Table.Briefing: China

Deutsche Marine in der Taiwanstraße + Affäre um Klima-Zertifikate

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Fregatte “Baden-Württemberg” und ihr Versorgungsschiff “Frankfurt am Main” werden in diesen Tagen Südkorea in Richtung Philippinen verlassen – und seit Tagen warten Beobachter auf ein Signal, ob die beiden deutschen Marineschiffe die Taiwanstraße durchqueren werden oder doch den konfliktfreien Weg östlich um Taiwan wählen. Der US-Experte Isaac Kardon sprach sich im Interview mit Michael Radunski vehement dafür aus, ein deutliches Zeichen zu setzen. Deutschlands Schiffe gehen mit der Durchfahrt der Taiwan-Straße kein militärisches Risiko ein, könnten aber eine wichtigen Beitrag zur Schifffahrtsfreiheit senden.

Kardons Logik: Wenn nur die USA auf die Freiheit der Seewege pochen, gelte das in Peking nicht als Norm. Daher sei es so wichtig, dass möglichst viele Länder die Taiwanstraße durchfahren, damit es als selbstverständlich erscheint – auch in Peking. Von dort schallt bei jeder Durchfahrt laute Kritik; denn Peking beansprucht die Meerenge ebenso wie ganz Taiwan für sich. Laut einem Bericht des Spiegel vom Wochenende hat Berlin aber offenbar inzwischen entschieden, diesmal nicht vor möglicher Vergeltung zurückzuschrecken. Die Schiffe sollen demnach die Taiwanstraße durchqueren.

Derweil ist das Umweltbundesamt seit Monaten einem Betrugsfall rund um angebliche CO₂-Emissionszertifikate auf der Spur. Insgesamt 21 Projekte internationaler – darunter auch deutscher – Firmen in China nimmt es wegen möglicher Regelverstöße unter die Lupe. Nun hat das Amt die ersten acht Projekte gestoppt. Es geht um Mineralölkonzerne, Namen wollte das Amt aber nicht nennen. Im Zentrum stehen sogenannte Upstream Emission Reductions”-Projekte (UER), mit denen Firmen etwa aus der Mineralölwirtschaft Emissionsreduktionen bei der Produktion auf die gesetzliche Pflicht zur CO₂-Minderung im Verkauf fossiler Brennstoffe anrechnen lassen können.

Das Amt teilte am Freitag mit, dass auch die Staatsanwaltschaft ermittele. Und das Amt selbst wird gemeinsam mit Anwälten nun die verbleibenden 13 Projekte in China untersuchen. Wie Sie in unserer Analyse lesen können, hat das Umweltministerium bereits festgestellt, dass sich das System als undurchsichtig und fehleranfällig erwiesen habe. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist möglich, der das Gebaren der internationalen Firmen unter die Lupe nimmt.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche!

Ihre
Christiane Kühl
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Interview

“Wenn nur die USA durch die Taiwanstraße fahren, würde das gesamte System zusammenbrechen”

Isaac Kardon (rechts) im Gespräch mit China.Table-Redakteur Michael Radunski.

Bislang sind deutsche Kriegsschiffe noch nicht durch die Taiwanstraße gefahren – anders als etwa die Marine der USA oder Frankreichs. Für die Bundesmarine ist ein Engagement im Indopazifik noch neu. Einem Bericht des Spiegels vom Wochenende zufolge werden zwei Schiffe der Marine in wenigen Tagen tatsächlich von Südkorea aus durch die Taiwanstraße navigieren. Table.Briefings sprach kurz zuvor mit dem US-Experten Isaac Kardon, der vehement für solche Durchfahrten eintritt.

Die deutsche Fregatte “Baden-Württemberg” und ihr Versorgungsschiff Frankfurt am Main” werden diese Woche Südkorea in Richtung Philippinen verlassen – und die große Frage ist: Werden sie durch die Taiwanstraße fahren?

Das zeigt, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt.

Inwiefern?

Insofern, dass Deutschland zögert, durch die Taiwanstraße zu fahren. Es ist ein internationales Gewässer – und meines Wissens ist Deutschland als Exportweltmeister und wichtige Handelsnation auf freien und offenen Handel angewiesen.

Überschätzen Sie damit nicht etwas die Rolle Deutschlands in der Taiwan-Frage? Zwei kleine deutsche Schiffe, die vielleicht einmal durch die Straße fahren. Würde das wirklich einen Unterschied machen?

Es würde in der Tat einen Unterschied machen, insbesondere wenn die deutsche Regierung die Gründe für die Durchfahrt angibt und ihre Absicht erklärt, weiterhin durch die Taiwanstraße zu fahren. Hier handelt es sich nicht um eine unbedeutende Angelegenheit zwischen den USA und China, sondern um eine globale Norm, dass – abgesehen von einigen definierten Einschränkungen des Seerechts, die festlegen, wo man nicht durchfahren darf – die Weltmeere für Handel, Schifffahrt und Kriegs- wie Handelsschiffe gleichermaßen offen sind. Das ist im Seerecht völlig klar. Wir dürfen nicht zulassen, dass China einseitig einen bedeutenden Teil einer internationalen Wasserstraße annektiert, die von vielen anderen Nationen genutzt wird.

China hat die deutsche Regierung öffentlich davor gewarnt, durch die Taiwanstraße zu fahren.

In dieser Hinsicht ist zunächst einmal zu sagen: Es besteht kein militärisches Risiko. Höchstwahrscheinlich werden die Chinesen sie beharrlich und unaufhörlich per Funk belästigen, wohl von einem Schiff der Marine der Volksbefreiungsarmee, das sie auf ihrem Weg durch die Straße mit Sicherheit beschatten wird. Sie werden etwas über chinesische Seerechte und -interessen sagen, vielleicht etwas über die chinesische Souveränität. Aber das ist alles. Sie setzen sich keinem militärischen Risiko aus. Null.

Aber China wird es wohl kaum bei ein paar Funksprüchen belassen 

Richtig. Deutschland müsste mit einem gewissen Missfallen seitens China rechnen. Nochmals, es besteht aus militärischer oder operativer Sicht kein Risiko. Aber es wird wahrscheinlich irgendeine Art von nicht zugeschriebener Vergeltung geben, höchstwahrscheinlich wirtschaftlicher Natur. China könnte sich einen Teil der deutschen Wirtschaft vornehmen. Das ist eine ziemlich hinterhältige Strategie. Aber ich denke, das ist der Preis, den man zahlen muss. Im Grunde muss sich Deutschland entscheiden zwischen seinem langfristigen Interesse an einem offenen, freien Handelssystem und den kurzfristigen Bedenken, dass eventuell der ein oder anderen Wirtschaftsbranche Schaden zugefügt werden könnte.

Wie ist denn die rechtliche Situation in der Taiwanstraße? China beansprucht Souveränitätsrechte.

Es handelt sich um Gewässer, in denen die Freiheit der Hohen See gilt. Das ist der Schlüsselbegriff, um technisch auf die Taiwanstraße einzugehen. Aufgrund ihrer Nähe zu Taiwan und dem Festland handelt es sich um eine ausschließliche Wirtschaftszone. Das ist ein Gebiet, in dem der Küstenstaat ausschließliche wirtschaftliche Rechte auf Fischfang, Öl und Gas hat. Er hat jedoch keine Gerichtsbarkeit über die Schifffahrt. Die Weltmeere sind offen. Wenn die ausschließlichen Wirtschaftszonen der Welt auf diese Weise reguliert werden könnten, dann wären das 40 Prozent der Ozeane. Wir hätten ein viel, viel geschlosseneres System.

