beinahe ein Jahr alt ist inzwischen die deutsche China-Strategie – und noch immer bemüht sich die Bundesregierung, ihre eigene Strategie mit Leben zu füllen. Und auch die Debatte über den richtigen Umgang mit Peking geht weiter. Der Politologe und China-Experte Andreas Fulda etwa hält das lange gültige Konzept “Wandel durch Handel” für einen Irrweg und spricht sich im Interview mit Marcel Grzanna für einen schnellen Paradigmenwechsel aus.
Deutschland müsse sich von “falschen Grundannahmen in der deutschen Außenpolitik” verabschieden, die zu einer auch psychologischen Abhängigkeit von China geführt habe, sagt Fulda. Ein neues Paradigma werde “sich im Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dynamisch entwickeln”.
Die Ampel hat derweil entschieden, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) abzuschwächen. Wie Caspar Dohmen berichtet, würden dadurch zwei Drittel der bisher erfassten Unternehmen ab Anfang 2025 nicht mehr darunterfallen. Damit wären nur noch weniger als tausend Unternehmen von den Regeln des LkSG betroffen. Auch werden die ursprünglich im LkSG vorgeschriebenen Risikoberichte freiwillig.
Die Regierung will deutsche Firmen im Wettbewerb innerhalb Europas nicht benachteiligen, da das gerade im Amtsblatt veröffentlichte EU-Lieferkettengesetz CSDDD voraussichtlich erst in zwei Jahren wirksam wird, wenn alle EU-Staaten es in geltendes Recht umgesetzt haben. Diese Gesetze betreffen insbesondere das China-Geschäft, unter anderem wegen der Vorwürfe staatlicher Zwangsarbeitsprogramme in Xinjiang.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche,
Herr Fulda, in Ihrem Buch “Germany and China: How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” identifizieren Sie das Paradigma “Wandel durch Handel” als Triebkraft für eine bedingungslose Verstrickung deutscher Eliten mit der Volksrepublik China. Weshalb?
Mit Paradigmen wie “Wandel durch Handel”, aber auch Frank-Walter Steinmeiers “Verflechtung und Integration” wurde der repressive Charakter von Autokratien heruntergespielt und in der deutschen Bevölkerung die falsche Erwartung geweckt, dass wirtschaftlicher Fortschritt in China zu Demokratie führen würde. Starre und dogmatische Paradigmen schränken aber strategische Optionen ein, wenn sie nicht ständig evaluiert und hinterfragt werden. Die deutsche Politik hat Kritik und Warnungen vor wachsenden Abhängigkeiten ignoriert.
Es gab aber eine Weile durchaus Liberalisierungstendenzen in China. War die Idee vom “Wandel durch Handel” damals nicht gerechtfertigt?
In der Tat gab es einen Zeitraum, in dem “Wandel durch Handel” erfolgversprechend schien. Aber es gab auch einschneidende Ereignisse, die schon viel früher dafür hätten sorgen müssen, dass wir unser Paradigma anpassen. Übrigens schon bevor sich der neo-totalitäre Kurs von Xi Jinping herauskristallisierte. Das haben wir aber nicht getan, vielleicht auch gar nicht gewollt.
Welche Ereignisse meinen Sie konkret?
Die ethnischen Unruhen 2009 in Xinjiang, die man als Vorzeichen einer extrem diskriminierenden Minderheitenpolitik hätte erkennen können. Dann gab es deutliche Warnungen durch die harschen Reflexe des Parteistaates auf die Erstarkung der chinesischen Demokratiebewegung 2010. Und spätestens mit Bekanntwerden des anti-demokratischen und anti-westlichen Dokuments Nr. 9 im Jahr 2013 hätte politischen und wirtschaftlichen Eliten in Deutschland klar sein müssen, dass “Wandel durch Handel” nur noch eine kognitive Dissonanz ist. Von den Entwicklungen nach 2013 ganz zu schweigen. Wenn man sich so lange weigert, ein Paradigma anzupassen, dann wird daraus eine Lebenslüge.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein geeignetes Paradigma?
Es ist nicht meine Absicht, ein solches zu formulieren. Das wird sich im Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dynamisch entwickeln. Ich will vielmehr ein Bewusstsein für die zentrale Rolle von Paradigmen in der deutschen China-Politik und deren Folgen schaffen. Ein Paradigma kann man sich als Weltanschauung vorstellen – als Instrument, um die Komplexität der Wirklichkeit zu reduzieren. Wir müssen uns zugestehen, dass falsche Grundannahmen in der deutschen Außenpolitik uns in eine psychologische Abhängigkeit und Verstrickung mit dem autokratischen China geführt haben, die es uns heute extrem schwer macht, uns davon zu befreien. Wir müssen uns über dieses Problem klarwerden. Tun wir das nicht, wird alles nur noch schlimmer.
Was genau ist unser Problem?
Offene Gesellschaften wie die deutsche stellen eine Bedrohung für die KPCh dar. Also versucht sie, mit hybrider Einflussnahme Keile in unsere Gesellschaft und zwischen uns und unsere demokratischen Partner und NATO-Alliierten zu treiben. Parallel dazu hat sie sich ein Netzwerk gewogener Persönlichkeiten in Deutschland aufgebaut. In Kombination schwächt das unsere Fähigkeit, die Einflussnahme durch die KPCh abzuwehren. Wir nehmen die Bedrohung häufig nicht einmal ausreichend wahr, weil die Einflussnahme vorwiegend im Verborgenen stattfindet. Und unsere Politik reagiert nur sehr passiv, obwohl unsere Freiheit, unser Wohlstand und unsere Sicherheit dadurch in Gefahr geraten.
Bundespräsident Steinmeier erkor einst “Verflechtung und Integration“ zum Vorbild für die Beziehungen zu Ländern wie China. Was spricht dagegen?
Es ist ein zentraler Unterschied, ob demokratische Staaten wie Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg eine gegenseitige Integration betrieben – oder dies mit einem Staat geschehen soll, in dem eine Partei keinerlei Interesse daran hat, ihr Machtmonopol zu teilen. Wenn man sich mit einer Autokratie verstrickt, muss man Zensur und rote Linie bis zu einem gewissen Grad akzeptieren. Ein ergebnisoffener Umgang ist dann aber nicht mehr möglich.
Sie untersuchen in ihrem Buch auch die Frage, ob der deutsche China-Diskurs bereits einem Paradigmenwechsel unterliegt. Tut er das?
