wenn Bundeskanzler Olaf Scholz ab Sonntag in China zu Gast ist, wird er eine ganze Liste von Problemen ansprechen. Die meisten davon sind wirtschaftlicher Natur, weil das offenbar die größten Sorgen sind, die ein Land plagen können.
Massive Überkapazitäten durch chinesische Hersteller, staatliche chinesische Subventionen, beschränkter Marktzugang auf den chinesischen Markt – all das bereitet deutschen Unternehmen große Zukunftsängste, wie Michael Radunski in seiner heutigen Bestandsaufnahme schreibt. Wo fängt der Kanzler bei solch einer langen Liste an? Wie stellt er es rhetorisch klug an, damit seine Kritik durchdringt? Er ist ja nicht der erste deutsche Politiker, der diese Probleme auf den Tisch bringt.
Seit Jahren werden die gleichen Vorwürfe aus der deutschen Wirtschaft an Chinas Regierung herangetragen. Und wie wird Scholz darauf reagieren, wenn die Chinesen wieder mit klassischem Whataboutism kontern, dass sie ja selbst aufs Schärfste in der EU diskriminiert würden?
Deshalb ist jetzt schon klar: Die Lösung großer Probleme wird Scholz aus China nicht mit zurückbringen. Allenfalls kleine Zugeständnisse im Gegenzug für eigene Kompromissbereitschaft. Aber was bliebe sonst übrig? Steter Tropfen höhlt den Stein. Das hat übrigens nicht Konfuzius gesagt, sondern die Römer.
Die gleiche Taktik wendet Parteichef Xi Jinping bei seinen Bemühungen an, den Taiwanern einzureden, dass sie alle Chinesen sind. So wie am Mittwoch, als er Taiwans früheren Staatschef Ma Ying-Jeou empfing. Xi sagte, niemand könne die “Wiedervereinigung der Familie” verhindern, berichtet David Demes.
In Zeiten intensiver Identitätspolitik beißt Xi damit allerdings auf Granit. Nur ein Bruchteil der Taiwaner fühlt die große Bruderschaft mit der Volksrepublik. Ma gehört aber offenbar dazu. Er wirbt in seiner Heimat für eine Annäherung an China. Auch nicht zum ersten Mal. Schon 2023 tingelte er durch die Volksrepublik.
Ob er seiner Kuomintang-Partei tatsächlich einen Gefallen damit tut, die große Freundschaft mit Xi Jinping zur Schau zu stellen, ist fraglich. Im Januar hatten die taiwanischen Wähler eine solche Politik zum wiederholten Male abgelehnt.
Es könnte das zentrale Thema der China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz werden: die schwierige Situation der deutschen Unternehmen in der Volksrepublik. Denn es herrscht Tristesse auf dem so wichtigen Absatzmarkt. Die größten Probleme sind
Es besteht kein Erkenntnisproblem. Erst am Mittwoch präsentierte die AHK in Peking das neuste Stimmungsbild aus Befragungen ihrer Mitglieder. Hinzukommen aktuelle Studien des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Und so ist es am Bundeskanzler, diese Probleme auf seiner China-Reise gegenüber der chinesischen Führung klar und deutlich anzusprechen. Mit der wachsenden Präsenz chinesischer Unternehmen auf dem deutschen Markt hätte Scholz auch ein neues Druckmittel.
Doch zunächst nach China. Hier ist das Hauptproblem eindeutig: Fast zwei Drittel (65 Prozent) der deutschen Unternehmen in China sehen sich in einem unfairen Wettbewerb. “Das ist ein hoher Wert, der unserer Politik zeigt, dass das wirklich eines der primären Themen ist, die hier bei der chinesischen Führung angesprochen werden müssen”, sagte Maximilian Butek, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Peking. “Die rechtlichen Rahmenbedingungen in China schwächen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.”
Unfairer Wettbewerb drückt sich in unterschiedlichen Formen aus. In der AHK-Umfrage beklagen deutsche Unternehmen vor allem den schlechteren Zugang zur Regierung und lokalen Behörden, sowie zu Fachausschüssen, die Standards festlegen. “In China ist nun mal vieles Verhandlungssache. Da machen sich fehlende Kontakte und Netzwerke besonders negativ bemerkbar”, erklärt Butek.
Eine andere Form des unfairen Wettbewerbs sind staatliche Subventionen – vor allem, wenn sie, wie in China, gezielt heimischen Unternehmen zugutekommen. Wie eine Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zeigt, erhielten 2022 mehr als 99 Prozent der börsennotierten Unternehmen aus China direkte staatliche Subventionen. Chinas Führung setzt die Gelder demnach oftmals sehr gezielt ein, um die Technologieführerschaft in ausgewählten Schlüsseltechnologien zu gewinnen.
Besonders hohe Subventionen habe demnach E-Autohersteller BYD erhalten: waren es 2020 noch rund 220 Millionen Euro, so seien es 2022 schon 2,1 Milliarden Euro gewesen. Auch im Bereich Windkraftanlagen profitieren dem IfW zufolge führende chinesische Anbieter wie Goldwind und Mingyang stark von Regierungssubventionen.
Die Konsequenz für die deutschen Unternehmen in China: Der lokale Wettbewerb hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Zwar können deutsche Firmen nach wie vor mit Produktqualität und technischer Führerschaft punkten. Doch schon beim Aspekt Innovationsstärke zeigt die AHK-Studie, wie sehr sich die Kräfteverhältnisse inzwischen verschoben haben: Nur die Hälfte der deutschen Unternehmen glaubt noch, dass ihre Innovationsstärke größer sei als bei der Konkurrenz. Für AHK-Mann Butek ist das ein Faktor, der überrascht.
Vor allem sollte dieser Umstand aber zu denken geben. Chinesische Unternehmen wie der Technologieriese Huawei aus Shenzhen stecken seit Jahren einen Großteil ihrer erzielten Gewinne in Forschung und Entwicklung. Die Folge: Gerade in Branchen, die einen umfassenden Wandel durchlaufen, werden die Karten neu gemischt. Laut AHK-Umfrage sagen in der Automobilbranche elf Prozent, dass ihre chinesischen Wettbewerber schon heute Technologieführer seien – und weitere 58 Prozent rechnen damit, dass dies spätestens in den nächsten fünf Jahren der Fall sein werde.
Es ist also die Kombination aus der schwächelnden wirtschaftlichen Entwicklung in China und dem Erstarken lokaler Unternehmen (durch Subventionen und Innovation), die die unfairen Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen besonders deutlich spürbar macht. Nahezu alle Unternehmen (95 Prozent) rechnen mit
Trotzdem plane mehr als die Hälfte (54 Prozent) der 150 befragten Unternehmen weitere Investitionen in China. Der Großteil davon begründet dies damit, dass man überhaupt wettbewerbsfähig bleiben wolle.
Doch nicht nur deutsche Unternehmen leiden unter der schwächelnden chinesischen Wirtschaft. In China selbst entstehen dadurch massive Überkapazitäten – die man nun billig auf dem Weltmarkt loswerden will. Längst werden der deutsche und europäische Markt von chinesischen Produkten zu Kampfpreisen überschwemmt.
Die Folgen sind durchaus zweischneidig, wie IfW-Forschungsdirektor Dirk Dohse am Mittwoch die Studienergebnisse erklärte: “Zwar ist die europäische Industrie gegen die Konkurrenz aus China preislich oftmals nicht mehr konkurrenzfähig”, sagte Dohse einerseits. Andererseits entstehen Abhängigkeiten: “Ohne Chinas subventionierte Technik würden aber auch Produkte teurer und knapper, die Deutschland für die grüne Transformation benötigt.”