Peking sagt, die USA würden sie schikanieren, diese Art der Durchfahrt würde nur vor der chinesischen Küste stattfinden.

Das ist nur die halbe Wahrheit. Chinesische Kriegsschiffe haben ebenfalls begonnen, in ausschließlichen Wirtschaftszonen vor den USA zu operieren. Sie haben sogar in gemeinsamen Operationen mit der russischen Marine durch das Beringmeer in ausschließlichen Wirtschaftszonen der USA operiert. In der Vergangenheit sind sie innerhalb von 12 Seemeilen am US-Territorium vorbeigefahren.

Und die USA haben dann ebenfalls dagegen protestiert, oder?

Ganz im Gegenteil. Was die Vereinigten Staaten in jedem dieser Fälle getan haben, ist, die Norm zu bekräftigen, dass man das tun darf. Das ist der Deal eines offenen liberalen Systems, das die Vereinigten Staaten zu schützen versuchen. Im Moment nutzt China diese Freiheiten aus, auch wenn es sie anderen Staaten nicht zugesteht. Diesen Mangel an Reziprozität kennen wir im Zusammenhang mit dem Zugang zu wirtschaftlichen Märkten. Das Gleiche gilt für die Freiheit der Schifffahrt.

Und jetzt kommt es in der Taiwanstraße tatsächlich auf Deutschland an?

Natürlich geht es nicht nur um Deutschland. Die USA führen regelmäßig Operationen zur Wahrung der Freiheit der Schifffahrt in der Taiwanstraße durch. Im Grunde genommen sind viele Länder dafür erforderlich, denn die Frage ist: Was ist die Norm und was die Ausnahme? Wenn nur die USA durch die Taiwanstraße fahren würden, wäre das eine Ausnahme – und das ganze System würde zusammenbrechen. Deshalb müssen wir es als Norm beibehalten, dass internationale Wasserstraßen frei und offen für jeden sind. Wenn Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Indien, Japan, Australien und andere routinemäßig durch die Taiwanstraße fahren, bleibt die Norm bestehen. Wir dürfen Chinas Versuche nicht dulden, diese Regel und diese Norm zu ändern.

Also sollte Deutschland 

Letztendlich ist es an der deutschen Regierung zu sagen, dass man für die internationale Rechtsstaatlichkeit eintritt. Zu sagen, dass man nicht will, dass das Recht auf Durchfahrt durch eine internationale Wasserstraße, in der es Freiheiten auf hoher See gibt, allmählich ausgehöhlt wird. Berlin sollte klarstellen, dass wir diese Durchfahrt im Einklang mit der üblichen Praxis durchführen und weiterhin durchführen werden. Ich denke, das liegt im deutschen Interesse und auch im Interesse der internationalen Gemeinschaft.

Isaac B. Kardon ist Senior Fellow für Chinastudien am Carnegie Endowment for International Peace in Washington, DC. Er ist gleichzeitig außerordentlicher Professor am Johns Hopkins SAIS und war zuvor Assistenzprofessor am U.S. Naval War College (NWC), wo er als Forschungsdozent am China Maritime Studies Institute tätig war. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Seemacht der Volksrepublik China, mit Spezialisierung auf Seestreitigkeiten und das internationale Seerecht.

  • Geopolitik
  • Militär
  • Taiwan
  • USA
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Analyse

Klimabetrug: Warum das Umweltbundesamt in acht Fällen CO₂-Zertifikate verweigert

Eingang zum Umweltbundesamt: Die Spur des Betruges führt nach China

Das Umweltbundesamt (UBA) verweigert in der Affäre um den mutmaßlichen Betrug mit Klima-Zertifikaten in China in acht Fällen die Freischaltung der Zertifikate. Beantragt hatten die beanstandeten Zertifikate mehrere große, international aktive Firmen, wie die Behörde am Freitag mitteilte. Mit den acht verweigerten Zertifikaten hätten sich die Konzerne insgesamt 215.000 Tonnen angeblich eingesparter CO₂-Emissionen auf ihre Klimabilanz anrechnen lassen wollen.

Hintergrund ist ein im Juni bekannt gewordenes Betrugsgeflecht, in das deutsche und vor allem chinesische Anbieter, Käufer und Gutachter für die Zertifikate verwickelt sind. Aus juristischen Gründen konnte das Amt zunächst keine genaueren Angaben zu den betreffenden Unternehmen machen. Konkret geht es um sogenannte “Upstream Emission Reductions”-Projekte (UER). Deutschland hatte 2018 die “Upstream Emission Reductions”-Regel eingeführt. Sie sollte wie in 14 anderen EU-Ländern helfen, den CO₂-Ausstoß im Verkehr zu senken, indem Emissionsreduktionen bei der Produktion auf die CO₂-Minderungspflicht für den Verkauf von fossilen Brennstoffen (“THG-Quote”) angerechnet werden.

Im Visier: Zertifikate für CO₂-Emissionsminderung in China

Es geht dabei laut UBA um Maßnahmen zu Minderung von CO₂-Emissionen bei der Kraftstoffproduktion, und zwar bereits vor der Verarbeitung des entsprechenden Rohöls in der Raffinerie. Ein typisches Beispiel ist das Abstellen sogenannter Fackelungen von Begleitgasen auf Ölbohrtürmen durch einen Umbau der betreffenden Anlagen. 2022 mussten die Ölkonzerne in Deutschland ihre Emissionen über diese THG-Quote um 14 Millionen Tonnen CO₂ senken. Etwas mehr als ein Zehntel davon, 1,9 Millionen, stammten nach Angaben des Bundesumweltministeriums aus UER. Im Oktober 2023 hatte es die ersten Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei den Zertifikaten gegeben, vor allem aus China: Die Zertifikate entsprächen nicht den Vorschriften oder kämen aus Firmen, die nicht existierten, hieß es.

Das UBA startete eine Untersuchung, an der es selbst, eine Anwaltskanzlei, Behörden im Ausland und die deutsche Staatsanwaltschaft einem Betrugsverdacht nachgingen. Erst Ende Februar 2024 wurden die Vorwürfe laut UBA konkreter. Im Umweltministerium heißt es, “das System hat sich als undurchsichtig und fehleranfällig erwiesen – unter anderem, weil es durch deutsche Behörden kaum kontrollierbar ist”. Die Bundesregierung beendete die UER-Praxis vorzeitig und untersucht nun alle Projekte, für die Anträge vorliegen.

Rechtliche und technische Ungereimtheiten

Nun bedeutet das erstmals für acht Projekte das Aus. “Es werden aus diesen Projekten also keine neuen UER-Zertifikate in den Markt gelangen. Das ist eine gute Nachricht”, betonte das Umweltbundesamt. Parallel ermittele die Staatsanwaltschaft Berlin derzeit gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges.

Bei sieben der acht von dem aktuellen Stopp betroffenen UER-Projekte haben die Firmen laut UBA ihre Anträge auf Freischaltung für 2023 selbst zurückgezogen, nachdem das UBA die Projektträger nach eigenen Angaben mit “gravierenden rechtlichen und technischen Ungereimtheiten bei ihren Projekten konfrontiert und eine Vor-Ort-Überprüfung angedroht hatte“. Bei dem achten Projekt in China untersagte das UBA die Ausstellung von UER-Zertifikaten, da es in unzulässiger Weise vorzeitig begonnen wurde. Das habe man durch technische Analysen und Satellitenbilder herausbekommen.

