Table.Briefing: China

E-Fuels überzeugen Peking nicht + Spannungen durch Hochsee-Fischerei

Liebe Leserin, lieber Leser,

in der deutschen Debatte gelten E-Fuels für Verbrenner-Pkw manchem als wichtige Alternative zum Elektroauto. China dagegen setzt bei den Autos der Zukunft bisher ganz auf die Batterie. E-Fuels und andere alternative Brennstoffe sind aus Sicht Pekings derzeit vor allem für die Emissionssenkung im Flugverkehr interessant, wie Frank Sieren schreibt. Die Technologie steckt in China allerdings ebenso wie weltweit aufgrund hoher Kosten und begrenzter Verfügbarkeit der Rohstoffe noch in den Kinderschuhen. Doch es gibt erste Pilotprojekte, und Unternehmen sichern sich bereits Zugang zu Rohstoffen für Bio-Kerosin.

Derweil bahnt sich zwischen China und den USA neuer Konfliktstoff an – und zwar in der Hochsee-Fischerei. Chinas Flotte ist heute rund um den Globus aktiv, wie kürzlich ein tragisches Unglück mitten im Indischen Ozean zeigte, bei dem 39 Seeleute ums Leben kamen. Weltweiter Einsatz an sich ist nicht das Problem, doch gibt es wachsende Kritik an den Praktiken der Flotte aus China, wie Jörn Petring erklärt. Chinas Flotte wird immer häufiger sogenannte IUU-Fischerei vorgeworfen, was für illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei steht.

Die USA wollen nun verstärkt gegen problematische Fischereipraktiken Chinas vorgehen und belegten bereits zwei Fischereifirmen der Volksrepublik mit Sanktionen. Peking wirft umgekehrt den Fischern aus den USA illegalen Fang auf hoher See vor. Wie der Streit ausgeht, ist offen. Unter der Überfischung leiden derweil maritime Ökosysteme auf der ganzen Welt.

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Christiane Kühl
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Analyse

Peking noch zurückhaltend bei E-Fuels

Mit Bio-Kerosin aus malaysischem Palmöl sollen chinesische Airlines in Zukunft ihre Flugzeuge antreiben.

In Deutschland fordern manche Vertreter der Automobilindustrie eine Möglichkeit für den Einsatz klimaneutraler E-Fuels. Damit sollen nach Ansicht der Befürworter unter dem Credo der “Technologieoffenheit” neben Elektroautos auch Verbrenner weiterhin eine Chance haben. BMW-Chef Oliver Zipse etwa sorgt sich um die Zukunft der 260 Millionen Fahrzeuge in Europa, die noch einen Verbrennungsmotor haben: “E-Fuels sind die einzige Möglichkeit, damit diese Flotte auch einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Das ist eine sehr relevante Debatte; man sollte daher nicht vorschnell urteilen.”

Doch wahrscheinlich wird die Debatte um E-Fuels in China entschieden, dem größten Automarkt der Welt. Und Peking tut sich mit E-Fuels bislang noch schwer. Es gibt einzelne Pilotprojekte, in denen kleine Mengen synthetisch hergestellt werden, zu hohen Kosten. Die Regierung überlegt daher sehr genau, wo E-Fuels nützlich sein könnten. Eine Antwort lautet: Bei Fortbewegungsmitteln, die mit Batterien nicht gut funktionieren, wie Schiffe, und vor allem Flugzeuge.

China forscht an nachhaltigen Treibstoffen für Flugzeuge

Die Organisation International Council on Clean Transportation hat errechnet, dass chinesische Flüge im Jahr 2019, also vor der Pandemie, mehr als 100 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen haben – ein Anteil von 13 Prozent am weltweiten Flugverkehr. Doch der Anteil wird steigen, weil die Zahl der Flugzeuge in China rapide wächst. Bis 2050 wird sich der Bedarf an Treibstoff für Flugzeuge verfünffachen, so das Ergebnis von Forschungen.

Dabei geht es einerseits um CO₂-arme Treibstoffe, eine Art Bio-Kerosin aus verschiedensten Rohstoffen wie Speiseöl, Pflanzenöl, Siedlungsabfällen, Abgasen und landwirtschaftlichen Rückständen – andererseits um vollständig klimaneutrale E-Fuels, die mithilfe von regenerativ etwa durch Wasserstoff erzeugten Strom (Power-to-Liquid/PtL) oder Solarwärme (Sun-to-Liquid-Technologien/StL) erzeugt werden. Beides zusammen nennt man (Sustainable Aviation Fuels, SAF). Global, und auch in China, steckt die Entwicklung aller SAF noch in den Kinderschuhen.

China erforscht zunächst nachhaltiges Flugbenzin

In einer Ende 2022 veröffentlichten Studie hat das Institute of Energy der Peking University das Potenzial für SAF ausgelotet – und es immerhin für groß befunden. Ein Riesenvorteil: Die Flughafen-Infrastruktur muss dafür nicht erneuert werden. Und der Übergang zwischen traditionellem Flugbenzin und Bio-Kerosin ist fließend, das Mischungsverhältnis beliebig.

Staatsunternehmen sichern sich für Bio-Kerosin bereits prophylaktisch die nötigen Ressourcen. Allein im vergangenen Jahr haben chinesische Unternehmen 1,35 Milliarden US-Dollar investiert, um in Malaysia in Zusammenarbeit mit dem Malaysian Palm Oil Board (MPOB) Bio-Kerosin aus Palmöl herzustellen. Mit dabei ist auch das Institute of Coal Chemistry der Chinese Academy of Sciences. Das Ziel: die besten SAF-Fabriken der Welt aufbauen.

In Europa gilt Palmöl allerdings als ökologisch bedenklich, da für den Anbau riesiger Palmöl-Monokulturen auch primäre Tropenwälder abgeholzt werden. Ab Ende 2023 wird die EU Waren aus abgeholztem Regenwald verbieten. Rohstoffe und Produkte wie Palmöl dürfen nur eingeführt werden, wenn sie ohne Entwaldung produziert wurden. Das Gesetz muss ab Ende dieses Jahres umgesetzt werden. Europa dürfte sich also eher nach anderen Quellen für Bio-Kerosin umsehen.

Hohe Kosten für SAF-Forschung und Herstellung

Das größte Problem ist derzeit überall, SAF kostengünstig herzustellen. Normalerweise kommt an dieser Stelle ein politischer Auftrag aus Peking, im großen Stil in die gewünschte Richtung zu entwickeln, weil die betreffende Entwicklung zu aufwändig ist, um sie dem Markt zu überlassen. Doch dieser Auftrag fehlt für SAF noch.

Der derzeit weltweit gängigste und preisgünstigste Ansatz ist das “hydroprocessed esters and fatty acids”(HEFA)-Verfahren, in dem Tierfette und Pflanzenöle zu Bio-Kerosin veredelt werden. In China gibt es dazu bislang nur wenige Testbetriebe, darunter die Sinopec Zhenhai Refining & Chemical Company (Zhenhai Refining). Sie produziert seit 2022 und ist damit Chinas erster SAF-Hersteller, bisher überwiegend auf der Basis von Tierfetten. Auch das ist ein Problem, denn Tiere sind große CO₂-Emittenten. Immerhin kann die Anlage auch bis zu 100.000 Tonnen benutztes Kochöl verarbeiten.

Auch das Fischer-Tropsch-Verfahren (G+FT) ist möglich. Es wurde schon vor knapp 100 Jahren am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung erfunden. Dabei geht es um die Herstellung von Kohlenwasserstoffen durch die Hydrierung von Kohlenstoffmonoxid mit Wasserstoff aus Biomasse. Große Chancen sehen die Chinesen jedoch vor allem im Power-to-Liquid (PtL)-Verfahren. Nun geht es vor allem darum, die entsprechenden Mengen zu einem vernünftigen Preis herzustellen. Bisher sind die Produktionskosten fünf bis sechs Mal so hoch und machen bis zu 40 Prozent der Kosten der Airlines aus.

Alle warten auf den Startschuss

Die International Air Transport Association hat errechnet, dass weltweit 358 Millionen Tonnen SAF gebraucht werden, um bis 2050 rund 65 Prozent des Kraftstoffbedarfes von Flugzeugen zu decken. Bisher werden erst 0,01 Prozent der Menge hergestellt.

Wie man es dreht und wendet: In China wartet man derzeit darauf, dass Peking den Startschuss gibt und zumindest Regelungen einführt, wie sie in der EU bereits auf dem Weg sind. Die ReFuelEU Aviation Initiative plant, dass alle Flüge von EU-Flughäfen 2025 zwei Prozent SAF nutzen müssen, ab 2030 fünf Prozent und 2050 schließlich 63 Prozent.

