Table.Briefing: China

China.Table Special + EU verhängt Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge

  • Zusatzzölle sind nach Herstellern gestaffelt
  • SAIC erhält Höchstsatz von 38,1 Prozent
  • Für die meisten Hersteller gelten 21 Prozent
  • Deutsche Akteure wollen Handelskonflikt vermeiden
  • China kündigt Vergeltung an
Liebe Leserin, lieber Leser,

droht ein Handelskrieg? Die EU-Kommission hat ihren Spielzug gemacht, indem sie den Zoll auf Elektroautos aus chinesischer Produktion erhöht hat. China reagiert schon jetzt mit starker Rhetorik. Und dennoch wird es Peking bei einem gesichtswahrenden, sorgsam abgemessenen Gegenzug belassen.

China kann sich derzeit schlicht keine Eskalation leisten. Der Wirtschaft des Landes geht es ohnehin schlecht. Für viele wichtige Produktgruppen verschließen sich Auslandsmärkte wie die USA. Die EU ist da wesntlich offener. China braucht sie als Absatzmarkt. Die chinesische Reaktion wird also so austariert sein und lauten: Wir lassen uns nicht alles gefallen – aber wir wollen auch nicht, dass die EU-Kommission mit weiteren Handelsbeschränkungen in eine nächste Runde geht.

Chinas Behauptung, die EU verhalte sich protektionistisch, ist hier eine reine Fiktion. China selbst mag keine neuen Zölle erhoben haben, doch das Land ist Weltmeister in marktverzerrenden Eingriffen. Die Förderung für die eigene Wirtschaft sitzt so tief in der DNA des chinesischen Systems, dass sie oft gar nicht sichtbar ist. Industriepolitik ist dort keine Ausnahme wie in Deutschland, sondern im Rahmen der Planwirtschaft das normale Modell.

Schließlich handelt es sich im Kern um eine Staatswirtschaft, der in den vergangenen Jahrzehnten marktwirtschaftliche Elemente zugefügt wurden. Die Öffnung in Richtung einer Marktfreigabe stagniert in den meisten Bereichen nun bereits seit zehn Jahren. Dafür stehen für staatlich erwünschte Projekte fast unbegrenzt hohe Mittel bereit. Die Provinzen überbieten sich buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste darin, mit Mitteln der Industriepolitik eigene Hersteller und Marktführer zu schaffen.

In China war schon immer fast alles günstiger als in Europa, doch das Ungleichgewicht nimmt derzeit groteske Züge an. Mit russischem Gas und Öl sind Energie und fossile Rohstoffe besonders billig. Das wirkt sich enorm auf die Materialkosten für die Herstellung von Autos aus. Fahrzeuge bestehen vor allem aus Kunststoffen und Stahl – in Europa sind das enorme Kostenfaktoren. Auch andere Standortfaktoren sind in China massiv günstiger. Nicht zuletzt herrscht dort Arbeitslosigkeit, Ingenieure sind leicht zu bekommen, Deutschland erstickt am Fachkräftemangel. Obendrauf kommen dann noch direkte Subventionen verschiedener Art, die die Kommission als Grundlage für die Festsetzung des Zolls genommen hat. Sie sind dafür verantwortlich, dass es in fast jeder chinesischen Provinz Elektroauto-Hersteller gibt, sie sich einen ruinösen Preiskampf liefern. Sie können viel mehr Autos herstellen, als im Inland gefragt sind.

Die deutsche Industrie ist derweil gespalten, was die Zollerhöhung angeht. Wer dort produziert, ist tendenziell gegen Zölle. Das betrifft vor allem die drei großen Autohersteller, die sehr klargemacht haben, dass sie auf gut gemeinten Schutz von der EU-Kommission verzichten können. Sie haben zwei Argumente: Sie fürchten Gegenmaßnahmen der chinesischen Seite. Und sie verweisen auf die geringe Zahl der chinesischen Autos, die bisher aus China importiert werden.

