von Chinas Weg in die IT-Diktatur bis zum totalen Überwachungsstaat ist immer wieder die Rede, seitdem die chinesische Führung das sogenannte Sozialkreditsystem vor zehn Jahren angekündigt hat. Seitdem ist zwar viel geschehen und auch umgesetzt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es sehr viele Modelle gibt und die allumfassende Kontrolle jedes Einzelnen zumindest bislang ausgeblieben ist.
Und auch die Diskussionen um die unterschiedlichen Modelle laufen in China kritischer als viele im Westen denken. Die Expertin für chinesische Rechtswissenschaft, Marianne von Blomberg, sieht im Interview mit Julia Fiedler Teile des Sozialkreditsystems gar als eine Art Pionierfall – und hält dieses Kontrollsystem auch für Europa nicht für völlig undenkbar.
Immer schwieriger wird das Geschäft für Mercedes. Nicht nur kämpfen die Stuttgarter wie alle deutschen Autohersteller in China mit dramatischen Umsatzrückgängen. Nun kooperiert der jahrzehntelange Joint-Venture-Partner BAIC auch noch mit dem Tech-Unternehmen Huawei und hat ein eindrucksvolles Luxus-E-Auto auf den Markt gebracht – und zwar in Konkurrenz zu Mercedes.
Warum es für den chinesischen Mercedes-Partner so lebenswichtig geworden ist, nicht mehr nur auf Kooperationen mit Deutschen zu setzen, sondern neue Allianzen einzugehen, analysiert Ihnen Jörn Petring.
Einen guten Start in die Woche!
Mercedes bekommt auf dem chinesischen Luxusmarkt neue Konkurrenz – und das von einem langjährigen Partner. Der chinesische Staatskonzern BAIC, der mit Mercedes seit gut 20 Jahren Fahrzeuge für den chinesischen Markt baut, hat sich auch mit Huawei zusammengetan. Gemeinsam haben BAIC und Huawei vergangene Woche den Verkauf des Stelato S9 gestartet. Dabei handelt es sich um ein neues Premium-E-Auto mit zahlreichen Hightech-Funktionen.
Durch mehrere solcher Allianzen mit chinesischen Autokonzernen hat es Huawei in den letzten Jahren geschafft, sich zu einem integralen Bestandteil der Automobilentwicklung in China zu entwickeln. Diese Partnerschaften folgen stets einem ähnlichen Muster. Huawei tritt als Lieferant für Technologie auf, während die Autohersteller die Fahrzeuge produzieren. Huawei wiederum nutzt dann seine Stärken bei der Vermarktung der Autos. Diese können in den Huawei-Shops so einfach wie Smartphones ausprobiert und gekauft werden.
Bereits erfolgreich umgesetzt wurde dieses Modell mit dem Hersteller Seres, mit dem Huawei unter der Marke Aito zusammenarbeitet. Modelle wie der Aito M5, M7 und der Luxus-SUV M9 nutzen alle Huaweis Software und Hardware. Mit dem Hersteller Chery baut der Konzern aus Shenzhen den Luxeed S7.
Im ersten Halbjahr dieses Jahres beliefen sich die Verkäufe im Rahmen dieser Kooperationen auf 194.000 Fahrzeuge, berichtet das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin. Der Großteil der Verkäufe entfiel auf die Marke Aito.
Auch mit dem Stelato S9 verfolgt Huawei ehrgeizige Pläne. Angeboten werden zwei unterschiedlich ausgestattete Versionen, die 449.800 Yuan (58.000 Euro) und 399.800 Yuan kosten. Der Stelato ist, wie es sich für ein chinesisches Premium-E-Auto gehört, mit luxuriösen Ledersitzen, Massagefunktionen und großen Displays ausgestattet.
Auch die neueste Version von Huaweis Selbstfahr-Software ist an Bord. Das Advanced Driving System (ADS) 3.0 soll ab September jedoch auch in bestehenden Aito- und Luxeed-Modellen verfügbar sein. Besonders beworben wird in den sozialen Medien das Feature der Rückbank, die sich per Displayberührung in ein Heimkino verwandeln lässt. Dieses umfasst einen 32-Zoll-Projektionsbildschirm, der aus dem Dachhimmel herausfährt.
Das Kinoerlebnis wird zusätzlich durch die Möglichkeit verbessert, die Fenster im hinteren Teil des Autos komplett abzudunkeln. Der Beifahrersitz kann automatisch so zusammengeklappt werden, dass eine komfortable Liegefläche für den Passagier dahinter entsteht.
Für BAIC ist es strategisch sinnvoll, sowohl die Partnerschaft mit Mercedes zu pflegen als auch neue Allianzen mit Technologieunternehmen wie Huawei einzugehen, um auf dem hart umkämpften Markt für E-Autos in China überhaupt eine Chance zu haben.
Auch Mercedes muss sich darauf einstellen, dass das Geschäft in China schwierig bleibt. Die Stuttgarter haben im zweiten Quartal auf ihrem wichtigsten Auslandsmarkt China deutlich weniger Autos verkauft, was zu einem spürbaren Gewinnrückgang führte. Die Absätze gingen in der Volksrepublik im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Prozent zurück, und der Nettogewinn des gesamten Konzerns sank um 15,9 Prozent auf 3,06 Milliarden Euro, wie der Stuttgarter Hersteller mitteilte.
Das liegt am harten Konkurrenzkampf in China, doch auch die konjunkturelle Lage spielt eine Rolle. Selbst wohlhabende Kunden achten derzeit verstärkt auf ihr Geld und verschieben den Kauf eines neuen Autos lieber.
Der Automobilhersteller BMW und seine Joint Ventures rufen in China insgesamt rund 1,36 Millionen lokal produzierte sowie importierte Fahrzeuge in die Werkstätten zurück. Wie die chinesische Regulierungsbehörde SAMR in einer Mitteilung ausführte, gibt es potenzielle Risiken bei Airbags des ehemaligen japanischen Herstellers Takata. Der ab sofort geltende Rückruf betreffe Fahrzeug-Modelle, die von 2003 bis 2017 produziert worden seien. BMW Brilliance Automotive, ein Joint Venture im Nordosten Chinas, werde 598.496 in China hergestellte Autos in die Werkstätten beordern. Die BMW China Automobile Trading rufe 759.448 importierte Fahrzeuge zurück.