Die Stille in Peking rund um das Thema ist schon seltsam. Womöglich will man sich wie in Malaysia erstmal die Ressourcen sichern und dann erst mit einer offiziellen Politik die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Lassen sich die SAF zu markttauglichen Preisen herstellen, profitieren davon am Ende auch die Verbrennerautos und BMW-Chef Zipse hätte ein Problem weniger.

  • Autoindustrie
  • SAF

Hochsee-Fischerei sorgt für Konflikte

Chinas Fischereiaktivitäten umfassen heute praktisch den gesamten Globus.

Am 17. Mai ereignete sich mitten im Indischen Ozean ein tragisches Unglück. Chinesische Staatsmedien berichteten vom Untergang des Hochseefischers Lu Peng Yuan Yu 028. An Bord des Schiffes befanden sich 39 Seeleute, die vermutlich alle ums Leben kamen. 

Die Katastrophe spielte sich 1000 Kilometer südlich von Sri Lanka ab und damit weit entfernt von chinesischen Gewässern. Sie wirft daher ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass Chinas Fischereiaktivitäten praktisch den gesamten Globus umfassen. Chinesische Flotten fischen vor Südamerika, vor Afrika und sogar vor der Antarktis.

Schätzungen zufolge sind mehr als 11.000 Schiffe im Einsatz. China hat massiv in den Ausbau dieser Flotte investiert. Das Land ist ein großer Konsument von Fisch und Meeresfrüchten, und die Flotte spielt eine wichtige Rolle, um die hohe Nachfrage zu decken. Denn die eigenen Küsten sind zunehmend leer gefischt. 

Für die Besatzung der Lu Peng Yuan Yu wurde eine internationale Rettungsaktion unter Beteiligung von Australien, Sri Lanka, den Philippinen und anderen Staaten gestartet. Doch diese Solidarität kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Chinas Aktivitäten international zunehmend kritisch gesehen werden.

Vorwurf an China: Illegale Fischerei

Umweltschützer und Regierungen werfen den Chinesen Überfischung und illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU-Fischerei) vor. Unter diesen Begriff fällt nach Angaben der EU unter anderem “Fischerei ohne gültige Genehmigung, in einem Schutzgebiet, in nicht zulässigen Tiefen oder während einer Schonzeit, bei der Verwendung von verbotenem Fanggerät sowie bei Nichterfüllung der Berichtspflichten, Identitätsfälschung oder bei Behinderung der Arbeit der Inspektoren.” IUU-Fischerei gilt weltweit als eine der größten Bedrohungen für die Nachhaltigkeit der Fischbestände und die biologische Vielfalt der Meere. Seit 2010 dürfen Fischerzeugnisse gemäß einer IUU-Verordnung der EU noch importiert werden, wenn für diese Ware eine Fangbescheinigung vorgelegt werden kann.

China wird laut einer im Februar veröffentlichten Analyse des Brookings-Instituts in Washington “zunehmend als wichtiger Verursacher von IUU-Fischerei identifiziert”. In einem von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime veröffentlichten IUU-Fischerei-Index schnitt China von 152 untersuchten Ländern am schlechtesten ab, gefolgt von Russland und Südkorea. Die USA landeten auf Platz 27.

USA verhängen Sanktionen

Die chinesische Flotte heizt zudem die geopolitischen Spannungen zwischen Washington und Peking weiter an. Erst kürzlich hatte US-Präsident Joe Biden seine Behörden angewiesen, verstärkt gegen illegale Fischerei und den Missbrauch von Arbeitern vorzugehen. Menschenrechtler werfen chinesischen Unternehmen zum Teil inakzeptable Arbeitsbedingungen auf ihren Schiffen vor. 

Im Mai 2022 hatte die Quad-Allianz aus den USA, Japan, Australien und Indien eine satellitengestützte Initiative angekündigt, um den Ländern im Pazifik bei der Verfolgung illegaler Fischerei zu helfen. Im Dezember verhängten die USA Sanktionen gegen zwei große chinesische Fischereiunternehmen. Auch arbeitet die US-Küstenwache mit Pazifikstaaten zusammen, um die Industrie besser zu überwachen.

Vorfälle mit chinesischen Schiffen vor Südamerika

Vor allem die südamerikanische Küste hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot entwickelt. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP hat sich die Zahl der chinesischen Fangschiffe in der Region zwischen 2009 und 2021 auf über 470 verachtfacht. Statt 70.000 Tonnen ziehen die Chinesen nun mehr als 420.000 Tonnen Tintenfisch aus den Gewässern. 

Im vergangenen Herbst kam es vor den Galapagos-Inseln in Ecuador zu einer gefährlichen Begegnung. Ein Schiff der US-Küstenwache entdeckte dort eine chinesische Fangflotte, die im Verdacht stand, IUU-Fischerei zu betreiben. Als die Küstenwache versuchte, mehrere der chinesischen Schiffe zu entern, ergriffen die Boote die Flucht. Mindestens eines der Schiffe fuhr laut dem Bericht aggressiv auf das US-Küstenwachschiff zu und zwang dieses zu Ausweichmanövern. Laut AP ist das Entern von Schiffen auf hoher See ein legales Instrument als Teil der kollektiven Bemühungen zum Schutz bedrohter Fischbestände der Ozeane.

Peking dreht den Spieß um: Kritik an den US-Fischereiflotten

Peking legte laut dem Bericht einen formellen schriftlichen Protest ein. Das Thema sei auch zur Sprache gekommen, als US-Botschafter Nicholas Burns vom chinesischen Außenministerium zu einer Dringlichkeitssitzung wegen des Besuchs von Sprecherin Pelosi in Taiwan einbestellt wurde.  

Zuletzt wies Peking die Vorwürfe nicht mehr nur zurück, sondern drehte den Spieß um. Ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums erklärte im März, US-Fischereifahrzeuge würden häufig illegalen Fischfang auf hoher See und in Gewässern unter der Gerichtsbarkeit anderer Länder betreiben.

“Wir fordern die USA auf, zuerst ihren eigenen Beitrag zur Hochseefischerei zu leisten, anstatt sich als Richter oder Polizist aufzuspielen und die normalen Fischereiaktivitäten anderer Länder zu kritisieren und zu politisieren”, sagte Sprecher Wang Wenbin. Mit dem Fischerei-Streit haben die beiden Supermächte ihren nächsten Zankapfel gefunden. 

Sinolytics.Radar

China und USA wetteifern um Verbündete

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  • Angesichts der sich verschärfenden Rivalität zwischen den USA und China wetteifern beide Länder um neue Kooperationspartner oder mobilisieren ihre bestehenden Partner. Dies zeigte sich in zahlreichen multilateralen Treffen der letzten Wochen deutlich.
  • Chinas Vordenker sehen den Aufstieg der Volksrepublik und das damit einhergehende Ende der von den USA dominierten Unipolarität als Chance für eine Umgestaltung der internationalen Ordnung. Um die sogenannten “Swing States” für sich zu gewinnen, hat China seine Aktivitäten als globaler Akteur ausgeweitet und kürzlich eine Reihe von Papieren (Globale Sicherheitsinitiative, Globale Entwicklungsinitiative, Globale Zivilisationsinitiative) vorgelegt. Diese konkretisieren die Vision des Landes für eine internationale Ordnung. Die Initiativen werden explizit als Alternative zum US-geführten System präsentiert, das von China stets als “US-Hegemonie” bezeichnet wird.
  • China versteht sich zunehmend als multilateraler Organisator, der sich neben der kürzlichen Ausrichtung des Zentralasien-Gipfels das Ziel gesetzt hat, den Einfluss der Brics-Gruppe zu stärken und die Rolle der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) zu erweitern.
  • Auch die USA mobilisieren ihre Verbündeten für eine entschlossenere Haltung gegenüber China, um “wirtschaftliche Sicherheit” entlang der Wertschöpfungskette zu gewährleisten. Die Erklärung des G7-Gipfels in Japan nutzt dieses Stichwort “wirtschaftliche Sicherheit” als Oberbegriff für Maßnahmen, mit denen man Chinas Rolle in der Lieferkette der Industrieländer reduzieren will. Die USA bemühen sich zudem um potenzielle neue asiatische Partner im Rahmen ihres Indo-Pacific Economic Framework, auch wenn sie damit bislang nur wenige handfeste Ergebnisse erzielten.
  • Doch weltweit versuchen die großen Schwellenländer (z.B. Brasilien, Indien, Indonesien, Türkei) zunehmend, kostspielige Verwicklungen mit den USA oder China zu vermeiden. Für multinationale Unternehmen könnten solche “blockfreien” Staaten eine Gelegenheit sein, die Risiken einer sich verschärfenden Großmachtrivalität zu mindern.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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News

Klingbeil zu hochrangigen Gesprächen in Peking

Hochkarätiger Empfang: SPD-Chef Lars Klingbeil und Chinas Ministerpräsident Li Qiang in Peking.