Bei den Gegenmaßnahmen geht es auch, aber nicht nur um chinesische Zölle auf europäische Exporte wie teure Autos oder französischen Cognac. Es geht vor allem um Nachteile, die den internationalen Spielern innerhalb Chinas drohen. Also um Unternehmen wie Volkswagen, die in China praktisch chinesische Unternehmen sind; der Konzern beschäftigt dort 100.000 Mitarbeiter und betreibt mit Partnern 33 Werke. Sie sind hier dem Einfluss der Kommunistischen Partei ungefiltert ausgesetzt. Und derzeit sind Marktanteile für ursprünglich chinesische Marken ohnehin erwünschter als für die sinisierten Deutschen. Es ist also weniger die Liebe für den Freihandel als pure Angst vor dem Mobber vor Ort, der die deutschen Autohersteller motiviert.

China ist in Handelsfragen selbst nicht zimperlich, sondern spielt traditionell sehr hart. Es schützt die eigene Industrie ohne Skrupel und sehr konsequent. Wenn Branchen dort noch nicht so weit sind, dann dürfen Ausländer nicht hinein, bestes Beispiel waren Internetdienste – oder Versicherer wie die Allianz, die kaum Vertriebslizenzen erhalten haben. Für einen kommunistischen Staat ist freie Wirtschaft eben kein Wert an sich. China erhebt bisher auch schon einen Zoll von 15 Prozent auf Autos aus Europa.

Zugleich schreit Peking immer laut “Protektionismus”, wenn die andere Seite dann mit eigenen Maßnahmen reagiert. Westliche Politiker und Wirtschaftsvertreter lassen sich davon leicht beeinflussen.

Im aktuellen Fall ist es aber wichtig zu verstehen, dass es sich nicht um “Strafzölle” handelt, wie sie oft genannt werden. Es handelt sich um eine Zollerhöhung, die berechnet ist, um Chinas industriepolitische Vorteile auszugleichen. Es verbaut der chinesischen Industrie keine Marktchancen – ihre Produkte sind auch mit der höheren Belastung höchst konkurrenzfähig. BYD, Nio und so weiter werden auch weiterhin Marktanteile in Europa gewinnen und zur Transformation der Antriebsarten beitragen.

Dass die EU jetzt mit Zöllen reagieren musste, ist traurig und nicht im Sinne einer Globalisierung, die beide Seiten reicher gemacht hat. Auch aus Sicht der chinesischen Regierung ist die Entstehung von Überkapazitäten eher eine Systemeigenschaft, der man in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder hilflos gegenüberstand. Kein Wirtschaftspolitiker oder Unternehmen will hohe Überkapazitäten – außer, man will den Weltmarkt mit billigsten Preisen unter seine Kontrolle bringen. Aber ob Absicht oder nicht, die Kommission konnte Chinas Ansinnen, die eigenen Überkapazitäten und seine Arbeitslosigkeit nach Europa zu exportieren, nicht einfach tatenlos zusehen.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

E-Auto-Zölle der EU: So reagieren China und die deutsche Industrie

Die EU-Kommission hat vorläufige Zusatzzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge beschlossen. Ab Anfang Juli werden im Schnitt ein gutes Fünftel zusätzlicher Belastungen anfallen, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Die Untersuchung der Kommission habe ergeben, dass die Hersteller von unfairer staatlicher Förderung profitierten und damit der europäischen Industrie schaden. “Es ist im Interesse der EU, die Folgen der unfairen Handelspraktiken auszugleichen, die wir identifiziert haben”, teilte die Kommission am Mittwochmittag mit.

  • Am stärksten ist der Shanghaier Staatsbetrieb SAIC betroffen, dessen Produkte mit 38,1 Prozent besteuert werden.
  • Die Autos von Geely, dem Inhaber von Volvo, werden bei der Einfuhr um 20 Prozent verteuert – was besonders weh tut, denn er stellt auch Volvo-Modelle in China für den EU-Markt her.
  • Der Weltmarktführer BYD wird unterdurchschnittlich mit 17 Prozent belastet.
  • Für alle anderen Anbieter gilt ein Zoll von 21 Prozent. Das entspreche dem Durchschnitt der unfairen Subvention nach Untersuchung durch die EU. Dieser Satz gilt beispielsweise auch für Tesla, das in Shanghai hergestellte Autos in die EU verschifft.

