nur auf den ersten Blick wirkt die Veröffentlichung des Draghi-Berichts wie aufgewärmter Kaffee. Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank fordert eine koordinierte Industriepolitik, schnellere Entscheidungswege und massive Investitionen – nur so könne die Europäische Union mit den größten Volkswirtschaften aus China und den USA künftig mithalten. Nun gut, das haben andere so oder ähnlich schon vor Draghi gesagt.
Was seinen Bericht laut Medienecho aber “historisch” macht, ist das Volumen der Investitionen. Und da scheppert es in den Ohren tatsächlich, als sei eine Bombe in die Luft gegangen. 750 bis 800 Milliarden Euro jährlich – das entspricht bis zu fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Und es sind weit mehr als die ein bis zwei Prozent, die einst im Marshallplan zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg vorgesehen waren, heißt es in dem Bericht.
Wenn das die notwendigen Bedingungen sind, die Europa wettbewerbsfähig gegenüber den USA und China machen können, dann steht Europa vor einer Zerreißprobe, gegen die das Rumgepöbel von Autokraten wie Viktor Orbán lächerlicher Kleinkram ist. Offenbar steht die EU vor dem Scheideweg – Partner oder Lakai. Amelie Richter hat sich für uns den Bericht angeschaut.
Dass ein Wettbewerber wie China mit harten Bandagen kämpft, ist legitim. Dass in der Wissenschaft getäuscht wird, ist dagegen ethisch schmerzhaft. In einer neuen Studie hat Linguist Jeffrey Stoff Beispiele und Belege gesammelt, die problematischen Praktiken Chinas in Bezug auf Transparenz und gute wissenschaftliche Praxis bei internationalen Kooperationen aufzeigen. Tim Gabel hat für uns mit Stoff gesprochen.
Europas Wirtschaft braucht massive Investitionen und deutlich mehr Innovationsbemühungen, um langfristig im Wettbewerb mit China mithalten zu können – das ist die Grundbotschaft des Strategiepapiers von Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union, das am Montag in Brüssel vorgestellt wurde.
Wenn Europa mit China und den USA konkurrieren wolle, müsse es jährlich fünf Prozent des BIP investieren, “auf einem Niveau, das zuletzt in den 1960er- und 70er-Jahren erreicht wurde”, heißt es in dem Bericht. Konkret: “Zusätzlich jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro” seien nötig. Draghi schlägt dafür die Aufnahme neuer Gemeinschaftsschulden mit einem kreditfinanzierten Hilfspaket vor, wie zuletzt in der Corona-Pandemie.
Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hatte den früheren Chef der Europäischen Zentralbank und Ex-Regierungschef Italiens vor einem Jahr um einen Bericht gebeten, wie die EU ihre Wirtschaft wettbewerbsfähig machen kann.
In dem Strategiepapier wird deutlich, dass die Volksrepublik zunehmend eine wirtschaftliche Konkurrenz darstellt: “Die EZB stellt fest, dass der Anteil der Sektoren, in denen China direkt mit den Exporteuren des Euroraums konkurriert, jetzt bei fast 40 Prozent liegt, verglichen mit 25 Prozent im Jahr 2002.” Draghis eindringliche Warnung: “Zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg müssen wir wirklich um unsere Selbsterhaltung fürchten.”
Dass Brüssel generell “härter” gegen China vorgehen sollte, sah der Italiener am Montag bei der Pressekonferenz als Aussage kritisch: “Handelspolitik muss pragmatisch sein. Wir können nicht in allen Bereichen weicher oder härter vorgehen. Wir müssen uns bestimmte Sektoren ansehen und entscheiden, was wir tun wollen.”
Als Beispiel nannte Draghi den Sektor für nachhaltige Technologie. “Unsere Cleantech-Industrie steht jetzt im Wettbewerb mit China. Sicherlich könnte China den billigsten Weg bieten, um die Klimaziele der EU zu erreichen, aber Chinas staatlich geförderte Konkurrenz stellt eine Bedrohung für die Entwicklung unserer produktiven sauberen Industrien dar.”
In dem fast 400 Seiten umfassenden Bericht wird China vor allem bei der Problembeschreibung genannt. Das Draghi-Papier geht im ersten Teil zehn Sektoren durch. Der zweite Teil umfasst übergreifende Vorschläge zur Wettbewerbsfähigkeit der EU.
Die wichtigsten China-Punkte aus dem Papier:
Für seinen neuen Bericht “Transparency and Integrity Risks in China’s Research Ecosystem” hat der China-Analyst und Linguist Jeffrey Stoff Beispiele und Belege von wissenschaftlichem Fehlverhalten gesammelt. Sie sollen zeigen, dass und vor allem wie China – mutmaßlich als Teil seiner geopolitischen Strategie, zur weltweit führenden Wissenschaftsnation zu werden – systematisch und vorsätzlich gegen das Wertesystem bei internationalen Wissenschaftskooperationen verstößt.
“Das Einhalten von Werten wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Transparenz, Integrität und Reziprozität werden in Bezug auf Forschungskooperationen und gemeinsame Publikationen mit China bisher nicht mit der notwendigen Sorgfalt geprüft”, sagt Jeffrey Stoff im Gespräch mit Table.Briefings. Demokratische Staaten hätten bislang zudem keinen Versuch unternommen, die Praktiken Chinas systematisch zu erheben, um sie der Wissenschaftscommunity zur besseren Sicherheitsvorsorge zur Verfügung zu stellen.
Das von Stoff gegründete Center for Research Security and Integrity liefert nun – nach eigenen Angaben – einen ersten vorläufigen Katalog mit problematischen Praktiken Chinas in Bezug auf Transparenz und gute wissenschaftliche Praxis bei internationalen Kooperationen. Kern der Publikation sind Fallstudien mit konkreten Beispielen, von denen einige schon Jahre her sind und die meisten für Kenner nicht überraschend sein dürften.