Bei Autos, bei denen nach einer Inspektion Mängel bestätigt worden seien, werde BMW den Airbag auf der Fahrerseite kostenlos ersetzen, um Sicherheitsrisiken zu beseitigen, hieß es in der Mitteilung. Der Rückruf betreffe Fahrzeuge mit vom Besitzer vorgenommenen Lenkrad-Nachrüstungen, bei denen fehlerhafte Takata-Airbags eingebaut worden sein könnten. Auch in den USA hatte BMW kürzlich 394.000 Autos wegen Problemen mit Takata-Airbags zurückgerufen. Wie die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA im Juli mitteilte, waren fehlerhafte Airbag-Aufblasvorrichtungen, die explodieren könnten, der Grund. rtr
Die Jugendarbeitslosigkeit in China nimmt zu. 17,1 Prozent der 16- bis 24-Jährigen hatten im Juli keinen Job, wie das Statistikamt mitteilte. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Juni, als die Arbeitslosenquote in dieser Altersgruppe (ohne Studierende) noch bei 13,2 Prozent gelegen hat. Das ist zugleich der höchste Wert seit Dezember 2023, als die Behörden ihre Berechnungsweise änderten.
Die Jugendarbeitslosigkeit hatte im Juni vergangenen Jahres einen Rekordwert von 21,3 Prozent erreicht. Das veranlasste die Behörden zunächst dazu, die Veröffentlichung des stark beachteten Indikators zu stoppen und dann die Methodik zu ändern. Die Quote für die 25- bis 29-Jährigen lag im vergangenen Monat bei 6,5 Prozent, bei den 30- bis 59-Jährigen hingegen nur bei 3,9 Prozent.
Rund zwölf Millionen Studentinnen und Studenten haben in diesem Sommer ihren Abschluss gemacht – ein Rekordwert. Die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt zwingt selbst junge Chinesen mit Abschlüssen von Spitzenuniversitäten dazu, Stellen in abgelegenen ländlichen Gebieten anzunehmen.
Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht. Mehrere Konjunkturindikatoren signalisieren, dass die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in der zweiten Jahreshälfte an Schwung verlieren könnte. Sie hat mit einer Krise nach der anderen zu kämpfen, von einem drohenden Handelskrieg mit den USA und der Europäischen Union bis hin zu einer anhaltenden Immobilienkrise und einem mauen Verbrauchervertrauen. rtr
Die Europäische Union hat die vorläufigen Antidumpingzölle auf Importe von chinesischem Biodiesel eingeführt. Die Zölle liegen zwischen 12,8 Prozent und 36,4 Prozent. Die Laufzeit der vorläufigen Zölle beträgt sechs Monate. Der Entscheidung war laut der EU-Kommission eine Untersuchung zu Beschwerden europäischer Biokraftstoffhersteller vorausgegangen. Brüssel hatte die Zusatzzölle Ende Juli bekanntgegeben.
Zu den Unternehmen, die den Zollsatz von 12,8 Prozent erhalten, gehören ECO Biochemical Technology und EcoCeres Limited. Drei Firmen der Jiaao Group (Zhejiang EastRiver Energy S&T, Zhejiang Jiaao Enproenergy und Jiaao International Trading) erhielten den Höchstsatz von 36,4 Prozent. Weitere Firmen wurden mit 25,4 Prozent und 23,7 Prozent belegt, wie aus der Veröffentlichung der Brüsseler Behörde hervorging.
Hintergrund der Beschwerden ist die illegale Verwendung von Palmöl, das in dem Biodiesel aus China verwendet wird. Das Palmöl wird aus Indonesien und Malaysia auf die chinesische Insel Hainan geliefert und dort einfach umdeklariert. Für die Palmöl-Herstellung werden in Südostasien gewaltige Mengen an Bäumen abgeholzt.
Für die Zusatzzölle entscheidender ist, dass der Markt in Europa mit importiertem Kraftstoff aus gebrauchtem Speiseöl aus China überschwemmt wurde, was zu einem Preisrückgang von 2.250 Euro pro Tonne auf 1.100 Euro geführt habe. Die Europäische Union importiert derzeit mehr als 80 Prozent ihrer Biokraftstoffe aus Altspeiseölen, von denen 60 Prozent aus China stammen.
Die European Transport and Environment Federation (T&E) unterstützte bereits im Juli die Einführung der Zusatzzölle. Die Experten glauben jedoch nicht, dass sie zur Lösung des Problems beitragen werden. T&E besteht auf strengeren Kontrollen der Rohstoffherkunft und Transparenz in den Lieferketten, um Regelverstöße zu verhindern. ari
China will Personen bei Einreise und den Warenimport in den nächsten sechs Monaten auf das sich ausbreitende Affenpocken-Virus (Mpox) überprüfen. Dies teilte die chinesische Zollverwaltung mit. “Personen aus Ländern, in denen die Affenpocken ausgebrochen sind, die mit Affenpockenfällen in Kontakt gekommen sind oder Symptome aufweisen, sollten die Initiative ergreifen und sich bei der Zollbehörde melden”, hieß es.
In China sollen deswegen nun Fahrzeuge, Container und Waren aus Gebieten mit Mpox-Fällen desinfiziert werden, so die Zollverwaltung. Chinas Nationale Gesundheitskommission kündigte im vergangenen Jahr an, dass Mpox als Infektionskrankheit der Kategorie B gehandhabt wird. Dies ermöglicht Behörden, bei einem Ausbruch der Krankheit Notfallmaßnahmen zu ergreifen. Zu den Infektionskrankheiten der Kategorie B gehören derzeit auch Covid-19, Aids und Sars.
Am Mittwoch hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO wegen der Ausbreitung der Viruskrankheit in Afrika zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren die höchste Alarmstufe ausgerufen. Nach Angaben des WHO-Generaldirektors Tedros Adhanom Ghebreyesus handelt es sich um einen Gesundheitsnotstand von internationaler Tragweite. Die WHO hatte bereits im Sommer 2022 den weltweiten Gesundheitsnotstand wegen Mpox ausgerufen.
