Table.Briefing: China

Eberhard Sandschneider zur Scholz-Reise + KI-Avatare erobern E-Commerce

Liebe Leserin, lieber Leser,

“Realpolitik statt Moralpolitik”, sei sein Credo, verteidigte Markus Söder seine viel kritisierte China-Reise Ende März. China-Kenner Eberhard Sandschneider sieht in solchen Besuchen vor allem den Versuch, innenpolitisch zu punkten. “Das war natürlich auch ein Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber der derzeitigen Außenministerin”, erklärt er im Gespräch mit Felix Lee. Die Botschaft: Hände schütteln, Pandas küssen und Verträge unterzeichnen ist erfolgversprechender als Baerbocks erhobener Zeigefinger.

Auch die kommende Scholz-Reise müsse man in diesem Licht betrachten. Der Kanzler will möglichst viele Pluspunkte sammeln, etwa mit der Frage, wie man den Ukraine-Krieg beendet. Sandschneider empfiehlt dafür “eine sinnvolle Realpolitik”, bei der auch die Chinesen ihr Gesicht und ihre Interessen wahren können. Das bedeute in der Konsequenz aber auch, die USA nicht zu verklären und China nicht zu sehr zu verdammen.

Livestreaming ist in vielen Ländern eine angesagte Art der Unterhaltung. Aber in keinem anderen Land erfreut es sich so großer Beliebtheit wie in China. Allerdings ist es für viele Influencer sehr anstrengend, regelmäßig stundenlang vor der Kamera zu stehen, um zum Beispiel Kosmetikprodukte zu bewerben. Künstliche Intelligenz soll ihre Arbeit erleichtern – und für die Auftraggeber billiger machen. Deepfake-Avatare sind in China bereits tausendfach im Einsatz. Nun könnten sie zum Exportschlager werden.

Einen guten Start in die Woche wünscht

Ihr
Fabian Peltsch
Bild von Fabian  Peltsch

Interview

Ostasien-Experte: “Wir sehen China als aufsteigende Supermacht zu negativ”

Eberhard Sandschneider ist Leiter des Arbeitsschwerpunktes Politik China und Ostasiens an der Freien Universität Berlin und Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung. Hier schreibt er über China-Bashing und die Implikationen.
Eberhard Sandschneider ist Politikwissenschaftler und Ostasien-Experte. Bis 2017 gehörte er dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik an.

Herr Sandschneider, schöne Bilder mit knuffigen Pandabären, Empfang durch den Premier, Verleihung eines Ehrendoktors – hat sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei seinem Besuch vor zwei Wochen zu sehr von China einlullen lassen?

Die Bilder sind deutlich: Der bayerische Ministerpräsident hat seinen Ausflug auf die große Bühne der Weltpolitik sichtlich genossen. Und China hat ihm diese Bühne geboten: Bayern auf Augenhöhe mit dem Reich der Mitte? Na ja! Bei Reisen von deutschen Ministerpräsidenten geht es nicht nur um politische Gespräche, sondern auch um Bilder für die Daheimgebliebenen. Und da hat Söder sicherlich eine nette Reise hinter sich gebracht.

Söder selbst sagt, er habe auch kritische Themen angesprochen. Zugleich lautete sein Credo: “Real- statt Moralpolitik” – und hat mit diesem Satz daheim viel Kritik auf sich gezogen.

Man kann natürlich nicht überprüfen, was er tatsächlich angesprochen hat und wie kritisch er dabei gewesen ist. Aus Erfahrung allerdings weiß man, dass es zum Ritual von deutschen Politikern gehört, dass sie bei ihren China-Reisen bestimmte Reizthemen ansprechen: Menschenrechte gehören dazu, und in den letzten Jahren auch die Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang. Kein Politiker kann es sich leisten, nach Hause zu kommen und zu sagen: Nö, hatte bessere Themen. Das Schlagwort Realpolitik statt Moralpolitik ist natürlich auch ein Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber der derzeitigen Außenministerin. Söder wollte sicherlich innenpolitisch den Punkt setzen: Ich mache das anders als Baerbock. Und hier trafen sich seine Interessen mit denen seiner chinesischen Gastgeber: Der “Realpolitiker” Söder wird hofiert, die “Moralpolitikerin” Baerbock gemieden.

Ist das nicht leichtsinnig, ausgerechnet das derzeit insbesondere für uns Deutsche so komplizierte Verhältnis zu China mit innenpolitischen Ambitionen zu vermischen? 

Leichtsinnig vielleicht, aber sicherlich üblich. Und wäre Söder der Einzige, würde man vielleicht kritischer mit ihm umgehen. Aber eigentlich tun das alle. Wenn mit Agnes-Marie Strack-Zimmermann von der FDP die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses nach Taiwan reist, dann hat das auch eine innenpolitische Implikation. Und selbst wenn Baerbock eine menschenrechtsfreundliche Rede in Peking hält, tut sie das ihrerseits vor allem mit Blick auf die grüne Parteibasis, von der sie dann sicher sein kann, dass sie dafür Applaus erhält. Auch sie müsste eigentlich wissen, dass sie mit solchen moralisierenden Ansagen im Land selbst nichts bewirkt. China lässt sich von außen auf diese Art und Weise und schon gar nicht in einem kritisch-belehrenden Ton beeinflussen.

Ist es dann nicht Heuchelei, wenn SPD-Außenpolitiker Michael Roth Söder so scharf angeht? In der Vergangenheit haben viele deutsche Politiker in China beschönigende Auftritte über sich ergehen lassen. In den nächsten Wochen stehen weitere deutsche Politiker-Besuche an. 

Als Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik fühlt Herr Roth sich offensichtlich verpflichtet für seine Partei, die SPD, einen Unions-Ministerpräsidenten zu kritisieren, wenn dieser Dinge anstellt, die sich mit der derzeitigen Regierungspolitik nicht so ganz vertragen. Das sollten wir aber nicht überbewerten. Roths Aussage, Söders Reise sei krachend gescheitert, ist Unfug.

Wird die Kanzlerreise von Scholz Mitte April denn so viel anders laufen?

Natürlich nicht. Der Kanzler hat es bei seiner ersten Reise nach China im November 2022 bestens verstanden, Xi Jinpings Aussage zur Nichtführbarkeit eines Atomkrieges, als einen außenpolitischen Pluspunkt für sich darzustellen. So etwas Ähnliches will er jetzt mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wieder hinbekommen. Zugleich sollten wir nicht außer Acht lassen: Auch unsere chinesischen Freunde beobachten die Situation in Deutschland sehr genau. Und sie wissen um die Bedeutung Deutschlands für die Politik der EU. Wenn sie Herrn Söder einen solchen Auftritt bieten, weil er sich deutlich von der Chinapolitik von Frau Baerbock abheben will, dann ist das eben auch im chinesischen Interesse. Sie empfangen den bayerischen Ministerpräsidenten, sie empfangen den deutschen Bundeskanzler. Aber die Außenministerin hat es offensichtlich einigermaßen schwer, einen neuen Termin in Peking zu bekommen.

Dennoch ist ziemlich offensichtlich, dass China allen voran gegenüber Deutschland derzeit sehr charmant auftritt – nicht zuletzt, weil Pekings Verhältnis zu Washington sehr schlecht ist. Wie sollte der Kanzler auf diese Spaltpilzpolitik der Chinesen agieren?

Jede Regierung versucht, geopolitische Konstellationen zum eigenen Vorteil zu nutzen. China ist da nicht anders. Meines Erachtens sollte der Blick Europas nach China genauso kritisch sein wie der in die Vereinigten Staaten dieser Tage. Und das ist die große Herausforderung für europäische Politik: Uns muss wieder ein Re-Balancing in den Supermachtbeziehungen gelingen. Derzeit neigen wir aus Sorge um eine Rückkehr von Donald Trump dazu, die Vereinigten Staaten zu verklären, China sehen wir als aufsteigende Supermacht zu negativ. Wir Europäer sitzen irgendwo zwischen Baum und Borke und spüren nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich den wachsenden Druck aus den Vereinigten Staaten und den wachsenden Wettbewerb mit China. Eine erfolgversprechende Realpolitik müsste einen pragmatischen Umgang mit beiden Seiten finden. 

China hat vor kurzem mit seiner aggressiven Wolfskrieger-Diplomatie selbst deutsche Diplomaten äußerst unfreundlich behandelt. Jetzt plötzlich diese Charmeoffensive. Sollten wir uns wirklich auf dieses Hin- und Her einlassen?

Ich bin ich mir nicht sicher, ob wirklich Taktiererei dahinter steckt. Seit dem Ende der Pandemie ist die chinesische Reisediplomatie viel intensiver ist als die deutsche. China bemüht sich auf allen Ebenen um verbesserte Kontakte. Die deutsche Politik ist deutlich zögerlicher und unterstreicht: Wer sich zu nahe an China heran begibt, verbrennt sich die Finger. Auf chinesischer Seite herrscht dagegen der viel beschworene Pragmatismus. Dabei ist längst nicht alles, was China tut, richtig. Aber die Chinesen lernen aus ihren Fehlern. Das hat Staatspräsident Xi Jinping in einer entsprechenden Rede auch dokumentiert. Wolfskrieger auf Diplomaten anderer Länder loszulassen – der Schuss ging ganz offensichtlich nach hinten los. Wer hingegen freundschaftlich mit anderen Ländern umgeht, erntet auch mehr Entgegenkommen. Peking hat seine Wolfskrieger also zurückgepfiffen.

Sie meinen, der Charme ist durchaus ernst gemeint? 