Sie sollen aber in ihrer Gesamtschau ein Bild davon zeichnen, welche Methoden in der Volksrepublik angewendet werden, um etwa Verbindungen von Institutionen mit der Militärforschung für internationale Partner schwer oder gar nicht zugänglich zu machen.
Stoff und seine Mitarbeitenden skizzieren Fälle wie die des China Aerodynamics Research and Development Centers (CARDC). Die Institution ist nach Angaben der Experten einer der Schlüsselstandorte bei der Forschung und Entwicklung von Hyperschallwaffen und Testareal der Volksbefreiungsarmee. Informationen darüber sind aber weder in jüngeren Archivversionen der Internetseite noch in internationalen Kooperationen zu finden. Von US-Standorten sei die Seite inzwischen überhaupt nicht mehr einsehbar, heißt es in dem Papier.
Mit der Strategie scheint die Institution erfolgreich zu sein, denn nach Angaben von Stoff und seinem Team haben allein die USA (70), Großbritannien (51) und Deutschland (17) mit der dem CARDC insgesamt 138 gemeinsame Paper in den vergangenen sechs Jahren veröffentlicht. Genauere Angaben über die Art und Weise der wissenschaftlichen Zusammenarbeit liefert Stoff in seiner Publikation allerdings nicht.
Andere Universitäten wie die Nanjing University of Science and Technology haben Inhalte, die auf militärische Verbindungen hinweisen, im Vergleich zu älteren Webseiten-Versionen gelöscht. Oder sie zeigen – wie das Chinese Academy of Sciences Dalian Institute of Chemical Physics – sensible Informationen nur auf der chinesischen Webseite an, nicht aber auf der englischsprachigen. Wieder andere Institutionen verwenden bei internationalen Kooperationen irreführende oder falsch übersetzte Namen oder benennen ihre Finanzierungsquellen um.
“Chinas zunehmend restriktive Informationspolitik, selbst in Bereichen der Grundlagenforschung, stellt die Offenheit und Transparenz infrage, die wir bei internationalen Forschungskooperationen mit Partnerländern gewöhnt sind”, sagt Jeff Stoff. Auf die Frage, wie die deutsche Regierung aus seiner Sicht darauf reagieren solle, sagt Stoff, dass Mandarin-Kenntnisse und Fachwissen für eine effektive Due-Diligence-Prüfung von entscheidender Bedeutung seien. Das erfordere den Aufbau von Kapazitäten und Wissen durch die deutsche Regierung und die Forschungs-Community.
“Auch die internationale Zusammenarbeit im Bereich Forschungssicherheit und der Informationsaustausch mit Partnerländern sind bedeutend, um die Ressourcenbelastung auf viele Schultern zu verteilen“. Eine Studie zu deutsch-chinesischen Forschungskooperationen von Jeffrey Stoff hatte Anfang des vergangenen Jahres die deutsche Forschungslandschaft aufgerüttelt. Im Interview mit Table.Briefings erklärte er zudem, wie deutsche Forschungsinstitutionen und Unternehmen mit chinesischen Einrichtungen kooperieren, die auch einen militärischen Hintergrund haben.
Dass China auf die Naivität oder Unkenntnis von erwünschten Kooperationspartnern setzt, legen weitere Fallbeispiele nahe, die Stoff aufführt. Etwa jenes des chinesischen Professors Tan Tieniu, der einerseits die Geschicke der Nanjing University leitet, andererseits als weltweit anerkannter KI-Spezialist für Mustererkennung und biometrische Erfassung Eigner und Geschäftsführer mehrerer chinesischer Unternehmen für Überwachungstechnologie ist, wie in dem Papier beschrieben ist. Letzteres lässt er in seinen Online-CVs und auf Webseiten aber gänzlich unerwähnt.
“Ich bin enttäuscht darüber, dass die internationale Forschungsgemeinschaft weiterhin die Arbeit eines Wissenschaftlers aus der Volksrepublik China anerkennt, der eine entscheidende Rolle bei der Kommerzialisierung von Massenüberwachungstechnologien gespielt hat”, kommentiert Stoff den Fall. Tan habe diese Technologien speziell für Chinas öffentliche Sicherheitsorgane entwickelt, “die damit bekanntermaßen Menschenrechtsverletzungen begehen”.
Stoffs Studie beschränkt sich aber nicht nur auf mutmaßliches Fehlverhalten chinesischer Institutionen und Wissenschaftler im Bereich Transparenz, sondern analysiert auch Versuche, die wissenschaftliche Publikationsleistung mit fragwürdigen Methoden aufzuwerten. So berichtet Stoff darüber, dass ausländische Wissenschaftler ohne nennenswerten Input zu Co-Autoren werden, um das Renommee von Studien aufzuwerten oder zum selben Zweck Co-Autoren von namhaften ausländischen Institutionen erfunden werden.
Interessant auch der Fall des Klimaforschers Wang Chunzai, der am National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer Behörde des US-Handelsministeriums, forschte. Zur gleichen Zeit wurde er aber von einem chinesischen Talentprogramm angeworben, obwohl er in den USA eine Vollzeitstelle innehatte. Wang veröffentlichte in dieser Zeit einige seiner viel beachteten Publikationen ausschließlich für chinesische Institutionen und wurde schließlich 2018 in den USA zu einer Haftstrafe verurteilt, weil auffiel, dass er ein zweites Gehalt aus China bezogen hatte.