Aus all diesen Umständen resultiert ein weiteres Problem: Allen Warnungen zum Trotz gelingt es der deutschen Industrie noch immer nicht, ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Im Gegenteil: Bei einigen Produkten hat sich die Lage sogar weiter verschärft. Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nennt hierbei vor allem Medikamente, chemische Produkte und elektronische Erzeugnisse wie Laptops und Computerzubehör, Solarzellen, Magnete und Batterien. In Bereichen mit hohen Abhängigkeiten wie bei Chemie- und Elektronikprodukten sei “kein nennenswertes strukturelles Derisking der deutschen Wirtschaft” zu erkennen, sagte IW-Forscher Jürgen Matthes.
Die Produkte, bei denen hohe Abhängigkeiten von China bestehen, sind laut IW-Studie oftmals Rohstoffe, die am Anfang der Wertschöpfungsketten stehen. “Deren Ausbleiben könnte – bei Unverzichtbarkeit und mangelnder Ersetzbarkeit – damit in den folgenden Stufen der Lieferkette möglicherweise im Zuge von Domino-Effekten zu gravierenden Produktionsstillständen führen.” Genannt werden hierbei wichtige Rohstoffe wie die seltenen Erden Scandium und Yttrium, aber auch natürlicher Grafit, Germanium und Magnesium.
Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist vielen in Deutschland klargeworden, wie gefährlich allzu große Abhängigkeiten sein können. Nicht nur die Führung in Moskau, sondern auch die Regierung in Peking nutzen derartige Abhängigkeiten, um politischen Druck auszuüben. Mal sind es Zölle und Einfuhrverbote, mal Boykotte oder langwierige Inspektionen, die Unternehmen und ganze Länder dazu bringen sollen, ihre Haltung bei verschiedenen Themen zu überdenken. Länder wie Australien, Südkorea oder auch Litauen haben solche Erfahrungen bereits gemacht.
Für die in Deutschland so dringend benötigten Produkte Grafit, Germanium und Gallium hat die chinesische Staatsführung vor einigen Monaten explizite Exportkontrollen eingeführt.
Mit einem lockeren “Du hast dich gar nicht verändert” begrüßte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwochnachmittag Taiwans ehemaligen Präsidenten Ma Ying-jeou (KMT) in der Großen Halle des Volkes in Peking. Vor einer ausgewählten Gruppe von Journalisten begrüßten sich die beiden Herren mit langem Händeschütteln und Smalltalk wie unter alten Freunden.
Details über das umstrittene Treffen waren geheim gehalten worden. Bis Mittwoch war unklar, ob es überhaupt zustande kommen würde. Ma hält sich im Rahmen einer Delegationsreise seiner Stiftung seit dem 1. April mit einer Gruppe taiwanischer Studierender in China auf. Schon letztes Jahr hatte er auf ein Wiedersehen mit seinem “alten Freund” Xi Jinping gehofft.
Die beiden Männer waren sich zuletzt 2015 in Singapur begegnet. Es war damals das erste Treffen zwischen zwei amtierenden Staatschefs beider Seiten. Den aktuellen Besuch hatte der China-freundliche Ma als “Friedens- und Freundschaftsreise” deklariert. Sowohl die KMT als auch die regierende DPP hatten allerdings den privaten Charakter der Reise hervorgehoben. In Taiwan stieß Mas Treffen mit Xi auf scharfe Kritik. Ma habe nicht betont, dass die Menschen in Taiwan an ihrer Souveränität und ihren freien Institutionen festhalten wollten, kritisierte die taiwanische Behörde für Angelegenheiten mit Festlandchina. Die Kommunistische Partei Chinas setze Taiwan weiter mit militärischer Einschüchterung und wirtschaftlichen Zwängen unter Druck, um der Inselrepublik ihr Ein-China-Verständnis aufzuzwingen, hieß es weiter.
Das gestrige Treffen fand ausgerechnet am selben Tag statt, an dem der japanische Premier Kishida zu einem lang erwarteten Gipfeltreffen in Washington eintraf. Der Gipfel, an dem ab Donnerstag auch der philippinische Präsident Marcos teilnehmen wird, hat das Potenzial, das Sicherheitsgefüge im Indopazifik grundlegend zu verändern. Die USA, Japan und die Philippinen wollen in Zukunft noch enger zusammenarbeiten. Nicht nur im Bereich der Seenotrettung, sondern auch bei der Abwehr chinesischer Greyzone-Aktivitäten im Süd- und Ostchinesischen Meer. Auch Taiwan soll bei dem Gipfel Thema sein.
Mas Reise kam der chinesischen Regierung also sehr gelegen. Während Washington versucht, internationale Solidarität und eine Sicherheitsarchitektur für Taiwan aufzubauen, unterstützt der ehemalige Präsident Ma Chinas Narrativ, dass der Konflikt zwischen Taipeh und Peking ein innerchinesisches Problem sei. Ma laufe Gefahr, zur Marionette Pekings zu werden, sagten taiwanische Beobachter.
Entsprechend machte Xi in seinen öffentlichen Bemerkungen gestern dann auch deutlich, dass er sich eine Einmischung ausländischer Kräfte in der Taiwan-Frage verbitte. “Die Landsleute auf beiden Seiten der Taiwanstraße sind alle Chinesen. (…) Es gibt keine Kraft, die stark genug ist, uns zu trennen”, sagte Xi gegenüber Ma und seiner Delegation. Die unterschiedlichen politischen Systeme beider Seiten könnten nichts an der Tatsache ändern, dass beide zu ein und demselben Land gehörten, so Xi weiter, “Einmischungsversuche von außen können den historischen Trend zur Vereinigung unserer Heimat nicht aufhalten.”
China-Experten haben in einer öffentlichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages am Mittwoch auf eine systematische Erfassung von Risiken und kritischen Abhängigkeiten im Geschäft mit der Volksrepublik gedrängt. Bislang gebe es etwa zu Risiken bei Rohstoffen und kritischen Komponenten nur punktuelle Studien, sagte Thomas König, Leiter des China-Referats beim Asien Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (APA).
Der Anspruch der China-Strategie der Bundesregierung, kritische Abhängigkeiten fortlaufend zu analysieren, sei bisher nicht vollständig eingelöst worden, sagte Mikko Huotari, Direktor des Merics-Instituts für Chinastudien. Zwar gebe es “deutliche Fortschritte” wie den Aufbau von Kapazitäten in den relevanten Ministerien. “Einen integrierten Ansatz für die Analyse und Bearbeitung der Herausforderung durch kritische Abhängigkeit” vermisst Huotari jedoch.
Auch Tim Nicholas Rühlig, China Fellow Generaldirektion I.D.E.A. bei der EU-Kommission, fordert eine höhere Analysefähigkeit, ähnlich wie in den USA, wo 500 qualifizierte Personen neu eingestellt wurden, um die Risiken zu verstehen und entsprechende Antworten darauf zu finden. Es brauche mehr Ressourcen und eine “vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“, so Rühlig. Japan habe ein ganzes Ministerium für Wirtschaftssicherheit geschaffen.