Der Charme ist ernst gemeint, weil China begriffen hat, dass es mit Druck allein, das Erreichen seiner Interessen behindert. Unter dem Strich gibt es gerade mit den Europäern viele gemeinsame Interessen jenseits der Reizthemen, die derzeit immer auf der Tagesordnung stehen. Wenn wir an wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit denken, an Klimawandel, aber auch an Krieg und Frieden – wenn wir von China mehr Engagement etwa auch gegenüber Russland erwarten, ergibt es keinen Sinn, permanent nur auf chinesische Politik einzudreschen.

Wird sich China beim Russland-Ukraine-Krieg denn mehr einbringen?

Maximal symbolischin der Sache nicht wirklich. Eines muss man sehen: China ist selbst gespalten in dieser Frage. China hat kein Interesse, dass Russland verliert. Das würde die Position des Westens zu sehr stärken – zum Nachteil Chinas. Auf der anderen Seite hat die Führung in Peking aber auch kein Interesse daran, dass dieser Krieg eskaliert. Die weltwirtschaftlichen Auswirkungen würde man eben auch in China zu spüren bekommen. Und wirtschaftliche Probleme hat das Land momentan mehr als genug. 

Was glauben Sie, wird Scholz in Peking dieses Mal erreichen?

Scholz wird seine pragmatische Linie fortsetzen. Es wird ihm um Russland-Ukraine gehen, um wirtschaftliche Probleme. Vor allem will Scholz den Gesprächsdraht mit der chinesischen Spitze in wieder verstetigen. Die Pandemie hatte politisch einige negative Auswirkungen gehabt. Dass die Regierungen lange Zeit nur per Videokonferenz miteinander reden konnten, hat die zwischenmenschlichen Beziehungen, die auf der Spitzenebene sehr wichtig sind, verkümmern lassen. Das zu korrigieren, ist auf jeden Fall auch ein wichtiger Anlass dieser Reise.

Die Chinas Strategie, auf die sich die Ampelkoalition im vergangenen Jahr geeinigt hat – wird sie bei Scholz auf dieser Reise eine Rolle spielen? 

Nein, Strategiepapiere dienen nur der Diskussion. Das darf man sicher nicht unterschätzen. Das Beste, was erreicht wurde: Alle Bundesministerien haben erstmals wirklich konstruktiv miteinander über China geredet. Aber sobald sie verabschiedet ist, gilt: Ausdrucken, einmal lesen und in die Schublade legen.

Eberhard Sandschneider ist Ostasien-Experte und lehrt an der Freien Universität Berlin. Bis 2016 war er Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), bis 2017 gehörte er dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik an. Und er ist Partner des Beratungsinstituts “Berlin Global Advisors”.

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Analyse

Polyglotte Verkaufsmaschinen: Warum Livestream-Avatare in China auf dem Vormarsch sind

Livestreaming hat Chinas Gesellschaft durchdrungen. Rund 15 Millionen professionelle Influencer gehen laut der staatlichen China Netcasting Services Association (CNSA) täglich auf chinesischen Plattformen wie Douyin oder Kuaishou online. Vor durchschnittlich rund 700 Millionen Zuschauern teilen sie ihr Leben, tanzen, trainieren, lassen sich beim Essen oder Computerspielen beobachten – und regen zum Geldausgeben an.

Laut einer CNSA-Umfrage betrachten zwei von fünf Internetnutzern in China Kurzvideos und Livestreams heute als ihren “primären Konsumkanal”. Ein knappes Fünftel der gesamten Online-Einkäufe in der Volksrepublik entfielen 2023 auf Live-Streaming-E-Commerce, wie aus Daten des Handelsministeriums hervorgeht. Die Umsätze stiegen in den ersten zehn Monaten um fast 60 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2022 und erreichten umgerechnet rund 304 Milliarden US-Dollar.

Dank Vorbildern wie Li Jiaqi und Viya verspricht der Job des Livestreaming-Influencers in China Pop-Star-Ruhm. Eine Umfrage unter 10.000 jungen Menschen auf Weibo ergab, dass mehr als 60 Prozent an einer Tätigkeit als Influencer oder Livestreamer interessiert wären. Spezielle Akademien haben sich mittlerweile auf ihre Ausbildung spezialisiert. Sie lernen dort das Handwerk des Moderierens und Verkaufens und wie sie die Videos technisch am besten in Szene setzen.

Automatisierter Knochenjob

Die Industrie stellt hohe Ansprüche an ihre Talente. Wie kann man rund um die Uhr online sein? Wie kann man möglichst billig und in möglichst kurzer Zeit das Maximum an Waren verkaufen? Für viele ist Livestreaming vor allem ein Knochenjob am Rande des Burn-out. Viele Firmen stöhnen ebenfalls: Umso bekannter ein Influencer ist, umso mehr Verkaufs-Kommission müssen sie abdrücken. Auch deshalb setzt die Branche mehr und mehr auf Künstliche Intelligenz.

Firmen wie Xiaoice (chin. 微软小冰) bieten Deepfake-Avatare an, die den Job mit wenig Aufwand erledigen. Dafür muss man nur ein Sample-Video einreichen, aus dem dann ein Klon erstellt wird. Kostenpunkt: um die 1.000 Euro. Auf den ersten Blick merkt man den Unterschied kaum. Erst bei näherem Hinsehen passen die Lippenbewegungen mitunter nicht zum Ton, und die Bewegungen wirken roboterhaft. Die Avatare von der Stange können bei ihrer Produktpräsentation nur allereinfachste Tätigkeiten ausführen, keine Kleider wechseln, sich hinlegen oder realistisch miteinander interagieren. Aber die Technik wird immer besser. Durch Übersetzungs-Tools von Firmen wie Silicon Intelligence (硅基智能) aus Nanjing können die Avatare zudem simultan in mehreren Sprachen agieren. Eine Chance für chinesische Anbieter, über die Grenzen hinaus fremde Märkte zu erobern, in denen Ökosysteme für das Livestreaming so noch nicht existieren.

“Viele unserer Kunden sind daran interessiert, grenzüberschreitenden E-Commerce in Südostasien zu betreiben. Die Nachfrage ist sehr groß”, sagt Huang Wei, Leiter des Geschäfts für virtuelle Influencer bei Xiaoice im Interview mit der Zeitschrift MIT Technology Review. Traditionelle E-Commerce-Websites wirken auf die meisten Kunden wie ein “Regal mit Waren”, sagt Huang. Beim Livestreaming gebe es eine stärkere emotionale Verbindung zwischen dem Host und den Zuschauern, was wiederum den Verkauf ankurbele. Für die Firmen wird Livestreaming so deutlich billiger. Selbst die Skripte und Aufsager werden vielerorts mittlerweile mit KI-Tools geschrieben.

Alltag und Science Fiction

In China kommen die KI-Avatare bereits tausendfach zum Einsatz. Tech-Platzhirsche wie Alibaba, Tencent, Baidu und JD haben ebenfalls Programme auf den Weg gebracht, um eigene KI-Streamer zu erstellen. Vergangenen September hat Taobao, Chinas größte digitaler Einzelhandelsplattform, etwa einen KI-gesteuerten Chatbot vorgestellt, der den Online-Shopper beim Kauf berät.

Auch mit KI-generierten Nachrichtensprechern und virtuellen Schaufensterpuppen wird in der Volksrepublik seit einer Weile experimentiert. Hinzu kommen Projekte, die noch nach Science-Fiction klingen, aber immer mehr Gestalt annehmen: digitale Lebenspartner, wiederauferstandene Verstorbene und digitale Doppelgänger für Online-Konferenzen. Laut einer Analyse des indischen Marktforschungsunternehmens Vision Research Reports könnte der Weltmarkt für digitale Avatare bis zum Jahr 2032 einen Wert von über 682 Milliarden Dollar erreichen.

Identität zu verkaufen

Obwohl Samsung und Microsoft ebenfalls mehr oder weniger fotorealistische Avatare am Start haben, sieht es momentan nicht so aus, als würde die Technologie bald in vergleichbarem Umfang bei uns Einzug halten. Zum einen liegt das an den Risiken, die man im Westen mit Deepfake-Technologie assoziiert: Fake-News, Rache-Pornografie, Betrug und Verleumdung können durch lebensechte Avatare erleichtert werden.

Wer Angst davor hat, ein gläserner Bürger zu werden, wird seine optische Identität auch eher nicht so leichtfertig in den KI-Pool eines Tech-Unternehmens werfen wollen. Zum anderen gehen Livestreaming, Social Media und E-Commerce bei uns nicht Hand in Hand wie in China. Weder Meta noch Amazon konnten bisher erfolgreich eigene Live-Shopping-Kanäle lancieren.

Während die chinesische Industrie die KI-Klone mit offenen Armen rekrutiert, existiert von staatlicher Seite durchaus ein Problembewusstsein für die potenziellen Risiken. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die chinesische Regierung einen Leitlinien-Entwurf für Unternehmen, die generative KI-Technologie anbieten und einsetzen. Die vorgeschlagenen Vorschriften besagen zum Beispiel, dass Personen, die mithilfe von KI geklont werden sollen, schriftlich ihr Einverständnis geben müssen. KI-Inhalte müssen zudem für die Öffentlichkeit als solche gekennzeichnet werden.

Doch es sind umfassendere Regelwerke nötig, um sich den Entwicklungen anzupassen. Mit immer größeren Bandbreiten könnten sich schon bald nicht mehr nur Personen, sondern ganze Szenarien realistisch wiedergeben lassen. Der KI-Experte Kai-Fu Lee schreibt in seinem jüngsten Buch, einem Zukunftsausblick ins Jahr 2041, dass Programme, die Deepfakes identifizieren, bald so normal sein werden wie Anti-Viren-Software.