Im Gespräch mit Table.Briefings gibt Stoff an, dass die meisten der Beispiele und Ergebnisse seiner Untersuchungen ihn nicht mehr überrascht hätten, weil er diese Art von Untersuchungen seit vielen Jahren durchführt. “Allerdings bin ich überrascht, dass große Nationen weiterhin mit Einrichtungen der Volksrepublik China zusammenarbeiten, die bekanntermaßen kritische Risiken für die nationale Sicherheit darstellen.”
UN-Menschenrechtsexperten sind in “tiefer Sorge” wegen des Vorgehens der chinesischen Behörden gegen Staudammproteste in der tibetischen Region Derge (Mandarin Dege). 13 Sonderberichterstatter hatten der chinesischen Regierung bereits im Juli ein entsprechendes Schreiben übermittelt. Sie fordern Transparenz darüber, wie viele Menschen wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen noch inhaftiert sind und wo sie festgehalten werden. Zudem verlangen sie Informationen über das tatsächliche Risiko, das durch den Bau des Staudamms für Mensch und Natur entsteht.
Michael Brand (CDU), Vorsitzender der Tibet-Parlamentsgruppe im Deutschen Bundestag, beklagt ein “maximal besorgniserregendes” Vorgehen Chinas “auch mit Blick auf die internationale Eskalation, die das Regime in Peking in immer häufigeren Fällen” praktiziere. Tibet sei ein Katalysator für diese Entwicklung. Der Schutz der Tibeter und “des Landes Tibet” müsse deshalb hoch auf die Agenda der internationalen Geopolitik.
Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT), in Berlin warnt: “Was mit den Staudämmen als klimafreundliche und grüne Energie verkauft wird, ist in Wahrheit eine rücksichtslose Strategie der Ausbeutung eines unterdrückten Landes und der Entrechtung Betroffener.” Die internationale Gemeinschaft dürfe diesem Verkaufstrick nicht auf den Leim gehen. Die chinesische Entwicklungspolitik in Tibet müsse mit Nachdruck hinterfragt werden. Zuvor hatte bereits die Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC) das Schreiben der UN-Menschenrechtsexperten begrüßt und Regierungen aufgefordert, sich mit Nachdruck für die fundamentalen Rechte der Tibeter einzusetzen.
Am 14. Februar hatten zahlreiche Menschen vor dem Regierungsgebäude in Derge in der autonomen Präfektur Kardze (Ganzi) gegen das geplante Wasserkraftprojekt Kamtok (Gangtuo) protestiert. Bald nach den Protesten folgten Berichte über mehrere hundert Festnahmen und misshandelte Demonstranten. Es ist unklar, wie viele Personen noch inhaftiert sind. Die Derge-Proteste sind insofern bedeutend, als es dort eine offenbar koordinierte Bemühung gab, den friedlichen Widerstand zu dokumentieren und Videoaufnahmen von den Protesten zu verbreiten. grz
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat am Montag gegenüber Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping seine Hoffnung geäußert, dass die Europäische Union einen Handelskrieg mit China vermeiden könne – auch wenn Brüssel derzeit erwägt, Zölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge zu erheben.
Schon vor dem Treffen mit Xi sagte Sánchez in Peking, dass Maßnahmen wie die Erhebung zusätzlicher EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge “herausfordernd” seien und dass Spanien sich bei der Welthandelsorganisation für einen ausgehandelten Konsens einsetzen werde. “Ein Handelskrieg würde niemandem nützen“, sagte Sánchez und fügte hinzu, dass er in Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen wolle.
Peking warnte im Juni, dass Reibereien mit der EU über ihre Elektrofahrzeuge einen Handelskonflikt auslösen könnten, nur wenige Tage nachdem China eine Antidumping-Untersuchung gegen europäische Schweinefleischimporte angekündigt hatte. Spanien exportierte im Jahr 2023 Schweinefleischprodukte im Wert von 1,5 Milliarden Dollar, die China untersuchen wird, wie chinesische Zolldaten zeigen, gefolgt von den Niederlanden mit 620 Millionen Dollar und Dänemark mit 608 Millionen Dollar.
Sánchez möchte von China die Zusicherung, dass die Volksrepublik nicht mit einer Erhöhung seiner eigenen Zölle auf importierte großmotorige Benzinfahrzeuge zurückschlagen werde. Das könnte Seat schaden, einem Autohersteller im Besitz von Volkswagen und einem der größten Arbeitgeber Spaniens. rtr
China und Russland planen ein erneutes gemeinsames Militärmanöver. Das meldete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Montag. Demnach wird russisches Militär noch in diesem Monat Marine- und Luftstreitkräfte zu einer Übung entsenden, die China im Japanischen Meer und im Ochotskischen Meer durchführen wird. Die Manöver zielen darauf ab, “das Niveau der strategischen Koordination zwischen den chinesischen und russischen Streitkräften zu vertiefen und ihre Fähigkeit zu verbessern, gemeinsam auf Sicherheitsbedrohungen zu reagieren”, hieß es bei Xinhua.
Japan hatte China Ende August vorgeworfen, binnen einer Woche zwei Mal seine Hoheitsrechte verletzt zu haben. Die Zunahme der Aktivitäten des chinesischen Militärs in der Nähe Japans und um Taiwan in den vergangenen Jahren haben die japanische Regierung alarmiert. Seitdem verstärkt Japan seine Rüstungsanstrengungen. China rechtfertigt sein Handeln mit Gebietsansprüchen in der Region. rtr
Chinas Präsident Xi Jinping hat Kim Jong-un angeboten, die strategische Zusammenarbeit mit Nordkorea weiter vertiefen zu wollen. Anlass ist der 76. Jahrestag der Gründung Nordkoreas am Montag. In einer Glückwunschbotschaft an Staatsoberhaupt Kim lobt Xi die Regentschaft des nordkoreanischen Machthabers. Kim habe Nordkorea zu Erfolgen beim Aufbau und der Entwicklung geführt. Er äußerte auch die Hoffnung, dass Pjöngjang weiterhin “neue und größere Siege auf dem Weg zur Förderung der Sache des Sozialismus koreanischen Stils erringen” werde.