Grund ist nun ein Ausbruch der Virusinfektion in der Demokratischen Republik Kongo, der sich auch auf Nachbarländer ausgebreitet hat. Zu den Symptomen der Viruserkrankung gehören Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschläge mit Bläschen, die meist im Gesicht beginnen und sich auf den Rest des Körpers ausbreiten. rtr
China hat einen ranghohen Funktionär aus Tibet abberufen, um seine Bemühungen zur Säuberung des Finanzsektors zu verstärken. Wang Weidong wurde zum Leiter des Zentralen Komitees für Disziplinarinspektion und Aufsicht im Finanzwesen ernannt, wie aus einem im Juli veröffentlichten Artikel der Antikorruptionsbehörde CCDI hervorgeht. Das neu geschaffene Komitee untersteht der CCDI.
Der 56-Jährige bringt umfassende Erfahrung im Kampf gegen Korruption mit. Seine Ernennung zum Parteisekretär der neuen Behörde unterstreicht Pekings Entschlossenheit, den Finanzsektor des Landes noch stärker unter Kontrolle zu bringen. Bereits seit einigen Jahren verfolgt die Regierung eine zunehmend harte Linie gegenüber dem Finanzwesen.
Wang, geboren in der Provinz Shanxi, begann seine akademische Laufbahn an der Dongbei-Universität für Finanzen und Wirtschaft, wo er 1991 seinen Abschluss in Buchhaltung machte. Sofort zog es ihn in den Staatsdienst. Seine Karriere verlief zunächst unspektakulär, aber stetig. Zwei Jahrzehnte lang arbeitete er in der Verwaltung und wurde 2016 stellvertretender Generalsekretär der CCDI.
In der führenden Antikorruptionsbehörde des Landes erwarb er sich schnell den Ruf eines entschlossenen Kämpfers gegen Korruption. Im Mai 2019 wurde Wang nach Tibet entsandt, um dort die regionale Disziplinarkommission zu leiten. Zurückgekehrt zur CCDI, steht Wang nun vor seiner wohl bedeutendsten Aufgabe.
China hat seinen Griff auf die 66 Billionen Dollar schwere Finanzindustrie in den vergangenen Jahren weiter verstärkt, indem es Banker als “hedonistisch” brandmarkte und die “zentralisierte und einheitliche Führung” der Kommunistischen Partei über den Sektor betonte.
Die 2021 eingeleitete Antikorruptionskampagne hat die Branche erschüttert und im letzten Jahr über 100 Finanzbeamte und Führungskräfte zu Fall gebracht. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 wurden 32 weitere hochrangige Finanzregulierer, Banker und Finanzmanager verhaftet. Auch auf dem Dritten Plenum im Juli hob die Partei die Notwendigkeit einer verbesserten Aufsicht über den Finanzsektor hervor.
Befürworter sehen in der Antikorruptionskampagne einen wichtigen Schritt zur Bereinigung des Finanzsektors von unethischem Verhalten. Die Maßnahmen sollen langfristig zu mehr Transparenz und Stabilität führen. Kritiker argumentieren jedoch, dass die verstärkte Kontrolle durch die Kommunistische Partei die Unabhängigkeit des Finanzsektors untergräbt.
Diese Entwicklung könnte das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in China weiter schwächen, da politische Erwägungen zunehmend wirtschaftliche Prinzipien verdrängen. Für Unruhe in der Branche sorgt derzeit auch, dass einige Investmentbanker aufgefordert wurden, eine Gehaltsobergrenze von rund drei Millionen Yuan (etwa 380.000 Euro) pro Jahr hinzunehmen. Zudem gibt es Berichte, dass hochrangige Manager ihre teils üppigen Bonuszahlungen zurückgeben mussten. Jörn Petring
Yafei Lu ist seit Juli Managing Partner ISG China bei der ISG International Service Group. Für die österreichische HR-Consulting-Firma berät sie Unternehmen für den Eintritt in den chinesischen / europäischen Markt. Lu hat in Hunan und Mannheim studiert und zuvor für deutsche und chinesische Maschinenbauer und Autozulieferer gearbeitet.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Gereift ist diese Wassermelone zwar schon. Aber es könnte noch mehr drin sein. So sehen es zumindest die Nahrungsmittelentwickler, die auf de 23. Agricultural Expo im südchinesischen Changchun ihre Zucht an gigantischen Wassermelonen präsentieren. Und jedes Jahr präsentieren sie eine Melone, die noch größer und geschmackvoller ist. Wir sind auch schon gespannt auf die Präsentation im nächsten Jahr.
von Chinas Weg in die IT-Diktatur bis zum totalen Überwachungsstaat ist immer wieder die Rede, seitdem die chinesische Führung das sogenannte Sozialkreditsystem vor zehn Jahren angekündigt hat. Seitdem ist zwar viel geschehen und auch umgesetzt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es sehr viele Modelle gibt und die allumfassende Kontrolle jedes Einzelnen zumindest bislang ausgeblieben ist.
Und auch die Diskussionen um die unterschiedlichen Modelle laufen in China kritischer als viele im Westen denken. Die Expertin für chinesische Rechtswissenschaft, Marianne von Blomberg, sieht im Interview mit Julia Fiedler Teile des Sozialkreditsystems gar als eine Art Pionierfall – und hält dieses Kontrollsystem auch für Europa nicht für völlig undenkbar.
Immer schwieriger wird das Geschäft für Mercedes. Nicht nur kämpfen die Stuttgarter wie alle deutschen Autohersteller in China mit dramatischen Umsatzrückgängen. Nun kooperiert der jahrzehntelange Joint-Venture-Partner BAIC auch noch mit dem Tech-Unternehmen Huawei und hat ein eindrucksvolles Luxus-E-Auto auf den Markt gebracht – und zwar in Konkurrenz zu Mercedes.
Warum es für den chinesischen Mercedes-Partner so lebenswichtig geworden ist, nicht mehr nur auf Kooperationen mit Deutschen zu setzen, sondern neue Allianzen einzugehen, analysiert Ihnen Jörn Petring.