13 weitere China-Projekte im Fokus der Ermittler

Das UBA werde nun weitere 13 Projekte in China untersuchen, teilte es mit. Bei der Mehrzahl der insgesamt 21 China-Projekte habe man nicht die Möglichkeit zu Kontrollbesuchen vor Ort erhalten. Das sei ein “sehr starkes Indiz” dafür, dass die Projektträger nicht bereit sind, ihre Verpflichtungen aus den entsprechenden Verordnungen zu erfüllen oder sich die vorgeschriebene Kontrolle über die Projekte zu sichern, hieß es.

Das UBA wird nach eigenen Angaben zudem weitere kritische UER-Projekte weltweit überprüfen, “bis alle Vorwürfe ausgeräumt sind”. UER-Projekte sind laut UBA auch deshalb so attraktiv für die Mineralölwirtschaft, weil sie eine vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit darstellen, die geforderten THG-Minderungsquoten nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zu erfüllen.

Geschädigt wurde die Konkurrenz

Geschädigt durch den mutmaßlichen Betrug wurden indes nicht, wie teilweise berichtet, die deutschen Autofahrer – sondern neben der Atmosphäre vor allem die Hersteller von Bio-Treibstoffen, die wegen der UER-Zertifikate Marktanteile für ihre Produkte verloren. Die “Initiative gegen Klimabetrug” aus der betroffenen Industrie taxiert den Schaden auf 7,9 Milliarden Euro und 8,8 Millionen Tonnen Treibhausgase. Sie fordert einen Ausgleich für die nicht erbrachte Klimaschutzleistung und den Rückruf aller Zertifikate.

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat zudem UBA-Chef Dirk Messner und Umweltministerin Steffi Lemke in der Affäre bereits mehrfach vor den Umweltausschuss zitiert und dort befragt. Auch für diese Woche “planen wir eine erneute Sondersitzung des Umweltausschusses zu diesem Thema zu beantragen”, sagte die umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber zu Table.Briefings. Über einen eigenen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem Thema ist derzeit noch nicht entschieden. Zu Ende ist die Betrugssaga durch das Aus für die acht UER-Projekte jedenfalls noch lange nicht.

  • CO2-Emissionen
  • CO2-Zertifikate
  • Klima & Umwelt
  • Kriminalität
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News

ASML: Darum verschärfen die Niederlande Kontrollen für Anlagen-Exporte nach China

Die Niederlande weiten die Exportkontrollen für Maschinen zur Chipherstellung aus. Wie die Regierung in Den Haag am Freitag mitteilte, wird sie die Anforderungen für die Erteilung von Exportlizenzen für Tauchlithografie-Anlagen des Weltmarktführers ASML verschärfen. Damit werden die Niederlande ihre Regeln an die Exportbeschränkungen der USA für diese Anlagen anpassen. Konkret geht es um die ASML-Modelle 1970i und 1980i DUV (Deep Ultraviolet).

Aus Peking kam am Sonntag harsche Kritik. China lehne es ab, dass die USA andere Länder zur Verschärfung von Exportkontrollen für Halbleiter und verwandte Geräte zwingen, teilte das Handelsministerium mit. Die niederländische Seite forderte das Ministerium auf, die Exportkontrollen nicht zu missbrauchen, sowie Maßnahmen vermeiden, die der chinesisch-niederländischen Zusammenarbeit bei Halbleitern schaden. Den Haag solle die “gemeinsamen Interessen chinesischer und niederländischer Unternehmen” schützen. Auch ASML-Chef Christophe Fouquet hat im Juli ein Ende der Sanktionen gegen China gefordert. Die Volksrepublik produziere Chips, die im Westen dringend benötigt würden, sagte er damals dem Handelsblatt.

Die US-Lobbyarbeit hindert ASML, den weltgrößten Anbieter von Chipherstellungsanlagen, effektiv daran, seine modernsten Lithografie-Systeme nach China zu exportieren. Stattdessen kauft die Volksrepublik derzeit in großem Stil anderswo Herstellungsausrüstung ein, wo dies derzeit noch erlaubt ist. So gab das Land im ersten Halbjahr 2024 mehr für den Einkauf von Chip-Maschinen aus als Südkorea, Taiwan und die USA zusammen. rtr/ck

  • China-Sanktionen
  • Geopolitik
  • Halbleiter
  • Technologie

Aktientausch: Guotai Junan und Haitong fusionieren zu Chinas größtem Wertpapierhaus

Zwei der bedeutendsten staatlich unterstützten Wertpapierhäuser Chinas haben ihre Fusion angekündigt. Guotai Junan Securities und Haitong Securities wollen sich zum größten Anbieter des Landes zusammenzuschließen, wie die japanische Zeitung Nikkei Asia am Freitag berichtete. Guotai und Haitong sollen durch einen Aktientausch fusionieren. Beide Unternehmen wiesen darauf hin, dass der Plan noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden muss.

Die Branche reagiert mit dem Merger auf die “wiederholten Aufrufe der Regierung, erstklassige, international wettbewerbsfähige Investmentbanken zu schaffen”, wie das Wirtschaftsmagazin Caixin schreibt. Seit mehr als zehn Jahren fordere Peking den Sektor zur Konsolidierung auf. Das fusionierte Unternehmen würde über ein Gesamtvermögen von mehr als 1,620 Billionen Yuan (umgerechnet rund 210 Milliarden Euro) verfügen und damit Chinas derzeitige Nummer Eins, CITIC Securities, überholen. CITIC Securities besaß Ende Juni ein Vermögen von 1,495 Billionen Yuan. Diese Summen liegen aber weit hinter den globalen Branchengrößen wie JPMorgan Chase, Goldman Sachs oder Morgan Stanley.

Die in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse angekündigte Fusion fällt in eine Zeit, in der die chinesische Finanzmaklerbranche aufgrund des schleppenden Aktienmarktes mit Gewinnrückgängen kämpft. Branchenexperten rechnen laut Nikkei Asia daher mit einer weiteren Konsolidierung des Sektors. Die letzte große Konsolidierungsrunde unter Chinas Onshore-Brokern hatte demnach 2016 stattgefunden, als die staatseigene China International Capital Corp. (CICC) die China Investment Securities übernahm. ck

  • Aktien
  • Finanzen

Presseschau

Alternative zum Westen: China verspricht Afrika Geld und Jobs statt “Auflagen und Predigten” MERKUR
Straße von Taiwan: Durchfahrt von deutscher Fregatte trotz Protest aus Peking geplant DEUTSCHLANDFUNK
Russland und China: Chefs von CIA und MI6 warnen vor Gefahr für Weltordnung T-ONLINE
Tim Walz’ China-Vergangenheit: Wenn sein Name fällt, winden sie sich SPIEGEL
“Warum holt China sich Russland nicht zurück?”: Taiwans Präsident Lai Ching-te legt Finger in historische Wunde MERKUR
Russisch-chinesische Beziehungen – Professor aus China ausgewiesen: Wissenschaft am Rande der Diplomatie RND
China’s disapperared Foreign Minister demoted to low-level publishing job, say former US officials WASHINGTON POST
Die Oasenstadt Kashgar war die Wiege der uigurischen Kultur – dann kamen die Bulldozer – Chronik einer Zerstörung NZZ
BYDs ernüchternde Bilanz in Deutschland: Übernimmt der chinesische E-Auto-Hersteller den Deutschlandimporteur? BUSINESS INSIDER
Trotz Ausfuhrverbot: Nvidias KI-Chips in China günstiger zu mieten als in den USA MANAGER MAGAZIN
China opens up medical sector, manufacturing to foreign ownership in growth push SCMP
Konsum in China: Vom Land der Teetrinker zur Kaffee-Nation TAGESSCHAU
Militärtechnik: Satellitenbilder zeigen Chinas neue Stealth-Drohne bei Tests FUTUREZONE
Mysteriöse Objekte im All hinterlassen: Raumfähre aus China landet in Gobi-Wüste HEISE
China vs. USA: Wettlauf zum Mars intensiviert sich TELEPOLIS

Standpunkt

Wie Chinas Energie-Ausbau uns betrifft

von Rudolf Scharping
Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping fokussiert sich mit seiner Beratungsfirma RSBK auf China.