SPD-Chef Lars Klingbeil ist bei seinem China-Besuch von hochrangigen Politikern empfangen worden. Bereits am Montag war er mit Ministerpräsident Li Qiang zusammengetroffen und Gespräche in der Internationalen Abteilung der Kommunistischen Partei geführt. Am Dienstag folgte ein Termin mit dem KP-Strategen Wang Huning, aktuell die Nummer Vier der KPCh-Hierarchie. Die Reise Klingbeils diente unter anderem zur Vorbereitung der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 20. Juni in Berlin.

Der hochkarätige Empfang zeigt, wie wichtig Deutschland und insbesondere die SPD für China sind. Die Kommunistische Partei wolle den Austausch mit den Sozialdemokraten ausweiten, um die Partnerschaft mit Deutschland “auf eine neue Ebene” zu heben und die Grundlage für eine wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit zu schaffen, zitierten Staatsmedien Premier Li nach dem Treffen mit Klingbeil. China freue sich, wenn mehr deutsche Unternehmen nach China kämen, sagte Li und versprach, den Marktzugang sowie den Schutz von geistigem Eigentum zu verbessern.

Die SPD könne dabei ihren wichtigen Einfluss zum Tragen bringen, sagte Li. Er dürfte mit dieser Bemerkung darauf anspielen, dass man die SPD-Politik von der chinakritischen Haltung der Ampelpartner Grüne und FDP zu trennen weiß. Die China Daily zitierte Klingbeil mit den Worten, die SPD messe dem strategischen Dialog und der Kommunikation mit der KPCh große Bedeutung bei.

SPD will Parteiendialog mit KPCh intensivieren

“Es waren offene und konstruktive Gespräche”, sagte eine SPD-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sei es auch um den Krieg in der Ukraine und die “deutsche Diversifizierungsstrategie” in der Wirtschaftskooperation gegangen. Man habe verabredet, den “strategischen Dialog zwischen den beiden Parteien zu intensivieren und dabei die Transformation, Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie die Situation der Menschenrechte stärker in den Fokus zu rücken”. Zum Parteiendialog gehörten auch Klingbeils Gespräche mit der Internationalen Abteilung und mit Wang Huning.

Das Treffen mit Wang dauerte laut dpa deutlich länger als geplant. Über konkrete Inhalte aber war zunächst nichts bekannt. Nach seinen politischen Gesprächen hielt Klingbeil eine Rede an der Pekinger Fremdsprachen-Universität und unterhielt sich mit Studierenden. Am Nachmittag reiste er nach Südkorea weiter. Die Asienreise des SPD-Chefs ist auch Teil der Neuausrichtung der sozialdemokratischen Außen- und Sicherheitspolitik. Er wird laut dpa von Anke Rehlinger, der saarländischen Ministerpräsidentin und Asien-Beauftragten des Parteivorstands, begleitet. ck

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EU-Einigung bei Instrument gegen Wirtschafts-Zwang

Das Europäische Parlament und der EU-Rat haben sich politisch auf das Anti-Coercion-Instrument (ACI) geeinigt. Damit hat das Instrument die letzte Verhandlungshürde innerhalb der EU-Institutionen genommen. Es soll der Europäischen Union die Möglichkeit geben, sich besser gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen von Drittstaaten – allen voran von China – wehren zu können und in erster Linie zur Abschreckung dienen.

“ACI ist ein wichtiger Baustein für die wirtschaftliche Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten”, sagte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis am Dienstag nach der Einigung. “Wir werden es nur nutzen, wenn wir sicherstellen müssen, dass unsere politischen Entscheidungen frei von Einmischungen durch Drittländer bleiben.”

Der Musterfall für ein Heranziehen des ACI ist das De-Facto-Handelsembargo Chinas gegen Litauen, nachdem Taiwan in Vilnius eine offizielle Vertretung mit Namen “Taiwan” eröffnen durfte. Das neue handelspolitische Instrument soll im Herbst in Kraft treten. Ob ACI dann rückwirkend auch im Fall von Litauen herangezogen werden könnte, ist noch unklar.

Chipstreit als erster Anwendungsfall?

Möglicherweise wird die EU auf das Instrument demnächst in einem anderen Streit zurückgreifen: China bereitet derzeit Gegenmaßnahmen vor gegen die Beschränkungen der Ausfuhr von Halbleitertechnologie, wie sie etwa die Niederlande verhängt haben. “Das könnte ein erster Anwendungsfall für das neue Instrument sein”, sagte Bernd Lange, Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel im Europaparlament, zu Table.Media.

Der SPD-Politiker zeigte sich zufrieden: “Mit dem neuen defensiven handelspolitischen Instrument kann Europa selbstbewusster auf der Weltbühne für eigene Interessen einstehen und sich gegen wirtschaftliche Erpressungen verteidigen.” Das EU-Parlament setzte sich lange zufolge gegen eine Verwässerung durch den EU-Rat ein. “Wir haben für exakte Definitionen und einen klaren Zeitplan gesorgt, sodass das Instrument nicht in alle Ewigkeit verschoben werden kann”, betonte Lange.

Nach Feststellung des Falls der wirtschaftlichen Erpressung durch die EU-Kommission soll das ACI zunächst für einen Dialog mit dem Drittland sorgen, um die Zwangsmaßnahmen einzustellen. Scheitert dieser, erhält die EU Zugang zu einer Palette möglicher Gegenmaßnahmen. Dazu gehören die Einführung von Zöllen, Beschränkungen des Handels mit Dienstleistungen, des Zugangs zu ausländischen Direktinvestitionen oder zur öffentlichen Beschaffung. ari/thop

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Honduras’ Präsidentin für ersten Staatsbesuch in Peking

Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, wird diesen Freitag zu einem Staatsbesuch nach Peking reisen und bis Mittwoch in China bleiben. Honduras müsse seine politischen, wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen mit China ausbauen, gab Castro am Montag über ihren Twitter-Account bekannt.

Es ist Castros erster Staatsbesuch in China, seit Honduras im März seine offiziellen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und stattdessen Beziehungen zu Peking aufgenommen hatte. Wie Medien in Honduras berichten, erfolgte die Einladung auf persönlichen Wunsch von Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Am Montag wurde in Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, eine neue chinesische Botschaft eröffnet. 

Das zentralamerikanische Land will durch eine Partnerschaft mit China auch einen Weg aus seiner finanziellen Dauerkrise finden. Auch bei Taiwan hat das Land rund 600 Millionen US-Dollar Schulden. fpe

  • Geopolitik
  • USA

Hongkong will Protesthymne verbieten

Die Regierung von Hongkong prüft ein Verbot der Protesthymne “Glory to Hong Kong”. Diese hatten Protestierende 2019 während der pro-demokratischen Demonstrationen überall in der Stadt gesungen. Auch bei internationalen Solidaritätsveranstaltungen für die Bewegung war sie beliebt. Wie das Justizministerium am Dienstag mitteilte, wolle man mit einem Aufführungs- und Verbreitungsverbot verhindern, dass Menschen zur Abspaltung aufgestachelt werden. Auch solle das Lied nicht fälschlicherweise als “Nationalhymne von Hongkong” erscheinen. Es ist ein weiterer Schritt beim Aushöhlen der Redefreiheit in der Stadt.

Offiziell hat die Sonderverwaltungszone keine eigene Hymne. Zuletzt wurde “Glory To Hong Kong” jedoch beispielsweise anstelle der chinesischen Nationalhymne gespielt, nachdem die Eishockeymannschaft Hongkongs den Iran bei einem internationalen Wettbewerb besiegt hatte.