Der EU-Untersuchung zufolge profitiere die gesamte Wertschöpfungskette in China von den Subventionen. Die Kommission habe Kontakt zur chinesischen Seite aufgenommen, um die Situation gütlich aufzulösen. Die EU erhebt bereits Zölle von zehn Prozent auf chinesische E-Fahrzeuge. Die neuen Zölle kommen als Erhöhung hinzu.

Die Zusatzzölle waren seit Wochen erwartet worden, die EU-Kommission hatte die Ankündigung allerdings vor der Europawahl verschoben, da das Thema im Wahlkampf keine Rolle spielen sollte. Die vorläufigen Zölle gelten ab dem 4. Juli. Bis November muss die Kommission entscheiden, ob sie in endgültige geltende Abgaben umgewandelt werden. Diese sind in der Regel dann fünf Jahre in Kraft. Betroffen sind nur rein batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge.

Peking droht mit Gegenschlag

Peking reagierte umgehend: Das chinesische Außenministerium teilte mit, alle Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, um entschieden die eigenen Interessen zu verteidigen. Sonderzölle der Europäischen Union auf Elektroautos würden Marktregeln verletzen, sagte Sprecher Lin Jian. Diese wären auch gegen die Interessen der EU. Die chinesische Handelskammer an die EU drückte “ihren Schock, ihre tiefe Enttäuschung und ihre tiefe Unzufriedenheit über diese protektionistische Handelsmaßnahme” aus. Die Untersuchung sei politisch motiviert und intransparent gewesen, warf die Handelskammer der EU-Kommission vor.

Die staatliche Zeitung Global Times hatte mehrfach Experten und Insider zu Wort kommen lassen, um indirekt anzukündigen, was Peking vorhaben könnte. In einem Posting auf X, vormals Twitter, teilte Global Times mit, dass chinesische Unternehmen, die Behörden aufforderten, Antisubventionsuntersuchung gegen die Einfuhr bestimmter Milchprodukte aus der Europäischen Union einzuleiten. Weitere Angaben gab es zu dem laut Posting auf Insider beruhenden Informationen nicht. 

Ende Mai hatte Global Times einen Autoexperten Zölle auf Verbrennermotoren mit mehr als 2,5-Liter-Hubraum ins Spiel bringen lassen. Auch EU-Exporte von Agrarprodukten oder Spirituosen wie Cognac könnten betroffen sein. 

DIHK: Zusatzzölle für deutsche Wirtschaft “nicht ohne Folgen”

Die deutsche Wirtschaft fürchtet nun einen Handelskonflikt. Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Volker Treier, sagte, die Entscheidung der EU-Kommission werde für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht ohne Folgen bleiben: “Während die Zölle auch deutsche Autobauer in China betreffen, bahnen sich mit den bereits angekündigten Gegenmaßnahmen Chinas weitere Handelshemmnisse für die deutsche Wirtschaft an. Die EU muss aufpassen, nicht zwischen die geopolitischen Mühlen seiner zwei wichtigsten Handelspartner zu geraten.”

Zwar seien Wettbewerbsverzerrungen ein Problem, das Europa angehen sollte, betonte Treier. “Die beste Antwort sind aber eigene gute Standortbedingungen und das Streben nach offenen Märkten und Wettbewerb, zum Beispiel durch einen umfassenden Bürokratieabbau und durch neue Handelsabkommen, die den Marktzugang etwa im Indopazifik und Lateinamerika spürbar verbessern. Weitere Handelskonflikte müssen vermieden werden, ebenso wie eine stärkere Abschottung Europas.”