Der wirtschaftliche Motor Chinas stottert und kämpft mit schwacher Nachfrage, geringen – privaten – Investitionen, hoher Jugendarbeitslosigkeit und einem gering entwickelten Sozialsystem. Derweil meint Adam Tooze, Professor an der New Yorker Columbia University, die “Zukunft der Menschheit liegt in Chinas Händen“. Er meint damit den Klimawandel. Dazu konstatierte jüngst die FAZ: “China forciert die Energiewende“. Das alles hat direkt mit uns zu tun.

Zunächst: Die schwache Nachfrage nach Gütern und Investitionen führt in China zu, sagen wir, gedämpftem Wachstum und jedenfalls zu massiven Preiskämpfen; das schlägt sich nieder in den verhaltenen Importen ebenso wie in den Preisen chinesischer Exportgüter. Wenn die zweitgrößte – in Kaufkraftparitäten: größte – Volkswirtschaft der Erde schwächelt, dann spüren das deren Partner. Der “Bloomberg GDP-Deflator” weist auf die längste Schwächeperiode seit 25 Jahren hin.

Wie dem zu begegnen ist, ist in China Teil einer sehr differenzierten Debatte: der frühere Chef der chinesischen Notenbank (PBOC) warnt vor deflationärem Druck und mahnt eine aktive Finanz- und Währungspolitik an. Schon zuvor hatte Huang Yiping, Dean der National School of Development und Mitglied im währungspolitischen Ausschuss der chinesischen Zentralbank, dafür plädiert, den Fokus auf Konsum zu verlagern, weniger auf Investitionen. Huang, wie Zhang Jun – der Dean der Wirtschaftsfakultät der renommierten Fudan Universität, oder Liu Shijin, früherer Vize-Präsident des Development Research Center des Staates – plädiert für mehr Unterstützung der Familien mit kleinen oder mittleren Einkommen. 

Vertrauen lässt sich nicht herbei planen

Das sind drei von ziemlich vielen öffentlichen Stimmen, die Defizite im Gesundheitswesen, im – noch immer gebeutelten – Wohnungsmarkt oder in der Sorge für die Älteren als Beispiele nennen, um die Binnenkonjunktur zu stärken. Andere warnen vor dem Risiko des “welfareism”, der nur Faulheit und Anspruchsdenken fördere. Hört sich bekannt an, oder?

Unerwähnt bleibt dabei oft die hohe, bei vierzig Prozent liegende Sparquote, die ja Ergebnis der notwendigen privaten Vorsorge ist, um die Ausbildung der Kinder, die Kosten von Krankheit oder die private Ergänzung der niedrigen Renten überhaupt finanzieren zu können. Ein solider und glaubwürdiger Sozialstaat ist auch wirtschaftlich sinnvoll, nicht nur in China.

Dort könnte er gewaltige Summen freisetzen und die Binnenkonjunktur ankurbeln. Das notwendige Vertrauen aber in eine stabile Zukunft lässt sich auch in China weder herbei planen noch herbei kommandieren. Mit Ankündigungen ist nicht viel zu bewirken. Das kann man in China mittlerweile ebenfalls studieren. Pars pro toto: Das Eintrittsalter für die Renten anzuheben, das ist einige Male angekündigt worden – und stößt unverändert auf starken Widerstand. Unvergessen dort sind auch die vielen Demonstrationen gegen die Kürzungen in dem sogenannten Gesundheitsfonds für die Älteren.

Das ist, wenn man so will, die Kehrseite der von Deng Xiaoping eingeleiteten Reform und Öffnung. Aus den teils gewaltigen Fortschritten erwachsen neue Herausforderungen; sie münden in noch unbewältigten Hausaufgaben und einer internen Debatte, die uns mehr interessieren müsste. 

Klimawandel macht vor Grenzen nicht halt

Das gilt ebenso für Fragen von Klima, Umwelt und Energie; sie stehen stellvertretend für globale Herausforderungen – Menschheitsaufgaben hatten Willy Brandt oder Michail Gorbatschow gesagt -, die nur in Zusammenarbeit bewältigt werden können. Klimawandel macht nicht halt vor nationalen Grenzen und kann in solchen Grenzen auch nicht bewältigt werden.

China ist weltweit beides: der größte Emittent von CO₂ und der größte Investor in Erneuerbare Energien. Der gewaltige Ausbau der Nutzung vor allem der Sonnen- und Windenergie verschiebt die Gewichte; das ist bemerkenswert. Aber China kann und wird auf keine Energiequelle verzichten; nicht auf Kohle, derzeit gut 60 Prozent am Strommix, nicht auf Atomenergie, derzeit bei fünf Prozent, und auch nicht auf Wasser, Wind oder Sonne. Alles wird ausgebaut, wird modernisiert und mit allen verfügbaren Technologien darauf ausgerichtet, früher als angekündigt den “Carbon Peak” zu erreichen.

Das wäre eine gute Nachricht im Kampf gegen den Klimawandel. Zugleich jedoch ist diese Entwicklung ein starker Hinweis: hier findet ein De-Risking à la China statt. Je weniger das Land auf “externe Quellen” angewiesen ist und je stärker diese diversifiziert sind, umso besser. Je intensiver Zusammenarbeit und je vielfältiger dabei die Partner, umso besser – aber das ist ja nicht nur eine chinesische Sicht. 

Rudolf Scharping war zwischen 1998 und 2002 Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland und ist ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD. Mit seiner Beratungsfirma RSBK unterstützt er seit mehr als 15 Jahren Unternehmen beim Markteintritt in China. Am 18. und 19. September 2024 veranstaltet RSBK die 11. Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz in Stuttgart. 

  • De-Risking
  • Gesellschaft
  • Klima

Personalien

Niina Väisänen ist seit August Desk Officer für China Economic Affairs beim Außenministerium von Finnland. Väisänen hat in Helsinki und Kyoto East Asian Studies und Politikwissenschaften studiert. 

Victoria Aksakovska ist seit August im Bereich Brand Strategy & Customer Demands bei VW China tätig. Zuvor arbeitete Aksakovska für das auf Gesundheitsernährung spezialisierte Unternehmen Amsety in Berlin in der Vermarktung. Ihr neuer Einsatzort ist China. 