Ein anonymer Musiker hatte “Glory to Hong Kong”, eine klassisch anmutende Hymne in vier Sätzen, 2019 komponiert. Der Text wurde dann von Demonstranten gemeinsam in einem Internet-Forum finalisiert. Darin heißt es zum Beispiel “Söhne und Töchter, lasst uns zusammen marschieren, für das, was richtig ist – dies ist die Revolution unserer Zeit!” rtr/fpe

  • Hongkong
  • Menschenrechte
  • Proteste

Presseschau

Blinken to embark on high-stakes trip to China NBCNEWS
Top US, China officials hold “candid and productive” talks amid tensions THEHILL
“Vorbereitung auf einen Notfall”: China und Russland kommen bei Luftwaffenmanöver südkoreanischem Luftraum nahe N-TV
Auch China betroffen: Amerika verhängt Sanktionen wegen Irans Raketenprogramm FAZ
Nancy Faeser fordert besseren Schutz vor Spionage aus China ZEIT
Warum China um Taiwan vermehrt Drohnen einsetzt NZZ
SPD-Chef Klingbeil für Gespräche in China MERKUR
Corona-Sommerwelle in China: Virologe Kekulé warnt vor Virus in den Wäldern T-ONLINE
China: Raketenstufe der 130-Tonnen-Klasse knackt Rekord T3N
China now has the world’s most powerful hypersonic wind tunnel SCMP
Hongkong will Hymne der Protestbewegung verbieten DEUTSCHLANDFUNK
Nach Bruch mit Taiwan: Präsidentin von Honduras will China besuchen DEUTSCHLANDFUNK
Chinese ships leave Vietnam waters after Hanoi protest REUTERS
Internal docs suggest Trudeau wants China blocked from Pacific Rim trade deal CTVNEWS
Elon Musk says China wants to regulate AI. The U.S. is still deciding how BARRONS
Führung wird immer nervöser, Yuan fällt – China: Schwache Wirtschaft – jetzt sollen Banken Zinsen senken FINANZMARKTWELT
China’s state banks told to lower cap on dollar deposit rates -sources REUTERS
Volkswagen schafft in China Platz zum Bau von E-Autos HANDELSBLATT
TSMC-Aktie: Taiwan Semiconductors sieht Schwierigkeiten beim geplanten Bau des Dresdner Werks FINANZEN
US venture capital giant Sequoia to split off China business FT
Hongkong begrüßt den Stablecoin-Start von First Digital inmitten neuer Gesetze BLOCKZEIT
Messe “China Home Life”: Neuer Schwung für China-Exporte ZDF

Standpunkt

Wir brauchen mehr Autokratie-Kompetenz

von Andreas Fulda
Andreas Fulda

Derzeit wird leidenschaftlich über die neue Chinastrategie der Bundesregierung gestritten. Das ist auch gut so. An dieser Debatte habe ich mich aktiv beteiligt. In diesem Standpunkt möchte ich jedoch ausnahmsweise nicht für meine Position werben. Vielmehr schlage ich vor, dass wir kurz innehalten und uns ein paar Gedanken zur Debattenkultur machen. Meines Erachtens leidet sie unter einem Mangel an selbstkritischer Reflexivität.

Häufig erklären mir Kollegen, dass sie sich nicht an der Chinadebatte beteiligen wollen, da sie zu polarisiert sei. Mich überzeugt das nicht. Eine echte Polarisierung bestünde, wenn auf der einen Seite dafür geworben würde, dass Deutschland ein wirtschaftlicher Satellit Chinas werden solle und demgegenüber von anderer Seite für eine harte Entkopplung plädiert würde. In Wirklichkeit stellt aber niemand solche extremen Forderungen.

Im Kern der Auseinandersetzung geht es um eine unterschiedliche Einschätzung über die Chancen und Risiken im China-Engagement. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Probleme im Diskurs gäbe. Jüngst hat China-Kenner Kai Strittmatter auf Strohmann-Argumente hingewiesen. Ein Beispiel: Jemand präferiert Dialog und Kooperation mit China, watscht die fiktive Gegenposition der harten Entkopplung ab und erklärt sich daraufhin als Gewinner. Solche Schein-Argumente schaden unserer demokratischen Streitkultur.

KPCh unter Xi hat Vertrauen leichtfertig verspielt

Eine Variante des Strohmann-Arguments sind falsche Dichotomien – wie die von Misstrauen und Vertrauen. Sie erweckt den Eindruck, als hätten wir nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir misstrauen unseren chinesischen Partnern unter parteistaatlicher Kontrolle komplett, oder wir haben volles Vertrauen zu ihnen. Es gibt aber auch erworbenes Vertrauen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) unter Xis Führung hat es in den letzten Jahren leichtfertig verspielt.

Es ist völlig legitim, sich für eine Fortsetzung von Dialog und Kooperation mit China auszusprechen. Doch wer für diese Position wirbt, muss auch erklären, wie wir Risiken minimieren und bestehende Probleme adressieren können. Allein mit dem Prinzip Hoffnung wird man von Peking keine Verhaltensänderung erreichen. Wer eine gesunde Portion Misstrauen mitbringt und Fortschritte in der Zusammenarbeit regelmäßig überprüft, könnte theoretisch auch heute noch das Wagnis der China-Kooperation eingehen. Ich halte Zweifel allerdings für angebracht.

Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen?

Kooperationserfahrungen der letzten zehn Jahre geben wenig Anlass für Optimismus. Welche Art von Dialog und Kooperation mit dem “offiziellen China” sind unter den Bedingungen von Zensur und Partnerzwang im Jahr 2023 überhaupt noch möglich? So wie die KPCh offene Gesellschaften bekämpft, sollten wir ihr keinen Vertrauensvorschuss gewähren. Hier ist mehr Autokratie-Kompetenz vonnöten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Auswirkungen des hochgradig illiberalen chinesischen NGO-Gesetzes von 2017 hinweisen. Dieses Gesetz hat einen ergebnisoffenen deutsch-chinesischen zivilgesellschaftlichen Austausch so gut wie unmöglich gemacht. Über Jahre gewachsene Vertrauensnetzwerke zwischen deutschen und chinesischen Partnerorganisationen wurden von der Partei vorsätzlich zerstört.

Seit 2017 hat das Ministerium für Öffentliche Sicherheit das Sagen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und Rosa-Luxemburg-Stiftung wurden dazu gezwungen, mit der von der KPCh kontrollierten Freundschaftsgesellschaft zu kooperieren. Letztere operiert als ein Teil des Einheitsfront-Systems. Damit stellt sich das Problem der Kooptierung. Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen in China jetzt noch?

Gesteuerte Kooperationspartner können uns verstricken

Die derzeitige Debatte zur geplanten Kooperation zwischen Kiel und Qingdao ist ein weiteres Beispiel einer problematischen öffentlichen Debatte. Prinzipiell wäre es natürlich begrüßenswert, wenn Städtepartnerschaften einen ergebnisoffenen Austausch zum Nutzen der Völkerverständigung und wirtschaftlicher Kooperation ermöglichen würden. Darin besteht keinerlei Dissens. Aber auch hier sind die bisherigen Erfahrungen ernüchternd.

Eine Studie der Berliner Denkfabrik Merics hat gezeigt, dass die KPCh über die subnationale Ebene ihren Einflussbereich ausdehnt. Hier leiden deutsche Kommunen unter Informationsasymmetrie. Wer ist sich auf lokaler Ebene der Gefahr der Kooptierung durch die Einheitsfront-Politik der KPCh schon wirklich bewusst? Von der Partei gesteuerte chinesische Kooperationspartner können uns auch hier leicht verstricken.

Es ist mir klar, dass sich Kommunalpolitiker nur ungerne von Berlin bevormunden lassen. Aber Fragen der nationalen Sicherheit betreffen uns alle. Ein gutes Risikomanagement erfordert auch die Dokumentation von Sorgfaltspflichten. Wer mit dem autokratischen China kooperieren will, sollte sich zudem vom Verfassungsschutz und BND beraten lassen. Es geht jetzt darum, gut informierte Entscheidungen zu treffen und dafür auch Verantwortung zu übernehmen.

Der Politologe Dr. Andreas Fulda ist Dozent an der University of Nottingham. Er hat acht Jahre in der VR China und Taiwan gelebt und gearbeitet. Fulda schreibt derzeit an seinem neuen Buch “Germany and China. How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” (Bloomsbury, 2024).

  • Bundesnachrichtendienst

Personalien

Thomas Fabian Derichs hat beim Werkstoffhersteller Covestro den Posten des Head of Sales and Market Development Engineering Asia übernommen. Für seine neuen Aufgaben wechselt Derichs vom Hauptsitz in Leverkusen nach Shanghai.

Huang Zhenyu ist neuer General Manager der Abteilung Auto Supply Chain bei Xiaomi. Huang ist ein Veteran der Autoindustrie und soll dem chinesischen Tech-Konzern dabei helfen, seine E-Autosparte auszubauen. Huang war zuvor unter anderem Vizepräsident der Division Automotive-Sparte bei Xiaomi und Geschäftsführer des kanadischen Autoteile-Riesen Magna International.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Ein neuer Essenstrend macht in China die Runde. Unter dem nicht gerade politisch korrekten Begriff “Weiße-Leute-Essen 白人餐” posten Internet-User seit Tagen ihre Tupper-Boxen voll Rohkost und schonend gegartem Gemüse. Inspiriert wurde der Trend von chinesischen Auslandsstudenten in Europa und den USA, die sich über das minimalistische Mittagessen ihrer Studien- und Arbeitskollegen wunderten. Doch der Hype polarisiert: Die einen feiern das gesunde Tupper-To-Go als zeitsparend und kalorienarm. Andere nennen es sarkastisch “eine Erinnerung daran, dass der Arbeitsplatz kein Ort ist, an dem man sein Leben genießen darf.”