Zölle als Ausgleich für Subventionen

Vonseiten der Wissenschaft gab es dagegen Zuspruch. Die Zusatzzölle seien ein mutiger Schritt von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die nach den Europawahlen um eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission kämpft, kommentierte Noah Barkin, Fellow beim German Marshall Fund und Senior Advisor bei der Beratungsfirma Rhodium Group die Entscheidung.

“Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen Unterstützung von der Leyen für ihre Rückkehr als Präsidentin benötigt, lehnte die Zölle ab”, schrieb Barkin. Berlin habe in den vergangenen Wochen eine massive Druckkampagne gestartet, um die Zusatzzölle niedrig zu halten. Auch andere Ökonomen halten die Zölle durchaus für sinnvoll, um den Preisdruck durch Chinas Überkapazitäten auszugleichen.

Beginn des EU-internen Zwists über endgültige Zölle

Die EU sind nicht die ersten, die nun zusätzliche Zölle für chinesische E-Fahrzeuge verhängen. Die USA hatten einen 100-prozentigen Zoll auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge als Teil eines Maßnahmenpakets angekündigt. Auch die Türkei will einen zusätzlichen Zoll von 40 Prozent erheben, um die heimischen Autohersteller zu schützen, wie das türkische Handelsministerium am Samstag mitteilte.

Die Entscheidung für vorläufige Zölle sind jetzt nur der Anfang eines Verhandlungs-Krimis, in dem die chinesische Seite versuchen könnte, einige europäische Hauptstädte davon zu überzeugen, die Zölle abzulehnen. Denn wenn die EU-Kommission im November dauerhafte Zölle vorschlägt, wird der Vorschlag noch den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt.

Um die Zölle dann abzuschaffen, bedarf es allerdings einer qualifizierten Mehrheit: 15 Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung des Blocks repräsentieren, müssen gegen den Vorschlag stimmen. Die EU-Kommission kann das Verfahren auch aussetzen, sollten die gefundenen Subventionen zurückgezogen werden. Neben Deutschland gelten Ungarn und Schweden als Gegner der Zusatzzölle, Spanien und Frankreich sind große Befürworter.

  • Autoindustrie
  • EU
  • Europapolitik
  • Handel

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Zusatzzölle sind nach Herstellern gestaffelt
    • SAIC erhält Höchstsatz von 38,1 Prozent
    • Für die meisten Hersteller gelten 21 Prozent
    • Deutsche Akteure wollen Handelskonflikt vermeiden
    • China kündigt Vergeltung an
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    droht ein Handelskrieg? Die EU-Kommission hat ihren Spielzug gemacht, indem sie den Zoll auf Elektroautos aus chinesischer Produktion erhöht hat. China reagiert schon jetzt mit starker Rhetorik. Und dennoch wird es Peking bei einem gesichtswahrenden, sorgsam abgemessenen Gegenzug belassen.

    China kann sich derzeit schlicht keine Eskalation leisten. Der Wirtschaft des Landes geht es ohnehin schlecht. Für viele wichtige Produktgruppen verschließen sich Auslandsmärkte wie die USA. Die EU ist da wesntlich offener. China braucht sie als Absatzmarkt. Die chinesische Reaktion wird also so austariert sein und lauten: Wir lassen uns nicht alles gefallen – aber wir wollen auch nicht, dass die EU-Kommission mit weiteren Handelsbeschränkungen in eine nächste Runde geht.

    Chinas Behauptung, die EU verhalte sich protektionistisch, ist hier eine reine Fiktion. China selbst mag keine neuen Zölle erhoben haben, doch das Land ist Weltmeister in marktverzerrenden Eingriffen. Die Förderung für die eigene Wirtschaft sitzt so tief in der DNA des chinesischen Systems, dass sie oft gar nicht sichtbar ist. Industriepolitik ist dort keine Ausnahme wie in Deutschland, sondern im Rahmen der Planwirtschaft das normale Modell.