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Sie sind einfach überall: Rund um das Mondfest kann man Mondkuchen in China nicht entgehen. Dafür sorgen auch diese Bäcker in Taizhou, Jiangsu. Ob süß oder salzig lässt sich von außen nicht erkennen, dabei sind manche Füllungen wohl eher Geschmackssache. Oder wie stehen Sie zu gesalzenen Eigelben im Kern eines süßen Kuchens? Dieses Jahr fällt das Mondfest auf den 17. September.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    die Fregatte “Baden-Württemberg” und ihr Versorgungsschiff “Frankfurt am Main” werden in diesen Tagen Südkorea in Richtung Philippinen verlassen – und seit Tagen warten Beobachter auf ein Signal, ob die beiden deutschen Marineschiffe die Taiwanstraße durchqueren werden oder doch den konfliktfreien Weg östlich um Taiwan wählen. Der US-Experte Isaac Kardon sprach sich im Interview mit Michael Radunski vehement dafür aus, ein deutliches Zeichen zu setzen. Deutschlands Schiffe gehen mit der Durchfahrt der Taiwan-Straße kein militärisches Risiko ein, könnten aber eine wichtigen Beitrag zur Schifffahrtsfreiheit senden.

    Kardons Logik: Wenn nur die USA auf die Freiheit der Seewege pochen, gelte das in Peking nicht als Norm. Daher sei es so wichtig, dass möglichst viele Länder die Taiwanstraße durchfahren, damit es als selbstverständlich erscheint – auch in Peking. Von dort schallt bei jeder Durchfahrt laute Kritik; denn Peking beansprucht die Meerenge ebenso wie ganz Taiwan für sich. Laut einem Bericht des Spiegel vom Wochenende hat Berlin aber offenbar inzwischen entschieden, diesmal nicht vor möglicher Vergeltung zurückzuschrecken. Die Schiffe sollen demnach die Taiwanstraße durchqueren.

    Derweil ist das Umweltbundesamt seit Monaten einem Betrugsfall rund um angebliche CO₂-Emissionszertifikate auf der Spur. Insgesamt 21 Projekte internationaler – darunter auch deutscher – Firmen in China nimmt es wegen möglicher Regelverstöße unter die Lupe. Nun hat das Amt die ersten acht Projekte gestoppt. Es geht um Mineralölkonzerne, Namen wollte das Amt aber nicht nennen. Im Zentrum stehen sogenannte Upstream Emission Reductions”-Projekte (UER), mit denen Firmen etwa aus der Mineralölwirtschaft Emissionsreduktionen bei der Produktion auf die gesetzliche Pflicht zur CO₂-Minderung im Verkauf fossiler Brennstoffe anrechnen lassen können.

    Das Amt teilte am Freitag mit, dass auch die Staatsanwaltschaft ermittele. Und das Amt selbst wird gemeinsam mit Anwälten nun die verbleibenden 13 Projekte in China untersuchen. Wie Sie in unserer Analyse lesen können, hat das Umweltministerium bereits festgestellt, dass sich das System als undurchsichtig und fehleranfällig erwiesen habe. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist möglich, der das Gebaren der internationalen Firmen unter die Lupe nimmt.

    Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche!

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    Interview

    “Wenn nur die USA durch die Taiwanstraße fahren, würde das gesamte System zusammenbrechen”

    Isaac Kardon (rechts) im Gespräch mit China.Table-Redakteur Michael Radunski.

    Bislang sind deutsche Kriegsschiffe noch nicht durch die Taiwanstraße gefahren – anders als etwa die Marine der USA oder Frankreichs. Für die Bundesmarine ist ein Engagement im Indopazifik noch neu. Einem Bericht des Spiegels vom Wochenende zufolge werden zwei Schiffe der Marine in wenigen Tagen tatsächlich von Südkorea aus durch die Taiwanstraße navigieren. Table.Briefings sprach kurz zuvor mit dem US-Experten Isaac Kardon, der vehement für solche Durchfahrten eintritt.

    Die deutsche Fregatte “Baden-Württemberg” und ihr Versorgungsschiff Frankfurt am Main” werden diese Woche Südkorea in Richtung Philippinen verlassen – und die große Frage ist: Werden sie durch die Taiwanstraße fahren?

    Das zeigt, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt.

    Inwiefern?

    Insofern, dass Deutschland zögert, durch die Taiwanstraße zu fahren. Es ist ein internationales Gewässer – und meines Wissens ist Deutschland als Exportweltmeister und wichtige Handelsnation auf freien und offenen Handel angewiesen.

    Überschätzen Sie damit nicht etwas die Rolle Deutschlands in der Taiwan-Frage? Zwei kleine deutsche Schiffe, die vielleicht einmal durch die Straße fahren. Würde das wirklich einen Unterschied machen?

    Es würde in der Tat einen Unterschied machen, insbesondere wenn die deutsche Regierung die Gründe für die Durchfahrt angibt und ihre Absicht erklärt, weiterhin durch die Taiwanstraße zu fahren. Hier handelt es sich nicht um eine unbedeutende Angelegenheit zwischen den USA und China, sondern um eine globale Norm, dass – abgesehen von einigen definierten Einschränkungen des Seerechts, die festlegen, wo man nicht durchfahren darf – die Weltmeere für Handel, Schifffahrt und Kriegs- wie Handelsschiffe gleichermaßen offen sind. Das ist im Seerecht völlig klar. Wir dürfen nicht zulassen, dass China einseitig einen bedeutenden Teil einer internationalen Wasserstraße annektiert, die von vielen anderen Nationen genutzt wird.

    China hat die deutsche Regierung öffentlich davor gewarnt, durch die Taiwanstraße zu fahren.

    In dieser Hinsicht ist zunächst einmal zu sagen: Es besteht kein militärisches Risiko. Höchstwahrscheinlich werden die Chinesen sie beharrlich und unaufhörlich per Funk belästigen, wohl von einem Schiff der Marine der Volksbefreiungsarmee, das sie auf ihrem Weg durch die Straße mit Sicherheit beschatten wird. Sie werden etwas über chinesische Seerechte und -interessen sagen, vielleicht etwas über die chinesische Souveränität. Aber das ist alles. Sie setzen sich keinem militärischen Risiko aus. Null.

    Aber China wird es wohl kaum bei ein paar Funksprüchen belassen 

    Richtig. Deutschland müsste mit einem gewissen Missfallen seitens China rechnen. Nochmals, es besteht aus militärischer oder operativer Sicht kein Risiko. Aber es wird wahrscheinlich irgendeine Art von nicht zugeschriebener Vergeltung geben, höchstwahrscheinlich wirtschaftlicher Natur. China könnte sich einen Teil der deutschen Wirtschaft vornehmen. Das ist eine ziemlich hinterhältige Strategie. Aber ich denke, das ist der Preis, den man zahlen muss. Im Grunde muss sich Deutschland entscheiden zwischen seinem langfristigen Interesse an einem offenen, freien Handelssystem und den kurzfristigen Bedenken, dass eventuell der ein oder anderen Wirtschaftsbranche Schaden zugefügt werden könnte.

    Wie ist denn die rechtliche Situation in der Taiwanstraße? China beansprucht Souveränitätsrechte.

    Es handelt sich um Gewässer, in denen die Freiheit der Hohen See gilt. Das ist der Schlüsselbegriff, um technisch auf die Taiwanstraße einzugehen. Aufgrund ihrer Nähe zu Taiwan und dem Festland handelt es sich um eine ausschließliche Wirtschaftszone. Das ist ein Gebiet, in dem der Küstenstaat ausschließliche wirtschaftliche Rechte auf Fischfang, Öl und Gas hat. Er hat jedoch keine Gerichtsbarkeit über die Schifffahrt. Die Weltmeere sind offen. Wenn die ausschließlichen Wirtschaftszonen der Welt auf diese Weise reguliert werden könnten, dann wären das 40 Prozent der Ozeane. Wir hätten ein viel, viel geschlosseneres System.