  • Gesellschaft

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in der deutschen Debatte gelten E-Fuels für Verbrenner-Pkw manchem als wichtige Alternative zum Elektroauto. China dagegen setzt bei den Autos der Zukunft bisher ganz auf die Batterie. E-Fuels und andere alternative Brennstoffe sind aus Sicht Pekings derzeit vor allem für die Emissionssenkung im Flugverkehr interessant, wie Frank Sieren schreibt. Die Technologie steckt in China allerdings ebenso wie weltweit aufgrund hoher Kosten und begrenzter Verfügbarkeit der Rohstoffe noch in den Kinderschuhen. Doch es gibt erste Pilotprojekte, und Unternehmen sichern sich bereits Zugang zu Rohstoffen für Bio-Kerosin.

    Derweil bahnt sich zwischen China und den USA neuer Konfliktstoff an – und zwar in der Hochsee-Fischerei. Chinas Flotte ist heute rund um den Globus aktiv, wie kürzlich ein tragisches Unglück mitten im Indischen Ozean zeigte, bei dem 39 Seeleute ums Leben kamen. Weltweiter Einsatz an sich ist nicht das Problem, doch gibt es wachsende Kritik an den Praktiken der Flotte aus China, wie Jörn Petring erklärt. Chinas Flotte wird immer häufiger sogenannte IUU-Fischerei vorgeworfen, was für illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei steht.

    Die USA wollen nun verstärkt gegen problematische Fischereipraktiken Chinas vorgehen und belegten bereits zwei Fischereifirmen der Volksrepublik mit Sanktionen. Peking wirft umgekehrt den Fischern aus den USA illegalen Fang auf hoher See vor. Wie der Streit ausgeht, ist offen. Unter der Überfischung leiden derweil maritime Ökosysteme auf der ganzen Welt.

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    Peking noch zurückhaltend bei E-Fuels

    Mit Bio-Kerosin aus malaysischem Palmöl sollen chinesische Airlines in Zukunft ihre Flugzeuge antreiben.

    In Deutschland fordern manche Vertreter der Automobilindustrie eine Möglichkeit für den Einsatz klimaneutraler E-Fuels. Damit sollen nach Ansicht der Befürworter unter dem Credo der “Technologieoffenheit” neben Elektroautos auch Verbrenner weiterhin eine Chance haben. BMW-Chef Oliver Zipse etwa sorgt sich um die Zukunft der 260 Millionen Fahrzeuge in Europa, die noch einen Verbrennungsmotor haben: “E-Fuels sind die einzige Möglichkeit, damit diese Flotte auch einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Das ist eine sehr relevante Debatte; man sollte daher nicht vorschnell urteilen.”

    Doch wahrscheinlich wird die Debatte um E-Fuels in China entschieden, dem größten Automarkt der Welt. Und Peking tut sich mit E-Fuels bislang noch schwer. Es gibt einzelne Pilotprojekte, in denen kleine Mengen synthetisch hergestellt werden, zu hohen Kosten. Die Regierung überlegt daher sehr genau, wo E-Fuels nützlich sein könnten. Eine Antwort lautet: Bei Fortbewegungsmitteln, die mit Batterien nicht gut funktionieren, wie Schiffe, und vor allem Flugzeuge.

    China forscht an nachhaltigen Treibstoffen für Flugzeuge

    Die Organisation International Council on Clean Transportation hat errechnet, dass chinesische Flüge im Jahr 2019, also vor der Pandemie, mehr als 100 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen haben – ein Anteil von 13 Prozent am weltweiten Flugverkehr. Doch der Anteil wird steigen, weil die Zahl der Flugzeuge in China rapide wächst. Bis 2050 wird sich der Bedarf an Treibstoff für Flugzeuge verfünffachen, so das Ergebnis von Forschungen.

    Dabei geht es einerseits um CO₂-arme Treibstoffe, eine Art Bio-Kerosin aus verschiedensten Rohstoffen wie Speiseöl, Pflanzenöl, Siedlungsabfällen, Abgasen und landwirtschaftlichen Rückständen – andererseits um vollständig klimaneutrale E-Fuels, die mithilfe von regenerativ etwa durch Wasserstoff erzeugten Strom (Power-to-Liquid/PtL) oder Solarwärme (Sun-to-Liquid-Technologien/StL) erzeugt werden. Beides zusammen nennt man (Sustainable Aviation Fuels, SAF). Global, und auch in China, steckt die Entwicklung aller SAF noch in den Kinderschuhen.

    China erforscht zunächst nachhaltiges Flugbenzin

    In einer Ende 2022 veröffentlichten Studie hat das Institute of Energy der Peking University das Potenzial für SAF ausgelotet – und es immerhin für groß befunden. Ein Riesenvorteil: Die Flughafen-Infrastruktur muss dafür nicht erneuert werden. Und der Übergang zwischen traditionellem Flugbenzin und Bio-Kerosin ist fließend, das Mischungsverhältnis beliebig.

    Staatsunternehmen sichern sich für Bio-Kerosin bereits prophylaktisch die nötigen Ressourcen. Allein im vergangenen Jahr haben chinesische Unternehmen 1,35 Milliarden US-Dollar investiert, um in Malaysia in Zusammenarbeit mit dem Malaysian Palm Oil Board (MPOB) Bio-Kerosin aus Palmöl herzustellen. Mit dabei ist auch das Institute of Coal Chemistry der Chinese Academy of Sciences. Das Ziel: die besten SAF-Fabriken der Welt aufbauen.

    In Europa gilt Palmöl allerdings als ökologisch bedenklich, da für den Anbau riesiger Palmöl-Monokulturen auch primäre Tropenwälder abgeholzt werden. Ab Ende 2023 wird die EU Waren aus abgeholztem Regenwald verbieten. Rohstoffe und Produkte wie Palmöl dürfen nur eingeführt werden, wenn sie ohne Entwaldung produziert wurden. Das Gesetz muss ab Ende dieses Jahres umgesetzt werden. Europa dürfte sich also eher nach anderen Quellen für Bio-Kerosin umsehen.

    Hohe Kosten für SAF-Forschung und Herstellung

    Das größte Problem ist derzeit überall, SAF kostengünstig herzustellen. Normalerweise kommt an dieser Stelle ein politischer Auftrag aus Peking, im großen Stil in die gewünschte Richtung zu entwickeln, weil die betreffende Entwicklung zu aufwändig ist, um sie dem Markt zu überlassen. Doch dieser Auftrag fehlt für SAF noch.

    Der derzeit weltweit gängigste und preisgünstigste Ansatz ist das “hydroprocessed esters and fatty acids”(HEFA)-Verfahren, in dem Tierfette und Pflanzenöle zu Bio-Kerosin veredelt werden. In China gibt es dazu bislang nur wenige Testbetriebe, darunter die Sinopec Zhenhai Refining & Chemical Company (Zhenhai Refining). Sie produziert seit 2022 und ist damit Chinas erster SAF-Hersteller, bisher überwiegend auf der Basis von Tierfetten. Auch das ist ein Problem, denn Tiere sind große CO₂-Emittenten. Immerhin kann die Anlage auch bis zu 100.000 Tonnen benutztes Kochöl verarbeiten.

    Auch das Fischer-Tropsch-Verfahren (G+FT) ist möglich. Es wurde schon vor knapp 100 Jahren am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung erfunden. Dabei geht es um die Herstellung von Kohlenwasserstoffen durch die Hydrierung von Kohlenstoffmonoxid mit Wasserstoff aus Biomasse. Große Chancen sehen die Chinesen jedoch vor allem im Power-to-Liquid (PtL)-Verfahren. Nun geht es vor allem darum, die entsprechenden Mengen zu einem vernünftigen Preis herzustellen. Bisher sind die Produktionskosten fünf bis sechs Mal so hoch und machen bis zu 40 Prozent der Kosten der Airlines aus.

    Alle warten auf den Startschuss

    Die International Air Transport Association hat errechnet, dass weltweit 358 Millionen Tonnen SAF gebraucht werden, um bis 2050 rund 65 Prozent des Kraftstoffbedarfes von Flugzeugen zu decken. Bisher werden erst 0,01 Prozent der Menge hergestellt.

    Wie man es dreht und wendet: In China wartet man derzeit darauf, dass Peking den Startschuss gibt und zumindest Regelungen einführt, wie sie in der EU bereits auf dem Weg sind. Die ReFuelEU Aviation Initiative plant, dass alle Flüge von EU-Flughäfen 2025 zwei Prozent SAF nutzen müssen, ab 2030 fünf Prozent und 2050 schließlich 63 Prozent.

    Die Stille in Peking rund um das Thema ist schon seltsam. Womöglich will man sich wie in Malaysia erstmal die Ressourcen sichern und dann erst mit einer offiziellen Politik die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Lassen sich die SAF zu markttauglichen Preisen herstellen, profitieren davon am Ende auch die Verbrennerautos und BMW-Chef Zipse hätte ein Problem weniger.