Einen guten Start in die Woche!
Sie haben untersucht, wie viel Kritik Rechtswissenschaftler in China an Gesetzesentwürfen anbringen können, am Beispiel des Sozialkreditsystems. Über das System existieren viele Mythen. Daher zunächst einmal die Frage: Was ist es, und was nicht?
Es gibt nicht diesen einen Social Credit Score, der von der Zentralregierung verwaltet wird und den jede Person und jedes Unternehmen hat. Vielmehr gibt es ganz viele Pilotprojekte, die unter das große Dach Social Credit fallen, aber alle völlig unterschiedlich sind. Manche davon haben Scores, andere nicht. Projekte mit Scores arbeiten meist mit Belohnungen.
Wie sehen solche Projekte aus?
Da wären beispielsweise städtische Systeme, wie etwa in der Stadt Hangzhou. Als Bürger kann man Punkte sammeln, wenn man korrekt seinen Müll trennt oder Blut spenden geht. Dabei handelt es sich um freiwillige Programme. Mit einem guten Score kann man die Fitnessanlagen der öffentlichen Schulen mitbenutzen, oder ein paar Stunden umsonst in der Innenstadt parken. Niedrige Scores in diesen Projekten ziehen übrigens keine Strafen nach sich. Der Fokus des Social Credit Systems aber – das ist ein wichtiger Punkt – liegt ganz klar auf Unternehmen und Organisationen, nicht auf Individuen. Natürlich sind diese ebenfalls Adressaten, aber sie machen einen eher kleinen Teil aus. Ich würde sagen, vielleicht zehn Prozent.
In Deutschland kann man Auskünfte zur Kreditwürdigkeit seines Gegenübers unter anderem durch die Schufa erhalten. Kann man das vergleichen?
Es gibt wie gesagt viele Projekte und dazu gehören auch Finanz- oder Kreditratingagenturen, ähnlich wie die Schufa. Von der Zentralbank lizenzierte Pilotprojekte von Alibaba, Tencent und anderen großen Technologieunternehmen wurden mittlerweile in zwei große Personal Credit Rating Agenturen umstrukturiert, die mehrheitlich dem Staat gehören, Baihang Credit und Pudong Credit. Sie sind ein Teil der breiten staatlichen Initiative “Sozialkreditsystem”, deren Ziel es ist, die Vertrauenswürdigkeit von chinesischen Bürgern, Unternehmen, Behörden, aber auch der Justiz zu verbessern. Der Grundstein wurde bereits Ende der 90er-Jahre gelegt, 2014 bekräftigte der Staatsrat die Intention mit seinem Planungsabriss zum Aufbau eines Sozialkreditsystems. Das Konzept von Vertrauenswürdigkeit soll im Grunde zu einem leitenden Governance-Paradigma werden.
In welcher Form und in welchen Räumen bringen Rechtswissenschaftler ihre Kritik an?
Der klassische Weg sind wissenschaftliche Zeitschriften, Publikationen und Bücher. Es gibt auch immer wieder Interviews und Kommentare von Rechtswissenschaftlern, zum Beispiel in Zeitungen, oder auf WeChat-Accounts von Thinktanks, Dienstleistern und Organisationen, die im Social Credit Bereich tätig sind. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Expertise von Rechtswissenschaftlern – anders als oft vermutet wird – sehr willkommen ist in der Politik, zumindest was das Sozialkreditsystemprojekt angeht. Das Projekt ist keine geheime Überwachungsinitiative, sondern eine Art Prestigeprojekt, was sich eben dezidiert an Recht halten soll. Es gibt auch staatliche Förderung für Projekte, die erforschen sollen, wie das Sozialkreditsystemprojekt mit dem geltenden Recht in Einklang gebracht werden kann. Kollegen an Jurafakultäten in China werden regelmäßig eingeladen, um ihre Expertise einzubringen. Natürlich haben sie nicht das letzte Wort und sind immer in der Unterzahl neben vielen leitenden Beamten staatlicher Stellen.
Woher wissen Wissenschaftler, wie weit sie mit ihrer Kritik gehen können?
Es gibt keine klare rote Linie. Die Vorstellung einer roten Linie hängt immer ein wenig mit der Vorstellung zusammen, dass es eine einzige alles kontrollierende und leitende Führungskraft in China gibt. Ich glaube, was wir im öffentlichen Diskurs sehen zeigt bereits, dass das nicht so einfach ist. Was wann gesagt werden kann und zu welchen Konsequenzen es führt, ist häufig variabel. Es gibt viele weiche Indikatoren, die Wissenschaftler sehr gut kennen und nach denen sie sich richten. Diese verändern sich je nach politischer Lage. Das Sozialkreditsystem ist kein besonders sensibles Thema und kann relativ kontrovers besprochen werden.
Weil die Regierung in diesem Fall auch ehrliches Interesse an Kritik hat, um das System zu verbessern?
Genau. Es wäre ein problematischer, bequemer – und auch arroganter – Kurzschluss zu sagen, der gesamte rechtswissenschaftliche Diskurs in China ist unkritisch und damit nutzlos, bloß weil er teilweise eingeschränkt ist. Selbst dort, wo westlich sozialisierte Augen nur das Wiederholen politischer Rhetorik sehen, sind oft spannende Wendungen und Details zu finden. Mal abgesehen davon, dass auch chinesische politische Rhetorik insgesamt in Europa viel zu wenig ernsthaft entziffert und verstanden wird.
Natürlich gibt es Räume, wo kritischer Diskurs stattfindet – und auch sehr offen stattfindet. Um die auszumachen, muss man sich einlesen und gucken: Was wird aufgenommen, was nicht?
Genau das haben Sie getan. Warum ist es aus unserer Perspektive wichtig, das wahrzunehmen und diese Räume zu entdecken?
Insgesamt wissen wir einfach viel zu wenig darüber, wie Recht im chinesischen Parteistaat funktioniert – vor allem nach innen. Was sind die Mechanismen, nach denen Macht verteilt wird, wer kann welchen Einfluss nehmen und wie entwickelt sich das Rechtssystem unter den Bedingungen des Datenzeitalters? Das sind Fragen, die sich erst ergeben, wenn man genauer hinsieht: Vielleicht ist es nicht nur Xi Jinping, der an einem Hebel sitzt und alles sehen und lenken kann.