    Schließlich handelt es sich im Kern um eine Staatswirtschaft, der in den vergangenen Jahrzehnten marktwirtschaftliche Elemente zugefügt wurden. Die Öffnung in Richtung einer Marktfreigabe stagniert in den meisten Bereichen nun bereits seit zehn Jahren. Dafür stehen für staatlich erwünschte Projekte fast unbegrenzt hohe Mittel bereit. Die Provinzen überbieten sich buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste darin, mit Mitteln der Industriepolitik eigene Hersteller und Marktführer zu schaffen.

    In China war schon immer fast alles günstiger als in Europa, doch das Ungleichgewicht nimmt derzeit groteske Züge an. Mit russischem Gas und Öl sind Energie und fossile Rohstoffe besonders billig. Das wirkt sich enorm auf die Materialkosten für die Herstellung von Autos aus. Fahrzeuge bestehen vor allem aus Kunststoffen und Stahl – in Europa sind das enorme Kostenfaktoren. Auch andere Standortfaktoren sind in China massiv günstiger. Nicht zuletzt herrscht dort Arbeitslosigkeit, Ingenieure sind leicht zu bekommen, Deutschland erstickt am Fachkräftemangel. Obendrauf kommen dann noch direkte Subventionen verschiedener Art, die die Kommission als Grundlage für die Festsetzung des Zolls genommen hat. Sie sind dafür verantwortlich, dass es in fast jeder chinesischen Provinz Elektroauto-Hersteller gibt, sie sich einen ruinösen Preiskampf liefern. Sie können viel mehr Autos herstellen, als im Inland gefragt sind.

    Die deutsche Industrie ist derweil gespalten, was die Zollerhöhung angeht. Wer dort produziert, ist tendenziell gegen Zölle. Das betrifft vor allem die drei großen Autohersteller, die sehr klargemacht haben, dass sie auf gut gemeinten Schutz von der EU-Kommission verzichten können. Sie haben zwei Argumente: Sie fürchten Gegenmaßnahmen der chinesischen Seite. Und sie verweisen auf die geringe Zahl der chinesischen Autos, die bisher aus China importiert werden.

    Bei den Gegenmaßnahmen geht es auch, aber nicht nur um chinesische Zölle auf europäische Exporte wie teure Autos oder französischen Cognac. Es geht vor allem um Nachteile, die den internationalen Spielern innerhalb Chinas drohen. Also um Unternehmen wie Volkswagen, die in China praktisch chinesische Unternehmen sind; der Konzern beschäftigt dort 100.000 Mitarbeiter und betreibt mit Partnern 33 Werke. Sie sind hier dem Einfluss der Kommunistischen Partei ungefiltert ausgesetzt. Und derzeit sind Marktanteile für ursprünglich chinesische Marken ohnehin erwünschter als für die sinisierten Deutschen. Es ist also weniger die Liebe für den Freihandel als pure Angst vor dem Mobber vor Ort, der die deutschen Autohersteller motiviert.

    China ist in Handelsfragen selbst nicht zimperlich, sondern spielt traditionell sehr hart. Es schützt die eigene Industrie ohne Skrupel und sehr konsequent. Wenn Branchen dort noch nicht so weit sind, dann dürfen Ausländer nicht hinein, bestes Beispiel waren Internetdienste – oder Versicherer wie die Allianz, die kaum Vertriebslizenzen erhalten haben. Für einen kommunistischen Staat ist freie Wirtschaft eben kein Wert an sich. China erhebt bisher auch schon einen Zoll von 15 Prozent auf Autos aus Europa.

    Zugleich schreit Peking immer laut “Protektionismus”, wenn die andere Seite dann mit eigenen Maßnahmen reagiert. Westliche Politiker und Wirtschaftsvertreter lassen sich davon leicht beeinflussen.

    Im aktuellen Fall ist es aber wichtig zu verstehen, dass es sich nicht um “Strafzölle” handelt, wie sie oft genannt werden. Es handelt sich um eine Zollerhöhung, die berechnet ist, um Chinas industriepolitische Vorteile auszugleichen. Es verbaut der chinesischen Industrie keine Marktchancen – ihre Produkte sind auch mit der höheren Belastung höchst konkurrenzfähig. BYD, Nio und so weiter werden auch weiterhin Marktanteile in Europa gewinnen und zur Transformation der Antriebsarten beitragen.