    Peking sagt, die USA würden sie schikanieren, diese Art der Durchfahrt würde nur vor der chinesischen Küste stattfinden.

    Das ist nur die halbe Wahrheit. Chinesische Kriegsschiffe haben ebenfalls begonnen, in ausschließlichen Wirtschaftszonen vor den USA zu operieren. Sie haben sogar in gemeinsamen Operationen mit der russischen Marine durch das Beringmeer in ausschließlichen Wirtschaftszonen der USA operiert. In der Vergangenheit sind sie innerhalb von 12 Seemeilen am US-Territorium vorbeigefahren.

    Und die USA haben dann ebenfalls dagegen protestiert, oder?

    Ganz im Gegenteil. Was die Vereinigten Staaten in jedem dieser Fälle getan haben, ist, die Norm zu bekräftigen, dass man das tun darf. Das ist der Deal eines offenen liberalen Systems, das die Vereinigten Staaten zu schützen versuchen. Im Moment nutzt China diese Freiheiten aus, auch wenn es sie anderen Staaten nicht zugesteht. Diesen Mangel an Reziprozität kennen wir im Zusammenhang mit dem Zugang zu wirtschaftlichen Märkten. Das Gleiche gilt für die Freiheit der Schifffahrt.

    Und jetzt kommt es in der Taiwanstraße tatsächlich auf Deutschland an?

    Natürlich geht es nicht nur um Deutschland. Die USA führen regelmäßig Operationen zur Wahrung der Freiheit der Schifffahrt in der Taiwanstraße durch. Im Grunde genommen sind viele Länder dafür erforderlich, denn die Frage ist: Was ist die Norm und was die Ausnahme? Wenn nur die USA durch die Taiwanstraße fahren würden, wäre das eine Ausnahme – und das ganze System würde zusammenbrechen. Deshalb müssen wir es als Norm beibehalten, dass internationale Wasserstraßen frei und offen für jeden sind. Wenn Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Indien, Japan, Australien und andere routinemäßig durch die Taiwanstraße fahren, bleibt die Norm bestehen. Wir dürfen Chinas Versuche nicht dulden, diese Regel und diese Norm zu ändern.

    Also sollte Deutschland 

    Letztendlich ist es an der deutschen Regierung zu sagen, dass man für die internationale Rechtsstaatlichkeit eintritt. Zu sagen, dass man nicht will, dass das Recht auf Durchfahrt durch eine internationale Wasserstraße, in der es Freiheiten auf hoher See gibt, allmählich ausgehöhlt wird. Berlin sollte klarstellen, dass wir diese Durchfahrt im Einklang mit der üblichen Praxis durchführen und weiterhin durchführen werden. Ich denke, das liegt im deutschen Interesse und auch im Interesse der internationalen Gemeinschaft.

    Isaac B. Kardon ist Senior Fellow für Chinastudien am Carnegie Endowment for International Peace in Washington, DC. Er ist gleichzeitig außerordentlicher Professor am Johns Hopkins SAIS und war zuvor Assistenzprofessor am U.S. Naval War College (NWC), wo er als Forschungsdozent am China Maritime Studies Institute tätig war. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Seemacht der Volksrepublik China, mit Spezialisierung auf Seestreitigkeiten und das internationale Seerecht.

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    Analyse

    Klimabetrug: Warum das Umweltbundesamt in acht Fällen CO₂-Zertifikate verweigert

    Eingang zum Umweltbundesamt: Die Spur des Betruges führt nach China

    Das Umweltbundesamt (UBA) verweigert in der Affäre um den mutmaßlichen Betrug mit Klima-Zertifikaten in China in acht Fällen die Freischaltung der Zertifikate. Beantragt hatten die beanstandeten Zertifikate mehrere große, international aktive Firmen, wie die Behörde am Freitag mitteilte. Mit den acht verweigerten Zertifikaten hätten sich die Konzerne insgesamt 215.000 Tonnen angeblich eingesparter CO₂-Emissionen auf ihre Klimabilanz anrechnen lassen wollen.

    Hintergrund ist ein im Juni bekannt gewordenes Betrugsgeflecht, in das deutsche und vor allem chinesische Anbieter, Käufer und Gutachter für die Zertifikate verwickelt sind. Aus juristischen Gründen konnte das Amt zunächst keine genaueren Angaben zu den betreffenden Unternehmen machen. Konkret geht es um sogenannte “Upstream Emission Reductions”-Projekte (UER). Deutschland hatte 2018 die “Upstream Emission Reductions”-Regel eingeführt. Sie sollte wie in 14 anderen EU-Ländern helfen, den CO₂-Ausstoß im Verkehr zu senken, indem Emissionsreduktionen bei der Produktion auf die CO₂-Minderungspflicht für den Verkauf von fossilen Brennstoffen (“THG-Quote”) angerechnet werden.

    Im Visier: Zertifikate für CO₂-Emissionsminderung in China

    Es geht dabei laut UBA um Maßnahmen zu Minderung von CO₂-Emissionen bei der Kraftstoffproduktion, und zwar bereits vor der Verarbeitung des entsprechenden Rohöls in der Raffinerie. Ein typisches Beispiel ist das Abstellen sogenannter Fackelungen von Begleitgasen auf Ölbohrtürmen durch einen Umbau der betreffenden Anlagen. 2022 mussten die Ölkonzerne in Deutschland ihre Emissionen über diese THG-Quote um 14 Millionen Tonnen CO₂ senken. Etwas mehr als ein Zehntel davon, 1,9 Millionen, stammten nach Angaben des Bundesumweltministeriums aus UER. Im Oktober 2023 hatte es die ersten Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei den Zertifikaten gegeben, vor allem aus China: Die Zertifikate entsprächen nicht den Vorschriften oder kämen aus Firmen, die nicht existierten, hieß es.

    Das UBA startete eine Untersuchung, an der es selbst, eine Anwaltskanzlei, Behörden im Ausland und die deutsche Staatsanwaltschaft einem Betrugsverdacht nachgingen. Erst Ende Februar 2024 wurden die Vorwürfe laut UBA konkreter. Im Umweltministerium heißt es, “das System hat sich als undurchsichtig und fehleranfällig erwiesen – unter anderem, weil es durch deutsche Behörden kaum kontrollierbar ist”. Die Bundesregierung beendete die UER-Praxis vorzeitig und untersucht nun alle Projekte, für die Anträge vorliegen.

    Rechtliche und technische Ungereimtheiten

    Nun bedeutet das erstmals für acht Projekte das Aus. “Es werden aus diesen Projekten also keine neuen UER-Zertifikate in den Markt gelangen. Das ist eine gute Nachricht”, betonte das Umweltbundesamt. Parallel ermittele die Staatsanwaltschaft Berlin derzeit gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges.

    Bei sieben der acht von dem aktuellen Stopp betroffenen UER-Projekte haben die Firmen laut UBA ihre Anträge auf Freischaltung für 2023 selbst zurückgezogen, nachdem das UBA die Projektträger nach eigenen Angaben mit “gravierenden rechtlichen und technischen Ungereimtheiten bei ihren Projekten konfrontiert und eine Vor-Ort-Überprüfung angedroht hatte“. Bei dem achten Projekt in China untersagte das UBA die Ausstellung von UER-Zertifikaten, da es in unzulässiger Weise vorzeitig begonnen wurde. Das habe man durch technische Analysen und Satellitenbilder herausbekommen.