Erst dann können wir auch entdecken, wo es vielleicht sogar Parallelen gibt. Gerade beim Aufbau des Sozialkreditsystems gibt es übrigens viele Innovationen, die in sehr ähnlicher Form an europäischen Behörden zu finden sind, natürlich unter anderen Namen. Die Möglichkeit, aus Datensätzen Assessments zu generieren, um die Vertrauenswürdigkeit von Personen vorherzusagen, revolutioniert die Verwaltung, und auch hier sind die Risiken deutlich: Man denke an den Rücktritt des niederländischen Regierungschefs Rutte nachdem eine von den Steuerbehörden eingesetzte KI tausende Familien zu Unrecht des Betrugs bezichtigte. Insofern kann man Teile des Sozialkreditsystems als eine Art Pionierfall beobachten, statt als autoritäres, in Europa undenkbares Kontrollinstrument abzuschreiben.
Wie relevant das Sozialkreditsystem für ausländische Unternehmen ist und auf welchen gesellschaftlichen Wandel es reagiert, lesen Sie in der Langversion des Interviews hier.
Marianne von Blomberg promoviert an der Universität zu Köln und an der Zhejiang University. Gemeinsam mit Björn Ahl hat sie kürzlich die Studie “Debating the Legality of Social Credit Measures in China – A Review of Chinese Legal Scholarship” veröffentlicht.
Mercedes bekommt auf dem chinesischen Luxusmarkt neue Konkurrenz – und das von einem langjährigen Partner. Der chinesische Staatskonzern BAIC, der mit Mercedes seit gut 20 Jahren Fahrzeuge für den chinesischen Markt baut, hat sich auch mit Huawei zusammengetan. Gemeinsam haben BAIC und Huawei vergangene Woche den Verkauf des Stelato S9 gestartet. Dabei handelt es sich um ein neues Premium-E-Auto mit zahlreichen Hightech-Funktionen.
Durch mehrere solcher Allianzen mit chinesischen Autokonzernen hat es Huawei in den letzten Jahren geschafft, sich zu einem integralen Bestandteil der Automobilentwicklung in China zu entwickeln. Diese Partnerschaften folgen stets einem ähnlichen Muster. Huawei tritt als Lieferant für Technologie auf, während die Autohersteller die Fahrzeuge produzieren. Huawei wiederum nutzt dann seine Stärken bei der Vermarktung der Autos. Diese können in den Huawei-Shops so einfach wie Smartphones ausprobiert und gekauft werden.
Bereits erfolgreich umgesetzt wurde dieses Modell mit dem Hersteller Seres, mit dem Huawei unter der Marke Aito zusammenarbeitet. Modelle wie der Aito M5, M7 und der Luxus-SUV M9 nutzen alle Huaweis Software und Hardware. Mit dem Hersteller Chery baut der Konzern aus Shenzhen den Luxeed S7.
Im ersten Halbjahr dieses Jahres beliefen sich die Verkäufe im Rahmen dieser Kooperationen auf 194.000 Fahrzeuge, berichtet das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin. Der Großteil der Verkäufe entfiel auf die Marke Aito.
Auch mit dem Stelato S9 verfolgt Huawei ehrgeizige Pläne. Angeboten werden zwei unterschiedlich ausgestattete Versionen, die 449.800 Yuan (58.000 Euro) und 399.800 Yuan kosten. Der Stelato ist, wie es sich für ein chinesisches Premium-E-Auto gehört, mit luxuriösen Ledersitzen, Massagefunktionen und großen Displays ausgestattet.
Auch die neueste Version von Huaweis Selbstfahr-Software ist an Bord. Das Advanced Driving System (ADS) 3.0 soll ab September jedoch auch in bestehenden Aito- und Luxeed-Modellen verfügbar sein. Besonders beworben wird in den sozialen Medien das Feature der Rückbank, die sich per Displayberührung in ein Heimkino verwandeln lässt. Dieses umfasst einen 32-Zoll-Projektionsbildschirm, der aus dem Dachhimmel herausfährt.
Das Kinoerlebnis wird zusätzlich durch die Möglichkeit verbessert, die Fenster im hinteren Teil des Autos komplett abzudunkeln. Der Beifahrersitz kann automatisch so zusammengeklappt werden, dass eine komfortable Liegefläche für den Passagier dahinter entsteht.
Für BAIC ist es strategisch sinnvoll, sowohl die Partnerschaft mit Mercedes zu pflegen als auch neue Allianzen mit Technologieunternehmen wie Huawei einzugehen, um auf dem hart umkämpften Markt für E-Autos in China überhaupt eine Chance zu haben.
Auch Mercedes muss sich darauf einstellen, dass das Geschäft in China schwierig bleibt. Die Stuttgarter haben im zweiten Quartal auf ihrem wichtigsten Auslandsmarkt China deutlich weniger Autos verkauft, was zu einem spürbaren Gewinnrückgang führte. Die Absätze gingen in der Volksrepublik im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Prozent zurück, und der Nettogewinn des gesamten Konzerns sank um 15,9 Prozent auf 3,06 Milliarden Euro, wie der Stuttgarter Hersteller mitteilte.
Das liegt am harten Konkurrenzkampf in China, doch auch die konjunkturelle Lage spielt eine Rolle. Selbst wohlhabende Kunden achten derzeit verstärkt auf ihr Geld und verschieben den Kauf eines neuen Autos lieber.
Der Automobilhersteller BMW und seine Joint Ventures rufen in China insgesamt rund 1,36 Millionen lokal produzierte sowie importierte Fahrzeuge in die Werkstätten zurück. Wie die chinesische Regulierungsbehörde SAMR in einer Mitteilung ausführte, gibt es potenzielle Risiken bei Airbags des ehemaligen japanischen Herstellers Takata. Der ab sofort geltende Rückruf betreffe Fahrzeug-Modelle, die von 2003 bis 2017 produziert worden seien. BMW Brilliance Automotive, ein Joint Venture im Nordosten Chinas, werde 598.496 in China hergestellte Autos in die Werkstätten beordern. Die BMW China Automobile Trading rufe 759.448 importierte Fahrzeuge zurück.