Dennoch fallen die Glückwünsche auffallend nüchtern aus. Kein Wunder, schließlich haben sich die Beziehungen zwischen China und Nordkorea in den vergangenen Monaten merklich verschlechtert. Grund ist die Annäherung zwischen Pjöngjang und Moskau, die Peking misstrauisch beobachtet.
Xi und Kim hatten zuletzt im Januar miteinander kommuniziert, als sie Neujahrsgrüße austauschten. Zudem wurde über einen möglichen Besuch Xis spekuliert. Zuletzt war Xi 2019 nach Pjöngjang gereist. Doch statt Xi reiste im Juni dann Russlands Präsident Wladimir Putin nach Pjöngjang – zum ersten Mal seit 24 Jahren. rad
Der frühere chinesische Außenminister Qin Gang hat einen neuen Posten. Wie die Washington Post berichtet, soll Qin nun eine untergeordnete Stelle bei einem Verlag inne haben, der dem chinesischen Außenministerium angegliedert ist. Konkret handelt es sich um eine Stelle bei der World Affairs Press.
Qin Gang war im März 2023 zum Außenminister der Volksrepublik aufgestiegen, er galt als strammer Verfechter der Linie von Partei- und Staatschef Xi Jinping. Mitte 2023, gerade mal knapp 200 Tage im Amt, verschwand Qin dann jedoch spurlos von der Bildfläche. Im Juli 2023 wurde Qin dann offiziell abgesetzt – ohne jedoch aus der Partei geworfen zu werden. Sein Nachfolger wurde sein Vorgänger: der aktuelle Außenminister Wang Yi.
Das Blatt zitiert in ihrem Bericht zwei ehemalige US-Beamte. Einer kommentierte den Vorgang wie folgt: Qins Degradierung sei ein “Fall in Ungnade”, bedeute aber auch, dass “er aus dem Schneider ist”. “Er muss nicht ins Gefängnis, aber seine Karriere ist vorbei.” rad
China will seinen nationalen Emissionshandel (ETS) Ende 2024 um den Eisen- und Stahl-, den Zement- sowie den Aluminiumsektor erweitern. Das gab Umweltminister Huang Runqiu am Wochenende bei der Eröffnung der Industriemesse Global Energy Transition Conference in Peking bekannt. Die Zeit zwischen 2024 und 2026 wird vom Umweltministerium als “Einführungsphase” bezeichnet.
Derzeit ist Chinas ETS auf rund 2.200 Kohle- und vereinzelt Gaskraftwerke beschränkt. Die Ausweitung orientiert sich sehr eng am bisherigen ETS: Die CO₂-Zertifikate sollen anhand eines Richtwerts über die CO₂-Intensität der Produktion frei zugeteilt werden. Produziert ein Stahlwerk, ein Zementhersteller oder eine Aluminiumhütte nachhaltiger als der Richtwert für die gesamte Industrie aussagt, kann es CO₂-Zertifikate verkaufen. Ist die Produktion schmutziger, müssen Zertifikate dazugekauft werden. Für die Ausweitung der Produktion an sich, wenn die Emissionen also durch einen Anstieg der Produktion ansteigen, müssen keine Zertifikate zugekauft werden. Analysten kritisieren diese Ausgestaltung des chinesischen ETS und beklagen, dass er keinen richtigen CO₂-Preis festsetzen würde. In der Aluminium-Industrie sollen auch Emissionen von Kohlenstofftetrafluorid (CF4) und Kohlenstoffhexafluorid (C2F6) vom Handel erfasst werden, wie der Analyst Lauri Myllyvirta auf X schreibt.
Die Klimaschutzwirkung des Emissionshandels ist noch sehr begrenzt, wie die Analystin Xinyi Shen vom Centre for Research an Energy and Clean Air (CREA) auf X schreibt. Der ETS hat keine Emissionsobergrenze, der Großteil der CO₂-Zertifikate wird kostenfrei zugeteilt und der CO₂-Preis ist noch relativ gering. “Derzeit scheinen sich die Regulierungsbehörden eher darauf zu konzentrieren, die Datenerfassung zu verbessern und die regulierten Unternehmen mit den Einzelheiten des Systems vertraut zu machen, als die Emissionen zu reduzieren”, urteilt Xinyi Shen. Eine Emissionsobergrenze für den ETS wird erst ab 2030 erwartet, wenn China eine solche Obergrenze für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft einführen will. Ab dem Jahr 2026 kommen auf Chinas Stahl-, Zement- und Aluminiumexporteure CO₂-Kosten durch den europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) zu. nib
Eva Murati ist seit August Product User Experience Managerin beim chinesischen Smaprtphone-Unternehmen Honor in dessen Europa-Büro in Düsseldorf. Murati hat zuvor bereits für chinesische Tech-Unternehmen wie Nio und Vivo gearbeitet. Die Sprachspezialistin hat in München, Mailand und Guiyang Wirtschaft, Chinesisch und interkulturelle Kommunikation studiert.