Der öffentliche Diskurs hat sich gewandelt und ist wesentlich kritischer geworden. Leider befinden wir uns, was die konkrete China-Politik angeht, immer noch im Blindflug. Das Grundproblem ist unser Bundeskanzler, der seine übervorsichtige Vorgehensweise gegenüber China durchsetzt und die Rolle des Auswärtigen Amtes marginalisiert. Das Kanzleramt befindet sich in einer Blase, in der im Zweifel vor allem den CEOs von Großunternehmen Gehör geschenkt wird.
Sie argumentieren, dass internationale Kritik an Deutschlands mangelnder geopolitischer Verantwortung, sowie die Kräfte der Zivilgesellschaft und des Mittelstandes zu einem Politikwechsel im Umgang mit China führen können. Alles ist vorhanden. Offenbar reicht das noch nicht.
Deswegen müssen wir auch das Maß an Lobbyarbeit verringern, die verhindert, dass deutsche Industriepolitik die KMU in den Mittelpunkt stellt und stattdessen dafür sorgt, dass alle Trümpfe auf die großen DAX-Konzerne gesetzt werden. Dazu müssen wir aber unsere Hausaufgaben machen und unsere Fehler in der Außen – und Sicherheitspolitik anerkennen. Wir müssen die Schäden benennen, die diese Fehler hinterlassen haben.
Welche sind das?
Das Ende unserer Solarindustrie oder der Verkauf von Industriejuwelen wie des Roboterherstellers Kuka – bei dem wir befürchten müssen, dass er in China mittlerweile in das Programm der militärisch-zivilen Fusion integriert worden ist. Zu den Schäden gehören aber auch die Fremdbestimmung deutscher Entwicklungsorganisationen, die Neutralisierung deutscher Stiftungen in China, aber auch die Einschränkung von Forschung und Meinungsfreiheit bei der Wissenschaftskooperation. Das alles sind sehr konkrete Verletzungen deutscher Souveränität. Für mich ergibt sich daraus eine logische Schlussfolgerung: Wenn wir unsere China-Politik nicht grundsätzlich verändern, werden wir teuer dafür bezahlen.
Nennen Sie uns ein Preisschild, bitte.
Wir laufen Gefahr, dass die KPCh die De-Industrialisierung in Deutschland fördert und unsere Demokratie nicht wehrhaft genug ist, um dem Einfluss eines starken autoritären Staates zu widerstehen. Mit Mitteln der Einheitsfront-Politik pflanzt die KPCh uns mit seiner subtilen Propaganda in die Köpfe, dass unser technologischer Abstieg unaufhaltsam ist – sie aber bereit ist, uns zu helfen. Aber ein Blick in die Ukraine entzaubert die vermeintlich zuvorkommende Hilfestellung.
Inwiefern?
Der Krieg in der Ukraine zwingt uns dazu, unsere ideologischen Scheuklappen endgültig abzulegen. Denn China unterstützt Russland in diesem Krieg und dadurch entsteht ein Sicherheitsrisiko für ganz Europa. Denn sollte Putin gewinnen, dann sind auch Polen und die baltischen Staaten in Gefahr. Das alles passiert jetzt gerade vor unseren Augen. Deswegen haben wir nicht den Luxus, über Jahre hinweg an China-Strategien zu schreiben. Wir sollten vielmehr unsere Fehler der Vergangenheit selbstkritisch einräumen, unsere jetzigen Schwächen und zukünftigen Bedrohungen schonungslos analysieren und dann schnell neue strategische Ansätze entwickeln. Das muss jetzt passieren.
Andreas Fulda ist Politikwissenschaftler und China-Experte. Er lehrt als außerordentlicher Professor an der Universität Nottingham. Sein neuestes Buch “Germany and China: How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” ist am 30. Mai bei Bloomsbury erschienen.
Die Ampel will das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) deutlich abschwächen: Zwei Drittel der bisher erfassten Unternehmen würden ab Anfang 2025 nicht mehr darunterfallen, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner. Damit wären weniger als tausend Unternehmen betroffen. Zudem können Unternehmen selbst entscheiden, ob sie die ursprünglich im LkSG vorgeschriebenen Risikoberichte verfassen oder nicht. Wenn Unternehmen keine Berichte verfassten, werde dies “nicht sanktioniert”, erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen.
In diesem Punkt hatte die Bundesregierung bereits zuvor das LkSG abgeschwächt. Bis zur Einführung der europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sollen die Unternehmen weiter selbst entscheiden können, ob sie freiwillig berichten oder nicht. Dabei haben sie die Wahl, ob sie dies nach dem LkSG oder der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) machen. Lindner sprach mit Blick auf die Unternehmen von einer “deutlichen Entlastung bei den Bürokratiekosten”. Andere Regierungsvertreter sprechen von einer Entlastung mittelständischer Unternehmen vor “überschießenden nationalen Regeln”.
Vom LkSG ist besonders das China-Geschäft betroffen – unter anderem wegen der Berichte über Zwangsarbeitsprogramme in der Region Xinjiang. Die Solarindustrie ist zum Beispiel bereits dabei, in China eigens eine Xinjiang-freie Lieferkette aufzubauen, um Zwangsarbeit auszuschließen und damit die Vorgaben des LkSG zu erfüllen.
Nachdem die EU am heutigen Freitag die Brüsseler Variante eines Lieferkettengesetzes namens CSDDD im Amtsblatt veröffentlicht hat, tritt sie in 20 Tagen in Kraft. Für die Umsetzung der Richtlinie haben die 27 EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit. Die Bundesregierung will sich beeilen: Noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, soll die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden, “so bürokratiearm wie möglich”, heißt es.
Außerdem will die Bundesregierung verhindern, dass die CSDDD für deutsche Unternehmen früher gilt als für Unternehmen aus anderen EU-Ländern. Die CSDDD werde bis zum “europarechtlich spätmöglichsten Zeitpunkt umgesetzt”, sagte Lindner. Konkret bedeutet dies laut einer Sprecherin des Bundesjustizministeriums:
Zudem will die Bundesregierung festlegen, welche Informationen große Unternehmen von kleinen und mittelständischen Firmen abfragen dürfen. “Wir werden verbindliche Standards festlegen”, teilte eine BMJ-Sprecherin auf Table.Briefings-Anfrage mit. Auf diese Weise wolle man vielen kleinen Unternehmen, “die nur nachgelagert betroffen sind, spürbare Erleichterung verschaffen”.
Bislang reichen viele Unternehmen ihre Verpflichtungen an Lieferanten weiter, obwohl dies das LkSG untersagt. Die europäische Richtlinie ist hier noch deutlicher. Trotzdem akzeptierten viele Zulieferer die Vorgaben ihrer großen Auftraggeber, oft aus Angst, Aufträge zu verlieren.