Cora Jungbluth von der Bertelsmann-Stiftung sieht Handlungsbedarf beim Zugang zu Unternehmensdaten für die Analyse. Es gebe für einzelne Sektoren und Unternehmen “Klumpenrisiken, die noch nicht sehr gut erforscht sind.” Die meisten Studien befassten sich bislang nur mit den gesamtwirtschaftlichen Effekten, sagte Jungbluth.
Die Anhörung mit sechs Sachverständigen wurde von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantragt, im Zusammenhang mit einem Antrag auf die “Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung der sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China”. ck
Die EU hat vorläufige Anti-Dumping-Zölle auf bestimmte Alkylphosphatester aus China erhoben. Davon betroffene Phosphat-Zusammensetzungen kommen der Brüsseler Behörde zufolge vor allem als Flammschutzmittel in Hart- und Weichschaum zum Einsatz. Die vorläufig festgelegten Anti-Dumpingzölle sind bemerkenswert hoch: Sie liegen zwischen 45,1 Prozent und 68,4 Prozent. Der Entscheidung war eine Untersuchung der Einfuhren vorausgegangen. Die EU-Ermittler werden die Untersuchung fortsetzen, um festzustellen, ob die Zölle in fünf Jahren dann dauerhaft anfallen.
Die EU-Kommission veröffentlichte am Mittwoch zudem einen aktualisierten Bericht über staatlich verursachte Verzerrungen in der chinesischen Wirtschaft. Das gut 700 Seiten starke Papier gilt als Handreichung an die EU-Industrie zur Erleichterung einer Beschwerde über Dumpingpraktiken.
Eine solche Handreichung gibt es bisher nur zu China. Die Ursprungsversion stammt aus dem Jahr 2017. Die neue Fassung wurde um Branchen wie die Chip- oder Cleantech-Industrie und Elektrofahrzeuge ergänzt. Die EU-Kommission leitet pro Jahr durchschnittlich zehn Anti-Dumping-Untersuchungen ein, bislang vor allem im Stahl- und Aluminium-Bereich. ari
China droht eine schlechtere Bonitätsbewertung durch die Ratingagentur Fitch. Diese senkte am Mittwoch ihren Ausblick für die Kreditwürdigkeit von “stabil” auf “negativ”. Als Grund gab Fitch steigende Risiken für den Haushalt durch die Umstellung auf ein neues Wachstumsmodell an.
Ein negativer Ausblick signalisiert eine drohende Herabstufung der Bonitätsnote. Das Rating für China beließ Fitch vorerst bei “A+”. Damit wird Kreditgebern der Volksrepublik ein geringes Ausfallrisiko signalisiert. Bereits im Dezember hatte die konkurrierende Ratingagentur Moody’s ebenfalls den Ausblick auf “negativ” heruntergenommen.
Das staatliche Defizit werde in diesem Jahr auf 7,1 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, prognostizierte Fitch. 2023 hatte es noch bei 5,8 Prozent gelegen. Chinas Wirtschaftswachstum soll in diesem Jahr auf 4,5 Prozent fallen. 2023 lag das Plus noch bei 5,2 Prozent.
Der gesenkte Ausblick “spiegelt die zunehmenden Risiken für Chinas öffentliche Finanzlage wider, da das Land mit unsichereren wirtschaftlichen Aussichten im Zuge eines Übergangs von einem immobilienbasierten Wachstum zu einem von der Regierung als nachhaltiger betrachteten Wachstumsmodell zu kämpfen hat”, erklärte Fitch. Große Defizite und steigende Staatsverschuldung hätten in den vergangenen Jahren an den Haushaltspuffern genagt.
Das chinesische Finanzministerium äußerte sein Bedauern über die Rating-Entscheidung von Fitch. Es kündigte Schritte an, um Risiken infolge der Schulden der lokalen Regierungen zu beseitigen. Ein moderates Defizit und die sinnvolle Verwendung der Gelder für die Stärkung der Binnennachfrage seien letztlich gut für die Kreditwürdigkeit. rtr
EU-Vertreter haben die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit China, besonders in Ungarn, kritisiert. Es gebe Berichte über “eine Reihe geheimer chinesischer Polizeistationen in Europa”, sagte Mathieu Michel als Vertreter der belgischen EU-Ratspräsidentschaft am Mittwochabend bei einer Debatte im Europaparlament. “Die betroffenen Staaten müssen die innere Sicherheit auf ihrem eigenen Territorium aufrechterhalten”, betonte Michel.
Die ungarische Europaabgeordnete Katalin Cseh prangerte den jüngst abgeschlossenen Sicherheitspakt zwischen ihrem Heimatland und China an: “Chinesische Polizisten werden bald an touristischen Orten in Ungarn patrouillieren, so wie sie es in Serbien bereits getan haben”. Es sei “ironisch”, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán “ständig verspricht, Ungarn vor Brüssel zu schützen, und dann ausländische Polizeikräfte einer totalitären Diktatur in sein Hoheitsgebiet einlädt”, sagte Cseh. Sie forderte eine Strategie der EU-Kommission, um der “ausländischen Einmischung” entgegenzuwirken.
EU-Kommissionsvize Margaritas Schinas bezeichnete die Praxis als nicht akzeptabel. Schinas betonte, die EU-Mitglieder seien “für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und die Wahrung der inneren Sicherheit auf ihrem eigenen Boden verantwortlich“.
2022 hatte die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders offengelegt, dass China ein internationales Netzwerk aus illegalen Polizeistationen betreibt. Ziel der Schattenbehörden ist es, chinesische Staatsbürger im Ausland zu kontrollieren. Ungarn ging jüngst aber noch einen Schritt weiter: Budapest hat ein neues Abkommen mit Peking geschlossen, das eine “Zusammenarbeit in Justiz- und Sicherheitsfragen” vorsieht.
Im Februar hatte Chinas Minister für Öffentliche Sicherheit, Wang Xiaohong, in Budapest Regierungschef Orbán und Innenminister Sandor Pinter getroffen. Das Abkommen könnte zur Folge haben, dass chinesische Polizisten in Ungarn mit ihren Kollegen patrouillieren. Ziel sei ein engerer Austausch und gegenseitige Verständigung. ari
Die USA warnen China vor einer Unterstützung des russischen Angriffkriegs in der Ukraine. Vize-Außenminister Kurt Campbell kündigte am Dienstag an, dass seine Regierung Peking für mögliche russische Gebietsgewinne in der Ukraine verantwortlich machen werde. Man werde nicht tatenlos zusehen, betonte Campbell.
Anlass für dessen Aussagen war der Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow am Dienstag in Peking. Lawrow und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi hatten die Stärkung strategischer Kooperation beider Staaten erwogen. Chinas Präsident Xi Jinping wurde von Staatsmedien mit der Aussage zitiert, dass die Volksrepublik “die bilaterale Kommunikation” und die “multilaterale strategische Koordination” mit Moskau stärken wolle.
Die USA beobachten die Entwicklung der chinesisch-russischen Beziehungen mit Argusaugen. In Washington sei aufgefallen, dass sich China im Krieg auf Russlands Seite geschlagen habe. Campbell sagte, Peking habe sich dafür eingesetzt, die militärischen Fähigkeiten Moskaus zu stärken. Man habe China gewarnt, dass die Beziehungen zwischen den USA und China durch solch eine Unterstützung belastet würden.