Bei Autos, bei denen nach einer Inspektion Mängel bestätigt worden seien, werde BMW den Airbag auf der Fahrerseite kostenlos ersetzen, um Sicherheitsrisiken zu beseitigen, hieß es in der Mitteilung. Der Rückruf betreffe Fahrzeuge mit vom Besitzer vorgenommenen Lenkrad-Nachrüstungen, bei denen fehlerhafte Takata-Airbags eingebaut worden sein könnten. Auch in den USA hatte BMW kürzlich 394.000 Autos wegen Problemen mit Takata-Airbags zurückgerufen. Wie die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA im Juli mitteilte, waren fehlerhafte Airbag-Aufblasvorrichtungen, die explodieren könnten, der Grund. rtr
Die Jugendarbeitslosigkeit in China nimmt zu. 17,1 Prozent der 16- bis 24-Jährigen hatten im Juli keinen Job, wie das Statistikamt mitteilte. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Juni, als die Arbeitslosenquote in dieser Altersgruppe (ohne Studierende) noch bei 13,2 Prozent gelegen hat. Das ist zugleich der höchste Wert seit Dezember 2023, als die Behörden ihre Berechnungsweise änderten.
Die Jugendarbeitslosigkeit hatte im Juni vergangenen Jahres einen Rekordwert von 21,3 Prozent erreicht. Das veranlasste die Behörden zunächst dazu, die Veröffentlichung des stark beachteten Indikators zu stoppen und dann die Methodik zu ändern. Die Quote für die 25- bis 29-Jährigen lag im vergangenen Monat bei 6,5 Prozent, bei den 30- bis 59-Jährigen hingegen nur bei 3,9 Prozent.
Rund zwölf Millionen Studentinnen und Studenten haben in diesem Sommer ihren Abschluss gemacht – ein Rekordwert. Die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt zwingt selbst junge Chinesen mit Abschlüssen von Spitzenuniversitäten dazu, Stellen in abgelegenen ländlichen Gebieten anzunehmen.
Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht. Mehrere Konjunkturindikatoren signalisieren, dass die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in der zweiten Jahreshälfte an Schwung verlieren könnte. Sie hat mit einer Krise nach der anderen zu kämpfen, von einem drohenden Handelskrieg mit den USA und der Europäischen Union bis hin zu einer anhaltenden Immobilienkrise und einem mauen Verbrauchervertrauen. rtr
Die Europäische Union hat die vorläufigen Antidumpingzölle auf Importe von chinesischem Biodiesel eingeführt. Die Zölle liegen zwischen 12,8 Prozent und 36,4 Prozent. Die Laufzeit der vorläufigen Zölle beträgt sechs Monate. Der Entscheidung war laut der EU-Kommission eine Untersuchung zu Beschwerden europäischer Biokraftstoffhersteller vorausgegangen. Brüssel hatte die Zusatzzölle Ende Juli bekanntgegeben.
Zu den Unternehmen, die den Zollsatz von 12,8 Prozent erhalten, gehören ECO Biochemical Technology und EcoCeres Limited. Drei Firmen der Jiaao Group (Zhejiang EastRiver Energy S&T, Zhejiang Jiaao Enproenergy und Jiaao International Trading) erhielten den Höchstsatz von 36,4 Prozent. Weitere Firmen wurden mit 25,4 Prozent und 23,7 Prozent belegt, wie aus der Veröffentlichung der Brüsseler Behörde hervorging.
Hintergrund der Beschwerden ist die illegale Verwendung von Palmöl, das in dem Biodiesel aus China verwendet wird. Das Palmöl wird aus Indonesien und Malaysia auf die chinesische Insel Hainan geliefert und dort einfach umdeklariert. Für die Palmöl-Herstellung werden in Südostasien gewaltige Mengen an Bäumen abgeholzt.
Für die Zusatzzölle entscheidender ist, dass der Markt in Europa mit importiertem Kraftstoff aus gebrauchtem Speiseöl aus China überschwemmt wurde, was zu einem Preisrückgang von 2.250 Euro pro Tonne auf 1.100 Euro geführt habe. Die Europäische Union importiert derzeit mehr als 80 Prozent ihrer Biokraftstoffe aus Altspeiseölen, von denen 60 Prozent aus China stammen.
Die European Transport and Environment Federation (T&E) unterstützte bereits im Juli die Einführung der Zusatzzölle. Die Experten glauben jedoch nicht, dass sie zur Lösung des Problems beitragen werden. T&E besteht auf strengeren Kontrollen der Rohstoffherkunft und Transparenz in den Lieferketten, um Regelverstöße zu verhindern. ari
China will Personen bei Einreise und den Warenimport in den nächsten sechs Monaten auf das sich ausbreitende Affenpocken-Virus (Mpox) überprüfen. Dies teilte die chinesische Zollverwaltung mit. “Personen aus Ländern, in denen die Affenpocken ausgebrochen sind, die mit Affenpockenfällen in Kontakt gekommen sind oder Symptome aufweisen, sollten die Initiative ergreifen und sich bei der Zollbehörde melden”, hieß es.
In China sollen deswegen nun Fahrzeuge, Container und Waren aus Gebieten mit Mpox-Fällen desinfiziert werden, so die Zollverwaltung. Chinas Nationale Gesundheitskommission kündigte im vergangenen Jahr an, dass Mpox als Infektionskrankheit der Kategorie B gehandhabt wird. Dies ermöglicht Behörden, bei einem Ausbruch der Krankheit Notfallmaßnahmen zu ergreifen. Zu den Infektionskrankheiten der Kategorie B gehören derzeit auch Covid-19, Aids und Sars.
Am Mittwoch hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO wegen der Ausbreitung der Viruskrankheit in Afrika zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren die höchste Alarmstufe ausgerufen. Nach Angaben des WHO-Generaldirektors Tedros Adhanom Ghebreyesus handelt es sich um einen Gesundheitsnotstand von internationaler Tragweite. Die WHO hatte bereits im Sommer 2022 den weltweiten Gesundheitsnotstand wegen Mpox ausgerufen.