Kritik an dem Vorgehen der Ampel kommt von der Initiative Lieferkettengesetz. “Wir kritisieren scharf die angekündigte Einschränkung des deutschen Lieferkettengesetzes auf nur noch ein Drittel der betroffenen Unternehmen”, sagte Heike Drillisch. Damit knicke die Bundesregierung vor den Wirtschaftsverbänden ein. Zufrieden ist das zivilgesellschaftliche Bündnis, hinter dem rund 130 Organisationen stehen, mit der anvisierten schnellen Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes. “Die Umsetzung muss allerdings europarechtskonform und ambitioniert erfolgen”, heißt es. Bestehende nationale Schutzstandards aus dem deutschen Gesetz dürften nicht abgesenkt werden.
Das Lieferkettengesetz “soll massiv aufgeweicht werden”, kritisierte auch der Wirtschaftsweise Armin Truger auf X. Dass dadurch Menschenrechte in Entwicklungsländern gegen angeblichen Bürokratieabbau ausgespielt werden, “ist ein Erfolg für einige Lobbyisten und wahrlich kein Ruhmesblatt für die Koalition!” Der BDA sah sich aufgrund vieler Anfragen außerstande, auf Anfrage von Table.Briefings zu antworten. Gesamtmetall antwortete ebenfalls nicht. Beide Verbände hatten zuvor massive Kritik sowohl an dem LkSG als auch an der CSDDD geäußert.
Entschiedene Befürworter des LkSG in der Bundesregierung sagten Table.Briefings hinter vorgehaltener Hand, dass die Zahl der Abgeordneten in den Ampelfraktionen, denen das Lieferkettengesetz ein Anliegen sei, gesunken sei. Allerdings ist der Schutz von Menschen in den Lieferketten gegen Menschen- und Umweltrechtsverletzungen weiter ein Anliegen für viele Bürger. Bei einer Umfrage sprachen sich im Februar noch zwei Drittel der Befragten in Deutschland für ein europäisches Lieferkettengesetz aus.
Die Türkei hat eine Kehrtwende im Umgang mit chinesischen Elektroautos angekündigt. Laut Bloomberg gab Ankara am Freitag bekannt, doch keine Zusatzzölle auf alle Importautos aus China erheben zu wollen. Grund sei, dass man Investitionen fördern wolle. Die Türkei hatte im Juni zusätzliche Zölle in Höhe von 40 Prozent angekündigt. Die Entscheidung zur Kehrtwende folgte auf Gespräche zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Chinas Präsident Xi Jinping am Donnerstag am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Kasachstans Hauptstadt Astana.
Erdogan werde zudem am Montag eine Vereinbarung mit Chinas Elektro-Marktführer BYD über den Bau eines Werks in der westtürkischen Provinz Manisa bekannt geben, berichtet Bloomberg unter Berufung auf türkische Beamte. Für die Fabrik werde ein Investment von einer Milliarde US-Dollar erfolgen. Vertreter von BYD und das Büro des Präsidenten lehnten eine Stellungnahme ab. BYD baut bereits eine Fabrik für Elektroautos in Ungarn. Ein zusätzliches Werk in der Türkei würde den Zugang des Konzerns nach Europa deutlich erleichtern. Zudem besitzt die Türkei mit ihren 90 Millionen Einwohnern einen attraktiven Binnenmarkt. E-Fahrzeuge machten dort 2023 7,5 Prozent der Autoverkäufe aus. ck
Der Ex-Vorstandschef des niederländischen Chip-Ausrüsters ASML, Peter Wennink, sieht kein baldiges Ende des Streits zwischen den USA und China beim Thema Computerchips. Da geopolitische Interessen auf dem Spiel stünden, könnte sich der Konflikt noch über Jahrzehnte hinziehen, sagte Wennink dem niederländischen Radiosender BNR. Der Zwist sei ideologisch und beruhe nicht auf Fakten.
Für ASML, das seit 30 Jahren Kunden und Mitarbeiter in China habe, sei das schwierig, schließlich habe man damit auch Verpflichtungen. “Wir sind ein Unternehmen, in dem die Interessen der Beteiligten ausgewogen berücksichtigt werden müssen. (…) Wenn Ideologie das durchschneidet, habe ich Probleme damit.” Wennink hatte ASML im April nach zehn Jahren an der Spitze verlassen. ASML ist der weltweit führende Anbieter von Maschinen zur Produktion hochmoderner Computerchips.
Um den technologischen und militärischen Aufstieg Chinas zu bremsen, haben die USA in den vergangenen Monaten den Export von modernen Computerchips, Anlagen zu deren Produktion und anderer Hochtechnologie eingeschränkt. Dieser Initiative schlossen sich auch Japan und die Niederlande an, wo ASML seinen Sitz hat. Die USA haben zudem versucht, ASML daran zu hindern, seine bereits an chinesische Kunden verkauften Geräte zu warten. rtr
Die Zahl der nach China eingereisten Ausländer hat sich im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt. Nach Angaben der nationalen Einwanderungsbehörde kamen zwischen Januar und Juni insgesamt 14,64 Millionen Ausländer ins Land, 152,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit hat sich die von Peking nach der Pandemie eingeführte Visumfreiheit für viele Länder – darunter Deutschland – offenbar ausgezahlt. Sie gilt für mehr als ein Dutzend Länder in Europa sowie für Australien. Weitere 23 Länder sind auf Gegenseitigkeit von der Visumpflicht befreit, darunter seit diesem Jahr auch Thailand. Singapurer und Malaysier können für jeweils bis zu 30 Tage einreisen.
Die Zahl der visumfreien Einreisen von Ausländern überstieg nach einem Bericht der South China Morning Post 8,5 Millionen, was 58 Prozent der Einreisen entsprach und einen Anstieg von 190 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Die Zahl der ausländischen Besucher liegt damit allerdings immer noch unter dem Niveau von vor der Pandemie. Im ersten Halbjahr 2019 hatten 15,53 Millionen ausländische Reisende das Land besucht. ck
Am 23. Mai 2024 legte das National Information Security Standardization Technical Committee (NISSTC) einen neuen Verordnungsentwurf mit dem Titel “Cybersecurity Technology – Basic Security Requirements for Generative Artificial Intelligence (AI) Service” (im Folgenden als “Entwurf” bezeichnet) vor.
Der Entwurf, zu dem bis zum 22. Juli 2024 öffentliche Anmerkungen gemacht werden können, erläutert verschiedene Sicherheitsmaßnahmen für generative KI-Dienste. Er deckt wesentliche Bereiche ab wie die Sicherheit von Trainingsdaten, den Schutz von KI-Modellen und die Implementierung von allgemeinen Sicherheitsprotokollen. Außerdem enthält er Richtlinien für die Durchführung von Sicherheitsbewertungen.