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News

Gegen China: Pazifik-Pakt Aukus soll erweitert werden

Das pazifische Militärbündnis Aukus soll einem Zeitungsbericht zufolge als Gegengewicht zu China um weitere Staaten erweitert werden. Die drei Aukus-Länder Australien, USA und Großbritannien würden am Montag entsprechende Pläne bekannt geben, schreibt die “Financial Times” (FT). Im Blick sind dabei offenbar die Philippinen und – vor allem auf Betreiben der USA – Japan.

Der US-Botschafter in Tokio, Rahm Emanuel, schrieb am Mittwoch im “Wall Street Journal”, dass Japan auf dem Weg sei, der nächste Partner von Aukus zu werden. Ein Mitarbeiter der US-Regierung sagte ebenfalls vergangenen Mittwoch Reuters, dass in der kommenden Woche eine Ankündigung zur Rolle Japans zu erwarten sei. US-Präsident Joe Biden, der philippinische Präsident Ferdinand Marcos sowie der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida wollen sich am Donnerstag treffen.

Ein Sprecher des australischen Verteidigungsministeriums erklärte zu dem FT-Bericht, dass Minister Richard Marles bereits öffentlich und gegenüber Japan erklärt habe, dass man Möglichkeiten suche, um weitere Partner in Aukus einzubinden. “Japan ist ein unverzichtbarer Verteidigungspartner für Australien“, sagte der Sprecher.

Die USA möchten Japan ins Bündnis aufnehmen, sehen aber noch Nachholbedarf. So müsse das Land bei der Cyber-Sicherheit und dem Schutz von Geheiminformationen besser werden. Vize-Außenminister Kurt Campbell sagte: “Japan hat einige Schritte übernommen, aber nicht alle.”

Die 2021 gegründete Allianz Aukus hat bereits vereinbart, dass Australien mit Atom-U-Booten ausgerüstet wird. Aukus gilt auch als Schutz für Taiwan, das China als abtrünnige Republik ansieht und wo seit längerem eine Invasion befürchtet wird. rtr

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Yellen und Li hoffen auf bessere Zusammenarbeit

US-Finanzministerin Janet Yellen hat bei ihrem Besuch in China gegenüber Ministerpräsident Li Qiang die Fähigkeit ihrer beiden Länder gelobt, schwierige Gespräche führen zu können. Dies habe die beiden wirtschaftlichen Supermächte im vergangenen Jahr auf eine “stabilere Grundlage” gestellt. “Das bedeutet nicht, dass wir unsere Differenzen ignorieren oder schwierigen Gesprächen aus dem Weg gehen. Es bedeutete, dass wir verstanden haben, dass wir nur dann Fortschritte machen können, wenn wir direkt und offen miteinander kommunizieren“, so Yellen.

Zum Auftakt ihres Treffens in Peking sagte Li: “China hofft aufrichtig, dass beide Länder Partner sein werden und keine Gegner.” Er fügte hinzu, dass während Yellens Reise “konstruktive Fortschritte” gemacht worden seien.

Yellen hat die Diskussion über die Bedrohung der Hersteller in den USA und anderen Ländern durch die chinesische Überproduktion von Elektrofahrzeugen, Solarpanelen und anderen Clean-Energy-Produkten zum Schwerpunkt ihres zweiten Besuchs in China innerhalb von neun Monaten gemacht. “Ich glaube, dass wir über das vergangene Jahr hinweg unsere bilateralen Beziehungen auf eine stabilere Grundlage gestellt haben”, sagte Yellen. flee/rtr

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Russischer Außenminister Lawrow ist auf Stippvisite in Peking

Russlands Außenminister Sergej Lawrow befindet sich auf dem Weg nach China. Lawrow werde am Montag und Dienstag zu “einem offiziellen Besuch” in Peking sein, erklärte sein Ministerium in Moskau. Dabei werde er seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi treffen. Das chinesische Außenministerium bestätigte Lawrows Visite.

Die beiden Politiker wollen der Nachrichtenagentur AFP zufolge über “drängende Themen” beraten, erklärte das russische Außenministerium. Dabei nannte es die “ukrainische Krise und die Situation im asiatisch-pazifischen Raum”.  

Offiziell nimmt China Im Ukraine-Krieg eine neutrale Position ein. Seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine vor mehr als zwei Jahren haben beide Seiten ihre Partnerschaft massiv intensiviert. China beliefert Russland mit all den Waren, die der Westen wegen der Sanktionen nicht mehr liefert. China ist inzwischen der wichtigste Handelspartner Russlands. flee

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Übernahme zeigt Interesse an chinesischen Biotech-Firmen

Das dänische Biotech-Unternehmen Genmab AS übernimmt das von dem chinesischen Biologen und Pharmakologen Zhao Baiteng gegründete Unternehmen ProfoundBio. Die Übernahme zu einem Preis von stolzen 1,8 Milliarden US-Dollar werde das firmeneigene Onkologie-Portfolio erweitern und stärken, teilte Genmab in Kopenhagen mit.

Profound Bio entwickelt derzeit neuartige Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Antibody Drug Conjugates/ADCs) für die Behandlung bestimmter Krebsarten, darunter Eierstockkrebs. Diese Konjugate verbinden in der Krebstherapie ein Chemotherapeutikum mit einem spezifischen Antikörper und einem Linker, der beide Komponenten miteinander verbindet. Durch die Übernahme erhält Genmab die weltweiten Rechte an ProfoundBios ADC-Portfolio, das aus drei klinischen und mehreren präklinischen Programmen besteht. ProfoundBio hat seinen Hauptsitz in Seattle und betreibt ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Suzhou.

Der Deal zeige einmal mehr das wachsende Interesse ausländischer Pharmaunternehmen an chinesischen oder von Chinesen gegründeten Biotech-Unternehmen, kommentierte das Wirtschaftsmagazin Caixin. Demnach gab es in den vergangenen Monaten mehrere ähnliche Akquisitionen:

  • Im Dezember vereinbarte der britisch-schwedische Biopharma-Konzern AstraZeneca die Übernahme des in China ansässigen Biopharmazieunternehmens Gracell Biotechnologies. Die Transaktion erfolgte 2024.
  • Im Januar gab das auf Nierenkrankheiten spezialisierte chinesische Biotech-Unternehmen SanReno Therapeutics seine Übernahme durch das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis bekannt.
  • Das US-Unternehmen Nuvation Bio Inc. erwarb im März Anteile an dem chinesischen Biotech-Unternehmen AnHeart Therapeutics. ck
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Presseschau

Militärallianz gegen China bekommt wohl Zuwachs N-TV
China schickt “Kampfpatrouillen” ins Südchinesische Meer N-TV
Russia’s Lavrov to visit China to discuss Ukraine war REUTERS
Ökonomisches Ringen: USA und China – Annäherung statt Abgrenzung? TAGESSCHAU
US-Finanzministerin in China: Yellen lobt “offene und konstruktive” Gespräche TAGESSCHAU
Yellen on meeting with Chinese premier: We put “our bilateral relationship on more stable footing” THE HILL
Chipindustrie: “Kein einziges chinesisches Chipunternehmen hat jemals Geld verdient” ZEIT
China: Ermittlungen gegen dritten ehemaligen Justizminister FAZ
China central bank to set up $70 billion tech re-lending programme REUTERS
Rettungseinsatz in Taiwan: Eingeschlossene Menschen nach Beben befreit N-TV
Südostasien: Wie das Geld aus China das kleine Laos verändert SPIEGEL

Heads

Jackie Chan: Chinas Nationalheld wird 70

Jackie Chan auf dem roten Teppich des Red Sea Film Festival in Saudi Arabien im Dezember 2022.

Vergangenen Monat ging auf Chinas Social-Media-Kanälen ein Foto von Jackie Chan viral. Der Schauspieler sei schockierend gealtert, kommentierten Netizens das Bild, das bei einer Veranstaltung in der Provinz Sichuan aufgenommen wurde. Sein Haar sei so grau und dünn. Der einst so vitale Action-Held sei eben auch nur ein Mensch, schrieben User, die mit seinen Filmen aufgewachsen waren. Heute feiert Chan seinen 70. Geburtstag. Sein unerschütterliches Lächeln auf besagtem Foto straft die Sorgen seiner Fans Lügen. Er habe noch viel vor, sagte er im Januar in einem Interview mit dem Magazin “Harper’s Bazaar”. Mindestens zehn weitere Filme stünden an, darunter der vierte Teil der nicht totzukriegenden “Karate-Kid”-Reihe.

Chan hat neben Bruce Lee wie kein anderer die fernöstliche Kampfkunst einem internationalen Publikum nähergebracht. In China ist er eine kulturelle Ikone. Er hat Memes und Internet-Slang beeinflusst, als Pop-Sänger Erfolge gefeiert, sich als Wohltäter und Anti-Drogenbeauftragter eingesetzt. In Shanghai gibt es ein Museum dass seinem Lebenswerk gewidmet ist. Das Verhältnis zu seinen (unehelichen) Kindern Jaycee und Etta beherrscht noch immer die Klatsch- beziehungsweise Kommentarspalten auf Plattformen wie Weibo, wo Chan selbst sehr aktiv ist. In den letzten Jahren hat er seine Social-Media-Kanäle zunehmend genutzt um sich von alten Weggefährtinnen und Weggefährten wie Coco Lee oder Kenneth Tsang zu verabschieden. Wohl auch deshalb zählen Fans ängstlich jedes neue graue Haar auf seinem Kopf.