China wies die Kritik zurück. “China und Russland haben das Recht, normale Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu führen”, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. “Jedes Land, dass wirklich Frieden für die Ukraine und ein baldiges Ende der Krise will, sollte zunächst überlegen, was der Grund für die Krise ist”. grz
Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. schlägt im Territorialstreit mit der Volksrepublik China schärfere Töne an. Am Mittwoch wies Marcos Kenntnisse über ein vermeintliches Abkommen zwischen seinem Vorgänger und Peking zurück, in dem die Philippinen Zugeständnisse im Territorialstreit um das Scarborough-Riff vor der philippinischen Küste gemacht haben sollen.
“Davon wissen wir nichts”, sagte Marcos kurz vor seinem Aufbruch nach Washington, wo er US-Präsident Joe Biden und Japans Premierminister Fumio Kishida treffen sollte. “Es gibt keine Unterlagen, keine Aufzeichnungen. Wir wurden nicht informiert, als ich ins Amt kam. Niemand sagte uns, dass es dieses Abkommen gibt.”
Hintergrund ist ein angebliches “Gentleman’s Agreement” zwischen Marcos’ Vorgänger Rodrigo Duterte und der Volksrepublik, wonach die Philippinen auf Zugang zu einem Schiffswrack verzichten würden, das Ende der 1990er-Jahre im Scarborough-Riff absichtlich auf Grund gelaufen war, um dort als militärischer Außenposten zu dienen.
“Ich bin entsetzt über die Vorstellung, dass wir durch ein geheimes Abkommen das Territorium, die Souveränität und die souveränen Rechte der Philippinen gefährdet haben”, sagte Marcos. Trotz der Nähe des Riffs zur philippinischen Küste beansprucht Peking es als chinesisches Staatsgebiet. grz
Russland, Lateinamerika, Südostasien: Chery ist die Marke unter den chinesischen Herstellern, die am meisten exportiert. Das Staatsunternehmen verkaufte 2023 mehr als 900.000 Fahrzeuge im Ausland. In Nordamerika und Europa sind die Autos von Chery dagegen kaum bekannt. Der Sprung nach Europa ist ein großer Schritt, der gut vorbereitet sein will. Seit mehreren Jahren arbeitet die Marke daran, und eine der zentralen Figuren dabei ist Jochen Tüting.
Als 2013 ein Headhunter anrief, war Tüting Manager bei Ford, besaß 14 Jahre Arbeitserfahrung in der Gesamtfahrzeugentwicklung und ein Diplom als Maschinenbauer im Bereich Fahrzeugtechnik und Verbrennungskraftmaschinen. Und jetzt China? Warum nicht. Tüting kannte das Land von Dienstreisen und war gemeinsam mit seiner Frau schon mehrfach durch Asien gereist. Die beiden wollten gerne ins Ausland und zogen mit ihrem einjährigen Sohn nach Shanghai. Sie blieben vier Jahre, bis 2017.
Der Hauptsitz von Chery liegt nicht in Shanghai, sondern im 300 Kilometer entfernten Wuhu in der Provinz Anhui. Eine Stadt, die für Expats längst nicht so verlockend ist. Chery brauchte allerdings internationale Kräfte, die mit ihrem Know-how sicherstellen würden, dass die Fahrzeuge auf europäischen Märkten und in den USA bestehen können.
Deswegen eröffnete der Hersteller 2013 in Shanghai ein zweites Entwicklungszentrum, um eine Fahrzeug-Plattform für internationale Märkte zu bauen, die den Crash-Anforderungen in den USA und Europa entspricht. Ein Punkt, an dem einige andere Hersteller Anfang der Nullerjahre gescheitert waren. Der Hersteller Landwind war einst im ADAC-Crashtest in allen Bereichen durchgefallen und sein Testfahrzeug daraufhin als “das gefährlichste Auto der Welt” bezeichnet. Ein Desaster, das lange Zeit prägend für das Image chinesischer Automarken war.
Jochen Tüting baute den Standort Shanghai als Verantwortlicher für den Bereich Gesamtfahrzeugentwicklung von Anfang an mit auf, sein Mitarbeiterausweis trug die Nummer 5. Die Aufgabe seines Teams: Das Kundenerlebnis im Fahrzeug zu internationalisieren – von der Fahrdynamik über die Lenkung, bis hin zu Details wie dem Klang des Wagens, der Kopffreiheit, dem Stauraum.
Das Entwicklungszentrum beschreibt Tüting als einen Schmelztiegel. Zu den lokalen Mitarbeitern gesellten sich Ingenieure aus unterschiedlichen Ländern. Die technischen Leitungspositionen besetzen neben Tüting zwei weitere Deutsche, ein Franzose, ein Amerikaner, ein Brasilianer und ein Engländer. Eine inspirierende Zusammenarbeit, erzählt Tüting, denn jeder von ihnen stammte aus einem der großen internationalen Traditionskonzerne. Im Entwicklungszentrum in Shanghai arbeiteten plötzlich Leute zusammen an einem gemeinsamen Projekt, die von Mercedes-Benz, BMW, Renault, Land Rover, Ford und General Motors kamen. Und jeder brachte seine eigenen Prozesse und Vorstellungen mit.
Dennoch ging es nach vier Jahren auch aus privaten Gründen zurück nach Deutschland. Tüting blieb Chery treu. Sein neuer Auftrag: Einen Standort in Deutschland aufzubauen. Vieles sprach für die Region Rhein/Main. Damals wurde Opel durch PSA übernommen, und in Rüsselsheim sollten Mitarbeiter freigesetzt werden. Zudem waren auch Kia, Hyundai, und einige Japaner mit Vertriebsorganisationen oder Entwicklungseinheiten dort angesiedelt. Die Wahl fiel auf das hessische Raunheim, wo inzwischen 52 Mitarbeiter aus 17 Nationen für Chery arbeiten.
Tüting leitet den Standort. Aus Raunheim verantwortet er sowohl den Bereich Design, der neue Fahrzeuge für internationale Märkte konzipiert und chinesische Modelle europäischer gestaltet. Der zweite Bereich ist das Engineering. Ein lokales Team kümmert sich um Themen wie die Anpassung von Fahrerassistenzsysteme. Häufige Warntöne nerven deutsche Kunden viel mehr als chinesische Kunden. Sie haben auch unterschiedliche Vorstellungen, wie sich eine Lenkung anfühlen muss. In China gibt es zudem kaum kurvige Landstraßen, sodass Assistenzsysteme in neuen Umgebungen angelernt werden müssen.
Nach anfänglichen Verzögerungen hat Chery inzwischen den Europa-Launch begonnen. Deutschland steht in der zweiten Jahreshälfte auf dem Plan. Für Jochen Tüting beginnt die bislang größte Herausforderung – der Markt seiner Heimat. Julia Fiedler
Liwen Zhang ist seit Anfang März neuer Business Development Manager bei Huawei Cloud Europe. Er war zuvor Managing Director und Co-Founder bei UbiStar V9.
Matthias Sauer ist seit Anfang März Lead EU & China Lab / AI Enablement Center bei Advantest. Er war zuvor Lab Lead Böblingen & China Applied Research and Venture Team bei dem japanischen Halbleiter-Hersteller.
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Dieses kulinarische Kunstwerk stammt aus der Küche der Zhuang-Minderheit aus der südchinesischen Provinz Guangxi. Dort werden in diesen Tagen im Rahmen des Hundert-Speisen-Festivals an der Rongan Experimental Primary School in Liuzhou allerlei farbenfrohe Köstlichkeiten vorgestellt – und trotz dieser aufwändigen Anordnung auch verspeist.
wenn Bundeskanzler Olaf Scholz ab Sonntag in China zu Gast ist, wird er eine ganze Liste von Problemen ansprechen. Die meisten davon sind wirtschaftlicher Natur, weil das offenbar die größten Sorgen sind, die ein Land plagen können.