Wir vermitteln in diesem Artikel einen Überblick über die im Entwurf genannten umfassenden Sicherheitsanforderungen für generative KI-Dienste.
Der Entwurf legt wesentliche Sicherheitsanforderungen für generative KI-Dienste fest, darunter:
Darüber hinaus werden im Rahmen des Entwurfs die folgenden Schlüsselbegriffe präzisiert, um Klarheit und Einheitlichkeit zu gewährleisten:
Der Entwurf dient sowohl den Dienstleistern als auch den Regulierungsbehörden als Referenz. Er bietet Anhaltspunkte für die Durchführung von Sicherheitsbeurteilungen und die Festlegung einschlägiger Vorschriften.
Bevor Daten aus bestimmten Quellen gesammelt werden können, müssen die Dienstleister eine umfassende Sicherheitsbewertung durchführen. Enthält eine Quelle mehr als 5 Prozent illegale oder “schädliche” Inhalte (siehe nächster Abschnitt), muss die Datenerhebung aus dieser Quelle vermieden werden. Nachdem die Daten gesammelt wurden, müssen diese nochmals auf illegale Inhalte überprüft werden. Enthalten diese mehr als fünf illegale oder “schädliche” Inhalte, dürfen sie nicht für Trainingszwecke verwendet werden.
Es sollte auf eine breite Palette von Trainingsdatenquellen geachtet werden. Für jede Sprache (z. B. Chinesisch, Englisch) und jeden Datentyp (z. B. Text, Bilder, Audio, Video) sollten mehrere Trainingsdatenquellen verwendet werden. Falls Trainingsdaten aus ausländischen Quellen erforderlich sind, sollten diese in sinnvoller Weise mit Trainingsdaten aus heimischen Quellen kombiniert werden.
Der Entwurf unterteilt die “schädlichen Daten” in die folgenden Risikobereiche:
Dem Entwurf zufolge müssen die Inhalte sämtlicher Trainingsdaten (z. B. Text, Bilder, Audio, Video) vor der Verwendung gefiltert werden. Dies kann durch die Filterung von Stichworten, durch Klassifizierungsmodelle oder durch eine manuelle Prüfung geschehen, um illegale oder schädliche Informationen zu entfernen.
Hinsichtlich der Rechte an geistigem Eigentum müssen die Datenanbieter ein Verfahrenskonzept mit einer dafür zuständigen Stelle umsetzen. Sie müssen die größten Risiken in Bezug auf geistiges Eigentum erkennen und beseitigen, bevor die Daten für Trainingszwecke verwendet werden, insbesondere bei literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken. Die Anbieter müssen zudem Beschwerde- und Meldewege schaffen, Nutzer durch Dienstleistungsvereinbarungen über potenzielle Risiken informieren sowie ihre Strategien anhand von Richtlinien und Beschwerden anpassen.
Bei personenbezogenen Daten sind die Datenanbieter verpflichtet, die Einwilligung der betroffenen Personen einzuholen, bevor sie Schulungsdaten mit personenbezogenen Daten verwenden, um die Einhaltung gesetzlicher oder behördlicher Vorschriften zu gewährleisten. Bei vertraulichen personenbezogenen Daten muss die ausdrückliche Zustimmung eingeholt werden, oder die Verwendung muss den einschlägigen Rechts- oder Regulierungsvorschriften entsprechen.
Der Entwurf betont die Bedeutung solider Sicherheitsmaßnahmen über den gesamten Lebenszyklus der Entwicklung und des Einsatzes generativer KI-Modelle. Für jede Phase werden die folgenden Richtlinien vorgeschlagen:
Da sich die generative KI kontinuierlich weiterentwickelt, fordert der Entwurf die Dienstanbieter auf, der Sicherheit während der gesamten Nutzererfahrung Vorrang einzuräumen.
Die Einführung der Verordnungsentwürfe ist ein entscheidender Moment für Anbieter von generativen KI-Diensten in China und signalisiert eine Verlagerung hin zu strengeren Sicherheitsstandards und behördlicher Kontrolle.
Diese Regelungen dürften sich vor allem auf die Betriebs- und Compliance-Kosten der KI-Dienstleister auswirken. Die Einhaltung der geplanten Sicherheitsmaßnahmen, wie z. B. Datenfilterung, Einholung von Zustimmungen und kontinuierliche Kontrolle, wird erhebliche Investitionen in Technologie, Personal und Prozessentwicklung erfordern. Vor allem für kleine und mittelständische Anbieter könnte die Einhaltung dieser Anforderungen problematisch sein, was möglicherweise zu einer Marktkonsolidierung führen könnte, da größere Anbieter mit mehr Ressourcen die Compliance-Kosten leichter auffangen können.
Darüber hinaus dürften sich diese Vorschriften auch auf das Vertrauen der Nutzer in generative KI-Dienste auswirken. Durch die Festlegung klarer Sicherheitsstandards und Compliance-Anforderungen, soll die Transparenz und Verantwortlichkeit innerhalb der Branche verbessert werden. Anbieter, die diese Standards nachweislich einhalten, könnten von einem größeren Vertrauen und einer stärkeren Kundenbindung profitieren, da die Verbraucher bei der Interaktion mit KI-gestützten Plattformen vor allem auf Sicherheit und Datenschutz Wert legen.
Auch wenn die neuen Sicherheitsbestimmungen für Anbieter generativer KI-Dienste zunächst eine Herausforderung darstellen, bieten sie langfristig größere Chancen für Differenzierung, Innovation und größeres Nutzervertrauen. Durch die Umsetzung dieser Vorschriften als Rahmenbedingungen für eine verantwortungsvolle KI-Entwicklung können sich die Anbieter für einen langfristigen Erfolg in einem zunehmend regulierten Markt positionieren.
Giulia Interesse, Dezan Shira & Associates
Jordi Torres ist seit Mai Marketing Director Greater China bei Tetra Pak. Torres arbeitet seit knapp 21 Jahren für das Schweizer Verpackungsunternehmen. Sein neuer Einsatzort ist Shanghai.
Daniel Li wird neuer China-Chef von PricewaterhouseCoopers. Li ist seit 1993 für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Er tritt die Nachfolge von Raymund Chao an, der am 30. Juni in den Ruhestand geht.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Beim Gastspiel im Auditorium der polytechnischen Universität Bukarest führte die Tanzakademie Peking in perfekt ausgeleuchteten Posen in die chinesische Geschichte ein. Einer der Tänze widmete sich etwa dem Leben von Li Bai, dem berühmten Dichter der Tang-Dynastie. Die Truppe besuchte Rumänien zum diesjährigen Internationalen Theaterfestival von Sibiu, einem der wichtigsten Theaterfestivals der Welt.
beinahe ein Jahr alt ist inzwischen die deutsche China-Strategie – und noch immer bemüht sich die Bundesregierung, ihre eigene Strategie mit Leben zu füllen. Und auch die Debatte über den richtigen Umgang mit Peking geht weiter. Der Politologe und China-Experte Andreas Fulda etwa hält das lange gültige Konzept “Wandel durch Handel” für einen Irrweg und spricht sich im Interview mit Marcel Grzanna für einen schnellen Paradigmenwechsel aus.