Halsbrecherischer Slapstick

Jackie Chan kam 1957 als Chen Gangsheng 陳港生 in Hongkong zur Welt. Seine Eltern waren in den 1930er-Jahren aus den chinesischen Bürgerkriegswirren nach Hongkong geflüchtet. In der britischen Kolonie verdienten sie ihr Geld als Dienstmädchen und Koch der Elite. Als junger Mann studierte Jackie Chan an der China Drama Academy Akrobatik, Kampfkunst und Schauspielerei. Den Martial-Arts-Boom der Hongkonger Filmindustrie in den 1970er-Jahren erlebte er im Schatten seines Vorbilds Bruce Lee zunächst in Nebenrollen. Beharrlich kämpfte er sich jedoch mehr und mehr ins Rampenlicht, was auch mit seinen halsbrecherischen Stunts zu tun hatte, für er sich in der Regel nicht doublen ließ. In den 1980ern perfektionierte Chan seinen eigenen Stil, eine Mischung aus Slapstick und durchchoreografierten Kampfszenen, die in Filmen wie “Drunken Master” auch auf dem wichtigen japanischen Film-Markt erfolg- und einflussreich war.

Nach mehreren Anläufen gelang ihm 1998 mit “Rush Hour” der Durchbruch im Westen. Die klamaukige Buddy-Cop-Komödie gilt als Kult. Der dort dargestellte Culture Clash zwischen einem chinesischen und einem amerikanischen Polizisten ist bis zur Schmerzgrenze reich an Klischees. Doch gerade deshalb wird dem Film eine Vorbildfunktion für die kulturell verkniffene Political Correctness der Gegenwart attestiert: Damals habe man sich noch nicht so ernst genommen. Die Neugier an einer anderen Kultur drücke sich eben manchmal in provokanten Witzen aus. Und die beruhten in “Rush Hour” schließlich auf Gegenseitigkeit: Chans Figur des Detective Lee teilte ebenso gegen die Amerikaner aus wie der von Chris Tucker gespielte Detective Carter gegen die Chinesen. Am Ende hätten sich beide Figuren solidarisch miteinander verbündet und Seite an Seite gegen das Böse in der Welt gekämpft. Ein Vorbild gar für die amerikanisch-chinesischen Beziehungen?

Als Partei-Promi in der alten Heimat verhasst

Jenseits der Leinwand taugt Jackie Chan als kultureller Botschafter tatsächlich nur bedingt. Zwischen 2013 und 2023 war er Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz und beriet in dieser Funktion den Nationalen Volkskongress in den bekanntlich nach wie vor recht zensierten Bereichen “Kunst und Literatur”. Offizielles Parteimitglied wurde Chan nicht, obwohl er mehrfach öffentlich sein Interesse bekundet hatte. Sein Lebensstil in den 1980er-und 1990er-Jahren, der von “Alkohol, Glücksspiel und Prostituierten” geprägt gewesen sei, dürfte dazu beigetragen haben, dass Peking ihn zwar gerne als Ehrengast zu TV-Galas und anderen Propaganda-Veranstaltungen einlädt, ihn aber doch nicht auf Augenhöhe in die eigenen Reihen aufnehmen möchte.

In seiner Heimatstadt Hongkong hat Chan es sich mit vielen verdorben. Die Proteste im Jahr 2019 nannte er im chinesischen Staatssender CGTN “traurig und deprimierend”. Die jungen Leute wüssten erst, dass “Sicherheit, Stabilität und Frieden” so wichtig seien wie frische Luft, wenn sie sie verloren hätten. Dabei war er selbst einst Unterstützer der Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989. Damals versuchte er gerade den boomenden Home-Video-Markt im Westen zu knacken.

Chan war immer dort, wo er sich die besten Chancen ausrechnete. Und das war spätestens nach den Olympischen Spielen, bei denen er 2008 als Fackelträger diente, die Volksrepublik. “Ich habe viele Länder besucht, und ich kann sagen, dass sich unser Land in den letzten Jahren schnell entwickelt hat. Ich bin stolz darauf, Chinese zu sein, wo immer ich hingehe, und die ‘Rote Fünf-Sterne-Flagge’ wird überall auf der Welt respektiert”, sagte er 2019.

Seinen 60. Geburtstag feierte Chan vor zehn Jahren mit einer großen Party, die fünf Tage dauerte. Es seien mehr Stars gekommen als bei der jährlichen Springfestival-Gala auf CCTV, schrieb eine chinesische Zeitung damals. Dieses Jahr begeht der Star das runde Jubiläum offenbar in kleinerem Kreis. Auch Nationalhelden werden eben älter. Fabian Peltsch

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Personalien

Xi Jinping hat gemäß einer Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses folgende Botschafter abberufen und ernannt: 

Cao Zhongming wird Botschafter in Singapur und löst damit Sun Haiyan ab. Ji Ping wurde zum Botschafter in Madagaskar ernannt und löst damit Guo Xiaomei ab. Zhang Bin wird Botschafter in Angola und löst damit Gong Tao ab. Xu Xueyuan wird zum Botschafter in Panama und löst damit Wei Qiang ab. 

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Zur Sprache

Hirnmelonen und romantische Rüben

恋爱脑 – liàn’àinǎo – Romantik-Rübe

Wie sind Ihre Hirnwindungen so verschaltet? Sind all Ihre Synapsen hoffnungslos auf Romantik gepolt? Ihnen sind Herzensfragen so zu Kopf gestiegen, dass ein Großteil ihrer Gedankengänge um den oder die Liebste kreist?

Seziert mit dem sprachlichen Skalpell des Mandarin folgert Chinas Netzgemeinde in solchen Fällen messerscharf: Sie haben (und sind) ein 恋爱脑 liàn’àinǎo – ein “Lovebrain” (von 恋爱 liàn’ài “lieben; Liebe” + 脑 nǎo “Gehirn”). Auf Deutsch heißt das: ein hoffnungsloser Romantiker beziehungsweise blind vor Liebe. Solche Romantik-Rüben mit rosaroter Brille kennen wir schließlich auch in unseren Breiten: absolute Beziehungsmenschen eben, für welche das Schatzi immer und ausschließlich an erster Stelle kommt.

Natürlich findet man zwischen menschlichen Schläfen aber auch noch anders geartete Denkorgane. Zum Beispiel Arbeitsgehirne (工作脑 gōngzuònǎo) beziehungsweise Karriere-Oberstübchen (事业脑 shìyènǎo). Wessen graue Zellen so ticken, der hat nur eines im Kopf: Beruf und Beförderung.

Wem hingegen Buddys und Busenfreundinnen über alles gehen, bei dem schaltet und waltet höchstwahrscheinlich ein Freundschaftshirn (友情脑 yǒuqíngnǎo) unter der Schädeldecke. Und wem stattdessen im sozialen Miteinander immer nur “das eine” im Kopf herumspukt, den klassifiziert Chinas Netzjargon als 性缘脑 xìngyuánnǎo (von 性 xìng “Sex, sexuell” + 缘 yuán “Grund, Absicht”). Eine etwas nebulöse Umschreibung für Sexaholics.

Öffnet eure Hirnhöhle

Wenn Sie nun Ihre Romantik-Rübe auf andere Gedanken bringen möchten, bietet es sich an, die Hirnwindungen mit ein paar weiteren Chinesisch-Vokabeln rund um das Thema “graue Masse” zu trainieren. Das “elektrische Gehirn” (电脑 diànnǎo) für “Computer” haben Sie sich sicherlich schon längst ins Hirn gehämmert. Vielleicht ist ja aber noch ein bisschen Platz in der Birne, pardon in der Melone (脑瓜 nǎoguā “Hirnmelone” – umgangssprachlich für “Kopf”), für das chinesische Pendant zu “nicht mehr alle Tassen im Schrank haben”. Im Reich der Mitte spricht man hier von “Wasser im Kopp” (脑子进水了 nǎozi jìnshuǐ le – ganz wörtlich: “es ist Wasser in den Kopf gesickert”).

Achtung aber: das hat sprachlich rein gar nichts mit Gehirnwäsche zu tun. Die lässt sich nämlich vom Deutschen quasi eins-zu-eins ins Mandarin übersetzen als 洗脑 xǐnǎo “das Gehirn waschen”.

Es zeigt sich also mal wieder, dass der Blick in eine fremde Sprache durchaus inspirierend sein kann. Oder wie der Chinese sagen würde: die Hirnhöhle öffnet (开脑洞 kāi nǎodòng “inspirieren, verblüffende neue Denkanstöße geben”). Wenn Sie also das nächste Mal auf der Suche nach guten Ideen in ihrem “Ozean” zwischen den Ohren sind (脑海 nǎohǎi – wörtlich “Hirn-Meer”, im übertragenen Sinne “Geist, Gedanken”) oder sich zur Lösung komplizierter Beziehungsfragen verzweifelt die Hirnsäfte auswringen (绞脑汁 jiǎo nǎozhī “sich das Hirn zermartern / den Kopf zerbrechen”), entschlüsseln Sie doch einfach zur Entspannung einige bildhafte chinesische Wörter, um auf andere Gedanken zu kommen.

Manchmal hilft gegen kreative Watte im Kopf aber auch einfach eine Schüssel “Tofugehirn” (豆腐脑 dòufunǎo). Keine Angst. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine kulinarische Mutprobe, sondern um eine schmackhafte (und völlig hirnfreie) Spezialität aus zart weichem Tofu, die es zudem – je nach Region – sowohl in süßer als auch in deftiger Ausführung gibt. Am Ende steigt Liebe eben vielleicht doch nicht nur zu Kopf, sondern geht auch durch den Magen.

Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    “Realpolitik statt Moralpolitik”, sei sein Credo, verteidigte Markus Söder seine viel kritisierte China-Reise Ende März. China-Kenner Eberhard Sandschneider sieht in solchen Besuchen vor allem den Versuch, innenpolitisch zu punkten. “Das war natürlich auch ein Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber der derzeitigen Außenministerin”, erklärt er im Gespräch mit Felix Lee. Die Botschaft: Hände schütteln, Pandas küssen und Verträge unterzeichnen ist erfolgversprechender als Baerbocks erhobener Zeigefinger.

    Auch die kommende Scholz-Reise müsse man in diesem Licht betrachten. Der Kanzler will möglichst viele Pluspunkte sammeln, etwa mit der Frage, wie man den Ukraine-Krieg beendet. Sandschneider empfiehlt dafür “eine sinnvolle Realpolitik”, bei der auch die Chinesen ihr Gesicht und ihre Interessen wahren können. Das bedeute in der Konsequenz aber auch, die USA nicht zu verklären und China nicht zu sehr zu verdammen.

    Livestreaming ist in vielen Ländern eine angesagte Art der Unterhaltung. Aber in keinem anderen Land erfreut es sich so großer Beliebtheit wie in China. Allerdings ist es für viele Influencer sehr anstrengend, regelmäßig stundenlang vor der Kamera zu stehen, um zum Beispiel Kosmetikprodukte zu bewerben. Künstliche Intelligenz soll ihre Arbeit erleichtern – und für die Auftraggeber billiger machen. Deepfake-Avatare sind in China bereits tausendfach im Einsatz. Nun könnten sie zum Exportschlager werden.

    Einen guten Start in die Woche wünscht

    Ihr
    Fabian Peltsch
    Bild von Fabian  Peltsch

    Interview

    Ostasien-Experte: “Wir sehen China als aufsteigende Supermacht zu negativ”

    Eberhard Sandschneider ist Leiter des Arbeitsschwerpunktes Politik China und Ostasiens an der Freien Universität Berlin und Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung. Hier schreibt er über China-Bashing und die Implikationen.
    Eberhard Sandschneider ist Politikwissenschaftler und Ostasien-Experte. Bis 2017 gehörte er dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik an.

    Herr Sandschneider, schöne Bilder mit knuffigen Pandabären, Empfang durch den Premier, Verleihung eines Ehrendoktors – hat sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei seinem Besuch vor zwei Wochen zu sehr von China einlullen lassen?

    Die Bilder sind deutlich: Der bayerische Ministerpräsident hat seinen Ausflug auf die große Bühne der Weltpolitik sichtlich genossen. Und China hat ihm diese Bühne geboten: Bayern auf Augenhöhe mit dem Reich der Mitte? Na ja! Bei Reisen von deutschen Ministerpräsidenten geht es nicht nur um politische Gespräche, sondern auch um Bilder für die Daheimgebliebenen. Und da hat Söder sicherlich eine nette Reise hinter sich gebracht.

    Söder selbst sagt, er habe auch kritische Themen angesprochen. Zugleich lautete sein Credo: “Real- statt Moralpolitik” – und hat mit diesem Satz daheim viel Kritik auf sich gezogen.

    Man kann natürlich nicht überprüfen, was er tatsächlich angesprochen hat und wie kritisch er dabei gewesen ist. Aus Erfahrung allerdings weiß man, dass es zum Ritual von deutschen Politikern gehört, dass sie bei ihren China-Reisen bestimmte Reizthemen ansprechen: Menschenrechte gehören dazu, und in den letzten Jahren auch die Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang. Kein Politiker kann es sich leisten, nach Hause zu kommen und zu sagen: Nö, hatte bessere Themen. Das Schlagwort Realpolitik statt Moralpolitik ist natürlich auch ein Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber der derzeitigen Außenministerin. Söder wollte sicherlich innenpolitisch den Punkt setzen: Ich mache das anders als Baerbock. Und hier trafen sich seine Interessen mit denen seiner chinesischen Gastgeber: Der “Realpolitiker” Söder wird hofiert, die “Moralpolitikerin” Baerbock gemieden.

    Ist das nicht leichtsinnig, ausgerechnet das derzeit insbesondere für uns Deutsche so komplizierte Verhältnis zu China mit innenpolitischen Ambitionen zu vermischen? 

    Leichtsinnig vielleicht, aber sicherlich üblich. Und wäre Söder der Einzige, würde man vielleicht kritischer mit ihm umgehen. Aber eigentlich tun das alle. Wenn mit Agnes-Marie Strack-Zimmermann von der FDP die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses nach Taiwan reist, dann hat das auch eine innenpolitische Implikation. Und selbst wenn Baerbock eine menschenrechtsfreundliche Rede in Peking hält, tut sie das ihrerseits vor allem mit Blick auf die grüne Parteibasis, von der sie dann sicher sein kann, dass sie dafür Applaus erhält. Auch sie müsste eigentlich wissen, dass sie mit solchen moralisierenden Ansagen im Land selbst nichts bewirkt. China lässt sich von außen auf diese Art und Weise und schon gar nicht in einem kritisch-belehrenden Ton beeinflussen.

    Ist es dann nicht Heuchelei, wenn SPD-Außenpolitiker Michael Roth Söder so scharf angeht? In der Vergangenheit haben viele deutsche Politiker in China beschönigende Auftritte über sich ergehen lassen. In den nächsten Wochen stehen weitere deutsche Politiker-Besuche an. 

    Als Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik fühlt Herr Roth sich offensichtlich verpflichtet für seine Partei, die SPD, einen Unions-Ministerpräsidenten zu kritisieren, wenn dieser Dinge anstellt, die sich mit der derzeitigen Regierungspolitik nicht so ganz vertragen. Das sollten wir aber nicht überbewerten. Roths Aussage, Söders Reise sei krachend gescheitert, ist Unfug.

    Wird die Kanzlerreise von Scholz Mitte April denn so viel anders laufen?

    Natürlich nicht. Der Kanzler hat es bei seiner ersten Reise nach China im November 2022 bestens verstanden, Xi Jinpings Aussage zur Nichtführbarkeit eines Atomkrieges, als einen außenpolitischen Pluspunkt für sich darzustellen. So etwas Ähnliches will er jetzt mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wieder hinbekommen. Zugleich sollten wir nicht außer Acht lassen: Auch unsere chinesischen Freunde beobachten die Situation in Deutschland sehr genau. Und sie wissen um die Bedeutung Deutschlands für die Politik der EU. Wenn sie Herrn Söder einen solchen Auftritt bieten, weil er sich deutlich von der Chinapolitik von Frau Baerbock abheben will, dann ist das eben auch im chinesischen Interesse. Sie empfangen den bayerischen Ministerpräsidenten, sie empfangen den deutschen Bundeskanzler. Aber die Außenministerin hat es offensichtlich einigermaßen schwer, einen neuen Termin in Peking zu bekommen.

    Dennoch ist ziemlich offensichtlich, dass China allen voran gegenüber Deutschland derzeit sehr charmant auftritt – nicht zuletzt, weil Pekings Verhältnis zu Washington sehr schlecht ist. Wie sollte der Kanzler auf diese Spaltpilzpolitik der Chinesen agieren?

    Jede Regierung versucht, geopolitische Konstellationen zum eigenen Vorteil zu nutzen. China ist da nicht anders. Meines Erachtens sollte der Blick Europas nach China genauso kritisch sein wie der in die Vereinigten Staaten dieser Tage. Und das ist die große Herausforderung für europäische Politik: Uns muss wieder ein Re-Balancing in den Supermachtbeziehungen gelingen. Derzeit neigen wir aus Sorge um eine Rückkehr von Donald Trump dazu, die Vereinigten Staaten zu verklären, China sehen wir als aufsteigende Supermacht zu negativ. Wir Europäer sitzen irgendwo zwischen Baum und Borke und spüren nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich den wachsenden Druck aus den Vereinigten Staaten und den wachsenden Wettbewerb mit China. Eine erfolgversprechende Realpolitik müsste einen pragmatischen Umgang mit beiden Seiten finden. 

    China hat vor kurzem mit seiner aggressiven Wolfskrieger-Diplomatie selbst deutsche Diplomaten äußerst unfreundlich behandelt. Jetzt plötzlich diese Charmeoffensive. Sollten wir uns wirklich auf dieses Hin- und Her einlassen?

    Ich bin ich mir nicht sicher, ob wirklich Taktiererei dahinter steckt. Seit dem Ende der Pandemie ist die chinesische Reisediplomatie viel intensiver ist als die deutsche. China bemüht sich auf allen Ebenen um verbesserte Kontakte. Die deutsche Politik ist deutlich zögerlicher und unterstreicht: Wer sich zu nahe an China heran begibt, verbrennt sich die Finger. Auf chinesischer Seite herrscht dagegen der viel beschworene Pragmatismus. Dabei ist längst nicht alles, was China tut, richtig. Aber die Chinesen lernen aus ihren Fehlern. Das hat Staatspräsident Xi Jinping in einer entsprechenden Rede auch dokumentiert. Wolfskrieger auf Diplomaten anderer Länder loszulassen – der Schuss ging ganz offensichtlich nach hinten los. Wer hingegen freundschaftlich mit anderen Ländern umgeht, erntet auch mehr Entgegenkommen. Peking hat seine Wolfskrieger also zurückgepfiffen.

    Sie meinen, der Charme ist durchaus ernst gemeint? 