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Sicher ist sicher: Polizisten in Altay in der Autonomen Region Xinjiang schauen der Concierge eines Hotels beim Check-in zweier Gäste über die Schulter. Die Inspektion der Beamten dient zur Kontrolle der Abläufe bei der Registrierung von Hotelgästen und der örtlichen Sicherheitsmaßnahmen.
nur auf den ersten Blick wirkt die Veröffentlichung des Draghi-Berichts wie aufgewärmter Kaffee. Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank fordert eine koordinierte Industriepolitik, schnellere Entscheidungswege und massive Investitionen – nur so könne die Europäische Union mit den größten Volkswirtschaften aus China und den USA künftig mithalten. Nun gut, das haben andere so oder ähnlich schon vor Draghi gesagt.
Was seinen Bericht laut Medienecho aber “historisch” macht, ist das Volumen der Investitionen. Und da scheppert es in den Ohren tatsächlich, als sei eine Bombe in die Luft gegangen. 750 bis 800 Milliarden Euro jährlich – das entspricht bis zu fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Und es sind weit mehr als die ein bis zwei Prozent, die einst im Marshallplan zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg vorgesehen waren, heißt es in dem Bericht.
Wenn das die notwendigen Bedingungen sind, die Europa wettbewerbsfähig gegenüber den USA und China machen können, dann steht Europa vor einer Zerreißprobe, gegen die das Rumgepöbel von Autokraten wie Viktor Orbán lächerlicher Kleinkram ist. Offenbar steht die EU vor dem Scheideweg – Partner oder Lakai. Amelie Richter hat sich für uns den Bericht angeschaut.
Dass ein Wettbewerber wie China mit harten Bandagen kämpft, ist legitim. Dass in der Wissenschaft getäuscht wird, ist dagegen ethisch schmerzhaft. In einer neuen Studie hat Linguist Jeffrey Stoff Beispiele und Belege gesammelt, die problematischen Praktiken Chinas in Bezug auf Transparenz und gute wissenschaftliche Praxis bei internationalen Kooperationen aufzeigen. Tim Gabel hat für uns mit Stoff gesprochen.
Europas Wirtschaft braucht massive Investitionen und deutlich mehr Innovationsbemühungen, um langfristig im Wettbewerb mit China mithalten zu können – das ist die Grundbotschaft des Strategiepapiers von Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union, das am Montag in Brüssel vorgestellt wurde.
Wenn Europa mit China und den USA konkurrieren wolle, müsse es jährlich fünf Prozent des BIP investieren, “auf einem Niveau, das zuletzt in den 1960er- und 70er-Jahren erreicht wurde”, heißt es in dem Bericht. Konkret: “Zusätzlich jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro” seien nötig. Draghi schlägt dafür die Aufnahme neuer Gemeinschaftsschulden mit einem kreditfinanzierten Hilfspaket vor, wie zuletzt in der Corona-Pandemie.
Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hatte den früheren Chef der Europäischen Zentralbank und Ex-Regierungschef Italiens vor einem Jahr um einen Bericht gebeten, wie die EU ihre Wirtschaft wettbewerbsfähig machen kann.
In dem Strategiepapier wird deutlich, dass die Volksrepublik zunehmend eine wirtschaftliche Konkurrenz darstellt: “Die EZB stellt fest, dass der Anteil der Sektoren, in denen China direkt mit den Exporteuren des Euroraums konkurriert, jetzt bei fast 40 Prozent liegt, verglichen mit 25 Prozent im Jahr 2002.” Draghis eindringliche Warnung: “Zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg müssen wir wirklich um unsere Selbsterhaltung fürchten.”
Dass Brüssel generell “härter” gegen China vorgehen sollte, sah der Italiener am Montag bei der Pressekonferenz als Aussage kritisch: “Handelspolitik muss pragmatisch sein. Wir können nicht in allen Bereichen weicher oder härter vorgehen. Wir müssen uns bestimmte Sektoren ansehen und entscheiden, was wir tun wollen.”
Als Beispiel nannte Draghi den Sektor für nachhaltige Technologie. “Unsere Cleantech-Industrie steht jetzt im Wettbewerb mit China. Sicherlich könnte China den billigsten Weg bieten, um die Klimaziele der EU zu erreichen, aber Chinas staatlich geförderte Konkurrenz stellt eine Bedrohung für die Entwicklung unserer produktiven sauberen Industrien dar.”
In dem fast 400 Seiten umfassenden Bericht wird China vor allem bei der Problembeschreibung genannt. Das Draghi-Papier geht im ersten Teil zehn Sektoren durch. Der zweite Teil umfasst übergreifende Vorschläge zur Wettbewerbsfähigkeit der EU.
Die wichtigsten China-Punkte aus dem Papier:
Für seinen neuen Bericht “Transparency and Integrity Risks in China’s Research Ecosystem” hat der China-Analyst und Linguist Jeffrey Stoff Beispiele und Belege von wissenschaftlichem Fehlverhalten gesammelt. Sie sollen zeigen, dass und vor allem wie China – mutmaßlich als Teil seiner geopolitischen Strategie, zur weltweit führenden Wissenschaftsnation zu werden – systematisch und vorsätzlich gegen das Wertesystem bei internationalen Wissenschaftskooperationen verstößt.
“Das Einhalten von Werten wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Transparenz, Integrität und Reziprozität werden in Bezug auf Forschungskooperationen und gemeinsame Publikationen mit China bisher nicht mit der notwendigen Sorgfalt geprüft”, sagt Jeffrey Stoff im Gespräch mit Table.Briefings. Demokratische Staaten hätten bislang zudem keinen Versuch unternommen, die Praktiken Chinas systematisch zu erheben, um sie der Wissenschaftscommunity zur besseren Sicherheitsvorsorge zur Verfügung zu stellen.
Das von Stoff gegründete Center for Research Security and Integrity liefert nun – nach eigenen Angaben – einen ersten vorläufigen Katalog mit problematischen Praktiken Chinas in Bezug auf Transparenz und gute wissenschaftliche Praxis bei internationalen Kooperationen. Kern der Publikation sind Fallstudien mit konkreten Beispielen, von denen einige schon Jahre her sind und die meisten für Kenner nicht überraschend sein dürften.