Deutschland müsse sich von “falschen Grundannahmen in der deutschen Außenpolitik” verabschieden, die zu einer auch psychologischen Abhängigkeit von China geführt habe, sagt Fulda. Ein neues Paradigma werde “sich im Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dynamisch entwickeln”.
Die Ampel hat derweil entschieden, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) abzuschwächen. Wie Caspar Dohmen berichtet, würden dadurch zwei Drittel der bisher erfassten Unternehmen ab Anfang 2025 nicht mehr darunterfallen. Damit wären nur noch weniger als tausend Unternehmen von den Regeln des LkSG betroffen. Auch werden die ursprünglich im LkSG vorgeschriebenen Risikoberichte freiwillig.
Die Regierung will deutsche Firmen im Wettbewerb innerhalb Europas nicht benachteiligen, da das gerade im Amtsblatt veröffentlichte EU-Lieferkettengesetz CSDDD voraussichtlich erst in zwei Jahren wirksam wird, wenn alle EU-Staaten es in geltendes Recht umgesetzt haben. Diese Gesetze betreffen insbesondere das China-Geschäft, unter anderem wegen der Vorwürfe staatlicher Zwangsarbeitsprogramme in Xinjiang.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche,
Herr Fulda, in Ihrem Buch “Germany and China: How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” identifizieren Sie das Paradigma “Wandel durch Handel” als Triebkraft für eine bedingungslose Verstrickung deutscher Eliten mit der Volksrepublik China. Weshalb?
Mit Paradigmen wie “Wandel durch Handel”, aber auch Frank-Walter Steinmeiers “Verflechtung und Integration” wurde der repressive Charakter von Autokratien heruntergespielt und in der deutschen Bevölkerung die falsche Erwartung geweckt, dass wirtschaftlicher Fortschritt in China zu Demokratie führen würde. Starre und dogmatische Paradigmen schränken aber strategische Optionen ein, wenn sie nicht ständig evaluiert und hinterfragt werden. Die deutsche Politik hat Kritik und Warnungen vor wachsenden Abhängigkeiten ignoriert.
Es gab aber eine Weile durchaus Liberalisierungstendenzen in China. War die Idee vom “Wandel durch Handel” damals nicht gerechtfertigt?
In der Tat gab es einen Zeitraum, in dem “Wandel durch Handel” erfolgversprechend schien. Aber es gab auch einschneidende Ereignisse, die schon viel früher dafür hätten sorgen müssen, dass wir unser Paradigma anpassen. Übrigens schon bevor sich der neo-totalitäre Kurs von Xi Jinping herauskristallisierte. Das haben wir aber nicht getan, vielleicht auch gar nicht gewollt.
Welche Ereignisse meinen Sie konkret?
Die ethnischen Unruhen 2009 in Xinjiang, die man als Vorzeichen einer extrem diskriminierenden Minderheitenpolitik hätte erkennen können. Dann gab es deutliche Warnungen durch die harschen Reflexe des Parteistaates auf die Erstarkung der chinesischen Demokratiebewegung 2010. Und spätestens mit Bekanntwerden des anti-demokratischen und anti-westlichen Dokuments Nr. 9 im Jahr 2013 hätte politischen und wirtschaftlichen Eliten in Deutschland klar sein müssen, dass “Wandel durch Handel” nur noch eine kognitive Dissonanz ist. Von den Entwicklungen nach 2013 ganz zu schweigen. Wenn man sich so lange weigert, ein Paradigma anzupassen, dann wird daraus eine Lebenslüge.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein geeignetes Paradigma?
Es ist nicht meine Absicht, ein solches zu formulieren. Das wird sich im Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dynamisch entwickeln. Ich will vielmehr ein Bewusstsein für die zentrale Rolle von Paradigmen in der deutschen China-Politik und deren Folgen schaffen. Ein Paradigma kann man sich als Weltanschauung vorstellen – als Instrument, um die Komplexität der Wirklichkeit zu reduzieren. Wir müssen uns zugestehen, dass falsche Grundannahmen in der deutschen Außenpolitik uns in eine psychologische Abhängigkeit und Verstrickung mit dem autokratischen China geführt haben, die es uns heute extrem schwer macht, uns davon zu befreien. Wir müssen uns über dieses Problem klarwerden. Tun wir das nicht, wird alles nur noch schlimmer.
Was genau ist unser Problem?
Offene Gesellschaften wie die deutsche stellen eine Bedrohung für die KPCh dar. Also versucht sie, mit hybrider Einflussnahme Keile in unsere Gesellschaft und zwischen uns und unsere demokratischen Partner und NATO-Alliierten zu treiben. Parallel dazu hat sie sich ein Netzwerk gewogener Persönlichkeiten in Deutschland aufgebaut. In Kombination schwächt das unsere Fähigkeit, die Einflussnahme durch die KPCh abzuwehren. Wir nehmen die Bedrohung häufig nicht einmal ausreichend wahr, weil die Einflussnahme vorwiegend im Verborgenen stattfindet. Und unsere Politik reagiert nur sehr passiv, obwohl unsere Freiheit, unser Wohlstand und unsere Sicherheit dadurch in Gefahr geraten.
Bundespräsident Steinmeier erkor einst “Verflechtung und Integration“ zum Vorbild für die Beziehungen zu Ländern wie China. Was spricht dagegen?
Es ist ein zentraler Unterschied, ob demokratische Staaten wie Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg eine gegenseitige Integration betrieben – oder dies mit einem Staat geschehen soll, in dem eine Partei keinerlei Interesse daran hat, ihr Machtmonopol zu teilen. Wenn man sich mit einer Autokratie verstrickt, muss man Zensur und rote Linie bis zu einem gewissen Grad akzeptieren. Ein ergebnisoffener Umgang ist dann aber nicht mehr möglich.
Sie untersuchen in ihrem Buch auch die Frage, ob der deutsche China-Diskurs bereits einem Paradigmenwechsel unterliegt. Tut er das?