    Dass die EU jetzt mit Zöllen reagieren musste, ist traurig und nicht im Sinne einer Globalisierung, die beide Seiten reicher gemacht hat. Auch aus Sicht der chinesischen Regierung ist die Entstehung von Überkapazitäten eher eine Systemeigenschaft, der man in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder hilflos gegenüberstand. Kein Wirtschaftspolitiker oder Unternehmen will hohe Überkapazitäten – außer, man will den Weltmarkt mit billigsten Preisen unter seine Kontrolle bringen. Aber ob Absicht oder nicht, die Kommission konnte Chinas Ansinnen, die eigenen Überkapazitäten und seine Arbeitslosigkeit nach Europa zu exportieren, nicht einfach tatenlos zusehen.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    E-Auto-Zölle der EU: So reagieren China und die deutsche Industrie

    Die EU-Kommission hat vorläufige Zusatzzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge beschlossen. Ab Anfang Juli werden im Schnitt ein gutes Fünftel zusätzlicher Belastungen anfallen, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Die Untersuchung der Kommission habe ergeben, dass die Hersteller von unfairer staatlicher Förderung profitierten und damit der europäischen Industrie schaden. “Es ist im Interesse der EU, die Folgen der unfairen Handelspraktiken auszugleichen, die wir identifiziert haben”, teilte die Kommission am Mittwochmittag mit.

    • Am stärksten ist der Shanghaier Staatsbetrieb SAIC betroffen, dessen Produkte mit 38,1 Prozent besteuert werden.
    • Die Autos von Geely, dem Inhaber von Volvo, werden bei der Einfuhr um 20 Prozent verteuert – was besonders weh tut, denn er stellt auch Volvo-Modelle in China für den EU-Markt her.
    • Der Weltmarktführer BYD wird unterdurchschnittlich mit 17 Prozent belastet.
    • Für alle anderen Anbieter gilt ein Zoll von 21 Prozent. Das entspreche dem Durchschnitt der unfairen Subvention nach Untersuchung durch die EU. Dieser Satz gilt beispielsweise auch für Tesla, das in Shanghai hergestellte Autos in die EU verschifft.

    Der EU-Untersuchung zufolge profitiere die gesamte Wertschöpfungskette in China von den Subventionen. Die Kommission habe Kontakt zur chinesischen Seite aufgenommen, um die Situation gütlich aufzulösen. Die EU erhebt bereits Zölle von zehn Prozent auf chinesische E-Fahrzeuge. Die neuen Zölle kommen als Erhöhung hinzu.

    Die Zusatzzölle waren seit Wochen erwartet worden, die EU-Kommission hatte die Ankündigung allerdings vor der Europawahl verschoben, da das Thema im Wahlkampf keine Rolle spielen sollte. Die vorläufigen Zölle gelten ab dem 4. Juli. Bis November muss die Kommission entscheiden, ob sie in endgültige geltende Abgaben umgewandelt werden. Diese sind in der Regel dann fünf Jahre in Kraft. Betroffen sind nur rein batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge.

    Peking droht mit Gegenschlag

    Peking reagierte umgehend: Das chinesische Außenministerium teilte mit, alle Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, um entschieden die eigenen Interessen zu verteidigen. Sonderzölle der Europäischen Union auf Elektroautos würden Marktregeln verletzen, sagte Sprecher Lin Jian. Diese wären auch gegen die Interessen der EU. Die chinesische Handelskammer an die EU drückte “ihren Schock, ihre tiefe Enttäuschung und ihre tiefe Unzufriedenheit über diese protektionistische Handelsmaßnahme” aus. Die Untersuchung sei politisch motiviert und intransparent gewesen, warf die Handelskammer der EU-Kommission vor.