Sie sollen aber in ihrer Gesamtschau ein Bild davon zeichnen, welche Methoden in der Volksrepublik angewendet werden, um etwa Verbindungen von Institutionen mit der Militärforschung für internationale Partner schwer oder gar nicht zugänglich zu machen.
Stoff und seine Mitarbeitenden skizzieren Fälle wie die des China Aerodynamics Research and Development Centers (CARDC). Die Institution ist nach Angaben der Experten einer der Schlüsselstandorte bei der Forschung und Entwicklung von Hyperschallwaffen und Testareal der Volksbefreiungsarmee. Informationen darüber sind aber weder in jüngeren Archivversionen der Internetseite noch in internationalen Kooperationen zu finden. Von US-Standorten sei die Seite inzwischen überhaupt nicht mehr einsehbar, heißt es in dem Papier.
Mit der Strategie scheint die Institution erfolgreich zu sein, denn nach Angaben von Stoff und seinem Team haben allein die USA (70), Großbritannien (51) und Deutschland (17) mit der dem CARDC insgesamt 138 gemeinsame Paper in den vergangenen sechs Jahren veröffentlicht. Genauere Angaben über die Art und Weise der wissenschaftlichen Zusammenarbeit liefert Stoff in seiner Publikation allerdings nicht.
Andere Universitäten wie die Nanjing University of Science and Technology haben Inhalte, die auf militärische Verbindungen hinweisen, im Vergleich zu älteren Webseiten-Versionen gelöscht. Oder sie zeigen – wie das Chinese Academy of Sciences Dalian Institute of Chemical Physics – sensible Informationen nur auf der chinesischen Webseite an, nicht aber auf der englischsprachigen. Wieder andere Institutionen verwenden bei internationalen Kooperationen irreführende oder falsch übersetzte Namen oder benennen ihre Finanzierungsquellen um.
“Chinas zunehmend restriktive Informationspolitik, selbst in Bereichen der Grundlagenforschung, stellt die Offenheit und Transparenz infrage, die wir bei internationalen Forschungskooperationen mit Partnerländern gewöhnt sind”, sagt Jeff Stoff. Auf die Frage, wie die deutsche Regierung aus seiner Sicht darauf reagieren solle, sagt Stoff, dass Mandarin-Kenntnisse und Fachwissen für eine effektive Due-Diligence-Prüfung von entscheidender Bedeutung seien. Das erfordere den Aufbau von Kapazitäten und Wissen durch die deutsche Regierung und die Forschungs-Community.
“Auch die internationale Zusammenarbeit im Bereich Forschungssicherheit und der Informationsaustausch mit Partnerländern sind bedeutend, um die Ressourcenbelastung auf viele Schultern zu verteilen“. Eine Studie zu deutsch-chinesischen Forschungskooperationen von Jeffrey Stoff hatte Anfang des vergangenen Jahres die deutsche Forschungslandschaft aufgerüttelt. Im Interview mit Table.Briefings erklärte er zudem, wie deutsche Forschungsinstitutionen und Unternehmen mit chinesischen Einrichtungen kooperieren, die auch einen militärischen Hintergrund haben.
Dass China auf die Naivität oder Unkenntnis von erwünschten Kooperationspartnern setzt, legen weitere Fallbeispiele nahe, die Stoff aufführt. Etwa jenes des chinesischen Professors Tan Tieniu, der einerseits die Geschicke der Nanjing University leitet, andererseits als weltweit anerkannter KI-Spezialist für Mustererkennung und biometrische Erfassung Eigner und Geschäftsführer mehrerer chinesischer Unternehmen für Überwachungstechnologie ist, wie in dem Papier beschrieben ist. Letzteres lässt er in seinen Online-CVs und auf Webseiten aber gänzlich unerwähnt.
“Ich bin enttäuscht darüber, dass die internationale Forschungsgemeinschaft weiterhin die Arbeit eines Wissenschaftlers aus der Volksrepublik China anerkennt, der eine entscheidende Rolle bei der Kommerzialisierung von Massenüberwachungstechnologien gespielt hat”, kommentiert Stoff den Fall. Tan habe diese Technologien speziell für Chinas öffentliche Sicherheitsorgane entwickelt, “die damit bekanntermaßen Menschenrechtsverletzungen begehen”.
Stoffs Studie beschränkt sich aber nicht nur auf mutmaßliches Fehlverhalten chinesischer Institutionen und Wissenschaftler im Bereich Transparenz, sondern analysiert auch Versuche, die wissenschaftliche Publikationsleistung mit fragwürdigen Methoden aufzuwerten. So berichtet Stoff darüber, dass ausländische Wissenschaftler ohne nennenswerten Input zu Co-Autoren werden, um das Renommee von Studien aufzuwerten oder zum selben Zweck Co-Autoren von namhaften ausländischen Institutionen erfunden werden.
Interessant auch der Fall des Klimaforschers Wang Chunzai, der am National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer Behörde des US-Handelsministeriums, forschte. Zur gleichen Zeit wurde er aber von einem chinesischen Talentprogramm angeworben, obwohl er in den USA eine Vollzeitstelle innehatte. Wang veröffentlichte in dieser Zeit einige seiner viel beachteten Publikationen ausschließlich für chinesische Institutionen und wurde schließlich 2018 in den USA zu einer Haftstrafe verurteilt, weil auffiel, dass er ein zweites Gehalt aus China bezogen hatte.