Massive Überkapazitäten durch chinesische Hersteller, staatliche chinesische Subventionen, beschränkter Marktzugang auf den chinesischen Markt – all das bereitet deutschen Unternehmen große Zukunftsängste, wie Michael Radunski in seiner heutigen Bestandsaufnahme schreibt. Wo fängt der Kanzler bei solch einer langen Liste an? Wie stellt er es rhetorisch klug an, damit seine Kritik durchdringt? Er ist ja nicht der erste deutsche Politiker, der diese Probleme auf den Tisch bringt.
Seit Jahren werden die gleichen Vorwürfe aus der deutschen Wirtschaft an Chinas Regierung herangetragen. Und wie wird Scholz darauf reagieren, wenn die Chinesen wieder mit klassischem Whataboutism kontern, dass sie ja selbst aufs Schärfste in der EU diskriminiert würden?
Deshalb ist jetzt schon klar: Die Lösung großer Probleme wird Scholz aus China nicht mit zurückbringen. Allenfalls kleine Zugeständnisse im Gegenzug für eigene Kompromissbereitschaft. Aber was bliebe sonst übrig? Steter Tropfen höhlt den Stein. Das hat übrigens nicht Konfuzius gesagt, sondern die Römer.
Die gleiche Taktik wendet Parteichef Xi Jinping bei seinen Bemühungen an, den Taiwanern einzureden, dass sie alle Chinesen sind. So wie am Mittwoch, als er Taiwans früheren Staatschef Ma Ying-Jeou empfing. Xi sagte, niemand könne die “Wiedervereinigung der Familie” verhindern, berichtet David Demes.
In Zeiten intensiver Identitätspolitik beißt Xi damit allerdings auf Granit. Nur ein Bruchteil der Taiwaner fühlt die große Bruderschaft mit der Volksrepublik. Ma gehört aber offenbar dazu. Er wirbt in seiner Heimat für eine Annäherung an China. Auch nicht zum ersten Mal. Schon 2023 tingelte er durch die Volksrepublik.
Ob er seiner Kuomintang-Partei tatsächlich einen Gefallen damit tut, die große Freundschaft mit Xi Jinping zur Schau zu stellen, ist fraglich. Im Januar hatten die taiwanischen Wähler eine solche Politik zum wiederholten Male abgelehnt.
Es könnte das zentrale Thema der China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz werden: die schwierige Situation der deutschen Unternehmen in der Volksrepublik. Denn es herrscht Tristesse auf dem so wichtigen Absatzmarkt. Die größten Probleme sind
Es besteht kein Erkenntnisproblem. Erst am Mittwoch präsentierte die AHK in Peking das neuste Stimmungsbild aus Befragungen ihrer Mitglieder. Hinzukommen aktuelle Studien des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Und so ist es am Bundeskanzler, diese Probleme auf seiner China-Reise gegenüber der chinesischen Führung klar und deutlich anzusprechen. Mit der wachsenden Präsenz chinesischer Unternehmen auf dem deutschen Markt hätte Scholz auch ein neues Druckmittel.
Doch zunächst nach China. Hier ist das Hauptproblem eindeutig: Fast zwei Drittel (65 Prozent) der deutschen Unternehmen in China sehen sich in einem unfairen Wettbewerb. “Das ist ein hoher Wert, der unserer Politik zeigt, dass das wirklich eines der primären Themen ist, die hier bei der chinesischen Führung angesprochen werden müssen”, sagte Maximilian Butek, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Peking. “Die rechtlichen Rahmenbedingungen in China schwächen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.”
Unfairer Wettbewerb drückt sich in unterschiedlichen Formen aus. In der AHK-Umfrage beklagen deutsche Unternehmen vor allem den schlechteren Zugang zur Regierung und lokalen Behörden, sowie zu Fachausschüssen, die Standards festlegen. “In China ist nun mal vieles Verhandlungssache. Da machen sich fehlende Kontakte und Netzwerke besonders negativ bemerkbar”, erklärt Butek.
Eine andere Form des unfairen Wettbewerbs sind staatliche Subventionen – vor allem, wenn sie, wie in China, gezielt heimischen Unternehmen zugutekommen. Wie eine Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zeigt, erhielten 2022 mehr als 99 Prozent der börsennotierten Unternehmen aus China direkte staatliche Subventionen. Chinas Führung setzt die Gelder demnach oftmals sehr gezielt ein, um die Technologieführerschaft in ausgewählten Schlüsseltechnologien zu gewinnen.
Besonders hohe Subventionen habe demnach E-Autohersteller BYD erhalten: waren es 2020 noch rund 220 Millionen Euro, so seien es 2022 schon 2,1 Milliarden Euro gewesen. Auch im Bereich Windkraftanlagen profitieren dem IfW zufolge führende chinesische Anbieter wie Goldwind und Mingyang stark von Regierungssubventionen.
Die Konsequenz für die deutschen Unternehmen in China: Der lokale Wettbewerb hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Zwar können deutsche Firmen nach wie vor mit Produktqualität und technischer Führerschaft punkten. Doch schon beim Aspekt Innovationsstärke zeigt die AHK-Studie, wie sehr sich die Kräfteverhältnisse inzwischen verschoben haben: Nur die Hälfte der deutschen Unternehmen glaubt noch, dass ihre Innovationsstärke größer sei als bei der Konkurrenz. Für AHK-Mann Butek ist das ein Faktor, der überrascht.
Vor allem sollte dieser Umstand aber zu denken geben. Chinesische Unternehmen wie der Technologieriese Huawei aus Shenzhen stecken seit Jahren einen Großteil ihrer erzielten Gewinne in Forschung und Entwicklung. Die Folge: Gerade in Branchen, die einen umfassenden Wandel durchlaufen, werden die Karten neu gemischt. Laut AHK-Umfrage sagen in der Automobilbranche elf Prozent, dass ihre chinesischen Wettbewerber schon heute Technologieführer seien – und weitere 58 Prozent rechnen damit, dass dies spätestens in den nächsten fünf Jahren der Fall sein werde.
Es ist also die Kombination aus der schwächelnden wirtschaftlichen Entwicklung in China und dem Erstarken lokaler Unternehmen (durch Subventionen und Innovation), die die unfairen Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen besonders deutlich spürbar macht. Nahezu alle Unternehmen (95 Prozent) rechnen mit
Trotzdem plane mehr als die Hälfte (54 Prozent) der 150 befragten Unternehmen weitere Investitionen in China. Der Großteil davon begründet dies damit, dass man überhaupt wettbewerbsfähig bleiben wolle.
Doch nicht nur deutsche Unternehmen leiden unter der schwächelnden chinesischen Wirtschaft. In China selbst entstehen dadurch massive Überkapazitäten – die man nun billig auf dem Weltmarkt loswerden will. Längst werden der deutsche und europäische Markt von chinesischen Produkten zu Kampfpreisen überschwemmt.
Die Folgen sind durchaus zweischneidig, wie IfW-Forschungsdirektor Dirk Dohse am Mittwoch die Studienergebnisse erklärte: “Zwar ist die europäische Industrie gegen die Konkurrenz aus China preislich oftmals nicht mehr konkurrenzfähig”, sagte Dohse einerseits. Andererseits entstehen Abhängigkeiten: “Ohne Chinas subventionierte Technik würden aber auch Produkte teurer und knapper, die Deutschland für die grüne Transformation benötigt.”