Grund ist nun ein Ausbruch der Virusinfektion in der Demokratischen Republik Kongo, der sich auch auf Nachbarländer ausgebreitet hat. Zu den Symptomen der Viruserkrankung gehören Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschläge mit Bläschen, die meist im Gesicht beginnen und sich auf den Rest des Körpers ausbreiten. rtr
China hat einen ranghohen Funktionär aus Tibet abberufen, um seine Bemühungen zur Säuberung des Finanzsektors zu verstärken. Wang Weidong wurde zum Leiter des Zentralen Komitees für Disziplinarinspektion und Aufsicht im Finanzwesen ernannt, wie aus einem im Juli veröffentlichten Artikel der Antikorruptionsbehörde CCDI hervorgeht. Das neu geschaffene Komitee untersteht der CCDI.
Der 56-Jährige bringt umfassende Erfahrung im Kampf gegen Korruption mit. Seine Ernennung zum Parteisekretär der neuen Behörde unterstreicht Pekings Entschlossenheit, den Finanzsektor des Landes noch stärker unter Kontrolle zu bringen. Bereits seit einigen Jahren verfolgt die Regierung eine zunehmend harte Linie gegenüber dem Finanzwesen.
Wang, geboren in der Provinz Shanxi, begann seine akademische Laufbahn an der Dongbei-Universität für Finanzen und Wirtschaft, wo er 1991 seinen Abschluss in Buchhaltung machte. Sofort zog es ihn in den Staatsdienst. Seine Karriere verlief zunächst unspektakulär, aber stetig. Zwei Jahrzehnte lang arbeitete er in der Verwaltung und wurde 2016 stellvertretender Generalsekretär der CCDI.
In der führenden Antikorruptionsbehörde des Landes erwarb er sich schnell den Ruf eines entschlossenen Kämpfers gegen Korruption. Im Mai 2019 wurde Wang nach Tibet entsandt, um dort die regionale Disziplinarkommission zu leiten. Zurückgekehrt zur CCDI, steht Wang nun vor seiner wohl bedeutendsten Aufgabe.
China hat seinen Griff auf die 66 Billionen Dollar schwere Finanzindustrie in den vergangenen Jahren weiter verstärkt, indem es Banker als “hedonistisch” brandmarkte und die “zentralisierte und einheitliche Führung” der Kommunistischen Partei über den Sektor betonte.
Die 2021 eingeleitete Antikorruptionskampagne hat die Branche erschüttert und im letzten Jahr über 100 Finanzbeamte und Führungskräfte zu Fall gebracht. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 wurden 32 weitere hochrangige Finanzregulierer, Banker und Finanzmanager verhaftet. Auch auf dem Dritten Plenum im Juli hob die Partei die Notwendigkeit einer verbesserten Aufsicht über den Finanzsektor hervor.
Befürworter sehen in der Antikorruptionskampagne einen wichtigen Schritt zur Bereinigung des Finanzsektors von unethischem Verhalten. Die Maßnahmen sollen langfristig zu mehr Transparenz und Stabilität führen. Kritiker argumentieren jedoch, dass die verstärkte Kontrolle durch die Kommunistische Partei die Unabhängigkeit des Finanzsektors untergräbt.
Diese Entwicklung könnte das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in China weiter schwächen, da politische Erwägungen zunehmend wirtschaftliche Prinzipien verdrängen. Für Unruhe in der Branche sorgt derzeit auch, dass einige Investmentbanker aufgefordert wurden, eine Gehaltsobergrenze von rund drei Millionen Yuan (etwa 380.000 Euro) pro Jahr hinzunehmen. Zudem gibt es Berichte, dass hochrangige Manager ihre teils üppigen Bonuszahlungen zurückgeben mussten. Jörn Petring
Yafei Lu ist seit Juli Managing Partner ISG China bei der ISG International Service Group. Für die österreichische HR-Consulting-Firma berät sie Unternehmen für den Eintritt in den chinesischen / europäischen Markt. Lu hat in Hunan und Mannheim studiert und zuvor für deutsche und chinesische Maschinenbauer und Autozulieferer gearbeitet.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Gereift ist diese Wassermelone zwar schon. Aber es könnte noch mehr drin sein. So sehen es zumindest die Nahrungsmittelentwickler, die auf de 23. Agricultural Expo im südchinesischen Changchun ihre Zucht an gigantischen Wassermelonen präsentieren. Und jedes Jahr präsentieren sie eine Melone, die noch größer und geschmackvoller ist. Wir sind auch schon gespannt auf die Präsentation im nächsten Jahr.
“Einiges findet sich in sehr ähnlicher Form auch bei europäischen Behörden”
Sie haben untersucht, wie viel Kritik Rechtswissenschaftler in China an Gesetzesentwürfen anbringen können, am Beispiel des Sozialkreditsystems. Über das System existieren viele Mythen. Daher zunächst einmal die Frage: Was ist es, und was nicht?
Es gibt nicht diesen einen Social Credit Score, der von der Zentralregierung verwaltet wird und den jede Person und jedes Unternehmen hat. Vielmehr gibt es ganz viele Pilotprojekte, die unter das große Dach Social Credit fallen, aber alle völlig unterschiedlich sind. Manche davon haben Scores, andere nicht. Projekte mit Scores arbeiten meist mit Belohnungen.
Wie sehen solche Projekte aus?
Da wären beispielsweise städtische Systeme, wie etwa in der Stadt Hangzhou. Als Bürger kann man Punkte sammeln, wenn man korrekt seinen Müll trennt oder Blut spenden geht. Dabei handelt es sich um freiwillige Programme. Mit einem guten Score kann man die Fitnessanlagen der öffentlichen Schulen mitbenutzen, oder ein paar Stunden umsonst in der Innenstadt parken. Niedrige Scores in diesen Projekten ziehen übrigens keine Strafen nach sich. Der Fokus des Social Credit Systems aber – das ist ein wichtiger Punkt – liegt ganz klar auf Unternehmen und Organisationen, nicht auf Individuen. Natürlich sind diese ebenfalls Adressaten, aber sie machen einen eher kleinen Teil aus. Ich würde sagen, vielleicht zehn Prozent.