Der öffentliche Diskurs hat sich gewandelt und ist wesentlich kritischer geworden. Leider befinden wir uns, was die konkrete China-Politik angeht, immer noch im Blindflug. Das Grundproblem ist unser Bundeskanzler, der seine übervorsichtige Vorgehensweise gegenüber China durchsetzt und die Rolle des Auswärtigen Amtes marginalisiert. Das Kanzleramt befindet sich in einer Blase, in der im Zweifel vor allem den CEOs von Großunternehmen Gehör geschenkt wird.
Sie argumentieren, dass internationale Kritik an Deutschlands mangelnder geopolitischer Verantwortung, sowie die Kräfte der Zivilgesellschaft und des Mittelstandes zu einem Politikwechsel im Umgang mit China führen können. Alles ist vorhanden. Offenbar reicht das noch nicht.
Deswegen müssen wir auch das Maß an Lobbyarbeit verringern, die verhindert, dass deutsche Industriepolitik die KMU in den Mittelpunkt stellt und stattdessen dafür sorgt, dass alle Trümpfe auf die großen DAX-Konzerne gesetzt werden. Dazu müssen wir aber unsere Hausaufgaben machen und unsere Fehler in der Außen – und Sicherheitspolitik anerkennen. Wir müssen die Schäden benennen, die diese Fehler hinterlassen haben.
Welche sind das?
Das Ende unserer Solarindustrie oder der Verkauf von Industriejuwelen wie des Roboterherstellers Kuka – bei dem wir befürchten müssen, dass er in China mittlerweile in das Programm der militärisch-zivilen Fusion integriert worden ist. Zu den Schäden gehören aber auch die Fremdbestimmung deutscher Entwicklungsorganisationen, die Neutralisierung deutscher Stiftungen in China, aber auch die Einschränkung von Forschung und Meinungsfreiheit bei der Wissenschaftskooperation. Das alles sind sehr konkrete Verletzungen deutscher Souveränität. Für mich ergibt sich daraus eine logische Schlussfolgerung: Wenn wir unsere China-Politik nicht grundsätzlich verändern, werden wir teuer dafür bezahlen.
Nennen Sie uns ein Preisschild, bitte.
Wir laufen Gefahr, dass die KPCh die De-Industrialisierung in Deutschland fördert und unsere Demokratie nicht wehrhaft genug ist, um dem Einfluss eines starken autoritären Staates zu widerstehen. Mit Mitteln der Einheitsfront-Politik pflanzt die KPCh uns mit seiner subtilen Propaganda in die Köpfe, dass unser technologischer Abstieg unaufhaltsam ist – sie aber bereit ist, uns zu helfen. Aber ein Blick in die Ukraine entzaubert die vermeintlich zuvorkommende Hilfestellung.
Inwiefern?
Der Krieg in der Ukraine zwingt uns dazu, unsere ideologischen Scheuklappen endgültig abzulegen. Denn China unterstützt Russland in diesem Krieg und dadurch entsteht ein Sicherheitsrisiko für ganz Europa. Denn sollte Putin gewinnen, dann sind auch Polen und die baltischen Staaten in Gefahr. Das alles passiert jetzt gerade vor unseren Augen. Deswegen haben wir nicht den Luxus, über Jahre hinweg an China-Strategien zu schreiben. Wir sollten vielmehr unsere Fehler der Vergangenheit selbstkritisch einräumen, unsere jetzigen Schwächen und zukünftigen Bedrohungen schonungslos analysieren und dann schnell neue strategische Ansätze entwickeln. Das muss jetzt passieren.
Andreas Fulda ist Politikwissenschaftler und China-Experte. Er lehrt als außerordentlicher Professor an der Universität Nottingham. Sein neuestes Buch “Germany and China: How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” ist am 30. Mai bei Bloomsbury erschienen.
Die Ampel will das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) deutlich abschwächen: Zwei Drittel der bisher erfassten Unternehmen würden ab Anfang 2025 nicht mehr darunterfallen, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner. Damit wären weniger als tausend Unternehmen betroffen. Zudem können Unternehmen selbst entscheiden, ob sie die ursprünglich im LkSG vorgeschriebenen Risikoberichte verfassen oder nicht. Wenn Unternehmen keine Berichte verfassten, werde dies “nicht sanktioniert”, erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen.
In diesem Punkt hatte die Bundesregierung bereits zuvor das LkSG abgeschwächt. Bis zur Einführung der europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sollen die Unternehmen weiter selbst entscheiden können, ob sie freiwillig berichten oder nicht. Dabei haben sie die Wahl, ob sie dies nach dem LkSG oder der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) machen. Lindner sprach mit Blick auf die Unternehmen von einer “deutlichen Entlastung bei den Bürokratiekosten”. Andere Regierungsvertreter sprechen von einer Entlastung mittelständischer Unternehmen vor “überschießenden nationalen Regeln”.
Vom LkSG ist besonders das China-Geschäft betroffen – unter anderem wegen der Berichte über Zwangsarbeitsprogramme in der Region Xinjiang. Die Solarindustrie ist zum Beispiel bereits dabei, in China eigens eine Xinjiang-freie Lieferkette aufzubauen, um Zwangsarbeit auszuschließen und damit die Vorgaben des LkSG zu erfüllen.
Nachdem die EU am heutigen Freitag die Brüsseler Variante eines Lieferkettengesetzes namens CSDDD im Amtsblatt veröffentlicht hat, tritt sie in 20 Tagen in Kraft. Für die Umsetzung der Richtlinie haben die 27 EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit. Die Bundesregierung will sich beeilen: Noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, soll die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden, “so bürokratiearm wie möglich”, heißt es.
Außerdem will die Bundesregierung verhindern, dass die CSDDD für deutsche Unternehmen früher gilt als für Unternehmen aus anderen EU-Ländern. Die CSDDD werde bis zum “europarechtlich spätmöglichsten Zeitpunkt umgesetzt”, sagte Lindner. Konkret bedeutet dies laut einer Sprecherin des Bundesjustizministeriums:
Zudem will die Bundesregierung festlegen, welche Informationen große Unternehmen von kleinen und mittelständischen Firmen abfragen dürfen. “Wir werden verbindliche Standards festlegen”, teilte eine BMJ-Sprecherin auf Table.Briefings-Anfrage mit. Auf diese Weise wolle man vielen kleinen Unternehmen, “die nur nachgelagert betroffen sind, spürbare Erleichterung verschaffen”.
Bislang reichen viele Unternehmen ihre Verpflichtungen an Lieferanten weiter, obwohl dies das LkSG untersagt. Die europäische Richtlinie ist hier noch deutlicher. Trotzdem akzeptierten viele Zulieferer die Vorgaben ihrer großen Auftraggeber, oft aus Angst, Aufträge zu verlieren.