    Die staatliche Zeitung Global Times hatte mehrfach Experten und Insider zu Wort kommen lassen, um indirekt anzukündigen, was Peking vorhaben könnte. In einem Posting auf X, vormals Twitter, teilte Global Times mit, dass chinesische Unternehmen, die Behörden aufforderten, Antisubventionsuntersuchung gegen die Einfuhr bestimmter Milchprodukte aus der Europäischen Union einzuleiten. Weitere Angaben gab es zu dem laut Posting auf Insider beruhenden Informationen nicht. 

    Ende Mai hatte Global Times einen Autoexperten Zölle auf Verbrennermotoren mit mehr als 2,5-Liter-Hubraum ins Spiel bringen lassen. Auch EU-Exporte von Agrarprodukten oder Spirituosen wie Cognac könnten betroffen sein. 

    DIHK: Zusatzzölle für deutsche Wirtschaft “nicht ohne Folgen”

    Die deutsche Wirtschaft fürchtet nun einen Handelskonflikt. Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Volker Treier, sagte, die Entscheidung der EU-Kommission werde für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht ohne Folgen bleiben: “Während die Zölle auch deutsche Autobauer in China betreffen, bahnen sich mit den bereits angekündigten Gegenmaßnahmen Chinas weitere Handelshemmnisse für die deutsche Wirtschaft an. Die EU muss aufpassen, nicht zwischen die geopolitischen Mühlen seiner zwei wichtigsten Handelspartner zu geraten.”

    Zwar seien Wettbewerbsverzerrungen ein Problem, das Europa angehen sollte, betonte Treier. “Die beste Antwort sind aber eigene gute Standortbedingungen und das Streben nach offenen Märkten und Wettbewerb, zum Beispiel durch einen umfassenden Bürokratieabbau und durch neue Handelsabkommen, die den Marktzugang etwa im Indopazifik und Lateinamerika spürbar verbessern. Weitere Handelskonflikte müssen vermieden werden, ebenso wie eine stärkere Abschottung Europas.”

    Zölle als Ausgleich für Subventionen

    Vonseiten der Wissenschaft gab es dagegen Zuspruch. Die Zusatzzölle seien ein mutiger Schritt von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die nach den Europawahlen um eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission kämpft, kommentierte Noah Barkin, Fellow beim German Marshall Fund und Senior Advisor bei der Beratungsfirma Rhodium Group die Entscheidung.

    “Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen Unterstützung von der Leyen für ihre Rückkehr als Präsidentin benötigt, lehnte die Zölle ab”, schrieb Barkin. Berlin habe in den vergangenen Wochen eine massive Druckkampagne gestartet, um die Zusatzzölle niedrig zu halten. Auch andere Ökonomen halten die Zölle durchaus für sinnvoll, um den Preisdruck durch Chinas Überkapazitäten auszugleichen.

    Beginn des EU-internen Zwists über endgültige Zölle

    Die EU sind nicht die ersten, die nun zusätzliche Zölle für chinesische E-Fahrzeuge verhängen. Die USA hatten einen 100-prozentigen Zoll auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge als Teil eines Maßnahmenpakets angekündigt. Auch die Türkei will einen zusätzlichen Zoll von 40 Prozent erheben, um die heimischen Autohersteller zu schützen, wie das türkische Handelsministerium am Samstag mitteilte.

    Die Entscheidung für vorläufige Zölle sind jetzt nur der Anfang eines Verhandlungs-Krimis, in dem die chinesische Seite versuchen könnte, einige europäische Hauptstädte davon zu überzeugen, die Zölle abzulehnen. Denn wenn die EU-Kommission im November dauerhafte Zölle vorschlägt, wird der Vorschlag noch den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt.

    Um die Zölle dann abzuschaffen, bedarf es allerdings einer qualifizierten Mehrheit: 15 Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung des Blocks repräsentieren, müssen gegen den Vorschlag stimmen. Die EU-Kommission kann das Verfahren auch aussetzen, sollten die gefundenen Subventionen zurückgezogen werden. Neben Deutschland gelten Ungarn und Schweden als Gegner der Zusatzzölle, Spanien und Frankreich sind große Befürworter.

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