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    Hochsee-Fischerei sorgt für Konflikte

    Chinas Fischereiaktivitäten umfassen heute praktisch den gesamten Globus.

    Am 17. Mai ereignete sich mitten im Indischen Ozean ein tragisches Unglück. Chinesische Staatsmedien berichteten vom Untergang des Hochseefischers Lu Peng Yuan Yu 028. An Bord des Schiffes befanden sich 39 Seeleute, die vermutlich alle ums Leben kamen. 

    Die Katastrophe spielte sich 1000 Kilometer südlich von Sri Lanka ab und damit weit entfernt von chinesischen Gewässern. Sie wirft daher ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass Chinas Fischereiaktivitäten praktisch den gesamten Globus umfassen. Chinesische Flotten fischen vor Südamerika, vor Afrika und sogar vor der Antarktis.

    Schätzungen zufolge sind mehr als 11.000 Schiffe im Einsatz. China hat massiv in den Ausbau dieser Flotte investiert. Das Land ist ein großer Konsument von Fisch und Meeresfrüchten, und die Flotte spielt eine wichtige Rolle, um die hohe Nachfrage zu decken. Denn die eigenen Küsten sind zunehmend leer gefischt. 

    Für die Besatzung der Lu Peng Yuan Yu wurde eine internationale Rettungsaktion unter Beteiligung von Australien, Sri Lanka, den Philippinen und anderen Staaten gestartet. Doch diese Solidarität kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Chinas Aktivitäten international zunehmend kritisch gesehen werden.

    Vorwurf an China: Illegale Fischerei

    Umweltschützer und Regierungen werfen den Chinesen Überfischung und illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU-Fischerei) vor. Unter diesen Begriff fällt nach Angaben der EU unter anderem “Fischerei ohne gültige Genehmigung, in einem Schutzgebiet, in nicht zulässigen Tiefen oder während einer Schonzeit, bei der Verwendung von verbotenem Fanggerät sowie bei Nichterfüllung der Berichtspflichten, Identitätsfälschung oder bei Behinderung der Arbeit der Inspektoren.” IUU-Fischerei gilt weltweit als eine der größten Bedrohungen für die Nachhaltigkeit der Fischbestände und die biologische Vielfalt der Meere. Seit 2010 dürfen Fischerzeugnisse gemäß einer IUU-Verordnung der EU noch importiert werden, wenn für diese Ware eine Fangbescheinigung vorgelegt werden kann.

    China wird laut einer im Februar veröffentlichten Analyse des Brookings-Instituts in Washington “zunehmend als wichtiger Verursacher von IUU-Fischerei identifiziert”. In einem von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime veröffentlichten IUU-Fischerei-Index schnitt China von 152 untersuchten Ländern am schlechtesten ab, gefolgt von Russland und Südkorea. Die USA landeten auf Platz 27.

    USA verhängen Sanktionen

    Die chinesische Flotte heizt zudem die geopolitischen Spannungen zwischen Washington und Peking weiter an. Erst kürzlich hatte US-Präsident Joe Biden seine Behörden angewiesen, verstärkt gegen illegale Fischerei und den Missbrauch von Arbeitern vorzugehen. Menschenrechtler werfen chinesischen Unternehmen zum Teil inakzeptable Arbeitsbedingungen auf ihren Schiffen vor. 

    Im Mai 2022 hatte die Quad-Allianz aus den USA, Japan, Australien und Indien eine satellitengestützte Initiative angekündigt, um den Ländern im Pazifik bei der Verfolgung illegaler Fischerei zu helfen. Im Dezember verhängten die USA Sanktionen gegen zwei große chinesische Fischereiunternehmen. Auch arbeitet die US-Küstenwache mit Pazifikstaaten zusammen, um die Industrie besser zu überwachen.

    Vorfälle mit chinesischen Schiffen vor Südamerika

    Vor allem die südamerikanische Küste hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot entwickelt. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP hat sich die Zahl der chinesischen Fangschiffe in der Region zwischen 2009 und 2021 auf über 470 verachtfacht. Statt 70.000 Tonnen ziehen die Chinesen nun mehr als 420.000 Tonnen Tintenfisch aus den Gewässern. 

    Im vergangenen Herbst kam es vor den Galapagos-Inseln in Ecuador zu einer gefährlichen Begegnung. Ein Schiff der US-Küstenwache entdeckte dort eine chinesische Fangflotte, die im Verdacht stand, IUU-Fischerei zu betreiben. Als die Küstenwache versuchte, mehrere der chinesischen Schiffe zu entern, ergriffen die Boote die Flucht. Mindestens eines der Schiffe fuhr laut dem Bericht aggressiv auf das US-Küstenwachschiff zu und zwang dieses zu Ausweichmanövern. Laut AP ist das Entern von Schiffen auf hoher See ein legales Instrument als Teil der kollektiven Bemühungen zum Schutz bedrohter Fischbestände der Ozeane.

    Peking dreht den Spieß um: Kritik an den US-Fischereiflotten

    Peking legte laut dem Bericht einen formellen schriftlichen Protest ein. Das Thema sei auch zur Sprache gekommen, als US-Botschafter Nicholas Burns vom chinesischen Außenministerium zu einer Dringlichkeitssitzung wegen des Besuchs von Sprecherin Pelosi in Taiwan einbestellt wurde.  

    Zuletzt wies Peking die Vorwürfe nicht mehr nur zurück, sondern drehte den Spieß um. Ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums erklärte im März, US-Fischereifahrzeuge würden häufig illegalen Fischfang auf hoher See und in Gewässern unter der Gerichtsbarkeit anderer Länder betreiben.

    “Wir fordern die USA auf, zuerst ihren eigenen Beitrag zur Hochseefischerei zu leisten, anstatt sich als Richter oder Polizist aufzuspielen und die normalen Fischereiaktivitäten anderer Länder zu kritisieren und zu politisieren”, sagte Sprecher Wang Wenbin. Mit dem Fischerei-Streit haben die beiden Supermächte ihren nächsten Zankapfel gefunden. 

    Sinolytics.Radar

    China und USA wetteifern um Verbündete

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    • Angesichts der sich verschärfenden Rivalität zwischen den USA und China wetteifern beide Länder um neue Kooperationspartner oder mobilisieren ihre bestehenden Partner. Dies zeigte sich in zahlreichen multilateralen Treffen der letzten Wochen deutlich.
    • Chinas Vordenker sehen den Aufstieg der Volksrepublik und das damit einhergehende Ende der von den USA dominierten Unipolarität als Chance für eine Umgestaltung der internationalen Ordnung. Um die sogenannten “Swing States” für sich zu gewinnen, hat China seine Aktivitäten als globaler Akteur ausgeweitet und kürzlich eine Reihe von Papieren (Globale Sicherheitsinitiative, Globale Entwicklungsinitiative, Globale Zivilisationsinitiative) vorgelegt. Diese konkretisieren die Vision des Landes für eine internationale Ordnung. Die Initiativen werden explizit als Alternative zum US-geführten System präsentiert, das von China stets als “US-Hegemonie” bezeichnet wird.
    • China versteht sich zunehmend als multilateraler Organisator, der sich neben der kürzlichen Ausrichtung des Zentralasien-Gipfels das Ziel gesetzt hat, den Einfluss der Brics-Gruppe zu stärken und die Rolle der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) zu erweitern.
    • Auch die USA mobilisieren ihre Verbündeten für eine entschlossenere Haltung gegenüber China, um “wirtschaftliche Sicherheit” entlang der Wertschöpfungskette zu gewährleisten. Die Erklärung des G7-Gipfels in Japan nutzt dieses Stichwort “wirtschaftliche Sicherheit” als Oberbegriff für Maßnahmen, mit denen man Chinas Rolle in der Lieferkette der Industrieländer reduzieren will. Die USA bemühen sich zudem um potenzielle neue asiatische Partner im Rahmen ihres Indo-Pacific Economic Framework, auch wenn sie damit bislang nur wenige handfeste Ergebnisse erzielten.
    • Doch weltweit versuchen die großen Schwellenländer (z.B. Brasilien, Indien, Indonesien, Türkei) zunehmend, kostspielige Verwicklungen mit den USA oder China zu vermeiden. Für multinationale Unternehmen könnten solche “blockfreien” Staaten eine Gelegenheit sein, die Risiken einer sich verschärfenden Großmachtrivalität zu mindern.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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    Klingbeil zu hochrangigen Gesprächen in Peking

    Hochkarätiger Empfang: SPD-Chef Lars Klingbeil und Chinas Ministerpräsident Li Qiang in Peking.