Aus all diesen Umständen resultiert ein weiteres Problem: Allen Warnungen zum Trotz gelingt es der deutschen Industrie noch immer nicht, ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Im Gegenteil: Bei einigen Produkten hat sich die Lage sogar weiter verschärft. Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nennt hierbei vor allem Medikamente, chemische Produkte und elektronische Erzeugnisse wie Laptops und Computerzubehör, Solarzellen, Magnete und Batterien. In Bereichen mit hohen Abhängigkeiten wie bei Chemie- und Elektronikprodukten sei “kein nennenswertes strukturelles Derisking der deutschen Wirtschaft” zu erkennen, sagte IW-Forscher Jürgen Matthes.
Die Produkte, bei denen hohe Abhängigkeiten von China bestehen, sind laut IW-Studie oftmals Rohstoffe, die am Anfang der Wertschöpfungsketten stehen. “Deren Ausbleiben könnte – bei Unverzichtbarkeit und mangelnder Ersetzbarkeit – damit in den folgenden Stufen der Lieferkette möglicherweise im Zuge von Domino-Effekten zu gravierenden Produktionsstillständen führen.” Genannt werden hierbei wichtige Rohstoffe wie die seltenen Erden Scandium und Yttrium, aber auch natürlicher Grafit, Germanium und Magnesium.
Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist vielen in Deutschland klargeworden, wie gefährlich allzu große Abhängigkeiten sein können. Nicht nur die Führung in Moskau, sondern auch die Regierung in Peking nutzen derartige Abhängigkeiten, um politischen Druck auszuüben. Mal sind es Zölle und Einfuhrverbote, mal Boykotte oder langwierige Inspektionen, die Unternehmen und ganze Länder dazu bringen sollen, ihre Haltung bei verschiedenen Themen zu überdenken. Länder wie Australien, Südkorea oder auch Litauen haben solche Erfahrungen bereits gemacht.
Für die in Deutschland so dringend benötigten Produkte Grafit, Germanium und Gallium hat die chinesische Staatsführung vor einigen Monaten explizite Exportkontrollen eingeführt.
Mit einem lockeren “Du hast dich gar nicht verändert” begrüßte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwochnachmittag Taiwans ehemaligen Präsidenten Ma Ying-jeou (KMT) in der Großen Halle des Volkes in Peking. Vor einer ausgewählten Gruppe von Journalisten begrüßten sich die beiden Herren mit langem Händeschütteln und Smalltalk wie unter alten Freunden.
Details über das umstrittene Treffen waren geheim gehalten worden. Bis Mittwoch war unklar, ob es überhaupt zustande kommen würde. Ma hält sich im Rahmen einer Delegationsreise seiner Stiftung seit dem 1. April mit einer Gruppe taiwanischer Studierender in China auf. Schon letztes Jahr hatte er auf ein Wiedersehen mit seinem “alten Freund” Xi Jinping gehofft.
Die beiden Männer waren sich zuletzt 2015 in Singapur begegnet. Es war damals das erste Treffen zwischen zwei amtierenden Staatschefs beider Seiten. Den aktuellen Besuch hatte der China-freundliche Ma als “Friedens- und Freundschaftsreise” deklariert. Sowohl die KMT als auch die regierende DPP hatten allerdings den privaten Charakter der Reise hervorgehoben. In Taiwan stieß Mas Treffen mit Xi auf scharfe Kritik. Ma habe nicht betont, dass die Menschen in Taiwan an ihrer Souveränität und ihren freien Institutionen festhalten wollten, kritisierte die taiwanische Behörde für Angelegenheiten mit Festlandchina. Die Kommunistische Partei Chinas setze Taiwan weiter mit militärischer Einschüchterung und wirtschaftlichen Zwängen unter Druck, um der Inselrepublik ihr Ein-China-Verständnis aufzuzwingen, hieß es weiter.
Das gestrige Treffen fand ausgerechnet am selben Tag statt, an dem der japanische Premier Kishida zu einem lang erwarteten Gipfeltreffen in Washington eintraf. Der Gipfel, an dem ab Donnerstag auch der philippinische Präsident Marcos teilnehmen wird, hat das Potenzial, das Sicherheitsgefüge im Indopazifik grundlegend zu verändern. Die USA, Japan und die Philippinen wollen in Zukunft noch enger zusammenarbeiten. Nicht nur im Bereich der Seenotrettung, sondern auch bei der Abwehr chinesischer Greyzone-Aktivitäten im Süd- und Ostchinesischen Meer. Auch Taiwan soll bei dem Gipfel Thema sein.
Mas Reise kam der chinesischen Regierung also sehr gelegen. Während Washington versucht, internationale Solidarität und eine Sicherheitsarchitektur für Taiwan aufzubauen, unterstützt der ehemalige Präsident Ma Chinas Narrativ, dass der Konflikt zwischen Taipeh und Peking ein innerchinesisches Problem sei. Ma laufe Gefahr, zur Marionette Pekings zu werden, sagten taiwanische Beobachter.
Entsprechend machte Xi in seinen öffentlichen Bemerkungen gestern dann auch deutlich, dass er sich eine Einmischung ausländischer Kräfte in der Taiwan-Frage verbitte. “Die Landsleute auf beiden Seiten der Taiwanstraße sind alle Chinesen. (…) Es gibt keine Kraft, die stark genug ist, uns zu trennen”, sagte Xi gegenüber Ma und seiner Delegation. Die unterschiedlichen politischen Systeme beider Seiten könnten nichts an der Tatsache ändern, dass beide zu ein und demselben Land gehörten, so Xi weiter, “Einmischungsversuche von außen können den historischen Trend zur Vereinigung unserer Heimat nicht aufhalten.”
China-Experten haben in einer öffentlichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages am Mittwoch auf eine systematische Erfassung von Risiken und kritischen Abhängigkeiten im Geschäft mit der Volksrepublik gedrängt. Bislang gebe es etwa zu Risiken bei Rohstoffen und kritischen Komponenten nur punktuelle Studien, sagte Thomas König, Leiter des China-Referats beim Asien Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (APA).
Der Anspruch der China-Strategie der Bundesregierung, kritische Abhängigkeiten fortlaufend zu analysieren, sei bisher nicht vollständig eingelöst worden, sagte Mikko Huotari, Direktor des Merics-Instituts für Chinastudien. Zwar gebe es “deutliche Fortschritte” wie den Aufbau von Kapazitäten in den relevanten Ministerien. “Einen integrierten Ansatz für die Analyse und Bearbeitung der Herausforderung durch kritische Abhängigkeit” vermisst Huotari jedoch.
Auch Tim Nicholas Rühlig, China Fellow Generaldirektion I.D.E.A. bei der EU-Kommission, fordert eine höhere Analysefähigkeit, ähnlich wie in den USA, wo 500 qualifizierte Personen neu eingestellt wurden, um die Risiken zu verstehen und entsprechende Antworten darauf zu finden. Es brauche mehr Ressourcen und eine “vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“, so Rühlig. Japan habe ein ganzes Ministerium für Wirtschaftssicherheit geschaffen.