Im Gespräch mit Table.Briefings gibt Stoff an, dass die meisten der Beispiele und Ergebnisse seiner Untersuchungen ihn nicht mehr überrascht hätten, weil er diese Art von Untersuchungen seit vielen Jahren durchführt. “Allerdings bin ich überrascht, dass große Nationen weiterhin mit Einrichtungen der Volksrepublik China zusammenarbeiten, die bekanntermaßen kritische Risiken für die nationale Sicherheit darstellen.”
UN-Menschenrechtsexperten sind in “tiefer Sorge” wegen des Vorgehens der chinesischen Behörden gegen Staudammproteste in der tibetischen Region Derge (Mandarin Dege). 13 Sonderberichterstatter hatten der chinesischen Regierung bereits im Juli ein entsprechendes Schreiben übermittelt. Sie fordern Transparenz darüber, wie viele Menschen wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen noch inhaftiert sind und wo sie festgehalten werden. Zudem verlangen sie Informationen über das tatsächliche Risiko, das durch den Bau des Staudamms für Mensch und Natur entsteht.
Michael Brand (CDU), Vorsitzender der Tibet-Parlamentsgruppe im Deutschen Bundestag, beklagt ein “maximal besorgniserregendes” Vorgehen Chinas “auch mit Blick auf die internationale Eskalation, die das Regime in Peking in immer häufigeren Fällen” praktiziere. Tibet sei ein Katalysator für diese Entwicklung. Der Schutz der Tibeter und “des Landes Tibet” müsse deshalb hoch auf die Agenda der internationalen Geopolitik.
Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT), in Berlin warnt: “Was mit den Staudämmen als klimafreundliche und grüne Energie verkauft wird, ist in Wahrheit eine rücksichtslose Strategie der Ausbeutung eines unterdrückten Landes und der Entrechtung Betroffener.” Die internationale Gemeinschaft dürfe diesem Verkaufstrick nicht auf den Leim gehen. Die chinesische Entwicklungspolitik in Tibet müsse mit Nachdruck hinterfragt werden. Zuvor hatte bereits die Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC) das Schreiben der UN-Menschenrechtsexperten begrüßt und Regierungen aufgefordert, sich mit Nachdruck für die fundamentalen Rechte der Tibeter einzusetzen.
Am 14. Februar hatten zahlreiche Menschen vor dem Regierungsgebäude in Derge in der autonomen Präfektur Kardze (Ganzi) gegen das geplante Wasserkraftprojekt Kamtok (Gangtuo) protestiert. Bald nach den Protesten folgten Berichte über mehrere hundert Festnahmen und misshandelte Demonstranten. Es ist unklar, wie viele Personen noch inhaftiert sind. Die Derge-Proteste sind insofern bedeutend, als es dort eine offenbar koordinierte Bemühung gab, den friedlichen Widerstand zu dokumentieren und Videoaufnahmen von den Protesten zu verbreiten. grz
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat am Montag gegenüber Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping seine Hoffnung geäußert, dass die Europäische Union einen Handelskrieg mit China vermeiden könne – auch wenn Brüssel derzeit erwägt, Zölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge zu erheben.
Schon vor dem Treffen mit Xi sagte Sánchez in Peking, dass Maßnahmen wie die Erhebung zusätzlicher EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge “herausfordernd” seien und dass Spanien sich bei der Welthandelsorganisation für einen ausgehandelten Konsens einsetzen werde. “Ein Handelskrieg würde niemandem nützen“, sagte Sánchez und fügte hinzu, dass er in Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen wolle.
Peking warnte im Juni, dass Reibereien mit der EU über ihre Elektrofahrzeuge einen Handelskonflikt auslösen könnten, nur wenige Tage nachdem China eine Antidumping-Untersuchung gegen europäische Schweinefleischimporte angekündigt hatte. Spanien exportierte im Jahr 2023 Schweinefleischprodukte im Wert von 1,5 Milliarden Dollar, die China untersuchen wird, wie chinesische Zolldaten zeigen, gefolgt von den Niederlanden mit 620 Millionen Dollar und Dänemark mit 608 Millionen Dollar.
Sánchez möchte von China die Zusicherung, dass die Volksrepublik nicht mit einer Erhöhung seiner eigenen Zölle auf importierte großmotorige Benzinfahrzeuge zurückschlagen werde. Das könnte Seat schaden, einem Autohersteller im Besitz von Volkswagen und einem der größten Arbeitgeber Spaniens. rtr
China und Russland planen ein erneutes gemeinsames Militärmanöver. Das meldete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Montag. Demnach wird russisches Militär noch in diesem Monat Marine- und Luftstreitkräfte zu einer Übung entsenden, die China im Japanischen Meer und im Ochotskischen Meer durchführen wird. Die Manöver zielen darauf ab, “das Niveau der strategischen Koordination zwischen den chinesischen und russischen Streitkräften zu vertiefen und ihre Fähigkeit zu verbessern, gemeinsam auf Sicherheitsbedrohungen zu reagieren”, hieß es bei Xinhua.
Japan hatte China Ende August vorgeworfen, binnen einer Woche zwei Mal seine Hoheitsrechte verletzt zu haben. Die Zunahme der Aktivitäten des chinesischen Militärs in der Nähe Japans und um Taiwan in den vergangenen Jahren haben die japanische Regierung alarmiert. Seitdem verstärkt Japan seine Rüstungsanstrengungen. China rechtfertigt sein Handeln mit Gebietsansprüchen in der Region. rtr
Chinas Präsident Xi Jinping hat Kim Jong-un angeboten, die strategische Zusammenarbeit mit Nordkorea weiter vertiefen zu wollen. Anlass ist der 76. Jahrestag der Gründung Nordkoreas am Montag. In einer Glückwunschbotschaft an Staatsoberhaupt Kim lobt Xi die Regentschaft des nordkoreanischen Machthabers. Kim habe Nordkorea zu Erfolgen beim Aufbau und der Entwicklung geführt. Er äußerte auch die Hoffnung, dass Pjöngjang weiterhin “neue und größere Siege auf dem Weg zur Förderung der Sache des Sozialismus koreanischen Stils erringen” werde.