Kritik an dem Vorgehen der Ampel kommt von der Initiative Lieferkettengesetz. “Wir kritisieren scharf die angekündigte Einschränkung des deutschen Lieferkettengesetzes auf nur noch ein Drittel der betroffenen Unternehmen”, sagte Heike Drillisch. Damit knicke die Bundesregierung vor den Wirtschaftsverbänden ein. Zufrieden ist das zivilgesellschaftliche Bündnis, hinter dem rund 130 Organisationen stehen, mit der anvisierten schnellen Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes. “Die Umsetzung muss allerdings europarechtskonform und ambitioniert erfolgen”, heißt es. Bestehende nationale Schutzstandards aus dem deutschen Gesetz dürften nicht abgesenkt werden.
Das Lieferkettengesetz “soll massiv aufgeweicht werden”, kritisierte auch der Wirtschaftsweise Armin Truger auf X. Dass dadurch Menschenrechte in Entwicklungsländern gegen angeblichen Bürokratieabbau ausgespielt werden, “ist ein Erfolg für einige Lobbyisten und wahrlich kein Ruhmesblatt für die Koalition!” Der BDA sah sich aufgrund vieler Anfragen außerstande, auf Anfrage von Table.Briefings zu antworten. Gesamtmetall antwortete ebenfalls nicht. Beide Verbände hatten zuvor massive Kritik sowohl an dem LkSG als auch an der CSDDD geäußert.
Entschiedene Befürworter des LkSG in der Bundesregierung sagten Table.Briefings hinter vorgehaltener Hand, dass die Zahl der Abgeordneten in den Ampelfraktionen, denen das Lieferkettengesetz ein Anliegen sei, gesunken sei. Allerdings ist der Schutz von Menschen in den Lieferketten gegen Menschen- und Umweltrechtsverletzungen weiter ein Anliegen für viele Bürger. Bei einer Umfrage sprachen sich im Februar noch zwei Drittel der Befragten in Deutschland für ein europäisches Lieferkettengesetz aus.
Die Türkei hat eine Kehrtwende im Umgang mit chinesischen Elektroautos angekündigt. Laut Bloomberg gab Ankara am Freitag bekannt, doch keine Zusatzzölle auf alle Importautos aus China erheben zu wollen. Grund sei, dass man Investitionen fördern wolle. Die Türkei hatte im Juni zusätzliche Zölle in Höhe von 40 Prozent angekündigt. Die Entscheidung zur Kehrtwende folgte auf Gespräche zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Chinas Präsident Xi Jinping am Donnerstag am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Kasachstans Hauptstadt Astana.
Erdogan werde zudem am Montag eine Vereinbarung mit Chinas Elektro-Marktführer BYD über den Bau eines Werks in der westtürkischen Provinz Manisa bekannt geben, berichtet Bloomberg unter Berufung auf türkische Beamte. Für die Fabrik werde ein Investment von einer Milliarde US-Dollar erfolgen. Vertreter von BYD und das Büro des Präsidenten lehnten eine Stellungnahme ab. BYD baut bereits eine Fabrik für Elektroautos in Ungarn. Ein zusätzliches Werk in der Türkei würde den Zugang des Konzerns nach Europa deutlich erleichtern. Zudem besitzt die Türkei mit ihren 90 Millionen Einwohnern einen attraktiven Binnenmarkt. E-Fahrzeuge machten dort 2023 7,5 Prozent der Autoverkäufe aus. ck
Der Ex-Vorstandschef des niederländischen Chip-Ausrüsters ASML, Peter Wennink, sieht kein baldiges Ende des Streits zwischen den USA und China beim Thema Computerchips. Da geopolitische Interessen auf dem Spiel stünden, könnte sich der Konflikt noch über Jahrzehnte hinziehen, sagte Wennink dem niederländischen Radiosender BNR. Der Zwist sei ideologisch und beruhe nicht auf Fakten.
Für ASML, das seit 30 Jahren Kunden und Mitarbeiter in China habe, sei das schwierig, schließlich habe man damit auch Verpflichtungen. “Wir sind ein Unternehmen, in dem die Interessen der Beteiligten ausgewogen berücksichtigt werden müssen. (…) Wenn Ideologie das durchschneidet, habe ich Probleme damit.” Wennink hatte ASML im April nach zehn Jahren an der Spitze verlassen. ASML ist der weltweit führende Anbieter von Maschinen zur Produktion hochmoderner Computerchips.
Um den technologischen und militärischen Aufstieg Chinas zu bremsen, haben die USA in den vergangenen Monaten den Export von modernen Computerchips, Anlagen zu deren Produktion und anderer Hochtechnologie eingeschränkt. Dieser Initiative schlossen sich auch Japan und die Niederlande an, wo ASML seinen Sitz hat. Die USA haben zudem versucht, ASML daran zu hindern, seine bereits an chinesische Kunden verkauften Geräte zu warten. rtr
Die Zahl der nach China eingereisten Ausländer hat sich im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt. Nach Angaben der nationalen Einwanderungsbehörde kamen zwischen Januar und Juni insgesamt 14,64 Millionen Ausländer ins Land, 152,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit hat sich die von Peking nach der Pandemie eingeführte Visumfreiheit für viele Länder – darunter Deutschland – offenbar ausgezahlt. Sie gilt für mehr als ein Dutzend Länder in Europa sowie für Australien. Weitere 23 Länder sind auf Gegenseitigkeit von der Visumpflicht befreit, darunter seit diesem Jahr auch Thailand. Singapurer und Malaysier können für jeweils bis zu 30 Tage einreisen.
Die Zahl der visumfreien Einreisen von Ausländern überstieg nach einem Bericht der South China Morning Post 8,5 Millionen, was 58 Prozent der Einreisen entsprach und einen Anstieg von 190 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Die Zahl der ausländischen Besucher liegt damit allerdings immer noch unter dem Niveau von vor der Pandemie. Im ersten Halbjahr 2019 hatten 15,53 Millionen ausländische Reisende das Land besucht. ck
Am 23. Mai 2024 legte das National Information Security Standardization Technical Committee (NISSTC) einen neuen Verordnungsentwurf mit dem Titel “Cybersecurity Technology – Basic Security Requirements for Generative Artificial Intelligence (AI) Service” (im Folgenden als “Entwurf” bezeichnet) vor.
Der Entwurf, zu dem bis zum 22. Juli 2024 öffentliche Anmerkungen gemacht werden können, erläutert verschiedene Sicherheitsmaßnahmen für generative KI-Dienste. Er deckt wesentliche Bereiche ab wie die Sicherheit von Trainingsdaten, den Schutz von KI-Modellen und die Implementierung von allgemeinen Sicherheitsprotokollen. Außerdem enthält er Richtlinien für die Durchführung von Sicherheitsbewertungen.