    13 weitere China-Projekte im Fokus der Ermittler

    Das UBA werde nun weitere 13 Projekte in China untersuchen, teilte es mit. Bei der Mehrzahl der insgesamt 21 China-Projekte habe man nicht die Möglichkeit zu Kontrollbesuchen vor Ort erhalten. Das sei ein “sehr starkes Indiz” dafür, dass die Projektträger nicht bereit sind, ihre Verpflichtungen aus den entsprechenden Verordnungen zu erfüllen oder sich die vorgeschriebene Kontrolle über die Projekte zu sichern, hieß es.

    Das UBA wird nach eigenen Angaben zudem weitere kritische UER-Projekte weltweit überprüfen, “bis alle Vorwürfe ausgeräumt sind”. UER-Projekte sind laut UBA auch deshalb so attraktiv für die Mineralölwirtschaft, weil sie eine vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit darstellen, die geforderten THG-Minderungsquoten nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zu erfüllen.

    Geschädigt wurde die Konkurrenz

    Geschädigt durch den mutmaßlichen Betrug wurden indes nicht, wie teilweise berichtet, die deutschen Autofahrer – sondern neben der Atmosphäre vor allem die Hersteller von Bio-Treibstoffen, die wegen der UER-Zertifikate Marktanteile für ihre Produkte verloren. Die “Initiative gegen Klimabetrug” aus der betroffenen Industrie taxiert den Schaden auf 7,9 Milliarden Euro und 8,8 Millionen Tonnen Treibhausgase. Sie fordert einen Ausgleich für die nicht erbrachte Klimaschutzleistung und den Rückruf aller Zertifikate.

    Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat zudem UBA-Chef Dirk Messner und Umweltministerin Steffi Lemke in der Affäre bereits mehrfach vor den Umweltausschuss zitiert und dort befragt. Auch für diese Woche “planen wir eine erneute Sondersitzung des Umweltausschusses zu diesem Thema zu beantragen”, sagte die umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber zu Table.Briefings. Über einen eigenen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem Thema ist derzeit noch nicht entschieden. Zu Ende ist die Betrugssaga durch das Aus für die acht UER-Projekte jedenfalls noch lange nicht.

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    News

    ASML: Darum verschärfen die Niederlande Kontrollen für Anlagen-Exporte nach China

    Die Niederlande weiten die Exportkontrollen für Maschinen zur Chipherstellung aus. Wie die Regierung in Den Haag am Freitag mitteilte, wird sie die Anforderungen für die Erteilung von Exportlizenzen für Tauchlithografie-Anlagen des Weltmarktführers ASML verschärfen. Damit werden die Niederlande ihre Regeln an die Exportbeschränkungen der USA für diese Anlagen anpassen. Konkret geht es um die ASML-Modelle 1970i und 1980i DUV (Deep Ultraviolet).

    Aus Peking kam am Sonntag harsche Kritik. China lehne es ab, dass die USA andere Länder zur Verschärfung von Exportkontrollen für Halbleiter und verwandte Geräte zwingen, teilte das Handelsministerium mit. Die niederländische Seite forderte das Ministerium auf, die Exportkontrollen nicht zu missbrauchen, sowie Maßnahmen vermeiden, die der chinesisch-niederländischen Zusammenarbeit bei Halbleitern schaden. Den Haag solle die “gemeinsamen Interessen chinesischer und niederländischer Unternehmen” schützen. Auch ASML-Chef Christophe Fouquet hat im Juli ein Ende der Sanktionen gegen China gefordert. Die Volksrepublik produziere Chips, die im Westen dringend benötigt würden, sagte er damals dem Handelsblatt.

    Die US-Lobbyarbeit hindert ASML, den weltgrößten Anbieter von Chipherstellungsanlagen, effektiv daran, seine modernsten Lithografie-Systeme nach China zu exportieren. Stattdessen kauft die Volksrepublik derzeit in großem Stil anderswo Herstellungsausrüstung ein, wo dies derzeit noch erlaubt ist. So gab das Land im ersten Halbjahr 2024 mehr für den Einkauf von Chip-Maschinen aus als Südkorea, Taiwan und die USA zusammen. rtr/ck

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    Aktientausch: Guotai Junan und Haitong fusionieren zu Chinas größtem Wertpapierhaus

    Zwei der bedeutendsten staatlich unterstützten Wertpapierhäuser Chinas haben ihre Fusion angekündigt. Guotai Junan Securities und Haitong Securities wollen sich zum größten Anbieter des Landes zusammenzuschließen, wie die japanische Zeitung Nikkei Asia am Freitag berichtete. Guotai und Haitong sollen durch einen Aktientausch fusionieren. Beide Unternehmen wiesen darauf hin, dass der Plan noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden muss.

    Die Branche reagiert mit dem Merger auf die “wiederholten Aufrufe der Regierung, erstklassige, international wettbewerbsfähige Investmentbanken zu schaffen”, wie das Wirtschaftsmagazin Caixin schreibt. Seit mehr als zehn Jahren fordere Peking den Sektor zur Konsolidierung auf. Das fusionierte Unternehmen würde über ein Gesamtvermögen von mehr als 1,620 Billionen Yuan (umgerechnet rund 210 Milliarden Euro) verfügen und damit Chinas derzeitige Nummer Eins, CITIC Securities, überholen. CITIC Securities besaß Ende Juni ein Vermögen von 1,495 Billionen Yuan. Diese Summen liegen aber weit hinter den globalen Branchengrößen wie JPMorgan Chase, Goldman Sachs oder Morgan Stanley.

    Die in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse angekündigte Fusion fällt in eine Zeit, in der die chinesische Finanzmaklerbranche aufgrund des schleppenden Aktienmarktes mit Gewinnrückgängen kämpft. Branchenexperten rechnen laut Nikkei Asia daher mit einer weiteren Konsolidierung des Sektors. Die letzte große Konsolidierungsrunde unter Chinas Onshore-Brokern hatte demnach 2016 stattgefunden, als die staatseigene China International Capital Corp. (CICC) die China Investment Securities übernahm. ck

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    Presseschau

    Alternative zum Westen: China verspricht Afrika Geld und Jobs statt “Auflagen und Predigten” MERKUR
    Straße von Taiwan: Durchfahrt von deutscher Fregatte trotz Protest aus Peking geplant DEUTSCHLANDFUNK
    Russland und China: Chefs von CIA und MI6 warnen vor Gefahr für Weltordnung T-ONLINE
    Tim Walz’ China-Vergangenheit: Wenn sein Name fällt, winden sie sich SPIEGEL
    “Warum holt China sich Russland nicht zurück?”: Taiwans Präsident Lai Ching-te legt Finger in historische Wunde MERKUR
    Russisch-chinesische Beziehungen – Professor aus China ausgewiesen: Wissenschaft am Rande der Diplomatie RND
    China’s disapperared Foreign Minister demoted to low-level publishing job, say former US officials WASHINGTON POST
    Die Oasenstadt Kashgar war die Wiege der uigurischen Kultur – dann kamen die Bulldozer – Chronik einer Zerstörung NZZ
    BYDs ernüchternde Bilanz in Deutschland: Übernimmt der chinesische E-Auto-Hersteller den Deutschlandimporteur? BUSINESS INSIDER
    Trotz Ausfuhrverbot: Nvidias KI-Chips in China günstiger zu mieten als in den USA MANAGER MAGAZIN
    China opens up medical sector, manufacturing to foreign ownership in growth push SCMP
    Konsum in China: Vom Land der Teetrinker zur Kaffee-Nation TAGESSCHAU
    Militärtechnik: Satellitenbilder zeigen Chinas neue Stealth-Drohne bei Tests FUTUREZONE
    Mysteriöse Objekte im All hinterlassen: Raumfähre aus China landet in Gobi-Wüste HEISE
    China vs. USA: Wettlauf zum Mars intensiviert sich TELEPOLIS

    Standpunkt

    Wie Chinas Energie-Ausbau uns betrifft

    von Rudolf Scharping
    Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping fokussiert sich mit seiner Beratungsfirma RSBK auf China.