    SPD-Chef Lars Klingbeil ist bei seinem China-Besuch von hochrangigen Politikern empfangen worden. Bereits am Montag war er mit Ministerpräsident Li Qiang zusammengetroffen und Gespräche in der Internationalen Abteilung der Kommunistischen Partei geführt. Am Dienstag folgte ein Termin mit dem KP-Strategen Wang Huning, aktuell die Nummer Vier der KPCh-Hierarchie. Die Reise Klingbeils diente unter anderem zur Vorbereitung der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 20. Juni in Berlin.

    Der hochkarätige Empfang zeigt, wie wichtig Deutschland und insbesondere die SPD für China sind. Die Kommunistische Partei wolle den Austausch mit den Sozialdemokraten ausweiten, um die Partnerschaft mit Deutschland “auf eine neue Ebene” zu heben und die Grundlage für eine wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit zu schaffen, zitierten Staatsmedien Premier Li nach dem Treffen mit Klingbeil. China freue sich, wenn mehr deutsche Unternehmen nach China kämen, sagte Li und versprach, den Marktzugang sowie den Schutz von geistigem Eigentum zu verbessern.

    Die SPD könne dabei ihren wichtigen Einfluss zum Tragen bringen, sagte Li. Er dürfte mit dieser Bemerkung darauf anspielen, dass man die SPD-Politik von der chinakritischen Haltung der Ampelpartner Grüne und FDP zu trennen weiß. Die China Daily zitierte Klingbeil mit den Worten, die SPD messe dem strategischen Dialog und der Kommunikation mit der KPCh große Bedeutung bei.

    SPD will Parteiendialog mit KPCh intensivieren

    “Es waren offene und konstruktive Gespräche”, sagte eine SPD-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sei es auch um den Krieg in der Ukraine und die “deutsche Diversifizierungsstrategie” in der Wirtschaftskooperation gegangen. Man habe verabredet, den “strategischen Dialog zwischen den beiden Parteien zu intensivieren und dabei die Transformation, Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie die Situation der Menschenrechte stärker in den Fokus zu rücken”. Zum Parteiendialog gehörten auch Klingbeils Gespräche mit der Internationalen Abteilung und mit Wang Huning.

    Das Treffen mit Wang dauerte laut dpa deutlich länger als geplant. Über konkrete Inhalte aber war zunächst nichts bekannt. Nach seinen politischen Gesprächen hielt Klingbeil eine Rede an der Pekinger Fremdsprachen-Universität und unterhielt sich mit Studierenden. Am Nachmittag reiste er nach Südkorea weiter. Die Asienreise des SPD-Chefs ist auch Teil der Neuausrichtung der sozialdemokratischen Außen- und Sicherheitspolitik. Er wird laut dpa von Anke Rehlinger, der saarländischen Ministerpräsidentin und Asien-Beauftragten des Parteivorstands, begleitet. ck

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    EU-Einigung bei Instrument gegen Wirtschafts-Zwang

    Das Europäische Parlament und der EU-Rat haben sich politisch auf das Anti-Coercion-Instrument (ACI) geeinigt. Damit hat das Instrument die letzte Verhandlungshürde innerhalb der EU-Institutionen genommen. Es soll der Europäischen Union die Möglichkeit geben, sich besser gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen von Drittstaaten – allen voran von China – wehren zu können und in erster Linie zur Abschreckung dienen.

    “ACI ist ein wichtiger Baustein für die wirtschaftliche Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten”, sagte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis am Dienstag nach der Einigung. “Wir werden es nur nutzen, wenn wir sicherstellen müssen, dass unsere politischen Entscheidungen frei von Einmischungen durch Drittländer bleiben.”

    Der Musterfall für ein Heranziehen des ACI ist das De-Facto-Handelsembargo Chinas gegen Litauen, nachdem Taiwan in Vilnius eine offizielle Vertretung mit Namen “Taiwan” eröffnen durfte. Das neue handelspolitische Instrument soll im Herbst in Kraft treten. Ob ACI dann rückwirkend auch im Fall von Litauen herangezogen werden könnte, ist noch unklar.

    Chipstreit als erster Anwendungsfall?

    Möglicherweise wird die EU auf das Instrument demnächst in einem anderen Streit zurückgreifen: China bereitet derzeit Gegenmaßnahmen vor gegen die Beschränkungen der Ausfuhr von Halbleitertechnologie, wie sie etwa die Niederlande verhängt haben. “Das könnte ein erster Anwendungsfall für das neue Instrument sein”, sagte Bernd Lange, Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel im Europaparlament, zu Table.Media.

    Der SPD-Politiker zeigte sich zufrieden: “Mit dem neuen defensiven handelspolitischen Instrument kann Europa selbstbewusster auf der Weltbühne für eigene Interessen einstehen und sich gegen wirtschaftliche Erpressungen verteidigen.” Das EU-Parlament setzte sich lange zufolge gegen eine Verwässerung durch den EU-Rat ein. “Wir haben für exakte Definitionen und einen klaren Zeitplan gesorgt, sodass das Instrument nicht in alle Ewigkeit verschoben werden kann”, betonte Lange.

    Nach Feststellung des Falls der wirtschaftlichen Erpressung durch die EU-Kommission soll das ACI zunächst für einen Dialog mit dem Drittland sorgen, um die Zwangsmaßnahmen einzustellen. Scheitert dieser, erhält die EU Zugang zu einer Palette möglicher Gegenmaßnahmen. Dazu gehören die Einführung von Zöllen, Beschränkungen des Handels mit Dienstleistungen, des Zugangs zu ausländischen Direktinvestitionen oder zur öffentlichen Beschaffung. ari/thop

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    Honduras’ Präsidentin für ersten Staatsbesuch in Peking

    Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, wird diesen Freitag zu einem Staatsbesuch nach Peking reisen und bis Mittwoch in China bleiben. Honduras müsse seine politischen, wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen mit China ausbauen, gab Castro am Montag über ihren Twitter-Account bekannt.

    Es ist Castros erster Staatsbesuch in China, seit Honduras im März seine offiziellen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und stattdessen Beziehungen zu Peking aufgenommen hatte. Wie Medien in Honduras berichten, erfolgte die Einladung auf persönlichen Wunsch von Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Am Montag wurde in Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, eine neue chinesische Botschaft eröffnet. 

    Das zentralamerikanische Land will durch eine Partnerschaft mit China auch einen Weg aus seiner finanziellen Dauerkrise finden. Auch bei Taiwan hat das Land rund 600 Millionen US-Dollar Schulden. fpe

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    Hongkong will Protesthymne verbieten

    Die Regierung von Hongkong prüft ein Verbot der Protesthymne “Glory to Hong Kong”. Diese hatten Protestierende 2019 während der pro-demokratischen Demonstrationen überall in der Stadt gesungen. Auch bei internationalen Solidaritätsveranstaltungen für die Bewegung war sie beliebt. Wie das Justizministerium am Dienstag mitteilte, wolle man mit einem Aufführungs- und Verbreitungsverbot verhindern, dass Menschen zur Abspaltung aufgestachelt werden. Auch solle das Lied nicht fälschlicherweise als “Nationalhymne von Hongkong” erscheinen. Es ist ein weiterer Schritt beim Aushöhlen der Redefreiheit in der Stadt.

    Offiziell hat die Sonderverwaltungszone keine eigene Hymne. Zuletzt wurde “Glory To Hong Kong” jedoch beispielsweise anstelle der chinesischen Nationalhymne gespielt, nachdem die Eishockeymannschaft Hongkongs den Iran bei einem internationalen Wettbewerb besiegt hatte.