Wir vermitteln in diesem Artikel einen Überblick über die im Entwurf genannten umfassenden Sicherheitsanforderungen für generative KI-Dienste.
Der Entwurf legt wesentliche Sicherheitsanforderungen für generative KI-Dienste fest, darunter:
Darüber hinaus werden im Rahmen des Entwurfs die folgenden Schlüsselbegriffe präzisiert, um Klarheit und Einheitlichkeit zu gewährleisten:
Der Entwurf dient sowohl den Dienstleistern als auch den Regulierungsbehörden als Referenz. Er bietet Anhaltspunkte für die Durchführung von Sicherheitsbeurteilungen und die Festlegung einschlägiger Vorschriften.
Bevor Daten aus bestimmten Quellen gesammelt werden können, müssen die Dienstleister eine umfassende Sicherheitsbewertung durchführen. Enthält eine Quelle mehr als 5 Prozent illegale oder “schädliche” Inhalte (siehe nächster Abschnitt), muss die Datenerhebung aus dieser Quelle vermieden werden. Nachdem die Daten gesammelt wurden, müssen diese nochmals auf illegale Inhalte überprüft werden. Enthalten diese mehr als fünf illegale oder “schädliche” Inhalte, dürfen sie nicht für Trainingszwecke verwendet werden.
Es sollte auf eine breite Palette von Trainingsdatenquellen geachtet werden. Für jede Sprache (z. B. Chinesisch, Englisch) und jeden Datentyp (z. B. Text, Bilder, Audio, Video) sollten mehrere Trainingsdatenquellen verwendet werden. Falls Trainingsdaten aus ausländischen Quellen erforderlich sind, sollten diese in sinnvoller Weise mit Trainingsdaten aus heimischen Quellen kombiniert werden.
Der Entwurf unterteilt die “schädlichen Daten” in die folgenden Risikobereiche:
Dem Entwurf zufolge müssen die Inhalte sämtlicher Trainingsdaten (z. B. Text, Bilder, Audio, Video) vor der Verwendung gefiltert werden. Dies kann durch die Filterung von Stichworten, durch Klassifizierungsmodelle oder durch eine manuelle Prüfung geschehen, um illegale oder schädliche Informationen zu entfernen.
Hinsichtlich der Rechte an geistigem Eigentum müssen die Datenanbieter ein Verfahrenskonzept mit einer dafür zuständigen Stelle umsetzen. Sie müssen die größten Risiken in Bezug auf geistiges Eigentum erkennen und beseitigen, bevor die Daten für Trainingszwecke verwendet werden, insbesondere bei literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken. Die Anbieter müssen zudem Beschwerde- und Meldewege schaffen, Nutzer durch Dienstleistungsvereinbarungen über potenzielle Risiken informieren sowie ihre Strategien anhand von Richtlinien und Beschwerden anpassen.
Bei personenbezogenen Daten sind die Datenanbieter verpflichtet, die Einwilligung der betroffenen Personen einzuholen, bevor sie Schulungsdaten mit personenbezogenen Daten verwenden, um die Einhaltung gesetzlicher oder behördlicher Vorschriften zu gewährleisten. Bei vertraulichen personenbezogenen Daten muss die ausdrückliche Zustimmung eingeholt werden, oder die Verwendung muss den einschlägigen Rechts- oder Regulierungsvorschriften entsprechen.
Der Entwurf betont die Bedeutung solider Sicherheitsmaßnahmen über den gesamten Lebenszyklus der Entwicklung und des Einsatzes generativer KI-Modelle. Für jede Phase werden die folgenden Richtlinien vorgeschlagen:
Da sich die generative KI kontinuierlich weiterentwickelt, fordert der Entwurf die Dienstanbieter auf, der Sicherheit während der gesamten Nutzererfahrung Vorrang einzuräumen.
Die Einführung der Verordnungsentwürfe ist ein entscheidender Moment für Anbieter von generativen KI-Diensten in China und signalisiert eine Verlagerung hin zu strengeren Sicherheitsstandards und behördlicher Kontrolle.
Diese Regelungen dürften sich vor allem auf die Betriebs- und Compliance-Kosten der KI-Dienstleister auswirken. Die Einhaltung der geplanten Sicherheitsmaßnahmen, wie z. B. Datenfilterung, Einholung von Zustimmungen und kontinuierliche Kontrolle, wird erhebliche Investitionen in Technologie, Personal und Prozessentwicklung erfordern. Vor allem für kleine und mittelständische Anbieter könnte die Einhaltung dieser Anforderungen problematisch sein, was möglicherweise zu einer Marktkonsolidierung führen könnte, da größere Anbieter mit mehr Ressourcen die Compliance-Kosten leichter auffangen können.
Darüber hinaus dürften sich diese Vorschriften auch auf das Vertrauen der Nutzer in generative KI-Dienste auswirken. Durch die Festlegung klarer Sicherheitsstandards und Compliance-Anforderungen, soll die Transparenz und Verantwortlichkeit innerhalb der Branche verbessert werden. Anbieter, die diese Standards nachweislich einhalten, könnten von einem größeren Vertrauen und einer stärkeren Kundenbindung profitieren, da die Verbraucher bei der Interaktion mit KI-gestützten Plattformen vor allem auf Sicherheit und Datenschutz Wert legen.
Auch wenn die neuen Sicherheitsbestimmungen für Anbieter generativer KI-Dienste zunächst eine Herausforderung darstellen, bieten sie langfristig größere Chancen für Differenzierung, Innovation und größeres Nutzervertrauen. Durch die Umsetzung dieser Vorschriften als Rahmenbedingungen für eine verantwortungsvolle KI-Entwicklung können sich die Anbieter für einen langfristigen Erfolg in einem zunehmend regulierten Markt positionieren.
Giulia Interesse, Dezan Shira & Associates
Jordi Torres ist seit Mai Marketing Director Greater China bei Tetra Pak. Torres arbeitet seit knapp 21 Jahren für das Schweizer Verpackungsunternehmen. Sein neuer Einsatzort ist Shanghai.
Daniel Li wird neuer China-Chef von PricewaterhouseCoopers. Li ist seit 1993 für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Er tritt die Nachfolge von Raymund Chao an, der am 30. Juni in den Ruhestand geht.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Beim Gastspiel im Auditorium der polytechnischen Universität Bukarest führte die Tanzakademie Peking in perfekt ausgeleuchteten Posen in die chinesische Geschichte ein. Einer der Tänze widmete sich etwa dem Leben von Li Bai, dem berühmten Dichter der Tang-Dynastie. Die Truppe besuchte Rumänien zum diesjährigen Internationalen Theaterfestival von Sibiu, einem der wichtigsten Theaterfestivals der Welt.