosco stoppt Fahrten durchs Rote Meer
Auch die chinesische Reederei China Cosco Shipping wird angesichts der Angriffe auf Handelsschiffe in der Region die Transporte durch das Rote Meer aussetzen. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin unter Berufung auf Cosco-Mitarbeitende. Demnach wollte das Unternehmen seine Kunden am Dienstag über die vorübergehende Einstellung des Dienstes durchs Rote Meer informieren.
Cosco ist die letzte der laut der Datenbank Alphaliner fünf weltgrößten Reedereien, die sich dafür entscheidet, die Frachtfahrten in der gefährlichen Region zu unterbrechen. Auch die MSC aus der Schweiz, Maersk aus Dänemark, CMA CGM aus Frankreich und die deutsche Hapag-Lloyd AG haben diese Transporte ausgesetzt. Die taiwanische Reederei Evergreen hat zusätzlich auch noch die Annahme israelischer Fracht vorübergehend eingestellt. Ein Hapag-Lloyd-Frachter war vor wenigen Tagen im Roten Meer nahe der jemenitischen Küste unter Beschuss geraten, vermutlich durch die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen.
Die Frachter müssen nun den langen Umweg um den afrikanischen Kontinent in Kauf nehmen, was etwa zwei Wochen länger dauert und die Kosten der Transporte hochtreiben wird. Von einer längeren Unterbrechung der Route durch den Suezkanal wären vor allem Chinas-Autoexporte betroffen, zitierte Caixin einen Analysten. Für jedes von China nach Europa ausgeführte Auto würden die Kosten um 20 Prozent steigen. ck
Handel
Logistik
Nahost
USA sehen weniger Zwischenfälle bei chinesischen Militäraktionen
Die Gefahr eines versehentlichen Zusammenstoßes der Streitkräfte Chinas und der USA ist seit dem Gipfeltreffen von Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden offenbar gesunken. China habe in den Wochen nach dem Treffen “gefährliche” Militäraktionen in der Luft und auf See eingestellt, sagte Admiral John Aquilino, Leiter des US-Kommandos für den Indopazifik, laut Bloomberg vor Journalisten in Tokio. Das lasse auf eine Entspannung der Lage schließen. Man sei zuvor etwa über Abfangmanöver besorgt gewesen, sagte Aquilino. “Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wäre das unglaublich vorteilhaft.”
Auf die Äußerungen Aquilinos angesprochen, bekräftigte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag seinerseits die bekannte Haltung Pekings zu militärischen Aktionen der USA – seiner Darstellung zufolge hatte Washington mit den Sticheleien angefangen. “Grundsätzlich lehnt China häufige Aufklärungsflüge von US-Flugzeugen über China strikt ab”, so Wang Wenbin.ck
Geopolitik
Militär
USA
Presseschau
Neue Seidenstraße eine Schuldenfalle? China hat 1,2 Billionen Euro verliehen FOCUS Chinas Wirtschaft: Wohlstandsversprechen in der Krise DEUTSCHLANDFUNK Chinas Elektroauto-Markt bleibt auf Wachstumskurs FAZ Chinesischer Autobauer: So will Nio die deutsche Konkurrenz angreifen HANDELSBLATT Chinesischer Autobauer BYD liefert Behördenfahrzeuge in Österreich DER STANDARD Autozulieferer Voltaire: “Jetzt entwickeln die Chinesen die Technik selbst und brauchen die Deutschen nicht mehr” WIWO Reich der Mittelklasse: Wie China seine Chipbranche voranbringt HEISE Chinesischer Speicher: CXMT hat angeblich Samsung-Technik gestohlen HEISE China’s finance influencers face stricter rules on Tencent’s live-streaming channels as Beijing moves to shore up confidence on economy SCMP Temu gegen Shein: Chinesischer Onlineshop verklagt Konkurrenten FAZ We cannot ignore China’s information warfare any longer THE HILL Politologe Herfrid Münkler: “China hat sich nie europäisiert” FR At least 127 people killed in China’s deadliest earthquake in years 9NEWS
Heads
Cobus van Staden – Der Mann hinter China Global South
Der Wissenschaftler Cobus van Staden ist Mitgründer des Startups China Global South Project.
Der Mann ist in zwei großen Regionen der Welt zu Hause: in Afrika genauso wie in Asien. Sein Deutsch allerdings sei eingerostet, antwortet Cobus van Staden auf die Frage, ob er Japanisch spreche. “Wenn ich versuche, Deutsch zu sprechen, kommt immer Japanisch raus.” Er hoffe daher, dass Menschen, mit denen er spreche, auf magische Weise Japanisch verstünden. Und sein Chinesisch? Er habe die Sprache gelernt, aber spreche sie nicht besonders gut. Van Stadens letzter Aufenthalt in China ist einige Jahre her; seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist er nicht dorthin zurückgekehrt. Zuvor war der Südafrikaner mehrmals nach China gereist.