    Der Charme ist ernst gemeint, weil China begriffen hat, dass es mit Druck allein, das Erreichen seiner Interessen behindert. Unter dem Strich gibt es gerade mit den Europäern viele gemeinsame Interessen jenseits der Reizthemen, die derzeit immer auf der Tagesordnung stehen. Wenn wir an wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit denken, an Klimawandel, aber auch an Krieg und Frieden – wenn wir von China mehr Engagement etwa auch gegenüber Russland erwarten, ergibt es keinen Sinn, permanent nur auf chinesische Politik einzudreschen.

    Wird sich China beim Russland-Ukraine-Krieg denn mehr einbringen?

    Maximal symbolischin der Sache nicht wirklich. Eines muss man sehen: China ist selbst gespalten in dieser Frage. China hat kein Interesse, dass Russland verliert. Das würde die Position des Westens zu sehr stärken – zum Nachteil Chinas. Auf der anderen Seite hat die Führung in Peking aber auch kein Interesse daran, dass dieser Krieg eskaliert. Die weltwirtschaftlichen Auswirkungen würde man eben auch in China zu spüren bekommen. Und wirtschaftliche Probleme hat das Land momentan mehr als genug. 

    Was glauben Sie, wird Scholz in Peking dieses Mal erreichen?

    Scholz wird seine pragmatische Linie fortsetzen. Es wird ihm um Russland-Ukraine gehen, um wirtschaftliche Probleme. Vor allem will Scholz den Gesprächsdraht mit der chinesischen Spitze in wieder verstetigen. Die Pandemie hatte politisch einige negative Auswirkungen gehabt. Dass die Regierungen lange Zeit nur per Videokonferenz miteinander reden konnten, hat die zwischenmenschlichen Beziehungen, die auf der Spitzenebene sehr wichtig sind, verkümmern lassen. Das zu korrigieren, ist auf jeden Fall auch ein wichtiger Anlass dieser Reise.

    Die Chinas Strategie, auf die sich die Ampelkoalition im vergangenen Jahr geeinigt hat – wird sie bei Scholz auf dieser Reise eine Rolle spielen? 

    Nein, Strategiepapiere dienen nur der Diskussion. Das darf man sicher nicht unterschätzen. Das Beste, was erreicht wurde: Alle Bundesministerien haben erstmals wirklich konstruktiv miteinander über China geredet. Aber sobald sie verabschiedet ist, gilt: Ausdrucken, einmal lesen und in die Schublade legen.

    Eberhard Sandschneider ist Ostasien-Experte und lehrt an der Freien Universität Berlin. Bis 2016 war er Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), bis 2017 gehörte er dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik an. Und er ist Partner des Beratungsinstituts “Berlin Global Advisors”.

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    Analyse

    Polyglotte Verkaufsmaschinen: Warum Livestream-Avatare in China auf dem Vormarsch sind

    Livestreaming hat Chinas Gesellschaft durchdrungen. Rund 15 Millionen professionelle Influencer gehen laut der staatlichen China Netcasting Services Association (CNSA) täglich auf chinesischen Plattformen wie Douyin oder Kuaishou online. Vor durchschnittlich rund 700 Millionen Zuschauern teilen sie ihr Leben, tanzen, trainieren, lassen sich beim Essen oder Computerspielen beobachten – und regen zum Geldausgeben an.

    Laut einer CNSA-Umfrage betrachten zwei von fünf Internetnutzern in China Kurzvideos und Livestreams heute als ihren “primären Konsumkanal”. Ein knappes Fünftel der gesamten Online-Einkäufe in der Volksrepublik entfielen 2023 auf Live-Streaming-E-Commerce, wie aus Daten des Handelsministeriums hervorgeht. Die Umsätze stiegen in den ersten zehn Monaten um fast 60 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2022 und erreichten umgerechnet rund 304 Milliarden US-Dollar.

    Dank Vorbildern wie Li Jiaqi und Viya verspricht der Job des Livestreaming-Influencers in China Pop-Star-Ruhm. Eine Umfrage unter 10.000 jungen Menschen auf Weibo ergab, dass mehr als 60 Prozent an einer Tätigkeit als Influencer oder Livestreamer interessiert wären. Spezielle Akademien haben sich mittlerweile auf ihre Ausbildung spezialisiert. Sie lernen dort das Handwerk des Moderierens und Verkaufens und wie sie die Videos technisch am besten in Szene setzen.

    Automatisierter Knochenjob

    Die Industrie stellt hohe Ansprüche an ihre Talente. Wie kann man rund um die Uhr online sein? Wie kann man möglichst billig und in möglichst kurzer Zeit das Maximum an Waren verkaufen? Für viele ist Livestreaming vor allem ein Knochenjob am Rande des Burn-out. Viele Firmen stöhnen ebenfalls: Umso bekannter ein Influencer ist, umso mehr Verkaufs-Kommission müssen sie abdrücken. Auch deshalb setzt die Branche mehr und mehr auf Künstliche Intelligenz.

    Firmen wie Xiaoice (chin. 微软小冰) bieten Deepfake-Avatare an, die den Job mit wenig Aufwand erledigen. Dafür muss man nur ein Sample-Video einreichen, aus dem dann ein Klon erstellt wird. Kostenpunkt: um die 1.000 Euro. Auf den ersten Blick merkt man den Unterschied kaum. Erst bei näherem Hinsehen passen die Lippenbewegungen mitunter nicht zum Ton, und die Bewegungen wirken roboterhaft. Die Avatare von der Stange können bei ihrer Produktpräsentation nur allereinfachste Tätigkeiten ausführen, keine Kleider wechseln, sich hinlegen oder realistisch miteinander interagieren. Aber die Technik wird immer besser. Durch Übersetzungs-Tools von Firmen wie Silicon Intelligence (硅基智能) aus Nanjing können die Avatare zudem simultan in mehreren Sprachen agieren. Eine Chance für chinesische Anbieter, über die Grenzen hinaus fremde Märkte zu erobern, in denen Ökosysteme für das Livestreaming so noch nicht existieren.

    “Viele unserer Kunden sind daran interessiert, grenzüberschreitenden E-Commerce in Südostasien zu betreiben. Die Nachfrage ist sehr groß”, sagt Huang Wei, Leiter des Geschäfts für virtuelle Influencer bei Xiaoice im Interview mit der Zeitschrift MIT Technology Review. Traditionelle E-Commerce-Websites wirken auf die meisten Kunden wie ein “Regal mit Waren”, sagt Huang. Beim Livestreaming gebe es eine stärkere emotionale Verbindung zwischen dem Host und den Zuschauern, was wiederum den Verkauf ankurbele. Für die Firmen wird Livestreaming so deutlich billiger. Selbst die Skripte und Aufsager werden vielerorts mittlerweile mit KI-Tools geschrieben.

    Alltag und Science Fiction

    In China kommen die KI-Avatare bereits tausendfach zum Einsatz. Tech-Platzhirsche wie Alibaba, Tencent, Baidu und JD haben ebenfalls Programme auf den Weg gebracht, um eigene KI-Streamer zu erstellen. Vergangenen September hat Taobao, Chinas größte digitaler Einzelhandelsplattform, etwa einen KI-gesteuerten Chatbot vorgestellt, der den Online-Shopper beim Kauf berät.

    Auch mit KI-generierten Nachrichtensprechern und virtuellen Schaufensterpuppen wird in der Volksrepublik seit einer Weile experimentiert. Hinzu kommen Projekte, die noch nach Science-Fiction klingen, aber immer mehr Gestalt annehmen: digitale Lebenspartner, wiederauferstandene Verstorbene und digitale Doppelgänger für Online-Konferenzen. Laut einer Analyse des indischen Marktforschungsunternehmens Vision Research Reports könnte der Weltmarkt für digitale Avatare bis zum Jahr 2032 einen Wert von über 682 Milliarden Dollar erreichen.

    Identität zu verkaufen

    Obwohl Samsung und Microsoft ebenfalls mehr oder weniger fotorealistische Avatare am Start haben, sieht es momentan nicht so aus, als würde die Technologie bald in vergleichbarem Umfang bei uns Einzug halten. Zum einen liegt das an den Risiken, die man im Westen mit Deepfake-Technologie assoziiert: Fake-News, Rache-Pornografie, Betrug und Verleumdung können durch lebensechte Avatare erleichtert werden.

    Wer Angst davor hat, ein gläserner Bürger zu werden, wird seine optische Identität auch eher nicht so leichtfertig in den KI-Pool eines Tech-Unternehmens werfen wollen. Zum anderen gehen Livestreaming, Social Media und E-Commerce bei uns nicht Hand in Hand wie in China. Weder Meta noch Amazon konnten bisher erfolgreich eigene Live-Shopping-Kanäle lancieren.

    Während die chinesische Industrie die KI-Klone mit offenen Armen rekrutiert, existiert von staatlicher Seite durchaus ein Problembewusstsein für die potenziellen Risiken. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die chinesische Regierung einen Leitlinien-Entwurf für Unternehmen, die generative KI-Technologie anbieten und einsetzen. Die vorgeschlagenen Vorschriften besagen zum Beispiel, dass Personen, die mithilfe von KI geklont werden sollen, schriftlich ihr Einverständnis geben müssen. KI-Inhalte müssen zudem für die Öffentlichkeit als solche gekennzeichnet werden.

    Doch es sind umfassendere Regelwerke nötig, um sich den Entwicklungen anzupassen. Mit immer größeren Bandbreiten könnten sich schon bald nicht mehr nur Personen, sondern ganze Szenarien realistisch wiedergeben lassen. Der KI-Experte Kai-Fu Lee schreibt in seinem jüngsten Buch, einem Zukunftsausblick ins Jahr 2041, dass Programme, die Deepfakes identifizieren, bald so normal sein werden wie Anti-Viren-Software.