    Der wirtschaftliche Motor Chinas stottert und kämpft mit schwacher Nachfrage, geringen – privaten – Investitionen, hoher Jugendarbeitslosigkeit und einem gering entwickelten Sozialsystem. Derweil meint Adam Tooze, Professor an der New Yorker Columbia University, die “Zukunft der Menschheit liegt in Chinas Händen“. Er meint damit den Klimawandel. Dazu konstatierte jüngst die FAZ: “China forciert die Energiewende“. Das alles hat direkt mit uns zu tun.

    Zunächst: Die schwache Nachfrage nach Gütern und Investitionen führt in China zu, sagen wir, gedämpftem Wachstum und jedenfalls zu massiven Preiskämpfen; das schlägt sich nieder in den verhaltenen Importen ebenso wie in den Preisen chinesischer Exportgüter. Wenn die zweitgrößte – in Kaufkraftparitäten: größte – Volkswirtschaft der Erde schwächelt, dann spüren das deren Partner. Der “Bloomberg GDP-Deflator” weist auf die längste Schwächeperiode seit 25 Jahren hin.

    Wie dem zu begegnen ist, ist in China Teil einer sehr differenzierten Debatte: der frühere Chef der chinesischen Notenbank (PBOC) warnt vor deflationärem Druck und mahnt eine aktive Finanz- und Währungspolitik an. Schon zuvor hatte Huang Yiping, Dean der National School of Development und Mitglied im währungspolitischen Ausschuss der chinesischen Zentralbank, dafür plädiert, den Fokus auf Konsum zu verlagern, weniger auf Investitionen. Huang, wie Zhang Jun – der Dean der Wirtschaftsfakultät der renommierten Fudan Universität, oder Liu Shijin, früherer Vize-Präsident des Development Research Center des Staates – plädiert für mehr Unterstützung der Familien mit kleinen oder mittleren Einkommen. 

    Vertrauen lässt sich nicht herbei planen

    Das sind drei von ziemlich vielen öffentlichen Stimmen, die Defizite im Gesundheitswesen, im – noch immer gebeutelten – Wohnungsmarkt oder in der Sorge für die Älteren als Beispiele nennen, um die Binnenkonjunktur zu stärken. Andere warnen vor dem Risiko des “welfareism”, der nur Faulheit und Anspruchsdenken fördere. Hört sich bekannt an, oder?

    Unerwähnt bleibt dabei oft die hohe, bei vierzig Prozent liegende Sparquote, die ja Ergebnis der notwendigen privaten Vorsorge ist, um die Ausbildung der Kinder, die Kosten von Krankheit oder die private Ergänzung der niedrigen Renten überhaupt finanzieren zu können. Ein solider und glaubwürdiger Sozialstaat ist auch wirtschaftlich sinnvoll, nicht nur in China.

    Dort könnte er gewaltige Summen freisetzen und die Binnenkonjunktur ankurbeln. Das notwendige Vertrauen aber in eine stabile Zukunft lässt sich auch in China weder herbei planen noch herbei kommandieren. Mit Ankündigungen ist nicht viel zu bewirken. Das kann man in China mittlerweile ebenfalls studieren. Pars pro toto: Das Eintrittsalter für die Renten anzuheben, das ist einige Male angekündigt worden – und stößt unverändert auf starken Widerstand. Unvergessen dort sind auch die vielen Demonstrationen gegen die Kürzungen in dem sogenannten Gesundheitsfonds für die Älteren.

    Das ist, wenn man so will, die Kehrseite der von Deng Xiaoping eingeleiteten Reform und Öffnung. Aus den teils gewaltigen Fortschritten erwachsen neue Herausforderungen; sie münden in noch unbewältigten Hausaufgaben und einer internen Debatte, die uns mehr interessieren müsste. 

    Klimawandel macht vor Grenzen nicht halt

    Das gilt ebenso für Fragen von Klima, Umwelt und Energie; sie stehen stellvertretend für globale Herausforderungen – Menschheitsaufgaben hatten Willy Brandt oder Michail Gorbatschow gesagt -, die nur in Zusammenarbeit bewältigt werden können. Klimawandel macht nicht halt vor nationalen Grenzen und kann in solchen Grenzen auch nicht bewältigt werden.

    China ist weltweit beides: der größte Emittent von CO₂ und der größte Investor in Erneuerbare Energien. Der gewaltige Ausbau der Nutzung vor allem der Sonnen- und Windenergie verschiebt die Gewichte; das ist bemerkenswert. Aber China kann und wird auf keine Energiequelle verzichten; nicht auf Kohle, derzeit gut 60 Prozent am Strommix, nicht auf Atomenergie, derzeit bei fünf Prozent, und auch nicht auf Wasser, Wind oder Sonne. Alles wird ausgebaut, wird modernisiert und mit allen verfügbaren Technologien darauf ausgerichtet, früher als angekündigt den “Carbon Peak” zu erreichen.

    Das wäre eine gute Nachricht im Kampf gegen den Klimawandel. Zugleich jedoch ist diese Entwicklung ein starker Hinweis: hier findet ein De-Risking à la China statt. Je weniger das Land auf “externe Quellen” angewiesen ist und je stärker diese diversifiziert sind, umso besser. Je intensiver Zusammenarbeit und je vielfältiger dabei die Partner, umso besser – aber das ist ja nicht nur eine chinesische Sicht. 

    Rudolf Scharping war zwischen 1998 und 2002 Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland und ist ehemaliger Bundesvorsitzender der SPD. Mit seiner Beratungsfirma RSBK unterstützt er seit mehr als 15 Jahren Unternehmen beim Markteintritt in China. Am 18. und 19. September 2024 veranstaltet RSBK die 11. Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz in Stuttgart. 

    • De-Risking
    • Gesellschaft
    • Klima

    Personalien

    Niina Väisänen ist seit August Desk Officer für China Economic Affairs beim Außenministerium von Finnland. Väisänen hat in Helsinki und Kyoto East Asian Studies und Politikwissenschaften studiert. 

    Victoria Aksakovska ist seit August im Bereich Brand Strategy & Customer Demands bei VW China tätig. Zuvor arbeitete Aksakovska für das auf Gesundheitsernährung spezialisierte Unternehmen Amsety in Berlin in der Vermarktung. Ihr neuer Einsatzort ist China. 

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    Dessert

    Sie sind einfach überall: Rund um das Mondfest kann man Mondkuchen in China nicht entgehen. Dafür sorgen auch diese Bäcker in Taizhou, Jiangsu. Ob süß oder salzig lässt sich von außen nicht erkennen, dabei sind manche Füllungen wohl eher Geschmackssache. Oder wie stehen Sie zu gesalzenen Eigelben im Kern eines süßen Kuchens? Dieses Jahr fällt das Mondfest auf den 17. September.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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