    Ein anonymer Musiker hatte “Glory to Hong Kong”, eine klassisch anmutende Hymne in vier Sätzen, 2019 komponiert. Der Text wurde dann von Demonstranten gemeinsam in einem Internet-Forum finalisiert. Darin heißt es zum Beispiel “Söhne und Töchter, lasst uns zusammen marschieren, für das, was richtig ist – dies ist die Revolution unserer Zeit!” rtr/fpe

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    Presseschau

    Blinken to embark on high-stakes trip to China NBCNEWS
    Top US, China officials hold “candid and productive” talks amid tensions THEHILL
    “Vorbereitung auf einen Notfall”: China und Russland kommen bei Luftwaffenmanöver südkoreanischem Luftraum nahe N-TV
    Auch China betroffen: Amerika verhängt Sanktionen wegen Irans Raketenprogramm FAZ
    Nancy Faeser fordert besseren Schutz vor Spionage aus China ZEIT
    Warum China um Taiwan vermehrt Drohnen einsetzt NZZ
    SPD-Chef Klingbeil für Gespräche in China MERKUR
    Corona-Sommerwelle in China: Virologe Kekulé warnt vor Virus in den Wäldern T-ONLINE
    China: Raketenstufe der 130-Tonnen-Klasse knackt Rekord T3N
    China now has the world’s most powerful hypersonic wind tunnel SCMP
    Hongkong will Hymne der Protestbewegung verbieten DEUTSCHLANDFUNK
    Nach Bruch mit Taiwan: Präsidentin von Honduras will China besuchen DEUTSCHLANDFUNK
    Chinese ships leave Vietnam waters after Hanoi protest REUTERS
    Internal docs suggest Trudeau wants China blocked from Pacific Rim trade deal CTVNEWS
    Elon Musk says China wants to regulate AI. The U.S. is still deciding how BARRONS
    Führung wird immer nervöser, Yuan fällt – China: Schwache Wirtschaft – jetzt sollen Banken Zinsen senken FINANZMARKTWELT
    China’s state banks told to lower cap on dollar deposit rates -sources REUTERS
    Volkswagen schafft in China Platz zum Bau von E-Autos HANDELSBLATT
    TSMC-Aktie: Taiwan Semiconductors sieht Schwierigkeiten beim geplanten Bau des Dresdner Werks FINANZEN
    US venture capital giant Sequoia to split off China business FT
    Hongkong begrüßt den Stablecoin-Start von First Digital inmitten neuer Gesetze BLOCKZEIT
    Messe “China Home Life”: Neuer Schwung für China-Exporte ZDF

    Standpunkt

    Wir brauchen mehr Autokratie-Kompetenz

    von Andreas Fulda
    Andreas Fulda

    Derzeit wird leidenschaftlich über die neue Chinastrategie der Bundesregierung gestritten. Das ist auch gut so. An dieser Debatte habe ich mich aktiv beteiligt. In diesem Standpunkt möchte ich jedoch ausnahmsweise nicht für meine Position werben. Vielmehr schlage ich vor, dass wir kurz innehalten und uns ein paar Gedanken zur Debattenkultur machen. Meines Erachtens leidet sie unter einem Mangel an selbstkritischer Reflexivität.

    Häufig erklären mir Kollegen, dass sie sich nicht an der Chinadebatte beteiligen wollen, da sie zu polarisiert sei. Mich überzeugt das nicht. Eine echte Polarisierung bestünde, wenn auf der einen Seite dafür geworben würde, dass Deutschland ein wirtschaftlicher Satellit Chinas werden solle und demgegenüber von anderer Seite für eine harte Entkopplung plädiert würde. In Wirklichkeit stellt aber niemand solche extremen Forderungen.

    Im Kern der Auseinandersetzung geht es um eine unterschiedliche Einschätzung über die Chancen und Risiken im China-Engagement. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Probleme im Diskurs gäbe. Jüngst hat China-Kenner Kai Strittmatter auf Strohmann-Argumente hingewiesen. Ein Beispiel: Jemand präferiert Dialog und Kooperation mit China, watscht die fiktive Gegenposition der harten Entkopplung ab und erklärt sich daraufhin als Gewinner. Solche Schein-Argumente schaden unserer demokratischen Streitkultur.

    KPCh unter Xi hat Vertrauen leichtfertig verspielt

    Eine Variante des Strohmann-Arguments sind falsche Dichotomien – wie die von Misstrauen und Vertrauen. Sie erweckt den Eindruck, als hätten wir nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir misstrauen unseren chinesischen Partnern unter parteistaatlicher Kontrolle komplett, oder wir haben volles Vertrauen zu ihnen. Es gibt aber auch erworbenes Vertrauen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) unter Xis Führung hat es in den letzten Jahren leichtfertig verspielt.

    Es ist völlig legitim, sich für eine Fortsetzung von Dialog und Kooperation mit China auszusprechen. Doch wer für diese Position wirbt, muss auch erklären, wie wir Risiken minimieren und bestehende Probleme adressieren können. Allein mit dem Prinzip Hoffnung wird man von Peking keine Verhaltensänderung erreichen. Wer eine gesunde Portion Misstrauen mitbringt und Fortschritte in der Zusammenarbeit regelmäßig überprüft, könnte theoretisch auch heute noch das Wagnis der China-Kooperation eingehen. Ich halte Zweifel allerdings für angebracht.

    Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen?

    Kooperationserfahrungen der letzten zehn Jahre geben wenig Anlass für Optimismus. Welche Art von Dialog und Kooperation mit dem “offiziellen China” sind unter den Bedingungen von Zensur und Partnerzwang im Jahr 2023 überhaupt noch möglich? So wie die KPCh offene Gesellschaften bekämpft, sollten wir ihr keinen Vertrauensvorschuss gewähren. Hier ist mehr Autokratie-Kompetenz vonnöten.

    Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Auswirkungen des hochgradig illiberalen chinesischen NGO-Gesetzes von 2017 hinweisen. Dieses Gesetz hat einen ergebnisoffenen deutsch-chinesischen zivilgesellschaftlichen Austausch so gut wie unmöglich gemacht. Über Jahre gewachsene Vertrauensnetzwerke zwischen deutschen und chinesischen Partnerorganisationen wurden von der Partei vorsätzlich zerstört.

    Seit 2017 hat das Ministerium für Öffentliche Sicherheit das Sagen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und Rosa-Luxemburg-Stiftung wurden dazu gezwungen, mit der von der KPCh kontrollierten Freundschaftsgesellschaft zu kooperieren. Letztere operiert als ein Teil des Einheitsfront-Systems. Damit stellt sich das Problem der Kooptierung. Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen in China jetzt noch?

    Gesteuerte Kooperationspartner können uns verstricken

    Die derzeitige Debatte zur geplanten Kooperation zwischen Kiel und Qingdao ist ein weiteres Beispiel einer problematischen öffentlichen Debatte. Prinzipiell wäre es natürlich begrüßenswert, wenn Städtepartnerschaften einen ergebnisoffenen Austausch zum Nutzen der Völkerverständigung und wirtschaftlicher Kooperation ermöglichen würden. Darin besteht keinerlei Dissens. Aber auch hier sind die bisherigen Erfahrungen ernüchternd.

    Eine Studie der Berliner Denkfabrik Merics hat gezeigt, dass die KPCh über die subnationale Ebene ihren Einflussbereich ausdehnt. Hier leiden deutsche Kommunen unter Informationsasymmetrie. Wer ist sich auf lokaler Ebene der Gefahr der Kooptierung durch die Einheitsfront-Politik der KPCh schon wirklich bewusst? Von der Partei gesteuerte chinesische Kooperationspartner können uns auch hier leicht verstricken.

    Es ist mir klar, dass sich Kommunalpolitiker nur ungerne von Berlin bevormunden lassen. Aber Fragen der nationalen Sicherheit betreffen uns alle. Ein gutes Risikomanagement erfordert auch die Dokumentation von Sorgfaltspflichten. Wer mit dem autokratischen China kooperieren will, sollte sich zudem vom Verfassungsschutz und BND beraten lassen. Es geht jetzt darum, gut informierte Entscheidungen zu treffen und dafür auch Verantwortung zu übernehmen.

    Der Politologe Dr. Andreas Fulda ist Dozent an der University of Nottingham. Er hat acht Jahre in der VR China und Taiwan gelebt und gearbeitet. Fulda schreibt derzeit an seinem neuen Buch “Germany and China. How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” (Bloomsbury, 2024).

    • Bundesnachrichtendienst

    Personalien

    Thomas Fabian Derichs hat beim Werkstoffhersteller Covestro den Posten des Head of Sales and Market Development Engineering Asia übernommen. Für seine neuen Aufgaben wechselt Derichs vom Hauptsitz in Leverkusen nach Shanghai.

    Huang Zhenyu ist neuer General Manager der Abteilung Auto Supply Chain bei Xiaomi. Huang ist ein Veteran der Autoindustrie und soll dem chinesischen Tech-Konzern dabei helfen, seine E-Autosparte auszubauen. Huang war zuvor unter anderem Vizepräsident der Division Automotive-Sparte bei Xiaomi und Geschäftsführer des kanadischen Autoteile-Riesen Magna International.

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    Dessert

    Ein neuer Essenstrend macht in China die Runde. Unter dem nicht gerade politisch korrekten Begriff “Weiße-Leute-Essen 白人餐” posten Internet-User seit Tagen ihre Tupper-Boxen voll Rohkost und schonend gegartem Gemüse. Inspiriert wurde der Trend von chinesischen Auslandsstudenten in Europa und den USA, die sich über das minimalistische Mittagessen ihrer Studien- und Arbeitskollegen wunderten. Doch der Hype polarisiert: Die einen feiern das gesunde Tupper-To-Go als zeitsparend und kalorienarm. Andere nennen es sarkastisch “eine Erinnerung daran, dass der Arbeitsplatz kein Ort ist, an dem man sein Leben genießen darf.”

    • Gesellschaft

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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