Dennoch fallen die Glückwünsche auffallend nüchtern aus. Kein Wunder, schließlich haben sich die Beziehungen zwischen China und Nordkorea in den vergangenen Monaten merklich verschlechtert. Grund ist die Annäherung zwischen Pjöngjang und Moskau, die Peking misstrauisch beobachtet.
Xi und Kim hatten zuletzt im Januar miteinander kommuniziert, als sie Neujahrsgrüße austauschten. Zudem wurde über einen möglichen Besuch Xis spekuliert. Zuletzt war Xi 2019 nach Pjöngjang gereist. Doch statt Xi reiste im Juni dann Russlands Präsident Wladimir Putin nach Pjöngjang – zum ersten Mal seit 24 Jahren. rad
Der frühere chinesische Außenminister Qin Gang hat einen neuen Posten. Wie die Washington Post berichtet, soll Qin nun eine untergeordnete Stelle bei einem Verlag inne haben, der dem chinesischen Außenministerium angegliedert ist. Konkret handelt es sich um eine Stelle bei der World Affairs Press.
Qin Gang war im März 2023 zum Außenminister der Volksrepublik aufgestiegen, er galt als strammer Verfechter der Linie von Partei- und Staatschef Xi Jinping. Mitte 2023, gerade mal knapp 200 Tage im Amt, verschwand Qin dann jedoch spurlos von der Bildfläche. Im Juli 2023 wurde Qin dann offiziell abgesetzt – ohne jedoch aus der Partei geworfen zu werden. Sein Nachfolger wurde sein Vorgänger: der aktuelle Außenminister Wang Yi.
Das Blatt zitiert in ihrem Bericht zwei ehemalige US-Beamte. Einer kommentierte den Vorgang wie folgt: Qins Degradierung sei ein “Fall in Ungnade”, bedeute aber auch, dass “er aus dem Schneider ist”. “Er muss nicht ins Gefängnis, aber seine Karriere ist vorbei.” rad
China will seinen nationalen Emissionshandel (ETS) Ende 2024 um den Eisen- und Stahl-, den Zement- sowie den Aluminiumsektor erweitern. Das gab Umweltminister Huang Runqiu am Wochenende bei der Eröffnung der Industriemesse Global Energy Transition Conference in Peking bekannt. Die Zeit zwischen 2024 und 2026 wird vom Umweltministerium als “Einführungsphase” bezeichnet.
Derzeit ist Chinas ETS auf rund 2.200 Kohle- und vereinzelt Gaskraftwerke beschränkt. Die Ausweitung orientiert sich sehr eng am bisherigen ETS: Die CO₂-Zertifikate sollen anhand eines Richtwerts über die CO₂-Intensität der Produktion frei zugeteilt werden. Produziert ein Stahlwerk, ein Zementhersteller oder eine Aluminiumhütte nachhaltiger als der Richtwert für die gesamte Industrie aussagt, kann es CO₂-Zertifikate verkaufen. Ist die Produktion schmutziger, müssen Zertifikate dazugekauft werden. Für die Ausweitung der Produktion an sich, wenn die Emissionen also durch einen Anstieg der Produktion ansteigen, müssen keine Zertifikate zugekauft werden. Analysten kritisieren diese Ausgestaltung des chinesischen ETS und beklagen, dass er keinen richtigen CO₂-Preis festsetzen würde. In der Aluminium-Industrie sollen auch Emissionen von Kohlenstofftetrafluorid (CF4) und Kohlenstoffhexafluorid (C2F6) vom Handel erfasst werden, wie der Analyst Lauri Myllyvirta auf X schreibt.
Die Klimaschutzwirkung des Emissionshandels ist noch sehr begrenzt, wie die Analystin Xinyi Shen vom Centre for Research an Energy and Clean Air (CREA) auf X schreibt. Der ETS hat keine Emissionsobergrenze, der Großteil der CO₂-Zertifikate wird kostenfrei zugeteilt und der CO₂-Preis ist noch relativ gering. “Derzeit scheinen sich die Regulierungsbehörden eher darauf zu konzentrieren, die Datenerfassung zu verbessern und die regulierten Unternehmen mit den Einzelheiten des Systems vertraut zu machen, als die Emissionen zu reduzieren”, urteilt Xinyi Shen. Eine Emissionsobergrenze für den ETS wird erst ab 2030 erwartet, wenn China eine solche Obergrenze für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft einführen will. Ab dem Jahr 2026 kommen auf Chinas Stahl-, Zement- und Aluminiumexporteure CO₂-Kosten durch den europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) zu. nib
Eva Murati ist seit August Product User Experience Managerin beim chinesischen Smaprtphone-Unternehmen Honor in dessen Europa-Büro in Düsseldorf. Murati hat zuvor bereits für chinesische Tech-Unternehmen wie Nio und Vivo gearbeitet. Die Sprachspezialistin hat in München, Mailand und Guiyang Wirtschaft, Chinesisch und interkulturelle Kommunikation studiert.
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Sicher ist sicher: Polizisten in Altay in der Autonomen Region Xinjiang schauen der Concierge eines Hotels beim Check-in zweier Gäste über die Schulter. Die Inspektion der Beamten dient zur Kontrolle der Abläufe bei der Registrierung von Hotelgästen und der örtlichen Sicherheitsmaßnahmen.