Cora Jungbluth von der Bertelsmann-Stiftung sieht Handlungsbedarf beim Zugang zu Unternehmensdaten für die Analyse. Es gebe für einzelne Sektoren und Unternehmen “Klumpenrisiken, die noch nicht sehr gut erforscht sind.” Die meisten Studien befassten sich bislang nur mit den gesamtwirtschaftlichen Effekten, sagte Jungbluth.
Die Anhörung mit sechs Sachverständigen wurde von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantragt, im Zusammenhang mit einem Antrag auf die “Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung der sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China”. ck
Die EU hat vorläufige Anti-Dumping-Zölle auf bestimmte Alkylphosphatester aus China erhoben. Davon betroffene Phosphat-Zusammensetzungen kommen der Brüsseler Behörde zufolge vor allem als Flammschutzmittel in Hart- und Weichschaum zum Einsatz. Die vorläufig festgelegten Anti-Dumpingzölle sind bemerkenswert hoch: Sie liegen zwischen 45,1 Prozent und 68,4 Prozent. Der Entscheidung war eine Untersuchung der Einfuhren vorausgegangen. Die EU-Ermittler werden die Untersuchung fortsetzen, um festzustellen, ob die Zölle in fünf Jahren dann dauerhaft anfallen.
Die EU-Kommission veröffentlichte am Mittwoch zudem einen aktualisierten Bericht über staatlich verursachte Verzerrungen in der chinesischen Wirtschaft. Das gut 700 Seiten starke Papier gilt als Handreichung an die EU-Industrie zur Erleichterung einer Beschwerde über Dumpingpraktiken.
Eine solche Handreichung gibt es bisher nur zu China. Die Ursprungsversion stammt aus dem Jahr 2017. Die neue Fassung wurde um Branchen wie die Chip- oder Cleantech-Industrie und Elektrofahrzeuge ergänzt. Die EU-Kommission leitet pro Jahr durchschnittlich zehn Anti-Dumping-Untersuchungen ein, bislang vor allem im Stahl- und Aluminium-Bereich. ari
China droht eine schlechtere Bonitätsbewertung durch die Ratingagentur Fitch. Diese senkte am Mittwoch ihren Ausblick für die Kreditwürdigkeit von “stabil” auf “negativ”. Als Grund gab Fitch steigende Risiken für den Haushalt durch die Umstellung auf ein neues Wachstumsmodell an.
Ein negativer Ausblick signalisiert eine drohende Herabstufung der Bonitätsnote. Das Rating für China beließ Fitch vorerst bei “A+”. Damit wird Kreditgebern der Volksrepublik ein geringes Ausfallrisiko signalisiert. Bereits im Dezember hatte die konkurrierende Ratingagentur Moody’s ebenfalls den Ausblick auf “negativ” heruntergenommen.
Das staatliche Defizit werde in diesem Jahr auf 7,1 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, prognostizierte Fitch. 2023 hatte es noch bei 5,8 Prozent gelegen. Chinas Wirtschaftswachstum soll in diesem Jahr auf 4,5 Prozent fallen. 2023 lag das Plus noch bei 5,2 Prozent.
Der gesenkte Ausblick “spiegelt die zunehmenden Risiken für Chinas öffentliche Finanzlage wider, da das Land mit unsichereren wirtschaftlichen Aussichten im Zuge eines Übergangs von einem immobilienbasierten Wachstum zu einem von der Regierung als nachhaltiger betrachteten Wachstumsmodell zu kämpfen hat”, erklärte Fitch. Große Defizite und steigende Staatsverschuldung hätten in den vergangenen Jahren an den Haushaltspuffern genagt.
Das chinesische Finanzministerium äußerte sein Bedauern über die Rating-Entscheidung von Fitch. Es kündigte Schritte an, um Risiken infolge der Schulden der lokalen Regierungen zu beseitigen. Ein moderates Defizit und die sinnvolle Verwendung der Gelder für die Stärkung der Binnennachfrage seien letztlich gut für die Kreditwürdigkeit. rtr
EU-Vertreter haben die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit China, besonders in Ungarn, kritisiert. Es gebe Berichte über “eine Reihe geheimer chinesischer Polizeistationen in Europa”, sagte Mathieu Michel als Vertreter der belgischen EU-Ratspräsidentschaft am Mittwochabend bei einer Debatte im Europaparlament. “Die betroffenen Staaten müssen die innere Sicherheit auf ihrem eigenen Territorium aufrechterhalten”, betonte Michel.
Die ungarische Europaabgeordnete Katalin Cseh prangerte den jüngst abgeschlossenen Sicherheitspakt zwischen ihrem Heimatland und China an: “Chinesische Polizisten werden bald an touristischen Orten in Ungarn patrouillieren, so wie sie es in Serbien bereits getan haben”. Es sei “ironisch”, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán “ständig verspricht, Ungarn vor Brüssel zu schützen, und dann ausländische Polizeikräfte einer totalitären Diktatur in sein Hoheitsgebiet einlädt”, sagte Cseh. Sie forderte eine Strategie der EU-Kommission, um der “ausländischen Einmischung” entgegenzuwirken.
EU-Kommissionsvize Margaritas Schinas bezeichnete die Praxis als nicht akzeptabel. Schinas betonte, die EU-Mitglieder seien “für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und die Wahrung der inneren Sicherheit auf ihrem eigenen Boden verantwortlich“.
2022 hatte die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders offengelegt, dass China ein internationales Netzwerk aus illegalen Polizeistationen betreibt. Ziel der Schattenbehörden ist es, chinesische Staatsbürger im Ausland zu kontrollieren. Ungarn ging jüngst aber noch einen Schritt weiter: Budapest hat ein neues Abkommen mit Peking geschlossen, das eine “Zusammenarbeit in Justiz- und Sicherheitsfragen” vorsieht.
Im Februar hatte Chinas Minister für Öffentliche Sicherheit, Wang Xiaohong, in Budapest Regierungschef Orbán und Innenminister Sandor Pinter getroffen. Das Abkommen könnte zur Folge haben, dass chinesische Polizisten in Ungarn mit ihren Kollegen patrouillieren. Ziel sei ein engerer Austausch und gegenseitige Verständigung. ari
Die USA warnen China vor einer Unterstützung des russischen Angriffkriegs in der Ukraine. Vize-Außenminister Kurt Campbell kündigte am Dienstag an, dass seine Regierung Peking für mögliche russische Gebietsgewinne in der Ukraine verantwortlich machen werde. Man werde nicht tatenlos zusehen, betonte Campbell.
Anlass für dessen Aussagen war der Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow am Dienstag in Peking. Lawrow und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi hatten die Stärkung strategischer Kooperation beider Staaten erwogen. Chinas Präsident Xi Jinping wurde von Staatsmedien mit der Aussage zitiert, dass die Volksrepublik “die bilaterale Kommunikation” und die “multilaterale strategische Koordination” mit Moskau stärken wolle.
Die USA beobachten die Entwicklung der chinesisch-russischen Beziehungen mit Argusaugen. In Washington sei aufgefallen, dass sich China im Krieg auf Russlands Seite geschlagen habe. Campbell sagte, Peking habe sich dafür eingesetzt, die militärischen Fähigkeiten Moskaus zu stärken. Man habe China gewarnt, dass die Beziehungen zwischen den USA und China durch solch eine Unterstützung belastet würden.