Van Stadens Interesse an der Volksrepublik erwachte, als er von 2001 bis 2008 an der japanischen Universität Nagoya in Philosophie und Medienwissenschaft promovierte. Inmitten der internationalen Community in Nagoya hatte er damals immer häufiger Kontakt zu Menschen aus China. Vor seinem Aufenthalt in Japan hatte van Staden Medienwissenschaften studiert und als Produzent von Dokumentarfilmen gearbeitet.
Doch dann wurden Asien und Afrika van Stadens wichtigster Fokus. Als Postdoc an der südafrikanischen Universität Stellenbosch und am Sarchi-Lehrstuhl für afrikanische Diplomatie und Außenpolitik an der Universität Johannesburg arbeitete er an einem Vergleich der chinesischen und japanischen öffentlichen Diplomatie in Afrika. 2013 wechselte er an die Abteilung für Medienwissenschaften der Universität Witwatersrand, wo er immer noch lehrt.
Seine akademische Forschung konzentrierte sich nach eigenen Angaben auf die Medienberichterstattung über die Beziehungen Chinas und Japans mit Afrika sowie auf die Nutzung der Medien als Mittel der öffentlichen Diplomatie im globalen Süden. Derzeit ist er zudem Research Affiliate am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA).
China Global South Projekt
Im Jahr 2010 gründete Cobus van Staden gemeinsam mit dem Journalisten Eric Olander das China Global South Project, das sich als “unabhängige Multimedia-Organisation” begreift, die über das chinesische Engagement im globalen Süden, besonders in afrikanischen Staaten, informiert. Bis August 2019 war es für beide ein Liebhaberprojekt, das sie nach Feierabend und an den Wochenenden bestückten, wie es auf der Website heißt. Heute gibt es ein Vollzeit-Team mit Redakteuren und Analysten in fünf Ländern Afrikas und Asiens, die jeden Tag Nachrichten und Analysen produzieren. Van Staden ist jetzt offiziell Geschäftsführender Redakteur.
In Form von Podcasts und Newslettern informiert das China Global South Project über chinesische Aktivitäten und bemüht sich dabei, möglichst unparteiisch Bericht zu erstatten. Es finanziert sich durch Abonnements. “Chinesische Medien berichten alles positiv, während westliche Medien das Ganze wiederum als ein riesiges Komplott darstellen”, sagt van Staden. Sein Projekt hingegen will eine möglichst konkrete, nuancierte und forschungsbasierte Berichterstattung über die Beziehungen zwischen China und dem globalen Süden liefern. Das Publikum sei eine enge Nische, bestehend aus Diplomaten, Akademikern und Studierenden weltweit.
“Ich habe gesehen, dass westliche Erzählungen über China und Afrika nicht wirklich auf wahren Untersuchungen basieren”, sagt van Staden. So werde häufig berichtet, dass China absichtlich wirtschaftlich schwache Länder mit Schulden belaste, um ein Druckmittel zu haben. “Es ist ein Schlamassel. Führende Forscher haben diese Vorwürfe widerlegt”, sagt er. Die Schulden Afrikas liegen vielmehr bei privaten Kreditgebern Europas, mit höheren Zinssätzen als jene der chinesischen Regierungskredite. “China wird also in diesem Diskurs instrumentalisiert.”
Das bedeute aber nicht, dass es keine Probleme mit der chinesischen Regierung gebe. Das Problem sei lediglich, dass die wahre Problematik nicht in den Fokus rücke, weil sich Medien zu sehr auf die immer gleichen Narrative fokussieren. Van Stadens Motivation für sein Projekt besteht darin, solche Erzählungen wieder geradezurücken, damit sich die Welt wieder mit wahren Schwierigkeiten auseinandersetzen kann, die afrikanische Staaten betreffen. Shoko Bethke
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Personalie
Bonnie Chan wird ab Mai 2024 neue Geschäftsführerin der Hong Kong Exchanges & Clearing. Sie ist damit die erste Frau an der Spitze der Hongkonger Börse. Derzeit ist sie Chief Operating Officer. Der amtierende Börsenchef Nicolas Aguzin hatte angekündigt, keine weitere Amtszeit anzustreben.
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Dessert
Futtern für den Aufschwung: Das wird von diesen durch Hongkongs Temple Street schlendernden Festland-Besuchern erwartet. Die Essensstände, die hier zeitweilig stehen, sind Teil der sogenannten Evening Economy – gefördert von der Regierung in der Hoffnung, die Wirtschaft nach der Pandemie wieder anzukurbeln und die Einnahmen aus dem Tourismus zu steigern.