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    News

    Gegen China: Pazifik-Pakt Aukus soll erweitert werden

    Das pazifische Militärbündnis Aukus soll einem Zeitungsbericht zufolge als Gegengewicht zu China um weitere Staaten erweitert werden. Die drei Aukus-Länder Australien, USA und Großbritannien würden am Montag entsprechende Pläne bekannt geben, schreibt die “Financial Times” (FT). Im Blick sind dabei offenbar die Philippinen und – vor allem auf Betreiben der USA – Japan.

    Der US-Botschafter in Tokio, Rahm Emanuel, schrieb am Mittwoch im “Wall Street Journal”, dass Japan auf dem Weg sei, der nächste Partner von Aukus zu werden. Ein Mitarbeiter der US-Regierung sagte ebenfalls vergangenen Mittwoch Reuters, dass in der kommenden Woche eine Ankündigung zur Rolle Japans zu erwarten sei. US-Präsident Joe Biden, der philippinische Präsident Ferdinand Marcos sowie der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida wollen sich am Donnerstag treffen.

    Ein Sprecher des australischen Verteidigungsministeriums erklärte zu dem FT-Bericht, dass Minister Richard Marles bereits öffentlich und gegenüber Japan erklärt habe, dass man Möglichkeiten suche, um weitere Partner in Aukus einzubinden. “Japan ist ein unverzichtbarer Verteidigungspartner für Australien“, sagte der Sprecher.

    Die USA möchten Japan ins Bündnis aufnehmen, sehen aber noch Nachholbedarf. So müsse das Land bei der Cyber-Sicherheit und dem Schutz von Geheiminformationen besser werden. Vize-Außenminister Kurt Campbell sagte: “Japan hat einige Schritte übernommen, aber nicht alle.”

    Die 2021 gegründete Allianz Aukus hat bereits vereinbart, dass Australien mit Atom-U-Booten ausgerüstet wird. Aukus gilt auch als Schutz für Taiwan, das China als abtrünnige Republik ansieht und wo seit längerem eine Invasion befürchtet wird. rtr

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    Yellen und Li hoffen auf bessere Zusammenarbeit

    US-Finanzministerin Janet Yellen hat bei ihrem Besuch in China gegenüber Ministerpräsident Li Qiang die Fähigkeit ihrer beiden Länder gelobt, schwierige Gespräche führen zu können. Dies habe die beiden wirtschaftlichen Supermächte im vergangenen Jahr auf eine “stabilere Grundlage” gestellt. “Das bedeutet nicht, dass wir unsere Differenzen ignorieren oder schwierigen Gesprächen aus dem Weg gehen. Es bedeutete, dass wir verstanden haben, dass wir nur dann Fortschritte machen können, wenn wir direkt und offen miteinander kommunizieren“, so Yellen.

    Zum Auftakt ihres Treffens in Peking sagte Li: “China hofft aufrichtig, dass beide Länder Partner sein werden und keine Gegner.” Er fügte hinzu, dass während Yellens Reise “konstruktive Fortschritte” gemacht worden seien.

    Yellen hat die Diskussion über die Bedrohung der Hersteller in den USA und anderen Ländern durch die chinesische Überproduktion von Elektrofahrzeugen, Solarpanelen und anderen Clean-Energy-Produkten zum Schwerpunkt ihres zweiten Besuchs in China innerhalb von neun Monaten gemacht. “Ich glaube, dass wir über das vergangene Jahr hinweg unsere bilateralen Beziehungen auf eine stabilere Grundlage gestellt haben”, sagte Yellen. flee/rtr

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    Russischer Außenminister Lawrow ist auf Stippvisite in Peking

    Russlands Außenminister Sergej Lawrow befindet sich auf dem Weg nach China. Lawrow werde am Montag und Dienstag zu “einem offiziellen Besuch” in Peking sein, erklärte sein Ministerium in Moskau. Dabei werde er seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi treffen. Das chinesische Außenministerium bestätigte Lawrows Visite.

    Die beiden Politiker wollen der Nachrichtenagentur AFP zufolge über “drängende Themen” beraten, erklärte das russische Außenministerium. Dabei nannte es die “ukrainische Krise und die Situation im asiatisch-pazifischen Raum”.  

    Offiziell nimmt China Im Ukraine-Krieg eine neutrale Position ein. Seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine vor mehr als zwei Jahren haben beide Seiten ihre Partnerschaft massiv intensiviert. China beliefert Russland mit all den Waren, die der Westen wegen der Sanktionen nicht mehr liefert. China ist inzwischen der wichtigste Handelspartner Russlands. flee

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    • Russland

    Übernahme zeigt Interesse an chinesischen Biotech-Firmen

    Das dänische Biotech-Unternehmen Genmab AS übernimmt das von dem chinesischen Biologen und Pharmakologen Zhao Baiteng gegründete Unternehmen ProfoundBio. Die Übernahme zu einem Preis von stolzen 1,8 Milliarden US-Dollar werde das firmeneigene Onkologie-Portfolio erweitern und stärken, teilte Genmab in Kopenhagen mit.

    Profound Bio entwickelt derzeit neuartige Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Antibody Drug Conjugates/ADCs) für die Behandlung bestimmter Krebsarten, darunter Eierstockkrebs. Diese Konjugate verbinden in der Krebstherapie ein Chemotherapeutikum mit einem spezifischen Antikörper und einem Linker, der beide Komponenten miteinander verbindet. Durch die Übernahme erhält Genmab die weltweiten Rechte an ProfoundBios ADC-Portfolio, das aus drei klinischen und mehreren präklinischen Programmen besteht. ProfoundBio hat seinen Hauptsitz in Seattle und betreibt ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Suzhou.

    Der Deal zeige einmal mehr das wachsende Interesse ausländischer Pharmaunternehmen an chinesischen oder von Chinesen gegründeten Biotech-Unternehmen, kommentierte das Wirtschaftsmagazin Caixin. Demnach gab es in den vergangenen Monaten mehrere ähnliche Akquisitionen:

    • Im Dezember vereinbarte der britisch-schwedische Biopharma-Konzern AstraZeneca die Übernahme des in China ansässigen Biopharmazieunternehmens Gracell Biotechnologies. Die Transaktion erfolgte 2024.
    • Im Januar gab das auf Nierenkrankheiten spezialisierte chinesische Biotech-Unternehmen SanReno Therapeutics seine Übernahme durch das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis bekannt.
    • Das US-Unternehmen Nuvation Bio Inc. erwarb im März Anteile an dem chinesischen Biotech-Unternehmen AnHeart Therapeutics. ck
    • Biotechnologie
    • Gesundheit

    Presseschau

    Militärallianz gegen China bekommt wohl Zuwachs N-TV
    China schickt “Kampfpatrouillen” ins Südchinesische Meer N-TV
    Russia’s Lavrov to visit China to discuss Ukraine war REUTERS
    Ökonomisches Ringen: USA und China – Annäherung statt Abgrenzung? TAGESSCHAU
    US-Finanzministerin in China: Yellen lobt “offene und konstruktive” Gespräche TAGESSCHAU
    Yellen on meeting with Chinese premier: We put “our bilateral relationship on more stable footing” THE HILL
    Chipindustrie: “Kein einziges chinesisches Chipunternehmen hat jemals Geld verdient” ZEIT
    China: Ermittlungen gegen dritten ehemaligen Justizminister FAZ
    China central bank to set up $70 billion tech re-lending programme REUTERS
    Rettungseinsatz in Taiwan: Eingeschlossene Menschen nach Beben befreit N-TV
    Südostasien: Wie das Geld aus China das kleine Laos verändert SPIEGEL

    Heads

    Jackie Chan: Chinas Nationalheld wird 70

    Jackie Chan auf dem roten Teppich des Red Sea Film Festival in Saudi Arabien im Dezember 2022.

    Vergangenen Monat ging auf Chinas Social-Media-Kanälen ein Foto von Jackie Chan viral. Der Schauspieler sei schockierend gealtert, kommentierten Netizens das Bild, das bei einer Veranstaltung in der Provinz Sichuan aufgenommen wurde. Sein Haar sei so grau und dünn. Der einst so vitale Action-Held sei eben auch nur ein Mensch, schrieben User, die mit seinen Filmen aufgewachsen waren. Heute feiert Chan seinen 70. Geburtstag. Sein unerschütterliches Lächeln auf besagtem Foto straft die Sorgen seiner Fans Lügen. Er habe noch viel vor, sagte er im Januar in einem Interview mit dem Magazin “Harper’s Bazaar”. Mindestens zehn weitere Filme stünden an, darunter der vierte Teil der nicht totzukriegenden “Karate-Kid”-Reihe.

    Chan hat neben Bruce Lee wie kein anderer die fernöstliche Kampfkunst einem internationalen Publikum nähergebracht. In China ist er eine kulturelle Ikone. Er hat Memes und Internet-Slang beeinflusst, als Pop-Sänger Erfolge gefeiert, sich als Wohltäter und Anti-Drogenbeauftragter eingesetzt. In Shanghai gibt es ein Museum dass seinem Lebenswerk gewidmet ist. Das Verhältnis zu seinen (unehelichen) Kindern Jaycee und Etta beherrscht noch immer die Klatsch- beziehungsweise Kommentarspalten auf Plattformen wie Weibo, wo Chan selbst sehr aktiv ist. In den letzten Jahren hat er seine Social-Media-Kanäle zunehmend genutzt um sich von alten Weggefährtinnen und Weggefährten wie Coco Lee oder Kenneth Tsang zu verabschieden. Wohl auch deshalb zählen Fans ängstlich jedes neue graue Haar auf seinem Kopf.