China wies die Kritik zurück. “China und Russland haben das Recht, normale Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu führen”, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. “Jedes Land, dass wirklich Frieden für die Ukraine und ein baldiges Ende der Krise will, sollte zunächst überlegen, was der Grund für die Krise ist”. grz
Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. schlägt im Territorialstreit mit der Volksrepublik China schärfere Töne an. Am Mittwoch wies Marcos Kenntnisse über ein vermeintliches Abkommen zwischen seinem Vorgänger und Peking zurück, in dem die Philippinen Zugeständnisse im Territorialstreit um das Scarborough-Riff vor der philippinischen Küste gemacht haben sollen.
“Davon wissen wir nichts”, sagte Marcos kurz vor seinem Aufbruch nach Washington, wo er US-Präsident Joe Biden und Japans Premierminister Fumio Kishida treffen sollte. “Es gibt keine Unterlagen, keine Aufzeichnungen. Wir wurden nicht informiert, als ich ins Amt kam. Niemand sagte uns, dass es dieses Abkommen gibt.”
Hintergrund ist ein angebliches “Gentleman’s Agreement” zwischen Marcos’ Vorgänger Rodrigo Duterte und der Volksrepublik, wonach die Philippinen auf Zugang zu einem Schiffswrack verzichten würden, das Ende der 1990er-Jahre im Scarborough-Riff absichtlich auf Grund gelaufen war, um dort als militärischer Außenposten zu dienen.
“Ich bin entsetzt über die Vorstellung, dass wir durch ein geheimes Abkommen das Territorium, die Souveränität und die souveränen Rechte der Philippinen gefährdet haben”, sagte Marcos. Trotz der Nähe des Riffs zur philippinischen Küste beansprucht Peking es als chinesisches Staatsgebiet. grz
Russland, Lateinamerika, Südostasien: Chery ist die Marke unter den chinesischen Herstellern, die am meisten exportiert. Das Staatsunternehmen verkaufte 2023 mehr als 900.000 Fahrzeuge im Ausland. In Nordamerika und Europa sind die Autos von Chery dagegen kaum bekannt. Der Sprung nach Europa ist ein großer Schritt, der gut vorbereitet sein will. Seit mehreren Jahren arbeitet die Marke daran, und eine der zentralen Figuren dabei ist Jochen Tüting.
Als 2013 ein Headhunter anrief, war Tüting Manager bei Ford, besaß 14 Jahre Arbeitserfahrung in der Gesamtfahrzeugentwicklung und ein Diplom als Maschinenbauer im Bereich Fahrzeugtechnik und Verbrennungskraftmaschinen. Und jetzt China? Warum nicht. Tüting kannte das Land von Dienstreisen und war gemeinsam mit seiner Frau schon mehrfach durch Asien gereist. Die beiden wollten gerne ins Ausland und zogen mit ihrem einjährigen Sohn nach Shanghai. Sie blieben vier Jahre, bis 2017.
Der Hauptsitz von Chery liegt nicht in Shanghai, sondern im 300 Kilometer entfernten Wuhu in der Provinz Anhui. Eine Stadt, die für Expats längst nicht so verlockend ist. Chery brauchte allerdings internationale Kräfte, die mit ihrem Know-how sicherstellen würden, dass die Fahrzeuge auf europäischen Märkten und in den USA bestehen können.
Deswegen eröffnete der Hersteller 2013 in Shanghai ein zweites Entwicklungszentrum, um eine Fahrzeug-Plattform für internationale Märkte zu bauen, die den Crash-Anforderungen in den USA und Europa entspricht. Ein Punkt, an dem einige andere Hersteller Anfang der Nullerjahre gescheitert waren. Der Hersteller Landwind war einst im ADAC-Crashtest in allen Bereichen durchgefallen und sein Testfahrzeug daraufhin als “das gefährlichste Auto der Welt” bezeichnet. Ein Desaster, das lange Zeit prägend für das Image chinesischer Automarken war.
Jochen Tüting baute den Standort Shanghai als Verantwortlicher für den Bereich Gesamtfahrzeugentwicklung von Anfang an mit auf, sein Mitarbeiterausweis trug die Nummer 5. Die Aufgabe seines Teams: Das Kundenerlebnis im Fahrzeug zu internationalisieren – von der Fahrdynamik über die Lenkung, bis hin zu Details wie dem Klang des Wagens, der Kopffreiheit, dem Stauraum.
Das Entwicklungszentrum beschreibt Tüting als einen Schmelztiegel. Zu den lokalen Mitarbeitern gesellten sich Ingenieure aus unterschiedlichen Ländern. Die technischen Leitungspositionen besetzen neben Tüting zwei weitere Deutsche, ein Franzose, ein Amerikaner, ein Brasilianer und ein Engländer. Eine inspirierende Zusammenarbeit, erzählt Tüting, denn jeder von ihnen stammte aus einem der großen internationalen Traditionskonzerne. Im Entwicklungszentrum in Shanghai arbeiteten plötzlich Leute zusammen an einem gemeinsamen Projekt, die von Mercedes-Benz, BMW, Renault, Land Rover, Ford und General Motors kamen. Und jeder brachte seine eigenen Prozesse und Vorstellungen mit.
Dennoch ging es nach vier Jahren auch aus privaten Gründen zurück nach Deutschland. Tüting blieb Chery treu. Sein neuer Auftrag: Einen Standort in Deutschland aufzubauen. Vieles sprach für die Region Rhein/Main. Damals wurde Opel durch PSA übernommen, und in Rüsselsheim sollten Mitarbeiter freigesetzt werden. Zudem waren auch Kia, Hyundai, und einige Japaner mit Vertriebsorganisationen oder Entwicklungseinheiten dort angesiedelt. Die Wahl fiel auf das hessische Raunheim, wo inzwischen 52 Mitarbeiter aus 17 Nationen für Chery arbeiten.
Tüting leitet den Standort. Aus Raunheim verantwortet er sowohl den Bereich Design, der neue Fahrzeuge für internationale Märkte konzipiert und chinesische Modelle europäischer gestaltet. Der zweite Bereich ist das Engineering. Ein lokales Team kümmert sich um Themen wie die Anpassung von Fahrerassistenzsysteme. Häufige Warntöne nerven deutsche Kunden viel mehr als chinesische Kunden. Sie haben auch unterschiedliche Vorstellungen, wie sich eine Lenkung anfühlen muss. In China gibt es zudem kaum kurvige Landstraßen, sodass Assistenzsysteme in neuen Umgebungen angelernt werden müssen.
Nach anfänglichen Verzögerungen hat Chery inzwischen den Europa-Launch begonnen. Deutschland steht in der zweiten Jahreshälfte auf dem Plan. Für Jochen Tüting beginnt die bislang größte Herausforderung – der Markt seiner Heimat. Julia Fiedler
Liwen Zhang ist seit Anfang März neuer Business Development Manager bei Huawei Cloud Europe. Er war zuvor Managing Director und Co-Founder bei UbiStar V9.
Matthias Sauer ist seit Anfang März Lead EU & China Lab / AI Enablement Center bei Advantest. Er war zuvor Lab Lead Böblingen & China Applied Research and Venture Team bei dem japanischen Halbleiter-Hersteller.
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Dieses kulinarische Kunstwerk stammt aus der Küche der Zhuang-Minderheit aus der südchinesischen Provinz Guangxi. Dort werden in diesen Tagen im Rahmen des Hundert-Speisen-Festivals an der Rongan Experimental Primary School in Liuzhou allerlei farbenfrohe Köstlichkeiten vorgestellt – und trotz dieser aufwändigen Anordnung auch verspeist.