In Deutschland kann man Auskünfte zur Kreditwürdigkeit seines Gegenübers unter anderem durch die Schufa erhalten. Kann man das vergleichen?
Es gibt wie gesagt viele Projekte und dazu gehören auch Finanz- oder Kreditratingagenturen, ähnlich wie die Schufa. Von der Zentralbank lizenzierte Pilotprojekte von Alibaba, Tencent und anderen großen Technologieunternehmen wurden mittlerweile in zwei große Personal Credit Rating Agenturen umstrukturiert, die mehrheitlich dem Staat gehören, Baihang Credit und Pudong Credit. Sie sind ein Teil der breiten staatlichen Initiative “Sozialkreditsystem”, deren Ziel es ist, die Vertrauenswürdigkeit von chinesischen Bürgern, Unternehmen, Behörden, aber auch der Justiz zu verbessern. Der Grundstein wurde bereits Ende der 90er-Jahre gelegt, 2014 bekräftigte der Staatsrat die Intention mit seinem Planungsabriss zum Aufbau eines Sozialkreditsystems. Das Konzept von Vertrauenswürdigkeit soll im Grunde zu einem leitenden Governance-Paradigma werden.
In welcher Form und in welchen Räumen bringen Rechtswissenschaftler ihre Kritik an?
Der klassische Weg sind wissenschaftliche Zeitschriften, Publikationen und Bücher. Es gibt auch immer wieder Interviews und Kommentare von Rechtswissenschaftlern, zum Beispiel in Zeitungen, oder auf WeChat-Accounts von Thinktanks, Dienstleistern und Organisationen, die im Social Credit Bereich tätig sind. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Expertise von Rechtswissenschaftlern – anders als oft vermutet wird – sehr willkommen ist in der Politik, zumindest was das Sozialkreditsystemprojekt angeht. Das Projekt ist keine geheime Überwachungsinitiative, sondern eine Art Prestigeprojekt, was sich eben dezidiert an Recht halten soll. Es gibt auch staatliche Förderung für Projekte, die erforschen sollen, wie das Sozialkreditsystemprojekt mit dem geltenden Recht in Einklang gebracht werden kann. Kollegen an Jurafakultäten in China werden regelmäßig eingeladen, um ihre Expertise einzubringen. Natürlich haben sie nicht das letzte Wort und sind immer in der Unterzahl neben vielen leitenden Beamten staatlicher Stellen.
Woher wissen Wissenschaftler, wie weit sie mit ihrer Kritik gehen können?
Es gibt keine klare rote Linie. Die Vorstellung einer roten Linie hängt immer ein wenig mit der Vorstellung zusammen, dass es eine einzige alles kontrollierende und leitende Führungskraft in China gibt. Ich glaube, was wir im öffentlichen Diskurs sehen zeigt bereits, dass das nicht so einfach ist. Was wann gesagt werden kann und zu welchen Konsequenzen es führt, ist häufig variabel. Es gibt viele weiche Indikatoren, die Wissenschaftler sehr gut kennen und nach denen sie sich richten. Diese verändern sich je nach politischer Lage. Das Sozialkreditsystem ist kein besonders sensibles Thema und kann relativ kontrovers besprochen werden.
Weil die Regierung in diesem Fall auch ehrliches Interesse an Kritik hat, um das System zu verbessern?
Genau. Es wäre ein problematischer, bequemer – und auch arroganter – Kurzschluss zu sagen, der gesamte rechtswissenschaftliche Diskurs in China ist unkritisch und damit nutzlos, bloß weil er teilweise eingeschränkt ist. Selbst dort, wo westlich sozialisierte Augen nur das Wiederholen politischer Rhetorik sehen, sind oft spannende Wendungen und Details zu finden. Mal abgesehen davon, dass auch chinesische politische Rhetorik insgesamt in Europa viel zu wenig ernsthaft entziffert und verstanden wird.
Natürlich gibt es Räume, wo kritischer Diskurs stattfindet – und auch sehr offen stattfindet. Um die auszumachen, muss man sich einlesen und gucken: Was wird aufgenommen, was nicht?
Genau das haben Sie getan. Warum ist es aus unserer Perspektive wichtig, das wahrzunehmen und diese Räume zu entdecken?
Insgesamt wissen wir einfach viel zu wenig darüber, wie Recht im chinesischen Parteistaat funktioniert – vor allem nach innen. Was sind die Mechanismen, nach denen Macht verteilt wird, wer kann welchen Einfluss nehmen und wie entwickelt sich das Rechtssystem unter den Bedingungen des Datenzeitalters? Das sind Fragen, die sich erst ergeben, wenn man genauer hinsieht: Vielleicht ist es nicht nur Xi Jinping, der an einem Hebel sitzt und alles sehen und lenken kann.
Erst dann können wir auch entdecken, wo es vielleicht sogar Parallelen gibt. Gerade beim Aufbau des Sozialkreditsystems gibt es übrigens viele Innovationen, die in sehr ähnlicher Form an europäischen Behörden zu finden sind, natürlich unter anderen Namen. Die Möglichkeit, aus Datensätzen Assessments zu generieren, um die Vertrauenswürdigkeit von Personen vorherzusagen, revolutioniert die Verwaltung, und auch hier sind die Risiken deutlich: Man denke an den Rücktritt des niederländischen Regierungschefs Rutte nachdem eine von den Steuerbehörden eingesetzte KI tausende Familien zu Unrecht des Betrugs bezichtigte. Insofern kann man Teile des Sozialkreditsystems als eine Art Pionierfall beobachten, statt als autoritäres, in Europa undenkbares Kontrollinstrument abzuschreiben.
Wie relevant das Sozialkreditsystem für ausländische Unternehmen ist und auf welchen gesellschaftlichen Wandel es reagiert, lesen Sie in der Langversion des Interviews hier.
Marianne von Blomberg promoviert an der Universität zu Köln und an der Zhejiang University. Gemeinsam mit Björn Ahl hat sie kürzlich die Studie “Debating the Legality of Social Credit Measures in China – A Review of Chinese Legal Scholarship” veröffentlicht.