    Halsbrecherischer Slapstick

    Jackie Chan kam 1957 als Chen Gangsheng 陳港生 in Hongkong zur Welt. Seine Eltern waren in den 1930er-Jahren aus den chinesischen Bürgerkriegswirren nach Hongkong geflüchtet. In der britischen Kolonie verdienten sie ihr Geld als Dienstmädchen und Koch der Elite. Als junger Mann studierte Jackie Chan an der China Drama Academy Akrobatik, Kampfkunst und Schauspielerei. Den Martial-Arts-Boom der Hongkonger Filmindustrie in den 1970er-Jahren erlebte er im Schatten seines Vorbilds Bruce Lee zunächst in Nebenrollen. Beharrlich kämpfte er sich jedoch mehr und mehr ins Rampenlicht, was auch mit seinen halsbrecherischen Stunts zu tun hatte, für er sich in der Regel nicht doublen ließ. In den 1980ern perfektionierte Chan seinen eigenen Stil, eine Mischung aus Slapstick und durchchoreografierten Kampfszenen, die in Filmen wie “Drunken Master” auch auf dem wichtigen japanischen Film-Markt erfolg- und einflussreich war.

    Nach mehreren Anläufen gelang ihm 1998 mit “Rush Hour” der Durchbruch im Westen. Die klamaukige Buddy-Cop-Komödie gilt als Kult. Der dort dargestellte Culture Clash zwischen einem chinesischen und einem amerikanischen Polizisten ist bis zur Schmerzgrenze reich an Klischees. Doch gerade deshalb wird dem Film eine Vorbildfunktion für die kulturell verkniffene Political Correctness der Gegenwart attestiert: Damals habe man sich noch nicht so ernst genommen. Die Neugier an einer anderen Kultur drücke sich eben manchmal in provokanten Witzen aus. Und die beruhten in “Rush Hour” schließlich auf Gegenseitigkeit: Chans Figur des Detective Lee teilte ebenso gegen die Amerikaner aus wie der von Chris Tucker gespielte Detective Carter gegen die Chinesen. Am Ende hätten sich beide Figuren solidarisch miteinander verbündet und Seite an Seite gegen das Böse in der Welt gekämpft. Ein Vorbild gar für die amerikanisch-chinesischen Beziehungen?

    Als Partei-Promi in der alten Heimat verhasst

    Jenseits der Leinwand taugt Jackie Chan als kultureller Botschafter tatsächlich nur bedingt. Zwischen 2013 und 2023 war er Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz und beriet in dieser Funktion den Nationalen Volkskongress in den bekanntlich nach wie vor recht zensierten Bereichen “Kunst und Literatur”. Offizielles Parteimitglied wurde Chan nicht, obwohl er mehrfach öffentlich sein Interesse bekundet hatte. Sein Lebensstil in den 1980er-und 1990er-Jahren, der von “Alkohol, Glücksspiel und Prostituierten” geprägt gewesen sei, dürfte dazu beigetragen haben, dass Peking ihn zwar gerne als Ehrengast zu TV-Galas und anderen Propaganda-Veranstaltungen einlädt, ihn aber doch nicht auf Augenhöhe in die eigenen Reihen aufnehmen möchte.

    In seiner Heimatstadt Hongkong hat Chan es sich mit vielen verdorben. Die Proteste im Jahr 2019 nannte er im chinesischen Staatssender CGTN “traurig und deprimierend”. Die jungen Leute wüssten erst, dass “Sicherheit, Stabilität und Frieden” so wichtig seien wie frische Luft, wenn sie sie verloren hätten. Dabei war er selbst einst Unterstützer der Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989. Damals versuchte er gerade den boomenden Home-Video-Markt im Westen zu knacken.

    Chan war immer dort, wo er sich die besten Chancen ausrechnete. Und das war spätestens nach den Olympischen Spielen, bei denen er 2008 als Fackelträger diente, die Volksrepublik. “Ich habe viele Länder besucht, und ich kann sagen, dass sich unser Land in den letzten Jahren schnell entwickelt hat. Ich bin stolz darauf, Chinese zu sein, wo immer ich hingehe, und die ‘Rote Fünf-Sterne-Flagge’ wird überall auf der Welt respektiert”, sagte er 2019.

    Seinen 60. Geburtstag feierte Chan vor zehn Jahren mit einer großen Party, die fünf Tage dauerte. Es seien mehr Stars gekommen als bei der jährlichen Springfestival-Gala auf CCTV, schrieb eine chinesische Zeitung damals. Dieses Jahr begeht der Star das runde Jubiläum offenbar in kleinerem Kreis. Auch Nationalhelden werden eben älter. Fabian Peltsch

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    Personalien

    Xi Jinping hat gemäß einer Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses folgende Botschafter abberufen und ernannt: 

    Cao Zhongming wird Botschafter in Singapur und löst damit Sun Haiyan ab. Ji Ping wurde zum Botschafter in Madagaskar ernannt und löst damit Guo Xiaomei ab. Zhang Bin wird Botschafter in Angola und löst damit Gong Tao ab. Xu Xueyuan wird zum Botschafter in Panama und löst damit Wei Qiang ab. 

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    Zur Sprache

    Hirnmelonen und romantische Rüben

    恋爱脑 – liàn’àinǎo – Romantik-Rübe

    Wie sind Ihre Hirnwindungen so verschaltet? Sind all Ihre Synapsen hoffnungslos auf Romantik gepolt? Ihnen sind Herzensfragen so zu Kopf gestiegen, dass ein Großteil ihrer Gedankengänge um den oder die Liebste kreist?

    Seziert mit dem sprachlichen Skalpell des Mandarin folgert Chinas Netzgemeinde in solchen Fällen messerscharf: Sie haben (und sind) ein 恋爱脑 liàn’àinǎo – ein “Lovebrain” (von 恋爱 liàn’ài “lieben; Liebe” + 脑 nǎo “Gehirn”). Auf Deutsch heißt das: ein hoffnungsloser Romantiker beziehungsweise blind vor Liebe. Solche Romantik-Rüben mit rosaroter Brille kennen wir schließlich auch in unseren Breiten: absolute Beziehungsmenschen eben, für welche das Schatzi immer und ausschließlich an erster Stelle kommt.

    Natürlich findet man zwischen menschlichen Schläfen aber auch noch anders geartete Denkorgane. Zum Beispiel Arbeitsgehirne (工作脑 gōngzuònǎo) beziehungsweise Karriere-Oberstübchen (事业脑 shìyènǎo). Wessen graue Zellen so ticken, der hat nur eines im Kopf: Beruf und Beförderung.

    Wem hingegen Buddys und Busenfreundinnen über alles gehen, bei dem schaltet und waltet höchstwahrscheinlich ein Freundschaftshirn (友情脑 yǒuqíngnǎo) unter der Schädeldecke. Und wem stattdessen im sozialen Miteinander immer nur “das eine” im Kopf herumspukt, den klassifiziert Chinas Netzjargon als 性缘脑 xìngyuánnǎo (von 性 xìng “Sex, sexuell” + 缘 yuán “Grund, Absicht”). Eine etwas nebulöse Umschreibung für Sexaholics.

    Öffnet eure Hirnhöhle

    Wenn Sie nun Ihre Romantik-Rübe auf andere Gedanken bringen möchten, bietet es sich an, die Hirnwindungen mit ein paar weiteren Chinesisch-Vokabeln rund um das Thema “graue Masse” zu trainieren. Das “elektrische Gehirn” (电脑 diànnǎo) für “Computer” haben Sie sich sicherlich schon längst ins Hirn gehämmert. Vielleicht ist ja aber noch ein bisschen Platz in der Birne, pardon in der Melone (脑瓜 nǎoguā “Hirnmelone” – umgangssprachlich für “Kopf”), für das chinesische Pendant zu “nicht mehr alle Tassen im Schrank haben”. Im Reich der Mitte spricht man hier von “Wasser im Kopp” (脑子进水了 nǎozi jìnshuǐ le – ganz wörtlich: “es ist Wasser in den Kopf gesickert”).

    Achtung aber: das hat sprachlich rein gar nichts mit Gehirnwäsche zu tun. Die lässt sich nämlich vom Deutschen quasi eins-zu-eins ins Mandarin übersetzen als 洗脑 xǐnǎo “das Gehirn waschen”.

    Es zeigt sich also mal wieder, dass der Blick in eine fremde Sprache durchaus inspirierend sein kann. Oder wie der Chinese sagen würde: die Hirnhöhle öffnet (开脑洞 kāi nǎodòng “inspirieren, verblüffende neue Denkanstöße geben”). Wenn Sie also das nächste Mal auf der Suche nach guten Ideen in ihrem “Ozean” zwischen den Ohren sind (脑海 nǎohǎi – wörtlich “Hirn-Meer”, im übertragenen Sinne “Geist, Gedanken”) oder sich zur Lösung komplizierter Beziehungsfragen verzweifelt die Hirnsäfte auswringen (绞脑汁 jiǎo nǎozhī “sich das Hirn zermartern / den Kopf zerbrechen”), entschlüsseln Sie doch einfach zur Entspannung einige bildhafte chinesische Wörter, um auf andere Gedanken zu kommen.

    Manchmal hilft gegen kreative Watte im Kopf aber auch einfach eine Schüssel “Tofugehirn” (豆腐脑 dòufunǎo). Keine Angst. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine kulinarische Mutprobe, sondern um eine schmackhafte (und völlig hirnfreie) Spezialität aus zart weichem Tofu, die es zudem – je nach Region – sowohl in süßer als auch in deftiger Ausführung gibt. Am Ende steigt Liebe eben vielleicht doch nicht nur zu Kopf, sondern geht auch durch den Magen.

    Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

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